Lehrtext:Zweitlinientherapie des Hormonrezeptor

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Zweitlinientherapie des
Hormonrezeptor-positiven
Mammakarzinoms
Lehrtext
CONFIRM-Studie3
EFECT-Studie4
Verordnungsdatenanalyse4
Fulvestrant-Studien zur Erstlinientherapie
5
Doppelte endokrine Therapie
6
m-TOR-Hemmstoffe6
Antikörper-Therapie8
Fazit8
Fußnotenverzeichnis9
Impressum10
Hinweis:
Wenn aus Gründen der Lesbarkeit die männliche Form eines Wortes genutzt wird („der Arzt“),
ist selbstverständlich auch die weibliche Form („die Ärztin“) gemeint.
2
Therapie des postmenopausalen Hormonrezeptor-positiven, HER-2-negativen, fortgeschrittenen oder metastasierten Mamma-Karzinoms bei Progress während oder
nach einer ersten endokrinen Therapie
Im Zusammenhang mit der neuen Wirkstoffvereinbarung in Bayern haben sich für das Ziel Nummer 11, endokrine Therapie,
vermehrt Stimmen aus der onkologisch tätigen Ärzteschaft gemeldet, die angemerkt haben, dass es für den Östrogenrezeptor-Antagonisten Fulvestrant/Faslodex® keine therapeutische
Alternative gäbe und deshalb dieser Wirkstoff aus der Betrachtung herausgenommen werden müsse. Im vorliegenden Text soll
der Stellenwert dieses Wirkstoffs im Vergleich zu möglichen therapeutischen Alternativen näher beleuchtet werden. Daraus
sollte sich eine Vorstellung von dem vorhandenen Versorgungsbedarf ableiten lassen. Gleichzeitig sollte deutlich werden, dass
innerhalb des durch die Quotenregelung belassenen Spielraums
für Originalpräparate ausreichend Möglichkeit für den Behandler
besteht, die infrage kommenden Patientinnen angemessen zu
versorgen. Seit dem 1. Januar 2016 steht der Wirkstoff Fulvestrant auch generisch zur Verfügung.
Fulvestrant ist zugelassen zur Behandlung von postmenopausalen Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom, bei Rezidiv während
oder nach adjuvanter Antiöstrogen-Therapie oder bei Progression
der Erkrankung unter der Behandlung mit einem Antiöstrogen.
Strukturformel Wirkstoff Fulvestrant
mertherapie wurde von der europäischen Zulassungsbehörde
EMA 2010 versagt [1]. Begründet wurde die Entscheidung unter
anderem damit, dass die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung (primärer Endpunkt der Studie CONFIRM) zwar nach einer
endokrinen Therapie mit einem Antiöstrogen/Tamoxifen signifikant verlängert wurde, nicht aber nach einer Therapie mit einem
Aromatase-Hemmer (siehe Abbildung 2). Auch mangelte laut
EMA die Studie an einem Placebo-Arm parallel zu den Fulvestrant-Armen (250 und 500 mg). Hätte es einen solchen gegeben, hätte auch für die Patientinnen, die vorab mit einem Aromatasehemmer behandelt worden waren, gezeigt werden können, dass im Vergleich zu einer Placebogabe die hohe Dosis
Fulvestrant das Fortschreiten der Erkrankung eventuell signifikant verlängert. So bleibt der Verdacht, dass diese Patientinnen
von Fulvestrant nicht profitieren. Ethisch wäre ein Placebo-Arm
aber sicher schwer durchsetzbar gewesen.
Die Patientinnen, die im Rahmen der CONFIRM-Studie entweder mit 500 mg oder 250 mg Fulvestrant einmal monatlich behandelt worden waren, hatten ein medianes progressionsfreies
Überleben (PFS) von 6,5 beziehungsweise 5,5 Monaten. Nach
einem Jahr Therapie standen noch 34 Prozent beziehungsweise
25 Prozent der Patientinnen ohne Progress unter FulvestrantTherapie. Die Randomisierung der 736 Patientinnen erfolgte
von 2005 bis 2007. Die erste Endauswertung fand 2009 statt,
die letzte 2011. 2011 befanden sich noch knapp drei Prozent
der Patientinnen unter Fulvestrant-Therapie, was bedeutet, dass
einzelne Frauen auch länger als zwei Jahre profitieren können.
