Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Inhalt der Vorlesung Experimentalphysik II Teil 1: Elektrizitätslehre, Elektrodynamik 1. 2. 3. 4. 5. 6. Elektrische Ladung und elektrische Felder Kapazität Elektrischer Strom Magnetostatik Elektrodynamik Schwingkreise und Wechselstrom Teil 2: Optik 7. Elektromagnetische Wellen 8. Optik 250 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5 Elektrodynamik 5.1 Maxwell-Gleichungen im statischen Fall (Wdh.) ⇔ Integralform (1) ∫∫ r r 1 E ⋅ dA = ∫∫ r r B ⋅ dA = 0 A (2) A (3) (4) ⇔ r r r ∇× E = 0 ⇔ r r r ∇ × B = μ0 j Hier fehlt noch etwas ∫ r r r r B ⋅ dr = μ 0 ∫∫ j ⋅ dA ∂A ⇔ r r ∇⋅B = 0 ε 0 V ( A) ∫ ∂A ⇔ r r ρ ∇⋅E = ∫∫∫ ρ dV r r E ⋅ dr = 0 Differentialform ε0 A 251 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Es sollen noch einmal einige Begriffe wiederholt werden: r r2 Elektrische Spannung: r r U = − ∫ E ⋅ dr Im statischen Fall gelten folgende Abhängigkeiten: q,U r E , Φ el. r r1 r r Elektrischer Fluß: Φ el. = ∫∫ E ⋅ dA A 11 r r rr Elektrischer Strom: I =I = ∫ B B ⋅ d⋅rdr ∫ μ μ0 0 Magnetischer Fluß: Φ mag. r r = ∫∫ B ⋅ dA I Bei zeitabhängigen Feldern kommen weitere Abhängigkeiten hinzu: A Weiterhin sind Ladungen q die Quellen des elektrischen Feldes. Das magnetische Feld hat keine Quellen. Es wird durch Ströme erzeugt. r B , Φ mag. q,U I r E , Φ el. r B , Φ mag. 252 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.2 Induktionsgesetz Versuch: Spule im Erdmagnetfeld Versuch: Magnet in Leiterschleife Leiterschleife Stabmagnet Wenn der magnetische Fluss durch eine Leiterschleife zeitlich veränderlich ist, dann wird eine Spannung und somit ein elektrisches Feld erzeugt. Wieder ist der magnetische Fluss durch die Leiterschleife (Spule) zeitlich veränderlich. Es wird ebenfalls eine Spannung und somit ein elektrisches Feld erzeugt. Rotiert die Spule (mit ω = const.), so wird eine sinusförmige Spannung erzeugt. 253 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Faraday entdeckte 1831, dass eine elektrische Spannung durch einen zeitlich veränderlichen magnetischen Fluss erzeugt werden kann. Dieses wird Induktion genannt. U(t) gilt r r d r E (t ) ⋅ dr ∝ B(t ) ∫ dt Schleife Ein zeitlich veränderliches Magnetfeld erzeugt ein elektrisches Wirbelfeld. Magnet Versuch: Änderung des magnetischen Flusses durch Änderung der Fläche r B Leiterschleife Permanentmagnet Spannungsmesser Im statischen Fall wird keine Spannung induziert; es ist U = 0. Experimentell findet man U ~ dB/dt, d.h. die induzierte Spannung ist proportional zur zeitlichen Änderung des Magnetfeldes. Mit r r U (t ) = ∫ E (t ) ⋅ dr Schleife bewegter Leiter 254 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Durch Verschieben des Leiters wird die Fläche einer in einem Magnetfeld angeordneten Leiterschleife verändert. Die Fläche der Leiterschleife ist: A = xb Daher kann man schreiben: r B U(t) U (t ) ∝ A x v b Anstatt einer Änderung der Magnetfeldstärke wird also auch durch Veränderung der Fläche der Leiterschleife, die vom Magnetfeld durchsetzt wird, eine Spannung erzeugt. Das Experiment liefert den Zusammenhang: dx U (t ) ∝ v = dt dA dt Der magnetische Fluss für ein Feld B(t), welches senkrecht durch eine Fläche A(t) tritt, ist gegeben durch: Φ mag. (t ) = A(t ) B (t ) Dann ergibt sich das Induktionsgesetz: d Φ mag. d U (t ) = − ( B(t ) A(t ) ) = − dt dt Das negative Vorzeichen wird im nächsten Abschnitt erklärt. 