4 Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: Charge

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Quantenchemie und Pigmente
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4 Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: Charge-Transfer Prozesse
Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: ChargeTransfer Prozesse
4.1
Übersicht und Lernziele
Übersicht
Viele intensiv gefärbte Verbindungen (z.B. Pigmente) verdanken ihre Farbigkeit einer Elektronenverschiebung, einem Charge-Transfer, zwischen benachbarten Teilchen.
Lernziele
1.
Sie verstehen den Prozess des Charge-Transfers.
2.
Sie kennen Komplexe, in denen Charge-Transfer Prozesse auftreten.
3.
Sie verstehen, wie Charge-Transfer zwischen Kationen abläuft.
4.
Sie kennen Berliner Blau als Beispiel eines Pigments, das aufgrund von ChargeTransfer Prozessen farbig ist.
4.2
Charge-Transfer: Elektronenverschiebung
Bei der Wechselwirkung von Licht mit Elektronen kann ein Elektron auf ein anderes Teilchen
verschoben werden. Die Bedingungen für eine derartige Ladungsverschiebung sind folgende:
- Das Teilchen, welches das Elektron aufnimmt, braucht ein leeres (oder halb gefülltes) Orbital.
- Die beiden Teilchen müssen genügend nahe nebeneinander liegen, damit der Prozess stattfinden kann.
- Damit die Ladungsverschiebung zu einem Farbeindruck führt, muss die Energiedifferenz
zwischen dem Ausgangs- und Endzustand eines Elektrons einer Energie aus dem sichtbaren
Spektrum entsprechen.
- Die Wahrscheinlichkeit eines Charge-Transfer Prozesses ist sehr gross, d.h. die meisten auftreffenden Photonen werden, im Gegensatz zu den d-d-Übergängen, von den Elektronen absorbiert, sodass die entsprechenden Verbindungen ausnahmslos intensiv gefärbt sind.
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Quantenchemie und Pigmente
4.3
4 Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: Charge-Transfer Prozesse
Charge-Transfer in Komplexen zwischen Anionen und Kationen
Etliche Übergangsmetallkomplexe sind intensiv gefärbt. Durch Lichtabsorption gelangt ein
Elektron von einem Liganden zum Zentralteilchen. Auch der andere Fall, dass ein Elektron
vom Zentralteilchen auf einen Liganden übergeht, lässt sich beobachten. In Pigmenten treffen
wir aber ausschliesslich Übergänge von Liganden auf das Zentralteilchen an, daher wird hier
nur dieser Fall besprochen.
Der Aufbau von Übergangsmetallkomplexen wurde im Kapitel 3 behandelt: Das Zentralteilchen ist ein Metallion, dessen Valenzelektronen durch d-Orbitale beschrieben werden. Die
Liganden verfügen über mindestens ein nicht bindendes Elektronenpaar, das für den Zusammenhalt zwischen Zentralteilchen und Liganden verantwortlich ist. Aufgrund von Lichtabsorption kann nun ein Elektron von einem nicht bindenden Ligand-Orbital in ein d-Orbital des
Zentralteilchens übergehen.
Beispiel 1: Kaliumpermanganat
Kaliumpermanganat KMnO4 ist eine intensiv violett gefärbte Verbindung, die Kalium- (K+)
und Permanganat-Ionen (MnO −4 ) enthält. Letztere sind Übergangsmetallkomplexe. Die einfach negative Ladung des Permanganat-Ions kommt dadurch zustande, dass die vier Liganden, die Oxid-Ionen, je zweifach negativ geladen sind und das Zentralteilchen siebenfach positiv. Das Mn7+-Ion weist kein d-Elektron auf und besitzt somit 5 leere d-Orbitale. d-dÜbergänge sind daher nicht möglich. Durch Lichtabsorption findet eine Elektronenverschiebung von den Liganden zum Zentralteilchen statt. Die hohe positive Ladung des Zentralteilchens begünstigt die Aufnahme eines Elektrons.
