Die zukünftige Niederschlagsentwicklung über Europa in zwei ECHAM5-OM1-Szenarien-Simulationen A. Matthies, G.C. Leckebusch, U. Ulbrich Kontakt: [email protected] 1. Einleitung Anfang August 2002 lösten zwei auf der Vb-Zugbahn ziehende Tiefs starke Niederschläge und damit Überschwemmungen und Schlammlavinen in Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien und Italien aus. In Zinnwald (Erzgebirge) wurde am 12.08.2002 mit 312 l/m² der höchste Tagesniederschlag in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen, am 17.08.2002 erreichte die Elbe in Dresden mit 9.40 m den höchsten Pegelstand seit 1275 (Kundzewicz et al., 2005). Dabei waren laut Münchener Rück in Europa 37 Todesopfer und ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von ca. 16 Mrd. US-$ zu beklagen. Auch aufgrund derartiger Ereignisse sind Behörden und Versicherungen, aber auch Wirtschaft und Bevölkerung, daran interessiert, etwas über die zukünftige klimatische Entwicklung und insbesondere ihrer Extreme zu erfahren. Die aktuelle meteorologische Forschung verfolgt das Ziel, u.a. mit Hilfe von Klimamodellen Antworten auf derartige Fragen zu finden. So beschäftigt sich diese Arbeit mit der Validierung der Niederschlagssimulation des globalen Klimamodells ECHAM5-OM1 unter heutigen Bedingungen und der Erkennung eines eventuellen Klimasignals in den IPCC-Szenarien A1B und A2 anhand von täglichen Niederschlagssummen. 2.Methodik Die Daten des Modells ECHAM5-OM1 (T63) wurden hier als 6-Stunden-Vorhersagen zu den vier Haupterminen auf einem regelmäßigen Gitter mit einem Punktabstand von 1.875° interpoliert und zu Tagessummen zusammengefaßt. Der Zeitraum 1961 – 2000 der Simulation mit beobachteten Treibhausgaskonzentrationen (20C) wurde mit dem vergleichbaren Zeitraum in den ERA40Reanalysedaten validiert, welche ebenfalls als 6-Stunden-Vorhersagen zu den vier Haupterminen auf einem regelmäßigen Gauß-Gitter von 1.125° vorliegen. Zur Indentifikation eines Klimasignals wurde die Niederschlagssimulation des 20C-Laufes mit der der IPCC-SRES-Szenarien A1B und A2 im Zeitraum 2061 – 2100 verglichen. Europa wird in verschiedene Klimazonen mit unterschiedlichen meteorologisch-klimatologischen Bedingungen eingeteilt. Aus diesem Grund wurden unterschiedliche Untersuchungsgebiete ausgewählt, um eine eventuelle regional unterschiedliche Klimaänderung ausmachen zu können. Niederschlagscharakteristika werden jeweils für Sommer und Winter und ganzjährig erstellt, indem die täglichen Niederschläge nach ihrer Intensität geordnet und die Häufigkeit ihres Auftretens und die dabei gefallene Menge bestimmt werden. Es wird eine nichtlineare Klassifizierung für die tägliche Intensität aufgestellt, in die jedes Ereignis eingeordnet wird. Um auf mögliche Ursachen der Änderung der Intensität und Auftrittshäufigkeit von Extremniederschlägen zu schliessen, wird die Entwicklung von Feuchtefluss und Wind analysiert. 3. Ergebnisse Die mit einem Anstieg der Treibhausgaskonzentration verbundene Erwärmung der Atmosphäre würde zu einer Erhöhung des atmosphärischen Feuchtegehalts führen. So würde gemäß der Clausius-Clapeyronschen Gleichung 1°K Temperaturerhöhung zu ca. 7 % mehr Wasserdampf in der Atmosphäre führen (Frei et al., 1998; P. Kabat, 2007). Dieses wiederum wäre Auslöser für häufigere und intensivere Starkniederschlagsereignisse. Auch die in dieser Arbeit untersuchten Szenariensimulationen des Modells ECHAM5-OM1 bestätigen diese Annahmen. Wenn auch in einigen der ausgewählten europäischen Regionen die Gesamtniederschlagsmenge unter den Bedingungen der beiden SRES-Szenarien A1B und A2 sinkt und die Menge des Niederschlags aus Ereignissen