10TG - MECHANIK KRÄFTE P. Rendulić 2012 1 MECHANIK Die Mechanik ist die Bewegungszustände. 1 Lehre der Eigenschaften von Körpern und derer KRÄFTE 1.1 Die physikalische Größe Kraft Eine Kraft äußert sich durch ihre Auswirkungen auf Körper. Die Kraft gibt an, wie stark zwei Körper aufeinander einwirken. 1.1.1 Einheit und Formelzeichen der Kraft Die SI-Einheit der Kraft ist das Newton (Einheitszeichen: N). Das Formelzeichen der Kraft ist F (Hergeleitet aus dem englischen Wort für Kraft: „force“). Benannt ist die Einheit der Kraft nach dem berühmten und wichtigen englischen Physiker Sir Isaac Newton (1643 1727).Es gelten die folgenden Definitionen: 1 N ist die Kraft, die einen Körper mit einer Masse von 1 kg in einer Sekunde auf eine Geschwindigkeit von 1 m / s beschleunigt. 1 N ist die Kraft, mit der ein Körper mit einer Masse von etwa 100 g (exakter 101,9 g) an seiner Aufhängung zieht oder auf seine Unterlage drückt. 1.2 Kraft als Wechselwirkungsgröße Kräfte wirken immer zwischen zwei oder mehreren Körpern. Die Einwirkungen der Körper aufeinander sind dabei wechselseitig. Eine Kraft ist eine Wechselwirkungsgröße. 1.2.1 Wirkungen von Kräften Kräfte sind nur an ihren Wirkungen erkennbar. Kräfte können die Bewegung und die Form von Körpern verändern. Die Verformungen können plastisch oder elastisch sein. Eine plastische Verformung liegt vor, wenn der Körper seine ursprüngliche Form nach der Krafteinwirkung nicht wieder von selbst einnimmt (z.B Verformung bei einem Autounfall.). Bei einer elastischen Verformung nimmt der Körper seine ursprüngliche Form nach der Krafteinwirkung wieder von selbst ein (z.B Verformung einer Feder). 10TG - MECHANIK KRÄFTE P. Rendulić 2012 Bewegungsänderung von Körpern 2 Formänderung von Körpern Kräfte können bewegliche Körper in Bewegung versetzen. Kräfte können bewegliche Körper gegen einen Widerstand in Bewegung halten. Kräfte können unbewegliche Körper zeitweilig (elastisch) verformen. Kräfte können bewegliche Körper aus ihrer Bewegungsrichtung bringen. Kräfte können bewegliche Körper aus der Bewegung abbremsen. Kräfte können unbewegliche Körper dauerhaft (plastisch) verformen. 1.3 Darstellung von Kräften Die Wirkung einer Kraft ist abhängig: • • • vom Betrag (Stärke) der Kraft, von der Richtung der Kraft, vom Angriffspunkt der Kraft. Richtungssinn Angrifspunkt F Betr Wirkungslinie ag Eine Kraft ist eine gerichtete (vektorielle) Größe r F : Kraft als gerichtete Größe (Vektor) r F: Betrag der Kraft F in Newton Die Wirkung einer Kraft hängt von ihrem Betrag, ihrer Richtung und von ihrem Angriffspunkt ab. Unter der Wirkungslinie versteht man die Linie entlang welcher die Kraft wirkt. Sie entspricht der gedachten Verlängerung des Kraftpfeils. r r Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kraft F und der Betrag F der Kraft F richtig zu schreiben sind! (Vektor → mit Pfeil, Betrag → ohne Pfeil) 10TG - MECHANIK KRÄFTE P. Rendulić 2012 3 1.4 Messen von Kräften In einem Versuch soll der Zusammenhang zwischen Zugkraft und Verlängerung bei Schraubenfedern untersucht werden. 1.4.1 Versuch und Messwerte Wir hängen verschiedene Massen an eine Schraubenfeder. Dabei notieren wir den Betrag F der wirkenden Kraft an der Feder (Gewichtskraft der Massen), sowie die Verlängerung s der Feder. F (N) s (cm) F / s (N/cm) s F 1.4.2 Graphik Es wird ein Kraft-Verlängerung-Diagramm angefertigt (F-s-Diagramm): F (N) 0 s (cm) 10TG - MECHANIK KRÄFTE P. Rendulić 2012 4 1.4.3 • • • Analyse Der Quotient F / s (Kraft durch Verlängerung) ist konstant. Im Diagramm liegen die Messpunkte auf einer Gerade. Bei den Messungen bewirkt eine Verdopplung (Verdreifachung) der Kraft, dass sich die Verlängerung der Schraubenfeder verdoppelt (verdreifacht). Alle diese Eigenschaften sind Merkmale einer Proportionalität zwischen Kraft und Verlängerung. 1.4.4 Schlussfolgerung (Hookesches Gesetz) Die Verlängerung einer Schraubenfeder ist proportional zur wirkenden Kraft. Wir schreiben F ~s, und F = D ⋅s . F: wirkende Kraft (in N) s: Verlängerung der Feder (in cm oder m) D: Proportionalitätskonstante, Federkonstante (in N/cm oder N/m) Die Federkonstante ist ein Maß für die Härte der Feder. Je größer ihr Wert ist, desto mehr Kraft braucht man um die Feder zu dehnen. Für Schraubenfedern gilt das Hookesche Gesetz nicht unbegrenzt. Wird die Kraft zu groß, verformt sich die Feder unelastisch. 1.4.5 Beispiel Eine Feder (1) wird durch Einwirken einer Kraft von 2,0 N um 2 cm gedehnt. Eine zweite Feder (2) wird durch Einwirken der gleichen Kraft aber um 5,5 cm gedehnt. Die Steigungen betragen: F 2,0 N N • D1 = = = 1,0 s1 2 cm cm F (N) eF ed er 3,0 ha rt 2,5 2,0 1,5 e ich e w 1,0 r de e F • 0,5 s (cm) 0 2 4 6 8 D2 = F 2,0 N N = = 0,36 s2 5,5 cm cm Im F-s-Diagramm ist die Gerade der härteren Feder die steilere; ihrer Steigung ist größer als die der weicheren Feder. 10TG - MECHANIK 1.4.6 P. Rendulić 2012 KRÄFTE 5 Der Federkraftmesser Eine technische Anwendung ist der Federkraftmesser (auch noch Dynamometer genannt). er besteht aus einer Hülse, einer Feder, sowie eine Messskala, an der die Größe der Kraft abgelesen werden kann. Der Messbereich des Federkraftmessers hängt von der Härte der Feder ab. Er ist umso größer, je härter die verwendete Feder ist. Damit die eingebaute Feder nicht überdehnt werden kann, und sich somit unelastisch verformt, besitzt die Skala einen Messanschlag. 