Sonderforschungsbereich 599 Hörimplantate: Funktionsverbesserung durch Biointegration Elektrisch stimulierende Hörimplantate Es gibt verschiedene Arten von hochgradiger Schwerhörigkeit bzw. Taubheit, die mit einem konventionellen Hörgerät nicht mehr behandelt werden können. Liegt die Ursache für die Taubheit im Innenohr (Verlust von Haarzellen), so lässt sich der Hörnerv durch ein Cochlea-Implantat direkt elektrisch stimulieren. Mit diesem Innenohrersatz wird es dem Patienten wieder möglich, Sprache zu verstehen. Wenn der Hörnerv defekt ist – z. B. nach Zerstörung durch einen Tumor –, kann ein Implantat auch direkt in die Hörbahn des Gehirns eingesetzt werden. Mit solch einem Hirnstamm- oder Mittelhirn-Implantat ist ein Sprachverständnis zwar nur sehr eingeschränkt möglich. 13 Dennoch ist das Wahrnehmen von Umgebungsgeräuschen sehr hilfreich, z. B. bei der Orientierung im Straßenverkehr. Bei taub geborenen Kindern ist eine frühe Versorgung mit einem Cochlea-Implantat besonders wichtig, da das Sprachverständnis im Großhirn bereits in den ersten Lebensjahren angelegt wird: Ohne Hören kein Spracherwerb Mittelohrprothesen In vielen Fällen ist die Schwerhörigkeit durch eine Schallleitungsstörung im Mittelohr bedingt. Dies kann z. B. in Form von Missbildungen der Gehörknöchelchen bereits angeboren sein oder nach wiederholten Mittelohrentzündungen auftreten. In diesen Fällen werden häufig die Gehörknöchelchen durch eine Mittelohrprothese ersetzt. Ohr mit Cochlea-Implantat: Der externe Soundprozessor nimmt Schallwellen auf und wandelt diese in digitale Signale um. Er sendet die digitalen Signale an das unter der Haut liegende Implantat. Das Implantat wandelt die Signale in elektrische Impulse um und leitet diese an den Elektrodenträger in der Cochlea. Die Elektroden stimulieren die Hörnervenfasern in der Cochlea. Im Gehirn entsteht ein Höreindruck. Schnitt ducrh das Mittelohr mit intakten Gehörknöchelchen (a) und Mittelohrprothese (b) Kleinkind mit Cochlea-Implantat: Eine frühe Implantation ermöglicht eine normale Sprachentwicklung. Implantierte Cochlea: Die Hörschnecke hat einen nach Tonhöhen geordneten Aufbau: Am Eingang liegen die hohen Töne, in der Spitze die tiefen. Statt durch die Haarzellen wird hier der Hörnerv (gelbe Stränge) über die Elektrodenkontakte elektrisch stimuliert. Aus anatomischen Gründen besteht übrigens keine direkte Berührung zwischen Elektroden und Hörnerv. Mit Lebendzellen (grün fluoreszierend) beschichtete Elektrodenträger produzieren neuroprotektive Wachstumsfaktoren (rechts). Im Zellkulturmedium können diese Faktoren Nervenzellen zum Wachstum anregen (links). Cochlea-Implantat: Funktionalisierung durch lasergestützte Mikrostrukturierung der Oberfläche. Durch geeignete Strukturierung der Oberfläche kann das unerwünschte Anwachsen von Bindegewebszellen stark reduziert werden. Vision: Anwachsen von Nervenzellen an die Elektrodenkontakte Forschungsansatz Ziel der Arbeiten in den „Hörprojekten“ des SFB 599 ist die Verbesserung der biologischen Integration des Implantats. Durch spezielle Beschichtungen und Oberflächenstrukturierungen soll die Wechselwirkung des Implantats mit dem umliegenden Gewebe gezielt beeinflusst werden. Cochlea-Implantat Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt auf der Verbesserung der Elektroden-Nerven-Schnittstelle. Nach der OP kommt es zu mehr oder weniger starkem Bindegewebswachstum um die Elektrode. Dadurch erhöht sich der elektrische Widerstand und der Stromverbrauch des Implantats. Ein häufiger Batteriewechsel ist erforderlich. Durch physikalische Mikrostrukturierung oder chemische Beschichtung soll eine Oberfäche geschaffen werden, die selektiv die Bildung von Bindgewebe hemmt. Im Rahmen des Projekts wird die Mikrostrukturierung mit Hilfe eines Femtosekundenlasers erzeugt. Dabei sorgen ultrakurze Lichtpulse für einen schonenden und präzisen Materialabtrag. Konzept Biologische Elektrodenbeschichtung: Genetisch modifizierte Zellen produzieren neuroprotektive und -regenerative Faktoren. Werden diese Zellen auf den Elektrodenträger aufgebracht, können sie dazu beitragen, wichtige Nervenverbindungen zu erhalten bzw. Nervenzellen zum Wachstum anzuregen. Vision der Forschungsarbeiten ist die direkte Ankopplung von Nervenzellen an die Elektrodenoberflache, um so die Selektivität der Stimulation und die Anzahl der Informationskanäle zu erhöhen. Auf diese Weise würde dem Patienten neben einem weiter verbesserten Sprachverständnis auch ein echter Musikgenuss ermöglicht werden. Mittelohrprothesen Ziel der Forschungsarbeiten ist die verbesserte Integration von Mittelohrprothesen in den Organismus. Hierzu werden verschiedene funktionelle Elemente entwickelt, die sich z. B. in Form einer Beschichtung auf die Prothese aufbringen lassen. Trommelfellpolster Bei herkömmlichen Prothesen besteht die Gefahr, dass es bei Knalleinwirkung zu einer Verletzung des Trommelfells durch das harte Prothesengrundmaterial kommt. Ein Polster auf der Prothese soll dies vermeiden. Das Polster muss so beschaffen sein, dass sich die akustischen Übertragungseigenschaften der Prothese nicht verschlechtern. Lokale Implantatfixierung Auf der dem Trommelfell gegenüberliegenden Seite stößt die Mittelohrprothese auf den Steigbügel. An dieser Seite wäre ein festes Anwachsen der Prothese an den knöchernen Steigbügel wünschenswert. Eine Beschichtung der Prothese mit dem Wachstumsfaktor BMP-2 unterstützt den Anwachsprozess. Lokale Medikamentenfreisetzung Die Implantation findet häufig in einem bereits infizierten Gebiet statt. Auch sonst kann es nach der OP zu Infektionen kommen. Lokale Freisetzung von Antibiotika von der Prothesenoberfläche fördert stark den Heilungsverlauf. Antibakterielle Beschichtung Um dauerhaft Infektionen zu verhindern, kann das Implantat mit einer antibakteriellen Beschichtung versehen werden. Diese Beschichtung tötet Bakterien ab bzw. verhindert die Besiedlung mit Bakterien. Modulare Funktionalisierung einer Mittelohrprothese: Durch Freisetzung eines Antibiotikums werden Bakterien über einen begrenzten Zeitraum aktiv abgetötet. Antibaklterielle Beschichtungen sorgen dafür, dass sich Bakterien an der Prothesenoberfläche unwohl fühlen und sich dort nicht festsetzen.