DAS AKTUELLE INTERVIEW I "Jede Musik geht aus der Stille ~ervor" f) i_~,'='A2Rainer Schütz dirigiert am Sonntag, 1. April, im Kuko sein Abschiedskonzert vom Rosenheimer MusikVerein Rainer Schütz sitzt vollkommen entspannt auf dem Sofa des kteinen Rosenheimer Cafes, entspannt und doch voll inneren Tatendrangs. Trotzdem beendet er mit einem Konzert am 1: April im Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum nach 20 Jahren seine Tätigkeit als künstlerischer Leiter des Musikvereins Rosenheim. Wir haben ihn zu diesem Entschluss befragt. Rainer Schütz, nach genau 20 Jahren als künstlerischer Leiter des Musikvereins Rosenheim geben Sie nun Ihr Abschiedskonzert Warum hören Sie auf? Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen. Man rriuss sich fragen, wann der Absprung zu schaffen ist. Alles hat seine Zeit, und so habe auch ich gefunden, dass 20 Jahre genug sind. Ich. will ja auch dem Musikverein eine Perspektive eröffnen. Das Zweite ist, dass ich auch vielleicht noch andere Dinge .machen möchte, die für mich wichtig . sind in meiner Pfarrei. Und ·meine Familie braucht auch ein bisschen Zeit. Hören Sie auch als hauptamtlicher Kirchen" musiker der pfarrei Mariä !l ehe, die . werden mir schon: fehlen, das gebe ich zu. Haben Sie in Ihrer Zeit als Leiter des Musikvereins alles dirigiert, was Sie dirigieren wollten oder haben Sie noch einen heimlich gehegten Wunsch? Nein. Ich habe natürlich nicht alles dirigiert; vieles durfte ich machen, das war ein großes Geschenk. Eine ·"Matthäuspassion" zu stemmen oder einen "Elias" oder einen "Paulus" ist nicht selbstverständlich. Aber: Wünsche, die in verschiedene Richtungen gehen, hab~ ich immer noch: etwa unbekanntere Werke· zu machen, auch etwas aus dem 20. Jahrhundert. stantinescu hatten wir ein tolles Solistenensemble, und die ·Chöre waren sehr gut: Das hat mich damals persönlich sehr beeindruckt. Neben all den großen Werken hat mich auch "Peter und der Wolf" (von Sergei Prokofiew, d. Red.) beeindruckt. Da hatten wir mehrere Vorstellungen im Kuko mit der Ballettschule, den Grassauer Bläsern, dem Musikvereinsorchester und dem Sprecper Achim Höppner. Diese Art, etwas szenisch arufzuführeri, · hat mir sehr viel Freude gemacht. · muliert und begeistert. Bei der Presse hätten wir vielleicht ab und zu mehr Aufmerksamkeit haben können Herr Schütz, Sie haben im Vorfeld, bei der. Ankündifür Ihr Abschiedskonzert gimg. Es ist ja doch der ältes-. gewichtige Werke ge- te Verein in Rosenheim, der wählt: Beethovens Klavier- als Musikverein eine ganz konzert Nr. 5 mit dem Ro- lange Tradition hat, das ist senheimer Pianisten Her- etwas unschätzbar Wertvolbert Schuch und Schuberts les. lieh ein Credo von mir. Das sind natürlich Momente, die ich beim A-cappella-Dirigieren feinstens ausloten kann. große Es-Dur-Messe: Warum gerade diese? Herbert Schuch hatte mit mjr und dem Musikverein seinen ersten. i;)ffentlichen Auftritt Rainer Schütz FOTO : JANKA mit Beethovens 3. Klavi€rHimmelfahrt in Prien auf? konzert. Dann hat er von Nein, in keiner Weise, ich meinem Abschied erfahren Was ist eigf!!ntlich will natürlich noch viele Felschwerer zu · dirigieren: und gesagt: "Da müssen wir der der Kirchenmusik beChor oder Orchester? Und zusammen was . machen ackern. Ich habe ja dort auch wen haben Sie am liebsten aber dann Beethovens 5. vielfältige Aufgaben in der Wenn Sie die imponiedirigiert? Klavierkonzert!" Die