255 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die induzierte Spannung ist proportional zur Änderung des elektrischen Flusses durch die Leiterschleife. 256 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.3 Lenzsche Regel Wenn durch Induktion in einer Leiterschleife eine Spannung entsteht, dann fließt wegen dieser Potentialdifferenz ein Strom. Dieser Strom ist wieder von einem Magnetfeld, dem induzierten Feld, umgeben. Es soll nun die Richtung des Stromflusses und des induzierten Feldes genauer betrachtet werden. r B Heinrich Friedrich Emil Lenz (1804-1865) r v r B induziert 257 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Wirbelstrombremse Ein Pendel, an dem ein Leiter schwingt, wird in einem Magnetfeld stark abgebremst. Der Grund dafür ist das durch Wirbelströme verursachte Magnetfeld im Leiter ("Wirbelstrombremse"). Adalbert von Waltenhofen (1828 - 1914) 258 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Versuch: Thomsonscher Ring Nach Einschalten des Stromes und damit des Magnetfeldes wird der Aluminiumring nach oben geschleudert. Wenn der Ring unterbrochen ist passiert nichts. 259 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Experimentell findet man Folgendes: r v (i) Wenn ein Magnet auf eine Leiterschleife zu bewegt wird, dann wird die Leiterschleife durch das induzierte Magnetfeld abgestoßen. r v (ii) Wenn hingegen die Leiterschleife vom Magneten weg bewegt wird, dann entsteht ein anziehendes induziertes Magnetfeld. Dies lässt sich allgemein zusammenfassen zur Lenzschen Regel (1834): „Der Induktionsstrom wirkt immer seiner Ursache entgegen.“ 260 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Anwendung: Diebstahlsicherung im Kaufhaus (älteres System) Wegen der Lenzschen Regel schwächt das Feld des in der Diebstahlsicherung induzierten Stromes das Magnetfeld des Senderkreises. 261 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.4 Faradaysches Induktionsgesetz Wir hatten das Induktionsgesetz d Φ mag. d U (t ) = − ( B (t ) A(t ) ) = − dt dt U(t) r B (t ) r dA experimentell begründet, wobei das negative Vorzeichen der Lenzschen Regel entspricht. Bisher waren wir von einem Magnetfeld ausgegangen, dass eine rechteckige Fläche senkrecht durchsetzt. Dies soll jetzt stark verallgemeinert werden. Wir betrachten eine beliebige Leiterschleife, die von einem Magnetfeld durchsetzt wird. Dann ist der magnetische Fluss durch die Leiterschleife: Φ mag. r r = ∫∫ B ⋅ dA r E (t ) r dr Die elektrische Spannung an den Enden der Leiterschleife ergibt sich durch Integration über das elektrische Feld: r r U (t ) = ∫ E (t ) ⋅ dr Schleife A 262 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Das Induktionsgesetz lässt sich also folgendermaßen verallgemeinern (∂A ist hier der Rand der Fläche A): r r ∂ r r ∫∂A E ⋅ dr = − ∂t ∫A B ⋅ dA Michael Faraday (1791-1867) Bemerkungen: • Dies ist das sog. Faradaysche Induktionsgesetz. Hierbei handelt es um die 3. Maxwell-Gleichung in integraler Form. • Die obige Gleichung bedeutet anschaulich, dass zeitlich veränderliche magnetische Felder elektrische Wirbelfelder hervorrufen. • Neben Ladungen können elektrische Felder also von veränderlichen Magnetfeldern (genauer: magnetischen Flüssen) erzeugt werden. • Das Wegintegral auf der linken Seite ist entlang der Randkurve ∂A der Fläche A, durch die das Magnetfeld tritt, zu berechnen. • Auf dem Induktionsgesetz basiert die Stromerzeugung mittels Turbinen. 