Chemische Thermodynamik

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Chemische Thermodynamik
Andreas Heintz
30. Mai 2006
Inhaltsverzeichnis
1
2
Grundbegriffe
1
1.1
1.2
1.3
1
3
4
Mathematische Grundlagen zur Behandlung von thermodynamischen Zustandsfunktionen
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
3
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Thermische Zustandsgleichung, Ausdehnungskoeffizient und Kompressibilität
Die van der Waals-Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die verallgemeinerte Zustandsgleichung durch Virialentwicklung . . . . . . .
Andere Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Volumina von Mischungen, partielles molares Volumen . . . . . . . . . . . .
Partielle molare Volumina in realen Gasmischungen . . . . . . . . . . . . . .
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Die Begriffe Arbeit, Wärme und innere Energie . . . . . . . . . .
Die Enthalpie als Zustandsgröße. Der Joule-Thomson-Prozess . .
Enthalpieberechnungen und Exzessenthalpien fluider Mischungen
Reaktionsenthalpien chemischer Reaktionen . . . . . . . . . . . .
Standardbildungenthalpien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
9
11
12
13
15
17
20
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
5
Totales Differential, Wegunabhängigkeit des Integrals . . . .
Variablentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Schwarz’sche Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Homogene Funktionen und Euler’sche Gleichung . . . . . .
Legendre-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Pfaff’sche Differentialform und der integrierende Nenner
Das Volumen als Zustandsfunktion
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
4
Thermodynamische Systeme und Zustandsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Maße für Stoffmengen und stoffliche Zusammensetzungen. Molare Größen . . .
Thermisches Gleichgewicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
22
26
27
31
34
36
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36
44
50
52
57
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
59
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
5.8
5.9
59
63
65
69
75
79
82
89
93
Quasistatische thermodynamische Prozesse: Isothermen und Adiabaten . . . . .
Die Verallgemeinerung von quasistatischen Prozessführungen: polytrope Prozesse.
Der Carnot’sche Keisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Entropie als Zustandsfunktion und die Definition der absoluten Temperatur .
Aus der Entropie abgeleitete thermodynamische Beziehungen . . . . . . . . . .
Dissipierte Arbeit und irreversible Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gleichgewichtskriterien, irreversible Prozesse und Entropieproduktion . . . . . .
Gibbs’sche Fundamentalgleichung, Thermodynamische Potentiale . . . . . . . .
Thermodynamische Stabilitätsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
iii
Inhaltsverzeichnis
5.10 Thermodynamisches Gleichgewicht in heterogenen Systemen . . . . . . . . . . . 97
5.11 Die Maxwell-Konstruktion und Phasenumwandlungen reiner Stoffe . . . . . . . 101
5.12 Freie Standardbildungsenthalpien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
iv
1 Grundbegriffe
1.1 Thermodynamische Systeme und Zustandsgrößen
Die Thermodynamik beschäftigt sich mit Gleichgewichtseigenschaften von materiellen Systemen.
Ein System ist ein Materie enthaltender Bereich, der gegenüber seiner Umgebung abgegrenzt ist
und der eine sehr große Zahl von Molekülen enthält, in der Regel 1020 bis 1024 (s. Abb. 1.1). Die
Materieaustausch
UMGEBUNG
SYSTEM
UMGEBUNG
Energieaustausch
Abbildung 1.1: Definition eines homogenen thermodynamischen Systems
Abgrenzung eines Systems gegenüber der Umgebung kann verschiedener Art sein. Man unterscheidet:
a) isolierte oder abgeschlossene Systeme (engl.: isolated systems):
Es findet weder Materieaustausch noch irgendeine Art von Energieaustausch mit der Umgebung statt.
b) geschlossene Systeme (engl.: closed systems):
Es ist Energieaustausch, aber kein Austausch von Materie mit der Umgebung möglich.
c) offene Systeme (engl.: open systems):
Es ist sowohl Energieaustausch als auch Materieaustausch mit der Umgebung möglich.
Weiterhin ist ein System dadurch charakterisiert, dass es sich entweder um ein homogenes oder
heterogenes System handelt. Ein homogenes System ist über seinen ganzen Bereich einheitlich
in seiner materiellen Zusammensetzung und Dichte. Ein heterogenes System besteht aus verschiedenen Phasen, die durch Phasengrenzen voneinander abgetrennt sind (s. Abb. 1.2). Diese
Phasen eines Systems unterscheiden sich durch Zusammensetzung und Dichte voneinander. Zwischen den Phasen eines heterogenen Systems ist in der Regel sowohl Energieaustausch wie auch
1
1 Grundbegriffe
materieller Austausch möglich, so dass die Phasen eines Systems i. d. R. als offene Untersysteme
des Gesamtsystems angesehen werden können, unabhängig davon, ob das Gesamtsystem abgeschlossen, geschlossen oder offen ist. Ein homogenes System ist der Grenzfall eines heterogenen
Systems, in dem nur eine Phase vorliegt.
Phasengrenze
Phase a
Phase b
Umgebung
Phase g
Phase s
Umgebung
Abbildung 1.2: Definition eines heterogenen thermodynamischen Systems (Phasen α bis σ )
Ein System befindet sich in einem thermodynamischen Gleichgewichtszustand, wenn sich sein
Zustand ohne äußeren Einfluss auch nach unendlich langer Zeit nicht mehr ändert.
Ein System kann seinen Zustand ändern durch
a) innere Zustandsänderungen, das ist bei isolierten, geschlossenen und offenen Systemen
möglich;
b) Zustandsänderungen, die durch Austausch von Energie und/oder Materie verursacht werden. Das ist nur bei geschlossenen und/oder offenen Systemen möglich.
Ein Systemzustand im thermodynamischen Gleichgewicht hängt nicht davon ab, auf welchem
Weg und wie schnell er von irgendeinem anderen Zustand aus erreicht wurde. Die Eigenschaften eines Systems im thermodynamischen Gleichgewicht werden durch Zustandsfunktionen Z
beschrieben, deren abhängige Variablen υi Zustandsvariablen heißen.
Bei einem homogenen System kann man allgemein für eine Zustandsfunktion schreiben:
Z = Z(υ1 , υ2 , . . . , υn )
wobei υ1 , υ2 , . . . , υn die Zustandsvariablen sind.
Ein Beispiel für die Zustandsfunktion eines homogenen Systems ist das Volumen V des Systems:
V = V (p, T ∗ , n1 , . . . , nk )
wobei hier die Zustandsvariablen der Druck p, die empirische Temperatur T ∗ und n1 bis nk
die Molzahlen der chemisch unterscheidbaren, voneinander unabhängigen Komponenten (1 bis
k) bedeuten. Wir denken z. B. an eine Gasmischung mit den Molzahlen nO2 , nN2 und nCO2 der Gase
2
1.2 Maße für Stoffmengen und stoffliche Zusammensetzungen. Molare Größen
O2 , N2 und CO2 . Unter der Molzahl ni versteht man die absolute Molekülzahl Ni der Komponente
i dividiert durch die Avogadro-Zahl (auch Lohschmidt-Zahl genannt) NL :
Ni
ni =
[mol]
NL
NL = 6, 022 · 1023 [Moleküle pro mol]
Außer dem Volumen V lassen sich noch weitere Zustandsgrößen, wie z. B. die innere Energie U ,
die Entropie S, die Molwärme Cv usw. definieren. Entscheidend ist folgendes:
Bei einem offenen, homogenen System mit k Komponenten gibt es immer nur 2 + k unabhängige Zustandsvariable, wenn wir die Oberfläche des Systems vernachlässigen und wenn
keine äußeren Felder existieren bzw. ihre Existenz keine Rolle spielt. Äußere Felder können
Gravitationsfelder, elektrische und magnetische Felder, oder äußere Spannungen (bei elastischen, festen Materialien) sein. Die Zahl k der Komponenten kann dadurch reduziert sein, dass
in dem System chemische Reaktionen stattfinden. Gibt es im Gleichgewicht des Systemzustandes r unabhängige chemische Reaktionsgleichungen, reduziert sich die Zahl der frei wählbaren
Zustandsvariablen auf 2 + k − r. Man kann viele, z. B. m Zustandsgrößen eines homogenen Systems definieren, nur 2 + k bzw. 2 + k − r davon können unabhängig gewählt werden, die restlichen
m − (2 + k − r) sind dann festgelegt. Wenn z. B. in einem 1-Komponentensystem die empirische
Temperatur T ∗ die Molzahl n, und das Volumen V gegeben sind, liegen nicht nur der Druck p fest,
sondern auch andere Zustandsgrößen, wie z. B. die innere Energie, die Entropie oder die Molwärme.
Wichtig ist noch die Unterscheidung von extensiven und intensiven Zustandsgrößen.
Eine intensive Zustandsgröße ist unabhängig von der Gesamtmenge bzw. Masse des Systems.
Beispiele sind: Temperatur T ∗ , Druck p oder Teilchenzahldichte Ni /V .
Extensive Zustandsgrößen dagegen sind solche, die proportional zur Gesamtmenge des Systems
sind.
Beispiele sind Volumen V , Masse m, innere Energie U .
1.2 Maße für Stoffmengen und stoffliche Zusammensetzungen. Molare Größen
Wir beziehen uns auf homogene Bereiche, also auf ein homogenes System oder auf eine homogene
Phase innerhalb eines heterogenen Systems.
Die Molzahlen ni wurden bereits definiert. Daraus ergibt sich unmittelbar die wichtigste Konzentrationseinheit in der chemischen Thermodynamik, der Molenbruch xi :
xi =
ni
k
k
mit
∑ ni
∑ xi = 1
(1.1)
i=1
i=1
Manchmal werden wir statt xi auch yi für den Molenbruch verwenden. Wenn man mit mi die
Masse der Komponente i im System bezeichnet, ergibt sich die Definition des Massenbruches
oder Gewichtsbruches wi :
wi =
mi
k
∑ mi
k
mit
∑ wi = 1
(1.2)
i=1
i=1
3
1 Grundbegriffe
Ferner definieren wir die molare Konzentration ci :
ci =
ni
V
[mol · m−3 ]
ci wird auch Molarität genannt, wenn das Volumen V in Liter (L) gemessen wird.
Häufig wird auch die Massenkonzentration ρi verwendet:
ρi =
mi
V
[kg · m−3 ]
(1.3)
Eine weitere Konzentrationseinheit ist die molale Konzentration, auch Molalität genannt:
m
ei =
ni
mLM
[mol · kg−1 ]
(1.4)
wobei mLM die Masse der am häufigsten vorkommenden Komponenten der Mischung ist. Wenn
ihre Konzentration erheblich höher ist als die aller anderen Komponenten, spricht man von einem
Lösemittel (Index LM = Lösemittel).
Zum Abschluss dieses Abschnitts erwähnen wir noch die sog. molaren Größen. Wenn z. B.
das Volumen V einer Substanz n Mole enthält, so nennt man das auf 1 Mol bezogene Volumen
V
=V
n
[m3 · mol−1 ]
das molare Volumen V . Ähnliches gilt für andere extensive Größen, wie z. B. die innere Energie
U oder die Entropie S u. a. U und S sind dann die entsprechenden molaren Größen. Das gilt
auch für Mischungen, wobei n = ∑ ni , also die Summe der Molzahlen der Komponenten i in
der Mischung bedeutet. Eine molare Größe X (Symbol: Querstrich über X ) ist sehr sorgfältig zu
unterscheiden von sog. partiellen molaren Größen X i (Buchstabenindex i rechts unten), von denen
noch ausführlich die Rede sein wird.
1.3 Thermisches Gleichgewicht. Der „Nullte Hauptsatz der Thermodynamik“.
Definition der empirischen Temperatur. Ideales Gas und Gasthermometer.
Während Druck und Volumen, Masse und Molzahl durch die Mechanik bzw. durch die Chemie
klar definierte Größen sind, ist die Bedeutung der Zustandsvariablen „empirische Temperatur“
T ∗ eine der Mechanik fremde Größe, deren Bedeutung zunächst etwas vage und gefühlsmäßig
ist (Empfindung für Wärme: warm oder kalt). Dennoch ist T ∗ eine Zustandsvariable, denn man
stellt beispielsweise leicht fest, dass bei festem Volumen einer fluiden Substanz der Druck steigt,
wenn die Substanz „wärmer“ wird, also ist der Druck offensichtlich eine Funktion der „gefühlten
Wärme“. Das Wesen dieser gefühlten „Wärme“ nennt man Temperatur und aufgrund der genannten Veränderung des Drucks (oder auch anderer Zustandsgrößen) mit der „gefühlten Wärme“ ist
die Temperatur eine Zustandsgröße. Um Missverständnisse zu vermeiden: die „gefühlte Wärme“
hat nichts mit dem physikalischen Begriff der Wärme Q zu tun, der im Zusammenhang mit dem 1.
Hauptsatz (s. Abschnitt 4) eingeführt wird. Die Wärme Q ist eine extensive Größe und hat die Dimension einer Energie, während die „gefühlte Wärme“ eine intensive Größe ist! Wir müssen nun
die Temperatur als „die gefühlte Wärme“ genauer definieren und quantifizieren, d. h., „messbar“
machen.
4
1.3 Thermisches Gleichgewicht.
Es gilt zunächst erfahrungsgemäß: Wenn zwei Systeme miteinander durch eine thermisch leitende (diatherme) Wand in Kontakt treten, werden sie „gleich-warm“, sie befinden sich dann im
thermischen Gleichgewicht, das ist gleichbedeutend mit der Aussage: sie haben dieselbe empirische Temperatur T ∗ . Daraus folgt ferner: befindet sich ein weiteres drittes System mit dem
zweiten im thermischen Gleichgewicht, so herrscht auch zwischen dem ersten und dritten System
thermisches Gleichgewicht (Nullter Hauptsatz der Thermodynamik, Caratheodory (1909)).
Auch wenn es uns als selbstverständlich erscheint, dass Körper, die verschieden „warm“ sind,
bei Kontakt miteinander diese Unterschiede ausgleichen, so ist das lediglich eine Erfahrungstatsache, die durch keine übergeordnete physikalische Gesetzmäßigkeit ableitbar ist. Der „Nullte
Hauptsatz“ ist daher alles andere als trivial und stellt in unserer makroskopischen Welt ein echtes Axiom dar. Historisch gesehen wurde dieses Axiom erst nach dem 1. und 2. Hauptsatz der
Thermodynamik formuliert. Wegen seiner grundlegenden Bedeutung erhielt es diese etwas merkwürdige Zahlenbezeichnung in der Reihe der Hauptsätze.
Wie definiert man nun die Temperatur und wie misst man sie? Wir stellen also die Frage nach
einem „Thermometer“, einem Messinstrument für die Temperatur.
Formal kann man das Volumen V = V (p, T ∗ , ni ) als Zustandsfunktion auflösen nach der Variablen T ∗ :
T ∗ = T ∗ (V, p, n)
Das gilt für ein beliebiges System. Wir wählen ein verdünntes Gas (z. B. He oder N2 ) mit der
Molzahl n und machen mit diesem System „Expansionsversuche“ folgender Art (s. Abb. 1.3): In
M
H1
I
H2
II
III
N
Abbildung 1.3: Expansionsversuch mit Gasen.
I, II, III,. . . N = Glaskolben mit den Volumina VI ,VII ,VIII bis VN .
M = Manometer zur Druckmessung.
HI , HII , usw.: Verbindungshähne.
Kolben I befinden sich n Mole des Gases beim Druck pI im Volumen VI . Die anderen Kolben II,
III usw. sind evakuiert. Dann wird Kolben II geöffnet, der zuvor leer war. Man misst pII beim
dazugehörigen Volumen VII +VI , dann pIII bei V = VI +VII +VIII und schließlich pN bei V = VI +
VII + . . . + VN . Der ganze Versuch findet statt in einer Umgebung von „schmelzendem Eis“ (sog.
Eispunkt des Wassers: Schmelzpunkt des Wasser unter 1 bar Druck). Bei jedem Expansionsschritt
wird p kleiner, V nimmt zu.
Man bildet folgenden Grenzwert durch Extrapolation der gemessenen Werte von (p · V ) und
erhält den Wert AE :
lim (p ·V ) = AE
p→0
(E = Eispunkt)
5
1 Grundbegriffe
Jetzt wird dieselbe Versuchsreihe bei einer anderen empirischen Temperatur, und zwar bei 1,01325
bar (= 1 atm) in siedendem Wasser als Umgebung durchgeführt. Man findet:
lim (p ·V ) = AS
p→0
(S = Siedepunkt)
Man stellt fest, dass diese Ergebnisse, also AE und AS , unabhängig vom Gas (He, N2 , CO2 usw.)
sind, und dass AS > AE ist. Man findet: AE /AS = 0, 73201.
Jetzt definiert man:
TE∗ AE
=
TS∗
AS
und teilt die Differenz TS∗ − TE∗ in 100 Skalenteile ein:
TS∗ − TE∗ = 100 K
1 Skalenteil auf dieser Temperaturskala heißt 1 Kelvin (K). Damit folgt:
100
= TE∗
−1
AS
AE
Es ergibt sich somit:
TE∗ = 273, 15K
Für TS∗ gilt also:
TS∗ = 373, 15K
Auf diese Weise ist jede andere empirische Temperatur T ∗ in der Kelvin-Skala festgelegt. Im
Unterschied zu TE∗ gilt beim sog. Tripelpunkt des Wassers:
TTr∗ = 273, 16 K
Die Tripelpunkttemperatur TTr∗ des Wassers ist die Schmelztemperatur des Wassers bei Anwesenheit der 3 Phasen: fest (Eis), flüssig und Gas unter dem Sättigungsdampfdruck des Wassers.
Gebräuchlich ist auch die sog. Celsius-Skala der Temperatur, die mit der Kelvin-Skala zusammenhängt:
ϑ = T ∗ − 273, 15 (Einheit : ◦ C)
Durch die so quantifizierte empirische Temperatur T ∗ ist gleichzeitig die Zustandsgröße des Volumens V als Funktion von p, T ∗ und n gefunden für das sog. ideale Gas:
V=
n·R ∗
·T
p
oder
p ·V = n · RT ∗
(1.5)
Die Konstante R heißt allgemeine Gaskonstante und hat die Einheit Pa · m3 · K−1 mol−1 , wobei
die Druckeinheit 1Pa(Pascal) = 1N · m−2 beträgt. 1 N = 1 Newton ist die Krafteinheit und 1N· m
ist die entsprechende Energieeinheit 1 Joule (J).
6
1.3 Thermisches Gleichgewicht.
Demnach hat R auch die Einheit J · mol−1 · K−1 . Ihr Wert ist durch AE /TE∗ = AS /TS∗ festgelegt.
Durch sorgfältige Messungen findet man:
R = 8, 3145 [J · mol−1 · K−1 ]
(1.6)
Das sog. ideale Gasgesetz (Gl. (1.5) ist ein Grenzgesetz, das nur im Grenzfall p → 0 oder V → ∞
bei T ∗ > 0 gültig ist. Es hat insofern eine universelle Bedeutung, als im Prinzip alle Materie bei
T ∗ > 0 für p → 0 zum idealen Gas wird. Abb. 1.4 zeigt graphisch den Zusammenhang von p,V
und T ∗ nach dem idealen Gasgesetz. Die Kurven p(V ) bei festem T ∗ nennt man Isothermen.
Beim idealen Gas stellen diese Kurven Hyperbeln dar. Ein Gasthermometer ist also ein Kolben
Abbildung 1.4: Graphische Darstellung des Zusammenhangs von P,V und T ∗ beim idealen Gas
(schematisch).
T1∗ < T2∗ < T3∗ < T4∗ . Die Linien heißen Isothermen.
mit festem Volumen V , in dem sich n Mole eines idealen Gases befinden. Die Messgröße ist der
Druck p des Gases. Damit lässt sich die empirische Temperatur T ∗ der Umgebung messen, in der
sich das Gasthermometer befindet:
T ∗ = p ·V /(n · R)
Mit dem Gasthermometer kann man beliebige andere Thermometer kalibrieren, die zur Messung von T ∗ einfacher zu handhaben sind. Z. B. gilt für die Ausdehnung von Flüssigkeiten wie
Quecksilber (Hg) bei p = 1 bar:
T ∗ = a + b ·V + c ·V 2 + . . . ,
Die Konstanten a, b, c usw. können bei verschiedenen Werten von T ∗ durch Messung der dazugehörigen Volumina V bestimmt werden (Kalibrierung). Eine Messung der Volumenänderung VT∗1 −
7
1 Grundbegriffe
VT∗2 = ∆V (Fadenlänge!) gibt dann ein genaues Messinstrument für die Temperatur in diesem Temperaturbereich, das platzsparend ist und schnell auf Änderungen von T ∗ reagiert (Quecksilberthermometer oder allgemein Flüssigkeitsthermometer).
Weitere Thermometer, die in ähnlicher Weise kalibriert werden müssen, sind Widerstandsthermometer,, z. B. das Pt-Widerstandsthermometer. Der elektrische Widerstand rw ist eine Funktion
von T ∗ (bei p = 1 bar)
2
rw = a′ + b′ · T ∗ + c′ · T ∗ + . . . ,
Dieses Thermometer hat einen weiten Messbereich (−100 ◦ C bis +400 ◦ C) und reagiert sehr
schnell auf Temperaturänderungen. Auf die Darstellung weiterer Thermometer verzichten wir hier,
wie z. B. Thermoelemente, Dampfdruck-Thermometer von flüssigem N2 und flüssigem He für tiefe Temperaturen, T -Strahlungsthermometer bei hohen Temperaturen, Quarz-Thermometer, u. a.
Zur genauen Kalibrierung von Thermometern sind für die Kelvin-Skala eine ganze Reihe von
Fixpunkten festgelegt worden (ITS-90)∗) , von denen einige in Tabelle 1 wiedergegeben sind.
Tabelle 1: Temperaturfixpunkte zur Kalibrierung der Kelvin-Skala
Fixpunkt
Tripelpunkt des Wasserstoffs (H2 )∗∗∗)
Tripelpunkt des Neons (Ne)
Tripelpunkt des Sauerstoffs (O2 )
Tripelpunkt des Argons (Ar)
Tripelpunkt des Quecksilbers (Hg)
Tripelpunkt des Wassers (H2 O)
Erstarrungspunkt des Zinns (Sn)
Erstarrungspunkt des Zinks (Zn)
Erstarrungspunkt des Silbers (Ag)
Erstarrungspunkt des Goldes (Au)
Erstarrungspunkt des Platins (Pt)
Erstarrungspunkt des Wolframs (W)
∗)
Temperatur/K
13,8033
24,5561
54,3584
83,8058
234,3156
273,1600
505,078
692,677
1234,93
1337,33
1768,15
3417,85
geschätzte Genauigkeit/mK∗∗)
± 0,3
± 0,4
± 0,2
± 0,2
± 0,1
Definition
± 0,5
± 2,0
± 10
± 10
± 10
± 20
ITS-90 = Internationale Temperature Scale 1990
mK = Milli-Kelvin = 10−3 K
∗∗∗) Gleichgewichtsmischung von ortho- und para-Wasserstoff
∗∗)
8
2 Mathematische Grundlagen zur Behandlung von
thermodynamischen Zustandsfunktionen
2.1 Totales Differential, Wegunabhängigkeit des Integrals
Wir haben gesehen, dass thermodynamische Gleichgewichtseigenschaften eines Systems durch
Zustandsfunktionen, also Funktionen beschrieben werden, die von mehreren Variablen abhängen,
wie z. B. das Volumen V = V (p, T ∗ , n1 . . . , nk ).
Wir betrachten allgemein eine Zustandsgröße z = z(υ1 , υ2 , . . . , υk ), die von irgendwelchen Variablen υ1 , . . . , υk abhängt.
Zur Vereinfachung der Darstellung sollen zwei Variablen υ1 = x und υ2 = y genügen. Verallgemeinerungen auf beliebige viele Variable (υ1 , υ2 , . . . , υk ) sind dann offensichtlich. Es gilt also:
z = f (x, y)
z stellt eine Oberfläche im Raum x, y, z dar (Zustandsfläche, s. z. B. Abb. 2.2).
Für das sog. totale oder vollständige Differential von z gilt:
∂z
∂z
dz =
· dx +
· dy
∂x y
∂y x
oder verallgemeinert für beliebig viele Variable υ1 , υ2 , . . . , υk :
∂z
dz = ∑
· d υi
∂ υi υ j 6=υi
(∂ z/∂ x)y und (∂ z/∂ y)x heißen partielle Differentialkoeffizienten, wobei partiell heißt: Ableitung von z nach x bei y = const bzw. Ableitung von z nach y bei x = const. Die partiellen Ableitungen oder partiellen Differentialkoeffizienten sind selbst i. a. wieder Funktionen von x und y (bzw.
von υ1 , υ2 , . . . , υk ).
Die Integration dz ist vom Integrationsweg unabhängig, da das Integral
Zz2
z1
dz = z2 − z1 =
Zx2 x1
∂z
∂x
dx +
y
Zy2 y1
∂z
∂y
dy
x
nur vom Anfangs- und Endzustand abhängt. Insbesondere gilt für eine geschlossene Kurve auf der
Zustandsfläche in der x, y-Ebene (sog. Kreisprozess):
I
dz = 0
Wir betrachten ein Beispiel:
z = x(x + 2y) = x2 + 2xy
dz = 2(x + y)dx + 2x · dy
9
2 Mathematische Grundlagen zur Behandlung von thermodynamischen Zustandsfunktionen
Wir wählen 2 Integrationswege a und b zur Berechnung von z2 − z1 , wobei die z-Achse senkrecht
auf der x, y-Ebene steht (s. Abb. 2.1):
y
y2
a
b
y1
x1
x2
x
Abbildung 2.1: Projektion eines Oberflächenstückes aus der z-Richtung auf die x, y-Ebene.
Weg a:
z2 − z1 = 2x1 (y2 − y1 ) + (x22 − x21 ) + 2y2 (x2 − x1 )
= (x22 − x21 ) + 2x1 y2 − 2x1 y1 + 2x2 y2 − 2y2 x1
z2 − z1 = (x22 − x21 ) + 2(x2 y2 − x1 y1 )
Weg b:
(x22 − x21 ) + 2y1 (x2 − x1 ) + 2x2 (y2 − y1 )
= (x22 − x21 ) + 2y1 x2 − 2y1 x1 + 2x2 y2 − 2x2 y1
z2 − z1 = (x22 − x21 ) + 2(x2 y2 − x1 y1 )
Beide Wege ergeben wie erwartet dasselbe Ergebnis. Man kann spezielle Anforderungen an die
Z
Z1=const.
Z2=const.
Y
X1=const.
X2=const.
X
Abbildung 2.2: Schnitte für z = const und x = const durch die z(x, y)-Oberfläche
Funktionswerte von z stellen, z. B. sucht man auf der Zustandsfläche nur solche Werte („Höhenli-
10
2.2 Variablentransformationen
nien“), für die z = const ist (s. z. B. Abb. 2.2). Dann gilt:
∂z
∂z
dz = 0 =
dxz +
· dyz
∂x y
∂y x
Man kann dann auflösen:
∂z
∂x y
∂y
= − ∂z
∂x z
∂y x
oder:
∂z
∂x
−1 ∂z
∂y
∂x
∂z
∂y
·
·
=
·
·
= −1
∂y x ∂x z
∂z y ∂y x ∂x z
y
(2.1)
wobei wir von der gültigen Identität (∂ z/∂ x)−1
y = (∂ x/∂ z)y Gebrauch gemacht haben. Diese lässt
sich leicht nachweisen:
∂z
∂z
dz =
dx +
dy
∂x y
∂y x
mit dy = 0 folgt:
∂z
dzy =
· dxy
∂x y
und damit:
−1 ∂z
∂x
∂z
∂x
1=
·
oder
=
∂x y ∂z y
∂x y
∂z y
Die Beziehung Gl. (2.1) spielt in der Thermodynamik öfter eine Rolle, wie wir noch sehen werden.
2.2 Variablentransformationen
Wie bereits erwähnt, hat man es in der Thermodynamik häufig mit der Tatsache zu tun, dass es
noch andere Zustandsgrößen, z. B. α und β , gibt, die ebenfalls Funktionen von x und y sind. Man
möchte nun z bzw. das totale Differential dz, statt als Funktion von x und y als Funktion von α(x,y)
und β(x,y) darstellen. Dazu differenziert man dz partiell nach x und y bei β = const:
∂z
∂z
dzβ =
· dxβ +
· dyβ
∂x y
∂y x
bzw.
∂z
∂α
β
=
∂z
∂x
y
∂x
∂α
∂z
+
∂y
β
x
∂y
∂α
β
11
2 Mathematische Grundlagen zur Behandlung von thermodynamischen Zustandsfunktionen
und entsprechend gilt:
∂z
∂z
∂x
∂z
∂y
=
+
∂β α
∂x y ∂β α
∂y x ∂β α
Dann erhält man:
∂z
∂z
dz =
· dα +
· dβ
∂α β
∂β α
(∂ z/∂ α )β und (∂ z/∂ β )α sind aber in dieser Form noch Funktionen von x und y. Auflösen von
α (x, y) und β (x, y) nach x(α , β ) und y(α , β ) und Einsetzen in (∂ z/∂ α )β und (∂ z/∂ β )α ergibt die
gewünschte Transformation im Ausdruck für dz von den Variablen x, y zu den Variablen α , β . Wir
betrachten noch den Spezialfall α = x:
∂z
∂z
∂z
∂y
=
·1+
∂x β
∂x y
∂y x ∂x β
∂z
∂z
∂x
∂z
∂y
∂z
∂y
=
+
=
∂β x
∂x y ∂β x
∂y x ∂β x
∂y x ∂β x
|
{z
}
=0
Diese Beziehung ergibt sich natürlich auch direkt durch die Anwendung der Kettenregel beim
Differenzieren von z nach y und dann nach β . Eleganter als hier dargestellt kann das Problem
der Variablentransformation mit Hilfe der sog. Jakobi-Determinanten gelöst werden. Auf eine
Darstellung verzichten wir jedoch hier.
2.3 Der Schwarz’sche Satz
y
3
2'
y
x
1
y
x
2
x
Abbildung 2.3: Zur Ableitung des Schwartz’schen Satzes
Wir betrachten in Abb. 2.3 die Änderung der Zustandsgröße z auf 2 verschiedenen Wegen in der
x, y−Ebene vom Zustand 1 nach 3 mit kleinen Werten für ∆x und ∆y.
Weg 1 ⇒ 2′ ⇒ 3 ergibt:
z(x + ∆x, y + ∆y) − z(x, y) = z3 − z1
= Q(x, y) · ∆y + P(x, y + ∆y) · ∆x
12
2.4 Homogene Funktionen und Euler’sche Gleichung
Dabei haben wir abgekürzt:
∂z
= P(x, y)
∂x y
∂z
= Q(x, y)
∂y x
Weg 1 ⇒ 2 ⇒ 3 ergibt:
z(x + ∆x, y + ∆y) − z(x, y) = z3 − z1
= Q(x + ∆x, y) · ∆y + P(x, y) · ∆x
Da das Ergebnis vom Weg unabhängig sein muss, gilt:
P(x, y + ∆y) − P(x,y) ∆x = [Q(x + ∆x, y) − Q(x, y)] ∆y
oder
Q(x + ∆x, y) − Q(x, y)
P(x, y + ∆y) − P(x, y)
∆x · ∆y =
∆y · ∆x
∆y
∆x
Der Grenzübergang mit ∆x → 0 und ∆y → 0 ergibt:
∂P
∂Q
=
∂y x
∂x y
oder
∂ 2z
∂ y∂ x
=
∂ 2z
∂ x∂ y
(2.2)
Das ist der Satz von Schwarz: Wenn z eine Zustandsfunktion ist, ist bei gemischter Ableitung
nach x und y die Reihenfolge der Differentiation vertauschbar und liefert dasselbe Ergebnis.
Wenn z eine thermodynamische Zustandsgröße ist, insbesondere ein sog. thermodynamisches
Potential (s. Abschnitt 5.8.), und x bzw. y die entsprechenden thermodynamischen Variablen, so
bezeichnet man die Gleichung (2.2) auch als Maxwell-Relation.
2.4 Homogene Funktionen und Euler’sche Gleichung
Homogene Funktionen vom Grade l sind eine spezielle Klasse von Zustandsfunktionen mehrerer Variabler, die folgende Eigenschaft besitzen.
Wenn
z = z(υ1 , υ2 . . . , υk )
die Gleichung
z(αυ1 , αυ2 , . . . , αυk ) = α l · z(υ1 , υ2 , . . . , υk )
13
2 Mathematische Grundlagen zur Behandlung von thermodynamischen Zustandsfunktionen
erfüllt, wobei l eine ganze Zahl ist und α > 0 ein beliebiger Parameter, so heißt eine solche Funktion homogene Funktion vom Grade l.
Diese Funktionen haben folgende Eigenschaft. Differenziert man nach dem Parameter α , so
ergibt sich:
k
dz
∂z
=∑
d α i=1 ∂ (α · υi )
∂ (α · υi )
∂α
= ·α l−1 · z(υ1 , υ2 , . . . , υk )
Da α beliebig ist, setzen wir α = 1 und es folgt:
k
∑
i=1
∂z
∂ υi
· υi = l · z(υ1 , υ2 , . . . , υk )
Das ist die Euler’sche Gleichung für homogene Funktionen vom Grade l. In der Thermodynamik
spielen homogene Funktionen vom Grad 1, also l = 1 eine wichtige Rolle. Hier gilt also:
k
∑
i=1
∂z
∂ υi
· υi = z(υ1 , υ2 , . . . , υk )
(2.3)
Es folgt eine wichtige Beziehung aus dieser Eigenschaft. Zunächst gilt für das totale Differential
einerseits:
k
dz = ∑
i=1
∂z
∂ υi
k
· d υi = ∑ Qi · d υi
i=1
andererseits muss nach der Euler’schen Gleichung (Gl. (2.3)) mit Qi = (∂ z/∂ υi ) gelten:
k
dz = d
∑ Qiυi
i=0
!
k
k
i=1
i=1
= ∑ Qi d υi + ∑ υi dQi
Da beide Beziehungen für dz gültig sind, muss offensichtlich gelten:
k
∑ υi dQi = 0
i=1
mit
Qi =
∂z
∂ υi
υ j6=i
Diese Beziehungen spielen in der Thermodynamik eine große Rolle bei extensiven Zustandsfunktionen z, die von extensiven Variablen abhängen.
Auch homogene Funktionen vom Grad l = 0 kommen in der Thermodynamik vor. Für solche
Funktionen gilt:
z(αυ1 , αυ2 , . . . , αυk ) = z(υ1 , υ2 , . . . , υk )
Wir weisen später an geeigneter Stelle darauf hin.
14
2.5 Legendre-Transformationen
z
z(x0, y0)
Tangente
T (x0)
x
x0
g (x0) = g (p, y0)
Abbildung 2.4: Zur Ableitung der Legendre-Transformation
2.5 Legendre-Transformationen
Wir betrachten eine Zustandsfunktion z(x, y). Wir setzen zunächst y = y0 = const und bilden
∂z
dz =
dx = p(x, y0 )dx
∂ x y=y0
p(x0 , y0 ) ist die Steigung von z am Punkt x0 . Die Differenzierbarkeit bei allen Werten x ist vorausgesetzt. Aufgabe der Legendre Transformation ist es, eine Funktion g(p) zu finden, die adäquat zu
z(x, y0 ) ist, d. h., z(x, y0 ) und g(p, y0 ) sind eindeutig einander zugeordnet. Diesen Zusammenhang
gewinnt man in folgender Weise (s. Abb. 2.4).
Die Tangente T ist:
T (x) = z(x0 , y0 ) + p(x0 , y0 )(x − x0 )
Der Achsenabschnitt ist (T (x = 0)):
g(x0 , y0 ) = z(x0 , y0 ) − x0 · p(x0 , y0 )
Allgemein gilt für beliebige x-Werte also:
g(x, y0 ) = z(x, y0 ) − x · p(x, y0 )
Es lässt sich nun zeigen, dass g nur von der Steigung p abhängt. Dazu bilden wir das totale Differential von g:
dg = dz − p · dx − x · d p
15
2 Mathematische Grundlagen zur Behandlung von thermodynamischen Zustandsfunktionen
Einsetzen von dz = p · dx ergibt:
dg = −x · d p
Wenn sich p(x, y0 ) = (∂ z/∂ x)y0 eindeutig nach x = x(p) auflösen lässt, ist g = g(p, y0 ). Das ist
der Achsenabschnitt auf der z-Achse in Abb. 2.4. Die Eindeutigkeit ist aber nur dann gegeben,
wenn es zu jedem x-Wert nur einen p-Wert, also einen Wert der Steigung (∂ z/∂ x) = p gibt. