Vortrag im RC Bochum-Hellweg am 12. Februar 2003, Karl Heinz Fasol: Über die "kakanische" Marine Kakanien: Das war die k.u.k. Österreichisch-Ungarische Monarchie. Vielleicht stammt diese despektierliche Bezeichnung von Robert Musil, der in einem der einleitenden Kapitel seines Monsterwerks "Der Mann ohne Eigenschaften" der Monarchie ein ebenso respektloses wie aber auch liebenswürdiges Denkmal wie folgt gesetzt hat (auszugsweises Zitat): "Natürlich rollten auf den Straßen Kakaniens auch Automobile; aber nicht zu viele. Man bereitete die Eroberung der Luft vor; aber nicht zu intensiv. Man ließ Schiffe nach Amerika oder Ostasien fahren; aber nicht zu oft. ..." Und so geht es weiter. Ich könnte dem frei hinzufügen: Man hatte auch eine Kriegsmarine; aber keine zu bedeutende. Dass dies allerdings nicht so war, dem soll sich mein Beitrag widmen, der gemäß der rotari1) schen Gepflogenheit nur kurz und gestrafft sein kann . Die österreichische Seefahrt nahm ihren zunächst tatsächlich sehr bescheidenen Anfang im ausklingenden Mittelalter in Triest, das gemeinsam mit einigen Küstengebieten im Jahre 1382 an das Haus Habsburg gekommen war. Langsam begann sich ein Seehandel zu entwickeln, dessen Schutz wenige bewaffnete Galeeren übernahmen. Damals und sogar bis ins 18. Jahrhundert und vereinzelt auch noch später verunsicherten nämlich einerseits Piraten den Seehandel und andererseits wurde die türkische Flotte im östlichen Mittelmeer zusehends mächtiger. Erst unter Kaiser Joseph II (1741-1790) wurde begonnen, eine bescheidene Kriegsmarine zu schaffen, für die im neu erbauten Marinearsenal in Triest einige Linienschiffe, Fregatten und Galeeren gebaut wurden. Diese sog. Triestiner Marine umfasste schließlich nicht mehr als 14 Segelschiffe unterschiedlicher Größe, die während der napoleonischen Kriege dem Geleitschutz des Seehandels und für Truppentransporte dienten. Die Situation änderte sich schlagartig im Jahr 1797 durch den Frieden von Campo Formido (manchmal auch Campoformio genannt), dem neben einem der Kriege mit Österreich auch ein kurzer französischer Krieg gegen Venedig vorausgegangen war. Dieser Krieg bedeutete das Ende der 1000-jährigen selbständigen Geschichte der Republik Venedig und zugleich den Beginn einer nun doch ansehnlicheren österreichischen Seemacht, die das Erbe Venedigs übernahm. Was war geschehen: Die triestiner Hafenverwaltung hatte in diesem Jahr beschlossen, ihre Handelsschiffe vor den anrückenden Franzosen in Sicherheit zu bringen und sie in den Hafen Porto Re (heute Kraljevica) südlich von Fiume zu führen. Diese Handelsflotte, die auch einen Teil der triestiner Artillerie an Bord hatte, wurde von mehreren Kriegsschiffen begleitet. Auf der Höhe von Quieto, an der Westküste Istriens, tauchte ein französisches Geschwader auf. Die Schiffe flüchteten in den neutralen venezianischen Hafen und die österreichischen Kriegsschiffe versperrten die Hafeneinfahrt. Die Franzosen missachteten die Neutralität des Hafens, eröffneten das Feuer und die Österreicher erwiderten den Angriff des überlegenen Gegners. Als ein im Hafen vor Anker liegendes venezianisches Kriegschiff den bedrängten Österreichern zu Hilfe kam, brach das französische Geschwader den Kampf ab und entfernte sich. Die politischen Folgen dieses keineswegs bedeutsamen Gefechts standen dazu in keinem Verhältnis, denn Napoleon erklärte Venedig den Krieg. Die Franzosen besetzten die Lagunenstadt und requirierten einen Großteil der etwa 200 vorhandenen venezianischen Schiffe. Dieser kurze, für Frankreich erfolgreich verlaufende Konflikt mit Venedig endete im Oktober 1) Diese Fassung ist textlich ausführlicher als die mündlich vorgetragene. Im Gegensatz zu jener können jedoch aus Gründen des Speicherplatzes hier stellvertretend nur zwei Abbildungen beigefügt werden. 