1.5 Aufgaben 1.5.1 Schraubenfeder 1 Eine Schraubenfeder, für die das Hookesche Gesetz gilt, wird durch eine Kraft von 3N um 2 cm gedehnt. a. Zeichne dazu ein Diagramm (Kraft als Funktion der Verlängerung). b. Berechne die Federkonstante der Schraubenfeder. c. Die Feder darf maximal um 10 cm gedehnt werden. Darf man eine Masse von 2500 g an diese Feder hängen? Begründe. d. Zeichne in das vorhandene Diagramm die Darstellung einer härteren und einer weicheren Feder, als die vorhandene. Begründe. 1.5.2 Schraubenfeder 2 Eine Schraubenfeder, für die das Hookesche Gesetz gilt, wird durch eine Kraft von 1 N um 2 cm gedehnt. a. Zeichne dazu ein Diagramm! b. Welchen Wert hat die Federkonstante D? (D = 0,5 N/cm) c. Um wieviel verlängert sich die Feder durch eine Gewichtskraft von 0,2 N, 0,5 N, 2 N? (s = 0,4 cm / 1,0 cm / 4,0 cm) 1.5.3 Dynamometer a. Welche Federkonstante muß die Feder eines Kraftmessers haben, wenn sein Messbereich 100 N und die zur Verfügung stehende Skalenlänge 8 cm betragen? (D = 12,5 N/cm) b. In welcher Entfernung ∆s von der Ausgangsstellung ist der Skalenteil 60 N anzubringen? (∆s = 4,8 cm) 1.5.4 Gekoppelte Federn * a. Zwei Schraubenfedern mit D = 2 N/cm werden aneinandergehängt. Wie groß ist die Verlängerung insgesamt, wenn man ein Massestück von m = 400 g an die untere Feder hängt? (s = 4 cm) b. Wie groß ist die Verlängerung, wenn die Federn parallel aufgehängt werden und unten verknüpft werden? (s = 1 cm) 10TG - MECHANIK KRÄFTE P. Rendulić 2012 6 1.6 Zusammensetzen von Kräften r r Wenn auf einen Körper 2 Kräfte F1 und F2 wirken, so setzen sich diese zu einer r resultierenden Kraft F zusammen. Es gilt immer: r r r F = F1 + F2 Die resultierende Kraft kann zeichnerisch (durch Anreihen der Kraftpfeile „Pfeilspitze an Pfeilende“, Kräfteparallelogramm) oder rechnerisch ermittelt werden. 1.6.1 Unterschiedliche Fälle Zwei Kräfte wirken in gleicher Richtung F1 F2 F = F1 + F2 F Zwei Kräfte wirken in entgegengesetzter Richtung F2 F1 F2 F1 F Zwei Kräfte wirken im rechten Winkel zueinander F = F1 − F2 F1 F2 F2 F F = F1 + F2 2 2 F1 Zwei Kräfte wirken in beliebiger Richtung zueinander ** ** F2 F α F= F1 + F2 + 2 ⋅ F1 ⋅ F2 ⋅ cos α 2 F1 2 Wenn mehr als zwei Kräfte auf einen Körper wirken, so kann die resultierende Kraft leicht ermittelt werden, indem man zunächst zwei Kräfte zusammensetzt, dann die resultierende Kraft mit der nächsten Kraft zusammensetzt, usw. 10TG - MECHANIK 1.6.2 KRÄFTE P. Rendulić 2012 7 Beispiele Kräfte wirken in gleicher Kräfte wirken in ent– Kräfte wirken in beliebiger Richtung gegengesetzter Richtung Richtung Durch Ankoppeln von 2 Lokomotiven kann die auf die Waggons wirkende Zugkraft vergrößert werden. Sie kann durch Addition der einzelnen Zugkräfte bestimmt werden. 1.6.3 Beim Tauziehen wirken die Kräfte der beiden Mannschaften in entgegengesetzte Richtungen. Die resultierende Kraft zeigt in Richtung der stärkeren Mannschaft und bestimmt den Bewegungssinn des Seils. Zum Bergen eines festsitzenden Fahrzeugs können 2 weitere Fahrzeuge mit Bergegurten zum Ziehen eingesetzt werden. Die resultierende Kraft entspricht der Diagonalen im Kräfteparallelo– gramm. Beispiel: Segelboot FWind Auf das Segeltuch eines Segelboots wirkt der Wind mit einer Kraft von 1000 N. Gleichzeitig wirkt die Strömung des Wassers mit einer Kraft von 400 N senkrecht zum Wind auf das Boot. Die resultierende Kraft beträgt: F F = FWind + FWasser 2 FWasser 2 F = ( 1000 N )2 + ( 400 N )2 = 1 160 000 N2 F = 1077 N 1.7 Schwerkraft und Gewichtskraft 1.7.1 Gravitation Die Gravitation (vom Lat. gravitas „Schwere“) ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Sie bezeichnet die gegenseitige Anziehung von Massen. Sie bewirkt damit beispielsweise, dass Gegenstände zu Boden fallen (sie werden von der Erde angezogen). Die Gravitation bestimmt auch die Bahn der Erde und der anderen Planeten um die Sonne. 1.7.2 Schwerkraft Die Schwerkraft ist eine Gravitationskraft. Sie entspricht der Anziehungskraft, die ein Planet oder Himmelskörper auf Körper ausübt, die sich in seiner Nähe befinden. 1.7.3 Gewichtskraft r Die Gewichtskraft FG entspricht in allen Punkten der Schwerkraft. Gewichtskraft und Schwerkraft sind die gleiche Kraft. 10TG - MECHANIK 1.7.4 P. Rendulić 2012 KRÄFTE 8 Merkmale der Gewichtskraft Eigenschaften der Gewichtskraft Die Gewichtskraft, die auf einen Körper wirkt ist zum Erdmittelpunkt gerichtet (aus diesem Grund fällt niemand von der kugelförmigen Erde). Die Richtung der Gewichtskraft entspricht der örtlichen Vertikalen. x Massenabhängigkeit der Gewichtskraft m=2kg m=10kg FG=20N FG=100N m=0,5kg FG=5N Die Gewichtskraft hängt von der Masse des Körpers ab. Je größer die Masse des Körpers ist, desto stärker wird er von einem Himmelskörper angezogen und desto größer ist seine Gewichtskraft. Das nebenstehende Foto zeigt Wägestücke auf der Erde. Ortsabhängigkeit der Gewichtskraft Die Gewichtskraft hängt vom Ort ab, an dem sich der Körper befindet. Auf dem Mond ist sie zum Beispiel 6-mal kleiner als auf der Erde. 1 kg FG=3N h=5000km 1 kg FG=10N 1 kg Die Gewichtskraft hängt auch von der Höhe über der Planetenoberfläche ab. Je höher ein Körper sich befindet, desto FG=1,6N geringer ist seine Gewichtskraft. Ein Körper von 1 kg Masse, der auf der Erdoberfläche mit ungefähr 10 N angezogen wird, hat in einer Höhe von 5000 km nur noch eine Gewichtskraft von etwa 3 N. 10TG - MECHANIK 1.7.5 KRÄFTE P. Rendulić 2012 9 Zusammenhang Gewichtskraft – Masse Die Gewichtskraft eines Körpers ist proportional zu seiner Masse. Wir schreiben Kraft– messer FG ~ m , und FG = m ⋅ g . FG: Gewichtskraft (in N) 1 kg Masse auf der Erde m: Masse des Körpers (in kg) g: Ortsfaktor, Fallbeschleunigung (in N/kg) Der Wert der Fallbeschleunigung gibt an, wie stark ein Körper von 1 kg Masse am entsprechenden Ort angezogen wird Fallbeschleunigung g in N/kg (** oder m/s2) bei Himmelskörpern (bezogen auf die Oberfläche) Merkur 3,82 Mars 3,73 Pluto 0,66 Venus 8,83 Jupiter 24,6 Sonne 274 Erde (Europa) 9,81 Saturn 10,4 Mond 1,62 Erde (Äquator) 9,78 Uranus 9,42 Ceres 0,26 Erde (Pol) 9,83 Neptun 11,3 Titan 1,35 1.7.6 Beispiel Wie groß sind die Masse und die Gewichtskraft eines 90 kg schweren Astronauts auf der Erde, dem Mond und dem Mars? ► Die Masse eines Körpers ist unabhängig vom Ort an dem er sich befindet. Aus diesem Grund beträgt die Masse des Astronauten auf der Erde, auf dem Mond und auf dem Mars jeweils 90 kg. ► Der Betrag der Gewichtskraft wird nach der Formel FG = m ⋅ g berechnet. Dementsprechend gilt: FG Erde = m ⋅ g Erde = 90 kg ⋅ 9,81N/kg = 883 N FG Mond = m ⋅ g Mond = 90 kg ⋅ 1,62 N/kg = 146 N FG Mars = m ⋅ g Mars = 90 kg ⋅ 3,73 N/kg = 336 N Das nebenstehende Foto zeigt den Astronauten Edwin „Buzz“ Aldrin auf dem Mond (fotografiert von Neil Armstrong † am 21. Juli 1969). 10TG - MECHANIK 1.7.7 KRÄFTE P. Rendulić 2012 10 Zusammenfassung Masse m r Gewichtskraft FG Die Masse ist eine Eigenschaft des Körpers. Sie ist ein Maß für die im Körper enthaltene Stoffmenge. Die Masse ist nur vom Körper abhängig. Die Gewichtskraft entspricht der Anziehungskraft, die ein Planet auf einen Körper ausübt. Sie hängt vom Körper und vom Planeten ab. Die Masse eines Körpers ist überall Die Gewichtskraft eines Körpers ist gleich groß. abhängig vom Ort, an dem sich der Körper befindet. Die Einheit der Kilogramm (1 kg). Masse ist das Die Einheit der Gewichtskraft ist das Newton (1 N). Das Messgerät für die Masse ist die Das Messgerät für die Gewichtskraft ist Waage. das Dynamometer. 1.7.8 Schwerelosigkeit Versuch: Wir hängen einen Körper an ein Dynamometer und bestimmen seine Gewichtskraft. Dann lassen wir das Dynamometer fallen. FESTSTELLUNG: Im freien Fall zeigt das Dynamometer keine Kraft mehr an. Ein Körper im freien Fall ist schwerelos. ACHTUNG: Schwerelosigkeit bedeutet nicht, dass die Gewichtskraft beim Fallen verschwunden wäre! Die Gewichtskraft existiert sehr wohl, denn sie ist die Ursache für das Fallen. Im Versuch zeigt das Dynamometer keine Kraft an, denn alle Körper beschleunigen im freien Fall (unter Vernachlässigung der Luftreibung) gleich. Um auf der Erde den Zustand der Gewichtslosigkeit zu erreichen kann man Körper in einem luftevakuierten Fallturm fallen lassen. Auch Körper in einer Raumstation welche die Erde auf einer Satellitenbahn umkreisen sind schwerelos. Diese Körper befinden sich andauernd (wie die Raumstation) im freien Fall und fallen auf einer Kreisbahn um die Erde herum. 10TG - MECHANIK P. Rendulić 2012 KRÄFTE 11 1.8 Schwerpunkt Bis jetzt haben wir uns nicht damit auseinandergesetzt, wo der Angriffspunkt der Gewichtskraft liegt. Wir kennen bereits die Wirkungslinie der Gewichtskraft und wissen, wie wir ihren Betrag berechnen können. Wir wollen jetzt untersuchen, wo genau die Gewichtskraft an einem Körper angreift. 1.8.1 Versuch Wir legen eine dünne Pappscheibe so auf eine Bleistiftsspitze, dass sie nicht herunterfällt. An der Stelle, an der die Bleistiftsspitze die Pappscheibe berührt, wirkt die gesamte Gewichtskraft der Scheibe auf die Spitze. Es ist so, als ob dort die gesamte Masse der Scheibe konzentriert wäre. Dieser Punkt der Scheibe heißt Schwerpunkt. (Genauer: der Schwerpunkt liegt im Innern der Scheibe) Der Angriffspunkt der Gewichtskraft (oder der Schwerkraft) ist der Schwerpunkt des Körpers. 1.8.2 Versuch Wir hängen eine Platte, deren Schwerpunkt wir nach der soeben beschriebenen Methode bestimmt haben, an verschiedenen Punkten auf. Wir stellen fest, dass der Schwerpunkt sich stets lotrecht unter dem Aufhängepunkt befindet, wenn der Körper in Ruhe ist. Ein frei beweglicher, aufgehängter Körper nimmt stets die Lage ein, in der sich sein Schwerpunkt lotrecht unter dem Aufhängepunkt befindet. Diese Eigenschaft des Schwerpunkts kann man benutzen, um seine Lage einfach zu bestimmen. Dazu reicht es, einen Körper an verschiedenen Punkten aufzuhängen und jeweils die Wirkungslinie der Gewichtskraft einzuzeichnen. Der Schnittpunkt dieser Wirkungslinien entspricht dem Schwerpunkt. Bei homogenen, symmetrisch geformten Körpern wie Kugeln, Würfeln oder Quadern, liegt der Schwerpunkt stets im Zentrum des Körpers. Unter einem homogenen Körper versteht man einen Körper gleicher Beschaffenheit, der an jeder Stelle die gleichen makroskopischen Eigenschaften aufweist. Solche Körper besitzen an jeder Stelle die gleiche Dichte. 10TG - MECHANIK 1.9 P. Rendulić 2012 KRÄFTE 12 Aufgaben 1.9.1 Astronaut Ein Astronaut mit Ausrüstung hat eine Masse von 130 kg. Wie groß ist seine Gewichtskraft auf der Erde, auf dem Mond, in der Raumstation? 1.9.2 Sandsack Am Äquator beträgt das Gewicht eines mit Sand gefüllten Sacks 1 200 N. Muss man am Nordpol Sand herausnehmen oder hinzufügen, damit das Gewicht auch dort 1 200 N beträgt? Berechne wieviel! 