Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure Richard Walker Version 3.3, Juni 2010 1 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 2 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 2 Inhalt 1 Einleitung ...................................................................................................................... 3 2 Photonen – Boten aus dem Universum ..................................................................... 5 3 Das Kontinuum............................................................................................................. 7 4 Der nutzbare Spektralbereich ..................................................................................10 5 Typologie der Spektren .............................................................................................11 6 Kalibration und Normierung von Spektren..............................................................15 7 Form, Intensität und Breite der Spektrallinien .......................................................16 8 Sichtbar gemachte Quantenmechanik ....................................................................20 9 Wellenlänge und Energie ..........................................................................................23 10 Ionisierungszustand und Ionisierungsgrad .............................................................25 11 Verbotene Linien oder –Übergänge ........................................................................26 12 Die Spektralklassen ...................................................................................................27 13 Das Hertzsprung – Russel Diagramm (HRD) ..........................................................37 14 Das Messen der Radialgeschwindigkeit .................................................................42 15 Das Messen der Rotationsgeschwindigkeit ...........................................................49 16 Das Messen der Expansionsgeschwindigkeit ........................................................58 17 Spektroskopische Doppelsterne ..............................................................................59 18 Literatur und Internet ................................................................................................66 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 1 3 Einleitung Für die meisten Amateurastronomen hat die Spektroskopie noch immer das Image des Elitären. So sind zum Beispiel die Fachliteratur, aber auch Software Manuals etc. noch vorwiegend in Englisch verfasst, was für viele ein echtes Hemmnis bedeutet. Trotz dieser Schwierigkeiten interessiert sich eine wachsende Zahl von Sternfreunden für dieses Gebiet, nicht zuletzt dank substantiellen Erleichterungen infolge der CCD-Technologie, halbwegs erschwinglicher Spektrografen, sowie mehrerer Freeware Pakete, welche das Aufbereiten und Auswerten der Spektren wesentlich erleichtern. „Selbstgestrickte“ Excel Programme sind heute für die meisten spektroskopischen Anwendungen auf dem Rückzug begriffen. In den letzten Jahren haben sich in einigen Astronomischen Vereinen Gruppierungen gebildet, welche sich erfolgreich, und z.T. gar auf wissenschaftlichem Niveau, mit diesem Thema beschäftigen. Aus solchen Kreisen stammt ein überwiegend leicht verständliches Schrifttum für Einsteiger, z.B. [90]. Der Schwerpunkt liegt dort auf den physikalischen Grundlagen der Spektroskopie, der Technik und dem Selbstbau von Spektrografen, weshalb dieses Thema hier nicht weiter behandelt wird. Ferner sind auch zahlreiche Aufsätze zu spezifischen Beobachtungsprojekten, z.B. über stellare „Exoten“ wie Be- und Hüllensterne zu finden. Ergänzend dazu möchte ich hier an ausgesuchten Themen und Anwendungen, Brücken zwischen Praxis und Theorie schlagen, sowie Zusammenhänge und Möglichkeiten aufzeigen, welche meiner Meinung nach in der Amateurliteratur bisher zu kurz gekommen sind. Die praktische Relevanz muss dabei aber immer im Vordergrund stehen. So soll zum Beispiel der enorme, qualitative und quantitative Informationsgehalt der Spektralklasse, im Zusammenhang mit dem Hertzsprung-Russel Diagramm etwas ausgeleuchtet werden. Ein weiterer Schwerpunkt sind die zahlreichen messtechnischen Möglichkeiten, welche sich dem Amateur mit dem heute zur Verfügung stehenden Equipment erschliessen. Die Informationen mussten z.T. aus zahlreichen Fachartikeln zusammengetragen und in eigenen Versuchen auf die Praxistauglichkeit überprüft und dokumentiert werden. Dabei war mir sehr wichtig, dass die verwendeten Informationsquellen klar ausgewiesen sind und so auch weiterführend genutzt werden können. Ergänzend zu diesem eher „theorielastigen“ Skript ist für die praktische Aufbereitung und Auswertung der Spektren mit der Vspec und IRIS Software ein detailliertes Tutorial [7] erhältlich. Da beide Schriften eigenständig bleiben sollen, sind einige Textstellen und Grafiken redundant enthalten. Die Spektroskopie ist der eigentliche Schlüssel zur Astrophysik. Ohne sie wäre unser heutiges Bild des Universums undenkbar. Die Photonen, welche zum CCD-Sensor unserer Kamera vielleicht mehrere Millionen Jahre unterwegs waren, liefern eine erstaunliche Fülle von Informationen über das Herkunftsobjekt. Dies kann durchaus faszinieren, auch ohne die Ambition, gleich wissenschaftliche Lorbeeren anstreben zu wollen. Man braucht auch kein abgeschlossenes Physikstudium mit Vertiefung in Mathematik, um sich bereichernd mit dieser Materie beschäftigen zu können. Erforderlich sind einige physikalische Grundkenntnisse, die Fähigkeit, in einfachen Formeln Zahlen einsetzen und berechnen zu können, sowie eine gesunde Portion Begeisterung. Auch die für Amateure erforderlichen, chemischen Kenntnisse bleiben in diesem Fachgebiet erfreulicherweise überschaubar. In den heissen Sternatmosphären und angeregten Gasnebeln können die einzelnen Elemente kaum noch chemische Verbindungen eingehen. Lediglich in den äussersten Schichten relativ „kühler“ Sterne überleben einige sehr einfache Moleküle. Komplexere, chemische Verbindungen sind erst in wirklich kalten Nebeln des interstellaren Raumes und in planetaren Atmosphären zu finden. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 4 Die Stellarastronomie bezeichnet alle Elemente, ausser Wasserstoff und Helium, als „Metalle“. Der Anteil von Wasserstoff und Helium an der sichtbaren Materie im Kosmos beträgt heute noch ca. 99%. Der Rest, d.h. die meisten „Metalle“, ist erst lange nach dem Urknall, durch die erste Generation massereicher Sterne entstanden und an deren Lebensende durch Supernovaexplosionen im umgebenden Raum verteilt worden. Deutlich komplexer ist hingegen das quantenmechanisch bedingte Verhalten der angeregten Atome in den Sternatmosphären. Diese Effekte sind direkt für die Bildung und die Form der Spektrallinien verantwortlich. Für die praktische Tätigkeit des „Durchschnittsamateurs“ genügen aber einige grundlegende Kenntnisse. Richard Walker, Rifferswil © [email protected] Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 2 5 Photonen – Boten aus dem Universum 2.1 Photonen transportieren Information Photonen werden in Sternen erzeugt, tragen ihre wertvolle Information über ungeheure Zeiträume und unvorstellbare Distanzen zu unseren Spektrografen und enden schliesslich im Pixelfeld unserer CCD Kamera. Bei ihrer Vernichtung deponieren sie aber noch ihre wertvolle Information, indem sie selektiv zur Sättigung einzelner Pixel beitragen – eigentlich banal, aber irgendwie doch faszinierend. Sicher lohnt es sich, über dieses wohl wichtigste Glied in der Übertragungskette einige Überlegungen anzustellen. Es hat an der Schwelle des 20. Jahrhunderts der gesamten damaligen Physikelite heftigstes „Kopfzerbrechen“ verursacht. Dieser intellektuelle „Kraftakt“ gipfelte schliesslich in der Entwicklung der Quantenmechanik. Die Liste der substantiell Beteiligten liest sich wie das Who is Who der Physik anfangs des 20. Jahrhunderts: Werner Heisenberg, Albert Einstein, Erwin Schrödinger, Max Born, Wolfgang Pauli, Niels Bohr, um nur einige zu nennen. Die Quantenmechanik gilt heute, neben der Relativitätstheorie, als die zweite revolutionäre Theorie des 20. Jahrhunderts. Für das grobe Verständnis der Entstehung von Photonen, und schlussendlich auch der Spektren, ist es notwendig, einige Kernaussagen dieser Theorie zu kennen. 2.2 Der Dualismus von Welle und Teilchen Elektromagnetische Strahlung hat sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter. Dieses Prinzip gilt für das gesamte Spektrum. Beginnend bei den langen Radiowellen, bleibt es gültig über die Bereiche der Infrarot-Wärmestrahlung, des sichtbaren Lichtes, bis hinauf zu den extrem kurzwelligen Ultraviolett-, Röntgen- und Gammastrahlen. Quelle: Wikipedia Für unsere heutigen, technischen Anwendungen sind beide Eigenschaften unverzichtbar geworden. Für den gesamten Telekommunikationsbereich, Radio, TV, Mobiltelefonie, sowie die Radartechnik und den Mikrowellengrill ist es der Wellencharakter. Die CCD Fotografie, Belichtungsmesser von Fotoapparaten, Gasentladungslampen, z.B. für Energiesparlampen und die Strassenbeleuchtung, und nicht zuletzt die Spektroskopie, würden ohne den Teilchencharakter nicht funktionieren. 2.3 Die Quantelung der elektromagnetischen Strahlung Es war eine der bahnbrechenden Entdeckungen der Quantenmechanik, dass elektromagnetische Strahlung nicht kontinuierlich, sondern gequantelt (oder quasi „getaktet“) ausgesendet wird. Vereinfacht und anschaulich dargestellt entsteht dadurch eine kleinstmögliche „Portion“ an elektromagnetischer Strahlung, welche man Photon nennt und im „Zoo“ der Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 6 Elementarteilchen zu den Bosonen gehört. Die Bezeichnung „Photon“ stammt vom Griechischen Phos = Licht. 2.4 Eigenschaften der Photonen – Ohne äussere Einwirkung haben Photonen eine unendlich lange Lebensdauer – Ihre Erzeugung und Vernichtung ist in einer Vielzahl physikalischer Prozesse möglich. Für die Spektroskopie stehen dabei Elektronenübergänge zwischen verschiedenen Atomorbitalen im Vordergrund (Details siehe später). – Ein Photon bewegt sich immer mit Lichtgeschwindigkeit. Es kann deshalb, gemäss spezieller Relativitätstheorie (SRT), keine Ruhemasse haben. – Jedes Photon besitzt eine spezifische Frequenz (oder Wellenlänge) sowie eine davon proportional abhängige Energie – je höher die Frequenz, desto höher die Energie des Photons (Details siehe Kap. 9). Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 3 7 Das Kontinuum 3.1 Kontinuumsverlauf und Schwarzkörperstrahlung Die rote Kurve, nachfolgend Kontinuumsniveau πΌ genannt, entspricht dem Intensitätsverlauf eines Spektralprofiles, aufgetragen über die von links nach rechts zunehmende Wellenlänge. Sie ist bereinigt und geglättet von allfällig vorhandenen Absorptions- oder Emissionslinien (blaue Kurve). Als Kontinuum wird die gesamte Fläche zwischen der horizontalen Wellenlängenachse und dem Kontinuumsniveau bezeichnet [4]. Details siehe Kap. 7. Kontinuumsniveau Ic Kontinuum Wichtigste physikalische Grundlage für die Entstehung und den Verlauf des Kontinuums ist die sog. Schwarzkörperstrahlung. Der Schwarzkörper, Black Body oder Schwarze Strahler ist ein physikalisch-theoretisches Arbeitsmodell, welches in der Natur in dieser Perfektion nicht existiert. Viele Einführungsschriften widmen diesem Thema ganze Kapitel. Für die meisten Amateure aber reicht die Information völlig, dass: – der Schwarzkörper ein idealer Absorber darstellt, welcher die breitbandig auftreffende, elektromagnetische Strahlung, unabhängig von der Wellenlänge, vollständig und gleichmässig absorbiert. – der Schwarzkörper eine ideale thermische Strahlungsquelle bildet, welche eine breitbandige, elektromagnetische Strahlung vollständig und mit einem, exklusiv von der Temperatur abhängigen Intensitätsverlauf (Kontinuum) aussendet. – Sterne für uns in den meisten Fällen vereinfachend als Schwarzkörperstrahler betrachtet werden dürfen. 3.2 Wiensches Verschiebungsgesetz Diese Theorie hat für uns praktische Relevanz, da der Intensitätsverlauf des Spektrums über die Temperatur des Strahlers informiert! Wenn man die Strahlungsverteilung von Sternen vergleicht, zeigen sich glockenförmige Kurven, deren Maximalintensität sich mit zunehmender Temperatur T nach kürzerer Wellenlänge, resp. höherer Frequenz verschiebt (Plancksches Strahlungsgesetz). Quelle: www.astro.umass.edu Wilhelm Wien Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 8 Mit dem Wienschen Verschiebungsgesetz des deutschen Physikers Wilhelm Wien (1864– 1928) lässt sich für einen Stern, in Abhängigkeit seiner Atmosphärentemperatur T [K], die Wellenlänge λ [Å] mit der maximalen Strahlungsintensität im Spektralprofil berechnen. [K]: Kelvin K ≈ °Celsius + 273° [Å]: Angström, 1 Å = 10-10m πÅ = Beispiele: 28 978 200 π Alnitak Sonne Beteigeuze {1} π[πΎ] = T = ca. 25‘000 K T = ca. 5‘500 K T = ca. 3‘450 K 28′978′200 π {2} λTmax = 1‘160 Å (Ultraviolett) λTmax = 5‘269 Å (Grün) λTmax = 8‘400 Å (Infrarot) 3.3 Das Pseudokontinuum Der Kontinuumsverlauf unbearbeiteter, stellarer Rohspektren, egal ob mit professionellenoder Amateurmitteln gewonnen, weicht immer stark vom theoretischen, idealen Sollverlauf ab. Gründe dafür sind vor allem atmosphärische und gerätespezifische Einflüsse (Teleskop, Spektrograf, Kamera), welche das originale Spektralprofil zu einem Pseudokontinuum verfälschen. Trotz diesen Einflüssen kann anhand des Intensitätsmaximums der Effekt des Wienschen Verschiebungsgesetzes qualitativ noch beobachtet werden. Die folgende Grafik zeigt die überlagerten Spektralprofile aller hellen Orionsterne, gewonnen mit einem einfachem Transmissionsgitter (200L/mm), einer Canon Kompaktkamera (Powershot S 60) und ausgewertet mit der Vspec Software. Eingetragen sind die Spektralklassen, sowie einige identifizierte Absorptionslinien. Relative Intensity Alnilam B0Ia Alnitak O9.7Ib Bellatrix B2III Beteigeuze M1-2Ia-Iab Mintaka O9.5II TiO TiO TiO TiO Na I 5890 A TiO TiO Hβ 4861 A He I 4471 A Hγ 4340 A Saiph B0.5Ia Hδ 4102 A TiO OII 4638/-49 A Rigel B8Ia Wavelength [Angström] Hier ist gut sichtbar, dass die Profile und auch die Maximalintensitäten der späten O- und frühen B- Klassen (siehe Kap. 12), fast genau übereinander liegen. Erwartungsgemäss sind diese Merkmale beim Rigel, einem etwas weniger heissen, späten B- Riesen (grünes Profil), und in krassem Ausmass beim kühlen M- Riesen Beteigeuze (oranges Profil), nach rechts, in Richtung grösserer Wellenlänge verschoben. Theoretisch müssten die Maximalintensitäten der O- und B- Sterne sogar weit links, ausserhalb der Grafik, im UV Bereich liegen, diejenige von Beteigeuze ebenfalls ausserhalb, aber rechts im IR Bereich (siehe oben Kap. 3.2). Hauptursachen für diesen Fehler sind hier die spektrale Selektivität des CCD- Chip sowie der IR- Filter der Kompaktkamera. Diese täuschen vor, dass alle Peaks innerhalb der Grafik liegen würden. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 9 Hier ist auch gut erkennbar, wie die Absorptionslinien (siehe Kap. 5.2) dem Kontinuum quasi „aufgeprägt“ sind, ähnlich wie die Modulation auf einer Trägerfrequenz. Diese Linien tragen die eigentlichen Detailinformationen über das Objekt, der Kontinuumsverlauf hingegen verrät lediglich die Temperatur des Strahlers. Bei Beteigeuze ist eindrücklich sichtbar, wie bei kühlen Sternen nicht mehr diskrete Absorptionslinien sondern breite Molekül- oder Bandenspektren, hier Titanoxid (TiO) dominieren (siehe Kap. 5.4). Das Beispiel zeigt auch den dramatischen Einfluss der spektralen Kennlinie der Kamera. Im Blaubereich lässt die Empfindlichkeit der meisten Kameras schnell nach. CCD- Astrokameras haben meistens einen einfach entfernbaren, resp. zurüstbaren IR Filter, ohne den sich Spektren bis weit in den IR Bereich hinein aufnehmen lassen. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 4 10 Der nutzbare Spektralbereich 4.1 Der nutzbare Spektralbereich für Amateure Die professionelle Astronomie untersucht heute die Objekte fast im gesamten elektromagnetischen Spektralbereich. Im weiteren Sinne gehört dazu auch die Radioastronomie. Dabei kommen auch Weltraumteleskope zum Einsatz, welche zunehmend auf den Infrarotbereich optimiert werden, um die extrem rotverschobenen Spektren von Objekten aus der Anfangszeit unseres Universums aufzeichnen zu können (siehe Kap.14.5–14.8). Dazu wird auch das zukünftige James Webb Space Telescope gehören. Dem mit Standardteleskopen und Spektrografen ausgerüsteten, erdgebundenen Amateur, ist nur ein bescheidener Bruchteil davon zugänglich. Der für uns nutzbare Bereich wird, neben den spezifischen Konstruktionsmerkmalen des Spektrografen, vorwiegend durch die spektrale Charakteristik und eine allfällige Filterbestückung der Kamera limitiert. Die Meade DSI II z.B. erzielt am DADOS Spektrografen (ohne IR Filter) brauchbare Resultate im Bereich von ca. 3800 – 8000 Å, d.h. im gesamten sichtbaren Bereich des Spektrums, sowie im nahen Infrarot. Hier sind auch die bekanntesten und am besten dokumentierten Linien angesiedelt, wie z.B. die Wasserstofflinien der H- Balmerserie und die Fraunhoferlinien (siehe später). 4.2 Die Auswahl des Spektralbereiches Bei hochauflösenden Spektren wird die Wahl des aufzunehmenden Bereiches normalerweise durch ein Beobachtungsprojekt oder das Interesse an bestimmten Linien vorgegeben. Allenfalls müssen auch noch die Emissionslinien der Eichlampe in die Planung des Abschnittes einbezogen werden. Bei niedrig auflösenden, breitbandigen Spektren wird man meistens etwa den Bereich der H- Balmerserie bevorzugen (siehe Kap. 8). Heisse O- und BSterne können tendenziell eher kurzwelliger aufgenommen werden, da deren Strahlungsmaximum im UV Bereich liegt. Hier macht es meist wenig Sinn, den Bereich auf der roten (langwelligen) Seite von Hα einzubeziehen, ausgenommen jedoch die Emissionslinien der P Cygni oder Be Sterne. Zwischen ca. 6‘200 – 7‘700Å (siehe Bild unten) wimmelt es buchstäblich von erdatmosphärisch bedingten H2O und O2 Absorptionsbanden (Sonnenspektrum, DADOS Spektrograf 900L/mm). Hα Fraunhofer B Band O2 H2O Absorption Fraunhofer A Band O2 Interessant sind diese lediglich für Atmosphärenphysiker. Für Astronomen sind sie meistens nur lästig, es sei denn, sie werden zur Eichung der Spektren gebraucht! Es gibt in der Vspec Software die Möglichkeit, z.B. mit der H2O Extraktion diese Merkmale abzuschwächen. Bei den späten Typen der K-, sowie bei der gesamten M- Klasse (Kap. 12.5), macht es hingegen Sinn, diesen Bereich zu berücksichtigen, da die Strahlungsintensität dieser Sterne im IR Bereich sehr stark ist und sich gerade hier zum Teil interessante, molekulare Absorptionsbänder zeigen. Auch die Reflektionsspektren (Kap. 5.7) der grossen Gasplaneten zeigen hier die eindrücklichen Absorptionslücken im Kontinuumsverlauf. Beim DADOS Spektrografen wird der Bereich am besten vorgängig, d.h. noch „Indoor“ eingestellt. Orientierungshilfen dazu sind die Skala der Mikrometerschraube, das Eichlampenspektrum oder das Sonnen- resp. Tageslichtspektrum, nachts reflektiert verfügbar, ab Mond und Planeten. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 5 11 Typologie der Spektren 5.1 Kontinuierliches Spektrum Feste oder flüssige Glühlichtquellen senden, ähnlich einem Schwarzkörperstrahler, ein kontinuierliches Spektrum (Kontinuum) aus, z.B. Glühlampen. 5.2 Absorptionsspektrum Ein Absorptionsspektrum entsteht, wenn breitbandig abgestrahltes Licht auf dem Weg zum Beobachter durch eine Gasschicht laufen muss. Im All entstehen Absorptionsspektren meistens in Regionen, in denen kühleres Gas zwischen uns und einer heissen Strahlungsquelle liegt. Im überwiegenden Teil der Fälle ist die Strahlungsquelle ein Stern und die zu durchlaufende Gasschicht seine eigene Atmosphäre. Abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Gases werden dabei Photonen spezifischer Wellenlängen absorbiert, indem sie dessen Atome anregen, d.h. einzelne Elektronen kurzzeitig auf ein höheres Niveau befördern. Die so absorbierten Photonen fehlen dann schlussendlich bei diesen Wellenlängen und hinterlassen im Spektrum charakteristische dunkle Lücken, die sog. Absorptionslinien. Dieser Vorgang wird detaillierter in Kap. 8.1 beschrieben. Das Beispiel zeigt Absorptionslinien im grünen Bereich des Sonnenspektrums (DADOS 900L/mm). Hβ Fe Fe Fe Mg Fe 5.3 Emissionsspektrum Ein Emissionsspektrum entsteht, wenn in einem Gas die Atome so erhitzt oder angeregt werden, dass Energie bestimmter Wellenlänge abgestrahlt wird, z.B. Neon Glimmlampen, Energiesparlampen, Natrium Dampflampen der Strassenbeleuchtung etc. Abhängig von der chemischen Gaszusammensetzung werden die Elektronen durch thermische Anregung oder Photonen passender Wellenlänge, zuerst auf ein höheres Niveau angehoben oder gar völlig freigesetzt, d.h. ionisiert. Die Emission erfolgt anschliessend bei der Rekombination oder wenn das Elektron von höheren auf tiefere Niveaus zurückfällt und dabei ein Photon spezifischer Wellenlänge emittiert (Kap. 8.1). Astronomisch stammt dieser Spektrentyp meistens von ionisierten Gasnebeln in der Umgebung sehr heisser Sterne, Planetarischen Nebeln, oder extrem heissen Sternen, welche Gashüllen abstossen (z.B. P Cygni). Das folgende Bild zeigt ein Emissionsspektrum (Hα , Hβ, [OIII]) des Orionnebels M42, welcher durch seine zentralen, sehr heissen Trapezsterne θ Orionis ionisiert wird. Die dunklen Absorptionslinien stammen von θ Orionis oder von O2 resp. H2O Molekülen in der Erdatmosphäre (DADOS Spektrograf, 200L/mm). Hβ [OIII] Hα O2 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 12 5.4 Bandenspektrum Bandenspektren entstehen durch komplexe Rotations- und Vibrationsvorgänge bei erhitzten Molekülen. Solche kommen in den relativ kühlen Atmosphären von Roten Riesen vor. Aber auch mehrere der markanten Fraunhoferlinien im Sonnenspektrum (siehe Kap. 12.2) entstehen durch molekulare Absorption in der Erdatmosphäre, so z.B. das markante A-Band infolge von O2. Das folgende Spektrum stammt von Beteigeuze (DADOS 200L/mm). Es zeigt nur wenige diskrete Linien. Der überwiegende Teil ist durch Absorptionsbänder geprägt, welche hier vorwiegend durch Titanoxid (TiO) und in geringem Ausmass von Magnesiumhydrid (MgH) verursacht werden. In diesem Fall zeigen diese asymmetrischen Gebilde am linken (kurzwelligen) Bandende, dem sog. Bandhead, die grösste Intensität und werden dann nach rechts langsam schwächer. Die Wellenlänge bezieht sich bei Absorptionsbändern immer auf den Punkt der grössten Intensität („most distinct edge“). Das folgende Bild zeigt CO Absorptionsbänder (Kohlenmonoxid) im Spektrum von 51 Opiuchi (Schlangenträger) im Infrarotbereich (1micron oder μm =10'000Å). Generell geht bei den Kohlenstoffmolekülen (z.B. CN, CO, C2) der Intensitätsverlauf der Absorptionsbänder in genau umgekehrter Richtung wie bei den übrigen. Diesen Effekt hatte bereits Pater Secchi Mitte des 19. Jahrhunderts erkannt (Kap. 12.3). Für solche Spektren führte er in seinem damaligen Kategoriensystem den Spektraltyp IV ein! (Quelle: http://www.aanda.org/ Evidence for a hot dust-free inner disk around 51 Oph. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 13 5.5 Gemischte Emissions- und Absorptionsspektren Es gibt viele Fälle, wo Absorptions- und Emissionslinien im selben Spektrum gemeinsam auftreten. Das wohl bekannteste Beispiel ist P Cygni, ein Paradeobjekt für Amateure. Zu diesem instabilen und veränderlichen Überriesen der Spektralklasse B2 Ia existieren denn auch zahlreiche Publikationen. Im 17. Jahrhundert tauchte er ca. 6 Jahre lang als Stern der 3. Grössenklasse auf, und „verschwand“ dann wieder. Im 18. Jahrhundert gewann er wieder an Leuchtkraft, bis er den aktuellen, leicht variablen Wert von ca. +4.7m bis +4.9m erreichte. Die Distanz von P Cygni wird mit ca. 5000 bis 7000 Lj. angegeben (Karkoschka 5000 Lj). Das linke Bild zeigt die expandierende Hülle, aufgenommen mit dem Hubble Space Teleskop. Der Stern im Zentrum ist dabei abgedeckt. Das Spektrum rechts zeigt die typischen, sog. P Cygni Profile. Die Pfeile im Schema rechts zeigen alle in Richtung Erde. Der blaue Pfeil zeigt die Entstehung der Absorptionslinien. In diesem Bereich bewegt sich ein kleiner Ausschnitt der sich ausdehnenden, dünnen Gashülle genau in unsere Richtung, weshalb die hier entstehenden Absorptionslinien durch den Dopplereffekt blauverschoben erscheinen. Die roten Pfeile stammen aus der ionisierten Region der seitlich und gegen hinten abgehenden Hüllenbereiche, deren Licht bei uns als Emissionslinien registriert wird. Diese Effekte verursachen nun gesamthaft die Aufteilung der Spektrallinie in einen blauverschobenen Absorptionsteil, welcher dann rechts kontinuierlich in den meist intensiveren Emissionspeak übergeht. Im Spektrum rechts ist dies gut an der Hα Linie, sowie an den weiteren, ionisierten Metallinien erkennbar. Anhand der Wellenlängendifferenz zwischen dem Absorptions- und Emissionsteil der Linie, kann dann mit der Dopplerformel (Kap. 14) die Ausdehnungsgeschwindigkeit der Hülle berechnet werden. Weiter beschrieben und durchgerechnet wird dieses Objekt in Kap. 16. Quelle: http://www.astrogeo.va.it 5.6 Zusammengesetzte oder Komposit Spektren Überlagerte Spektren mehrer Lichtquellen werden auch Komposit-Spektren oder englisch Composite Spectra genannt. Der englische Ausdruck wurde 1891 von Pickering für zusammengesetzte Spektren in Doppelsternsystemen geprägt. Heute wird er oft auch für Gesamtspektren von Galaxien und Quasaren verwendet, welche aus der überlagerten Summe meist mehrerer hundert Milliarden Einzelspektren bestehen. In Kap. 14.8 ist das Kompositspektrum des Quasars 3C273 zu sehen. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 14 5.7 Reflektionsspektren Die Objekte unseres Sonnensystems sind nicht selbstleuchtend, sondern nur dank reflektiertem Sonnenlicht sichtbar. Deshalb enthalten diese Spektren auch immer die Absorptionslinien des Sonnenspektrums. Der Kontinuumsverlauf des Spektralprofils wird hingegen überprägt, da bestimmte Moleküle, z.B. CH4 (Methan) in den Atmosphären der grossen Gasplaneten das Licht bei bestimmten Wellenlängen unterschiedlich stark absorbieren, resp. reflektieren. Die folgenden, überlagerten Jupiter Spektren stammen von verschiedenen Stellen seines Zentralmeridians und zeigen das unterschiedliche Reflexionsvermögen der verschiedenen Breitengrade. Gut zu sehen sind hier, konzentriert im nahen Infrarotbereich, die sehr breiten Methan- (CH4) und Ammoniak- (NH3) Absorptionsbänder im Spektralprofil (Coradini et al. 2002). Die folgende Grafik zeigt das Reflektionsspektrum von Jupiter (rot), aufgenommen mit dem DADOS Spektrografen und dem 200L/mm Gitter. Überlagert ist (grün) das vorgängig in der Dämmerung noch aufgenommene Tageslicht-, resp. Sonnenspektrum. Vor der Elimination des Kontinuumsverlaufs wurden beide Profile auf denselben Kontinuumsabschnitt normiert [7]. In diesem Wellenlängenbereich sind die Intensitätsdifferenzen am deutlichsten in den Zonen 6200 und 7300 Å sichtbar. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 6 15 Kalibration und Normierung von Spektren Es gibt diverse Möglichkeiten Spektren zu kalibrieren und zu normieren. Wie dies im Detail durchgeführt werden kann zeigt [7]. 6.1 Die Kalibration der Wellenlänge Spektren werden als Intensitätsverlauf über die Wellenlänge aufgetragen. Dies bedeutet, dass zwei Dimensionen kalibriert werden können. Für die meisten Anwendungen ist lediglich die Kalibrierung der Wellenlänge erforderlich. Dies ist anhand bekannter Spektrallinien oder mit Hilfe von Eichlampen auch relativ einfach zu bewerkstelligen [7]. 6.2 Die radiometrische Korrektur und Kalibration der Intensität Die absolute Intensitätskalibration eines Rohprofils nach dem Strahlungsfluss oder Flux ist sehr anspruchsvoll und aufwendig. Prinzipiell wird dies anhand geeichter Strahlungscharakteristika von Standardsternen durchgeführt, welche eine vergleichbare Spektralklasse wie das untersuchte Objekt haben. Selbst im professionellen Bereich findet man eher selten absolut Flux-kalibrierte Spektren [7]. Eine Alternative ist die relative Flux-Kalibration. Hier beschränkt man sich darauf, die Spektrallinien, d.h. den eigentlichen Informationsgehalt aus dem Rohspektrum zu extrahieren und auf den künstlichen, idealen Kontinuumsverlauf eines Standardsternes zu übertragen. Das folgende Bild zeigt für Sirius das Rohspektrum (blau) und das schliesslich relativ Fluxkalibrierte (grün). Die graue Kurve ist ein Zwischenschritt in diesem Prozess. Sie zeigt die fehlerhafte, d.h. zu korrigierende Charakteristik des Rohspektrums. 6.3 Die Normierung der Spektren Je nach Aufgabenstellung gibt es verschiedene Möglichkeiten und Verfahren, wie die Intensitätsverläufe nicht Flux-kalibrierter Spektren, auf eine Bezugsgrösse normiert werden können. Erforderlich ist dies z.B. zur zeitlichen Aufzeichnung der Intensitätsänderung-, oder zur Bestimmung der Äquivalenzbreite einzelner Spektrallinien. Falls der Intensitätsverlauf keine Rolle spielt, kann der Kontinuumsverlauf auch aus dem Spektrum entfernt werden. Man erhält so eine sehr häufig zu findende „Flachdarstellung“ (Ausschnitt Siriusspektrum). Weitere Details siehe [7]. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 7 16 Form, Intensität und Breite der Spektrallinien 7.1 Die Spektrallinienform Kontinuumsniveau Intensität I 0 Die Grafik rechts zeigt mehrere Absorptionslinien mit gleicher Wellenlänge, jedoch unterschiedlicher Breite und Intensität, sowie mit Blue Wing idealer, Gauss-ähnlicher Intensitätsverteilung. Red Wing Entsprechend ihrem Sättigungsgrad tauchen sie unterschiedlich tief in das Kontinuum ein, bis maximal hinunter zur Wellenlängenachse. Kontinuum Die beiden roten Profile sind ungesättigt. Das grüne, welches am tiefsten Punkt die Wellenlängenachse berührt, ist gesättigt und das Core blaue sogar übersättigt [4]. Der tiefere Teil des Profils wird „Core“ (Kern) genannt, welgesättigt cher im oberen Teil über die „Wings“ (Flügel) λ in das Kontinuumsniveau übergeht. Der kurzWellenlänge λ wellige Flügel wird „Blue Wing“, der langwellige- „Red Wing“ genannt [4]. Im Unterschied zu den hier vorgestellten Absorptionslinien steigen Emissionslinienprofile immer vom Kontinuumsniveau nach oben. 7.2 Der Informationsgehalt der Linienform Es existiert wohl kaum eine Spektrallinie, welche die obige Idealform besitzt. Die Abweichung von dieser Form enthält aber eine Fülle von Informationen über das Objekt. Hier einige Beispiele physikalischer Vorgänge, welche die Profilform charakteristisch beeinflussen und dadurch messbar werden: – Die Rotationsgeschwindigkeit eines Sternes (rotational broadening) verflacht und verbreitert die Linie. Siehe Kap. 15. – Temperatur und Dichte der Sternatmosphäre verbreitern die Linie (temperature- / pressure-/collision broadening). Siehe Kap. 12.9. – Makroturbulenzen in der Sternatmosphäre verbreitern die Linie. Siehe Kap. 15.6 – Instrumenteneinflüsse (instrumental broadening) verbreitern die Linie. Siehe Kap. 7.6 – Im Bereich starker Magnetfelder (z.B. in Sonnenflecken) erfolgt ein Aufspalten und Verschieben der Spektrallinie durch den sog. Zeeman Effekt – Elektrische Felder erzeugen ein ähnliches Phänomen, den sog. Stark Effekt. Das resultierende Spektralprofil wird auch „Voigt Profil“ genannt (Woldemar Voigt 1850 – 1919). Spektrallinien werden sehr häufig noch durch eng benachbarte Linien deformiert – es entstehen dann sog. „Blends“. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 17 7.3 Die Linienintensität im Verhältnis zum Kontinuumsverlauf Das Kontinuumsniveau verläuft in der Praxis nie horizontal. Die gemessene Linientiefe πΌ im Diagramm ist daher kein direktes Mass für ihre Intensität. Erst im Verhältnis zu ihrer Kontinuumshöhe πΌ betrachtet, werden die Peak-Intensitäten π = πΌ/πΌ gegenseitig vergleichbar. Das gilt sowohl für Absorptionslinien als auch für die vom Kontinuumsniveau nach oben abgehenden Emissionslinien. Die bereits früher vorgestellte Grafik des Siriusspektrums demonstriert hier eindrücklich, dass die Absorptionslinien im Rohspektrum (blau) dieselbe relative Eindringtiefe = πΌ/πΌ ins Kontinuum aufweisen wie ihre Gegenstücke beim radiometrisch korrigierten Profil (grün). Die absoluten Grössen πΌ der einzelnen Linien sind jedoch stark unterschiedlich. Dies manifestiert sich besonders auffällig im Bereich der kurzwelligen H- Balmerlinien. π° π°π π°π π° 7.4 Die voll gesättigte Absorptionslinie im Spektraldiagramm Vspec erzeugt das Spektralprofil aufgrund des Grauwertverlaufs im Spektralstreifen der aufbereiteten CCD Aufnahme [7]. Die mögliche Spannweite von schwarz bis weiss umfasst dabei 256 Graustufen [36]. Mir sind im astronomischen Bereich noch nie voll gesättigte Absorptionslinien begegnet. Dies schaffte nicht einmal die eindrückliche Fraunhofer A – Linie (siehe Kap. 12.2). Zu Demonstrationszwecken habe ich deshalb mit Vspec ein Intensitätsprofil (blau), basierend auf einem 11–stufigen Grauwertdiagramm von schwarz bis weiss erstellt. Der Profilabschnitt im Schwarz-Bereich erweist sich hier tatsächlich zu 100% gesättigt und verläuft erwartungsgemäss auf dem untersten Niveau, d.h. deckungsgleich mit der Wellenlängenachse. Die Sättigung der übrigen Grauwerte nimmt treppenförmig nach oben ab, bis sie zuoberst auf dem Kontinuumsniveau = 0 wird (weiss). Falls der Spektralstreifen vorgängig mit IRIS aufbereitet wurde [35] [7], wird selbst bei unterbelichteten Spektralaufnahmen der höchste Punkt im Diagramm immer auf Weiss gesetzt. Dadurch wird ein maximaler Kontrast erzielt. Kontinuumsniveau = weiss Gesättigt = schwarz Graustufenprofil . Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 18 7.5 Die voll gesättigte Emissionslinie im Spektraldiagramm Keinerlei Kunstgriffe erfordert die Darstellung einer übersättigten Emissionslinie. Dazu braucht lediglich das Eichlampen- Spektrum überbelichtet aufgenommen zu werden. Die stärkeren, übersättigten Neonlinien erscheinen dadurch oben abgeflacht. Ein solch misslungenes Neon Spektrum darf keinesfalls zu Eichzwecken verwendet werden! Falls der Spektralstreifen vorgängig mit IRIS aufbereitet wurde [7], wird, selbst bei unterbelichteten Spektralaufnahmen, das Top der höchsten Emissionslinie im Diagramm auf Weiss gesetzt. Dadurch wird ein maximaler Kontrast erzielt. 7.6 π πππ Full Width at Half Maximum height Die sog. Halbwertsbreite ist einfach zu verstehen und bezeichnet die Linienbreite in [Å] auf halber Höhe der Maximalintensität. Sie kann auch an nicht normierten Spektren korrekt gemessen werden. Die Breite einer Spektrallinie ist u.a. abhängig von Temperatur, Druck/Dichte und Turbulenzeffekten in einer Sternatmosphäre (Kap. 7.2). Sie erlaubt entscheidende Rückschlüsse und ist daher oft als Variable in Bestimmungsgleichungen, z.B. für die Rotationsgeschwindigkeit von Sternen zu finden (Kap. 15.6). I=0 FWHM ½ Imax Diese Linienbreite wird in den meisten Fällen als Wellenlängendifferenz βπ in der Einheit [Å] angegeben. Bei der Imax Messung von Rotations- und Expansionsgeschwindigkeiten sieht man πΉππ»π aber häufig auch als Geschwindigkeitswert gemäss dem Dopplerprinzip ausgedrückt. Dazu wird πΉππ»π [Å] sinngemäss mit der Dopplerformel {15} π£ = πΉππ»π β π/π in einen Geschwindigkeitswert [km/s] umgerechnet (siehe Kap. 14). Der aus dem Spektrum gewonnene πΉππ»π Wert [7] muss nun noch von der Linienverbreiterung durch den Instrumenteneinfluss (instrumental broadening) korrigiert werden. πΉππ»π = πΉππ»π − πΉππ»π [Å] {3} πΉππ»π entspricht dabei der theoretisch maximalen Auflösung βπ [Å] des Spektrografen, d.h. die kleinste Abmessung eines Liniendetails, welches noch dargestellt werden kann. Das Auflösungsvermögen wird einerseits durch das optische Design des Spektrografen begrenzt (Dispersion des verwendeten Gitters, Kollimatoroptik, Spaltbreite etc.) und kann meistens als sog. π -Wert π = π/βπ , gültig für einen definierten Wellenlängenbereich, dem Spektrografenmanual entnommen werden (π = Betrachtete Wellenlänge). π = π/βπ {4} πΉππ»π = π π {4π} Verbreitet wird vorgeschlagen (z.B. [41]), diesen Wert durch gemittelte πΉππ»π Messungen an mehreren Linien des Eichspektrums zu bestimmen. Die Auflösung kann anderseits aber auch durch den Pixelraster der angeschlossenen Kamera begrenzt sein, falls dieser Wert [Å/Pixel] grösser wird als das βπ der Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 19 Spektrografenoptik. Dieser Wert kann bei einem kalibrierten Profil im Vspec Programm in der Kopfleiste abgelesen werden. Bei Farbkameras ist bei gleichem Pixelraster ein zusätzlicher Auflösungsverlust gegenüber einem Chip für Schwarzweiss Aufnahmen zu beachten. 7.7 ππ, Equivalent Width πΈπ = ππππππππäπβπ πΌπ Kontinuumsniveau Ic = 1 1 Profilfläche Intensität I Der πΈπ –Wert oder die Äquivalenzbreite ist ein kombiniertes Mass für die Breite und Intensität einer Spektrallinie. Die Profilfläche zwischen dem Kontinuumsniveau πΌπ und dem Profilverlauf der hier ungesättigten Spektrallinie ist gleich gross wie die Rechtecksfläche mit der voll gesättigten Tiefe, (hier πΌπ = 1) und der Äquivalenzbreite πΈπ [Å]. 0 {5} = EW Wellenlänge λ Der πΈπ –Wert muss deshalb an einem auf Ic = 1 normierten Spektrum gemessenen werden ([7], Kap. 10)! Mathematisch korrekt wird πΈπ so ausgedrückt: πΌπ − πΌπ ππ πΌπ {5π} Vereinfacht und somit anschaulich gesagt wird damit die rote Fläche oberhalb der Spektralkurve exakt berechnet, indem über den ganzen Profilbereich von π1 bis π2 unendlich viele vertikale Rechteckstreifen mit der unendlich schmalen Breite ππ und den variablen Höhen πΌπ − πΌπ aufsummiert werden. Um schliesslich die Äquivalenzbreite πΈπ zu erhalten müssen diese Werte noch durch die gesamte Kontinuums- resp. die gesättigte Rechteckshöhe πΌπ dividiert werden. Das Integralzeichen ∫ ist abgeleitet vom Buchstaben S und steht hier für „Summe“. πΌπ ist die Kontinuumsintensität, πΌ ist die variable Intensität der Spektrallinie, in Abhängigkeit von der Wellenlänge πΌ = π(π). 