2 1797 mit dem Friedensschluss von Campo Formido zwischen Frankreich und Österreich. Die Ergebnisse dieses von Napoleon diktierten Friedens waren vor allem für Venedig katastrophal. Das bis dahin österreichische Belgien sowie die seit 1714 österreichische Lombardei fielen zwar an Frankreich, die Stadt Venedig aber und der Großteil seiner Küstengebiete in Istrien und Dalmatien kamen an Österreich. Nach den späteren Siegen Napoleons über Österreich gingen im Jahr 1809 diese Gebiete sowie Venedig allerdings vorübergehend wieder verloren, um durch den Wiener Kongress 1815, jetzt aber auch gemeinsam mit ganz Venetien sowie der Lombardei, an Österreich zurück zu kommen. Venedig blieb nun über weitere 51 Jahre österreichisch. Mit Venedig war auch die gesamte Kriegsmarine des vorübergehend (1809 bis 1815) von Napoleon geschaffenen Königreichs Italien von Österreich übernommen worden. Die Bezeichnung dieser Flotte lautete nun "Venezianisch-Österreichische Marine". Der Haupthafen war weiterhin Venedig; Offiziere und Mannschaften verblieben zu einem großen Teil und die Dienst- und Kommandosprache blieb zunächst italienisch. Als eine ihrer ersten Aufgaben hatten 1817 zwei Fregatten die Erzherzogin Leopoldine, eine Tochter von Kaiser Franz I, nach Rio de Janeiro zu ihrem zukünftigen Gatten Dom Pedro von Brasilien zu bringen. Diese Reise war die erste überseeische Aktivität dieser jungen Marine. Die Bedeutung dieser Fahrt lag aber eher in dem Auftrag, unerschlossene Regionen Brasiliens zu erforschen. Unzählige Objekte aus den Gebieten der Botanik, Zoologie, Geologie und Ethnologie wurden nach Wien gebracht, wo das "Brasilianische Museum" entstand. Diese relativ große österreichische Expedition war die erste in einer später folgenden Reihe von Forschungsreisen österreichischer Schiffe. So brachte im Jahr 1820 die Fregatte CAROLINA einen österreichischen Gesandten nach Rio de Janeiro und segelte sodann auf der traditionellen Route der Ostindienfahrer über den Atlantik und durch den Indischen Ozean weiter nach Kanton in China, wo man einen ersten Handelsvertrag abschloss. Im Jahr 1829 kam es zu einem Konflikt zwischen Österreich und Marokko, das sich damals noch ganz offen zur Piraterie und zum Sklavenhandel bekannte. Ein marokkanischer Korsar hatte nahe der Straße von Gibraltar ein Handelsschiff aus Triest gekapert und beabsichtigt, die Besatzung auf dem Sklavenmarkt anzubieten. Mehrere österreichische Fregatten segelten unverzüglich nach Marokko, um die Besatzung zu retten oder, falls dies nicht mehr möglich, zumindest Vergeltung zu üben. Und so blockierten und beschossen die österreichischen Schiffe Stadt und Hafen von EI Araisch an der Atlantikküste. Dieser Konflikt mit Marokko war das erste international beachtete Auftreten der österreichischen Kriegsmarine. Zu einer anderen, bedeutungsvolleren Aktion kam es Im Jahr 1840, als im östlichen Mittelmeer ein Krieg zwischen der Türkei und ihrem ägyptischen Vasallen entstanden war. Anlass dazu war die Erhebung des Vizekönigs von Ägypten Mehmed Ali gegen Sultan Mohammed II, der seinerseits die europäischen Großmächte um Hilfe bat. England, Preußen, Russland und Österreich schlossen daraufhin mit dem Osmanischen Reich ein Bündnis. Eine Flotte aus britischen, österreichischen und türkischen Schiffen unter dem Kommando des britischen Admirals Stopford eroberte Beirut, das syrische Saida und schließlich die gesamte syrische Küste mit Ausnahme von Acri, dem Akkon der Kreuzfahrer. Im November des Jahres 1840 begann man die Blockade dieses Hafens. Unter der Führung von Erzherzog Friedrich, der die österreichischen Einheiten kommandierte, drang schließlich eine Landeeinheit durch die Festungsmauer und erstürmte die Zitadelle. Friedrich ließ eine türkische und eine britische Flagge