1.9.3 Mondgestein Ein Astronaut kann maximal eine Kraft von 250 N aufbringen um einen Stein zu heben. a. Bestimme die maximale Masse eines Steins, den er auf dem Mond heben kann. b. Wie groß wäre die Masse des gleichen Steins auf der Erde? c. Welche Kraft müsste der Astronaut aufbringen, um den gleichen Stein auf der Erde zu heben? 1.9.4 Waage * Würde eine Küchenwaage die Masse eines Körpers auf dem Mond richtig anzeigen? Erkläre! Wäre eine Balkenwaage die bessere Wahl? 1.9.5 Schwerpunkt von Körpern Schneide aus Pappe unterschiedlich geformte Stücke aus und bestimme den Schwerpunkt: • • durch Ausbalancieren der Pappe auf einer Bleistiftsspitze, durch Aufhängen der Pappe an unterschiedlichen Punkten. Übertrage dazu die folgenden Figuren vergrößert auf die Pappe 10TG - MECHANIK 1.10 KRÄFTE P. Rendulić 2012 13 Wechselwirkung von Kräften (Reaktionsprinzip) 1.10.1 Versuch 1 Zwei Schüler mit etwa gleicher Masse stehen sich in einigen Metern Entfernung auf einer rollbaren Plattform gegenüber. Sie halten zwischen sich ein gespanntes Seil. Das Experiment besteht aus 3 Teilen: • der linke Schüler zieht, der rechte hält das Seil fest, • der rechte Schüler zieht, der linke hält das Seil fest, • beide Schüler ziehen. In allen 3 Fällen bewegen sich die Schüler aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Die Bewegung kommt zustande, da 2 Körper wechselseitig aufeinander wirken. Ergebnis: Übt ein Körper eine Kraft auf einen zweiten aus, so wirkt stets auch eine Kraft vom zweiten auf den ersten Körper. Beide Kräfte sind einander entgegengesetzt gerichtet. Man spricht von Kraft und Gegenkraft. 1.10.2 Versuch 2 Zwei Federkraftmesser werden in gleicher Höhe an zwei Stativen befestigt und durch einen Faden miteinander verbunden. Die Stative werden schrittweise auseinander entfernt und dabei jeweils die beiden Kräfte gemessen. Unabhängig davon, welches Stativ bewegt wird, zeigen beide Kraftmesser immer Kräfte mit gleichen Beträgen an. Ergebnis: Kraft und Gegenkraft sind stets gleich groß; sie haben den gleichen Betrag. Das Reaktionsprinzip kann dementsprechend folgendermaßen formuliert werden: Kräfte treten immer paarweise auf. Wenn Körper A eine Kraft auf Körper B ausübt, so wirkt eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A. 10TG - MECHANIK KRÄFTE P. Rendulić 2012 14 B FB auf A FA auf B A Kraft und Gegenkraft wirken auf verschiedene Körper. Sie sind stets gleicher Natur (ist die Kraft z.B. eine Gravitationskraft, so ist die Gegenkraft auch eine Gravitationskraft). 1.11 Beispiele aus dem Alltag Raketenantrieb Gehen Auto Im Triebwerk einer Rakete werden große Mengen an Treibstoff verbrannt. Die so entstehenden Abgase werden durch die Rakete mit großer Kraft nach hinten gepresst. Durch das Reaktions– prinzip üben die Abgase eine gleich große, nach vorne gerichtete Kraft auf die Rakete aus. Diese erhält so ihren Vortrieb, sogar im luftleeren Raum. Beim Gehen übt eine Person mit ihren Füßen eine nach hinten gerichtete Kraft auf den Boden aus. Durch das Reaktionsprinzip übt der Boden eine gleich große, nach vorne gerichtete Kraft auf die Person aus. Dadurch kann die Person nach vorne gehen. Auch Kraftfahrzeuge können sich nur Dank des Reaktionsprinzips fortbewegen. Dabei üben diese durch die angetriebenen Räder eine nach hinten gerichtete Kraft auf die Straße aus. Die Straße übt dann eine nach vorne gerichtete Kraft auf die Räder und somit auf das Kraftfahrzeug aus. 1.12 Aufgaben 1.12.1 Der Apfel Ein Apfel liegt auf einem Tisch. Fertige ein Schema an und bestimme alle auf den Apfel wirkende Kräfte und deren Gegenkräfte. 1.12.2 Baum Eine Person zieht an einem Seil, das an einem Baum befestigt ist. Erkläre was passiert, wenn man das Seil durchschneidet. 10TG - MECHANIK 2 REIBUNG P. Rendulić 2012 15 REIBUNG 2.1 Reibungskräfte Wenn Körper aufeinander haften, gleiten oder rollen, treten bewegungshemmende Kräfte auf. Diese Kräfte nennt man Reibungskräfte. Diese sind immer so gerichtet, dass sie der Bewegung entgegenwirken und diese behindern oder ganz verhindern. Vergrößerung Zugrichtung FZug FR Die Hauptursache für das Auftreten von Reibungskräften liegt in der Oberflächen– beschaffenheit der Körper. Diese Oberflächen sind mehr oder weniger Rau. Wenn Körper aufeinander liegen oder sich gegeneinander bewegen, so verhaken sich die Unebenheiten der Flächen. Je nach Art der Bewegung der Körper unterscheidet man zwischen Haftreibung, Gleitreibung und Rollreibung. 2.2 Haftreibung Um einen ruhenden Körper in Bewegung zu versetzen, muss die Zugkraft an ihm einen bestimmten Wert erreichen. Durch das Ziehen entsteht nämlich eine der Zugkraft entgegengerichtete Haftreibungskraft. Solange der Körper ruht, sind die Haftreibungskraft und die Zugkraft gleich groß. Der Körper setzt sich erst ruckartig in Bewegung, wenn die Haftreibungskraft ihren maximal möglichen Wert erreicht hat (und dann wieder abfällt). FZug FHR FHR Es wird am Körper gezogen. Dieser setzt sich nicht in Bewegung. FZugmax FZug Es wird fester am Körper gezogen. Dieser ruht immer noch. FHRmax Bei noch festerem Ziehen setzt sich der Körper in Bewegung. Kurz davor wurde der Wert der maxi– malen Haftreibungskraft erreicht. Die Haftreibungskraft ist die Reibungskraft die einen ruhenden Körper an seiner Unterlage haften lässt und dadurch die in Bewegungsversetzung des Körpers erschwert. 