1 λ1 Ic = 1 Ic - Iλ Intensität I πΈπ = Ic 0 Iλ Wellenlänge λ πΈπ −Werte von Absorptionslinien sind definitionsgemäss immer positiv, solche von (nach oben ausschlagenden) Emissionslinien negativ. Gelegentlich wird auch der Normierte Äquivalenzwert π verwendet [46]: π = πΈπ π {6} Dieser erlaubt den Vergleich von πΈπ –Werten verschiedener Linien bei unterschiedlichen Wellenlängen π. In wissenschaftlichen Publikationen wird auch πΈπ häufig mit dem Grossbuchstaben π bezeichnet. π zum Beispiel bezeichnet dann die Äquivalenzbreite πΈπ der Hα Linie. In einigen Fachpublikationen habe ich auch schon den πΉππ»π –Wert mit π ausgedrückt gesehen. Die Konsequenz: Man muss sich jedesmal vergewissern, welcher Wert wirklich gemeint ist. λ2 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 8 20 Sichtbar gemachte Quantenmechanik 8.1 Schulbeispiel Wasserstoffatom und Balmerserie Das folgende Orbital- Energieschema zeigt am einfachsten Beispiel des Wasserstoffatoms den fixen Raster der Energieniveaus π, welche das einzige Elektron auf seinem Orbit um den Atomkern besetzen kann [5]. Diese sind mit den Schalen des bekannten Bohr‘schen Atommodells identisch und werden auch Hauptquantenzahlen genannt. Welches Niveau das Elektron aktuell einnimmt, hängt dabei von seinem Anregungszustand ab. Ein Aufenthalt zwischen den Orbits ist dabei extrem unwahrscheinlich. Das niedrigste Niveau, d.h. dem Atomkern am nahesten, ist π = 1 der sog. Grundzustand (ground state). Mit zunehmender n- Nummer (d.h. hier von unten nach oben): – nimmt der Abstand zum Atomkern zu – wird die gesamte Energiedifferenz, bezogen auf π = 1, immer grösser – werden die Zwischenabstände, d.h. die erforderlichen Energien, um das jeweils nächst höhere Niveau zu erreichen, immer kleiner, bis sie auf dem Level πΈ = 0ππ (oder π = ∞) gegen 0 gehen. Das Energieniveau πΈ auf dem Level π = ∞ ist physikalisch als πΈ = 0ππ definiert [4] und wird auch Ionisationsgrenze genannt. Dabei ist die Niveaunummer π = ∞ als „theoretisch“ zu betrachten, da in der Praxis beim Wasserstoff im interstellaren Raum mit einer begrenzten Zahl von ca. 200 gerechnet wird [5], auf denen sich „in der Praxis“ ein Elektron im Orbit um den Kern noch aufhalten kann. Definitionsgemäss wird im Schalenbereich mit sinkender π - Nummer die Energie zunehmend negativ, oberhalb von πΈ = 0ππ, d.h. ausserhalb des Atoms, positiv. Generelle Übergänge Wasserstoff Serien E1 Lyman (Ultraviolett) Absorption Balmer (sichtbar) Emission E2 Rekombination Paschen (Infrarot) Ionisation Hα Hβ Hγ Hδ Hε Energieniveaus E3 n=3 n=2 Anregungsniveaus n=∞ n=6 n=5 n=4 E = 0 eV E5 E4 n=1 Absorption erfolgt nur dann, wenn das Atom von einem Photon getroffen wird, dessen Energie exakt zu einer Niveaudifferenz passt, um welche das Elektron dann kurzzeitig auf den höheren Level angehoben wird (Resonanz Absorption). Emission erfolgt beim Zurückfallen des Elektrons auf ein tieferes Niveau, wobei ein Photon abgegeben wird, dessen Energie wiederum exakt der Niveaudifferenz entspricht. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 21 Ionisation des Atoms erfolgt, wenn die Anregungsenergie so gross ist, dass das negative Elektron über die Ebene πΈ = 0ππ hinausgehoben wird und das Atom verlässt. Dies kann durch ein hoch energetisches Photon (Photoionisation), durch Erhitzung (Thermische Ionisation) oder Kollision mit externen Elektronen oder Ionen (Stossionisation) geschehen. Bei der Rekombination fängt ein ionisiertes Atom ein freies Elektron aus der Umgebung und wird dadurch wieder „neutral“. 8.2 Balmerserie Eine Gruppe von Elektronenübergängen, zwischen einem fixen Energieniveau und allen darüber liegenden Ebenen, wird Serie genannt. Für Amateure ist vorwiegend die Balmerserie (rote Pfeilgruppe) wichtig, weil nur ihre Spektrallinien im sichtbaren Bereich des Spektrums liegen. Sie enthält die bekannten H- Linien und umfasst alle Elektronenübergänge, welche vom zweitniedrigsten Energieniveau π = 2 nach oben abgehen (Absorption) oder von oben herkommend hier enden (Emission). Die Balmerserie wurde vom Schweizer Mathematiker und Architekten (!) Johann Jakob Balmer (1825–1898) entdeckt und beschrieben. Die Linien der benachbarten Paschen-Serie liegen im infraroten-, diejenigen der Lyman-Serie im ultravioletten Bereich. Dies klingt alles recht theoretisch, hat aber hohe praktische Relevanz und kann selbst mit einfachsten, spaltlosen Spektrografen quasi „sichtbar“ gemacht werden! Dazu wird am einfachsten das klassische Anfängerobjekt, d.h. ein Sternspektrum der Klasse A (Kap. 12.4) aufgenommen. Am besten eignen sich Sirius (A1) oder Wega (A0). Diese Sterne haben eine Oberflächentemperatur von ca. 10‘000 K, welche die Balmerserie im Spektrum am deutlichsten zur Geltung bringt. Der Grund dafür: Infolge thermischer Anregung erreicht bei dieser Temperatur der Elektronenanteil, der sich bereits auf dem erhöhten Ausgangsniveau der Balmerserie π = 2 aufhält, das Maximum. Bei noch weiter steigenden Temperaturen nimmt dieser Anteil auf π = 2 wieder ab, weil er sich auf noch höhere Niveaus verlagert (Paschen Serie) und schliesslich gar völlig freigesetzt wird, d.h. Ionisation der H- Atome). In der Grafik sind in einem Ausschnitt des Sirius Spektrums sechs der H- Balmerlinien zu sehen, beschriftet mit den verantwortlichen Elektronenübergängen. Diese Absorptionslinien werden fortlaufend mit griechischen Kleinbuchstaben bezeichnet, beginnend bei Hα im roten Bereich des Spektrums, welche durch den niedrigsten Übergang π2 − π3 erzeugt wird. Ab Hε wird häufig auch die betreffende Niveaunummer π verwendet, z.B. Hζ = H8. Hier ist schön zu sehen, wie die Linienabstände gegen den Blaubereich immer enger werden – ein direktes Abbild für die immer geringer werdenden Energiemengen, welche zur Erreichung des nächst höheren Niveaus notwendig sind – nach meinem Empfinden das wohl ästhetischste, was die Spektroskopie optisch zu bieten hat! n2 – n8 n2 – n7 n2 – n6 n2 – n5 n2 – n4 n2 – n3 Verantwortliche Elektronenübergänge Hζ Hε Hδ Hγ Hβ Hα Linienbezeichnung Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 22 8.3 Spektrallinien der übrigen Atome Bei allen übrigen Atomen, d.h. mit mehr als einem Elektron, kann die Beschreibung der Linienbildung sehr komplex werden. Alle Atome unterscheiden sich durch unterschiedliche Werte der Energieniveaus und deshalb auch durch unterschiedliche Wellenlängen ihrer Spektrallinien. Eine Rolle spielt auch die Anzahl Valenzelektronen auf dem äusseren Niveau, oder wie viele der inneren Hauptniveaus bereits voll besetzt sind. Weiter kommt hier noch die Unterteilung dieser Hauptniveaus in eine grosse Zahl von sog. Sublevels und SubSublevels mit quantenmechanisch völlig unterschiedlichen Implikationen ins Spiel. Die Energiedifferenzen zwischen diesen Sublevels müssen logischerweise sehr gering sein. Dies erklärt auch, weshalb Metalle häufig in dichten Gruppen auftreten, mit Zwischenabständen von teilweise <1Å! Typische Beispiele sind die Natriumlinien bei 5896 Å und 5890 Å, sowie das berühmte Magnesiumtriplet 5184, 5173, 5169 Å. Diese Sublevels spielen beim Wasserstoff keine Rolle, weil sie da „degeneriert“ sind [4]. Der Aufenthalt der Elektronen in diesem komplexen Level-System unterliegt zudem einem Regelwerk. Das bekannteste Gesetz ist hier wohl das sog. Pauli Verbot oder Ausschliessungsprinzip, welches fordert, dass die diversen Sublevels immer nur von einem Elektron gleichzeitig besetzt sein dürfen. Detaillierte Kenntnisse dieser komplexen Materie sind für die Aktivitäten der meisten Amateure nicht zwingend notwendig. Wer sich aber für diese interessanten, quantenmechanischen Zusammenhänge interessiert, der wird in [4] auf relativ leicht verständliche und amerikanisch lockere Art in diese Materie eingeführt. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 9 23 Wellenlänge und Energie Im obigen Siriusspektrum, nachträglich noch kalibriert nach der Wellenlänge [7], möchten wir nun zu den Wasserstofflinien der Balmerserie die entsprechenden Photonenenergien πΈ berechnen. Dies erfolgt mit der bekannten und einfachen Gleichung von Max Planck (1858 – 1947): πΈ =ββπ {7} π¬ ist die Energie in Joule [J], π das Plancksche Wirkungsquantum [6.626 β 10-34 J s] π (griechisch „nü“) die Strahlungsfrequenz [s-1] der Spektrallinie. Die Strahlungsfrequenz π der Spektrallinie steht zur Wellenlänge π [m] in der einfachen Beziehung: π= π π {8} (π = Lichtgeschwindigkeit 3 β 108 m/s): {8} eingesetzt in {7}: πΈ= ββπ π {9} Die wichtigste Aussage der Formeln {7} und {9}: Die Strahlungsenergie πΈ verhält sich proportional zur Strahlungsfrequenz π und umgekehrt proportional zur Wellenlänge π. Es ist sehr unpraktisch und nicht gerade anschaulich, diese für die Quantenmechanik typischen, extrem niedrigen Energiebeträge, in der Einheit Joule [J] auszudrücken, welche für Anwendungen in der traditionellen Mechanik definiert wurde. Deshalb wird in der Spektroskopie die Einheit Elektronenvolt [eV] verwendet [4]. 1ππ = 1.602 β 10 π½ {10} Weiter sind auch die Wellenlängen im Bereich des sichtbaren Lichts extrem klein und werden daher in der Astronomie meistens in Angström [Å] oder Nanometer [nm] gemessen. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass 1Å etwa dem Durchmesser eines Atoms, inkl. seiner „Elektronenwolke“ entspricht! Im Infrarotbereich ist auch [μm] noch gebräuchlich: 1Å = 10 π, 1 ππ = 10Å, 1μm (micron) = 1′000nm = 10′000Å {11} Zur Umrechnung der Wellenlänge π [Å] in Energie πΈ [eV] und umgekehrt gibt’s einfache und taschenrechnertaugliche Formeln: πÅ = 12403 πΈ[eV] πΈ[eV] = 12403 π[Å] {12} {13} Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 24 4340 Å n2 – n5 4861 Å n2 – n4 6563 Å n2 – n3 Hε Hδ Hζ Hγ Hβ Hα 2.86 eV 2.55 eV 1.89 eV 3.02 eV 3889 Å n2 – n8 3970 Å n2 – n7 4102 Å n2 – n6 3.40 eV Balmer kante 3.19 eV 3.12 eV 3647 Å n2 – Balmerkante Mit Formel {13} lassen sich nun zu den Wasserstofflinien des Sirius Spektrums, mit ihren bekannten Wellenlängen π, die entsprechenden Werte der Photonenenergie π¬π errechnen: Elektronen übergang Wellenlänge [Å] Photonenenergie Ep [eV] Am linken Rand ist hier die sog. Balmer Kante oder Balmer Jump rot eingetragen. Hier endet die Balmerserie mit ihrer kurzwelligsten Linie (3647 Å) und das Kontinuum erleidet einen dramatischen Abfall. In professionellen Publikationen sieht man, vorwiegend im UV Bereich, auch Spektren, welche statt in Wellenlängen in Photonenenergien πΈπ [eV] kalibriert sind. Der πΈπ Wert einer Absorptionslinie entspricht der Energiedifferenz des ursächlichen Elektronenübergangs zwischen Ausgangs- und Anregungsniveau und damit auch den Pfeillängen im folgenden Orbital- Energieschema. So entspricht in der oberen Grafik z.B. 2.55eV dem Übergang π2 − π4 oder Hβ. Dieser Zusammenhang ermöglicht es nun, für das Wasserstoffatom die Energieniveaus πΈ der H- Balmerserie zu berechnen. Da definitionsgemäss auf dem Niveau π = ∞ die Energie πΈ = 0 gesetzt werden muss, verschiebt sich der πΈπ - Wert der Balmerkante (3.40 eV) nun mit negativem Vorzeichen auf das Ausgangsniveau der Balmerserie π = 2. Dieser Betrag entspricht ja auch der Energiedifferenz zwischen dem Ausgangsniveau π2 und der Balmerkante, sowie der minimal benötigten Energie, um das H-Atom ab dem Ausgangsniveau π = 2 zu ionisieren. Für die Berechnung der dazwischen liegenden Energieniveaus müssen nun von 3.40 eV die πΈπ Werte der entsprechenden Niveaudifferenzen subtrahiert werden. So muss z.B. für das Niveau π = 3 der πΈπ –Wert von Hα abgezogen werden: 3.40 eV – 1.89 eV = 1.51 eV. Die Werte der Energieniveaus tragen im Schalenbereich definitionsgemäss negative Vorzeichen. n=∞ n=6 n=5 n=4 Hα Hβ Hγ Hδ Hε Energieniveau E [eV] -1.51 -3.40 -13.6 Balmer (sichtbar) Lyman (Ultraviolett) Paschen (Infrarot) n=3 Anregungsniveau 0 -0.54 -0.85 n=2 n=1 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 25 10 Ionisierungszustand und Ionisierungsgrad Im obigen Diagramm beträgt die Energie für das unterste Ausgangsniveau π = 1, der blau dargestellten Lyman- Serie, πΈ = −13.6 ππ . Umgerechnet mit Formel {12} ergibt dies die bekannte Lyman-Grenze im UV Bereich mit der Wellenlänge π = 912 Å. Sie entspricht bei der Lyman Serie funktionell der „Balmerkante“. Dieser Wert ist für die Astrophysik sehr wichtig, da er auch die erforderliche Minimalenergie definiert, um das H-Atom ab seinem Grundzustand π = 1 zu ionisieren. Dies ist nämlich erst bei extrem heissen Sternen der frühen B- und der gesamten O- Klasse möglich, d.h. ab ca. 25‘000K [3]. Die sehr hohe UV Strahlung solcher Sterne kann dadurch auch die Wasserstoffwolken der Umgebung ionisieren und zum Leuchten anregen (H II Regionen, z.B. M42, Orion Nebel). Der Ionisierungszustand entspricht der Anzahl Elektronen, welche ein Atom abgegeben hat. Dieser darf nicht verwechselt werden mit dem Ionisierungsgrad in der Plasmaphysik, welcher den Anteil der Gasatome angibt, die bei einer bestimmten Temperatur durch Ionisation Elektronen abgegeben haben (Bestimmung mit der Saha Gleichung). Leider hat die Astrophysik für ionisierte Atome nicht die chemische Notationsform übernommen, sondern verwendet eine eigene Variante, welche wohl viele Anfänger (so auch mich) zuerst mal in die Irre geführt hat! Ich habe schon hochgebildete Amateure, deren chemische Kenntnisse vielleicht etwas verblasst waren, bei Diskussionen über H II Regionen von doppelt ionisiertem Wasserstoff sprechen hören. Da Wasserstoffatome jedoch nur ein Elektron besitzen, können sie maximal auch nur einfach ionisiert sein – es wird demnach nie H III Regionen geben können. Das nicht ionisierte, neutrale Wasserstoffatom beschreiben Chemiker mit H, das ionisierte + mit H , was klar und unmissverständlich ist. Astrophysiker benennen hingegen bereits den neutralen Wasserstoff mit einer zugesetzten römischen Ziffer als H I und den ionisierten ++ dann mit H II. Das zweifach ionisierte Kalzium wird durch Chemiker mit Ca bezeichnet, für Astrophysiker entspricht dies Ca III. Si IV ist z.B. dreifach ionisiertes Silizium Si+++. Das System funktioniert also nach dem „(n–1) Prinzip“, d.h. astrophysikalisch ist der Ionisierungszustand eines Atoms immer um 1 niedriger als die römische Zusatzziffer. Ein hoher Ionisierungszustand bei Atomen bedeutet für Astrophysiker zwangsläufig, dass in diesem Prozess sehr hohe Temperaturen im Spiel sein müssen. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 26 11 Verbotene Linien oder –Übergänge Basierend auf den hier vorgestellten Theorien kann dieses Phänomen nur grob erklärt werden. Für ein tieferes Verständnis wären umfangreichere, quantenmechanische Kenntnisse notwendig, wie sie z.B. in [4] vermittelt werden. Für die praktische Spektroskopie ist dies aber nicht zwingend erforderlich. Die meisten Amateure werden wohl ein [OIII] Filter zur Kontrastverstärkung von Emissionsnebeln besitzen. Dieses lässt die zwei grünen Emissionslinien des zweifach ionisierten Sauerstoffs [O III] bei 4959Å und 5007Å passieren. Diese Linien entstehen in diesem Atom durch sog. „verbotene Übergänge“ zwischen den Energieniveaus π3 − π2 und π2 − π1. „Verboten“ heisst, dass diese Übergänge in dichten Gasen, wie z.B. im Bereich der Erdoberfläche oder auch in Sternatmosphären, extrem unwahrscheinlich sind, weil sie hier, infolge von Stössen (Stossionisation) durch andere Teilchen daran gehindert werden. So kann hier nur der direkte Übergang π3 − π1 beobachtet werden. Dieser Störeffekt entfällt bei extrem dünnen Gasen, wie sie nur im Weltraum vorkommen. Dadurch wird in diesem Milieu auch die Emission unter Einbezug des Zwischenniveaus π2 möglich. Angezeigt werden solche verbotenen Linien durch eckige Klammern um das erzeugende Atom, z.B. [OIII], [NII], [Fe XIV]. Die verbotenen Linien [OIII], [NII] sind auch an der Entstehung des meist grünlichen Polarlichtes in den extrem dünnen, oberen Schichten der Erdatmosphäre beteiligt. www.nww-web.at Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 27 12 Die Spektralklassen 12.1 Vorbemerkungen Ein Grundwissen über die Spektralklassen ist unabdingbare Voraussetzung für eine sinnvolle Beschäftigung mit der Spektroskopie. Verbunden mit entsprechenden Kenntnissen und Hilfsmitteln, beinhaltet diese Klassierung ein beachtliches qualitatives und quantitatives Informationspotential über die klassierten Objekte. Der durchschnittlich ausgerüstete Amateur wird kaum je in die Verlegenheit kommen, eine unbekannte Klassierung eines Sterns wirklich selbst bestimmen zu müssen, es sei denn aus durchaus empfehlenswerten, didaktischen Gründen. Die Spektralklassen können heute aus Internetquellen [30], Planetariumsprogrammen etc. gewonnen werden. Für das tiefere Verständnis des heute gebräuchlichen Klassifizierungssystems ist eine grobe Kenntnis der historischen Entwicklung sehr nützlich, da von jedem Entwicklungsschritt bis heute etwas aktuell geblieben ist! 12.2 Die Fraunhoferlinien Zu Beginn des 19. Jahrhunderts untersuchte der Physiker und Optiker Joseph von Fraunhofer (1787-1826), aufbauend auf der Entdeckung von Wollaston, mit seinem selbstgebauten Objektiv- Prismenspektroskop das Licht der Sonne. Er entdeckte in diesem überaus komplexen Spektrum über 500 Absorptionslinien. Die prominenteren davon hat er, in damaliger Unkenntnis der physikalischen Zusammenhänge, mit den Buchstaben A – K gekennzeichnet. Bild unten: Originalzeichnung von Fraunhofer aus Internetquelle. Diese Linienbezeichnungen findet man noch häufig auch in aktuellen Abhandlungen! Linienbez. Element Wellenlänge Å A – Band O2 7594 - 7621 B – Band O2 6867 - 6884 C H (α) 6563 a – Band O2 6276 - 6287 D 1, 2 Na 5896 & 5890 E Fe 5270 b 1, 2 Mg 5184 & 5173 F H (β) 4861 Fraunhofer hat mit dieser Apparatur auch die helleren Fixsterne untersucht und bereits festgestellt, dass z.B. das Siriusspektrum von breiten starken Linien dominiert wird und Pollux ein ähnliches Linienmuster zeigt wie das Sonnenspektrum! Weiter ist ihm auch das Beteigeuze Spektrum aufgefallen, welches kaum noch diskrete Linien sondern vor allem breite Absorptionsbänder zeigt. d Fe 4668 e Fe 4384 f H (γ) 4340 G – Band CH 4300 - 4310 g Ca 4227 h H (δ) 4102 Die Tabelle rechts und die Grafik unten zeigen, wie diese Systematik später noch erweitert wurde (Quelle: NASA). H Ca II 3968 K Ca II 3934 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 28 Hier noch einige Fraunhoferlinien des Sonnenspektrums, gewonnen mit dem DADOS Spektrografen im Bereich von 4200 – 6700 Å (200L/mm Gitter). Unten links die H- und K- Linien des einfach ionisierten Kalziums Ca II, die intensivsten von der Sonne selbst erzeugten Absorptionslinien (3968/3934 Å). Unten rechts das sog. ABand (7594 – 7621 Å), verursacht durch O2 Moleküle in der Erdatmosphäre (beides gewonnen mit DADOS und dem 900L/mm Gitter). 12.3 Weitere Entwicklungsschritte Im weiteren Verlauf des 19.