neben der österreichischen hissen. Diese wehte nun nach 650 Jahren hier in Akkon zum zweiten Mal, wo sie im damaligen Kreuzzug der Legende nach entstanden war. Vier Jahre später wurde der Erzherzog zum Marineoberkommandanten ernannt und er begann eine Modernisierung und Vergrößerung der Flotte. Diese Bemühungen wurden aber jäh unterbrochen, als im Oktober 1846 der erst 26 Jahre alte Erzherzog starb. Nach der schon erwähnten Unterbrechung von 1809 bis 1815 erfolgte im Revolutionsjahr 1848 eine zweite, diesmal kürzere Unterbrechung der österreichischen Herrschaft über Venedig. Es kam nämlich auch hier sowie in Mailand zur Revolution. In Mailand wurde einige 3 Tage gekämpft, bevor die Stadt geräumt wurde; Venedig wurde kampflos aufgegeben, worauf hier wieder die Republik ausgerufen wurde. Das damalige Königreich SardinienPiemont erklärte Österreich den Krieg, wurde aber bald von dem 81jährigen Feldmarschall Radetzky (Joseph Graf Radetzky von Radetz; 1766-1858) bei Custozza, dann bei Mortara und schließlich bei Novara kriegsentscheidend besiegt, worauf Radetzky mit seinen Truppen wieder in Mailand einzog. Im März 1849 wurde der zuvor aus dänischen Diensten "in Gnaden" entlassene Däne Hans Birch von Dahlerup als erfahrener Seeoffizier mit dem durch den Tod Erzherzog Friedrichs verwaisten Oberkommando der österreichischen Kriegsmarine betraut. Als erstes führte er eine vollständige Seeblockade Venedigs durch, das bereits durch österreichische Truppen vom Festland abgeschnitten worden war. Es fand auch wohl der erste Luftangriff der Kriegsgeschichte mit von Ballons abgeworfenen kleinen Bomben statt, die allerdings keinen nennenswerten Schaden anrichteten. Im August 1849 erfolgte dann die Kapitulation Venedigs und alles war wieder beim alten. Admiral Dahlerup begann sogleich mit zahlreichen personellen und anderen Reformen; natürlich wurde jetzt auch die deutsche Dienstsprache eingeführt. Die bescheidene Flotte umfasste nun 4 Fregatten mit je 32 bis 40 Geschützen, 6 Korvetten mit je 20 Geschützen, 7 Briggs mit jeweils 16 Geschützen sowie zahlreiche kleinere Einheiten. Der Bau von vier weiteren Fregatten und Korvetten wurde begonnen und ein 1850 beschlossener Flottenplan sah den Bau von 6 Linienschiffen vor. Im Jahr 1854, also nach nur 5 Jahren seines Wirkens, ersuchte Dahlerup um seinen Ruhestand, der ihm mit hoher Auszeichnung und Erhebung in den österreichischen Adel gewährt wurde. Sein Nachfolger wurde der jüngere Bruder des Kaisers Franz Joseph, Erzherzog Ferdinand Max, der bereits seit 1851 auf der berühmten, im österreichischen Venedig gebauten Fregatte NOVARA (benannt nach Radetzky’s Sieg bei Novara) als Seeoffizier gedient hatte. Er war Marine-Oberkommandierender bis 1862. Unter seinem Kommando wurde die Marine eine eigene Waffengattung, die auch unter seinen Nachfolgern weiter ausgebaut wurde. Pola und später die Bucht von Cattaro wurden die bedeutenden Kriegshäfen. 1883 umfasste die Flotte dann schließlich 11 Schlachtschiffe, 11 Kreuzer, 14 Torpedoboote und eine große Zahl von kleineren Einheiten. Modernisierung und Ausbau gingen bis Ende des Jahrhunderts zwar zäh aber doch einigermaßen gut voran. Neben den militärischen Aufgaben kam der Kriegsmarine auch eine wirtschaftliche und wissenschaftliche Bedeutung zu. Bis 1914 wurden insgesamt 85 Missions- und Forschungsreisen nach allen Kontinenten unternommen, davon 34 nach Ostasien und Australien. Diese Reisen dienten der Ausbildung, der Forschung und nicht zuletzt auch dem "Flagge zeigen". Es gab sogar auch einige kleine kurzlebige Kolonien in Afrika und der Südsee. Am berühmtesten wurde die Weltumsegelung der Fregatte NOVARA. Sie verließ Triest am 30. April 1857 mit einer beträchtlichen Zahl von Naturforschern an Bord. Sie segelte über Gibraltar nach Rio de