(Microsoft PowerPoint - 24-09-09Vers Bi Bourdieu

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AG 3: Bourdieu und die Frankfurter Schule –
Aktuelle Perspektiven Kritischer Theorie und
bourdieuscher Herrschaftssoziologie
„Denn sie wissen nicht, was sie tun“ Kritische Soziologie und Primärerfahrung: das
Erbe Bourdieus
Rolf Eickelpasch, Claudia Rademacher
Gliederung
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
Einleitung
1.Soziale Praxis als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft versus Alltagspraxis: Das
Modell des epistemologischen Bruchs
3. Rehabilitierung der Alltagserfahrung in der
„Soziologie der Kritik“ bei Boltanski/Thévenot
4. Kritische Soziologie als soziale Praxis der
Kritik: Mit Bourdieu über Bourdieu hinaus
Rolf Eickelpasch, Claudia Rademacher „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ Kritische Soziologie und Primärerfahrung: das Erbe Bourdieus
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Soziale Praxis als Ausgangspunkt
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
Ausgangspunkt der Bourdieuschen Soziologie
ist eine praxeologische Theorie der Praxis, die
den Dualismus von Objektivismus und
Subjektivismus sowie den Intellektualismus der
„scholastischen Vernunft“ überwinden und die
Primärerfahrung sozialer Akteure in ihrer
spezifischen Eigenständigkeit und Eigenlogik
zur Geltung bringen will.
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
Rolf Eickelpasch, Claudia Rademacher „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ Kritische Soziologie und Primärerfahrung: das Erbe Bourdieus 3
Wissenschaft vs. Alltagspraxis
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
In irritierendem Kontrast zum praxeologischen Anspruch
seiner Sozialtheorie verfolgt Bourdieu in der Tradition
Durkheims eine szientistische und objektivistische
Methodologie, die von einem „epistemologischen Bruch“
zwischen Alltagsevidenzen und wissenschaftlicher
Erkenntnis ausgeht. Bourdieus theoretisches Anliegen einer
Rehabilitierung der Alltagspraxis kollidiert unversöhnlich mit
einer faktischen methodologischen Dequalifizierung des
Common Sense.
In Bourdieus Theoriedesign scheint es keinen Raum für
einen Begriff der Praxis zu geben, der die selbstreflexiven
Aspekte individuellen und sozialen Handelns und Urteilens
angemessen berücksichtigt.
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Rehabilitierung der Alltagserfahrung
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
Unter der programmatischen Formel „Von der kritischen
Soziologie zur Soziologie der Kritik“ vollziehen
Boltanski/Thévenot einen methodologischen
Paradigmenwechsel, der die Erfahrungen und
Selbstdeutungen der „gewöhnlichen“ Akteure zum
Ausgangspunkt nimmt.
Die „Soziologie der Kritik“ geht von einer „epistemischen
Gleichberechtigung“ sowohl von Alltagsakteuren und
Wissenschaftlern als auch der Alltagsakteure
untereinander aus. Sie unterschlägt dabei, dass sowohl die
individuellen Praktiken der Rechtfertigung und der Kritik als
auch die kulturell verfügbaren Rechtfertigungsordnungen
zutiefst von sozialen Ungleichheitsstrukturen und
Machtasymmetrien geprägt sind.
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Rehabilitierung der Alltagserfahrung
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
Zum einen schlagen die von Bourdieu
herausgearbeiteten Ungleichverteilungen des kulturellen
Kapitals unmittelbar auf die Kompetenzen der Akteure
zur reflexiven Distanzierung und zur Teilnahme an den
Praktiken der Kritik durch.
Zum anderen können hegemoniale Rechtfertigungsordnungen durch ihre ideologisierenden Effekte
konkurrierende Argumentationsmuster verdrängen und
damit die sozial verfügbaren Möglichkeiten der Kritik
beschränken. So hat etwa, worauf Hartmann hinweist,
die hegemoniale neoliberale Rechtfertigungsordnung im
Netzwerkkapitalismus die Kategorie der (Eigen-)Verantwortung in einer von den Subjekten unerkannten Weise
semantisch ausgehöhlt und ihrer praktischen Basis
beraubt.
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Mit Bourdieu über Bourdieu hinaus
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
Für eine von Bourdieu, auch von seinen Aporien,
belehrte kritische Sozialwissenschaft ist ein gewisses
Maß an kritischer Distanz zur Alltagspraxis
unerlässlich. Sie lässt sich ihre Analysekategorien
nicht von den Praktiken der Selbstverständigung und
Selbstdeutung der „gewöhnlichen Akteure“ vorgeben.