Man kann aber davon ausgehen, dass nach 1,5 Jahren Therapie
(entsprechend sechs Quartalen) eine Zweitlinien-Therapie mit
Fulvestrant in der Regel an ihre Grenzen gestoßen ist.
Forest-Plot Darstellung der Subgruppen in Abhängigkeit von der
Vorbehandlung
Abbildung 1 Quelle: Cancer drug discovery platform
CONFIRM-Studie
Streng genommen beschränkt sich diese Zulassung auf eine vorangegangene Therapie mit Tamoxifen und nicht mit einem Aromatase-Hemmer. Der Antrag auf eine Zulassungserweiterung
der 500 mg-Dosierung nach vorangegangener Aromatasehem-
Abbildung 2
Ergebnisse der CONFIRM-Studie zum primären Endpunkt der Zeit bis zum
Fortschreiten der Erkrankung und zum Gesamtüberleben, das sekundär
miterhoben wurde, dargestellt als Forest-Plot1; TTP: time to progression; OS:
overall survival; AI: Aromatase-Inhibitor; AO: Antiöstrogen; HR: hazard ratio; CI:
Konfidenzintervall
3
Auch schon für die Erstzulassung 2004 in der 250 mg Dosierung war in den Zulassungsstudien kein Placebo-Arm mitgelaufen, der hätte zeigen können, dass nach Versagen einer ersten
endokrinen Therapie mit einem Antiöstrogen (über 95 Prozent
Tamoxifen) gegenüber einer Placebo-Behandlung eine signifikante Progressverzögerung eintritt. Damals war der fehlende
Placebo-Arm nicht moniert worden. Hier war nur eine Nichtunterlegenheit gegenüber einer Anastrozol-Therapie mit Zeit bis
zum Progress von 5,5 Monaten unter Fulvestrant versus 4,1
Monaten unter Anastrozol (HR = 0,95, 95 Prozent KI = 0,821,10; p = 0,48) gezeigt worden, obwohl ursprünglich die Studien
auf Überlegenheit angelegt worden waren [2]. Für eine Nichtbehandlung ging man von einer Zeit bis zum Progress von drei Monaten aus.
EFECT-Studie
In der EFECT Studie wurden Exemestan 25 mg und Fulvestrant
250 mg (an Tag 0, 14, 28 und danach alle vier Wochen) bei Progress oder Rezidiv nach einer Aromatasehemmer-Therapie
untersucht. Von diesen Patientinnen hatten nur zirka zehn Prozent einen Aromatasehemmer adjuvant erhalten. Über die Hälfte der Patientinnen hatte bereits eine Vorbehandlung mit mindestens zwei verschiedenen endokrinen Therapien bekommen.
Etwas mehr Frauen in der Fulvestrant-Behandlungsgruppe hatten Östrogenrezeptor-positive und Progesteronrezeptor-positive
Tumoren (67,5 Prozent versus 56,4 Prozent). Nach median 3,7
Monaten schritt unter beiden Therapien die Erkrankung fort (HR
= 0,96, 95 Prozent KI 0,82-1,13; p = 0,65) [3]. Die Dauer des
klinischen Ansprechens betrug unter Fulvestrant 13,5 Monate
und unter Exemestan 9,8 Monate. Auch hier gab es keinen
Placebo-Arm.
Exemestan hat historisch bedingt neben seiner Zulassung als
adjuvante Therapie auch nur eine Zulassung nach einem Antiöstrogen und nicht nach einem Aromatase-Hemmer bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs. Die
Kombination aus Exemestan und Everolimus jedoch ist explizit
zugelassen nach Therapie mit einem nicht-steroidalen Aromatase-Hemmer bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs.
Strukturformel Wirkstoff Exemestan
Abbildung 3 Quelle: Cancer drug discovery platform
Verordnungsdatenanalyse
In einer Analyse bayerischer Verordnungsdaten über zwei Jahre
(2013-2014) untersuchten wir für das vierte Quartal 2013 als
sogenanntes Index-Quartal, wie viele Patientinnen als mögliche
Second-Line-Therapie Fulvestrant, Exemestan oder Exemestan
in Kombination mit Everolimus erhalten haben (siehe Abbildung
4).