Janeiro, weiter nach Südafrika, Madagaskar, Ceylon und weiter über Singapur zu den Philippinen. Von dort nach Südchina (Hongkong, Shanghai) und weiter nach Australien, wo sie im November 1858 in Sydney ankam. Über Neuseeland und Tahiti wurde in 48 Tagen der Pacific durchsegelt. Nach Aufenthalten in Chile ging die Rückfahrt um das Kap Hoorn und den Atlantik schließlich zurück nach Pola und Triest. Am 30. August 1859 war die Reise zu Ende. Bei allen, zum Teil längeren Aufenthalten wurden völkerkundliche Studien durchgeführt. Unzählige wissenschaftliche Publikationen waren das Ergebnis dieser Weltumsegelung. Die NOVARA hatte dann im April 1864 die Aufgabe, den Erzherzog Ferdinand Max, nun als Kaiser Maximilian, mit Kaiserin Charlotta nach Mexiko zu bringen und hatte schon im Juni 1867 die traurige Pflicht, seinen Leichnam unter Halbmast-Beflaggung nach Triest zurück zu holen. 4 Erwähnt werden muss schließlich die spektakuläre Polarexpedition der ADMIRAL TEGETTHOFF als ein zwar privat finanziertes aber doch mit starker Unterstützung der Marine 1872 bis 1874 durchgeführtes Unternehmen. Die Expedition führte zur Entdeckung und Erforschung eines ausgedehnten Archipels nördlich des 80. Breitengrads, dem der Name Franz-Joseph-Land gegeben wurde. Der zunächst für Österreich in Besitz genommene Archipel wurde später dem russischen Zaren zum Geschenk gemacht. Die TEGETTHOFF war fast zwei Jahre lang vom Eis eingeschlossen. Vom Schiff aus wurden innerhalb dieser Zeit nahezu 1000 km zur Erkundung und Landvermessung bis etwa 82,5 Grad nördlich zu Fuß zurückgelegt. Das Schiff musste schließlich im Mai 1874 aufgegeben werden. Die mit allem Nötigen gepackten Rettungsboote wurden mit Schlittenkufen versehen und von den Männern mehrere hundert Kilometer nach Süden bis zum offenen Meer gezogen. Die dann geruderten Boote wurden schließlich von einem russischen Schiff gerettet und fast alle Männer hatten überlebt. Auch in der sowjetischen Zeit wurden die von den Österreichern gegebenen Namen, wie z.B. Kap Wien, Kronprinz-Rudolf-Insel, Kap Tegetthoff, usw., nur übersetzt aber nicht geändert. Der Archipel heißt bekanntlich auch heute noch FranzJosef-Land (Zemlya Frantsa Iosefa). Doch zurück zu den 60er Jahren: Ihre Feuertaufe erhielt die Marine im Preußisch-Österreichischen Krieg gegen Dänemark, der durch die dänische Annexion Schleswigs ausgelöst worden war. Bismarck hatte Österreich als Verbündeten gewonnen, worauf eine starke österreichische Infanteriebrigade mit 19.000 Mann im Dezember 1863 in Hamburg eintraf. Am 1. Februar 1864 begann der Krieg, der nach dem Vorstoß bis Kopenhagen für die Verbündeten zu Lande siegreich verlief. Dänemark hatte allerdings die Elbemündung blockiert und den Kaperkrieg gegen die feindlichen Handelsschiffe begonnen. Preußen, das damals noch über keine große Kriegsmarine verfügte, bat die österreichische Marine um Unterstützung. Deren Befehlshaber, Wilhelm von Tegetthoff, war mit den beiden Fregatten RADETZKY und SCHWARZENBERG vor Rhodos gelegen, als er von der Situation erfahren und die preußische Bitte um Unterstützung offenbar voraus geahnt hatte. Er war unverzüglich zur Nordsee aufgebrochen. Später verließ, mit dem selben Ziel, ein Geschwader aus zwei Linienschiffen, einer Panzerfregatte und einer Korvette den Kriegshafen Pola. Man konnte jedoch den Vorsprung nicht mehr einholen. Tegetthoff hatte sich inzwischen mit drei kleinen preußischen Kanonenbooten vereinigt und den Kampf gegen die an Zahl der Schiffe und Geschütze, vor allem aber auch an einschlägiger Erfahrung weit überlegenen Dänen aufgenommen. Am 9. Mai endete das Gefecht vor Helgoland schließlich mit schweren Schäden auf den beiden österreichischen Fregatten und mit etwa 50 Gefallenen. Allerdings erlitten auch die Dänen ähnliche, wenn auch geringere Verluste. Nachdem eine österreichische Granate deren Flaggschiff manövrierunfähig geschossen hatte, brachen sie den Kampf ab und beendeten auch die Blockade der Elbemündung. Die Österreicher werteten dies als Sieg, der bei rechtzeitigem Eintreffen der Verstärkung vielleicht auch anders ausgesehen hätte. Die gefallenen österreichischen Matrosen wurden auf Wunsch ihrer überlebenden Kameraden nicht zur See bestattet sondern in Cuxhaven beerdigt; das ihnen errichtete Denkmal steht noch heute. Tegetthoff, damals erst 37 Jahre alt, wurde zum Konteradmiral ernannt. Der Konflikt endete im Oktober 1864 mit dem Friedensschluss von Wien und 1865 mit dem österreichisch-preußischen Vertrag von Gastein über die gemeinsame Verwaltung von Schleswig und Holstein. Preußen erwies sich jedoch für die Waffenhilfe als nicht sonderlich dankbar und begann unmittelbar danach mit politischen und militärischen Vorbereitungen des Krieges um die Deutsche Vorherrschaft, eines Bruderkrieges, der bekanntlich im Juli 1866 mit der schweren Niederlage Österreichs bei Königgrätz endete. Abgesehen vom sicher verschmerzbaren Verlust 5 des Einflusses in Schleswig, erlitt aber Österreich keine Gebietsverluste an Preußen. Es kam aber doch schlimm genug 2). Italien hatte 1859 Napoleon III um den Preis der Abtretung Savoyens zu einem gemeinsamen Angriffskrieg gegen Österreich überredet, der schließlich bei Solferino mit der Niederlage gegen die Franzosen und als Folge mit dem Verlust der Lombardei geendet hatte. Italien war dadurch geeint bis auf Rom und das noch österreichische Venetien. Der preußischösterreichische Krieg bot nun eine gute Gelegenheit, sich Preußen als Verbündeter gegen Österreich anzubieten. Österreich hatte damit einen Zweifronten-Krieg zu führen. Die gegenüber der österreichischen Südarmee, die unter dem Kommando des strategisch äußerst fähigen Erzherzog Friedrich stand, mittlerweile etwa doppelt so starke italienische Armee wurde aber alsbald bei Custozza entscheidend geschlagen. Dieser Zweifronten-Krieg bescherte nun der österreichischen Kriegsmarine den größten Sieg ihres Bestehens. Die italienische Flotte gehörte mittlerweile durch massive Aufrüstung zu den größten und modernsten Flotten der Welt. Von einer britischen Werft war erst im Mai 1866 die angeblich unsinkbare AFFONDATORE ausgeliefert worden, die als stärkstes Panzerschiff der Welt galt. Das wesentliche Ziel der italienischen Flotte war die Eroberung der strategisch wichtigen, stark befestigten Insel Lissa vor der dalmatinischen Küste. Die Angriffsflotte umfasste neben der AFFONDATORE weitere 17 Einheiten (Panzerfregatten, Korvetten, Kanonenboote und andere) mit insgesamt rund 38.000 t. Die Flotte unter Tegetthoff, der auch die berühmte, inzwischen zur Dampffregatte umgebaute NOVARA angehörte, war mit 7 Panzerfregatten und etwa 20 kleineren Einheiten (Fregatten, Kanonenbooten, Raddampfern) mit einer Gesamttonnage von rund 50.000 t zwar an Zahl nicht aber an Modernität überlegen. Seeschlacht vor Lissa: Untergang des Flaggschiffs Ré d' Italia nach einem Rammstoß (aus [2]). Am 19. Juli 1866, also etwa gleichzeitig zu Königgrätz, kam es dann zu der nach Trafalgar größten Seeschlacht des Jahrhunderts und zur größten der österreichischen Kriegsgeschichte. Sie dauerte zwar nur etwa 2 Stunden, endete aber mit einem triumphalen Sieg. Das Flaggschiff, der Panzerkreuzer RE D' ITALIA , sank nach einem Rammstoß innerhalb weniger Minuten. Zwei andere Panzerschiffe sanken nach Volltreffern und Explosionen; drei weitere Schiffe waren kampfunfähig geworden. Der Flottenkommandeur Admiral Persano hatte sich unmittelbar vor der Schlacht zu seiner eigenen Sicherheit vom Admiralschiff RE D' ITALIA an Bord der dann ebenfalls schwer getroffenen AFFONDATORE begeben. Unter dem Eindruck der schweren