- bis anfangs des 20. Jahrhunderts profitierten die Astronomie, und im speziellen die Astrospektroskopie, von eindrücklichen Fortschritten in der Chemie und Physik. So wurde es zunehmend möglich, den Ursprung der einzelnen Spektrallinien auf chemische Elemente zurückzuführen – in erster Linie das Verdienst von Robert Bunsen (1811 – 1899) und Gustav Kirchhoff (1824 – 1887). Entscheidend hat dann Pater Angelo Secchi (1818 – 1878) an der Vatikan Sternwarte den weiteren Weg der Spektralklassierung geprägt und wird daher von vielen Quellen als Vater der modernen Astrophysik bezeichnet. Er unterteilte stellare Spektren nach speziellen Merkmalen in fünf Gruppen (I–V). Typ I umfasste bläulich weisse Sterne mit relativ einfachen Spektren, welche von wenigen aber sehr markanten Linien dominiert werden. Diese verteilen sich wie dicke Leitersprossen über den Spektralstreifen und entpuppten sich später als Wasserstofflinien der berühmten Balmerserie. Dieses einfache Merkmal erlaubt es sogar Anfängern, solche Sterne grob in die heute gebräuchliche A- oder späte B- Klasse einzuteilen (Sirius, Wega, Castor). Typ II waren gelbliche Sterne mit komplexen Spektren, dominiert von zahlreichen Metallinien, wie sie die Sonne, Capella, Arktur, Pollux aufweisen (heutige Klassen ≈ F, G, K). Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 29 Typ III waren orangerötliche Sterne mit komplexen Bandenspektren und wenigen diskreten Linien. Die Absorptionsbanden werden in blauer Richtung jeweils dunkler (intensiver). Solche Merkmale, zeigen z.B. Beteigeuze, Antares und Mira. Erst 1904 wurde klar, dass es sich hier vorwiegend um Absorptionsbanden des Moleküls TiO, Titanoxid handelt (heutige Klasse M). Typ IV beinhaltete seltene, rötliche Sterne mit Bandenspektren, welche in roter Richtung dunkler (intensiver) werden. Angelo Secchi erkannte bereits, dass es sich hierbei um Kohlenstoff handeln muss (siehe Kap. 5.4)! Typ V schliesslich waren Sterne mit „hellen Linien“, Emissionslinien wie wir heute wissen. 12.4 Das Harvard System Bald wurde klar, dass das Klassierungssystem von Secchi zu rudimentär war. Basierend auf einer Grosszahl von Spektralaufnahmen und Vorarbeiten von Henry Draper begann Edward Pickering (1846–1919) Secchis System durch Grossbuchstaben von A – Q zu verfeinern. Der Buchstabe A entsprach dabei Secchis Typ I für Sterne mit dominanten Wasserstofflinien. Diese Klassierung sollte dann schliesslich als einzige bis in die Gegenwart überleben! Als Direktor des Harvard Observatoriums beschäftigte er viele Frauen, für die damalige Zeit eine wahrlich avantgardistische Haltung eines akademischen Betriebs. Gleich drei seiner Mitarbeiterinnen nahmen sich des Klassierungsproblems an, bis nach etlichen Irr- und Umwegen sich ca. Ende des 1. Weltkrieges das System von Annie J. Cannon (1863 – 1941) durchsetzte. Dessen Grundstruktur hat sich bis heute erhalten und basiert im Kern auf der Buchstabenfolge O, B, A, F, G, K, M. Dazu der bekannte und sicherlich später entstandene Merksatz: Oh Be A Fine Girl Kiss Me. Mit diesem System können auch heute noch über 99% der Sterne klassiert werden. Diese Buchstabensequenz folgt der abnehmenden Atmosphärentemperatur der klassierten Sterne, beginnend von den sehr heissen O- Typen mit mehreren 10‘000 K bis zu den kühlen M- Typen mit ca. 2‘400 K – 3‘500 K. Dies zeugt von der absolut bahnbrechenden Erkenntnis, dass die Spektren vorwiegend von der Atmosphärentemperatur der Sterne und erst in zweiter Linie von weiteren Parametern wie chemische Zusammensetzung, Dichte, Rotationsgeschwindigkeit etc. abhängen. Das kann aus heutiger Sicht auch nicht wirklich verwundern, da die Anteile Wasserstoff mit 75% und Helium mit 24% auch etwa 13.7 Mrd. Jahre nach dem Big Bang immer noch ca. 99% der Elemente im Universum umfassen. Diese Systematik bildet auch die horizontale Achse des fast gleichzeitig entwickelten Hertzsprung Russel Diagramms (siehe Kap. 13). Sie wurde dann noch ergänzt durch die Klassen: – R für Cyan (CN) und Kohlenmonoxid (CO) – N für Kohlenstoff – S für sehr seltene Sterne, deren Bandenspektren anstelle von TiO mit Zirkoniumoxid (ZrO), Yttriumoxid (YO) oder Lanthanoxid (LaO) gebildet werden. Zudem wurde die gesamte Klassenunterteilung noch mit einer zusätzlichen Dezimalzahl von 0–10 verfeinert. Beispiele: Sonne G2, Pollux K0, Wega A0, Sirius A1, Prokyon F5. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 30 12.5 Frühe und späte Spektraltypen Eine der Fehlhypothesen auf dem langen Weg zu diesem Klassierungssystem postulierte, dass die Spektralklassensequenz von O bis M chronologisch die Entwicklungsstadien eines Sternes darstellen soll. In damaliger Unkenntnis der Kernfusion als „nachhaltiger“ Energielieferant, diskutierte man auch eine Variante, dass die Sterne ihre Energien lediglich durch Kontraktion erzeugen könnten, d.h. sehr heiss beginnen und schliesslich kühl enden. Dieser Irrläufer hat in der Folge die Terminologie bis heute massgebend geprägt. So spricht man bei den O, B, A Klassen um „frühe-“ (early), bei F und G um „mittlere“ (medium) und bei K und M um „späte“ (late) Typen. Diese Systematik wird auch innerhalb einer Klasse angewendet. So nennt man z.B. M0 einen „frühen-„ und M8 einen „späten“ M-Typen. Konsequenterweise ist daher z.B. M1 „früher“ als M7. 12.6 Das MK (Morgan Keenan) oder Yerkes System Ständig neue Forschungsergebnisse, speziell die Fortschritte in der Kernphysik und das zunehmende Verständnis für die Entwicklungsgeschichte und die typischen Lebensläufe der Sterne, erforderten eine sukzessive Anpassung und Erweiterung des Systems. So wurde z.B. erkannt, dass Sterne innerhalb derselben Spektralklasse massiv verschiedene, absolute Leuchtkräfte aufweisen können, ein Effekt der vorwiegend auf die unterschiedlichen Entwicklungsstadien zurückgeführt werden kann. 1943 wurde daher, als weiterer Meilenstein, das Klassifizierungssystem durch Morgan, Keenan und Kellmann vom Mt. Wilson Observatorium mit römischen Ziffern um eine zusätzliche 2. Dimension erweitert – die sog. sechs Leuchtkraftklassen (luminosity classes). Leuchtkraftklasse Sterntyp (luminosity class) I Überriesen (Luminous Supergiants) Ia-0, Ia, Iab, Ib Unterteilung der Überriesen nach abnehmender Leuchtkraft II Helle Riesen (Bright Giants) III Normale Riesen (Normal Giants) IV Unterriesen (Subgiants) V „Gewöhnliche“ Zwerg- oder Hauptreihensterne (Dwarfs, Main Sequence) VI Unterzwerge (Subdwarfs) VII Weisse Zwerge (White Dwarfs) In diesem System wird die Sonne als G2V Stern klassifiziert, d.h. ein sog. „normaler Zwergstern“ auf der Hauptreihe des Hertzsprung Russel Diagramms. Sirius steht mit der Klassierung A1V ebenso noch als Zwergstern auf der Hauptreihe. Beteigeuze wird etwas „sperrig“ als M1–2 Ia–Iab eingestuft. Er hat das Zwergenstadium auf der Hauptreihe längst aufgegeben und sich zu einem Roten Überriesen aufgebläht. Die Bezeichnung sagt weiter aus, dass er sich als Veränderlicher zwischen den Klassen M1 und M2 bewegt und die Leuchtkraftklasse zwischen Ia und Iab schwankt. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 31 12.7 Weitere Anpassungsschritte bis zur Gegenwart Auch das MK Klassierungssystem ist bis heute in kleinen Schritten den ständig wachsenden Erkenntnissen angepasst worden. So sind vor allem neue Klassierungen für selten auftretende, stellare „Exoten“ entstanden, mit denen sich heute auch Amateure erfolgreich spektroskopisch beschäftigen. Weiter werden mit zusätzlichen Kleinbuchstaben, angebracht als Prefix oder Suffix, aussergewöhnliche Phänomene, wie z.B. ein überdurchschnittlich hoher Metallgehalt oder „Metallizität“ bezeichnet. Einige Zusätze sind allerdings überbestimmend, da z.B. Weisse Zwerge, Unterzwerge und Riesen ja bereits über die Leuchtkraftklasse spezifiziert werden können. Vorsicht: Zwerg- oder Hauptreihensterne dürfen keinesfalls mit den Weissen Zwergen verwechselt werden. Bei letzteren handelt es sich um extrem dichte, ausgebrannte „Sternleichen“ (siehe Kap. 13.3). Beispiele: Sirius A: A1Vm, metallreicher Hauptreihenstern (Zwerg) der Spektralklasse A1 Sirius B: DA2, Weisser Zwerg („Dwarf“ oder „Degenerate“) der Klasse A2 Omikron Andromedae: B6IIIep, Omikron Ceti (Mira): M7IIIe Kapteyn‘s star: sdM1V Präfixe Suffixe sd Subdwarf (Unterzwerg) g giant (Riesenstern) b Breite Linien a Normale Linien s Scharfe Linien c Besonders scharfe Linien comp Zusammengesetztes Komposit Spektrum e H- Emission bei B- und O Sternen f He- und N- Emission bei O Sternen Spezialklassen Q Novae em Metallische Emissionslinien P Planetarischer Nebel D k Interstellare Absorptionslinien Dwarf (Weisser Zwerg) + Zusatz O, B, A… für die Spektralklasse m Starke Metallinien W n / nn Diffuse Linien/ stark diffuse Linien Wolf- Rayet- Sterne + Zusatzbuchstaben für C-, Nund O- Linien C Kohlenstoffsterne (früher R, N) wk weak lines schwache Linien L, T Zwergsterne und Braune Zwerge p, pec peculiar spectrum besonderes Spektrum sh shell, Hülle v variation in spectrum Fe, Mg… Überdurchschnittl. Vorkommen des Elements Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 32 12.8 Die grobe Bestimmung der Spektralklasse Die grobe, eindimensionale Bestimmung der Spektralklasse O, B, A, F, G, K, M, ist bereits für leicht fortgeschrittene Amateure möglich. Als Unterscheidungskriterien dienen markante Merkmale wie Linien- oder Bandenspektren, sowie auffällige Linien in Absorption oder Emission, welche bei bestimmten Klassen prominent auftreten und bei anderen ganz fehlen. Bereits die feinere Dezimalunterteilung und in noch höherem Mass die zusätzliche Bestimmung der Leuchtkraftklasse (2. Dimension), erfordern aber gut aufgelöste und normierte Spektren mit einer grossen Zahl identifizierter Linien, sowie tiefere theoretische Kenntnisse. Sie erfolgt z.B. durch den Intensitätsvergleich bestimmter Spektrallinien. Zu diesem Thema existiert eine umfangreiche Literatur. Hier soll lediglich die grobe, eindimensionale Bestimmung kurz skizziert werden. Zusätzlich lohnt es sich auch, Spektralatlanten beizuziehen, welche z.B. vom Internet heruntergeladen werden können (siehe Kap. 18). Die folgende Darstellung zeigt überlagerte, niedrig aufgelöste Beispielspektren der gesamten Spektralklassensequenz von O – M, wie sie im Internet in mehreren Varianten zu finden ist. Was hier sofort auffällt: – im oberen Drittel der Tafel (B2–A5) die starken Linien der H- Balmerserie, d.h. Hα, Hβ, Hγ etc. Am stärksten treten sie beim Typ A0 (z.B. Wega) in Erscheinung. Sie werden gegen oben und unten zunehmend schwächer. – im unteren Viertel der Tafel (K5–M2) die auffälligen Bandenspektren, vorwiegend infolge des Titanoxids (TiO). – knapp unterhalb der Hälfte relativ „fade“ Spektren (F5–K0), allerdings gespickt mit zahlreichen feinen Metall- und den kräftigen Fraunhofer H + K Linien (Ca II), sowie der Fraunhofer D-Linie (Na I Doppellinie). Die H- Balmerserie ist nur schwach ausgeprägt. – Zuoberst ist noch die O-Klasse mit wenigen, feinen Linien und relativ schwachen Linien, meist ionisiertes Helium (HII) und sowie ein- bis mehrfach ionisierte Metalle. Die H- Balmerserie ist nur noch schwach ausgeprägt. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 33 Hier folgen noch zwei verschiedene Flussdiagramme, zur eindimensionalen Grobbestimmung der Spektralklasse: Quellen: Vorlesungen Uni Freiburg i.B. [14] und Uni Jena. Version 1 Verwendete Linien: – Fraunhofer K (Ca II K 3934Å) – Fraunhofer H (Ca II H 3968Å) – Fraunhofer G Band (CH molekular 4300–4310Å) – Balmerlinie Hγ, 4340Å – Mangan Mn 4031/4036Å – Titanoxid Bandhead: TiO 5168Å Die Intensität πΌ der zu vergleichenden Linien (z.B. Ca II K / Hγ) wird berechnet mit den relativen Intensitäten πΌπππ₯ und πΌπππ: πΌ =1− πΌπππ πΌπππ₯ {14} Wobei πΌπππ der tiefste und πΌπππ₯ der höchste Punkt im Profilverlauf darstellt. __________________________________________________________________________________ Version 2 Verwendete Linien: – Fraunhofer K (Ca II K 3934Å) – Fraunhofer H (Ca II H 3968Å) – Balmerlinie Hγ, 4340Å – Fe I, 4325Å Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 34 Hier folgen noch zusätzliche Klassierungshilfen. Weitere wertvolle Kriterien findet man auch im Spektralatlas von Morgan, Keenan, Kellmann [16]. Kontinuumsverlauf: Bereits bei einem Vergleich nicht normierter Rohspektren kann festgestellt werden, dass das Intensitätsmaximum, z.B. eines frühen B- Sternes gegenüber einem späten K- Stern, deutlich blauverschoben ist (Wiensches Verschiebungsgesetz). Extrem heisse O- Sterne strahlen hauptsächlich im Ultraviolett- (UV), kühle M- Sterne vorwiegend im Infrarotbereich (IR). O- Klasse: einfach ionisiertes Helium He II, auch als Emissionslinie, neutrales He I, je doppelt ionisiertes C III, N III, O III, dreifach ionisiertes Si IV, H- Balmerserie nur sehr schwach. Hohe Kontinuumsintensität im UV Bereich. Beispiele: Alnitak (Zeta Orionis): O9 Ib, Mintaka (Delta Orionis): O9.5 II, B- Klasse: Neutrales Helium He I in Absorption am stärksten bei B2, Fraunhofer K- Linie von Ca II wird schwach sichtbar, einfach ionisiertes OII, Si II, MgII. H- Balmerserie wird stärker. Beispiele: Spica: B1 III-IV, Regulus B7V, Alpheratz (Alpha Andromedae): B8 IVp Mn Hg Algol (Beta Persei): B8V, sowie sämtliche hellen Plejadensterne. A- Klasse: H- Balmerlinien sind am stärksten bei A2, Fraunhofer H+K Linien Ca II werden stärker, neutrale Metallinien erscheinen, keine Heliumlinien (He I) mehr. Beispiele: Wega: A0 V, Sirius: A1 V m Castor A2 V m, Deneb: A2 Ia Denebola: A3 V, Altair: A7V, F- Klasse: H- Balmerlinien werden schwächer, H+K Linien Ca II werden zunehmend stärker, neutrale und einfach ionisierte Metallinien werden deutlich sichtbar (Fe I, Fe II, Cr II, Ti II). Beispiele: Caph (Beta Cassiopeiae): F2III-IV Mirphak (Alpha Persei): F5 Ib, Polaris: F7 Ib-II, Sadr (Gamma Cygni): F8 Ib, Prokyon: F5 IV-V G- Klasse: Fraunhofer H+K Linien Ca II werden sehr stark, H- Balmerlinien werden weiter schwächer, Fraunhofer G- Band des CH- Moleküls erscheint. Viele neutrale Metallinien z.B. Fe I, Fraunhofer D-Linie (Na I) werden stärker. Beispiele: Mufrid (Eta Bootis): G0 IV, Sonne: G2V, Capella G5IIIe + G0III (Doppelstern Komposit Spektrum), K- Klasse: Wird dominiert von Metallinien, H- Balmerlinien werden sehr schwach, Fraunhofer H+K Ca II sind noch stark, Ca I wird nun stark, auch intensive Moleküllinien CH, CN. Bei späten K- Typen erstmaliges Auftreten von TiO Bändern. Beispiele: Pollux: K0IIIb, Arktur: K1.5 III Fe, Hamal (Alpha Arietis): K2 III Ca, Aldebaran: K5 III M- Klasse: Molekulare TiO- Bänder zunehmend dominant, viele neutrale Metallinien, darunter Ca I, hohe Kontinuumsintensität im IR Bereich. Beispiele: Mirach (Beta Andromedae): M0 IIIa, Beteigeuze: M1-2 Ia-Iab, Antares: M1.5 Iab-b, Menkar (Alpha Ceti): M 1.5 IIIa, Scheat, (Beta Pegasi): M3 III Tejat Posterior (mü Gemini): M3 III Ras Algheti: (Alpha Herculis): M5III, Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 35 Das folgende Diagramm zeigt die Änderung der Linienstärke (Äquivalenzbreite EW) charakteristischer Spektrallinien, in Abhängigkeit von der Spektralklasse, resp. Temperatur. Es wurde 1925 in einer Dissertation von Cecilia Payne Gaposhkin (1900 – 1979) entwickelt. Dieses Diagramm ist nicht nur für die Bestimmung der Spektralklasse sehr wertvoll, sondern bewahrt auch bei der Linienidentifikation vor groben Interpretationsfehlern. So wird z.B. klar, dass die Photosphäre der Sonne (Spektraltyp G2V) ca. 4000°K zu kühl ist, um im normalerweise zugänglichen Spektrum die neutrale Heliumlinie He I in Absorption erscheinen zu lassen. He I ist nur während Sonnenfinsternissen als Emissionslinie im sog Flash Spektrum sichtbar, welches hauptsächlich in der Chromosphäre entsteht. 12.9 Einfluss der Leuchtkraftklasse auf die Linienbreite Hier ist noch zu sehen, wie sich innerhalb derselben Spektralklasse die Linienbreite mit abnehmender Leuchtkraft vergrössert. Dies ist vorwiegend auf das sog. „Pressure broadening“, d.h. die Verbreiterung der Spektrallinien mit zunehmendem Gasdruck zurückzuführen. In der englischsprachigen Literatur wird dies als „luminosity effect“ bezeichnet. Ursache dafür ist die zunehmende Dichte der Sternatmosphäre mit annehmender Leuchtkraft, d.h. der Stern wird kleiner, weniger leuchtkräftig und dichter. Am dichtesten ist sie bei den Weissen Zwergen der Klasse VII, am dünnsten bei den Überriesen der Klasse I. Am deutlichsten ist dieser Effekt bei der H- Balmerserie in der Klasse A0 (z.B. Wega) zu sehen, wo er am ausgeprägtesten in Erscheinung tritt. Die Grafik zeigt drei Sterne der Spektralklasse A0, mit den Balmerlinien Hγ, und Hδ. Rote Kurve: Hauptreihenstern A0V, Grüne Kurve: Riese der Klasse A0III, Blaue Kurve: Überriese der Klasse A0 Ib. Quelle: http://spiff.rit.edu/classes/phys440/lectures/lumclass/lumclass.html Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure Deutlich weniger klar tritt dieser Effekt in der Umgebung der Klasse F5 in Erscheinung: Quelle: http://web.njit.edu/~gary/321/Lecture6.html 36 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 37 13 Das Hertzsprung – Russel Diagramm (HRD) 13.1 Einführung in die Grundversion Das HRD wurde 1913 von Henry Russel entwickelt, basierend auf Arbeiten von Ejnar Hertzsprung. Es ist wohl das fundamentalste und leistungsfähigste der darstellenden Werkzeuge in der Astrophysik. Zum Thema Sternentwicklung und HRD existiert eine umfangreiche Fachliteratur, in die sich der ambitionierte, spektroskopierende Amateur sowieso vertiefen muss. Hier möchte ich lediglich demonstrieren, wie mit dem HRD, nur aufgrund der Spektralklasse, eine Fülle von Informationen über den Stern gewonnen werden kann. Die folgende Abbildung zeigt die Grundversion des HRD mit der Leuchtkraft (verglichen zur Sonne), aufgetragen gegen den Spektraltyp. Die Leuchtkraftklassen Ia – VII sind von oben nach unten durch Linien innerhalb des Diagramms markiert. Weiter sichtbar sind die Hauptreihe, identisch mit der Linie für die Leuchtkraftklasse V, und die beiden Äste, wo sich die Riesen und weissen Zwerge versammeln. Riesenast Weisse Zwerge V Sonne VI VII Quelle der unterlegten Diagrammgrafik: http://www.astronomie.info Die Spektralklassierung bestimmt eindeutig die Position des Sternes innerhalb des Diagramms. Die Sonne mit der Klassierung G2V habe ich hier bereits eingetragen (gelbe Scheibe). Die Linie der Leuchtkraftklasse V ist identisch mit der sog. Hauptreihe. Mit diesem Diagramm lässt sich bereits direkt die Leuchtkraft der Spektralklasse im Vergleich zur Sonne bestimmen – im Fall der Sonne hier 10 = 1. Im Folgenden wird gezeigt, wie sich durch Ergänzung und Modifikation des HRD weitere Parameter des Sterns bestimmen lassen. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 38 13.2 Absolute Helligkeit und Temperatur der Sternatmosphäre Die folgende Version des HRD zeigt auf der horizontalen Achse am oberen Diagrammrand, zusätzlich zur Spektralklasse am unteren Rand, die entsprechende Temperatur der Sternatmosphäre, d.h. in der Oberflächenschicht des Sternes, wo das sichtbare Licht erzeugt wird (Photosphäre). Die Position der Sonne (G2V) habe ich auch hier mit einer gelben Scheibe gekennzeichnet. Am oberen Rand des Diagramms kann deren Temperatur mit ca. 5‘500° K abgelesen werden, am linken Rand deren Absolute Helligkeit (Absolute Magnitude) mit ca. 4M.5. Diese entspricht der scheinbaren Helligkeit, welche der Stern in einer normierten Distanz von 10 Parsec oder ca. 32.6 Lichtjahren erzeugt. Quelle der unterlegten Diagrammgrafik: www.bdaugherty.tripod.com Das Diagramm ist noch mit diversen bekannten Sternen bestückt. Die Sonne steht, zusammen mit Sirius, Wega, Regulus, Spica etc. noch als Zwergstern auf der Hauptreihe (Main Sequence). Arcturus, Aldebaran, Capella, Pollux etc. haben die Hauptreihe bereits verlassen und leuchten jetzt auf dem Riesenast mit der Leuchtkraftklasse III, Beteigeuze, Polaris, Rigel, Deneb, im Bereich der Überriesen mit der entsprechenden Klasse Ia-Ib. Auf dem Ast der Weissen Zwerge (White Dwarfs) sehen wir unten die Begleiter von Sirius und Prokyon. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 39 13.3 Lebenslauf der Sonne im HRD Der folgende, vereinfachte Kurzbeschrieb stützt sich auf [1] und soll zeigen, dass man aus der Spektralklasse auch auf den Entwicklungszustand eines Sterns schliessen kann. Im Diagramm ist der Lebenslauf der Sonne auf ihrer Wanderschaft durch das HRD eingetragen. Durch Kontraktion einer Gaswolke bildet sich zuerst der Protostern. Dieser bewegt sich innerhalb einiger Millionen Jahre auf die Hauptreihe. Hier stabilisiert er seine Leuchtkraft zuerst mit ca. 70% des heutigen Wertes. Bei ungefähr fix bleibender G2–Klasse steigert dann die Sonne die Leuchtkraft innerhalb 910 Milliarden Jahre auf über 180% [1]. In dieser Periode als Zwerg- oder Hauptreihenstern wird Wasserstoff zu Helium fusioniert. Gegen das Ende brennt der Wasserstoff zunehmend in einer Schale rund um den wachsenden Heliumkern. Der Stern wird jetzt instabil und bläht sich auf zu einem Roten Riesen der M–Klasse (Leuchtkraft ca. II). Dabei bewegt er sich im HRD nach rechts oben auf den Riesenast RGB (Red Giant Branch), wo es nach insgesamt ca. 12 Milliarden Jahren zur Zündung des Heliumkerns kommt (Heliumflash). Die Photosphäre des Roten Riesen reich jetzt fast hinaus bis zur Erdbahn. Durch diese Ausdehnung verringert sich seine Schwerebeschleunigung an der Oberfläche dramatisch. Dadurch verliert er bereits in dieser Phase über 30% seiner Masse [1]. Anschliessend bewegt sich der Riese mit fusionierendem Heliumkern zum Zwischenstadium eines Gelben Riesen der K–Klasse (Dauer ca. 110 Millionen Jahre) und anschliessend über die Rückwärtsschlaufe des Asymptotischen Riesenastes (Asymptotic Giant Branch AGB) an den linken Rand des HRD. Ob die Sonne genügend gross ist, um in dieser Phase innerhalb von ca. 10‘000 Jahren die verbliebene Hülle als sichtbaren Planetarischen Nebel abzustossen, sind sich die Experten noch uneins [1, 2]. Gesichert ist, dass anschliessend die Schrumpfung zu einem extrem dichten, Weissen Zwerg von ca. Erdgrösse erfolgt. Nach weiterer Abkühlung, unten auf dem Ast der Weissen Zwerge, wird die Sonne schliesslich als schwarzer Zwerg unsichtbar und dann aus dem HRD verschwinden. Sie wird in ihrem gesamten Lebenslauf einen grossen Teil der Spektralklassen durchlaufen, allerdings mit stark unterschiedlichen Leuchtkräften. Roter Riese Heliumflash Planetarischer Nebel Gelber Riese Heliumbrennen Kern schrumpft und verdichtet Weisser Zwerg V Sonne heute VI VII Quelle der unterlegten Diagrammgrafik: www.Astronomie.info Protostern Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 40 13.4 Lebenslauf massereicher Sterne Im nächsten Unterkapitel wird noch gezeigt werden, wie sich mit zunehmender Sternmasse die Aufenthaltsdauer auf der Hauptreihe dramatisch verkürzt. Infolge kernphysikalisch hochkomplexer Abläufe im Sterninnern vollführen solche Sterne im Riesenstadium z.T. komplizierte Pendelbewegungen im oberen Teil des HRD und durchlaufen dabei auch verschiedene Veränderlichen-Stadien. In diesem Abschnitt entstehen auch viele der schweren Elemente des Periodensystems. Massereiche Sterne > ca. 8–10 Sonnenmassen, werden nicht als Weisser Zwerg enden, sondern als Supernova explodieren [2]. Je nach Masse des Sterns bleibt dann noch ein Neutronenstern übrig, falls die restliche Sternmasse nicht grösser ist als ca. 1.5 – 3 Sonnenmassen (TOV Grenze: Tolman-Oppenheimer-Volkoff). Oberhalb dieser TOV Grenze, i.d.R. bei Sternen mit ursprünglich > 15 – 20 Sonnenmassen, endet er in einem Schwarzen Loch. 13.5 Der Zusammenhang von Sternmasse und Lebenserwartung Die „Geburtsmasse“ eines Sternes ist für seinen Lebenslauf von entscheidender Bedeutung. Als erstes entscheidet sie, welche Stelle er auf der Hauptreihe einnimmt, d.h. je grösser die Masse desto mehr links im HRD oder „früher“ in der Spektralklassierung. Zweitens hat sie einen drastischen Einfluss auf seine gesamte Lebenserwartung, sowie die etwas kürzere Zeitspanne, welche er auf der Hauptreihe verbringen wird. Diese reicht von gut einer Million Jahre bei den frühen O-Typen bis zu >100 Milliarden Jahren bei roten Zwergsternen der M-Klassierung. Dies hängt damit zusammen, dass Sterne mit zunehmender Masse ihren „Brennstoff“ überproportional schneller verbrauchen. Dieser Zusammenhang ist für Zwergsterne auf der Hauptreihe (Leuchtkraftklasse V) in der folgenden Tabelle ersichtlich, zusammen mit weiteren interessanten Parametern. Die Werte stammen aus [11]. Masse, Radius und Leuchtkraft sind je im Verhältnis zu den Sonnenwerten( ) angegeben. Spektr.Klasse Masse Hauptreihe M/M Verweildauer Hauptreihe [J] Temperatur Atmosphäre Radius R/R Leuchtkraft L/L O 20 – 60 10 – 1 Mil. >33‘000 K 9-15 90‘000 –800‘000 B 3 – 18 400 – 10 Mil. 10‘500–30‘000 K 3.0–8.4 95 – 52‘000 A 2–3 3 Mrd.– 440 Mil. 7‘500 – 10‘000 K 1.7–2.7 8 – 55 F 1.1 – 1.6 7 – 3 Mrd. 6‘000 – 7‘200 K 1.2–1.6 2.0 – 6.5 G 0.9–1.05 15 – 8 Mrd. 5‘500 – 6‘000 K 0.85–1.1 0.66 – 1.5 K 0.6–0.8 >20 Mrd. 4‘000 – 5‘250 K 0.65–0.80 0.10 – 0.42 M 0.08–0.5 2‘600 – 3‘850 K 0.17–0.63 0.001 – 0.08 Die Verweildauer der Zwergsterne der K– und M– Klassen variiert je nach Quelle. Sie hat eher theoretische Bedeutung, da diese Sterne deutlich älter werden als das bisherige Alter des Universums von geschätzten 13.7 Mrd. Jahren. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 41 13.6 Altersbestimmung von Sternhaufen Der Zusammenhang zwischen der Spektralklasse und der Verweildauer der Sterne auf der Hauptreihe erlaubt es, das Alter von Sternhaufen abzuschätzen – dies unter der Annahme, dass sich solche Haufen im ungefähr gleichen Zeitraum aus einer Gaswolke gebildet haben. Wenn man die Spektralklassen der Mitgliedsterne eines Haufens in das HRD überträgt, ergibt sich folgendes Bild: Je älter der Haufen, desto weiter rechts im Diagramm (d.h. „später“) biegt die Verteilung von der Hauptreihe ab nach oben in den Bereich der Riesen und Überriesen (sog. Turn off point). M67 gehört mit über 3 Mrd. Jahren zu den ältesten offenen Sternhaufen, d.h. die Klassen O, B und A, sowie die frühen F - Typen, haben die Hauptreihe bereits verlassen, wie auf dem Diagramm ersichtlich ist. Alle hellen Plejadensterne (M45) gehören hingegen noch zum mittleren bis späten Bereich der B-Klasse. Dieser Haufen muss daher zwingend jünger sein (ca. 100 Mil. Jahre) als M67. Man kann auch sagen, dass die Hauptreihe mit zunehmendem Alter des Haufens wie eine Kerze von oben nach unten „abbrennt“. Quelle der unterlegten Grafik: [8] Vorlesung Astrophysik, Max Planck Institut Die horizontale Achse des HRD ist hier anstelle der Spektralklasse mit den äquivalenten Werten des Farben-Helligkeits-Diagramms (FHD) unterteilt. Dieser photometrisch erhobene B – V Farbindex bildet die Helligkeitsdifferenz zwischen dem blauen Bereich (bei 4‘400 Å) und dem „visuellen“ Bereich (bei 5‘500 Å, gelb) des Objektspektrums. Die Differenz = 0 entspricht der Spektralklasse A0 (Standardstern Wega). Frühere Klassen O, B, haben negative Werte, spätere positive. Bei der Sonne (G2) beträgt dieser Wert + 0.62, bei Beteigeuze (M1) +1.85. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 42 14 Das Messen der Radialgeschwindigkeit 14.1 Der Doppler Effekt Zur Bestimmung der Radialgeschwindigkeit bedient man sich des Dopplerprinzips, benannt nach dem österreichischen Physiker Christian Doppler 1803 – 1853. Der „Klassiker“ der Erklärungsmodelle ist hier wohl die Änderung der Sirenentonhöhe eines vorbeifahrenden Rettungsfahrzeuges. Diesen Effekt zeigen nicht nur Schall- sondern auch elektromagnetische Wellen, zu denen ja ebenfalls das Licht gehört. Bezogen auf einen Beobachter π© wird dieser Effekt durch die radiale Geschwindigkeitskomponente π½π einer Strahlungsquelle πΊ verursacht. Die Strahlungsquelle (z.B. Stern) bewegt sich dabei mit der Geschwindigkeit π½. Vr S S S V V Vr = 0 V Vr B Falls π½π vom Beobachter weggerichtet ist, erscheint die beobachtete Wellenlänge als gestreckt und das Spektrum dadurch rotverschoben. Im umgekehrten Fall wird sie gestaucht und das Spektrum dadurch blauverschoben. Quelle Grafik: Wikipedia Aus dem Spektrum von πΊ können wir die Verschiebung der Wellenlänge βπ messen. Die Radialgeschwindigkeit π½π ergibt sich dann einfach nach der Dopplerformel zu: π£ = βπ βπ π {15} βπ = π£ βπ π {16} βπ = Gemessene Verschiebung der Wellenlänge einer bestimmten Spektrallinie π = Wellenlänge der betrachteten Spektrallinie im ruhenden System π = Lichtgeschwindigkeit 300‘000 km/s – Ist das Spektrum blauverschoben, nähert sich uns das Objekt und π£ wird negativ. – Ist das Spektrum rotverschoben, entfernt sich das Objekt und π£ wird positiv. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 43 14.2 Das Messen der Doppler Verschiebung Für Radialgeschwindigkeitsmessungen muss in den meisten Fällen die Dopplerverschiebung einer Spektrallinie (z.B. Hα) als Differenzbetrag zu ihrer bekannten „Sollwellenlänge“ π in einem unbewegten Laborspektrum bestimmt werden. Dazu wird unmittelbar vor und/oder nach dem Objektspektrum ein Eichlampenspektrum mit unverändertem Spektrografen Setup aufgenommen. Bei der Auswertung wird dann die Differenz der absolut wellenlängenkalibrierten, verschobenen Linie zur unbewegten Laborwellenlänge π errechnet. Ein detaillierter Beschrieb des Vorgehens ist in [7] zu finden. Als rudimentäre und weniger genaue Variante zur Kalibrierlampe kann auch das Spektrum eines Fixsterns mit bekannter, sehr geringer Radialgeschwindigkeit und intensiven, leicht identifizierbaren Linien aufgenommen werden. 14.3 Radialgeschwindigkeit naher Fixsterne Die Radialgeschwindigkeiten von Fixsternen in der Umgebung des Sonnensystems erreichen zum grossen Teil lediglich ein- bis zweistellige Werte in [km/s]. Beispiele: Aldebaran +54 km/s, Sirius –8.6 km/s, Beteigeuze +21 km/s, Capella +22 km/s. Die entsprechenden Verschiebungen βπ sind daher sehr gering, d.h. meistens nur Bruchteile von [Å]. Für βπ = 1Å und bezogen auf die Hα Linie (6563 Å) entspricht π£ gemäss Formel {15} ca. 46 km/s. Dies bedeutet, dass hier zwingend mit hochauflösenden und absolut wellenlängenkalibrierten Spektren gearbeitet werden muss. 14.4 Dopplerbedingte Relativverschiebung innerhalb eines Spektrums Musterbeispiel für diesen Effekt sind die sog. P Cygni Profile (siehe Kap. 5.5). Zur Bestimmung der Ausdehnungsgeschwindigkeit der Sternhülle ist hier weder ein absolut wellenlängengeeichtes Spektrum noch eine heliozentrische Korrektur (siehe [7]) erforderlich, da die Messung der relativen Verschiebung zwischen Absorptions- und Emissionsteil der Spektrallinie genügt. Bei P Cygni beträgt diese Verschiebung innerhalb der Hα Linie immerhin ca. 4.4 Å, was einer Expansionsgeschwindigkeit von ca. 200 km/s entspricht. 14.5 Radialgeschwindigkeit von Galaxien Sogar bei den hellsten Galaxien des Messier Kataloges erfordert die Gewinnung der Spektren grosse Teleskopöffnungen und Belichtungszeiten von mehreren Minuten. Hier dringen wir zudem distanzmässig in einen Bereich vor, wo die berühmte kosmologische Rotverschiebung nach Edwin Hubble (1889–1953, meistens mit Pfeife abgebildet) berücksichtigt werden muss. Diesen Effekt muss man sich bei der Interpretation extragalaktischer Spektren stets vor Augen halten. Die Schwierigkeit besteht hier in der Unterscheidung zwischen der kinematischen Dopplerverschiebung, infolge der relativen Eigenbewegungen der Galaxien, und der kosmologisch bedingten Rotverschiebung durch die relativistische Ausdehnung des Raumzeit-Gitters. Das letztere Phänomen hat mit dem Dopplereffekt rein nichts zu tun! Im Bereich der Messier Galaxien, d.h. innerhalb eines Radius von ca. 70M Lj, dominiert noch die Eigengeschwindigkeit. So bewegen sich sechs der 38 Galaxien entgegen dem „kosmologischen Trend“, d.h. mit blau verschobenen Spektren, auf unsere Milchstrasse zu! Dazu gehören auch M31 (Andromeda) mit ca. –300 km/s, und M33 (Triangulum) mit ca. –179 km/s (gem. NASA/NED). Bei massiv grösseren Distanzen wird jedoch der kosmologisch bedingte Anteil an der gemessenen Spektrenverschiebung zunehmend dominanter und ab einer Distanz von einigen 100 Mega Parsec [1 Mpc= 3.26 Millionen Lj] wird der Einfluss des Dopplereffektes infolge der Eigenbewegung praktisch vernachlässigbar. Bei so weit entfernten Objekten wird deshalb die Entfernung meist direkt als π§ -Wert ausgedrückt. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 44 Dieser kann sehr einfach durch die im Spektrum gemessene und meist noch heliozentrisch korrigierte [7] Rotverschiebung bestimmt werden. π§= βπ π {17} In diesem extremen Distanzbereich ersetzt π§ daher meistens die absolute Entfernungsangabe, weil dieser Wert aus dem Spektrum einfach zu bestimmen und zuverlässig vergleichbar ist. Infolge der endlichen und konstanten Lichtgeschwindigkeit π gilt π§ gleichzeitig auch als Mass für die Vergangenheit. Im Gegensatz zu π§ ist die Bestimmung der „absoluten“ Distanz π· abhängig von weiteren Parametern. Formel {18}, erlaubt mit dem sog. Hubble Parameter π» eine grobe Distanzschätzung. Dazu muss aber in Formel {19} zuerst die kosmologisch bedingte Rotverschiebung π§, mittels des Dopplerprinzips als scheinbare, heliozentrische „Fluchtgeschwindigkeit“ π£π = π β π§ ausgedrückt werden. π£π = π» β π· {18} π» ≈ ca. 73±8 km s-1 Mpc-1 π§= π£π π {19} π·= πβπ§ π» {20} π· = Distanz in Megaparsec Mpc Die scheinbare „Fluchtgeschwindigkeit“ π β π§ und die Rotverschiebung des Spektrums wachsen also proportional mit der Distanz zur Galaxie {20}. Heute ist bekannt, dass der Hubble Parameter π» über die Zeit gesehen, keine Konstante bleibt. Dieser Begriff hat deshalb den historisch verwendeten Ausdruck „Hubble Konstante“ π» verdrängt. Der heutige Wert für π» wurde im sog. π» Key Project mit dem Hubble Space Telescope HST ermittelt. Die linearen Formeln {18} bis {20} sind nur bis ca. D ≈ 400 Mpc oder z < 0.1 anwendbar [116]. Grössere Distanzen erfordern den Einsatz kosmologischer Modelle. Anstelle von Formel {19} muss dann für solche Distanzbereiche auch für π§ eine „relativistische“ Formel angewendet werden, welche die Effekte der SRT berücksichtigt [6]. In der vereinfachten Formel {19} würden sonst bereits ab π§ > 1 die π£π- Werte grösser werden als die Lichtgeschwindigkeit c! π= π + π£π −1 π − π£π {21} Spätestens für Radialgeschwindigkeiten ab ca. 1000 km/s, sollte auch anstelle der konventionellen Dopplerformel {15}, ebenfalls die relativistische Version angewendet werden, welche die Effekte der SRT berücksichtigt [6]. π£ =πβ (π§ + 1) − 1 (π§ + 1) + 1 {22} Die Bandbreite der beobachteten π§ -Werte reicht heute nach oben bis aktuell zur Galaxie Abell 1835 IR 1916 mit π§ = 10, entdeckt 2004 von einem Französisch-/Schweizerischen Forscherteam u.a. mit dem VLT der ESO Südsternwarte! Beispiel: Berechnung des kosmologisch bedingten Anteils an der scheinbaren „Fluchtgeschwindigkeit“ π£π der Whirlpool Galaxie M51, basierend auf der bekannten Entfernung π· von 30M Lj (Karkoschka). π· = 30π πΏπ = 9.2 πππ Gemäss Formel {18} folgt π£π = +672 ππ/π Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 45 Der Anteil des π§- Wertes von M51, welcher durch die kosmologische Rotverschiebung be= 0.0022, was im kosdingt ist, errechnet sich dann mit Formel {19} gerade mal zu π§ mischen Massstab gesehen noch ausgesprochen gering ist. 14.6 Kleiner Exkurs zur „Hubble-Zeit“ tH Hier lohnt sich ein kleiner Exkurs, da mit Hilfe des Hubble Parameters auf sehr einfache Weise das ungefähre Alter des Universums abgeschätzt werden kann! Mit der vereinfachten Annahme einer konstanten Expansionsgeschwindigkeit des Universums nach dem „Big Bang“ lässt sich durch Umstellen der Formel {18} grob zurückrechnen, vor welcher Zeitspanne die gesamte Materie an einem Punkt konzentriert war. Diese wird auch Hubble-Zeit π‘ genannt und ist gleich dem Reziprokwert des Hubble Parameters π». Dieser Kehrwert entspricht auch der Division der Distanz D durch die Expansions- oder „Fluchtgeschwindigkeit“ π£π und somit der gesuchten Zeitspanne π‘ ! π‘ = 1 π· = π» π£π {23} Zur Berechnung der Hubble-Zeit müssen lediglich noch die Einheiten des Hubble Parameters in die Gleichung {23} eingesetzt und dabei [π ] in [π½πβππ] und [πππ] in [ππ] umgewandelt werden. 1 π½πβπ = 3.15 β 10 π π‘ = 1 73ππ β π β πππ = 1 πππ = 3.09 β 10 ππ π β πππ π½πβππ β 3.09 β 10 ππ = = 1.34 β 10 73 ππ 3.15 β 10 β 73 ππ ππππ 13.4 πππ π½πβππ 14.7 Radial- und Fluchtgeschwindigkeiten der Messier Galaxien Die Tabelle auf der folgenden Seite zeigt, sortiert nach zunehmender Distanz, die gemessenen, heliozentrischen Radialgeschwindigkeiten π£ der 38 Messier Galaxien, verglichen mit den distanzabhängigen, kosmologischen Fluchtgeschwindigkeiten π£π gemäss {18} und den entsprechenden π§ -Wert-Anteilen gemäss {19}. Quelle für die π£ - Werte ist die NED, NASA Extragalactic Database [31]. Positive Werte = rotverschoben, negative Werte = blauverschoben. Diese Beträge zeigen, dass in diesem Nahbereich die kinematische Eigenbewegung der Galaxien noch klar dominiert. Trotzdem ist bereits hier der Trend erkennbar, dass die gemessenen Radialgeschwindigkeiten π£ mit zunehmender Distanz in der Grössenordnung zu den theoretisch/kosmologisch bedingten „Fluchtgeschwindigkeiten“ π£π tendieren. In über 60M Lj Distanz sind aber immerhin noch zwei Galaxien (M90 und M98) mit relativ stark negativen π£ -Werten zu finden (blau hinterlegte Felder). Insgesamt verhalten sich so 6 von 38 oder ca. 16% der Messier Galaxien. Am weitesten entfernt ist M58 mit ca. 68M Lj. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure Messier Galaxie Entfernung π« [M Lj / Mpc] M31 Andromeda 2.5 / 0.77 M33 Triangulum 46 Kosmolog. Flucht geschw. ππ [km/s] Kosmolog. Rotverschiebungsanteil an π –300 +56 +0.00018 2.8 / 0.86 –179 +63 +0.00021 M96 11 / 3.37 +897 +246 +0.00082 M105 11 / 3.37 +911 +246 +0.00082 M108 11 / 3.37 +699 +246 +0.00082 M81 12 / 3.68 –34 +269 +0.00090 M82 12 / 3.68 +203 +269 +0.00090 M83 15 / 4.60 +513 +336 +0.0011 M109 15 / 4.60 +1048 +336 +0.0011 M94 16 / 4.91 +308 +358 +0.0012 M84 17 / 5.21 +1060 +380 +0.0013 M64 24 / 7.36 +408 +537 +0.0018 M106 24 / 7.36 +448 +537 +0.0018 M101 27 / 8.28 +241 +604 +0.0020 M51 Whirlpool 30 / 9.2 +600 +672 +0.0022 M65 30 / 9.2 +807 +672 +0.0022 M66 30 / 9.2 +727 +672 +0.0022 M104 Sombrero 30 / 9.2 +1024 +672 +0.0022 M95 33 / 10.1 +778 +737 +0.0025 M74 35 / 10.7 +657 +781 +0.0026 M63 37 / 11.3 +504 +825 +0.0027 M102 44 / 13.5 +757 +986 +0.0033 M88 47 / 14.4 +2281 +1051 +0.0035 M89 50 / 15.3 +340 +1117 +0.0037 M87 52 / 16.0 +1307 +1168 +0.0039 M49 53 / 16.3 +997 +1190 +0.0040 M60 55 / 16.8 +1117 +1226 +0.0041 M86 56 / 17.1 –244 +1248 +0.0042 M100 56 / 17.1 +1571 +1248 +0.0042 M59 60 / 18.4 +410 +1343 +0.0045 M61 60 / 18.4 +1566 +1343 +0.0045 M77 60 / 18.4 +1137 +1343 +0.0045 M85 60 / 18.4 +729 +1343 +0.0045 M90 60 / 18.4 –235 +1343 +0.0045 M98 60 / 18.4 –142 +1343 +0.0045 M99 60 / 18.4 +2407 +1343 +0.0045 M91 63 / 19.3 +486 +1409 +0.0047 M58 68 / 20.9 +1519 +1526 +0.0051 Gemessene Radialgeschw. ππ [km/s] Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 47 14.8 Die Fluchtgeschwindigkeit des Quasars 3C273 Diese sehr niedrigen, kosmologisch bedingten Anteile an den π§ -Werten zeigen deutlich, dass die Messier Galaxienwelt quasi noch zu unserem „Vorhof“, des Universums gehört. Als Kontrast dazu zeigt das folgende Komposit Spektrum die eindrückliche Rotverschiebung der H- Emissionslinien des für uns scheinbar hellsten Quasars 3C273 im Sternbild Jungfrau. Quelle: University of California Das folgende Beispiel soll eine Brücke von diesen Theorien zur Praxis schlagen und zeigen, dass die obigen Formeln keineswegs Spielereien auf akademischem Niveau sind. Der Amerikaner John Blackwell hat es mit einem Celestron 8 (!) geschafft, die Hβ Emissionslinie dieses Quasars darzustellen, sowie mit Vspec zu kalibrieren und zu vermessen! Details siehe [101] Als Dispersionselement verwendete er lediglich das Rainbow Optics Transmissionsgitter, was ungefähr dem bei uns bekannten Blaze- Gitter von Baader Planetarium mit 200L/mm entspricht. Die Wellenlänge des Spektrums kalibrierte er mit Vspec. Als Eichgrundlage diente das punktförmige Spektrum 0-ter Ordnung, im Abstandsverhältnis zu den Spektrallinien der 1. Ordnung (Verfahren siehe Vspec Manual). Die Auflösung und das SignalRauschverhältnis des Spektrums spielen hier eine völlige Nebenrolle. Lediglich die Position prominenter Balmerlinien muss für diesen Zweck sicht- und messbar gemacht werden. Im folgenden Bild ist oben der Spektralstreifen des „lokalen“ Sterns Theta Leonis (A3V) mit der markierten Hβ Absorptionslinie zu sehen, verglichen unterhalb mit dem verrauschten Spektrum des Quasars mit der stark rotverschobenen Hβ Emissionslinie. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 48 Überschlagsmässige Berechnung ohne Berücksichtigung relativistischer Effekte Dieser Quasar ist bez. Helligkeit sicherlich ein Grenzfall für den heutigen Stand der Amateurspektroskopie. Ein Spaltspektrograf wie DADOS wäre an einem 8 Zoll Teleskop überfordert, da die Helligkeit von 3C273 zwischen ca. 11m und 13m schwankt. Für diesen Spezialfall ist das Transmissionsgitter für eine Langzeitbelichtung im Vorteil, nicht zuletzt deshalb, weil hier das praktisch unmögliche Plazieren und Nachführen dieses sehr lichtschwachen Objektes auf dem Spektrografenspalt entfällt. Das Objekt liegt eigentlich bereits jenseits der Grenze, wo selbst für Amateurzwecke noch mit dem konventionellen, nicht relativistischen Formelsatz {15 – 20}, und ohne Annahmen für kosmologische Modellparameter gerechnet werden darf. John Blackwell berichtet, dass die gemessene Hβ Emissionslinie des Quasars π = 5640.34Å beträgt und gegenüber π = 4861.33Å um βπ = ca. 779Å rotverschoben ist. Berechnet mit Formel {17} ergibt dies ein π§ –Wert für die Rotverschiebung von π§ = βπ/π = 0.1603. Gemäss NED, Nasa Extragalactic Database, beträgt für 3C273 dieser Wert 0.1583, was bemerkenswert konsistent zu Blackwells Messung ist. Bei dieser enormen Distanz kann ππ mit der scheinbaren „Fluchtgeschwindigkeit“ π£π gleichgesetzt werden, da hier die kinematische Eigenbewegung des Objekts keine Rolle mehr spielt. Gemäss Formel {19} beträgt dann π£π = π β π§ = ca. 48‘000 km/s. Die Distanz hängt von der Grösse des Hubble Parameters ab. Mit Formel {18} und der Annahme für π» ≈ 73 ergibt dies die Distanz π· = π£π/π» = 657πππ = 2.14πππ πΏπ. (Publizierter Wert ca. 2.4 Mrd. Lj). Das Licht, welches wir heute von 3C273 analysieren, war also ca. halb so lange unterwegs wie das Alter unseres Sonnensystems. Verglichen mit dem π§ –Wert 10 bei Abell 1835 ist dies aber noch relativ „nahe“. Aus diesem Beispiel wird auch deutlich, weshalb die heutigen und zukünftigen Weltraumteleskope (z.B. Herschel, James Webb) für den Infrarotbereich optimiert werden. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 49 15 Das Messen der Rotationsgeschwindigkeit 15.1 Begriffe, Definitionen Durch die Messung der Doppler-bedingten Radialgeschwindigkeitsdifferenz βπ zwischen dem Ost- und Westrand eines rotierenden, kugelförmigen Himmelskörpers, kann auf die Rotationsgeschwindigkeit der Oberfläche geschlossen werden. Hier beschränken wir uns auf den spektroskopisch direkt messbaren Anteil der Rotationsgeschwindigkeit, den sogenannten π π¬π’π§ π Wert, welcher in die Sichtlinie zur Erde projiziert wird. Dieser Fachbegriff ist gleichzeitig auch die Formel zur Berechnung dieses Geschwindigkeitsanteils aus der effektiven Äquatorgeschwindigkeit π und dem Inklinationswinkel π zwischen der Rotationsachse und der Sichtlinie zur Erde. In der Wikipedia Grafik wird π£ hier abweichend als π£ bezeichnet. Steht die Rotationsachse senkrecht auf der Sichtlinie zur Erde wird π = 90° und sin π = 1. Ausschliesslich in diesem Spezialfall können wir exakt die Äquatorgeschwindigkeit π messen. Ist π = 0°, sehen wir direkt auf einen Pol des Himmelskörpers und somit wird sin π = 0, und damit auch die projizierte Rotationsgeschwindigkeit π£ sin π = 0. 15.2 Die Rotationsgeschwindigkeit grosser Planeten Wird der Spektrografenspalt auf den Äquator eines rotierenden Planeten ausgerichtet, erscheinen die Absorptionslinien des reflektierten Lichtes leicht schiefgestellt – dies wegen der Dopplerverschiebung infolge der Radialgeschwindigkeitsdifferenz βπ£ zwischen dem Ost- und Westrand der Kugel. Die grobe Spaltausrichtung kann beim Jupiter mit Hilfe seiner Monde und beim Saturn anhand der Ringstellung erfolgen. Die Radialgeschwindigkeitsdifferenz βπ£ zwischen dem Ost- und Westrand des Planeten wird aus der Schiefstellung der Linie im Spektralstreifen berechnet. Dazu wird an ausgewählten, qualitativ guten Einzelspektren, je am äussersten Unter- und Oberrand des Spektrums, ein schmaler Streifen mit nur wenigen Pixel Breite ausgewertet und so der unterste und oberste Punkt z.B. der Hα Linie vermessen. Durch Subtraktion dieser Werte kann dann die Dopplerverschiebung βπ und mit Formel {15} oder {22} die Geschwindigkeitsdifferenz βπ£ berechnet werden (Detail. Vorgehen siehe [7]). Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 50 15.3 Die Rotationsgeschwindigkeit der Sonne Mit diesem Verfahren lässt sich, mit aufgesetztem Energieschutzfilter (!), auch die Rotationsgeschwindigkeit der Sonne abschätzen. Diese ist allerdings so gering (ca. 2 km/s), dass dazu ein hochauflösender Spektrograf erforderlich ist. Hier ist auch das Fokalbild der Sonne auf dem Spaltblech zu gross, resp. der Spalt viel zu kurz um den ganzen Sonnenäquator abzudecken. Erforderlich ist in solchen Fällen die Aufnahme zweier getrennter, wellenlängenkalibrierter Spektren, hier je am Ost- und Westrand der Sonne. Dieses Verfahren wurde erstmals 1871 von Hermann Vogel praktiziert. 15.4 Die Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien Prinzipiell kann dieses Verfahren auch zur Bestimmung der Rotationsgeschwindigkeit in den Randbereichen einer Galaxie angewendet werden. Dies funktioniert allerdings nur bei Objekten, welche wir ungefähr von der Kante (Edge On) sehen, z.B. M31, M101 und M104 (Sombrero). Bei Face On Galaxien, wie M51 (Whirlpool), können wir lediglich die Radialgeschwindigkeit gemäss Kap. 14 messen. 15.5 Berechnung des π π¬π’π§ π Wertes aus der Geschwindigkeitsdifferenz βπ Hier müssen zwei Fälle unterschieden werden: 1. Licht-reflektierende Objekte des Sonnensystems: Bei Licht-reflektierenden Objekten des Sonnensystems, z.B. Planeten, wirkt der Dopplereffekt von der Erde aus gesehen zweifach. Ein virtueller Beobachter am Westrand des Planeten sieht das Licht von der Sonne (gelber Pfeil) bereits um den Betrag rotverschoben, welcher der Radialgeschwindigkeit dieses Punktes von der Sonne weg entspricht. Dieser Beobachter stellt auch fest, dass dieses Licht mit derselben Rotverschiebung in Richtung Erde reflektiert wird (roter Pfeil). Ost West Ein Beobachter auf der Erde sieht dieses reflektierte Licht dann noch um einen zusätzlichen Betrag rotverschoben, welcher der Radialgeschwindigkeit des Westrandes bezüglich der Erde entspricht. Er misst dadurch eine Radialgeschwindigkeit, welche um denjenigen Rotverschiebungsbetrag zu hoch ist, welcher bereits der Beobachter am Westrand des Planeten im ankommenden Sonnenlicht festgestellt hat. Wenn die äusseren Planeten nahe der Opposition stehen, sind diese beiden Verschiebungsbeträge praktisch gleich gross. Eine Halbierung dieses Betrages ergibt deshalb die Geschwindigkeitsdifferenz βπ£ zwischen dem Ost- und Westrand. Diese Geschwindigkeitsdifferenz βπ£ muss jetzt nochmals halbiert werden, um die gesuchte, projizierte Rotationsgeschwindigkeit π£ sin π zu erhalten. Diese entspricht dann letztlich noch ¼ des ursprünglich gemessenen Verschiebungsbetrages (½ x ½=¼). π£ sin π = Projiz. Rotationsgeschw. reflektierender Körper π£ sin π = β {24} βπ£ = Errechnete Geschwindigkeitsdifferenz 2. Selbstleuchtende Himmelsobjekte Bei selbstleuchtenden Himmelsobjekten, z.B. Sonne oder Galaxien, ist lediglich die Halbierung der gemessenen Geschwindigkeitsdifferenz erforderlich: π£ sin π = Projiz. Rotationsgeschw. selbstleuchtender Körper βπ£ = Errechnete Geschwindigkeitsdifferenz π£ sin π = β {25} Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 51 15.6 Die Rotationsgeschwindigkeit der Fixsterne Infolge der grossen Distanzen können, selbst mit grossen Teleskopen, Fixsterne nicht als Scheiben gesehen werden, sondern infolge von Beugungseffekten in der Optik lediglich als kleine Beugungsscheibchen (sog. Airy disk). Deshalb versagt hier die oben vorgestellte Methode, welche „flächig“ erscheinenden Himmelsobjekten vorbehalten bleibt. Heute existieren zahlreiche Methoden zur Bestimmung der Rotationsgeschwindigkeit, z.B. mit photometrisch detektierten Helligkeitsschwankungen oder mittels Interferometrie. Das Bestreben, die projizierte Rotationsgeschwindigkeit π£ sin π aus dem Spektrum zu gewinnen, ist fast so alt wie die Spektroskopie selbst. William Abney hat bereits 1877 vorgeschlagen, π£ sin π anhand der rotationsbedingten Verbreiterung der Spektrallinien zu bestimmen. Dieses Phänomen ist ebenfalls auf den Dopplereffekt zurückzuführen, da sich das Spektrum aus dem Licht der gesamten uns zugewandten Sternoberfläche zusammensetzt. Die Verbreiterung und Abflachung der Linien entsteht durch die rotationsbedingt unterschiedlichen Radialgeschwindigkeiten der einzelnen Oberflächenpunkte. Dieses sog. „rotational broadening“ ist aber nicht der einzige Effekt, welcher die Halbwertsbreite πΉππ»π der Spektrallinie beeinflusst (siehe Kap. 7.2 und 12.9). Deshalb wurde mit verschiedenen Methoden erfolgreich versucht, den Doppler-bedingten Verbreiterungsanteil zu isolieren, z.B. durch den Vergleich mit synthetisch modellierten Spektren oder Standard Sternen geringer Rotationsgeschwindigkeit. Die Grafik rechts [10] zeigt diesen Einfluss auf die Form der Mg II Linie, bei 4481.2 Å, für einen Stern der Spektralklasse A. Die zahlreichen, gemessenen Rotationsgeschwindigkeiten von Hauptreihesternen zeigen ein bemerkenswertes Verhalten bezüglich der Spektralklassen. Die Grafik zeigt eine Geschwindigkeitsabnahme von den frühen zu den späten Spektralklassen (nach Slettebak). Ab Spektralklasse G und später beträgt π£ sin π noch wenige km/s (Sonne ca. 2 km/s). Der gesamte Geschwindigkeitsbereich reicht von 0 bis >400km/s. Es hat sich weiter gezeigt, dass Sterne nach dem Verlassen der Hauptreihe auf ihrem Weg zum Riesenast im HR Diagramm (Kap. 13) erwartungsgemäss die Rotationsgeschwindigkeit stark verringern. Da die π£ sin π Werte ab der Spektralklasse G sehr niedrig sind (sog. Slow Rotators), steigt hier die Anforderung an das Auflösungsvermögen des Spektrografen dramatisch. Deshalb konzentrieren sich diese Verfahren, im Speziellen für Amateure, auf die frühen Spektralklassen O – F, wo die sog. Fast Rotators dominieren. Typisches Beispiel ist Regulus B7V mit π£ sin π = 317 ππ/π . Die Form dieses Sterns wird dadurch stark abgeplattet. Es gibt aber auch Ausreisser. So ist z.B. Sirius (A1V) mit 16 km/s als Vertreter der frühen A- Klasse ein ausgesprochener Slow Rotator [44]. Ein interessanter Fall ist Wega (A0V), deren π£ sin π = 20 ππ/π ebenfalls lange Zeit als Ausreisser nach unten gegolten hat. Diverse Studien u.a. von Y. Takeda et al. [38] haben aber gezeigt, dass Wega wahrscheinlich ein Fast Rotator ist, bei dem wir fast genau auf einen Pol schauen (π ≈ 7°). Dies wird durch interferometrisch nachgewiesene, rotationsbedingte Abdunkelungseffekte auf der Scheibe gestützt (Peterson, Aufdenberg et al. 2006). Der Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 52 Streubereich der neu geschätzten effektiven π£ −Werte für Wega ist breit und reicht in diesen Studien von ca. 160 – 270 km/s. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie schwierig bei Fixsternen die Bestimmung der Inklination π und der damit zusammenhängenden, effektiven Rotationsgeschwindigkeit π£ ist – dies im Vergleich zum relativ einfach ermittelbaren π£ sin π Wert! Ergänzt wird die πΉππ»π - Methode heute u.a. durch Fourier Analysen des Linienprofils, deren erste Minimumsstelle den Wert für π£ sin π mit einer Auflösung von ca. 2 km/s repräsentiert [43]. Dieses Verfahren erfordert aber hochaufgelöste Spektren und ist somit für die meisten Amateure wohl (noch) nicht anwendbar. Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ausrichtung der Fixstern-Rotationsachsen zufällig verteilt ist – dies im Gegensatz zu den meisten Planetenachsen unseres Sonnensystems. Da die effektive Äquatorgeschwindigkeit nur in Ausnahmefällen bestimmt werden kann, ist die Forschung hier fast ausschliesslich auf statistische Methoden beschränkt, basierend auf umfangreichen π£ sin π - Datensätzen. Die meisten Amateure werden sich wohl darauf beschränken, einzelne Literaturwerte früher Spektraltypen mit hohen Rotationsgeschwindigkeiten nachzuvollziehen. Empirische Formeln für π£ sin π in Abhängigkeit von πΉππ»π, π£ sin π = π(πΉππ»π) Eine beachtliche Zahl astrophysikalischer Paper aus der SAO/NASA Datenbank beschäftigt sich ab ca. 1920 bis zur Gegenwart mit der Kalibration der Rotationsgeschwindigkeit gegenüber der πΉππ»π Halbwertsbreite. Einige der zahlreichen „Protagonisten“ sind hier A. Slettebak, O. Struve, G. Shajn, F. Royer und F. Fekel. Das wohl meist zitierte Basiswerk für solche Formeln ist das sog. „New Slettebak System“ von 1975. Neuere Studien haben aber gezeigt, dass dieses systematisch zu tiefe π£ sin π Werte liefert. Deshalb stelle ich hier aktuellere Ansätze vor. Die Variablen sind jeweils πΉππ»π in [Å], in einigen Formel jedoch auch als Dopplergeschwindigkeit [km/s]. In einem Fall ist zusätzlich noch die Äquivalenzbreite πΈπ [Å] beteiligt (siehe Kap. 7). Das Verfahren nach Fekel Gut etabliert hat sich das Verfahren nach F. Fekel [40, 41]. Es basiert auf zwei verschiedenen Eichkurven, je eine für den roten- und blauen Bereich des Spektrums. Die beiden Polynome 2. Grades kalibrieren den „Rohwert“ π für π£ sin π in [km/s], bezüglich dem gemessenen und bereinigten πΉππ»π in [Å] ({3} Kap. 7.6). Unten sind zuerst die beiden „Fekel‘schen“ Kalibrierpolynome {26a, 27a} für die Spektralbereiche 6430 Å und 4500 Å aufgeführt, gefolgt von zwei weiteren Formeln {26b, 27b}, die ich entsprechend dem explizit gesuchten π - Wert aus {26a, 27a} umgeformt habe: πΉππ»π ≈ 0.04082 + 0.02509π + 0.00014π {26π} πΉππ»π ≈ 0.08016 + 0.01284π + 0.00011π {27π} π ≈ 7143 β (πΉππ»π + 1.08) − 89.6 {26π} π ≈ 9091 β (πΉππ»π + 0.29) − 58.1 {27π} Das Vorgehen zur Bestimmung des π£ π ππ π Wertes habe ich anhand eines Beispieles in [7] beschrieben. Hier ein kurzer Überblick: Zuerst werden mehrere πΉππ»π Werte [Å] an schwach bis mässig intensiven und Gauss-gefitteten Spektrallinien (keine H-Balmerlinien) vermessen und gemittelt. Diese Werte werden zuerst vom „instrumental broadening“ bereinigt (πΉππ»π ). Dann wird der π –Wert durch Einsetzen des πΉππ»π Betrages in die obigen Formeln {26b} oder {27b}, entsprechend dem Wellenbereich 4500 Å oder 6430 Å, berechnet. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 53 Dieser π –Wert muss noch mit folgender Formel von der linienverbreiternden Geschwindigkeit π£ der durchschnittlichen Makroturbulenz in der Sternatmosphäre bereinigt werden. Daraus ergibt sich dann der gesuchte π£ π ππ π Wert [km/s]: π£ π ππ π = π −π£ {28} Die Variable π£ ist abhängig von der Spektralklasse. Für die B- und A- Klasse hat Fekel π£ = 0 angenommen. Für die frühen F- Klassen π£ = 5 ππ/π , sonnenähnliche Zwergsterne π£ = 3 ππ/π , K- Zwergsterne π£ = 2 ππ/π , frühe G- Riesen π£ = 5 ππ/π , späte G- und KRiesen π£ = 3 ππ/π , F – K Unterriesen π£ = 5 − 3 ππ/π . Im Folgenden sind noch die gebräuchlichen Spektrallinien für die Ermittlung der πΉππ»π Werte aufgelistet. Die auch von Fekel vorgeschlagenen Linien sind fett kursiv hervorgehoben, die von anderen Autoren (z.B. Slettebak) verwendeten nur kursiv wiedergegeben. Der Zusatz (B) bedeutet, dass die Profilform durch einen Blend mit einer Nachbarlinie beeinflusst wird. (S) bedeutet eine Liniendeformation im elektrischen Feld durch den Stark Effekt: – Späte F–, G– und K– Spektralklassen: vermessen von Linien vorwiegend im Bereich um 6430Å: z.B. Fe II 6432, Ca I 6455, Fe II 6456, Fe I 6469, Ca I 6471. – Später als mittlere A–Klassen: auswerten von moderat intensiven Fe I, Fe II und Ca I Linien im Bereich um 6430Å. Für die A3 – G0–Klassen Fe I 4071.8 (B) und 4072.5 (B). – O–, B– sowie frühe A–Klassen: auswerten von Linien im Bereich um 4500 Å: – Mittlere B– bis frühe F–Klassen: mehrere Fe II und Ti II Linien, sowie He I 4471 und Mg II 4481.2. – O–, frühe B– und Be– Klassen: He I 4026 (S), Si IV 4089, He I 4388, He I 4470/71 (S,B), He II 4200 (S), He II 4542 (S), He II 4686, Al III, N II, Alternativ zu F. Fekel hat A. Moskovitz [39] im Zusammenhang mit K– Riesen exklusiv die relativ isolierte Fe I Linie bei 5434.5 mit Formel {26a} resp. {27a} ausgewertet. 