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Ultradünne phake Intraokularlinsen
Hightech-Kunststoff für besseres
Sehen
Die phake Intraokularlinse ist Hightech im Bereich Optik. Die Firma Human Optics will den
Markt mit einer ultradünnen Version revolutionieren.
Quelle: Inken Sarah Mischke/VDI TZ
25.05.2016 Künstliche Linsen, die zusätzlich zu einer natürlichen Linse ins Auge
implantiert werden, nennt man phake Intraokularlinsen (PIOL). Sie können bei
schwerer Fehlsichtigkeit eine leistungsfähige Alternative zu Sehhilfen oder
Operationen sein. Bisher gab es einen Haken: Die Linsen sind oft zu dick und
verursachen dadurch Probleme. In einem wegweisenden BMBF-Projekt testen
Materialforscher und Linsenhersteller ultradünne PIOL. von Tim Gabel
Eine einfache Kunststoffscheibe hält Jürgen Schwab, Leiter der Abteilung New
Technologies beim Linsenhersteller Human Optics, in seiner Hand. Der erste Eindruck:
eher unspektakulär. Würde man ein solches Kunststoffteil irgendwo in der eigenen
Wohnung finden, man würde es wohl achtlos wegwerfen. Dabei steckt in der kleinen
Scheibe viel Gehirnschmalz und Fleiß von Spezialisten: von Chemikern und
Materialforschern sowie Optikexperten und Linsenproduzenten. Gemeinsam hat man
an der Aufgabe getüftelt, ein Polymer zu entwickeln, das – einmal fertig bearbeitet –
nur noch etwa halb so dick ist wie
bisherige PIOL. Abhängig von der
Dioptrie wäre die neue Linse in der
Mitte nur noch etwa 0,5 Millimeter
dick. Eine vergleichbare
herkömmliche Linse ist etwa 0,9
Millimeter dick.
„Viele Menschen sind heute bis ins
hohe Alter aktiv und wollen etwa
beim Sport keine Sehhilfen tragen.
Aus dem Kunststoff-Rohling (hinten) wird ein
Hightech-Medizinprodukt.
Quelle: Inken Sarah Mischke/VDI TZ
Andere finden Brillen nicht
ästhetisch, wollen oder können
aber auch keine Kontaktlinsen
einsetzen. In solchen Fällen kommt
die PIOL als Alternative zu
Laserverfahren oder anderen chirurgischen Eingriffen in Frage“, sagt Dr. Ali
Mougharbel, Projektleiter der Abteilung Forschung & Entwicklung bei HumanOptics.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kommt der Zeitpunkt für die Entwicklung einer
solchen PIOL gerade richtig: Die Kundschaft wächst, eine Sehschwäche wird bald der
Normalfall sein.
Neue Herausforderungen für ein hochkomplexes Organ
Das Auge ist ein hochkomplexes
Organ und eine fantastische
Ingenieursleistung der Evolution.
Die Bedingungen in modernen
Industrieländern sind allerdings neu
und belastend. Experten
beobachten weltweit eine deutliche
Zunahme der Kurzsichtigkeit.
Häufige Naharbeit und weniger
Tageslicht haben den Anteil der
Kurzsichtigen in asiatischen Städten
Das Auge ist ein hochkomplexes Organ.
schon auf über 95 Prozent
Quelle: Inken Sarah Mischke/VDI TZ
anwachsen lassen. In Deutschland
beträgt der Anteil derzeit 35 bis 40
Prozent, Tendenz steigend. Der natürliche Verschleiß der Linse im menschlichen Auge
setzt mit etwa 45 Jahren ein. Da die Deutschen immer älter werden, wird auch der
Anteil an Alterssichtigen immer höher.
Aus Kunststoff wird Hightech
Schwab und Mougharbel stehen in Erlangen, dem Hauptsitz des Linsenherstellers
Human Optics AG, in einer nagelneuen Produktionshalle. Nach den Bauvorschriften der
Provinzhauptstadt aus Holz
gebaut, herrscht hier durch
Reinraum-Ausstattung
Laboratmosphäre. Die beiden
Entwickler wollen vorführen, wie
aus der schnöden Plastikscheibe
eine High-Tech-Linse wird. Da
Human Optics später auch eine
Die neue Produktionshalle von Human Optics.
Zulassung für den amerikanischen
Quelle: Inken Sarah Mischke
Markt anstrebt, ist die neu gebaute
Produktionshalle in Erlangen schon
nach FDA-Kriterien ausgerichtet.
Das bedeutet unter anderem, dass die einzelnen Produktionsschritte getrennt in
aufeinanderfolgenden Räumen ablaufen müssen, für die je nach Arbeitsschritt
unterschiedliche Anforderungen gelten.
Man kann die Entstehung der Linse also Raum für Raum verfolgen. Vor einem Plakat,
das das Schema eines menschlichen Auges zeigt fangen die Beiden mit den optischen
Grundlagen an: Hinter der Hornhaut, die das Auge vor äußeren Einflüssen schützt und
der Iris, die wie eine Blende die Sonneneinstrahlung ins Auge reguliert, liegt die Linse.
Sie ist wie bei einem Fotoapparat dafür zuständig, die Lichtstrahlen, die die Information
über die Außenwelt ins Auge transportieren, zu bündeln. So, dass sie an die richtige
Stelle auf die innere Leinwand, die Netzhaut, geworfen werden.
Akkomodation = Anpassung
Je nachdem, ob der Mensch in die Ferne guckt oder etwas Nahes in den Fokus
nimmt, kann die Linse von einer Muskulatur gedehnt oder komprimiert werden.
Mit dieser, Akkomodation genannten, Anpassung garantiert das Auge dafür, dass
egal ob fern oder nah die Außenwelt immer scharf auf der Netzhaut abgebildet
wird. „Bei Menschen die unter einem grauen Star leiden, trübt sich die Linse mit der Zeit
vollständig ein und lässt nicht mehr viel Licht durch“, sagt Jürgen Schwab, „das
Problem ist nur mit einer Operation zu beheben.“
In örtlicher Betäubung wird das Auge im Bereich der Hornhaut eröffnet. Unter dem
Operationsmikroskop wird die getrübte Linse mittels Ultraschall zertrümmert und
abgesaugt. In den verbleibenden Kapselsack wird eine künstliche Linse eingesetzt,
deren Stärke vorher berechnet wird. Durch das Absaugen der natürlichen Linse ist viel
Platz im Kapselsack. Die herkömmlichen Intraokularlinsen, die neben Human Optics
auch zahlreiche große Medizintechnikunternehmen vertreiben, haben eine Dicke von
einigen Millimetern.
Phake Linsen: Kein Fake, sondern eine Ergänzung
Weil die Operation minimalinvasiv und mit örtlicher Betäubung möglich ist, entstand die
Idee, die Methode auch zur Korrektur von schweren Fehlsichtigkeiten anzuwenden. Will
man in dem Fall zusätzlich zur natürlichen Linse eine Linse mit Sehstärke einbauen,
nennt man Sie phake Intraokularlinse. Das Problem: die natürliche Linse nimmt große
Teile des Kapselsacks ein und auch die Alternative, der Raum zwischen natürlicher
Linse und Iris ist sehr beengt. „Der Brechungsindex des herkömmlichen Linsenmaterials
ist nicht groß genug, um die phake Intraokularlinse so dünn wie nötig zu machen“, sagt
Jürgen Schwab. Den Brechtwert einer Linse – der die Ablenkung des Lichts auf die
Netzhaut bestimmt – kann man variieren in dem man ein anderes Material wählt.
HiRiP: Extradünne Linsen verhindern Irritationen
„Beim Projekt HiRiP wollen wir mit einem möglichst dünnen Material einen möglichst
großen Brechungsindex erreichen, damit wir die Linse vor der natürlichen Linse
einsetzen können, ohne dass das zu Irritationen führt“, so Ali Mougharbel. Im Rahmen
der Fördermaßnahme „KMU-innovativ Medizintechnik IV“ des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung arbeitet er gemeinsam mit der Actiol GmbH in Amöneburg und
der Philipps-Universität Marburg an „High Refractive Index Phake Intraokularlinsen
(HiRIP)“.Die Implantation herkömmlicher PIOL ging oft mit erheblichen postoperativen
Problemen einher. „Der Einsatz solcher Linsen beschränkt sich daher in erster Linie auf
Patienten, bei denen andere Behandlungen nicht durchgeführt werden können“, so
Mougharbel, „wir könnten das Verfahren mehr Patienten anbieten, wenn wir es schaffen
sehr dünne Linsen herzustellen, die deutlich unter einem Millimeter dick sind.“
Neue Eigenschaften, neue Fertigungsverfahren
Diese Vorgabe stellt hohe Anforderungen an die optischen und mechanischen
Eigenschaften des Linsenmaterials. Dieses muss einen hohen Brechungsindex (high
refractive index), also eine starke Ablenkung des Lichts auf die Netzhaut ermöglichen,
damit eine möglichst dünne Linse eine hohe Fehlsichtigkeit kompensieren kann.
„Spezielle Chemikalien, die Phenylgruppen enthalten, erhöhen den Brechungsindex
unseres Ausgangsmaterial“, sagt Ali Mougharbel. Chemiker der Uni Marburg liefern der
Actiol GmbH spezielle Monomere, die die Optikspezialisten in Amöneburg zu
Polymeren, also einem Verbundmaterial für die Linse, zusammensetzen.
Mit dem speziellen Material können sehr dünne Linsen hergestellt werden, die sehr
hohe Dioptrie-Defizite ausgleichen können. Um die Linsen-Rohlinge präzise zu
bearbeiten, hat Human Optics sein Fertigungsverfahren angepasst und neue Prozesse
integriert, die später auch eine Serienfertigung möglich machen. Im ersten
Produktionsraum werden die zugelieferten Plastikscheiben „halbiert und plangedreht“,
erklärt Schwab. Das bedeutet, aus einem Kunststoffrohling werden später zwei Linsen
und sie erhalten durch das plandrehen eine glatte durchsichtige Oberfläche. Im
nächsten Raum bekommt die Linse
ihre typische Form mit den
Füßchen, den sogenannten
Haptiken, die später für den Halt im
Kapselsack sorgen. Die Linse muss
auf axialer Position bleiben, sonst
verändert sich die Dioptrie“, erklärt
Schwab.
Neues Material erfordert
ständige Kühlung im
Produktionsprozess
Der entscheidende Unterschied
Die "Flügel" oder "Füßchen" der Intraokularlinsen
werden auch Haptiken genannt, weil sie für die
Stabilität der Linse zuständig sind.
Quelle: Inken Sarah Mischke/VDI TZ
zwischen altem und neuem
Produktionsprozess ist die Kühlung
des Materials, das bei der
Produktion von pIOL mit dem
herkömmlichen hydrophilen
Material nicht nötig ist. Hydrophiles
Material ist wasserliebend und wird
bei Kontakt mit Flüssigkeit flexibel,
weil es Wasser sozusagen
aufsaugt. Bei Raumtemperatur im
trockenen Zustand ist es aber hart
Um die neuartigen ultradünnen phake
und bearbeitbar. Hydrophobes
Intraokularlinsen bearbeiten zu können, müssen Sie
Material ist dagegen bei
auf bis zu -12 Grad Celsius runtergekühlt werden.
Quelle: Inken Sarah Mischke/VDI TZ
Raumtemperaur ein flexibles
Material. Nur im tiefgekühlten
Zustand ist es zu bearbeiten. Um
das zu simulieren knetet Jürgen Schwab das zuvor gekühlte Ausgangsmaterial der
neuen pIOL in seiner Hand, das durch die Reibungswärme sofort biegsam und flexibel
wird. „Wir müssen unser Ausgangsmaterial auf -10 bis -12 Grad Celsius herunter
kühlen, um es so verwenden zu können, wie wir es brauchen“, erklärt Projektleiter
Mougharbel.
Linsen werden aufgefrostet
„In der Drehmaschine werden die neuen Linsen daher einzeln auf eine Pinole
aufgefrostet und auf Durchmesser, Dicke und die berechneten Radien für die optische
Wirkung gedreht“. Die Außenkontur der Linse mit der Haptik wird durch eine
Fräsmaschine gefräst. „Dabei werden die Linsen in einer Palette eingelegt, die, wie auch
die Pinole bei der Drehbearbeitung, gekühlt wird“, so Mougharbel. Dass alle Linsen
einwandfrei die Produktionsräume verlassen, dafür sorgen bei Human Optics, wieder
einen Raum weiter, die „Damen der
Qualitätskontrolle“, die sich jede
einzelne Linse unter dem Mikroskop
anschauen. „Anschließend sind die
herkömmlichen Linsen in einer
NaCL-Lösung hydratisiert und
sterilisiert worden“. In der gleichen
Lösung, die auch für Kontaktlinsen
verwendet wird. Abschließend wird
die Linse so verpackt, dass der
Operateur sie möglichst einfach mit
Die Außenkontur der Linse mit der Haptik wird
seinem Instrumentarium entnehmen
durch eine Fräsmaschine gefräst.
und sofort verwenden kann.
Quelle: Inken Sarah Mischke/VDI TZ
Klinische Studie zur CE-Zertifizierung wird angeschlossen.
„Die deutliche Verminderung ihres Volumens lässt für die neue Generation von PIOL
eine deutlich bessere Verträglichkeit und geringere Nebenwirkungen erwarten“, sagt
Mougharbel. Noch während des Projekts soll die Entwicklung des neuen PIOLModells so weit abgeschlossen werden, dass eine klinische Prüfung angeschlossen
werden kann. Dadurch soll eine CE-Zertifizierung erreicht werden, um die Linsen
möglichst schnell zur Marktreife zu bringen. Ein breiterer Einsatz des neuen Modells ist
denkbar, insbesondere um Menschen mit Alterssichtigkeit zu behandeln, bei denen die
herkömmliche Lasertherapie nicht greift. „Aber auch die Behandlung von Kurzsichtigen
ist ein Absatzfeld. Der große Vorteil gegenüber refraktiven chirurgischen Verfahren,
also etwa einer Lasertherapie, liegt darin, dass der Eingriff deutlich günstiger ist und mit
äußerst geringen Folgen wieder rückgängig gemacht werden kann.“
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