Wir fanden im Index-Quartal 732 Patientinnen mit einer Fulvestrant Verordnung. 2729 Patientinnen bekamen Exemestan allein
verordnet und 183 Patientinnen eine Kombination aus Exemestan mit Everolimus. Fünf Patientinnen erhielten Everolimus allein.
Drei Patientinnen erhielten Letrozol beziehungsweise Fulvestrant
mit Everolimus.
Darstellung der Verteilung der Patientinnen anhand
ihrer Arzneimitteltherapie im vierten Quartal 2013
Exemestan
Fulvestrant
Everolimus plus Exemestan
183; 5 %
5; 0,1 %
3; 0,08 %
732; 20 %
2729; 75 %
Abbildung 4
4
Quelle: KVB
Bei der Analyse der Verordnungsdaten kann nicht danach untergliedert werden, ob die Patientinnen sich in einer adjuvanten
oder fortgeschrittenen/metastasierten Therapiephase befinden,
da die ICD-Codierung eine solche Unterscheidung nicht vorsieht. Deshalb können die genannten Verordnungszahlen einen
hohen Anteil an Verordnungen einschließen, die zur adjuvanten
oder First-Line-Therapie im fortgeschrittenen Stadium gemacht
wurden. Um eine solche Abgrenzung näherungsweise vorzunehmen, wurden in einem nächsten Schritt mutmaßliche adjuvante/first-line Patientinnen ausgeschlossen. Abgeleitet aus den
Ergebnissen der CONFIRM- und der EFECT-Studie wurden die
Patientinnen aus der Betrachtung herausgenommen, die mehr
als sechs Quartale Fulvestrant erhalten haben und mehr als vier
Quartale Exemestan (siehe Abbildung 5).
Nach Vornahme der genannten Eingrenzung (Fulvestrant maximal über sechs Quartale/1,5 Jahre, Exemestan über maximal
vier Quartale/ein Jahr) und unter Ausschluss der einzelnen
off-label Verordnungen (Everolimus allein oder in Kombination
mit Letrozol beziehungsweise Fulvestrant) verblieben 1649
Patientinnen. Von diesen bekamen 966 Patientinnen (59 Prozent) Exemestan, 514 Patientinnen (31 Prozent) Fulvestrant
und 160 Patientinnen (knapp zehn Prozent) die Kombination
aus Exemestan und Everolimus.
Darstellung der Verteilung der Patientinnen anhand ihrer Arzneimitteltherapie im vierten Quartal 2013 nach Ausschluss mutmaßlicher Erstlinientherapien
Exemestan
Fulvestrant
Everolimus plus Exemestan
160; 10 %
514; 31 %
966; 59 %
Abbildung 5
Quelle: KVB
Fulvestrant-Studien zur
Erstlinientherapie
Die FIRST-Studie [4] ist die bisher einzige veröffentlichte Studie zur Erstlinientherapie mit Fulvestrant allein beim metastasierten Brustkrebs. Die Patientinnen hier hatten zu über
70 Prozent auch adjuvant noch keine endokrine Therapie bekommen. In dieser Phase II Studie wurde Fulvestrant 500 mg
(Tag 0, 14, 28 und dann alle vier Wochen) offen, randomisiert,
multizentrisch und parallel zu Anastrozol 1 mg einmal täglich
primär im Hinblick auf den weichen Endpunkt klinischer Nutzen
untersucht. Klinischer Nutzen lag vor, wenn die Patientin ein
komplettes oder partielles Ansprechen oder eine stabile Erkrankung über sechs Monate zeigte. Für diesen primären Endpunkt
zeigte sich für die zirka 200 Patientinnen kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Sekundär fand sich hypothesengenerierend jedoch bei der Zeit bis zum Progress ein gerade
nicht signifikanter Vorteil für Fulvestrant (HR = 0,63; 95 Prozent
KI = 0,30-1,00; p = 0,05). Entsprechend wird in der aktuell laufenden FALCON-Studie, einer Phase III Studie bei endokrin
nicht vortherapierten Patientinnen mit fortgeschrittenem oder
metastasiertem Brustkrebs, das progressionsfreie Überleben
als primärer Endpunkt unter Fulvestrant versus Anastrozol untersucht [5]. Deren Ergebnisse bleiben abzuwarten, um beurteilen zu können, ob bei Patientinnen ohne endokrine Vortherapie
und mit fortgeschrittenem Brustkrebs Fulvestrant gegenüber
Aromatasehemmern einen Vorteil im progressionsfreien Überleben bringt. Im September 2015 wurden die post-hoc Daten zum
Gesamtüberleben der FIRST-Studie nachgereicht, nachdem 65
Prozent (63 Fulvestrant- und 74 Anastrozol-Patientinnen) verstorben waren [6]. Es errechnete sich ein medianes Gesamtüberleben von 54,1 Monaten unter Fulvestrant und 48,4 Monaten unter Anastrozol. Da die Untersuchung erst nachträglich
vorgenommen wurde, nachdem die Daten zum PFS vielversprechend aussahen, kann der Überlebensvorteil auch ein Zufallsbefund gewesen sein. Im Rahmen der FALCON-Studie werden sekundär die Daten zum Gesamtüberleben erhoben. Deren Ergebnisse bleiben abzuwarten, wobei eine Studie mit primärem Zielparameter „Lebenszeitverlängerung“ nach wie vor aussteht und
ein entsprechender Beweis auch durch die FALCON-Studie
nicht erbracht werden kann.