mittlerer Intensität zurückgeht, so ist doch zu erkennen, dass in allen Regionen in beiden Szenarien sowohl im Sommer als auch im Winter die Häufigkeit und Intensität von starken bis extremen Niederschlagsereignissen zunimmt. Ganz besonders gilt dies für den Norden Europas. Die Trends sind sowohl für den Bereich der mittleren als auch im Bereich der extremen Niederschläge signifikant. Der Vergleich des 20C-Laufes, also des gegenwärtigen Modell-Klimas, mit den Reanalysedaten des ECMWF hat jedoch auch gezeigt, dass das Modell dazu neigt, Niederschläge mittlerer Intensität zu unterschätzen und solche hoher Intensität zu überschätzen. Die Abweichungen des für die Gegenwart simulierten Niederschlags von den Reanalysedaten sind dabei oftmals genauso groß, wie das für die jeweilige Intensitätsklasse in der jeweiligen Region simulierte Klimasignal. Die Ergebnisse sowohl der Analyse der Niederschlagscharakteristik als auch der Gesamtentwicklung der Niederschlagsmenge lassen vermuten, dass es in Süd- und Mitteleuropa ein Niederschlagsdefizit geben wird, während in Nordeuropa im ganzen Jahr mehr Niederschlag fallen wird, sollte sich das zukünftige Klima entsprechend der Annahmen in den SRES-Szenarien A1B oder A2 entwickeln und das Modell es richtig simulieren. Abb.1: Differenz der jährlichen winterlichen Niederschlagsmenge zwischen den Szenarien und dem 20C-Lauf Abb.2: Differenz der jährlichen sommerlichen Niederschlagsmenge zwischen den Szenarien und dem 20C-Lauf Der Schneefall wird nach ECHAM5-OM1 in beiden Szenarien in ganz Europa zurückgehen. Die größte Abnahme ist dabei in der Region Großbritanniens und Irlands zu verzeichnen, wo der winterliche Schneefall um 80 % und mehr abnimmt. Das Ausmaß dieses Rückgangs verringert sich, je weiter man ins Innere des Kontinents vordringt und beträgt in Osteuropa noch mehr als 40 %. Auch von Süd nach Nord ist ein Gefälle zu erkennen, während der winterliche Schneefall in Italien um ca. 70 % abnimmt, sind es in Skandinavien etwa 30 %. Als eine mögliche Ursache für die Zunahme von starken Niederschlagsereignissen wurden Feuchtefluss und Wind in 700 hPa für das gegenwärtige und das vom A2-Szenario vorgegebene zukünftige Klima betrachtet. Hierbei konnte festgestellt werden, dass im Sommer wie auch im Winter die Lage der Maxima des mittleren Feuchteflusses zwar gut wiedergegeben wird, die simulierten Maximalwerte jedoch gerade im Sommer deutlich über denen in den Reanalysedaten liegen. Die Windstärke wird im Norden Europas unterschätzt, im Süden des Kontinents eher überschätzt. Bei der Betrachtung des Klimasignals ergibt sich, dass der mittlere Feuchtefluss und Wind sowohl im Sommer als auch im Winter über dem ganzen Kontinent zunehmen. Dies gilt auch für den mittleren Feuchtefluss und Wind an Tagen mit Extremniederschlag in den jeweiligen Sektoren der einzelnen Regionen. Festzustellen ist auch, dass die Amplitude der Erhöhung des Feuchteflusses von der Nähe zu ausgedehnten Wasserflächen abhängig ist. Weiterhin nimmt der Feuchtefluss sowohl im Mittel über den gesamten Zeitraum als auch im Mittel über die Tage mit Extremniederschlag im jeweiligen Sektor im Sommer in stärkerem Maße zu, als im Winter, während im Winter der Anstieg der mittleren Windgeschwindigkeit größer ist als im Sommer. Die Windrichtung im Mittel über den gesamten Zeitraum und den ganzen Kontinent dreht im Winter im Szenario auf südwestlichere Richtungen als im 20C-Lauf. Diese Studie gibt somit einen Hinweis darauf, dass nicht nur höhere Temperaturen, verbunden mit der größeren Fähigkeit Wasser zu speichern, zu stärkeren Extrem-Niederschlagsereignissen führen, sondern auch veränderte Transport- und Zirkulationsprozesse berücksichtigt werden müssen. 