Experiment 4.1 Absorptionsspektrum von Kaliumpermanganat
Geräte:
Spektralfotometer, Kunststoffküvetten, Spatel, Reagenzglas, Reagenzglashalter
Chemikalien:
Kaliumpermanganat, KMnO4(s), (gesundheitsschädlich, Xn),
dest. Wasser
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Sicherheitshinweise:
Latex-Handschuhe tragen.
Versuchsdauer:
15 Minuten
Durchführung:
Ein Körnchen Kaliumpermanganat wird in einem Reagenzglas mit viel Wasser verdünnt und
von der Lösung anschliessend das Absorptionsspektrum bestimmt (Kunststoffküvette, 400 bis
800 nm).
Bemerkungen und besondere Hinweise:
Obwohl Kaliumpermanganat eine schöne und intensive Farbe aufweist, lässt es sich nicht als
Pigment verwenden. Als hervorragendes Oxidationsmittel ist die Verbindung zu reaktionsfähig, um, z.B. auf einem Fresko, beständig zu sein.
Beispiel 2: Chromat-Ionen
Das Gelb der Briefkästen und Postautos stammte ursprünglich von einer Verbindung, die unter dem Trivialnamen „Postgelb“ bekannt war. Es handelte sich dabei um Bleichromat,
PbCrO4 (Pb2+ und CrO 24− -Ionen). Heute ist das giftige Bleichromat nicht mehr im Grbrauch;
der gleiche Farbton wird durch ungiftige organische Pigmente erzeugt.
Das Chromat-Ion (CrO 24− ) ist - analog zum Permanganat-Ion - aus einem Cr6+-Ion als Zentralteilchen und vier Oxid-Ionen (O2-) als Liganden aufgebaut. Die Farbe dieser Verbindung beruht auf einem Elektronenübergang zwischen Ligand und Zentralteilchen. Dass die Farbe nur
vom Chromat-, und nicht vom Blei-Ion abhängt, lässt sich am Vergleich der Farben von Kaliumchromat (KCrO4) mit der Farbe von Postgelb PbCrO4 erkennen: Beide sind sehr ähnlich
gelb gefärbt. Das Cr6+-Ion weist, wie das Mn7+-Ion, kein d-Elektron auf und besitzt somit
ebenfalls 5 leere d-Orbitale. Auch in diesem Fall sind d-d-Übergänge daher nicht möglich.
Als Pigment ist nur Bleichromat verwendbar, da Kaliumchromat wasserlöslich ist und sofort
ausgewaschen würde.
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4 Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: Charge-Transfer Prozesse
Experiment 4.2 Absorptionsspektrum von Kaliumchromat
Geräte:
Spektralfotometer, Kunststoffküvetten, Spatel, Reagenzglas, Reagenzglashalter
Chemikalien:
Kaliumchromat, K2CrO4(s), (giftig, T),
dest. Wasser
Sicherheitshinweise:
Latex-Handschuhe tragen.
Versuchsdauer:
15 Minuten
Durchführung:
Ein Körnchen Kaliumchromat wird in einem Reagenzglas mit viel Wasser verdünnt und von
der Lösung anschliessend das Absorptionsspektrum bestimmt (Kunststoffküvette, 350 bis 800
nm).
4.4
Charge-Transfer zwischen unterschiedlich geladenen Kationen
In vielen farbigen Stoffen findet ein Elektronenübergang zwischen zwei Kationen statt. Anhand von zwei Beispielen wird der Charge-Transfer Mechanismus erläutert.