Das bedeutet umgekehrt, dass 218 Patientinnen Fulvestrant
länger als 1,5 Jahre bekommen haben. Das wäre fast jede dritte
Fulvestrant-Patientin.
5
Doppelte endokrine Therapie
Die FACT-Studie untersuchte, ob eine doppelte endokrine
Therapie mit Fulvestrant 250 mg einmal monatlich (inklusive
doppelter Anfangsdosis und einer zusätzlichen Dosis zwei Wochen
später) plus Anastrozol 1 mg täglich gegen Anastrozol 1 mg
täglich allein in der Erstlinientherapie nach Rückfall Vorteile
bringt [7]. Zwei Drittel der Patientinnen hatten im Rahmen ihrer
adjuvanten Therapie vorrangig Tamoxifen bekommen. Der Anteil
der Patientinnen, bei denen zwischen adjuvanter Therapie und
Rückfall nur ein kurzes Zeitintervall (zwölf Monate) lag, war gering (sieben Prozent). Der primäre Endpunkt der Zeit bis zur Progression sowie sämtliche sekundäre Endpunkte unterschieden
sich nicht zwischen den Therapiearmen. Die Patientinnen waren
nach zehn bis elf Monaten progredient und verstarben median
nach drei Jahren und zwei Monaten. Bis auf Hitzewallungen,
die unter der Kombination signifikant häufiger auftraten, unterschieden sich die unerwünschten Ereignisse nicht.
Das Prinzip einer doppelten endokrinen Blockade wurde ungefähr zeitgleich in der SoFEA-Studie untersucht. Nach dem Versagen einer mindestens zwölfmonatigen adjuvanten oder mindestens sechsmonatigen First-Line-Therapie mit einem nichtsteroidalen Aromatasehemmer bekamen die Patientinnen mit
fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs entweder
Fulvestrant 250 mg einmal monatlich (inklusive doppelter Anfangsdosis und einer zusätzlichen Dosis zwei Wochen später)
plus 1 mg Anastrozol täglich oder Fulvestrant in gleicher Dosierung plus Placebo oder 25 mg Exemestan täglich allein [8].
Das Ergebnis war erneut ernüchternd, spiegelt jedoch gut die
bisher gewonnenen Daten zum Ausmaß der Verlängerung des
PFS wider. Das progressionsfreie Überleben der Patientinnen
unter Kombinationstherapie wurde um 4,4 Monate (95 Prozent
KI 3,4 - 5,4) verlängert, das unter Fulvestrant plus Placebo um
4,8 Monate (95 Prozent KI = 3,6 - 5,5) und das unter Exemestan
um 3,4 Monate (95 Prozent KI = 3,0 - 4,6). Erwartungsgemäß
erreichte keiner der statistischen Vergleiche Signifikanz.
m-TOR-Hemmstoffe
Hemmstoffe des „mammalian target of rapamycine“ (mTOR)
sollen die Resistenzentwicklung der hormonabhängigen Krebszellen gegenüber Aromatase-Hemmern eindämmen, da es Hinweise darauf gibt, dass die Malignomzellen im Laufe der Resistenzentwicklung unter anderem lernen, über den PI3K/Akt/
6
mTOR- Signaltransduktionsweg auszuweichen und weiter zu
proliferieren [9].
