Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Inhalt der Vorlesung Experimentalphysik II Teil 1: Elektrizitätslehre, Elektrodynamik 1. 2. 3. 4. 5. 6. Elektrische Ladung und elektrische Felder Kapazität Elektrischer Strom Magnetostatik Elektrodynamik Schwingkreise und Wechselstrom Teil 2: Optik 7. Elektromagnetische Wellen 8. Optik 157 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4 Magnetostatik 4.1 Magnetische Kraftwirkung Von elektrisch ungeladenem Eisen kann eine Kraft auf ein anderes Stück Eisen ausgeübt werden. Von dem Eisen geht ein Magnetfeld aus, in dem sich die Kompassnadel ausrichtet. Je nach Ausrichtung des Magneten wirkt die Kraft anziehend oder abstoßend. Anziehung r F1 Versuch: Eisenmagnet und Kompassnadel Kompassnadel Eisenmagnet r F r F1 r F2 Abstoßung r F2 Magnetpole (Nord- und Südpol) lassen sich nicht trennen. Zerbricht man einen Stabmagneten, dann ergeben sich zwei kürzere Magnete mit beiden Polen. 158 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Teilung eines Stabmagneten: Dipol Feldlinien eines magnetischen Dipols Im Gegensatz zu elektrischen Ladungen, die einzeln erzeugt werden können, sind einzelne Magnetpole (so genannte magnetische Monopole) bisher nicht beobachtet worden. Daher kann das Magnetfeld auch nicht über die Kraftwirkung von magnetischen Monopolen definiert werden. Feldlinien in der Nähe eines Pols 159 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Feldlinien eines stromdurchflossenen Leiters Hans Christian Ørsted entdeckt 1820 den Zusammenhang zwischen Strom und Magnetfeld: Leiter Eisenfeilspäne Plexiglasscheibe Nach Einschalten des Stromes orientieren sich die Eisenfeilspäne kreisförmig um den Leiter. Hans Christian Ørsted (1777-1851) 160 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Ein Ausmessen des Magnetfeldes mit einer Kompassnadel ergibt, dass ein stromdurchflossener Leiter von einem kreisförmigen Magnetfeld umgeben ist. Im Gegensatz zum elektrostatischen Feld gibt es geschlossene Magnetfeldlinien. Die Feldlinien geben wieder die Kraftwirkung (Richtung und Stärke) des Magnetfeldes an. r j Strom I r B Magnetfeld B Leiter 161 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die Richtung der Magnetfeldlinien kann einfach mit der rechten Hand demonstriert werden. r j Versuch: Magnetfeld und elektrisches Feld geladene Kunststoffkugel Magnet r B Das Ein- und Ausschalten des Magneten hat keinen Einfluss auf die geladene Kunststoffkugel. Ersetzt man diese durch eine Eisenkugel, dann ist deutlich eine Kraftwirkung zusehen. ⇒ E-Feld ≠ B-Feld 162 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.2 Magnetfeld eines geraden Leiters Wir wollen jetzt das Magnetfeld eines geraden Leiters, durch den der Strom I fließt, aus Symmetrieüberlegungen herleiten. I r | B |= const. Es gilt also r r r B ( r ) = B ( r ) eϕ mit dem Einheitsvektor in Polarkoordinaten r eϕ . Experimentell findet man für den Betrag des Magnetfeldes B(r): I B (r ) ∝ r r r r B = B(r) eϕ Das Feld kann nur vom Abstand r vom Leiter abhängen. Die Feldlinien sind konzentrische Kreise (dies ergibt sich später aus der 2. Maxwell-Gleichung). Die Proportionalitätskonstante wird mit μ0 / 2π bezeichnet. Für das magnetische Feld eines stromdurchflossenen Leiters erhält man daher: r r μ0 I r B (r ) = eϕ 2π r 163 μ0 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Bemerkungen: (1) μ 0 ist die magnetische Permeabilität des Vakuums. Sie wird auch als magnetische Feldkonstante bezeichnet. Vs −7 Ihr Wert ist: μ 0 = 4π ⋅ 10 Am r Vs B =1 2 =1T (Tesla) Die Einheit des Magnetfeldes ist damit: m (2) In Materie muss die Formel für das Magnetfeld eines Leiters abgeändert werden. Mit der Permeabilität μ des Mediums gilt: [] r r μ0μ I r e B (r ) = 2π r d.h. μ 0 muss durch das Produkt μ 0 μ ersetzt werden. Beispielsweise ist für Eisen μ ≈ 5000 (3) Der Leiter ist hier als „unendlich ausgedehnt“ angenommen worden. Deswegen fällt das Feld nur mit 1/r ab (wie beim Zylinderkondensator) und nicht gemäß 1/r2 wie im Falle von elektrischen Punktladungen. (4) Es ist zu beachten, dass es keine magnetischen Monopole gibt. Das Magnetfeld lässt sich daher nicht über die Kraftwirkung auf „magnetische Ladungen“ definieren, sondern nur über Ströme. 