Verluste gab er von dort den Befehl zum Rückzug nach Ancona. Dort sank die AFFONDATORE zwei Tage später infolge ihrer Schäden. Neben dem großen Verlust an 2) Bismarck hatte sich bereits im Oktober 1865 in einem geheimen Treffen mit Napoleon III der französischen Neutralität versichert und hatte im April 1866, mit dem von Österreich bis dahin nicht anerkannten Königreich Italien eine geheime Allianz gegen Österreich abgeschlossen. Preußen und Österreich gehörten dem Deutschen Bund an, der vertraglich ein solches Bündnis verboten hätte; im Juni 1866 verließ dann Preußen den Deutschen Bund. 6 Schiffen hatte die italienische Flotte mehr als 600 Gefallene zu beklagen. Die Österreicher hingegen verloren 38 Matrosen und nur ein einziges Schiff war beschädigt worden. Persano wurde vor ein Kriegsgericht gestellt; ihm wurden sein Rang und seine bisherigen Orden aberkannt und er wurde aus der Marine ausgestoßen. Tegetthoff, jetzt 39 Jahre alt, wurde zum Vizeadmiral befördert und wie seine Offiziere hoch dekoriert. Er überlebte seinen Sieg nur knapp 5 Jahre; er starb 1871 an einer Lungenentzündung. Unmittelbar nach dem Sieg von Lissa kam es zum Waffenstillstand mit Italien. Was aber war die Folge der österreichischen Niederlage bei Königgrätz: Das mit Preußen verbündete, sowohl zu Lande als auch zur See besiegte Italien erhielt als Ergebnis der Friedensverhandlungen, nicht zuletzt durch Bemühungen von Napoleon III, im Oktober 1866 Venetien zugesprochen und war nun gänzlich vereint. Damit endete die rund 150-jährige österreichische Herrschaft über Oberitalien. Später suchte Italien dann doch wieder die Annäherung an Österreich und schloss 1882 mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich den zuletzt noch 1912 regelmäßig erneuerten "Dreibund" als gegenseitigen militärischen Beistandspakt. Auf 1866 folgte für Österreich-Ungarn eine ungewohnt lange relative Friedenszeit von 48 Jahren. Sie wurde, was die Kriegsmarine betraf, zu deren umfangreicher Modernisierung genutzt. Die neu gebauten stahlgepanzerten Schiffe wurden größer, schneller und stärker, sie erhielten Bewaffnungen durch Maschinengewehre, leichte und schwere Schnellfeuerkanonen und schwere Geschütze, später bis zum Kaliber 30,5cm in gepanzerten Zwillingsund erstmals auch Drillings-Drehtürmen. Die Schlachtschiffe der VIRIBUS UNITIS Klasse hatten eine sehr starke Feuerkraft (jeweils insgesamt 12 30,5 cm Geschütze in vier Drillingstürmen) Es erfolgte auch die Bestückung mit Torpedorohren. Leider stellte sich später heraus, dass die Unterwasser-Panzerung der großen Schlachtschiffe unzureichend war. 1906 liefen auch die ersten U-Boote von Stapel. Flottenparade 1911 vor dem Deutschen Kaiser (Ausschnitt eines Bildes in [2]). Zu Kriegsbeginn 1914 hatte die k.u.k. Flotte folgende Stärke: 4 schwere Schlachtschiffe mit je 20.370 t (VIRIBUS UNITIS, in Dienst gestellt 1911, TEGETTHOFF, 1912; PRINZ EUGEN, 1912; . SZENT ISTVÁN, 1914 ), 12 leichtere Schlachtschiffe mit 5.600 bis 14.500 t; insgesamt 111.000 t; 1895 – 1908, 3 große Kreuzer, insgesamt 18.800 t; 1893 – 1903, 11 kleine Kreuzer ("Schnellkreuzer"), insgesamt 37.000 t; 1885 – 1913, 31 Torpedoboote verschiedener Größe; z.T. während des Krieges gebaut, 6 U-Boote (20 weitere wurden während des Krieges gebaut). Die gesamte Tonnage betrug rund 260.000 t; die Flotte war damit der gegnerischen weit unterlegen (GB: 2,2 Mio t; F: 730.000 t). Abgesehen von der Donau und den ukrainischen Flüssen (die Binnenflotte sei hier nicht besprochen), sowie abgesehen von ersten vereinzelten Aktionen in der Ägäis und im 7 Schwarzen Meer umfasste - mit Ausnahme der U-Boot-Flotte; sie operierte im gesamten Mittelmeer - das Operationsgebiet der k.u.k. Kriegsmarine im wesentlichen nur die Adria. Dies war bedingt durch die bald begonnene totale