Die oben angesprochenen strukturellen Blockaden
der Reflexions- und Kritikfähigkeit der Alltagsakteure
sowie die ideologischen Effekte hegemonialer
Diskurse stellen Formen „symbolischer Gewalt“ dar,
für deren Analyse Bourdieu ein für eine kritische
Soziologie unverzichtbares herrschaftstheoretisches
Vokabular bereitstellt.
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Mit Bourdieu über Bourdieu hinaus
Einleitung
1. Soziale Praxis
als Ausgangspunkt
2. Wissenschaft
versus Alltagspraxis
3. Rehabilitierung
der Alltagserfahrung
4. Mit Bourdieu
über Bourdieu
hinaus
Gleichwohl muss eine kritische Soziologie, die sich
als soziale Praxis der Kritik, d.h. als Beitrag zu
gesellschaftlichen Selbstverständigung versteht,
das szientistische Modell eines „Bruchs“ zwischen
Teilnehmer- und Beobachterperspektive preisgeben
und sich selbst ins „Handgemenge“ der kritischen
Praxis begeben.
„In einem Aufklärungsprozess gibt es nur
Beteiligte.“
Habermas, Theorie und Praxis, S. 45
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Rolf Eickelpasch, Claudia Rademacher „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ Kritische Soziologie und Primärerfahrung: das Erbe Bourdieus
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Soziale Praxis als Ausgangspunkt
„Ein Gutteil meiner Arbeit … wendet sich radikal gegen den
Ethnozentrismus von Wissenschaftlern, die meinen, sie
wüssten besser über die Wahrheit der Leute Bescheid als die
Leute selber. … Begriffe wie Habitus, Praxis usw. hatten unter
anderem die Funktion, daran zu erinnern, dass es ein
praktisches Wissen gibt, eine praktische Erkenntnis, die ihre
eigene Logik hat, nicht reduzierbar auf die Logik der
theoretischen Erkenntnis; dass in gewissem Sinne die
Akteure besser über die soziale Welt Bescheid wissen als die
Theoretiker.“
Bourdieu, Soziologie als Beruf, S. 275
Soziale Praxis als Ausgangspunkt
„Man muß der Praxis eine Logik zuerkennen, die anders ist
als die Logik der Logik, damit man der Praxis nicht mehr
Logik abverlangt, als diese zu bieten hat.“
Bourdieu, SoSi, S. 157
Soziale Praxis als Ausgangspunkt
„Die Idee der praktischen Logik als einer Logik an sich,
ohne bewusste Überlegung oder logische Nachprüfung,
ist ein Widerspruch in sich, der der logischen Logik trotzt.
Genau nach dieser paradoxen Logik richtet sich jede
Praxis, jeder praktische Sinn.“
Bourdieu, SoSi, S, 167
Wissenschaft vs. Alltagspraxis
„Der praktische Sinn als Natur gewordene, in motorische
Schemata und automatische Körperreaktionen verwandelte
gesellschaftliche Notwendigkeit sorgt dafür, dass Praktiken …
sinnvoll, d.h. mit Alltagsverstand ausgestattet sind. Weil die
Handelnden nie ganz genau wissen, was sie tun, hat ihr Tun
mehr Sinn, als sie selber wissen.“
Bourdieu, SoSi, S. 127
Wissenschaft vs. Alltagspraxis
„Alles weist darauf hin, dass der Handelnde, sobald er über
seine Praxis nachdenkt …, keine Chance mehr hat, die
Wahrheit seiner Praxis und vor allem die Wahrheit des
praktischen Verhältnisses zur Praxis zu formulieren. …
Schon weil er über Begründung und Daseinsgrund seiner
Praxis befragt wird und sich selbst befragt, kann der
Handelnde das Wesentliche nicht mehr vermitteln: das
Eigentümliche der Praxis ist gerade, dass sie diese Frage
gar nicht zulässt. In seinen Aussagen ergibt sich die
Grundwahrheit der Primärerfahrung nur aus
Weggelassenem, Verschwiegenem und elliptischem
Beweisen.“
Bourdieu, SoSi, S. 165
Wissenschaft vs. Alltagspraxis
„Als vom common sense klar geschiedene Wissenschaft
kann sich die Soziologie nur konstituieren, wenn sie den
systematischen Ansprüchen der Spontansoziologie den
organisierten Widerstand einer Theorie der Erkenntnis des