Schurend große Zahlihrer Kon- Ach - ich weiß es nicl:lt. Es bert-Messe wird relativ selten Ausbildung der jungen Kirz~rte Revue passieren las.chenmusiker und in der Piarist natürlich eine Umstellung, aufgeführt, sie spiegelt Schusen: Sie haben 66 Werke wenn ich das Orchester allei- . berts Persönlichkeit stark wirei, das ist noch eine Menge von 18 Komponisten auf- ne habe. Als Chordirigent di- der, und er selber hat gesagt, Arbeit. geführt, die meisten von rigiert man meistens etwas zu. sie sei sein reifstes und größEine gefährliche Fra· Bach, Beethoven, Mozart ' groß, ein Chor muss sehr tes Werk. Für mich ist Schuge: Welche der beiden Tä tigkeiten war oder ist Ihund Mendelssohn-BaJthol- a-cappella-mäßig dirigiert bert einer der ganz großen dy, darunter alle großen werden, während die rhyth- Komponisten. Diese Messe nen lieber, Ihnen mehr Oratorien. Welche Auffüh- mische Klarheit beim Or- beinhaltet so viel Archai" Herzensanliegen? rungen waren für Sie wa- ' ehester wesentlich anders ist. .sches, aber dann doch wieIch glaube, dass sich beides rum am bedeutendsten, Das in der Schlagtechnik zu der so viel moderne Harmoein bisschen gegenseitig bebleiben Ihnen am meisten vereinigen, ist oft sehr span- nien, er mäandert da eigentfruchtet hat, weil ja auch der Musikvereins-Chor immer . im .Gedächtnis? nend. Allein schon die Blä- lich durch die Tonarten ein bisschen verstärkt wurde Auf alle Fälle der "Elias" seransätze brauchen ein ganz durch. von der Cappella Voc.:lle (von Felix Mendelssohn7Bar- anderes Dirigat. "Lieber" Haben Sie sich in Ihrer · oder auch von der Chorge- tholdy, die Red.), der ganz kann ich nicht sagen - es künstlerischen Tätigkeit immer genug wertgemeinschaft Mariä Himmel- eindrucksvoll rübergekom- kommt auf das Werk an, aber schätzt gefühlt? Oder fahrt. Deswegen kann ich men ist. ·Wir hatten einen tol- ich dirigiere ganz gern auch mussten Sie manchmal mit beides nicht voneinander len Elias mit Kay Stiefer- mal eine Sinfonie (lacht), das der Presse oder dem Publitrennen. Aber: In meinem In- mann und mit Susanne Bern- macht Spaß! Wenn man den kum hadern? nersten bin ich natürlich lei- hard. "Höre, Israel" - das Klang richtig spürt in den denschaftlicher Kirchenmusi- hab ich immer noch im Ohr, Händen! Wobei: Jede Musik Mit dem Publikum habe ich ker. Wobei - diese Werke, das war berückend schön - geht aus der Stille,· aus ·dem nie gehadert; im Gegenteil: wie ich sie am 1. April ma-. und auch mit Roxana Con- Piano hervor. Das ist wirk- Das Publikum hat uns oft sti}' Wir dürfen schon verraten, dass der Musikverein einen neuen künstlerischen Leiter gewählt hat: Thomps J. Mandl, bisher Chefdirigent der Bad Reichenhaller Philharmonie. Waren · Sie in diese Wahl eingebunden? Nein - ·ich habe mich be-wusst aus dem ganzen Proce.dere herausgehalten, denn der Verein soll ja seinen weiteren Weg selber bestimmen. Unterstützen Sie diese Wahl? Ja, selbstverständlich, insofern, dass ich hoffe, dass es zu neuen Ufern geht, vielleicht zu neuen Programmen, zu einem neuen Blickwinkel. Ich wünsche meinem Nachfolger viel Glück! Zum Schluss noch eine kleine gemeine Frage: Bereuen Sie Ihren Entschluss schon? ' (lacht) Mit Sicherheit gehe ich auch mit einem weinenden Auge, weil ich reiche und wunderbare menschliche und musikalische Begegnungen machen durfte. Das wird sicher ein etwas wehmütiger Abschied werden. Interview: Rainer W. Janka