164 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.3 Ampèresches Gesetz Das Resultat für das Magnetfeld eines geraden Leiters, durch den der Strom I fließt, lässt sich in allgemeiner Form darstellen. r r r B (r )2πr = μ 0 I eϕ | ⋅ eϕ r r B (r ) ⋅ eϕ 2πr = μ 0 I r r ∫ B ( r ) ⋅ dr = μ 0 I Kreis I r | B |= const . r r dr r r B = B ( r ) eϕ r μ0 r Das Resultat B ( r ) = I eϕ 2πr Hierbei handelt es sich auf der linken Seite um ein r r Wegintegral über das Vektorfeld B ( r ) entlang eines Kreises mit dem Radius r. Das geschlossene r r Wegintegral über das Magnetfeld B ( r ) , welches den Strom I umfasst, ergibt also μ0I. Es stellt sich heraus, dass dieses Resultat stark verallgemeinert werden kann. lässt sich „rückwärts“ umformen zu: 165 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Ein (vom Weg dr eingeschlossener) Strom I ruft ein Magnetfeld B hervor, welches die folgende Gleichung erfüllt: r r ∫ B ⋅ dr = μ 0 I Bemerkungen: • • • • • André Marie Ampère (1775-1836) Dies ist das sog. Ampèresche Gesetz. Hierbei handelt es sich bereits um den ersten Teil der 4. Maxwell-Gleichung (in integraler Form). Die obige Gleichung bedeutet anschaulich, dass (stationäre) Ströme (statische) magnetische Felder hervorrufen. Statische Magnetfelder werden generell durch das Fließen von Strömen erklärt. Das bedeutet beispielsweise, dass in einem magnetischen Stück Eisen mikroskopische Ströme fließen müssen. Es ist zu beachten, dass das Wegintegral in der obigen Gleichung entlang jeder beliebig geformten geschlossenen Kurve, die den Strom I umschließt, berechnet werden darf. Mit dem Ampèreschen Gesetz können Magnetfelder berechnet werden. 166 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.4 Magnetfeld einer langen Spule Beispiel: Magnetisches Feldlinienbild einer langen Spule 167 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Feldlinienbild einer Spule l r B r r B= B0 ex r ex N Windungen r r B ≈0 I Das Magnetfeld im Inneren der Spule der Länge l soll jetzt mit dem Ampèreschen Gesetz und einigen vereinfachenden Annahmen berechnet werden. Wir betrachten die folgende Zeichnung: Näherungsweise gilt: innerhalb der Spule: r r B = B0 = const. im Außenraum: r r B≈0 168 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Mit dem Ampèreschen Gesetz ergibt sich nun: r r ∫ B ⋅ dr = ∫ r r B ⋅ dr + innerhalb ∫ Feldlinien Torus eines stromdurchflossenen r r B ⋅ dr außerhalb 1424 3 r r B ≈0 r r = B0 ⋅ lex + 0 = μ0 N I Das homogene Magnetfeld im Inneren einer Spule der Länge l mit N Windungen, durch die ein Strom der Stärke I fließt, ist damit also: NI B = μ0 l Diese Formel ist für dicht gewickelte Spulen mit großer Windungszahldichte N/l sehr genau. 169 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Magnetfeldstärke in einer Spule Wird die Hallsonde („Magnetfeldmesser“) im Innern der Spule parallel zur Achse bewegt, dann wird ein nahezu konstantes Feld gemessen. Erst im Randbereich nimmt es ab. lange Spule Hallsonde 170 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Spule mit Eisenkern Nach dem Einschalten des Stromes wird der Eisenkern in die Spule hineingezogen. Eisenkern Federwaage Eisenkern Stromversorgung Spule Spule 171 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Magnetfeld einer Spule ohne und mit Eisenkern mit Eisenkern = starkes Feld ohne Eisenkern = schwaches Feld Spule Hallsonde Eisenkern 172 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Eisenkern Die Formel für das Magnetfeld im Inneren einer langen Spule war: Spule NI B = μ0 l Dabei wurde angenommen, dass sich keine Materie im Inneren befindet. Mit Materie gilt (μ0 ⇒ μ0μ): I Hallsonde B = μ0 μ Das an einer Spule mit einer Hallsonde gemessene Magnetfeld ist erheblich größer, wenn ein Eisenkern in die Spule geschoben wird. Kerne aus z.B. Kupfer oder Aluminium zeigen keinen größeren Effekt. NI l Da für Eisen μ ≈ 5000 gilt, ergibt sich so die sehr große Verstärkung mit dem Eisenkern. Dies kann allerdings erst später genauer verstanden werden ( ⇒ Kapitel 4.11). 173 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Hallsonde Spule Beispiel eines Experimentiermagneten zur Erzeugung von Magnetfeldern bis etwa Bmax ≈ 1 Tesla: Luftspalt Eisenjoch Noch effektiver ist eine Anordnung mit einem geschlossenen Eisenjoch, in dessen Spalt Felder bis ca. 1 Tesla erzeugt werden können. Hier werden die Feldlinien geschlossen im Eisen geführt (siehe auch Transformator in Kapitel 6.9). Spulen Eisenjoch 174 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Magnetisches Feld der Erde 175 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.5 Lorentz-Kraft Eine Ladung q bewegt sich mit der Geschwindigkeit v in einem magnetischen Feld B. Experimentell ergibt sich, dass die Ladung dann von einer Kraft abgelenkt wird gemäß: Vektorprodukt: Rechte-Hand-Regel: r F Kraft r B Feld z y r r r F = qv × B x Diese spezielle Kraft heißt Lorentz-Kraft. Es ist zu beachten, dass auf ein ruhendes Teilchen keine LorentzKraft wirkt. r v Bewegung Antoon Lorentz ( 1853-1928 ) Das Besondere ist, dass diese Kraft von der Geschwindigkeit der Ladung abhängt. Hierauf beruhende Effekte werden in den folgenden Abschnitten diskutiert. 