4. Diskussion Das Auftreten von immer häufigeren und intensiveren Starkniederschlagsereignissen kann nicht allein an einer Erwärmung der Atmosphäre und dem daraus resultierendem höheren Feuchtegehalt liegen. Um extreme Niederschlagshöhen zu erreichen, bedarf es eines großräumigen Transports feuchter Luftmassen und ebenso großräumiger Konvergenz gesättigter Luft. Fricke und Kaminski (2002) haben die Trends von Großwetterlagen seit 1881 analysiert und kamen zu dem Ergebnis, dass gerade Troglagen über West- und Mitteleuropa (beinhaltet Vb-Zugbahn) und Südwestlagen stark zugenommen haben und mit ihnen auch die Tage mit Niederschlag über 30 l/m² innerhalb dieser Großwetterlagen. Auch im hier bearbeiteten Modell wurde im A2-Szenario für die Zukunft eine Drehung der mittleren Anströmrichtung auf südwestlichere Richtungen simuliert. Die Abweichungen des Modells ECHAM5-OM1 von den als Referenz gewählten ERA40Reanalysedaten erreichen oftmal eine ähnliche Größenordnung, wie das simulierte Klimasignal. Allerdings handelt es sich bei den Reanalysedaten streng genommen ebenfalls um Modelldaten, deren Güte anhand von Beobachtungsdaten zu validieren wäre. Die Auflösung des Modells ist mit 1.875° deutlich gröber als die der Reanalysedaten mit 1.125°. Auch darin könnte eine Ursache für die Abweichungen beider Datensätze voneinander liegen. Eine weitere Verfeinerung der Auflösung des GCM's oder die Einbettung eines Regionalmodells in dieses könnte darüber Aufschluss geben. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass das Modell IFS zur Erstellung der Vorhersagen der ERA40-Reanalysedaten zu allen vier Hauptterminen neu aufgesetzt wurde und die hier verwendeten 6-Stunden-Vorhersagen somit noch dem Einschwingprozeß (Spin-up) unterliegen könnten. Ein Trend der Niederschlagscharakteristik zu weniger mittleren und mehr extremen Ereignissen, wie er hier für beide Szenarien simuliert wird, hätte zahlreiche Folgen. Der Boden könnte die intensiveren Niederschläge nicht in ausreichendem Maße aufnehmen, was einerseits zu einem Defizit im Grundwassernachschub und damit der Wasserversorgung großer Regionen führen könnte, andererseits zu erhöhten Abflußspitzen in Kanalisationen und Flüssen. Unterstützt durch großräumige Bodenversiegelung in Gebieten hoher Bevölkerungsdichte und Flußbegradigungen zur Landgewinnung könnten die Kapazitäten der derzeitigen Wasserleitsysteme bald ausgeschöpft sein und wenige extreme oder mehrere aufeinanderfolgende nicht ganz so intensive Niederschlagsereignisse würden zu häufigeren Überflutungen führen, die im schlimmsten Fall das Ausmaß der Katastrophen an Oder (1997) und Elbe (2002) annehmen oder übersteigen könnten. Auch ein Rückgang der Schneefallmenge wäre nicht ohne Folgen für die Wasserversorgung z.B. der Alpenländer, so wird zur Zeit ca. 50 % des globalen Runoffs in Staubecken gespeichert. Quellen: Frei C., C. Schär, D. Lüthi und H.C. Davies (1998): Heavy precipitation processes in a warmer climate; Geophysical Research Letters, 25(9): 1431-1434 Fricke W. und U. Kaminski (2002): Ist die Zunahme von Starkniederschlägen auf veränderte Wetterlagen zurückzuführen?; GAW-Brief des Deutschen Wetterdienstes, 12 Kabat P. (2007): Changing water cycle: Characterization and impacts of meteorological extremes in hydrology and water recources; Vortrag ICESM2007, ICESM Abstracts Vol. 1, ICESM2007-A00317 Kundzewicz Z.W., U. Ulbrich, T. Brücher, D. Graczyk, A. Krüger, G.C. Leckebusch, L. Menzel, I. Pinskwar, M. Radziejewski und M. Szwed (2005): Summer floods in Central Europe – Climate change track?; Natural Hazards, 36: 165-189