263 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Jetzt soll die 3. Maxwell-Gleichung wieder in die differentielle Form überführt werden. Mit dem Stokesschen Integralsatz lässt sich die linke Seite umformen zu r r r r r ∫ E ⋅ dr = ∫∫ ∇ × E ⋅dA ( ∂A ) A wobei die Randkurve der Fläche A den Integrationsweg auf der linken Seite darstellt. Einsetzen ergibt: ∫∫ ( A r r r r r ∂ ∇ × E ⋅dA = − ∫∫ B ⋅dA ∂t A ) Umformen liefert schließlich: ∫∫ ( A r r r r ⎛ ∂B ⎞ r ∇ × E ⋅dA = ∫∫ ⎜ − ⎟ ⋅dA ∂t ⎠ A ⎝ ) Diese Gleichung soll für jede beliebige Fläche A gelten. Dies ist nur möglich, wenn beide Integranden übereinstimmen, also: r r r ∂B ∇× E = − ∂t Dies ist die 3. Maxwell-Gleichung, also das Induktionsgesetz, in differentieller Form. 264 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.5 Selbstinduktion Das Feld im Inneren der Spule ist: Wir betrachten das Feld einer Spule der Länge l mit N Windungen, die von einem zeitabhängigen Strom I(t) durchflossen wird. l A B (t ) = μ0 N I (t ) l Differenzieren der Gleichung ergibt: dB μ0 N dI (t ) = dt l dt Da das Feld zeitlich veränderlich ist, entsteht eine Induktionsspannung r B(t ) U (t ) = − I(t) U(t) d Φ mag. dt dB (t ) = − NA dt wobei A die Querschnittsfläche der Spule ist. 265 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Einsetzen in das Induktionsgesetz ergibt: U (t ) = − μ 0 AN dI (t ) 2 l wobei L= dt = − LI&(t ) μ0 AN 2 Beispiel: Eine Spule habe die Länge l = 10 cm und den Durchmesser D = 5 cm. Sie hat N = 50 Windungen. Wie groß ist die Induktivität L ? Die Querschnittsfläche A ist: 2 ⎛D⎞ A = π ⎜ ⎟ = 1.963 ⋅10−3 m3 ⎝2⎠ l die Selbstinduktion oder Induktivität der Spule ist. Sie hängt nur von geometrischen Eigenschaften wie der Querschnittsfläche, der Länge und der Windungszahl ab. Die Einheit der Selbstinduktion ist: Vs m 2 Vs [ L] = 1 =1 = 1H (Henry) Am m A Mit µ0 = 4π⋅10−7 Vs/Am ergibt sich dann: L= μ0 AN 2 l = 6.17 ⋅10−5 H = 61.7μH 1 Henry ist also eine recht große Einheit. Joseph Henry (1766-1844) 266 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) I(t) U(t) Ein zeitlich variabler Strom I(t) durch die Spule bewirkt zwischen den Spulenanschlüssen eine Spannung: dI U (t ) = − L dt t t 267 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Der Begriff der Selbstinduktion lässt sich auch auf eine beliebige Leiterschleife verallgemeinern. U(t) r B(t) Φ mag. r dA I(t) Durch jeden Stromkreis greift ein Magnetfluss, welcher von seinem eigenen Stromfluss herrührt. Da das Magnetfeld proportional zum Strom I(t) ist gilt: r r = ∫∫ B (t ) ⋅ dA = L I (t ) Hierbei ist L die Selbstinduktion der Leiterschleife, die nur von ihrer geometrischen Beschaffenheit abhängt. Es ergibt sich also wieder: dI (t ) U (t ) = −L dt 268 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.6 RL-Kreise Wir betrachten einen Stromkreis bestehend aus einer Gleichspannungsquelle U0, einem Widerstand R und einer Induktivität L. (i) Einschaltverhalten: Die „Maschenregel“ liefert: UR = U0 + UL dI UR = R I UL = −L dt dI ⇒ R I = U0 − L dt U0 dI (t ) R ⇒ + I (t ) = dt L L R UR I U0 L UL Dies ist eine lineare, inhomogene DGL 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Als Anfangsbedingung soll speziell I (t = 0) = 0 gewählt werden. 