176 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r r dv r r r = qv × B ⋅v F =m dt r r dv r r r ⇒ mv ⋅ = q v⋅ v×B =0 dt 1424 3 Durch die Kraftwirkung kann die Einheit des Magnetfeldes definiert r r werden (für ν ⊥ B ): r F r r N B = r ⇒ [ B] = 1 = 1T=1Tesla qv Cm s Das Magnetfeld beträgt B = 1 Tesla, wenn auf eine Ladung von q = 1 C, die sich mit der Geschwindigkeit v = 1 m/s bewegt, die Kraft F = 1 N wirkt. 1 Tesla ist ein relativ großes Magnetfeld. Wir betrachten jetzt die Lorentz-Kraft und das 2. Newtonsche Axiom, also: r r dv r r F =m = qv × B dt Multiplikation mit v ergibt: ( ) =0 Es ist r r r d r r dv r r dv r dv ( v ⋅ v ) = ⋅ v + v ⋅ = 2v ⋅ dt dt dt dt r 1 d r r r dv ⇒ m ( v ⋅ v ) = mv ⋅ =0 2 dt dt und damit: d r2 r v )=0 ⇒ v ( dt r r dv r v⋅ =0 ⇒ v ⊥ dt = const. r dv dt Im Magnetfeld bleibt der Betrag der Geschwindigkeit von q (und damit die kinetische Energie) also konstant. 177 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Bewegung einer Ladung im homogenen Magnetfeld Es ergeben sich die 3 Gleichungen: (1) mx&& = qv y Bz Die Lorentz-Kraft ist: (2) m && y = −qvx Bz (3) mz&& = 0 r r r r F = qv × B = mr&& Definition des Koordinatensystems z r B x r v y ⎛0⎞ r ⎜ ⎟ B=⎜ 0 ⎟ ⎜B ⎟ ⎝ z⎠ ⎛ vx ⎞ r ⎜ ⎟ v = ⎜ vy ⎟ ⎜0⎟ ⎝ ⎠ Damit folgt: ⎛ vx ⎞ ⎛ 0 ⎞ ⎛ v y Bz ⎞ r r ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ v × B = ⎜ v y ⎟ × ⎜ 0 ⎟ = ⎜ −vx Bz ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎜B ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎝ ⎠ ⎝ z⎠ ⎝ ⎠ (3) Entspricht z& = v z = const. = 0 oder z(t) = z0 = const. (1) und (2) ergeben das Gleichungssystem: v&x = qBz v y und m v& y = − qBz vx m Einheitenbetrachtung: CN 1 kg m ⎡ qBz ⎤ = = = da N ⎢⎣ m ⎥⎦ Cm s kg s s2 178 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es wird die „Zyklotron-Frequenz“ definiert: ωz = qBz m Als Lösung ergibt sich für eine gewählte Anfangsbedingung vx(t = 0) = v0 : vx (t ) = v0 cos ( ωz t ) Das Gleichungssystem kann dann geschrieben werden als: v&x = + ωz v y v0 ⇒ x(t ) = sin ( ωz t ) ωz Entsprechend kann für die y-Komponente gezeigt werden: v& y = −ωz vx v y (t ) = −v0 sin ( ωz t ) Ableiten der ersten Gleichung und Einsetzen der zweiten ergibt eine homogene DGL 2. Ordnung für vx: v&&x = + ωz v& y = −ω v 2 z x ⇒ v&&x + ω2z vx = 0 Dies ist die DGL des harmonischen Oszillators für vx. ⇒ y (t ) = v0 cos ( ωz t ) ωz 2 ⎛v ⎞ R 2 (t ) = x 2 (t ) + y 2 (t ) = ⎜ 0 ⎟ = const. ⎝ ωz ⎠ Die Ladung bewegt sich also auf einer Kreisbahn mit der Zyklotron-Frequenz ωz = qBz/m. 179 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Elektronenstrahl im homogenen Magnetfeld Die Winkelablenkung eines Elektronenstrahls im Magnetfeld ist: Durch zwei sog. „Helmholtz-Spulen“ wird ein nahezu homogenes Magnetfeld erzeugt. Ein Elektronenstrahl läuft dann auf einer Kreisbahn: Glühkathode Strahl α v0 B R l Elektronenstrahl Magnetfeld Wenn l die Bahnlänge im Magnetfeld ist und R der Bahnradius, dann ist der Ablenkwinkel (in Radian) gegeben durch: Vakuumröhre l α= R 180 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Der Bahnradius R kann aus dem Gleichgewicht der Lorentz-Kraft und der Zentrifugalkraft ermittelt werden: v02 r r q v0 × B = m R 1 q B ⇒ = R m v0 Beispiel: Fernsehbildröhre Kathode Anode +Ua Dann ist der Ablenkwinkel gegeben durch I l q Bl α= = R m v0 Magnetspule I Glaskolben Leuchtschirm wobei v0 durch eine feste Beschleunigungsspannung genau eingestellt werden kann. 181 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Funktionsweise eines Zyklotrons Da sich im magnetischen Feld der Betrag der Geschwindigkeit nicht ändert, können Ladungen allein mit Magnetfeldern nicht beschleunigt werden. Im Zyklotron wird dafür ein elektrisches Feld immer wieder durchlaufen. Ernest Lawrence (1901-1958) 182 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Das Isozyklotron der Uni Bonn 183 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Im Magnetfeld B werden sie auf einem Halbkreis abgelenkt. Das Kräftegleichgewicht ist hier: Beispiel: Massenspektrometer 2R m v02 m v0 = q v0 B ⇒ =qB R R Beschleunigungsstrecke − Ub = + v0 B R Quadriert man beide Ausdrücke dann folgt: q, m Schirm Teilchenquelle Spektrallinie Die geladenen Teilchen werden durch Ub beschleunigt und erhalten die Geschwindigkeit: 2 qU b v0 = m 2 2 2 q U v q 2 b 0 B v02 = und = m R 2 m2 2U b q q 2 2 ⇒ = 2B 2 R m m Daraus ergibt sich schließlich: 2U b q B2 2 = 2 2 ⇒ m( R ) = R 2qU b m R B 184 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.6 Magnetische & elektrische Kräfte Die Lorentz-Kraft auf eine bewegte Ladung q im Magnetfeld ist: r r r