Beispiel 1: Saphir
Saphir verdankt seine Farbe einem Charge-Transfer Prozess. Um den Mechanismus zu verstehen, muss man den Aufbau des Festkörpers kennen. Saphir ist ein mit Titan und Eisen verunreinigter Korund (Aluminiumoxid, Al2O3). Aluminium liegt als Al3+-, Sauerstoff als O2 -Ion
vor. Die Oxid-Ionen sind hexagonal dichtest gepackt, die Aluminium-Ionen besetzen die
Hälfte der Oktaederlücken des Kristalls. Titan liegt als Ti4+-, Eisen als Fe2+-Ion vor. Ein Titan- und ein Eisen-Ion (zusammen 6+ geladen) nehmen den Platz von zwei Aluminium-Ionen
(zusammen 6+ geladen) ein. Etwa ein Prozent der Aluminium-Ionen wird durch Titan- und
Eisen-Ionen ersetzt. Dass die Saphirfarbe nur durch die gleichzeitige Anwesenheit von Titan45
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und Eisenverunreinigungen entsteht, kann leicht gezeigt werden: Korund, der nur mit Titan
verunreinigt ist, hat keine Farbe. Mit Eisen verunreinigter Korund ist leicht gelb. Beide alleine
sind davon weit entfernt, das typische Saphir-Blau zu zeigen.
Trifft Licht auf einen Saphir, so werden die gelben, orangen und roten Teile des Spektrums
absorbiert (Abb. 4.1). Die Energie, die der Edelstein aufnimmt, wird dazu verwendet, Elektronen von Eisen- zu Titan-Ionen zu verschieben.
Die dazu gehörige Reaktionsgleichung lautet: Fe2+ + Ti4+ → Fe3+ + Ti3+
Der Charge-Transfer Prozess kann im Saphir nur zwischen direkt benachbarten Ionen stattfinden.
Abb. 4.1 Spektrum von Saphir. Gelb, orange und rot
(G, O, R) werden aufgrund
des Charge-Transfers aus
dem sichtbaren Licht absorbiert
Beispiel 2: Berliner Blau (Preussisch Blau, Pariser Blau)
Eine der vielen berühmten Zufallsentdeckungen ist das „Berliner Blau“. Bei der Herstellung
von Farblacken wurden Lösungen zusammengegossen, die Eisen(II)-, Eisen(III)- und CyanidIonen (CN-) enthielten. Das Resultat war ein königsblauer Niederschlag.
Experiment 4.3 Synthese von Berliner Blau
Geräte:
2 Reagenzgläser, 2 Spatel, Reagenzglasständer
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4 Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: Charge-Transfer Prozesse
Chemikalien:
Eisen(III)-chlorid, FeCl3(s), (gesundheitsschädlich, Xn),
Kaliumhexacyanoferrat(II), K4[Fe(CN)6](s),
dest. Wasser
Sicherheitshinweise:
Schutzbrille und Latex-Handschuhe tragen. Das Eisen(III)-chlorid darf nicht mit der Haut in
Berührung kommen.
Versuchsdauer:
5 Minuten
Durchführung:
In einem Reagenzglas löst man eine Spatelspitze FeCl3 in wenig dest. Wasser, in einem zweiten Reagenzglas eine Spatelspitze K4[Fe(CN)6] ebenfalls in wenig dest. Wasser. Anschliessend werden die beiden Lösungen zusammengeschüttet.
Beobachtung:
Während des Zusammenschüttens der beiden Lösungen entsteht sofort ein tiefblauer Niederschlag – das Malerpigment „Berliner Blau“.
Damit man die Farbigkeit dieses Stoffs versteht, muss man sich mit dem Aufbau des Feststoffgitters vertraut machen.
Abb. 4.2 Gitter von Berliner Blau
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Berliner Blau bildet ein kubisches Kristallgitter. Die Fe2+ -Ionen sind oktaedrisch von sechs
Cyanid-Ionen umgeben, wobei immer das C-Atom des Cyanid-Ions (CN-) gegen das Fe2+ -Ion
gerichtet ist. Anschliessend an jedes Cyanid-Ion folgt ein Fe3+-Ion. In seiner nächster Umgebung befinden sich sechs Cyanid-Ionen, wobei die Stickstoff-Atome gegen das Eisen(III)-Ion
gerichtet sind.
