Kopfschmerzen beim Arzt: Wer übernimmt die Verantwortung?

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Diagnostisch-Therapeutisches Seminar
Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin
Inselspital 23.10.2008
Medizin heute
Kopfschmerzen beim Arzt
• Wer übernimmt die Verantwortung ?
• Was ist fahrlässig ?
• Was wird praktiziert ?
• Was wäre sinnvoll ?
Können !
Sollen ?
Andreas U. Gerber, Burgdorf
Wissensch. Mitarbeiter Institut Dialog Ethik, Zürich
www.dialog-ethik.ch
[email protected]
Ethische Argumentationsmodelle
W. Martha, 71-jährige, rüstige Patientin
Vier-Prinzipienethik nach Beauchamp und Childress
1. Patientenautonomie
2. Non-Malefizienz
3. Benefizienz
4. Gerechtigkeit
09/04
- Diagnose eines kleinzelligen Br.Ca
Metastasen in Mediastinum, Rippen,
Wirbelkörpern, Hirn
- Pat. lehnt entschieden jegliche Chemound Strahlentherapie ab (4x)
Ethische Argumentationsmodelle
• Charakterethik
• Deontologie
• Utilitarismus
• Hedonismus
• etc
10/04
-
W. Martha, 71-jährige, rüstige Patientin
zunehmend Kopfschmerzen
Hospitalisation wegen Epi-Anfall
Patientin lehnt Therapie ab
Ehemann bekräftigt den „definitiven“,
immer wieder geäusserten Willen
der Patientin
Weiteres Procedere
• Wer übernimmt die Verantwortung ?
• Was ist fahrlässig ?
• Was wird praktiziert ?
• Was wäre sinnvoll ?
?
1
Entscheiden auf Grund von Fakten & Werten
71-jährig, metastasierendes Bronchuskarzinom,
will keine Chemotherapie
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will keine Chemotherapie
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Entscheiden auf Grund von Fakten
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Verpflichtung
Entscheiden auf Grund von Fakten & Werten
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will keine Chemotherapie
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Moral und Ethik 1
Moral:
Ist die Gesamtheit unserer sittlichen
(moralischen) Wertvorstellungen,
Werthaltungen und Verhaltensweisen.
(+/- gleichbedeutend mit Ethos)
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Pflicht zur Hilfeleistung
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„Moralisch gut“ heisst demnach:
im Einklang mit unseren moralischen
Grundvorstellungen von „gut“
Moral und Ethik 2
Entscheiden auf Grund von Fakten & Werten
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„unethisch
Ethik:
Gedankliche Auseinandersetzung mit
moralischen Werten.
Ethik ist die Wissenschaft der Moral;
und die Wissenschaft der moralischen
Argumentation und Entscheidungsfindung.
Das Objekt der Ethik ist die Moral.
„Ethisch gut“ heisst demnach:
der Prozess der Entscheidungsfindung ist
nachvollziehbar, transparent und mit
ethischen Argumenten belegt; die moralischen Werte sind mitberücksichtigt und
durchdacht.
Warum ist es so wichtig, zwischen naturwissenschaftlichen Fakten und moralischen Werten
zu unterscheiden ?
Weil wir das Entscheiden und Handeln nicht
dem Zufall überlassen wollen. Wir wollen NACHDENKLICH
entscheiden und handeln !
Entscheiden und Handeln geschieht immer und unausweichlich im Spannungsfeld zwischen naturwissenschaftlichen
Fakten und moralischen Werten.
2
Medizin im 21. Jh.: Chancen und Gefahren
W. Martha: Med.-ethisches Dilemma
!
D. Rüstige Patientin mit/bei
• Metastas. kl.zelliges Br.-Ca (ink. Hirnmeta)
- relat. gut radio- und chemotherapierbar
• Rezid. Epi.-Anfälle (Hirnmeta.-induziert)
N. Dezidierter Patientenwille
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www.samw.ch
„Definition“ der Urteilsfähigkeit
www.samw.ch
Weiteres Procedere
• Wer übernimmt die Verantwortung ?