F = qv × B Ist auch noch ein elektrisches Feld vorhanden, dann wirkt die Gesamtkraft: r r r r F = q E+v×B ( ) Ein Magnetfeld von B = 1 Tesla ist leicht zu erzeugen. Dem würde ein elektrisches Feld entsprechen von r 8 V E = 3 ⋅10 m Dies ist nahezu unmöglich zu erzeugen (Problem: el. Überschläge). In Teilchenbeschleunigern werden daher Magnete zur Ablenkung verwendet. Beispiel: Vergleich der Kräfte auf ein geladenes Teilchen, welches sich (fast) mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, d.h. es ist v ≈ c. Die elektrische und magnetische Kraft sind gleich groß, wenn: r r E =cB 185 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Hall-Effekt d UH r B a I Durch einen Leiter der Breite a und der Dicke d fließt ein Strom I. Wenn senkrecht zum Leiter das Magnetfeld B wirkt, dann werden die bewegten Ladungen im Leiter senkrecht zum Magnetfeld und senkrecht zur Richtung des Stroms abgelenkt. Dadurch entsteht an den Seiten eine Potentialdifferenz UH die solange ansteigt, bis die ablenkende Wirkung des Magnetfeldes durch das entstehende elektrische Feld EH an den Leiterseiten kompensiert wird. In diesem Gleichgewichtszustand gilt: r r r r F = e EH + v × B = 0 r r r ⇒ EH + v × B = 0 ( ) Wir hatten für die Geschwindigkeit der Elektronen im Leiter bereits den folgenden Zusammenhang gefunden: r U I I r v = = und EH = H ρ A ρ ad a 186 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) rr r r r r r Da ν ⊥ B, E ⊥ ν und E ⊥ B kann mit den Beträgen gerechnet werden: UH IB = a ρad Daraus ergibt sich die sog. HallSpannung: IB IB = RH UH = ρd d Die Ladungsdichte ρ wird oft durch die Volumendichte n der Ladungsträger ausgedrückt: ρ = ne Die Größe 1 1 RH = = ρ ne ist die Hall-Konstante. Sie ist besonders groß, wenn n klein ist. Dies ist speziell für Halbleiter der Fall. Da B ∝ UH kann durch Messen der Hall-Spannung das Magnetfeld B bestimmt werden. Vor allem aus kleinen Halbleiterstreifen gefertigte Sonden werden häufig zur Magnetfeldmessung verwendet (⇒ „Hall-Sonden“). Hall-Konstanten können prinzipiell positiv oder auch negativ sein (entsprechend „Elektronenleitung“ oder „Löcherleitung“ in Halbleitern). 187 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Hall-Effekt Hall-Sonde Elektromagnet Eine Erhöhung des Stromes (hier: durch ein dünnes Silberblech) durch den Elektromagneten vergrößert proportional dazu auch die Hall-Spannung. 188 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Auf einen stromdurchflossenen Leiter der Länge l wirkt im Magnetfeld eine Kraft F. Dabei findet man experimentell: 4.7 Leiterschleife im Magnetfeld I Strom r r F⊥B und r r F ⊥l r Hier ist l ein Vektor, der in die Richtung r r B r F r l des Stromflusses zeigt. Der Betrag l von gibt die Länge des Leiterstücks an, das vom homogenen Magnetfeld B durchsetzt wird. Für die Kraft auf das Leiterstück ergibt sich zunächst qualitativ: r r r F ∝ Il ×B 189 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Leiterschaukel im Magnetfeld Ampèremeter Stromversorgung Leiterschaukel Leiter Magnet Der stromdurchflossene Leiter wird je nach Richtung des Stromflusses in den Magneten hineingezogen oder herausgedrückt. 190 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es soll jetzt gezeigt werden, dass diese Kraftwirkung zurückgeführt werden kann auf die Lorentz-Kraft der im Leiter fließenden Elektronen. Wir betrachten die folgende Situation r in einem Leiterstück der Länge r dl dl : r A Die Elektronenanzahl ist das Produkt aus Ladungsdichte und Volumen: N = ρAdl Damit erhält man also: r r r r r dF = − ρeA dl v × B = − ρeA v dl × B Die Richtung von dl entspricht der von v. Für den Strom I im Leiter lässt sich schreiben ρ r v q qv = −eρAv I= = t dl Die Lorentz-Kraft auf die Anzahl N der im Die Lorentz-Kraft auf die bewegte Ladung dQ im Volumen Adl lautet dann Volumen Adl enthaltenen Ladungen ist: r r r dF = N ( − e ) v × B r r r dF = I dl × B 191 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.8 Magnetisches Moment Eine von einem Strom I durchflossene rechteckige Leiterschleife mit den Kantenlängen a und l befindet sich um die x-Achse drehbar in einem homogenen Magnetfeld B. r B r A z r F a r F l r r r ⎛ r a ⎞r M = 2 ⎜ F sin ϕ ⎟ ex = a F sin ϕ ex 2 ⎝ ⎠ Die Kraft auf die Leiterseiten ist r r r r F = I l × B = I l Bz ey y I r − Fa Die parallel zur x-Achse wirkenden Kräfte Fa heben sich gegenseitig auf. Dagegen erzeugen die Kräfte F auf die Seiten l ein Drehmoment um die x-Achse der Stärke wobei: ϕ r Fa x ⎛0⎞ r ⎜ ⎟ B=⎜ 0 ⎟ ⎜B ⎟ ⎝ z⎠ Dann wird das Drehmoment: r r M = I al B sin ϕ e x { z =A 192 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r Es wird wieder eine Flächennormale A Damit ergibt