2.2.1 Experimentelle Herleitung Es soll untersucht werden, von welchen Parametern die maximale Haftreibungskraft abhängt. Aus dem Alltag wissen wir, dass die Haftreibungskraft umso größer ist je rauer die Kontaktflächen zwischen Körpern sind und je stärker der Körper, der in Bewegung gesetzt werden soll gegen seine Unterlage drückt. Aus diesem Grund versuchen wir einen Klotz, den wir progressiv beschweren, zuerst auf einer glatten, dann auf einer rauen Oberfläche in Bewegung zu versetzen. Wir messen r jeweils den maximalen Wert der Zugkraft FZug max , für welchen der Körper sich gerade in Bewegung versetzt. Dieser Wert entspricht dem maximalenr Wert der Haftreibungskraft r FHR max . Die Messungen erfolgen bei steigender Normalkraft FN . Darunter versteht man die Kraft, mit welcher der Körper senkrecht gegen die Unterlage drückt. 10TG - MECHANIK 2.2.2 REIBUNG P. Rendulić 2012 16 Versuch und Messwerte FZugmax FN (N) Glatte Unterlage Raue Unterlage FHRmax (N) FHRmax (N) FHRmax / FN FHRmax / FN FHRmax FN Bei waagerechter Unterlage entspricht die Normalkraft der Gewichtskraft des Körpers. 2.2.3 Schlussfolgerung In der Messwertetabelle stellt man fest, dass der Quotient FHRmax / FN konstant ist. Die maximale Haftreibungskraft ist daher proportional zur Normalkraft. Die maximale Haftreibungskraft und die Normalkraft sind proportional zueinander. Wir schreiben FHR max ~ FN , und FHR max = µHR ⋅ FN . FHRmax: maximale Haftreibungskraft (in N) FN: Normalkraft (in N) µHR: Proportionalitätskonstante, Haftreibungszahl (ohne Einheit, Werte → Tabelle) Die Haftreibungszahl ist ein Maß für die Rauheit der Kontaktflächen. Je glatter die Oberflächen sind, desto kleiner ist die Haftreibungszahl. 10TG - MECHANIK 2.3 REIBUNG P. Rendulić 2012 17 Gleitreibung Bewegung FZug FGR Um einen Körper gegen einen Widerstand in Bewegung zu halten, muss an ihm eine Zugkraft oder Antriebskraft wirken, die der Gleitreibungskraft entgegengerichtet ist. 2.3.1 Experimentelle Herleitung Es soll untersucht werden, von welchen Parametern die Gleitreibungskraft abhängt. Wie vorher benutzen wir einen Klotz, den wir progressiv beschweren, und ziehen ihn zuerst auf einer glatten, dann auf einer rauen Oberfläche mit rkonstanter Geschwindigkeit über den Tisch. Wir messen jeweils den Wert der Zugkraft FZug . Dieser Wert entspricht dem Wert r r der Gleitreibungskraft FGR . Die Messungen erfolgen bei steigender Normalkraft FN . 2.3.2 Versuch und Messwerte Glatte Unterlage FN (N) Bewegung FGR (N) FGR / FN Raue Unterlage FGR (N) FGR / FN FZug FGR FN 2.3.3 Schlussfolgerung In der Messwertetabelle stellt man fest, dass der Quotient FGR / FN konstant ist. Die Gleitreibungskraft ist daher proportional zur Normalkraft. Die Gleitreibungskraft und die Normalkraft sind proportional zueinander. Wir schreiben FGR ~ FN , und FGR = µGR ⋅ FN . FGR: Gleitreibungskraft (in N) FN: Normalkraft (in N) µGR: Proportionalitätskonstante, Gleitreibungszahl (ohne Einheit, Werte → Tabelle) 10TG - MECHANIK 2.3.4 REIBUNG P. Rendulić 2012 18 Gleitreibungskraft und Auflagefläche Der Versuch zeigt, dass die Kraft, die man braucht, um einen Körper mit konstanter Geschwindigkeit über eine Unterlage zu ziehen, nicht von der Größe seiner Auflagefläche abhängt. Daher ist auch die Gleitreibungskraft unabhängig von der Größe der Auflagefläche. Die Gleitreibungskraft ist unabhängig von der Größe der Auflagefläche eines Körpers 2.4 Rollreibung Bewegung FZug FRR FN Die Reibung zwischen einem Körper und seiner Unterlage kann verringert werden, indem man dafür sorgt, dass der Körper nicht über seine Unterlage gleitet, sondern rollt (z.B. durch Anbringen von Rädern). In diesem Fall bezeichnet man die bewegungshemmende Kraft als Rollreibungskraft. Versuche zeigen, dass die Zusammenhänge sich bei der Rollreibung ähnlich verhalten, wie bei der Gleitreibung. Aus diesem Grund kann man schreiben: FRR = µRR ⋅ FN . FRR: Rollreibungskraft (in N) FN: Normalkraft (in N) µRR: Proportionalitätskonstante, Rollreibungszahl (ohne Einheit, Werte → Tabelle) 2.4.1 Ursache der Rollreibung Ursache für die Rollreibungskraft ist die Verformung der Räder (und der Unterlage) beim Rollen. Da ein PKW-Reifen aus elastischem Gummi gefertigt wird, ist die Verformung beim Fahren groß. Sie wird stark durch den Luftdruck im Reifen beeinflusst. Räder von Zügen sowie, die Schienen auf denen sie Rollen sind aus Stahl gefertigt. Hier ist die Rollreibung wegen geringer Verformung besonders klein. Beim Rollen auf einem Teppichboden kann man die Verformung der Unterlage gut beobachten. Vor dem Rad bildet sich eine Teppichwulst. 10TG - MECHANIK REIBUNG P. Rendulić 2012 19 2.5 Reibungszahlen Die Reibungszahlen charakterisieren die Rauheit der übereinander reibenden Oberflächen. Durch Nässe oder Schmieren (Einbringen von Flüssigkeiten zwischen die Kontaktflächen) können die Reibungszahlen beträchtlich beeinflusst werden. Reibungszahlen in Natur und Technik Haftreibungszahl µHR Gleitreibungszahl µGR Rollreibungszahl µRR Holz auf Holz 0,6 0,5 - Stahl auf Stahl 0,15 0,10 0,002 Stahl auf Eis 0,03 0,01 - Luftreifen auf Asphalt 0,55 (nass: 0,3) 0,3 0,015 ... 0,025 Luftreifen auf Beton 0,65 (nass: 0,5) Stoffe Luftreifen auf Schnee < 0,2 Luftreifen auf Ackerboden 0,45 (nass 0,2) Kettenfahrzeug auf Ackerboden 0,8 0,07 ... 