15.7 Die Rotationsgeschwindigkeit der zirkumstellaren Scheiben um Be Sterne Be Sterne bilden eine grössere Untergruppe der Spektralklasse B. Gamma Cassiopeiae wurde als erster Be Stern bereits 1868 von Pater Secchi entdeckt (Kap. 12.3), welcher sich über die „hellen Linien“ in diesem Spektrum wunderte. Der Kleinbuchstabe e (Be) besagt bereits, dass hier Emissionslinien auftreten. Im Gegensatz zu den Sternen, welche mit ihrer expandierenden Materie P Cygni Profile zeigen (Kap. 16), handelt es sich hier um eine häufig nur temporär ausgebildete, zirkumstellar rotierende Gasscheibe, in der Äquatorebene des Be Sterns. Deren Entstehungsmechanismen sind noch nicht voll verstanden. Dieses Phänomen wird begleitet von Wasserstoff Emissionen, sowie starker Infrarot- und Röntgenstrahlung. Ausserhalb dieser Phasen kann der Stern ein scheinbar normales Dasein in der B-Klasse fristen. University Western Ontario An der Erforschung und den Beobachtungsprogrammen dieser Objekte sind auch zahlreiche Amateure mit photometrischen Aufzeichnungen und spektroskopischer Überwachung der Emissionslinienformen beteiligt. Deshalb habe ich einige Informationen zu dieser spannenden Kategorie zusammengetragen, zumal hier auch Anwendungsbereiche für die πΈπ– und Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 54 πΉππ»π –Werte präsentiert werden können. Hier einige Eckdaten dieser Objekte, basierend auf Vorlesungen von Miroshnichenko [47], [48], sowie Publikationen von Keith Robinson [4] und James Kaler [3]: – 25% der 240 hellsten Be- Sterne wurden als Doppelsternsysteme identifiziert. – Die meisten Be- Sterne stehen noch auf der Hauptreihe des HRD, Spektralklassen O1– A1 [48]. Andere Quellen nennen den Bereich O7 – F5 (bis F5 für Hüllensterne). – Be Sterne zeigen durchwegs hohe Rotationsgeschwindigkeiten bis >400 km/s, in einigen Fällen bis nahe zur sog. „Break Up“ Grenze. Die Streuung der π£ sin π Werte dürfte somit zum wesentlichen Teil mit den unterschiedlichen Inklinationswinkeln π der Sternachsen zusammenhängen. – Die Ursache für die Bildung der zirkumstellaren Scheibe und des damit verbundenen Massenverlustes ist noch nicht voll geklärt und wird, neben der auffallend hohen Rotationsgeschwindigkeit [3], u.a. auch auf nichtradiale Pulsationen des Sternes oder die nahe Passage einer Doppelsternkomponente im Periastron der Umlaufbahn zurückgeführt. – Diese Scheiben können in kurzer Zeit entstehen aber auch wieder verschwinden. Dabei können insgesamt drei Stufen durchlaufen werden: Gewöhnlicher B-Stern, Be-Stern und Be -Hüllenstern. Bei letzterem wird die Scheibe so dicht, dass sich im Hüllenbreich auch breite Absorptionslinien zeigen, die feineren Metallinien aus der Photosphäre des Zentralsternes aber unterdrückt werden [3]. Klassisches Beispiel für dieses Verhalten ist der Plejadenstern Plejone, welcher innerhalb von wenigen Dekaden alle drei Phasen durchlaufen hat [54]. – Infolge seiner Viskosität wandert das Scheibenmaterial während des Umlaufs nach aussen [48]. – Mit zunehmendem Abstand vom Stern wächst die Dicke- und schwindet die Dichte der Scheibe. – Übersteigt der Massenverlust des Sternes denjenigen der Scheibe, sammelt sich das Material nahe um den Stern. Im umgekehrten Fall kann sich ein Ring ausbilden. – Die Röntgen- und Infrarotstrahlung ist stark erhöht. Wenn der B-Stern in relativ kurzer Zeit zum Be-Stern mutiert (z.B. δ scorpii), wandelt sich die Hα Linie von Absorption in der Sternphotosphäre zur Emissionslinie der zirkumstellaren Scheibe und steigt gleichzeitig auf zum intensivsten spektralen Merkmal (ausführliches Beispiel in [7] Kap. 22). Es repräsentiert nun den kinematischen Zustand der ionisierten Gasscheibe. Sie ist, ähnlich wie die Absorptionslinien gewöhnlicher Sterne, durch Dopplereffekte verbreitert, hier jedoch infolge der rotierenden Gasscheibe und zusätzlicher, nicht kinematischer Effekte [53]. Entsprechend ist der πΉππ»π Wert der Emissionslinie hier ein Mass für die typische Rotationsgeschwindigkeit des Scheibenmaterials. In [53] wird zudem eindrücklich gezeigt, dass die πΉππ»π und πΈπ Werte der Hα Linie im Be- Stadium von δ scorpii, seit ca. 2000 starken langperiodischen Schwankungen unterworfen sind. Zwischen dem ersten Helligkeitsausbruch im Jahre 2000 bis zur Gegenwart schwankte die Dopplergeschwindigkeit des πΉππ»π - Wertes zwischen ca. 100 – 350 km/s. und der πΈπ Wert von ca. –5 bis –25 Å, was auf dynamische Vorgänge im Scheibenbildungsprozess hindeutet. Der zeitliche Verlauf von πΉππ»π und πΈπ zeigt sich zudem auffallend phasenverschoben. Formeln für die Rotationsgeschwindigkeit des Scheibenmaterials: Es sind mehrere Formeln publiziert worden, mit denen die Rotationsgeschwindigkeit des Scheibenmaterials der Be-Sterne π£ π ππ π, meistens aus dem πΉππ»π –Wert der Hα Linie abgeschätzt werden kann. Hier eine Formel nach Dachs et al., welche Soria in [52] verwen- Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 55 det. Sie drückt explizit den π£ π ππ π –Wert, basierend auf der Halbwertsbreite πΉππ»π [km/s] der Hα Emissionslinie aus, kombiniert mit der (negativen) Äquivalenzbreite πΈπ [Å]. π£ sin π (±30 ππ/π ) ≈ πΉππ»π 2 β πΈπ −3Å − 60 ππ/π {29} = 6.1 Å, entsprechend einer DoppDie Hα Linie von Soria‘s Be–Stern hat ein πΉππ»π lergeschwindigkeit von 278 km/s und ein πΈπ = −16 Å. Dies ergibt π£ π ππ π = 151 ππ/π . In [7] Kap. 22.3 wird diese Formel am Beispiel eines DADOS Spektrums von δ scorpii angewendet. Der angegebene Genauigkeitsrahmen von ±30 km/s zeigt, dass der Ausdruck „abschätzen“ hier wohl besser passt als „berechnen“. Hanuschik [45] zeigt eine einfache, lineare Formel, welche π£ π ππ π nur mit dem πΉππ»π [km/s] der Hα Emissionslinie ausdrückt. Sie entspricht dem Median Fit eines stark streuenden Datensatzes mit 115 Be Sternen, ausgeschlossen diejenigen, bei welchen eine Unterschätzung des π£ π ππ π Wertes vermutet wurde ([45], Formel 1b). π£ π ππ π ≈ πΉππ»π − 50 ππ/π 1.4 {30} = 6.1 Å ergibt sich hier abweichend π£ π ππ π = 163 ππ/π Mit Sorias obigem πΉππ»π Die folgende Formel gilt für den πΉππ»π FE II (5317, 5169, 6384, 4584 Å). π£ π ππ π ≈ πΉππ»π –Wert der Emissionslinien Hβ (4861.3) und , − 30 ππ/π 1.2 {31} Der Verlauf der Rotationsgeschwindigkeit auf der Scheibe π£= πΊβπ π R v < Unter der Annahme dass die Scheibenrotation kinematisch den Keplergesetzen gehorcht, tritt die höchste Radialgeschwindigkeit π£ an ihrer Innenkante auf – in den vielen Fällen wohl identisch mit dem Sternäquator. Sie nimmt dann gegen aussen ab (Formel gemäss Robinson [4]). {33} πΊ = πΊπππ£ππ‘ππ‘ππππ ππππ π‘πππ‘π [6.674 β 10 β π β ππ β π ] π = πππ π π πππ ππ‘ππππ [ππ] π = π΄ππ π‘πππ πππ πππ‘πππβπ‘ππ‘ππ ππβππππππ‘ππππ π£ππ ππ‘ππππππ‘π‘ππππ’πππ‘ [π] Praktisch anwenden lässt sich diese Formel nur bei hohen π£ π ππ π -Werten (d.h. π£ π ππ π ≈ π£) oder bekanntem Inklinationswinkel π. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 56 Die Auswertung von Doppelpeak Profilen π½ = πΌππ‘πππ ππ‘äπ‘ (π/πΌ ) πππ π£πππππ‘π‘π£πππ πβππ. ππππ πΉ = πΌππ‘πππ ππ‘äπ‘ (π /πΌ ) πππ πππ‘π£πππ πβππππππ ππππ πΌπ = ππππππππ‘π π»öβπ πππ πΎπππ‘πππ’π’ππ = 1 π/π = πΌππ‘πππ ππ‘äπ‘π π£ππβäππ‘πππ πππ πππππ = π΄ππ π‘πππ πππ ππππππ πππππ [ππ/π ] βπ£ R Normierte Intensität Die Grafik zeigt diesen Doppelpeak in der Hα Emissionslinie, in Relation zur rotierenden Gasscheibe. Eingetragen sind wichtige Masse, welche in der Fachliteratur Verwendung finden: < Die Emissionslinien von Be Sternen zeigen häufig einen Doppelpeak. Die Senke zwischen den beiden Peaks wird, neben dem Dopplereffekt, u.a. mit Selbstabsorptions- und Perspektiveffekten erklärt. Beim Blick auf die Scheibenkante bewegen sich im Bereich der Symmetrieachse die Gasmassen scheinbar quer zu unserer Sichtlinie, d.h. die Radialgeschwindigkeit ist dort π£ ≈ 0. βV peak V 1 Kontinuumsniveau Ic=1 Ic 0 λHα Wellenlänge λ Der Peak Abstand βπ£ Das Diagramm rechts zeigt gemäss K. Robinson [4] die modellierten Emissionslinien für unterschiedliche Inklinationswinkel π (Kap. 15.1). Sie zeigen, dass der Abstand βπ£ mit zunehmender Inklination π anwächst. Gleichzeitig steigen auch die π£ π ππ π -Werte, wenn für alle Inklinationswinkel eine ähnliche, effektive Äquatorgeschwindigkeit π£ sowie ein fixer Scheibenradius π π angenommen wird. βπ£ wird als Geschwindigkeitswert gemäss dem Dopplerprinzip ausgedrückt: βπ£ [ππ/π ] = βπ£ [Å] β π/π , i=82° 65° 30° 15° gem. {15}. 0° λHα Auch Hanuschik [50] hat gezeigt, dass eine grobe Korrelation zwischen βπ£ π£ π ππ π der Hα Linie besteht: βπ£ ≈ (0.4 … 0.5) π£ π ππ π Wellenlänge [km/s] und {34} Gemäss Miroshnichenko [48] und Hanuschik [50] ist zudem mit abnehmendem Scheibenverbunden. Diese Aussage ist konsistent mit den Forradius π π ein Anstieg von βπ£ meln {33} und {34}. Der äussere Scheibenradius π π Praktisch anwenden lässt sich auch diese Formel nur bei hohen π£ π ππ π Werten (d.h. π£ π ππ π ≈ π£) oder bekanntem Inklinationswinkel π. Rs r < Die Formel nach Huang [50] erlaubt die Abschätzung des äusseren Scheiund der benradius π π , ausgedrückt in [Sternradien π], basierend auf βπ£ Geschwindigkeit π£ an der Innenkante der Scheibe, welche in vielen Fällen wohl den Sternäquator (π = 1) berühren dürfte. 2βπ£ π π ≈ {35} βπ£ Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 57 Das Peak Intensitätsverhältnis π/π (Violett/Rot) Das π/π Verhältnis gehört zu den Hauptkriterien für die Beschreibung der Doppelpeak Emissionen von Be Sternen. S. Stefl et al. [51] haben dieses Verhältnis während ca. 10 Jahren bei einem Set von Be-Sternen überwacht. Dabei haben sie langperiodische Schwankungen von 5–10 Jahren festgestellt, für deren Ursache erst Hypothesen aufgestellt wurden, u.a. werden Schwingungen im inneren Teil der Scheibe vermutet. Einer starken Schwankung unterliegt das V/R Verhältnis der He I Linie (6678.15 Å) bei δ scorpii seit dem Ausbruch von 2000 [53]. Siehe auch Beispiel in [7] Kap. 22.3. Gemäss Kaler [3] widerspiegelt das V/R Verhältnis die Massenverteilung in der Scheibe und kann einen ziemlich unregelmässigen Verlauf zeigen. Bei Be-Doppelsternsystemen scheint ein Variationsmuster aufzutreten, welches an die Umlaufperiode des Systems geknüpft ist. Gemäss Hanuschik [50] hängen Asymmetrien der Emissionslinien, z.B. π/π ≠ 1, mit Radialbewegungen und Verdunkelungseffekten zusammen. Falls kein Doppelpeak in der Emissionslinie vorliegt, kann gemäss [46] die Asymmetrie in der Flankensteilheit ausgewertet werden. V>R bedeutet die violette Flanke ist steiler, bei R>V entsprechend die rote Flanke. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 58 16 Das Messen der Expansionsgeschwindigkeit 16.1 Ausdehnungsgeschwindigkeit einer Sternhülle Die P Cygni Profile wurden bereits in Kap. 5.5, als Beispiele für gemischte Absorptions- und Emissionsspektren eingeführt. Die Berechnung der Expansionsgeschwindigkeit der Sternhülle erfolgt mit der Dopplerformel (Kap. 14): π£ = βπ βπ π {15} Gemessen wird der Versatz βπ [Å] zwischen dem Emissionsund dem blau verschobenen Absorptionsteil der P Cygni Profile. Im Beispiel, für die Hα Linie von P Cygni selbst, beträgt die gemessene Differenz (Einzelmessung vom 16.7.09, 2200 UTC, DADOS und 900L/mm Gitter): βπ = π −π = 6557.7 − 6562.2 = −4.5 Å mit π = 6562.82 Å, π = 300 000ππ/π , ergibt {15}: π£ =π ü ≈ −206 ππ/π Die Literaturwerte liegen im Bereich von –185 bis – 205 km/s ±10km/s. Die heliozentrische Korrektur ist hier nicht erforderlich, da die Dopplerverschiebung nicht absolut gemessen, sondern relativ, als Differenz aus dem Spektrum abgelesen wird. P Cygni bildet keine separate Sternklasse. P Cygni Profile sind ein verbreitetes spektrales Phänomen, welches von der frühen A- Klasse (z.B. Deneb A2 Ia) bis zu den O- Typen verbreitet und auch bei den Zentralsternen planetarischer Nebel zu finden ist [3]. 16.2 Ausdehnungsgeschwindigkeit einer Nova P Cygni Profile sind auch generell charakteristisch für Sterne mit starken Expansionsbewegungen, so auch für Novae und sogar Supernovae. Falls eine Nova aber vorwiegend breite Emissionslinien zeigt, kann gemäss Starkey [58] deren Ausdehnungsgeschwindigkeit auch anhand der πΉππ»π [Å] abgeschätzt werden. Anstelle von βπ wird hier πΉππ»π [Å], als Mass für die Linienbreite in die konventionelle Dopplerformel eingesetzt: π£ ≈ πΉππ»π π βπ {36} Das Schema [58] zeigt bei der Nova V475 Scuti (2003) vier Entwicklungphasen innerhalb 38 Tagen. Hier traten fast die 10 fachen Expansionsgeschwindigkeiten wie bei der P Cygni Hülle auf, eine Grössenordnung bei welcher bereits die relativistische Dopplerformel {22} angewendet werden sollte. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 59 17 Spektroskopische Doppelsterne 17.1 Einführung, Begriffe >50% aller Sterne unserer Galaxis bilden Komponenten von gravitativ verbundenen Doppel- oder Mehrfachsystemen. Sie konzentrieren sich schwerpunktmässig in den Spektralklassen A, F und G [65]. Für die Astrophysik sind diese Objekte auch deshalb von Interesse, weil sie unabhängig von der Spektralklasse, eine Bestimmung der Sternmassen erlauben. Schon bald nach der Erfindung des Teleskops wurden Visuelle Doppelsterne auch von Amateurastronomen beobachtet. Die Spektroskopie hat uns heute auch das Feld der Spektroskopischen Doppelsterne erschlossen. Die vertiefte Beschäftigung mit Doppelsterbahnen ist anspruchsvoll und erfordert u.a. fundierte, himmelsmechanische Kenntnisse. Hier soll lediglich angedeutet werden, was mit spektroskopischen Mitteln erreicht werden kann. Wissenschaftlich relevante Ergebnisse sind meist erst im Zusammenhang mit längeren astrometrischen- und photometrischen Messreihen möglich. Spektroskopische Doppelsterne kreisen in so engen Abständen um einen gemeinsamen Massenschwerpunkt, dass sie selbst mit den grössten Teleskopen der Welt nicht aufgelöst werden können. Ihre Doppelsternnatur verraten sie nur durch die periodische Veränderung spektraler Merkmale. Für so enge Bahnen fordern die Keplergesetze kurze Umlaufperioden und hohe Bahngeschwindigkeiten, was die spektroskopische Beobachtung dieser Objekte wesentlich erleichtert. Im Gegensatz zum komplexen Verhalten der Mehrfachsysteme, folgt das Bewegungsmuster von Doppelsternen den drei einfachen Keplergesetzen. Ihre Komponenten kreisen mit variablen Geschwindigkeiten π£ auf elliptischen Bahnen um ein gemeinsames Baryzentrum π© (Massenschwerpunkt). Die folgende Skizze zeigt ein fiktives Doppelsternsystem mit den ungleich grossen Sternen π und π . Deren Bahnellipsen liegen exakt in der Zeichnungsebene. Der Verlauf der Sichtlinie zur Erde wird hier vereinfachend in der Ebene der Bahnellipsen-, und parallel zu den kleinen Halbachsen angenommen. Deshalb entsprechen für diesen perspektivischen Spezialfall die Bahngeschwindigkeiten π£ im Apastron (weitest entfernte Bahnpunkte) und Periastron (naheste Bahnpunkte) auch den beobachteten Radialgeschwindigkeiten π£ . Die registrierten Maximalwerte (Amplituden) werden in der Fachliteratur mit π² bezeichnet. Der folgende Layout entspricht einer Inklination der Umlaufbahn von π = 90° (Def. siehe Kap. 17.3). VrM2 A VrM1 P= K1 M1 VrM1 A M2 B VrM2 P= K2 Sichtlinie zur Erde Periastron M1 Kleine Halbachse b Periastron Apastron Apastron Grosse Halbachse a M2 VrM1 A = Radialgeschwindigkeit M1 im Apastron VrM1 P = Radialgeschwindigkeit M1 im Periastron VrM2 A = Radialgeschwindigkeit M2 im Apastron VrM2 P = Radialgeschwindigkeit M2 im Periastron Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 60 – Die beiden Bahnellipsen: – müssen in der gleichen Ebene liegen – haben masseabhängig unterschiedliche Grössen – müssen einander ähnlich sein, d.h. dieselbe Exzentrizität π = √π − π /π aufweisen. – Der massereichere Stern (π ) läuft immer auf der kleineren Bahnellipse und mit der geringeren Geschwindigkeit π£ um das Baryzentrum. – Das Baryzentrum fällt immer mit den Brennpunkten der beiden Bahnellipsen zusammen – π und π laufen immer synchron: – Die Verbindungslinie zwischen π und π verläuft während des gesamten Umlaufs permanent durch das Baryzentrum – π und π erreichen während eines Umlaufs gleichzeitig das Apastron und anschliessend auch so wieder das Periastron. 17.2 Auswirkungen des Doppelsternorbits auf das Spektrum Die Dopplerverschiebung, infolge der Radialgeschwindigkeiten π£ , verursacht markante Effekte im Spektrum. Der oben angenommene, perspektivische Spezialfall für die Bahnausrichtung würde diese Phänomene für einen terrestrischen Beobachter maximieren (siehe unten Phase D). Generell lassen sich zwei verschiedene Fälle unterscheiden [75]. 1. Doppelsterne mit zwei Komponenten im Spektrum – SB2–Systeme Falls der scheinbare Helligkeitsunterschied zwischen beiden Komponenten ungefähr im Bereich 0 − 1 liegt, können wir das Komposit Spektrum beider Sterne aufzeichnen. Die folgenden Phasenskizzen basieren auf den obigen Annahmen und zeigen diese Effekte anhand eines vollständigen Umlaufs: Hier sind die Bahngeschwindigkeiten π£ rechtwinklig zur Sichtlinie gerichtet und somit wird die Radialgeschwindigkeit bezüglich der Erde π£ = 0. Das Spektrum bleibt unverändert, d.h. βπ = 0. βλ Im Apastron werden die Bahngeschwindigkeiten π£ minimal. Sie verlaufen hier aber parallel zur Sichtlinie und entsprechen den Radialgeschwindigkeiten, daher π£ = π£ . Die Spektrallinie erscheint aufgespaltet: βλA βπ = π£ +π£ β π/π Im Periastron werden die Bahngeschwindigkeiten π£ = πππ₯ππππ. Sie verlaufen hier parallel zur Sichtlinie und entsprechen den maximalen Radialgeschwindigkeiten π£ = π£ = πΎ. Die Spektrallinie erscheint stärker aufgespalten als bei Phase B. +π£ β π/π {38} B {37} Hier sind die Bahngeschwindigkeiten π£ wieder rechtwinklig zur Sichtlinie gerichtet und somit wird die Radialgeschwindigkeit bezüglich der Erde π£ = 0. Das Spektrum bleibt unverändert, d.h. βπ = 0. βπ = π£ A βλ C βλP D Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 61 Die oben eingeführten Formeln für die Dopplerverschiebung βπ erlauben durch einfaches +π£ aus der LinienaufspalUmformen, die Summe der Radialgeschwindigkeiten π£ tung βπ zu berechnen. Für den allgemeinen Fall gilt: ππ π΄π + ππ π΄π = π β βπ/π {39} und π£ Die Berechnung der einzelnen Radialgeschwindigkeiten π£ Wenn die Massendifferenz gross genug ist, erfolgt die Aufspaltung der Spektrallinie messbar asymmetrisch zur neutralen Wellenlänge π . Mit diesen ungleichen Teilabständen βπ und βπ lassen sich dann, sinngemäss zu {39}, die separat berechnen einzelnen Radialgeschwindigkeiten π£ [67]. Infolge der heliozentrischen Radialbewegung des ge[30] wird die Wellenlänge der samten Sternsystems π£ βλ1 λ1 βλ2 λr0 „neutralen“, ungespaltenen Spektrallinie durch den Dopplereffekt von ihrer Laborwellenlänge π nach π verschoben [65]. π£ π =π + βπ {40} π λ2 Dies ist der Bezugspunkt, auf den nun die beiden Teilabstände absolut gemessen werden müssen. Dazu müssen zuerst die ermittelten π , Werte gemäss [7] Kap. 18, Schritt 7, heliozentrisch zu π , korrigiert werden. Erst dann gilt: βπ , =π , −π {41} Falls keine Asymmetrie in der Aufspaltung bezüglich π vorliegt, sind π und π ungefähr +π£ braucht lediglich gleich gross und die Summe der Radialgeschwindigkeiten π£ halbiert zu werden. 