In der explorativen TAMRAD Phase II-Studie wurden 111 hormonrezeptor-positive, HER-2-negative Patientinnen mit Aromatasehemmer-resistentem, metastasiertem Brustkrebs randomisiert und offen einer Therapie mit Everolimus 10 mg einmal
täglich zusätzlich zu Tamoxifen 20 mg täglich oder einer alleinigen Tamoxifen-Therapie zugeführt [10]. Der primäre Endpunkt,
die klinische Nutzenrate (komplettes oder partielles Ansprechen
oder stabile Erkrankung nach sechs Monaten), betrug unter der
Kombination 61 Prozent (95 Prozent KI = 47 - 74), unter Tamoxifen allein 42 Prozent (95 Prozent KI = 29-56). Patientinnen, deren Tumor definitionsgemäß sekundär resistent war, profitierten
vorrangig von der Kombination (klinische Ansprechrate von 74
Prozent). Sekundär resistent galt ein Tumor dann, wenn der
Krankheitsprogress nach Beendigung der AromatasehemmerTherapie im adjuvanten Einsatz erst über ein halbes Jahr später
eintrat oder wenn der Tumor während der AromatasehemmerTherapie im metastasierten Stadium mindestens ein halbes Jahr
lang angesprochen hatte. Diese sogenannten sekundär resistenten Patientinnen profitierten auch beim Endpunkt „Zeit bis
zum Progress“. 14,8 Monate (95 Prozent KI = 7,5 - 22,3) standen hier 5,5 Monaten (95 Prozent KI = 3,7 - 10,2) bei den primär resistenten Tumoren gegenüber. Zum Gesamtüberleben ist
nichts bekannt, was anhand der geringen Patientenzahl auch
nicht zu erwarten ist. Allerdings ist bisher auch keine entsprechende Phase III Anschluss-Studie begonnen worden.
Um zu überprüfen, ob die Hinzugabe eines mTOR-Inhibitors zu
einem Aromatasehemmer von Anfang an die Resistenzentwicklung abbremst, untersuchte man im Rahmen der HORIZON-Studie primär die Entwicklung des PFS unter einer Kombination von
30 mg Temsirolimus oral täglich für fünf Tage eines zweiwöchigen Zyklus zusätzlich zur täglichen Einnahme von 2,5 mg Letrozol im Vergleich zu Letrozol allein plus Placebo [11]. Sekundär
wurde auch das Gesamtüberleben (OS) erfasst. Die Verteilung
auf die Untersuchungsarme war unausgewogen im Hinblick auf
den HER-2-Status: 23 Prozent der Patientinnen im Kombinationsarm und 18 Prozent im Monotherapiearm wiesen einen positiven HER-2-Status auf, während zusätzlich bei 36 beziehungsweise 35 Prozent der Status unbekannt war. 40 Prozent der
Studienteilnehmerinnen hatten zuvor adjuvant eine endokrine
Therapie bekommen, wobei nicht dokumentiert wurde, welche
Therapie. Man nimmt seitens der Autoren an, dass dies überwiegend Tamoxifen war und kein Aromatasehemmer. Nach me-
dian 9,5 Monaten Beobachtung wurde die Studie mangels Wirksamkeit der Kombinationstherapie vorzeitig abgebrochen. Sowohl PFS als auch OS unterschieden sich nicht; medianes PFS
8,9 versus 9,0 Monate, HR = 0,90 (95 Prozent KI = 0,76 - 1,07)
und OS-HR = 0,89 (95 Prozent KI = 0,65-1,23). Post-hoc wurde
die Gruppe derjenigen Frauen identifiziert, die vorrangig von der
zusätzlichen Therapie mit Temsirolimus profitiert hatte. Dies waren die Patientinnen die maximal 65 Jahre alt waren. Typische
schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen von mTOR-Hemmstoffen traten erwartungsgemäß häufiger auf als unter Placebo:
Asthenie, Mucositis/Stomatitis, Diarrhöe, Kopfschmerz, Anorexie und Hautausschlag.