0,12 Versuche zeigen dass: µHR > µGR >> µRR 2.6 Zusammenfassung Haftreibung Gleitreibung Rollreibung Haftreibung liegt vor, wenn ein Körper an einem anderen haftet. Gleitreibung liegt vor, wenn ein Körper auf einem anderen gleitet. Rollreibung liegt vor, wenn ein Körper auf einem anderen rollt. Beispiel: Es wird an einem Schrank gezogen, ohne dass dieser sich bewegt. Beispiel: ein Klotz wird über den Tisch gezogen. Beispiel: eine Schubkarre wird gezogen. v=0 FZugmax FHRmax FGR FN FHR max = µHR ⋅ FN v=0 FZug FZug FRR FN FGR = µGR ⋅ FN FN FRR = µRR ⋅ FN Alle Reibungskräfte hängen von der Beschaffenheit der Berührungsflächen und der Kraft, mit der die Körper senkrecht aufeinander einwirken (Normalkraft) ab. Es gilt: FHR max > FGR >> FRR 10TG - MECHANIK 2.7 P. Rendulić 2012 REIBUNG 20 Aufgaben 2.7.1 Metallklotz Ein Metallklotz (m = 2 kg) wird gleichmäßig über den Tisch gezogen. Die Zugkraft beträgt 3 N. Berechne die Gleitreibungszahl! 2.7.2 Schlitten Ein Schlitten (m = 4 kg) mit Stahlkufen und einem Kind darauf (m = 35 kg) wird über das Eis eines zugefrorenen Sees gezogen. Die Gleitreibungszahl zwischen Stahl und Schnee beträgt µGR = 0,01. Wie groß muss die Zugkraft am Schlitten mindestens sein? 2.7.3 Körper Ein Körper mit 20 kg Masse liegt auf einer Unterlage. Die Haftreibungszahl beträgt µHR = 0,6. a. Welche Zugkraft ist notwendig, um den Körper in Bewegung zu versetzen? b. Wie groß ist die Reibungskraft bei einer Zugkraft von 80 N? Fertige auch eine Skizze mit Kraftpfeilen an! 2.7.4 Holzschrank Ein Schrank aus Holz steht auf einem glatten hölzernen Fußboden. Um ihn in Bewegung zu versetzen ist eine Kraft von 500 N aufzubringen. Bestimme die Masse des Schranks! 2.7.5 Kleine Fragen c. Im täglichen Leben ist Gleitreibung meist unerwünscht. Haftreibung hingegen ist häufig nützlich oder sogar lebenswichtig. Erläutere an Beispielen! d. Versuche eine Erklärung zu finden, warum bei gleicher Oberflächenbeschaffenheit die Gleitreibungszahl kleiner ist als die Haftreibungszahl! e. Beim Fahrradfahren spielt Reibung an mehreren Stellen eine Rolle. Wo ist sie von Vorteil und wo von Nachteil? f. Erkläre, warum ein schwach aufgepumpter Mountainbike-Reifen die Bewegung stärker hemmt als ein Rennradreifen! g. Erläutere die Funktionsweise einer Scheibenbremse beim Auto! h. Erläutere die Wirkungsweise eines Anti-Blockier-Systems (ABS)! Welche Vorteile bietet es? i. Ändert sich beim Zuladen eines Fahrzeugs die Rollreibungszahl zwischen Reifen und Straße? Erkläre! Ist die Reibungskraft hier noch immer proportional zur Normalkraft ? * Scheibenbremse beim PKW. Flachriemen bei einem Motor 10TG - MECHANIK ARBEIT UND LEISTUNG P. Rendulić 2012 3 ARBEIT UND LEISTUNG 3.1 Mechanische Arbeit 3.1.1 Definition der Arbeit Wenn ein Körper unter r der Einwirkung einer konstanten Kraft F die Strecke s in Wegrichtung zurücklegt, dann wird an ihm die Arbeit W verrichtet. Es gilt: 21 F s Körper W = F ⋅s r W: Arbeit der Kraft F r F: Betrag der Kraft F s: zurückgelegte Strecke 3.1.2 Einheit der Arbeit Die SI-Einheit der Arbeit ist das Joule (Einheitszeichen: J, zu Ehren von James Prescott Joule, 1818 – 1889, britischer Physiker): [W ] = [F]⋅ [s] = 1 N ⋅ 1 m = 1 J Wenn eine Kraft von 1 N an einem Körper wirkt und diese Kraft ihren Angriffspunkt um 1 m in Wegrichtung verlagert, dann wird an diesem Körper eine Arbeit von 1 J verrichtet. 3.1.3 Wenn die Kraft nicht in Wegrichtung wirkt FN F α FT s r Die Kraft F kann in 2 Komponenten zerlegt werden: eine tangentiale Komponente r FT (parallel zur Wegrichtung) und r eine normale Komponente FN (senkrecht zur Wegrichtung) α: Winkel zwischen Kraft und Weg r r r F = FT + FN r Um die Arbeit der Kraft F zu berechnen muss die Komponente benutzt werden die in Wegrichtung wirkt. Daher gilt: r W (F ) = FT ⋅ s Durch Benutzen der trigonometrischen Funktionen kann man auch schreiben: r W (F ) = F ⋅ s ⋅ cos α Anmerkung **: Im rechtwinkligen Dreieck gilt: (trigonometrische Funktionen) 10TG - MECHANIK ARBEIT UND LEISTUNG Gegenkathete P. Rendulić 2012 c e nus e t po Hy b cos α = Ankathete a = Hypotenuse c sin α = Gegenkathe te b = Hypotenuse c 22 Gegenkathe te b = Ankathete a Beispiel: Unter der Annahme, dass α = 25° und c = 8 cm kann a berechnet werden: Ankathete a tan α = a c ⇔ a = c ⋅ cos α = 8 cm ⋅ cos 25° = 8 cm ⋅ 0,906 3 = 7,25 cm cos α = Eine ähnliche Rechnung kann natürlich auch mit Kräften durchgeführt werden. 3.1.4 Spezialfall: die Kraft wirkt in Wegrichtung * In diesem Fall gilt: α = 0 . F s r W (F ) = F ⋅ s ⋅ cos α r W (F ) = F ⋅ s ⋅ cos 0° 123 1 r W (F ) = F ⋅ s ⋅ 1 r W (F ) = F ⋅ s Dies entspricht der einfachen Formel, die im Abschnitt 3.1.1 diskutiert wurde. In diesem Fall ist die Arbeit maximal. 3.1.5 Kraft und Wegrichtung stehen senkrecht zueinander * In diesem Fall gilt: α = 90° . F s r W (F ) = F ⋅ s ⋅ cos α r W (F ) = F ⋅ s ⋅ cos 90° 1 424 3 0 r W (F ) = F ⋅ s ⋅ 0 r W (F ) = 0 Eine senkrecht zur Wegrichtung wirkende Kraft verrichtet keine Arbeit! 