sich für das auf eine Leiter- definiert, deren Betrag schleife wirkende Drehmoment: r A = al beträgt. Dann kann das Drehmoment auch in der folgenden Form geschrieben werden: r r r M = I A× B Diese Beziehung gilt ganz allgemein für beliebig geformte Leiterschleifen. Man ordnet einer Leiterschleife, durch die der Strom I fließt und die die Fläche A umschließt, das magnetische Moment m zu, mit: r r m=I A r r r M = m× B Die Analogie zum wirkenden Drehmoment auf einen elektrischen Dipol ist zu erkennen. Es war: r r r M Dipol = p × E Das magnetische Moment ist also die zum elektrischen Dipolmoment äquivalente Größe. Eine stromdurchflossene Leiterschleife richtet sich im Magnetfeld immer so aus, dass ihre Flächennormale parallel zum Magnetfeld steht. 193 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Wenn die Leiterschleife ausgerichtet ist, dann verschwindet das Drehmoment, und es gibt auch keine resultierenden Kräfte auf die Gesamtschleife. Dies gilt sofern das Magnetfeld homogen ist, d.h. Beispiel: Prinzip des Ampèremeters Feder r r r B (r ) = B0 = const. In einem inhomogenen Magnetfeld würde aber eine Kraft auf die stromdurchflossene Leiterschleife wirken. Dies ist analog zum elektrischen Dipol im inhomogenen elektrischen Feld (siehe Abschnitt 1.5). drehbare Spule Magnet 194 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Spule im homogenen Magnetfeld I Ampèremeter Spule mit Magneten Stromquelle I Die stromdurchflossene Spule richtet sich im Magnetfeld immer so aus, dass ihr Flächenvektor parallel zu den Feldlinien verläuft. 195 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Beispiel: Mechanische Messung von Magnetfeldern r B ϕ r m Die Kompassnadel mit dem magner tischen Moment m richtet sich im Magnetfeld in Richtung der Feldlinien aus. Auf sie wirkt ein Drehmoment: r r r M = m× B Im Magnetfeld führt die Kompassnadel Schwingungen aus. Wenn sie um ihre Drehachse das Trägheitsmoment J hat, dann gilt: r r J ϕ&&(t ) = − m B sin (ϕ (t ) ) r r m B ⇒ ϕ&&(t ) + sin (ϕ (t ) ) = 0 J Für kleine Ausschläge ϕ (t ) << 1 gilt: r r m B 2 ⇒ ϕ&&(t ) + ω ϕ (t ) = 0 mit ω = J Dies ist die DGL eines harmonischen Oszillators mit der Schwingungsfrequenz ω. Dadurch kann das Magnetfeld gemessen werden. 196 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.9 Kräfte auf magnetische Momente Die Kräfte auf die dx-Kanten sind: dFy ,1 = − I dx Bz ( y ) Wir berechnen jetzt die Kraftwirkung auf eine infinitesimale Leiterschleife in einem inhomogenen Magnetfeld. dFy ,2 = I dx Bz ( y + dy ) Mit dem Magnetfeld z Bz ( y + dy ) = Bz ( y ) + dA z I dx dFy,1 x dy dFy,2 y Es wird angenommen, dass auf dem Flächenelement dx dy das Magnetfeld senkrecht steht, dessen Stärke sich entlang der y-Achse verändert. Die Kräfte auf die dy-Kanten kompensieren sich. dBz dy dy folgt dFy = dFy ,1 + dFy ,2 ⎛ ⎞ dB = − I dx Bz ( y ) + I dx ⎜ Bz ( y ) + z dy ⎟ dy ⎝ ⎠ dB dB dB = I dx dy z = I dAz z = dmz z dy dy dy wobei: dmz = I dAz = I dx dy 197 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Man kann daher in einer Dimension schreiben: d dFy = ( dmz Bz ) dy Für eine endlich große Leiterschleife r mit dem magnetischen Moment m folgt für die Kraft dann (verallgemeinert auf drei Dimensionen): r r r r F = ∇ m⋅B ( Beispiel: Stern-Gerlach-Versuch Auch auf Atome mit einem magnetischen Moment wirkt eine Kraft, wenn sie durch ein stark inhomogenes Magnetfeld geschickt werden. Magnet Ofen ) In einem homogenen Feld verschwindet der Gradient und damit auch die Kraft auf einen magnetischen Dipol. Silberatome inhomogener Feldbereich 198 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.10 Magnetischer Fluss Da es keine magnetischen Monopole gibt, sind Magnetfeldlinien immer geschlossen. Es gibt keine „Quellen“ der magnetischen Feldlinien: Der r magnetische Fluss ΦB eines Feldes B ist ein Maß für die „Anzahl“ der Feldlinien, die durch eine Fläche A treten („Feldliniendichte“). r B A r B Wenn die Feldlinien senkrecht auf der Analog zum elektrischen Fluß wird der magnetische Fluss ΦB definiert. Fläche A stehen, dann ist der magnetische Fluss durch diese Fläche definiert durch: ΦB r = B A = BA 199 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r A r B r B⊥ α Für eine beliebig geformte Fläche A gilt im Fall eines inhomogenen Feldes: A r dA r r B (r ) Der magnetische Fluss ΦB durch die Fläche A ist nun: A r r Φ B = B ⊥ A = B A cos α r r ⇒ ΦB = B ⋅ A Alle bisherigen Betrachtungen gelten nur, wenn das durch die Fläche A tretende Feld konstant ist. Ist dies nicht der Fall, dann muss der Fluss durch Summation bzw. Integration bestimmt werden. Der magnetische Fluss dΦB, der durch die Fläche dA tritt, ist dann: r r r d Φ B = B (r ) ⋅ dA 200 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r dA r r B(r ) Wie im Fall des elektrischen Feldes soll nun wieder der Fluss durch geschlossene Flächen betrachtet werden. 