Sozialen entgegenstellt, deren Prinzipien Punkt für Punkt der
Vorannahmen der Primärphilosophie des Sozialen
widersprechen.“
Bourdieu, Soziologie als Beruf, S. 17
Wissenschaft vs. Alltagspraxis
Bourdieu betont immer wieder, „dass für den Soziologen
die Vertrautheit mit der sozialen Welt das
Erkenntnishindernis schlechthin darstellt … Der Soziologe
ist nie definitiv vor der Spontansoziologie gefeit; er muß
sich zu einer fortwährenden Polemik gegen die
blindmachenden Evidenzen zwingen, die allzu billig die
Illusion unmittelbaren Wissens … vermitteln.“
Bourdieu, Soziologie als Beruf, S. 15
Rehabilitierung der Alltagserfahrung
Das orthodoxe Modell einer kritischen Soziologie (für das
auch Bourdieu steht) etabliert nach Boltanski „eine enorme
Diskrepanz zwischen den unbewussten, verblendeten
Akteuren auf der einen und den Soziologen auf der anderen
Seite, die dank ihrer Wissenschaft und ihrer Methoden dazu
in der Lage sind, die Wahrheit zu enthüllen und die Akteure
aufzuklären.“
Boltanski/Honneth, Soziologie der Kritik oder Kritische
Soziologie?, S. 86
Rehabilitierung der Alltagserfahrung
„In ‚Über die Rechtfertigung’ zeigen wir, dass die Akteure
nicht wie bei Bourdieu verblendet, sondern ganz im
Gegenteil dazu in der Lage sind, soziologische Argumente
zu verwenden, an Praktiken der Rechtfertigung und der
Kritik teilzunehmen sowie ein Bewusstsein der sozialen
Realität auszubilden.“
Ebd.
Rehabilitierung der Alltagserfahrung
Die Akteure orientieren sich in ihren alltäglichen Praktiken
der Selbstverständigung an unterschiedlichen
Rechtfertigungsregimes (cités, Polisformen), die der
Rechtfertigung wie der Kritik als normative Bezugspunkte
dienen. Um situationsadäquat auf die jeweiligen
Begründungsforderungen reagieren zu können, benötigen
sie Urteilskraft und die Fähigkeit zur reflexiven
Distanzierung: „Die Möglichkeit, aus der gegenwärtigen
Situation ‚auszusteigen’ und sie unter Bezug auf ein ihr
äußerliches Prinzip anzuprangern … bilden die
Voraussetzung für ein gerechtfertigtes Handeln.“
Boltanski/Thévenot, Über die Rechtfertigung, S. 317
Mit Bourdieu über Bourdieu hinaus
„Wenn in gleicher Weise die objektivistische Illusion des >view
from nowhere< (Thomas Nagel) abzulehnen ist, die in
vorkritischer Gewißheit die Objektivität eines nicht objektivierten
Standpunktes ungeprüft hinnimmt, so nicht, um der Illusion der
Allgegenwart eines >view from everywhere< zu erliegen, dem
die narzißtische Reflexivität in ihrer >postmodernen< Gestalt
huldigt: eine Fundamentalkritik, die die Frage des (sozialen)
Fundaments der Kritik eskamotiert, eine >Dekonstruktion<, die
vergißt, den >Dekonstruierer< zu >dekonstruieren<.“
Meditationen, S. 136
Mit Bourdieu über Bourdieu hinaus
„Zum Herrschen müssen sicherlich immer mehr technische
und rationale Ressourcen und Rechtfertigungen mobilisiert
werden, und diejenigen, die beherrscht werden, müssen
sich zur Verteidigung gegenüber immer rationalisierteren
Herrschaftsformen (ich denke beispielsweise an die
politische Nutzung von Meinungsumfragen als Instrumente
rationaler Demagogie) selbst immer mehr der ratio
bedienen.“
Meditationen, S. 107
Mit Bourdieu über Bourdieu hinaus
„Die symbolische Arbeit, die erforderlich ist, um sich der
stummen Evidenz der doxa zu entziehen und um die
von ihr verhüllte Willkür anzusprechen und
anzuprangern, setzt Instrumente des Ausdrucks und der
Kritik voraus, die wie die anderen Kapitalsorten ungleich
verteilt sind. Folglich spricht alles dafür, daß sie ohne
Spezialisten des Deutens und Erklärens nicht geleistet
werden können.“
Meditationen, S. 241
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