2. Doppelsterne mit einer Komponente im Spektrum – SB1–Systeme Meistens beträgt der scheinbare Helligkeitsunterschied der beiden Komponenten lich > 1 . Hier kann mit Amateurausrüstungen nur noch das Spektrum des helleren Sternes aufzeichnet werden. Extremfälle sind hier gänzlich unsichtbare, Schwarze Löcher als Doppelsternkomponenten oder Extrasolare Planeten, welche das Spektrum ihres umkreisten „Muttersterns“ gerade mal um einige Dutzend m/s verschieben! In diesen Fällen ist keine Aufspaltung der Linie mehr zu sehen, sondern nur noch die Verschiebung von π nach rechts oder links von der Neutrallage π . Das folgende Beispiel, aufgenommen mit DADOS 900L/mm, zeigt diesen Effekt anhand der spektroskopischen A- Komponenten innerhalb des Fünffachsystems β scorpii A. Eindrücklich ist hier die Hα-Verschiebung der helleren Komponente innerhalb dreier Tage zu sehen. Mit diesem Vspec Plot soll lediglich der Effekt demonstriert werden. Eine seriöse Ermittlung der Bahnparameter würde die Aufzeichnung mehrerer Umläufe im Tagesabstand erfordern! Die Linienverschiebungen sind hier bezüglich des 0–Punktes π dargestellt. Die X-Achse ist in Dopplergeschwindigkeit skaliert, gemäss [7], Kap. 19, und erlaubt so die grobe Ablesung der Radialgeschwindigkeit. Die Werte π , wurden durch Gauss Fit an den heliozentrisch korrigierten Profilen bestimmt. Detailliertes Vorgehen siehe [7] Kap. 24.2. λr0 bereinigter Nullpunkt 18.8.09 22‘00 UTC βλ = –1.37Å = –63 km/s 15.8.09 22‘00 UTC βλ = +1.71Å = +78 km/s Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 62 Hier noch einige Bahnparameter von β scorpii gemäss einer älteren Studie von Peterson et al. [72]. Diese Werte beziehen sich auf die gemessenen, maximalen Radialgeschwindigkeiten πΎ und πΎ , erhoben aus den Spektren der beiden Komponenten. Der Term "π ππ π" in der Datenliste und bei den Massen "π ππ π", dokumentiert, dass die Inklination π hier unbekannt ist und daher die Werte um diesen Faktor unsicher sind (Details siehe Kap. 17.3 und 17.4). - Spektralklasse der helleren Komponente: B0.5V, 2. schwächere Komponente: ? Umlaufperiode π = 6.83 ππππ Sternmassen π π ππ π = 12.5 Mβ , π π ππ π = 7.7 Mβ [ Mβ ] = Sonnenmasse Massenverhältnis π /π = 1.63 Max. gemessene Radialgeschwindigkeiten: πΎ = 121 ππ/π , πΎ = 198 ππ/π Grosse Halbachsen der Bahnellipsen : π sin π = 1.09 β 10 ππ π sin π = 1.78 β 10 ππ Diese Zahlen zeigen, dass die Massendifferenz, und der damit verbundene Leuchtkraftunterschied, beträchtlich sind. Mit den involvierten Grossteleskopen der Studie [72] konnte hier das Spektrum der schwächeren Komponente aber immerhin noch erkannt, jedoch nur mit Schwierigkeiten ausgewertet werden. 17.3 Der perspektivische Einfluss der räumlichen Bahnausrichtung Die Ausrichtung der Doppelstern-Bahnebenen bezüglich unserer Sichtlinie zeigt eine Zufallsverteilung. Der Winkel, den die senkrecht auf der Bahnebene stehende Achse (Normalvektor) mit unserer Sichtlinie bildet, wird πΌπππππππ‘πππ π genannt [70]. Die Achsneigung der Rotationsachsen von Fixsternen (Kap. 15) und Doppelsternsystemen wird somit gleich definiert. Analog dazu bildet hier π£ sin π den spektroskopisch direkt messbaren Anteil der Radialgeschwindigkeit π£ , welcher in die Sichtlinie zur Erde projiziert wird. Bei π = 90° sehen wir genau „edge on“ auf die Kante der Ellipse, d.h. sin π = 1. – Diese Bahnellipse kann, ohne Folgen für ihre scheinbare Form, bei konstant bleibender Inklination π, beliebig um die Sichtlinienachse rotiert werden. – Bei kreisförmigen Doppelsternbahnen, fixiert daher die πΌπππππππ‘πππ π den einzigen Freiheitsgrad, welcher die scheinbare Form der Umlaufbahn beeinflusst. – Bei elliptischen Doppelsternbahnen, ist die Situation komplexer. Im Gegensatz zum Kreis, bildet die Ausrichtung der Ellipsenachsen auf der gegebenen Bahnebene einen zusätzlichen Freiheitsgrad, welcher die scheinbare Ellipsenform bestimmt. vr vr sin i vr sin i i Sichtlinie zur Erde vr Falls π unbekannt bleibt, können Ergebnisse nur noch statistisch sinnvoll ausgewertet werden, ähnlich wie die π£ sin π Werte der Fixsternrotation (Kap. 15.6). Vorsicht: Es gibt auch renommierte Quellen, welche π als Winkel zwischen der Sichtlinie und der Bahnebene, ähnlich der Neigungswinkelkonvention zwischen Planetenbahnen und Ekliptik, definieren. Konsequenz: Es muss immer klargestellt werden, welche Definition angewendet wird. Die beiden Konventionen lassen sich gegenseitig einfach als Komplementwinkel 90° − π umrechnen. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 63 17.4 Die Abschätzung einiger Bahnparameter Basierend auf rein spektroskopischer Beobachtung können einige Bahnparameter des Doppelsternsystems abgeschätzt werden. Dazu werden zuerst die gemessenen Radialgeschwindigkeiten π£ und π£ in Funktion der Zeit π‘ aufgetragen. Die Grafik zeigt eine Umlaufperiode von Mizar (ζ Ursae Maioris, A2V), eines der Vorzeigeobjekte für Spektroskopische Doppelsterne mit Zweifachlinien (SB2-Systeme). Ein weiteres, ähnliches Beispiel wäre β Aurigae mit einer Umlaufszeit von ca. 4 Tagen. Je mehr diese Kurven Sinusform aufweisen, desto geringer ist die Exzentrizität der Bahnellipsen [74]. K1 K2 Quelle: Uni Jena [65] Die Umlaufperiode π Die Umlaufperiode π kann direkt am Verlauf der Geschwindigkeitskurven ermittelt werden. Als einzige Grösse bleibt sie weitgehend unbeeinflusst von Perspektiveffekten und ist dadurch relativ genau bestimmbar. Vereinfachung auf kreisförmige Umlaufbahnen Da wir in der Praxis meistens mit zufällig orientierten, elliptischen Umlaufbahnen konfrontiert sind, wird die genauere Bestimmung der weiteren Bahnparameter sehr komplex. Dazu wären, neben den spektroskopischen-, ergänzend noch astrometrische Messdaten notwendig. Lediglich bei Bedeckungsveränderlichen, wie Algol, kann bereits a priori von einer wahrscheinlichen Inklination π > 80° ausgegangen werden. Für die grobe Abschätzung der weiteren Parameter schlagen diverse Quellen die Vereinfachung der elliptischen- auf kreisförmige Bahnen vor. Damit werden die Radien π und somit auch die Bahngeschwindigkeiten π£ konstant. Die meist unbekannte Inklination wird in den Formeln mit dem Term π ππ π ausgedrückt. M1 rM1 B rM2 VM1 Die Bahngeschwindigkeit π£ Zur Bestimmung der Bahngeschwindigkeit π£ benötigen wir aus dem GeschwindigkeitsWerte beider Komponenten. Sie entsprechen definitionsgediagramm die maximalen π£ mäss den maximalen Amplituden πΎ und πΎ . Für die Kreisbahngeschwindigkeit π£ gilt: πΎ = π£ β sin π ππππ π£ = πΎ sin π {42} VM2 M2 Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 64 Bestimmung der Bahnradien π Mit der Umlaufperiode π und der Bahngeschwindigkeit π£ = πΎ/ sin π kann nun für eine Kreisbahn generell der entsprechende Radius π berechnet werden. Aus kreisgeometrischen Gründen gilt allgemein: 2βπ βπ β sin π πΎ πΎβπ π = 2 β π β sin π π= {43} {44} Wenn sich beide Linien der Aufspaltung auswerten lassen, können so mit πΎ und πΎ die entsprechenden Radien π und π separat berechnet werden. Berechnung der Sternmassen π + π bei SB2–Systemen Lassen sich beide Spektrallinien der Aufspaltung auswerten, kann mit folgender Formel die Gesamtmasse π + π des Systems bestimmt werden [9/Kap. VI]. Diese erhält man, wenn {44}, umgeformt als Radiensumme π +π , anstelle der grossen Halbachse {π} in die Formel des 3. Keplergesetzes eingesetzt wird: π = π +π . π +π = π β (πΎ + πΎ ) 2 β π β πΊ β π ππ π {45} πΊ = πΊπππ£ππ‘ππ‘ππππ ππππ π‘πππ‘π [6.674 β 10 β π β ππ β π ]. Diese hat zur Konsequenz, dass auch die übrigen Variablen der Formel {45} mit diesen „unhandlich“ kleinen Einheiten, verbunden mit hohen Zehnerpotenzen, verwendet werden müssen. Die Teilmassen lassen sich dann aus ihrer Summe π + π mit den Teilradien π berechnen. π βπ π = π π +π =π βπ (π + π ) und π {46} π = π π +π (π + π ) {47} Für Doppelsternsysteme wird häufig π in Sonnenmassen πβ und die Distanz in π΄πΈ angegeben. Zur Umrechnung: 1 πππππππππ π π πβ ≈ 1.98 β 10 ππ. 1 π΄πΈ ≈ 149.6 β 10 π Berechnung der Sternmassen π + π bei SB1–Systemen Die Auswertung nur einer Linie hat logischerweise Konsequenzen auf den Informationsgehalt und die Genauigkeit der zu bestimmenden Systemparameter. Bei SB1–Systemen lässt sich im Spektrum nur die Verschiebung der helleren π Komponente auswerten, d.h. nur eine Radialgeschwindigkeitskurve und ihre Maximalamplitude πΎ bestimmen. Damit kann mit Formel {44} nur der zugehörige Bahnradius π berechnet werden. Leider sind hier weder die Gesamtmasse noch deren Teilmassen π , π direkt bestimmbar. Lediglich die sog. Massenfunktion π(π , π ) kann berechnet werden [9/Kap. VI], [74] Dieser Ausdruck ist nicht wirklich anschaulich und bedeutet die 3. Potenz der unsichtbaren Teilmasse (π ) im Verhältnis zum Quadrat der Gesamtmasse (π + π ) . Ein durchgerechnetes Beispiel siehe [66]. π(π , π ) = π β sin π πβπΎ = (π + π ) 2βπβπΊ {48} Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 65 Diese Gleichung spielt heute eine wichtige Rolle bei der Massenabschätzung von Schwarzen Löchern und Extrasolaren Planeten. Sie kann grob bestimmbar gemacht werden, indem z.B. die sichtbare Masse π anhand des Spektraltyps abgeschätzt wird. Ein grober Anhaltspunkt bietet dazu die Tabelle in Kap. 13.5. Das ganze bleibt aber auch so immer noch mit der „Unsicherheit“ sin π behaftet. Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 66 18 Literatur und Internet Literatur: [1] Klaus Peter Schröder, – Feuriger Weltuntergang, Juli 2008, Sterne und Weltraum. – Vom Roten Riesen zum Weissen Zwerg, Januar 2009 Interstellarum Sonderheft: Planetarische Nebel [2] Klaus Werner, Thomas Rauch, Die Wiedergeburt der Roten Riesen, Februar 2007, Sterne und Weltraum. [3] James Kaler, Stars and their Spectra [4] Keith Robinson, Spectroscopy, The Key to the stars [5] Stephen Tonkin, Practical Amateur Spectroscopy [6] Fritz Kurt Kneubühl, Repetitorium der Physik, Teubner Studienbücher Physik, Kap. Relativistischer Doppler-Effekt der elektromagnetischen Wellen Internet Links: Verfasser: [7] Richard Walker, Das Aufbereiten und Auswerten von Spektralprofilen mit den wichtigsten IRIS und Vspec Funktionen http://www.ursusmajor.ch Download Rubrik: Astrospektroskopie/Richard Walkers Page. Unter dieser Homepage ist alternativ ein Tutorial von Urs Flückiger zu finden, mit stärkerem Gewicht auf der Bildbearbeitung. Vorlesungen/Praktika: [8] Vorlesung Astrophysik, Max Planck Institut München: www.mpa-garching.mpg.de/lectures/TASTRO [9] Vorlesung Astrophysik, Astrophysikalisches Institut Potsdam http://www.aip.de/People/MSteinmetz/classes/WiSe05/PPT/ [10] F. Royer: Rotation des étoiles de type A, Vorlesung Ecole d’Astronomie de CNRS http://adsabs.harvard.edu/abs/1996udh..conf..159R [11] Gene Smith, University of California, San Diego, Astronomy Tutorial, Stellar Spectra http://cass.ucsd.edu/public/tutorial/Stars.html [12] Kiepenheuerinstitut für Sonnenphysik, Uni Freiburg: Grobe Klassifikation von Sternspektren http://www.kis.unifreiburg.de/fileadmin/user_upload/kis/lehre/praktika/sternspektren.pdf [13] Michael Richmond: Luminosity Class and HR Diagram http://spiff.rit.edu/classes/phys440/lectures/lumclass/lumclass.html [14] Alexander Fromm, Martin Hörner, Astrophysikalisches Praktikum, Uni Freiburg i.B. http://www.physik.uni-freiburg.de/~fromm/uni/Protokollschauinsland.pdf Spektralatlanten und kommentierte Spektren: [16] An atlas of stellar spectra, with an outline of spectral classification, Morgan, Keenan, Kellman (1943): http://nedwww.ipac.caltech.edu/level5/ASS_Atlas/frames.html Hier lohnt es sich, zusätzlich zum Kommentar im pdf Format, auch die einzelnen Spektraltafeln als hochaufgelöste Bilder herunterzuladen! [17 ]Digital Spectral Classification Atlas von R.O. Gray: http://nedwww.ipac.caltech.edu/level5/Gray/frames.html Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 67 [18] Moderate-resolution spectral standards from lambda 5600 to lambda 9000 von Allen, L. E. & Strom, K. M: http://adsabs.harvard.edu/full/1995AJ....109.1379A [19] An atlas of low-resolution near-infrared spectra of normal stars Torres Dodgen, Ana V., Bruce Weaver: http://adsabs.harvard.edu/abs/1993PASP..105..693T [20] Christian Buil: Vega Spectrum Atlas, a full commented spectrum http://astrosurf.com/buil/us/vatlas/vatlas.htm [21] Paolo Valisa, Osservatorio Astronomico Schiaparelli, Varese. Zahlreiche, sehr gut und verständlich kommentierte, detailreiche Spektren verschiedenster Himmelsobjekte http://www.astrogeo.va.it/astronom/spettri/spettrien.htm [22] Hochaufgelöstes, kommentiertes Sonnenspektrum bei Bass2000 http://bass2000.obspm.fr/download/solar_spect.pdf [23] Lunettes Jean Roesch (Pic du Midi), praktisch vollständig kommentiertes, hochaufgelöstes Sonnenspektrum, gewonnen auf dem Jungfraujoch (Université de Genève): http://ljr.bagn.obs-mip.fr/observing/spectrum/index.html [24] Caltech: Spektralatlas für extragalaktische Objekte http://nedwww.ipac.caltech.edu/level5/catalogs.html [25] UCM: Librerias de espectros estelares http://www.ucm.es/info/Astrof/invest/actividad/spectra.html [26] Diverse Lampenspektren: http://ioannis.virtualcomposer2000.com/spectroscope/index.html [27] Spectra of fluorescent light bulbs: http://ledmuseum.home.att.net/spectra7.htm Datenbanken [30] CDS Strassbourg: SIMBAD Astonomical Database mit den wichtigsten Daten zu Astroobjekten wie Fixsterne, Galaxien, Sternhaufen etc. http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/ [31] NASA Extragalactic Database (NED) mit den wichtigsten Daten, Spektren, Bilder etc. zu Galaxien und Quasaren http://nedwww.ipac.caltech.edu/ [32] The SAO/NASA Astrophysics Data System, Datenbank astrophysikalischer Paper http://adsabs.harvard.edu/index.html [33] NIST Atomic Spectra Database: http://physics.nist.gov/PhysRefData/ASD/lines_form.html Vspec und IRIS: [35] Webpage von Christian Buil (Autor von IRIS) http://www.astrosurf.com/buil/ [36] Webpage von Valerie Désnoux (Autorin von Vspec) http://astrosurf.com/vdesnoux/ Paper zur stellaren Rotationsgeschwindigkeit: [38] Y. Takeda et al.: Rotational feature of Vega and its impact on abundance determinations, 2007 Observat. of Japan http://www.ta3.sk/caosp/Eedition/FullTexts/vol38no2/pp157-162.pdf [39] Nicholas A. Moskovitz et al.: Characterizing the rotational evolution of low mass stars: Implications for the Li-rich K-giants, University of Hawaii at Manoa, http://eo.nso.edu/ires/IRES08/Nick_tech.pdf [40] F. Fekel: Rotational Velocities of B, A, and EarlyβF Narrowβlined Stars (2003) NASA Astrophysics Data System http://www.adsabs.harvard.edu/ Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 68 [41] F. Fekel: Rotational Velocities of Late Type Stars (1997) NASA Astrophysics Data System http://www.adsabs.harvard.edu/ [42] F. Royer: Determination of v sin i with Fourier transform techniques (2005) http://sait.oat.ts.astro.it/MSAIS/8/PDF/124.pdf [43] J.L. Tassoul: Stellar Rotation, 2000, Cambridge Astrophysics Series 36, Buchvorschau auf: http://books.google.ch/books?q=tassoul [44] R.L. Kurucz et al.: The Rotational Velocity and Barium Abundance of Sirius, The Astronomical Journal, Nov. 1977 http://adsabs.harvard.edu/full/1977ApJ...217..771K [45] Reinhard W. Hanuschik: Stellar V sin i and Optical Emission Line Widths in Be Stars, 1989 Astronomisches Institut Universität Bochum. http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1989Ap%26SS.161...61H [46] Christian Buil: Characterization of the Line Profile http://www.astrosurf.com/~buil/us/spe2/hresol7.htm Paper und Präsentationen zu Be Sternen [47] A. Miroshnichenko: Spectra of the Brightest Be stars and Objects Description, University of North Carolina, www.astrospectroscopy.de/Heidelbergtagung/Miroshnichenko2.ppt [48] A. Miroshnichenko: Summary of Experiences from Observations of the Be-binary δ Sco, University of North Carolina, www.astrospectroscopy.de/Heidelbergtagung/Miroshnichenko1.ppt [49] A. Miroshnichenko et al.: Properties of the δ Scorpii Circumstellar Disk from Continuum Modeling, University of North Carolina, http://libres.uncg.edu/ir/uncg/f/A_Miroshnichenko_Properties_2006.pdf [50] Reinhard W. Hanuschik: High resolution emissionline spectroscopy of Be Stars, I. Evidence for a two-component structure of the Hα emitting enveloppe, Astronomisches Institut Universität Bochum. http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1986A%26A...166..185H [51] S. Stefl et al. :V/R Variations of Binary Be Stars , ESO 2007 http://www.arc.hokkai-s-u.ac.jp/~okazaki/Meetings/sapporo/361-0274.pdf [52] R. Soria: The Optical Counterpart of the X-ray Transient RX J0117.6-7330, Siding Spring Observatory Coonabarabran, Australia http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1999PASA...16..147S [53] E. Pollmann: Spektroskopische Beobachtungen der Hα- und der HeI6678-Emission am Doppelsternsystem δ Scorpii, http://www.bav-astro.de/rb/rb2009-3/151.pdf [54] D. K. Ojha & S. C. Joshi: On the Shell Star Pleione (BU Tauri), 1991, Uttar Pradesh State Observatory, Manora Peak, http://www.ias.ac.in/jarch/jaa/12/213-223.pdf Paper zu Novae [58] Donn Starkey, Photometry, Spectroscopy, and Classification of Nova V475 Scuti, JAAVSO Volume 34, 2005 http://www.aavso.org/publications/ejaavso/v34n1/36.pdf Paper/Praktika zu Spektroskopischen Doppelsternen [65] Juergen Weiprecht, Beobachtungsmethoden und Klassifikation von Doppelsternen, 2002, Praktikum Uni Jena http://www.astro.uni-jena.de/Teaching/Praktikum/pra2002/node155.html und http://www.astro.uni-jena.de/Teaching/Praktikum/pra2002/node156.html [66] Praktikum Uni Nürnberg-Erlangen, Die Masse eines Neutronensterns, http://pulsar.sternwarte.uni-erlangen.de/wilms/teach/intro/haus7_solution.pdf [67] Leifi, Uni München, Spektroskopische Doppelsterne, visuelle Doppelsterne: http://leifi.physik.uni-muenchen.de/web_ph12/materialseiten/m12_astronomie.htm Beitrag zur Spektroskopie für Astroamateure 69 [68] Southwest Research Institute Boulder, Eclipsing Binary Star Parameters, http://binaries.boulder.swri.edu/atlas/ [69] Diablo Valley College, Analyzing Binary Star Data, http://voyager.dvc.edu/faculty/kcastle/Analyzing%20Binary%20Star%20Dat4.htm#Introduction [70] Kiepenheuer Institut für Sonnenphysik: Einführung in die Astronomie und Astrophysik Kap. 2.4 Zustandsdiagramme, http://www3.kis.uni-freiburg.de/~ovdluhe/Vorlesungen/E2_2/einf_2_Pt2.html [71] Dept. Physics & Astronomy University of Tennessee, Spectroscopic Binaries http://csep10.phys.utk.edu/astr162/lect/binaries/spectroscopic.html [72] Peterson et al. The Spectroscopic Orbit of β scorpii A, 1979, Astronomical Society of the Pacific, http://adsabs.harvard.edu/abs/1979PASP...91...87P [73] Uni Freiburg: Einführung in die Astronomie und Astrophysik, 2.5 Zustandsdiagramme http://www3.kis.uni-freiburg.de/~ovdluhe/Lehre/Einfuehrung/Einf_2_3-5.pdf [74] Uni Heidelberg: Vorlesung Lektion 8: Doppelsterne und Binäre Pulsare, http://www.lsw.uni-heidelberg.de/users/mcamenzi/API_Lect8.pdf [75] Vorlesung TLS Tautenburg: Einiges über junge Sterne, http://www.tls-tautenburg.de/research/eike/vorles/entstehung_sterneEG04.pdf [76] Vorlesung University of Pennsylvania: Introduction to Least Squares Fit (with Excel) http://dept.physics.upenn.edu/~uglabs/Least-squares-fitting-with-Excel.pdf [77 ] Wikiversity: Least squares/Calculation using Excel: http://en.wikiversity.org/wiki/Least_squares/Calculation_using_Excel Vereine/Gruppen: [90] VdS, Fachgruppe Spektroskopie, mit einer Fülle sehr nützlicher Publikationen http://spektroskopie.fg-vds.de/ [91] ARAS, Astronomical Ring for Access to Spectroscopy http://www.astrosurf.com/aras/ [92] CAOS, Club of Amateurs in Optical Spectroscopy http://www.eso.org/projects/caos/ Private Homepages: [100] Homepage Urs Flückiger http://www.ursusmajor.ch/ [101] Homepage John A. Blackwell, Amerikanischer Astronom und Amateurfunker W1JAB http://www.regulusastro.com/ Allgemeine Astro-Info: [115] Verein Astroinfo, Service für astronomische Informationen www.astronomie.info [116] Lexikon Astronomie Wissen, Andreas Müller, TU München http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/ Spektrografen: [120] Manual DADOS Spaltspektrograf: http://www.baader-planetarium.de/DADOS/download/DADOS_manual_deutsch.pdf [121] User Guide Lhires III Spektrograf http://pagesperso-orange.fr/shelyak/en/forms/DC0004A%20-%20Lhires%20III%20User%20Guide%20-%20English.pdf