1. Fall: Magnet außerhalb der geschlossenen Oberfläche A r B Der gesamte magnetische Fluss ΦB durch die Fläche A ist dann durch Integration über alle Einzelflüsse dΦB durch die Flächen dA gegeben: r dA O r r r Φ B = ∫ B (r ) ⋅ dA A 201 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Befindet sich der Magnet außerhalb der geschlossenen Oberfläche, dann liegen dieselben Verhältnisse vor, wie beim statischen elektrischen Feld. Es gilt daher: r r Φ B = ∫ B ⋅ dA = 0 O 2. Fall: Magnet innerhalb der geschlossenen Oberfläche r B r dA Da die Feldlinien immer geschlossen sind, fließen aus einem Pol genauso viele Feldlinien heraus, wie in den anderen Pol hineinfließen. Daher gilt hier und ganz allgemein für statische magnetische Felder: r r ∫ B ⋅ dA = 0 O Dies ist die 2. Maxwell-Gleichung in integraler Form. Dies bedeutet anschaulich, dass es keine Quellen des statischen magnetischen Feldes gibt. Die Feldlinien sind immer geschlossen. Es existieren also auch keine magnetischen Monopole. 202 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.11 Magnetisches Feld in Materie Das Ampèresche Gesetz gilt ganz allgemein für alle Arten von Strömen bzw. Stromdichten: r r r r ∫ B ⋅ dr = μ 0 I = μ 0 ∫ j ⋅ dA Dabei gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Arten von Strömen, d.h.: r r r j = jTrans. + jMag. Transportstromdichte (von außen aufgeprägt, Spule usw. ) Mikroskopische Stromdichte in Anwesenheit des Magnetfeldes Transportströme Magnetisierungsströme (Flächenströme) Die mikroskopischen Ströme bestimmen das magnetische Verhalten eines Stoffes. Man definiert das Feld der Magnetisierung z.B. durch: r r r r ∫ M ⋅ dr = ∫ jMag ⋅ dA 203 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Einsetzen in das Ampèresche Gesetz ergibt: r r r r r ∫ B ⋅ dr = μ 0 ∫ ( jTrans + jMag ) ⋅ dA r r v⎞ r r ⎛ B ∫ ⎜⎜⎝ μ 0 − M ⎟⎟⎠ ⋅ dr = ∫ jTrans ⋅ dA Nun wird durch r H= r B μ0 r −M ein neues Feld definiert, dessen Ursache allein die makroskopischen Transportströme sind. Ohne mikroskopische Ströme gilt also: r r B = μ0 H Häufig findet man experimentell, dass die Magnetisierung proportional zu dem durch die Transportströme erzeugten Feld ist, also: r r M = χm H Dabei ist χm die sog. „magnetische Suszeptibilität“. Sie ist eine Materialkonstante und beschreibt das Bestreben der magnetischen Dipole, sich im Feld auszurichten. Damit folgt: r H= r B μ0 r − χmH r r r ⇒ B = μ 0 (1 + χ m ) H = μμ 0 H 204 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r r r B = μ 0 (1 + χ m ) H = μμ 0 H Die Permeabilität μ eines Materials hängt also direkt mit der Suszeptibilität χm über μ = 1 + χm zusammen. H2O Cu χm⋅106 -9 -7.4 Experimentell findet man, dass es Stoffe gibt mit: Bi Al -153 21.2 0.999847 1.000021 Pt O2 (flüssig) 264 3620 1.000264 1.003620 χm > 0 : paramagnetische Stoffe χm < 0 (Al, Pt, O2) : diamagnetische Stoffe (H2O, Cu, Bi) Die Permeabilität μ kann also größer oder kleiner als Eins sein, im Gegensatz zur Dielektrizitätskonstante, für die (bei statischen Feldern) ε > 1 gilt. Material µr 0.999991 0.999993 diamagnetisch (Lenzsche Regel) paramagnetisch (Dipolmoment) 205 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) (i) Diamagnetismus: r B N Das Dipolmoment wird durch das äußere Feld induziert (Lenzsche induzierter Regel) Strom N S S Diamagnetische Stoffe werden im inhomogenen Feld in den Bereich kleinerer Feldstärke gedrängt inhomogenes Feld r B S N r F (ii) Paramagnetismus: r B N S eigenes dominantes magn. S Dipolfeld Paramagnetische Stoffe werden in den BeN reich höherer Feldstärke gezogen. r B NS r F 206 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Dia- und Paramagnetismus Al-Stab Paramagnetische Stoffe richten sich im inhomogenen Magnetfeld in Richtung des Feldes aus, diamagnetische Stoffe dagegen quer zu den Feldlinien. Die Probe hängt leicht drehbar an einem dünnen Faden. Feld aus Probe Al-Stab Magnet Feld ein 207 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Dia- und Paramagnet im inhomogenen Feld Magnetfeld aus: Die paramagnetische Al-Kugel hängt frei am Faden Magnetfeld ein: Die Kugel wird in den Bereich dichterer Feldlinien gezogen. Al-Kugel Magnetpole Bei einem diamagnetischen Stoff (z.B. Glaskugel) wirkt die Kraft in entgegengesetzter Richtung, die Kugel wird aus dem Bereich dichterer Feldlinien verdrängt. 