• Was ist fahrlässig ?
• Was wird praktiziert ?
• Was wäre sinnvoll ?
www.samw.ch
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3
Medizin im 21. Jh: Die Realität und ihre Bewertung
100 %
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W. Martha: Med.-ethisches Dilemma
D. Rüstige Patientin mit/bei
• Metastas. kl.zelliges Br.-Ca (ink. Hirnmeta)
- relat. gut radio- und chemotherapierbar
• Rezid. Epi.-Anfälle (Hirnmeta.-induziert)
N. Dezidierter Patientenwille
Sterben / Tod
Lebensdauer in Jahren
100 J
Ist die Patientin urteilsfähig ?
Ist ihr Wille „rational“ d.h.
stimmt ihr Auftrag im Gesamtkontext
ihrer Biographie ?
AU Gerber, 11/05
Verantwortungsbewusste gemeinsame
Entscheidungsfindung mit PatientInnen
W. Martha: Analyse der „Wertvorstellungen“
Argumente der Patientin
Wie sprechen wir mit PatientInnen ?
Wie müss(t)en wir mit PatientInnen sprechen ?
Wie können wir mit PatientInnen spechen ?
Wie können / müssen wir lehren / lernen,
mit PatientInnen besser zu sprechen ?
Was heisst verstehen und
wie ist verstehen überhaupt möglich?
• Will nicht abserbeln unter Chemotherapie
wie ihr Vater (BrCa) vor 35 Jahren
• Will die Haare nicht verlieren, weil sonst
„... die Leute im Haus merken, dass ich
Krebs habe...“
Konkrete Erwartungen der Patientin
•„ nicht abserbeln...“
• Möglichst lange zu Hause sein
• Weihnachten zu Hause
[email protected]
W. Martha 1933, Verlauf (1)
10/04
19.10.04
2.11.-6.11.
24.-27.11.
25.12.04
Nach Klärung von Missverständnissen:
Wünscht die vorgeschlagene einfache
Chemotherapie (Platinol und Etopophos).
Rasches Ansprechen auf die Therapie
Entlassung nach Hause, fast beschwerdefrei
Antiepileptische Therapie nicht mehr nötig.
Zweiter Chemo-Zyklus. Perrücke.
Lebt zu Hause ohne Hilfe, praktisch “normal”.
3. Chemo-Zyklus. Mini-mental-Test normal.
Geriatric depression scale-Wert normal.
Thorax-Rö normal
Weihnachten zu Hause
W. Martha 1933, Verlauf (2)
02.02.05
04.02.
08.02.
Hosp. Wegen rasch progr. Verwirrung
Schädel-CT (Wunsch des Ehemannes):
Massiv progred. Hirnmetastasierung
Pat. komatös, Maximale Komforttherapie
Ehemann hilft täglich mit.
Stopp von Chemo- und Steroidtherapie
Keine Infusionen, keine Magensonde
“Die Patientin ist in Anwesenheit des Ehemannes
eingeschlummert”.
4
Fakten
Werte
Take home
1. EBM basiert nicht nur auf wissenschaftlicher Evidenz,
sondern ebenso auf
• der individuellen Evidenz des Patienten (d.h. seinen individuellen Erwartungen und Bedürfnissen)
• den Normen der betreffenden Gesellschaft
• den individuellen Kenntnissen und Einschätzungen des
Arztes (resp. Fachexperten)
2. Medizinisch-ethisch verantwortungsvoll entscheiden heisst:
Sich bemühen
• um die klare Unterscheidung von medizinisch Machbarem
(dem Deskriptiven) und Wünschbarem (dem Normativen)
• um die realistischen Erwartungen und Bedürfnisse des
betreffenden Patienten
3. Dem Patienten gerecht werden heisst, ihm nicht alles,
sondern (nur) das zukommen zu lassen, was er braucht
[email protected]
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