10TG - MECHANIK ARBEIT UND LEISTUNG P. Rendulić 2012 23 3.1.6 Beispiel: Hubarbeit Beim Heben eines Körpers um die Höhe h wird Hubarbeit verrichtet. FHub m FHub h Die Figur zeigt, dass die Hubkraft in Wegrichtung wirkt und wir wissen dass beim Heben mit konstanter Geschwindigkeit der Betrag der Hubkraft dem Betrag der Gewichtskraft entspricht. FHub = FG = m ⋅ g r Wir können daher die von der Hubkraft FHub verrichtete Arbeit einfach berechnen: WHub = FHub ⋅ h WHub = FG ⋅ h WHub = m ⋅ g ⋅ h m Daher gilt: WHub = m ⋅ g ⋅ h FG 3.2 Mechanische Leistung 3.2.1 Definition der Leistung Beim Verrichten der gleichen Arbeit ist die Leistung umso größer, je weniger Zeit man braucht. Die Leistung ist umso größer, je mehr Arbeit man in einer bestimmten Zeit verrichtet. Die mechanische Leistung wird definiert als Quotient aus der verrichteten Arbeit und der dafür benötigten Zeit. W P= t P: mechanische Leistung W: verrichtete Arbeit t: zum Verrichten der Arbeit benötigte Zeit Die Formel zeigt: • P ~W : • P~ 1 : t wenn in der gleichen Zeit die doppelte Arbeit verrichtet wird, dann ist die mechanische Leistung doppelt so groß, wenn für die gleiche Arbeit die doppelte Zeit benötigt wird, dann ist die mechanische Leistung nur halb so groß. 10TG - MECHANIK ARBEIT UND LEISTUNG P. Rendulić 2012 24 3.2.2 Einheit der Leistung Die SI-Einheit der Leistung ist das Watt (Einheitszeichen W, zu Ehren von James Watt, 1736 – 1819 schottischer Erfinder): [P] = [W ] = 1 J = 1 W [t ] 1 s Wenn eine Arbeit von 1 J in 1 s verrichtet wird, dann beträgt die Leistung 1 W. Oft werden die folgenden dezimalen Vielfache benutzt: 0,001 W = 1 mW (Milliwatt) 1 000 W = 1 kW (Kilowatt) 1 000 000 W = 1 MW (Megawatt) Anmerkung: Die Einheit Kilowattstunde (kWh) ist keine Einheit der Leistung! Sie ist vielmehr eine Einheit der Arbeit. In der Tat: 1 kWh = 1 kW ⋅ 1 h = 1000 W ⋅ 3600 s = 3 600 000 J ⋅ s = 3 600 000 J = 3,6 MJ s 1 kWh = 3 600 000 J = 3,6 MJ 3.2.3 Pferdestärke PS James Watt war der Meinung, dass ein Pferd eine Masse von 75 kg in 1 s auf eine Höhe von 1 m heben kann. Die dazugehörige Leistung definiert man als Pferdestärke. Der Zusammenhang zwischen der Einheit Pferdestärke und der Einheit Watt kann einfach hergeleitet werden. Es wird Hubarbeit verrichtet und es gilt die dazugehörige Leistung zu bestimmen. P= W FHub ⋅ h m ⋅ g ⋅ h 75 kg ⋅ 9,81 N / kg ⋅ 1 m = = = = 736 W t t t 1s Daher gilt: 1 PS = 0,736 kW 1 kW = 1,36 PS 3.2.4 Beispiel Der Motor eines Autos hat eine Leistung von P = 110 kW. Seine Leistung in Pferdestärken entspricht dementsprechend P = 110 · 1,36 PS = 149,6 PS. 3.2.5 Zusammenhang zwischen Leistung und Geschwindigkeit * Eine Kraft F, die ihren Angriffspunkt mit der Geschwindigkeit v parallel in Wegrichtung bewegt, verrichtet die Arbeit W und hat die Leistung P: 10TG - MECHANIK P. Rendulić 2012 P= ARBEIT UND LEISTUNG 25 W F ⋅s s = = F ⋅ = F ⋅v t t t P = F ⋅v Anmerkung: Als Geschwindigkeit v eines Körpers bezeichnet man den Quotienten aus der Strecke s die der Körper zurücklegt und der Zeit t, die der Körper dafür benötigt: v= s t 3.2.6 Beispiel * Ein Auto fährt auf einer horizontalen Straße. Die Reibungskräfte (bedingt durch den Rollwiderstand und den Fahrtwind) betragen 500 N. Welche Leistung muss der Motor haben, damit der Wagen mit einer konstanten Geschwindigkeit von 80 km / h fährt? Lösung: Die Antriebskraft FA des Autos muss die Reibungskräfte FR überwinden. Es gilt: FA = FR = 500 N Die den Rädern zugeführte Leistung kann also berechnet werden nach: P = FA ⋅ v = 500 N ⋅ 80 3.3 km 1000 m J = 500 N ⋅ 80 ⋅ = 11,1⋅ 103 = 11,1 kW h 3 600 s s Zusammenfassung Arbeit W = F ⋅s Einheit: Joule (J) Hubarbeit Leistung WHub = m ⋅ g ⋅ h P= W t Einheit: Watt (W) Zusatz– einheiten r W: Arbeit der Kraft F r F: Betrag der Kraft F s: zurückgelegte Strecke WHub: Hubarbeit m: Masse des gehobenen Körpers h: Hubhöhe P: mechanische Leistung W: verrichtete Arbeit t: zum Verrichten der Arbeit benötigte Zeit 1 kWh = 3,6 MJ 1 kW = 1,36 PS (Arbeit) (Leistung) 10TG - MECHANIK 3.4 P. Rendulić 2012 ARBEIT UND LEISTUNG 26 AUFGABEN 3.4.1 Stapeln von Quadern Es werden 3 quaderförmige Körper von je 30 cm Höhe und einer Masse von 20 kg aufeinandergeschichtet. a. Welche Arbeit ist dafür erforderlich? b. Wie groß ist die Leistung wenn das Stapeln in 5 s erfolgt? 3.4.2 Holzquader Ein Arbeiter zieht einen Holzquader (m = 50kg) über den Boden. a. Welche Zugkraft muss er ausüben (µG = 0.5) ? b. Welche Arbeit verrichtet er, wenn er den Quader 150 m weit zieht? c. Wie groß ist seine Leistung, wenn er dafür 3 Minuten benötigt? 3.4.3 Hubkran Ein Motor hebt ein 500 kg schweres Objekt, welches an einem Seil hängt, mit einer konstanten Geschwindigkeit von 2,0 cm/s. Welche Leistung, in PS, liefert der Motor? 3.4.4 Lastwagen * Ein Lastwagen von 10 Tonnen Masse fährt mit einer konstanten Geschwindigkeit von 60 km/h auf einer horizontalen Straße. Die Rollreibungszahl beträgt µ = 0,15; zusätzlich wirkt eine Reibungskraft von 1 000 N bedingt durch den Fahrtwind. Welche Leistung muss der Motor des Lastwagens aufbringen? 3.4.5 Schlitten Ein Schlitten wird mittels einer Kraft mit einer konstanten Geschwindigkeit über den Boden gezogen. Die Kraft wirkt durch ein am Schlitten befestigtes Seil, das mit dem Boden einen Winkel von 39° einschließt. Die Reibungskraft beträgt 65 N a. Berechne die erforderliche Zugkraft am Seil! b. Berechne die verrichtete Arbeit, wenn der Schlitten 15 m weit gezogen wird! c. Berechne die Leistung, wenn die 15 m in 20 s überwunden werden! 10TG - MECHANIK 4 P. Rendulić 2012 ENERGIE UND WIRKUNGSGRAD 27 ENERGIE UND WIRKUNGSGRAD 4.1 Die physikalische Größe Energie Die Energie ist eine grundlegende physikalische Größe. Sie spielt in fast allen Teilen der Physik und weit darüber hinaus eine zentrale Rolle. Energie ist die Fähigkeit, mechanische Arbeit zu verrichten, Wärme abzugeben oder Strahlung auszusenden. 