Durch Lichtabsorption gibt ein Fe2+ -Ion ein Elektron an ein Fe3+ -Ion ab. Die Reaktionsgleichung lautet: Fe2+ + Fe3+ → Fe3+ + Fe2+
Dies ist auf den ersten Blick paradox, da die Edukte und Produkte identisch sind und daher
der Elektronenübergang nicht mit einem Energieaufwand verbunden sein darf. Das scheinbare
Paradoxon löst sich sofort auf, wenn man die nächste Umgebung der Eisen-Ionen betrachtet:
Im Grundzustand ist das Eisen(II)-Ion gegen das Kohlenstoff-, das Eisen(III)-Ion gegen das
Stickstoff-Atom gerichtet. Im angeregten Zustand ist es gerade umgekehrt. Daher muss die
obige Reaktionsgleichung angepasst werden, indem die nächsten Nachbarn der Ionen mit einbezogen werden. Unterstrichen sind diejenigen Atome, welche direkt gegen das Eisen-Ion
gerichtet sind.
[Fe2+(CN)6]4- + [Fe3+(CN)6]3- → [Fe3+(CN)6]3- + [Fe2+(CN)6]4- ΔH < 0
In dieser Gleichung ist ersichtlich, dass sich Edukte und Produkte unterscheiden.
Der Charge-Transfer Prozess läuft beim Berliner Blau etwas komplizierter ab als beim Saphir,
da die Eisen(II)- und Eisen(III)-Ionen nicht direkt benachbart sind. Die dazwischen liegenden
Cyanid-Ionen dienen als Elektronenüberträger.
Der für Berliner Blau beschriebene Mechanismus tritt häufig in Verbindungen auf, die unterschiedlich geladene Ionen des gleichen Elements enthalten.
4.5
Zusammenfassung
- Charge-Transfer Prozesse sind Elektronenverschiebungen zwischen zwei verschiedenen
Teilchen. Folgende Fälle treten häufig auf:
- In einem Übergangsmetallkomplex werden Elektronen von einem Liganden zum Zentralteilchen verschoben. Beispiele dafür sind Permanganat MnO4-- und Chromat CrO42-Ionen.
- Der Elektronenübergang findet zwischen zwei unterschiedlich geladenen Kationen
statt. Beispiele dafür sind Saphir und Berliner Blau.
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Quantenchemie und Pigmente
4 Elektronenübergänge zwischen zwei Teilchen: Charge-Transfer Prozesse
- Charge-Transfer Prozesse finden mit grosser Wahrscheinlichkeit statt, daher handelt es sich
um intensiv gefärbte Verbindungen.
- Spektren von Charge-Transfer Prozessen zeigen breite Absorptionsbanden.
4.6
Übungen mit Lösungen zum Kapitel 4
Übungen
A 4.1 Vergleichen Sie die Spektren von Kaliumpermanganat und Kaliumchromat. Welche
Verbindung absorbiert die energiereichere Strahlung (siehe Tabelle 2.2)?
A 4.2 Welche der folgenden Aussagen treffen auf Berliner Blau zu?
a)
Für die blaue Farbe sind die Cyanid-Ionen verantwortlich (cyan = hellblau).
b)
Durch Absorption von Licht wird ein Elektron vom Cyanid-Ion auf das Eisen(II)-Ion verschoben.
c)
Lichtabsorption bewirkt einen Elektronenübergang vom Eisen(III)- auf das Eisen(II)-Ion.
d)
Lichtabsorption bewirkt einen Elektronenübergang vom Eisen(II)- auf das Eisen(III)-Ion.
Lösungen
A 4.1 Kaliumchromat absorbiert die energiereichere Strahlung. Beide Verbindungen zeichnen sich durch breite Banden im Spektrum aus.
A 4.2 Nur d) ist richtig.
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