Blockade der Enge von Otranto. Der Hauptgegner in der Adria war zunächst Frankreich, unterstützt von kleineren britischen Einheiten. Nachdem bekanntlich Italien bei Kriegsbeginn trotz seiner gemäß dem Dreibund bestehenden Beistandspflicht zunächst seine Neutralität und im Mai 1915 dann an seine eigentlich Verbündeten den Krieg erklärt hatte, kam als wesentlicher Gegner die italienische Marine mit einer gesamten Tonnage von rund 400.000 t hinzu. Damit bestand im Mittelmeer gegenüber der k.u.k. Flotte eine etwa vier- bis fünffache Überlegenheit der alliierten Gegner. Nur einige der Seegefechte sollen hier exemplarisch genannt werden. In den Tagen nach dem Kriegseintritt Italiens unternahm ein Großteil der k.u.k. Flotte massive Beschießungen der wichtigsten italienischen Häfen, wobei der stärkste Angriff auf Ancona erfolgte. Zunächst bestand aber die Hauptaufgabe im Schutz der österreichischen Adriaküste sowie in der Blockade der Küste des mit Serbien verbündeten Montenegro. Immer wieder versuchten nämlich französische Schiffe Nachschub für Serbien zu landen, was meist vereitelt werden konnte. In diesem Zusammenhang erfolgte Im Dezember 1915 durch einen Kreuzer und mehrere Torpedoboote ein erfolgreicher Angriff auf den albanischen Hafen San Giovanni di Medua, wohin sich Teile der serbischen Armee zurückgezogen hatten. Kurz danach unternahm eine Torpedobootflottille, ebenfalls ohne eigenen Verlust, einen Überraschungsangriff auf den Hafen von Durazzo in Albanien, wobei sämtliche vor Anker liegenden Handelsschiffe sowie ein französisches U-Boot versenkt wurden. Ähnliche Überraschungsangriffe wurden wiederholt auf verschiedene Häfen jeweils ohne eigene Verluste durchgeführt. Der im Mai 1917 unternommene Versuch, die Blockade von Otranto zu brechen bzw. zu beenden, wurde von Österreich vielfach mit dem Seesieg von Lissa verglichen. An dem fast zwei Tage dauernden Seegefecht waren auf österreich-ungarischer Seite zwei Schlachtschiffe, drei Kreuzer, mehrere Zerstörer sowie U-Boote beteiligt 3). Es war dies die größte Seeschlacht des Krieges in der Adria, die zwar mit schwerer Beschädigung eines eigenen Zerstörers (der abgeschleppt werden konnte) aber sonst ohne größere Verluste verlief. Sie endete mit der Versenkung eines großen und zwei kleineren italienischen Zerstörern, je einem britischen und einem französischen Zerstörer sowie mit der Versenkung von 14 bewaffneten italienischen Fischdampfern verschiedener Größe, die mit dem Auslegen von UBoot Netzen befasst waren. Diese Dampfer hatten zum Teil britische Besatzungen. Die Otrantostraße war danach für einige Zeit frei, die Blockade wurde aber bald wieder verstärkt errichtet. Von großer Bedeutung war die im gesamten Mittelmeer operierende U-Boot-Flotte, die nach Kriegsbeginn rasch auf 27 Einheiten einschließlich eines gekaperten französischen U-Boots angewachsen war. Bei Kriegseintritt Italiens hatte Deutschland 20 weitere Boote dem österreichischen Kommando unterstellt. Auf das Erfolgskonto dieser ziemlich großen Flotte ging im Verlauf des Krieges die Versenkung einer sehr großen Zahl von Handelsschiffen im "uneingeschränkten" U-Boot-Krieg sowie die Versenkung eines französischen Schlachtschiffs (JEAN BART), von je einem französischen und einem italienischen Panzerkreuzer (LEÓN GAMBETTA, GARIBALDI), von zwei britischen Kreuzern (DUBLIN, WEYMOUTH), einem französischen Zerstörer (BOUTEFEU) sowie von je einem französischen und einem italienischen U-Boot. Insgesamt gingen jedoch zumindest 10 eigene Boote verloren, meist mit der gesamten Besatzung von etwa 20 bis 25 Mann. Es ist beachtlich, dass außer dem Verlust dieser U-Boote im Verlauf des Krieges zwar manche Schiffe beschädigt wurden, aber nur verhältnismäßig wenige große Einheiten verloren 3) Der österreichische Angriff wurde kommandiert von Miklós Horthy von Nagybánya (1868-1957); v.Horthy wurde 1918 Konteradmiral und der letzte Oberbefehlshaber der k.u.k.Marine. Von 1920 bis 1944 war er Reichsverweser des bis dahin nominell Königreich gebliebenen Ungarn. 