Strukturformel Wirkstoff Everolimus
Abbildung 6 Quelle: Cancer drug discovery platform
Ausschlaggebend für die Zulassung von Everolimus in Kombination mit Exemestan zur Therapie des fortgeschrittenen, metastasierten hormonrezeptor-positiven, aber HER-2-negativen Brustkrebs nach Rezidiv oder Progress unter einer vorgeschalteten
nicht-steroidalen Aromatasehemmer-Therapie, sofern keine
symptomatischen viszeralen Metastasen vorliegen, war die zulassungsrelevante Bolero-2-Studie [12]. 724 Patientinnen wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert auf einen Kombinationsarm
(Everolimus 10 mg täglich plus Exemestan 25 mg täglich) und
einen Placebo-Monotherapiearm (Placebo plus 25 mg Exemestan täglich) verteilt. Eine Stratifizierung erfolgte hinsichtlich vorhandener Bauchmetastasen und vorangegangenes Ansprechen
auf die Aromatasehemmer-Therapie, definiert als mindestens
24-monatige rückfallfreie adjuvante Therapie oder mindestens
24-wöchige stabile Erkrankung im metastasierten Stadium un-
ter Anastrozol oder Letrozol. Die Tumoren mussten resistent gegenüber nicht-steroidalen Aromatasehemmern sein, was entsprechend definiert wurde als Progress innerhalb von zwölf Monaten nach beendeter adjuvanter Therapie oder innerhalb von
einem Monat nach Abschluss der letzten Therapie der fortgeschrittenen Erkrankung. Vorangegangene Therapien durften mehr
als eine endokrine Therapie sein und auch eine einmalige Chemotherapie war zulässig. Neben der bei allen durchgeführten
Vorbehandlung mit Letrozol oder Anastrozol war knapp die Hälfte der Population mit Tamoxifen vorbehandelt und 16 Prozent
mit Fulvestrant. Knapp 70 Prozent waren Chemotherapie-vorbehandelt. Gemäß Definition waren 84 Prozent zuvor endokrinsensitiv gewesen. Der primäre Endpunkt PFS, welches durch
den lokalen Studienleiter bestimmt werden sollte, wurde durch
die Kombination um zirka vier Monate verlängert: 6,9 Monate
progressionsfreies Überleben unter Everolimus/Exemestan gegenüber 2,8 Monaten unter Placebo/Exemestan (HR = 0,43, 95
Prozent KI = 0,35-0,54, p < 0,001). Zusätzlich wurde das PFS
zentral beurteilt, wobei sich deutlich unterschiedliche Werte ergaben: 10,6 Monate unter der Kombination versus 4,1 unter
Exemestan mit Placebo. Hieran wird deutlich, wie unterschiedlich eine Bewertung dieses Parameters anhand von bildgebenden Verfahren ausfallen kann. Beurteilte der behandelnde Arzt
vor Ort die Patientin als progredient, so war der primäre Endpunkt erfüllt und es wurden alternative Therapien angeboten.
Fiel dann die zentrale Beurteilung anders aus, wurde die Patientin ohne ein entsprechend dokumentiertes Ereignis (Progress)
für die zentrale Auswertung ab dem Zeitpunkt zensiert, zu dem
das letzte Mal kein Progress festgestellt worden war. Danach
wurde die Patientin aus der Grundgesamtheit ausgeschlossen.
Da bei der lokalen Begutachtung dieselbe Patientin mit Progress
in die Auswertung einging, bei der zentralen jedoch nicht, führte
dies zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Nichtsdestotrotz
geht beide Male der Effekt in dieselbe Richtung. Der Effekt ist
auch über alle Subgruppen hinweg gleichgerichtet, was auch für
die intensiv vorbehandelten Patientinnen inklusive Fulvestrant
und Chemotherapie gilt. Median überlebten die Frauen mit der
Kombinationstherapie 31,0 Monate (95 Prozent KI = 28,0-34,6),
während die Frauen der Placebo/Exemestan-Gruppe 26,6 Monate median überlebten (95 Prozent KI = 22,6-33,1), HR = 0,89
(95 Prozent KI = 0,73-1,10; p = 0,14) [13]. Das nur numerisch
verlängerte Gesamtüberleben mag damit zusammenhängen,
dass in der Placebogruppe mehr Patientinnen bei Progress einer
Chemotherapie zugeführt wurden (63 Prozent versus 53 Prozent
nach Everolimus/Exemestan). Die typischen unerwünschten
Arzneimittelwirkungen der mTOR-Hemmstoffe wie Stomatitis
7
und Hautausschlag mögen die Verblindung ad absurdum geführt
und den Studienarzt dazu bewogen haben, Patienten ohne diese
Nebenwirkungen bei Progress einer intensiveren Chemotherapie zuzuführen. Auch wird diskutiert, ob durch die mTOR-Hemmung intrazellulär eine negative Rückkopplung ausgelöst wird,
die über eine Vermittlung von IGF-1-Rezeptoren zu einer Überaktivierung von Akt führt. Diese Aktivierung könnte das Ansprechen auf nachgeschaltete Therapieversuche erschweren und
den gesehenen Therapieeffekt wieder minimieren.