269 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Die Lösung der homogenen Gleichung lautet: ⎛ R ⎞ I h (t ) = A exp ⎜ − t ⎟ ⎝ L ⎠ Eine partikuläre Lösung Ip(t) ergibt sich leicht aus der Bedingung: lim I P (t ) = t →∞ U0 = const. R Damit gilt für die Gesamtlösung: I (t ) = I p (t ) + I h (t ) U0 ⎛ R ⎞ I (t ) = + A exp ⎜ − t ⎟ R ⎝ L ⎠ Die Konstante A ist mit der Anfangsbedingung I(t) = 0 für t = 0 festgelegt: U0 + A=0 R U ⇒ A=− 0 R I (0) = Damit ergibt sich das gesuchte Einschaltverhalten des Stromes in einem Stromkreis mit einer Induktivität: U0 I (t ) = R ⎡ ⎛ R ⎞⎤ ⎢1 − exp ⎜ − L t ⎟ ⎥ ⎝ ⎠⎦ ⎣ Der Strom baut sich erst nach einer Zeit τ = L/R auf. Beispiel: L = 1 mH und R = 1 kΩ 10−3 H Vs τ= = 10−6 = 1μs 1000 Ω A V/A 270 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Einschaltkurve des Stromes bei einer Induktivität I(t) U0 R U0 I (t ) = R ⎡ ⎛ R ⎞⎤ ⎢1 − exp ⎜ − L t ⎟ ⎥ ⎝ ⎠⎦ ⎣ t 271 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) (ii) Ausschaltverhalten: Jetzt ergibt die „Maschenregel“: I UR = 0 +UL dI UR = R I UL = −L dt dI ⇒ R I = −L dt dI (t ) R ⇒ + I (t ) = 0 dt L Dies ist eine lineare, homogene DGL 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Als Anfangsbedingung soll jetzt speziell I(0) = I0 gewählt werden. U0 L UL R UR Als Lösung ergibt sich sofort: ⎛ R ⎞ I (t ) = I 0 exp ⎜ − t ⎟ ⎝ L ⎠ Der Strom klingt mit der Zeitkonstanten τ = L/R ab. 272 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Ausschaltkurve des Stromes bei einer Induktivität I(t) I0 ⎛ R ⎞ I ( t ) = I 0 exp ⎜ − t ⎟ ⎝ L ⎠ I0 e L τ = R t 273 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.7 Energie des Magnetfeldes Wir betrachten die folgende Spule: l A I N Windungen U Magnetfeld im Innern der Spule: B = μμ 0 NI l Wenn sich der Strom zeitlich ändert, dann wird eine Spannung U induziert: dB N 2 A dI dI U = − NA = − μμ0 =− L dt l 3 dt dt 1424 = L: Induktivität Die Leistung P ist: dW dI =U I = L I dt dt ⇒ dW = L I dI P= Hieraus folgt durch Integration die in der Spule gespeicherte Energie: W= 1 2 LI 2 Drückt man die Energie durch das Magnetfeld B aus, so ist: W= Al 2 μμ 0 B2 Mit V = Al und Β = μμ0Η folgt für die Energiedichte ρw= W/V 1 ρ w = BH 2 274 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) 5.8 Maxwellsches Induktionsgesetz In 5.4 wurde mit dem Faradayschen Induktionsgesetz gezeigt, dass zeitlich veränderliche B-Felder ein E-Feld erzeugen. Symmetrieüberlegungen führen nun zur Induktion eines B-Feldes durch zeitlich veränderliche E-Felder: r r d r r & ∫dA B ⋅ dr = μ0ε 0 Φ el. = μ0ε 0 dt ∫A E ⋅ dA Betrachtet wird hierzu das Aufladen eines Plattenkondensators: Der konstante Strom I bewirkt eine Zunahme der Ladung und damit dE/dt > 0: I I E dE/dt>0 Die Richtung des induzierten Magnetfeldes wird deutlich beim Blick auf die rechte Platte (von innen): r B r B r dE / dt > 0 r E r B r B Wichtig sind die unterschiedlichen Vorzeichen in beiden Induktionsgesetzen. Sie ermöglichen u.a. die Existenz von elektromagnetischen Wellen. 275 Experimentalphysik II (Kip SS 2009) Bereits bekannt ist das Ampèresche Gesetz mit dem vom Weg ds eingeschlossenen Strom I r r ∫ B ⋅ dr = μ0 I r r & el . ) + μ 0 I B ⋅ d r = μ ( ε Φ 0 0 ∫ mit dem (fiktiven) Verschiebungsstrom (2) Ampère-Maxwellsches Induktionsgesetz r r d ∫ B ⋅ dr = μ0ε 0 dt Φ el. + μ0 I (3) Gaußscher Satz für elektrische Felder r r qin ∫ E ⋅ dA = & el . IV = ε 0 Φ IV (1) Faradaysches Induktionsgesetz r r d ∫ E ⋅ dr = − dt Φ mag . Die Kombination beider Gesetze liefert das Ampère-Maxwellsche Gesetz I 5.9 Zeitabhängige Maxwell-Gleichungen: Überblick ε0 I (4) Gaußscher Satz für magnetische Felder r r ∫ B ⋅ dA = 0 276