8 gingen. Lediglich bei einem zweiten, vergeblichen Versuch, die Blockade bei Otranto zu bekämpfen sank das große Schlachtschiff SZENT ISTVÁN nach einem Torpedotreffer. Ein großer Teil der Besatzung konnte aber gerettet werden. Unmittelbar nach Kriegsbeginn hatte sich, gemeinsam mit deutschen Schiffen, der Kreuzer KAISERIN ELISABETH in der deutschen Kolonie Tsingtau selbst versenkt. Der Kreuzer ZENTA ging in der Adria in einem Gefecht verloren und zwei Zerstörer (LIPKA, TRIGLAV) sanken 1915 durch Minen. Insgesamt hatte die Marine verhältnismäßig wenig Gefallene zu beklagen. Das letzte Seegefecht fand schließlich noch am 2. Oktober 1918 vor Durazzo statt, wobei ohne eigenen Verlust ein britischer Kreuzer versenkt wurde (siehe weiter oben). Wie endete der Krieg in Oberitalien und in der Adria: Nach dem Durchbruch am Isonzo zu Ende 1917 war die gesamte italienische Front zusammengebrochen und es war zu Massendesertionen gekommen. Nach Aufgabe der Alpenfront strömte die italienische Armee in Eilmärschen nach Süden, um nicht eingeschlossen zu werden. Die k.u.k. Armee stand 1918 wieder vor Venedig und am Piave, wo sie von Briten und Franzosen gestoppt worden war. Im Oktober kam es zur Revolution in Wien, die Monarchie begann zu zerfallen und mit Italien wurde ein Waffenstillstand abgeschlossen. Nach dessen Inkrafttreten stieß jedoch die neu organisierte italienische Armee den gemäß dem Waffenstillstand abrückenden Österreichern nach und machte natürlich kampflos etwa hunderttausend Gefangene. Dies war aus italienischer Sicht der kriegsentscheidende "Vittorio Veneto", der Sieg in Venetien, an den in allen oberitalienischen Städten auch heute noch die Denkmäler erinnern. Einige der k.u.k. U-Boote und andere Einheiten hatten sich selbst versenkt; die aber im wesentlichen noch intakte Flotte wurde in Pola (später Pula) durch Admiral v. Horthy dem neu entstandenen Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben, dem späteren Yugoslavien, übergeben. Dazu gehörte auch das stolze Flaggschiff, das Schlachtschiff S.M.S. VIRIBUS UNITIS. Der Kroate Janko Vukovic, bisher ein Kapitän der k.u.k. Marine wurde Ihr neuer Kapitän; er blieb es nur für etwa 12 Stunden. Am frühen Morgen des auf den Flaggenwechsel folgenden Tags erfolgte nämlich eine gewaltige Detonation unterhalb der Wasserlinie und die VIRIBUS UNITIS sank rasch. Kapitän Vukovic gebot es seine Seemannsehre, mit dem untergehenden Schiff zu sterben. Kurze Zeit später wurde Pola von Italien besetzt, das sich dort einen Teil der ehemals österreichischen, an Yugoslavien übergebenen Schiffe aneignete. Und so starb die "kakanische" Marine; sie wurde nie besiegt. Verwendete Quellen: [1] H. Bayer von Bayersburg. Die Marinewaffen im Einsatz 1914-1918. Wien: Bergland Verlag, 1968 (Neudruck). [2] J.Ch. Allmayer-Beck, E. Lessing: Die K.u.k. Armee 1848-1914. München, Gütersloh, Wien: C.Bertelsmann Verlag, 1974. ISBN 3-570-07287-8 [3] Schriftenreihe des heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Bd 8: Österreich zur See (einzelne Beiträge verschiedener Verfasser). Wien: Österr. Bundesverlag, 1980. ISBN: 3-215-04080-8. [4] R. Basch-Ritter. Österreich auf allen Meeren. Geschichte der k.u.k. Marine 1382-1918. Graz, Wien, Köln: Verlag Styria, 2000. ISBN: 3-222-12818-9. [5] H.H. Sokol. Des Kaisers Seemacht 1848-1914. Neudruck. Wien, München: Verlag Amalthea-Herbig, 2002. ISBN: 3-85002-480-6. Herkunft der Abbildungen: Die Bilder (Ausschnitte) aus [2] mit freundlicher Genehmigung Prof.Dr.M.Rauchensteiner, Heeresgeschichtliches Museum Wien. 9