4.2 Energieformen Potenzielle Lageenergie Potenzielle Spannenergie Kinetische Energie Körper, die aufgrund ihrer Lage mechanische Arbeit verrichten können, besitzen potenzielle Lageenergie Epot oder ELage. Körper, die aufgrund ihrer Verformung mechanische Arbeit verrichten können, besitzen potenzielle Spannenergie Espann. Körper, die aufgrund ihrer Bewegung mechanische Arbeit verrichten können, besitzen kinetische Energie Ekin. Rotationsenergie Chemische Energie Thermische Energie Körper, die aufgrund ihrer Rotation um eine Drehachse Arbeit verrichten können, besitzen Rotationsenergie Erot. Körper, die bei chemischen Reaktionen Wärme abgeben, Arbeit verrichten oder Licht aussenden, besitzen chemische Energie Ech. Körper, die aufgrund ihrer Temperatur Arbeit verrichten, Wärme abgeben oder Licht aussenden besitzen thermische Energie Etherm. Elektrische Energie Strahlungsenergie Kernenergie Körper, die aufgrund elektrischer Vorgänge Arbeit verrichten, Wärme abgeben oder Licht aussenden besitzen elektrische Energie Eel. Die Sonne und andere Lichtquellen strahlen Energie unter Form von Licht aus (ELicht). Bei der Spaltung und Verschmelzung von Atomkernen kann Energie, die als Kernenergie Ekern bezeichnet wird, freigesetzt werden. 10TG - MECHANIK P. Rendulić 2012 ENERGIE UND WIRKUNGSGRAD 28 Körper die Energie besitzen nennt man Energiequellen oder Energieträger. Energie kann in unterschiedlichen Formen gespeichert und durch unterschiedliche Prozesse freigesetzt werden. Dadurch unterscheidet man verschiedene Energieformen. 4.2.1 Einheit und Formelzeichen der Energie Die SI-Einheit der Energie ist das Joule (Einheitszeichen: J). Das Formelzeichen der Energie ist E. Arbeit und Energie besitzen die gleiche Einheit. Es gilt: 4.3 1 J = 1 N ⋅ m = 1 kg ⋅ m2 ** s2 Energieumwandlung Bei physikalischen, technischen, chemischen oder biologischen Vorgängen kann Energie von einer Form in eine andere umgewandelt werden. 4.3.1 Beispiel: Verbrennen von Holz Beim Verbrennen von Holz wird die im Holz gespeicherte chemische Energie in thermische Energie und in Lichtenergie umgewandelt. 4.3.2 Beispiel: Wasserkraftwerke Speicherkraftwerk Laufkraftwerk Sich in einem hochgelegenen Speicher befindendes Wasser fließt durch eine Druckrohrleitung und treibt durch eine Turbine an, die mit einem elektrischen Generator verbunden ist. Das Wasser eines Flusses wird durch eine Staumauer und ein Rohrsystem zu einer Turbine geleitet, welche einen Stromgenerator antreibt. Mit Wasserkraftwerken kann mechanische Energie in elektrische Energie umgewandelt werden. Aufgabe: beschreibe die bei den gezeigten Kraftwerken auftretenden Energieumwandlungen! 10TG - MECHANIK ENERGIE UND WIRKUNGSGRAD P. Rendulić 2012 29 4.4 Wirkungsgrad und Energieentwertung Bei den meisten Energieumwandlungen wird eine Energieform gleichzeitig in mehrere andere Energieformen umgewandelt. 4.4.1 Beispiel: Glühlampe Lichtenergie Eelekt. 4.4.2 Etherm. Bei einer Glühlampe wird elektrische Energie in Licht und in thermische Energie umgewandelt. Die nutzbare Energie ist die Lichtenergie. Die Wärmeabgabe der Lampe an die Umgebung ist unerwünscht kann aber nicht vermieden werden. Beispiel: PKW-Motor Bewegungsenergie Echem. Etherm. Bei einem PKW-Motor kann die zugeführte chemische Energie (gespeichert im Kraftstoff) nur in etwa zu 20 % in Bewegungsenergie des Fahrzeugs umgewandelt werden. Die restlichen 80% der zugeführten Energie werden in Form von Wärme an die Umgebung abgegeben. 4.4.3 Beispiel: Mensch Auch beim Menschen und anderen Lebewesen wird ein großer Teil der durch die Nahrung zugeführten chemischen Energie unter Form von Wärme an die Umgebung abgegeben und nicht weiter genutzt. (Ein durchschnittlicher Mensch gibt pro Sekunde 100 J an thermischer Energie an seine Umgebung ab.) 4.4.4 Definition des Wirkungsgrads Je größer der Anteil der nutzbaren Energie bei einer Energieumwandlung ist, desto größer ist der Wirkungsgrad der Umwandlung. Bei großem Wirkungsgrad ist die Güte der Energieumwandlung groß und die Energie wird weniger entwertet. Der Wirkungsgrad eines Gerätes, einer Anlage oder eines Lebewesens gibt an, welcher Anteil der zugeführten Energie in nutzbringende Energie umgewandelt wird. η= Enutz. E zu . oder η= Enutz . ⋅ 100% Ezu . η: Wirkungsgrad (ohne Einheit) Enutz: nutzbare Energie Ezu: zugeführte Energie Da die nutzbare Energie immer kleiner ist als die zugeführte ( E nutz < E zu ), ist der Wirkungsgrad immer kleiner als 1 oder 100% ( 0 ≤ η < 1 und 0 % ≤ η < 100 % ). Wirkungsgrade in Natur und Technik 10TG - MECHANIK P. Rendulić 2012 η η in % Dampfmaschine 0,05 5 Glühlampe 0,05 Solarzelle 30 ENERGIE UND WIRKUNGSGRAD η η in % Wasserturbine 0,85 85 5 Elektromotor 0,90 90 0,15 15 Generator 0,99 99 Leuchtstofflampe 0,25 25 Benzinmotor 0,30 30 Mensch beim Schwimmen 0,03 3 Dieselmotor 0,40 40 Mensch beim Gewicht Heben 0,10 10 Kohlekraftwerk 0,10 10 Mensch beim Rad Fahren 0,25 25 Dampfturbine 0,45 45 Mensch beim bergauf Gehen 0,30 30 4.5 Aufgaben 4.5.1 Wirkungsgrad In einem Stahlwerk soll ein großer Hubkran eine Last von 300 Tonnen um 15 Meter heben. a. Berechne die dazu notwendige Energiemenge (Hubarbeit)! b. Wieviel elektrische Energie (elektrische Arbeit) muss dem Motor des Krans zugeführt werden, wenn der Wirkungsgrad der Anlage bei 62 % liegt? c. Bestimme die Kosten für das Heben, unter der Annahme, dass eine Kilowattstunde Strom 0,15 € kostet! 4.5.2 Bergwanderung mit Tomaten Eine Person von 80 kg Masse geht in den Bergen wandern. Morgens steigt sie um 560 Höhenmeter. Wieviele Tomaten von 120 g Masse (Brennwert: 17 kcal pro 100 g) muss sie mittags essen, um die verbrauchte Energie wieder zuzuführen?