Dass dennoch insgesamt die realen Verordnungsdaten, die in
der vorliegenden Untersuchung für Bayern erhoben wurden, nicht
dem Umstand Rechnung tragen, dass für die Wirkstoffkombination aus Everolimus und Exemestan die Datenlage noch am
ehesten dafür spricht, dass die Patientinnen eine gewisse Zeitspanne profitieren, mag an dem deutlich höheren Potential für
schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen liegen.
Antikörper-Therapie
Im Rahmen der Analyse des Verordnungsgeschehens der Jahre
2013 und 2014 haben wir für die Patientinnen, die Ende 2013
Exemestan, Fulvestrant oder Everolimus mit Exemestan erhalten
hatten, im darauf folgenden Jahr 2014 Patientinnen zusammengefasst, die Antikörper- und Zytostatika-Zubereitungen sowie
Capecitabin/Xeloda® bekommen haben. Von den 1649 definierten Second-Line-Patientinnen des Quartals 4/2013 bekamen 148 Patientinnen im Jahr 2014 einen Antikörper als Zubereitung verabreicht. Dies sind knapp neun Prozent. Bei den in
Betracht kommenden Antikörpern zur Behandlung des Mammakarzinoms dürfte in der Regel in der betrachteten Therapiesituation Bevacizumab/Avastin® verordnet worden sein. Ein
Drittel dieser Antikörper-Patientinnen bekamen den Antikörper
in demselben Quartal begleitend zu einer Zytostatika-Zubereitung oder zu oralem Capecitabin verordnet. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass zwei Drittel, nämlich 92 Patientinnen,
keine entsprechende Kombination verordnet bekamen und dies
dann außerhalb der Zulassung erfolgt sein mag. Abgesehen davon, dass der Wirkstoff Bevacizumab nur zur First-Line-Anwendung beim metastasierten Brustkrebs den formalen Zulassungsweg beschritten hat und damit die gesehenen Verordnungszahlen sich in einer gewissen Grauzone bewegen, wird seit den Vorgängen rund um die Marktrücknahme der Substanz für diese
Indikation in den USA Ende 2011 und einer abgemilderten Reaktion der EMA die Substanz kritisch beurteilt.
8
Fazit
Auch wenn zahlreiche Onkologika aufgrund der Verlängerung
des progressionsfreien Überlebens zugelassen wurden, muss
eine Verlängerung des Gesamtüberlebens unter Beibehaltung
akzeptabler Lebensqualität der Goldstandard bleiben. Zwar mag
dies in einer Tumorentität mit mittlerer Lebenserwartung wie
dem Brustkrebs schwieriger zu erreichen sein. Für bahnbrechende Therapiefortschritte wie beispielsweise die Hormondeprivation bei hormonempfindlichen Tumoren ist dies in der
Vergangenheit jedoch auch schon gelungen. Eine kürzlich zur
Therapie des fortgeschrittenen, rezidivierten Nierenzellkarzinoms vorgestellte Studie, in der Nivolumab gegen Everolimus
getestet wurde (CheckMate 025), stellt ein Beispiel dafür dar,
dass PFS und OS nicht zwingend korrelieren müssen. Hier war
das Gesamtüberleben um mehr als fünf Monate bei gleichlangem PFS durch das Verum verlängert worden [14].
Fußnotenverzeichnis
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9
Impressum
Herausgeber:
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns
Elsenheimerstraße 39
80687 München
www.kvb.de
Autor:
Dr. Kerstin Behnke
Redaktion, Grafik und Layout:
Referat Vertragspolitik und
Arzneimittel
Stabsstelle Kommunikation
Bilder:
iStockphoto.com/MarsBars
(Titelseite)
Stand:
Februar 2016
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