208 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) (i) Ferromagnetismus: Bei ferromagnetischen Substanzen wie Eisen, Cobalt oder Nickel ist χm , μ >> 1 (etwa 5000 bei Eisen). Außerdem ist der Zusammenhang r r B = μμ 0 H nicht mehr linear, d.h. μ ist eine Funkr tion des äußeren Feldes μ = μ (H ) und zeigt ein Hystereseverhalten: µ 1 Sättigung ≈ 2T Remanenz B H Koerzitivfeldstärke Hysteresekurve Jedes ferromagnetische Material besteht aus Bereichen mit permanenten magnetischen Momenten, die man als „Weißsche Bezirke“ bezeichnet. Sie sind durch „Blochsche Wände“ getrennt. 1 dB μ (H ) = μ 0 dH H 209 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Bloch-Wände und Weißsche Bezirke H =0 BlochWände WeißBezirke Durch ein äußeres Magnetfeld können die Weißschen Bezirke in eine Vorzugsrichtung gebracht werden. Das geht solange, bis alle Bezirke in Richtung des erregenden Feldes zeigen. Dann ist die magnetische Sättigung des Materials erreicht. ⇒ B=0 H >0 ⇒ B∝H H →∞ ⇒ B ≈ const. 210 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Barkhausen-Effekt Die Ursache für das Hystereseverhalten ist das verzögerte Umklappen der Weißschen Bezirke, die wie kleine Dipolmagnete wirken. Das Umklappen kann man akustisch hörbar machen (Barkhausen-Effekt). Lautsprecher bewegter Stabmagnet Anordnung des Experiments zum Barkhauseneffekt: Verstärker U in d ∝ dB dt ferromagnetischer Stab Induktionsspule Magnet Induktionsspule Verstärker Lautsprecher 211 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.12 Biot-Savartsches Gesetz Das elektrostatische Feld konnte mit dem Superpositionsprinzip für jede beliebige Ladungsverteilung berechnet werden. Da es keine magnetischen Ladungen gibt, ist es recht schwierig, das statische Magnetfeld für eine beliebige Stromverteilung zu bestimmen. Wir betrachten jetzt ein von einem r Strom I durchflossenes Leiterelement dl , dass r sich r am Ort r ' befindet und am Ort r das r Magnetfeld dB erzeugt. Das Biot-Savartsche Gesetz besagt, dass ein vom Strom I durchflossenes Leiterr element dl einen Beitrag dB zum Magnetfeld leistet: r I dl Leiter r dB r r r − r' r r' r r I 0 r r r r μ0 I dl × ( r − r ') dB = r r 3 4π r −r ' 212 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Das Feld eines stromdurchflossenen Leiters ist dann gegeben durch: I r r r μ 0 I ⌠ dl × (rr − rr ') B(r ) = r r3 4π ⎮ ⌡ r − r' R r r′ Leiter Dabei ist das Integral entlang der Linie des Verlaufes des Leiters zu berechnen. Beispiel: Magnetisches Feld im Zentrum einer kreisförmigen Leiterschleife Aus der Abbildung liest man ab: r r r r r = 0, r − r ' = R r r dl ⊥ r ' Mit dem Biot-Savart-Gesetz ergibt sich r r dann am Ort r = 0 : B dϕ r r μ0 I B(0) = 4π ⌠ ⎮ ⎮ ⎮ ⌡ r dl r r dl × r ' r 3 r' Leiter Aus der Zeichnung ergibt sich weiter: r r dl = Rdϕ r ′ = R r r r ⇒ dl × r ′ = Rdϕ R e⊥ 213 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r e⊥ Der Vektor steht hierbei senkrecht auf der Leiterschleife. Einsetzen ergibt: 2π r r μ0 I r ⌠ Rdϕ R B (0) = e⊥ ⎮⎮ R3 4π ⌡ Einsetzen ergibt r μI B(r0 ) = 0 4π ⌠ ⎮ ⎮ ⎮ ⌡ r r dl × r ' r 3 r' Leiter 0 μ 0 I r 2π μ0 I r = e⊥ ∫ dϕ = e⊥ 4π R 0 2R = μ0 I r eϕ 4π ⌠ ⎮ ⎮ ⌡ Leiter dzr ′ sin α r ′3 Beispiel: Magnetisches Feld im Abstand r0 von einem unendlich langen stromdurchflossenen Draht z r r′ Aus der Zeichnung ergibt sich jetzt: r r dl × r ′ = dz r ′ sin α r r ′ = r ′ = r02 + z 2 r sin α = 0 r′ r r r =0 r0 α dz = dl 0 I 214 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) r μIr B (r0 ) = 0 eϕ 4π ⌠ ⎮ ⎮ ⌡ Leiter dzr ′ sin α μ0 I r eϕ = 3 r′ 4π ⌠ ⎮ ⎮ ⌡ Leiter r0 dz r ′3 ∞ = μ0 I 4π ⌠ r ⎮ eϕ r0 ⎮ ⎮ ⌡ −∞ dz (r 2 0 +z 2 ) 3 2 Es ist (Formelsammlung, z.B. Bronstein): ∞ ⌠ dz 2 = 32 ⎮ 2 r02 ⌡ (r0 + z 2 ) −∞ Dann ergibt sich für das Magnetfeld im Abstand r0 vom Leiter wieder: r μ0 I r B(r0 ) = eϕ 2π r0 4.13 Definition der Einheit Ampère 1 m ist die Strecke, die das Licht im Vakuum zurücklegt in 1/299792458 Sekunde (exakt, da so definiert). 1 kg ist die Masse des internationalen Kilogrammtyps (Fehler: Δm/m ≈ 10-9) 1 s ist das 9192631770-fache der Periodendauer beim Übergang zwischen den Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von 133Cs (Fehler: Δt/t ≈ 10-14) 1 A ist die Stärke eines konstanten Stromes, der durch gerade, parallele und unendlich lange Leiter im Abstand von 1 m fließt und dabei pro Meter Leiterlänge die Kraft F = 2⋅10-7 N erzeugt (Fehler: ΔI/I ≈ 10-6) 215 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es soll jetzt die Kraft zwischen zwei parallelen, unendlich langen Leitern berechnet werden. Herleitung mit Biot-Savartschem Gesetz: Das vom Leiter 1 am Leiter 2 erzeugte Magnetfeld ist: r r μ0 I1 dl1 × rr dB = 4π rr 3 z I1 dz I2 r r z Es ist: r dB x ⎛d ⎞ r ⎜ ⎟ r =⎜0⎟ ⎜z⎟ ⎝ ⎠ Leiter 2 Leiter 1 d y ⎛ 0 ⎞ ⎛d ⎞ ⎛ 0 ⎞ r r ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ dl1 × r = ⎜ 0 ⎟ × ⎜ 0 ⎟ = ⎜ − d ⋅ dz ⎟ ⎜ −dz ⎟ ⎜ z ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ r r = d 2 + z2 Damit ergibt sich mit: ⎛ 0 ⎞ r ⎜ ⎟ dB = ⎜ dBy ⎟ ⎜ 0 ⎟ ⎝ ⎠ μ0 I1d dz dBy = − 4π d 2 + z 2 3 2 ( ) 216 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Der gesamte Leiter 1 erzeugt also am Ort des Leiters 2 das Feld: ∞ μ 0 I1 d ⌠ μ 0 I1 d 2 dz By = − = − 3 2 2 2 2 4π ⎮ 4 d π ⌡ (d + z ) −∞ Die Kraft auf dl2 des Leiters 2 ist: ⎛ 0 ⎞ r r r ⎜ r ⎟ dF = I 2 dl2 × B mit dl2 = ⎜ 0 ⎟ ⎜ −dz ⎟ ⎝ ⎠ Einsetzen des Magnetfeldes ergibt: ⎛ dz ⎞ r μ0 I1 I 2 ⎜ ⎟ dF = 0⎟ ⎜ 2π d ⎜ ⎟ ⎝0⎠ Ohne Biot-Savartsches Gesetz: Feld eines stromdurchflossenen Leiters 1: μ0 B1 (r ) = I1 2πr Kraft auf Leiter 2 der Länge z = l im Abstand r = d : μ0 F21 (r = d ) = I1 I 2 l 2πd Zahlenwerte: I1 = I 2 = 1A, d = 1m Vs Am dF 4π ⋅10−7 ⋅1⋅1 Vs A2 −7 N = = 2 ⋅10 dz 2π ⋅1 Am m m μ0 = 4π ⋅10−7 217 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Damit ist die Definition der Stromstärke gegeben: Definition der Stromstärke 1 A: Wenn zwei parallele Leiter im Abstand von d = 1m von je 1A durchflossen werden, wirkt eine Kraft von 2·10−7 Newton pro Meter Länge. Ältere Definition der Stromstärke 1 A: Pro Sekunde wird 1.118 mg Silber aus wässriger Lösung ausgeschieden, wenn ein Strom von 1A fließt. Die Richtung der Kraft hängt von der Stromrichtung ab: r F I2 I1 r F –I2 +I1 218 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Kraft zwischen zwei Leitern I Leiter aus Kupferlitze r F I r F Anziehung I r F I r F Abstoßung 219 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Pinch-Effekt ohne Strom nach Einschalten des Stroms Ein aus mehreren dünnen parallelen Metallfolien gebildeter Leiter schnürt sich nach Einschalten des Stroms ein, bis er wegen Überhitzung schmilzt. 220 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 4.14 Maxwell-Gleichungen für statische Magnetfelder Wir hatten bisher die folgenden zwei wichtigen Eigenschaften für statische Magnetfelder kennen gelernt: r r (i ) ∫ B ⋅ dA = 0 A r r (ii ) ∫ B ⋅ dr = μ 0 I S Dies sind bereits die 2. und 4. Maxwell-Gleichung, wobei letztere noch in der Elektrodynamik (d.h. für zeitlich veränderliche Felder) um einen Term erweitert wird. Jetzt sollen diese Gleichungen wieder in die differentielle Schreibweise der MaxwellGleichungen überführt werden. Wie beim elektrischen Feld erfordert dies ein wenig Mathematik. 221 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es werden wieder die Integralsätze verwendet, die in der Zusatzstunde ausführr licher erläutert werden. Es gilt für ein beliebiges Vektorfeld B sowie für eine geschlossene Oberfläche O, die ein Volumen V umschließt sowie eine Fläche A mit der Randkurve ∂A : Satz von Gauß (Oberflächenintegral ⇔ Volumenintegral): ∫∫ O r r B ⋅ dA = r r ∫∫∫ ∇ ⋅ BdV V (O ) Carl-Friedrich Gauß (1777-1855) Satz von Stokes (Wegintegral ⇔ Flächenintegral): r r r r r ∫ B ⋅ dr = ∫∫ ∇ × B ⋅dA ∂A ( ) A George Gabrial Stokes (1819-1903) 222 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die 2. Maxwell-Gleichung lautet: ∫∫ r r B ⋅ dA = 0 Dies kann nur gelten, falls der Integrand verschwindet: r r ∇⋅B = 0 O Mit dem Gaußschen Satz folgt für die linke Seite der 2. Maxwell-Gleichung: ∫∫ r r B ⋅ dA = r r ∫∫∫ ∇ ⋅ BdV V (O ) O Es folgt also r r ∫∫∫ ∇ ⋅ BdV = 0 V (O ) für jede beliebige Oberfläche O. Dies ist die 2. Maxwellsche Gleichung in differentieller Form. Die linke Seite des Ampèreschen Gesetzes lässt sich mit dem Satz von Stokes umformen zu r r r r r ∫ B ⋅ dr = ∫∫ ∇ × B ⋅dA ∂A ( ) A wobei die Randkurve der Fläche A, den Integrationsweg auf der linken Seite darstellt. 223 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Um die rechte Seite des Ampèreschen Gesetzes umzuformen, benötigen wir den Begriff r der Stromdichte. Die Stromdichte j ist ein Vektor, der in Richtung des Stromflusses zeigt. Der Gesamtstrom Iges , der durch eine Fläche A fließt, lässt sich mit der Stromdichte folgendermaßen ausdrücken: I ges r r = ∫∫ j ⋅ dA A r r j (r ) r dA Damit lässt sich das Ampèresche Gesetz schreiben als: A ∫∫ ( A Ige s r r r r r ∇ × B ⋅dA = μ0 ∫∫ j ⋅ dA ) A Da dies für jede Fläche A gelten soll, müssen die Integranden auf beiden Seiten übereinstimmen, also: r r r ∇ × B = μ0 j 224 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Dies ist die 4. Maxwell-Gleichung in differentieller Form, die allerdings in der Elektrodynamik noch erweitert wird. Das statische magnetische Feld rist also r nicht wirbelfrei. Es gibt daher kein (skalares) magnetisches Potential Um mit: B = −∇U m Für das statische magnetische Feld gilt zusammengefasst: (ii) ∫∫ O (iv) ∫ r r B ⋅ dA = 0 r r ⇔ ∇⋅B = 0 r r r r r B ⋅ dr = μ 0 I ⇔ ∇ × B = μ 0 j ∂A 225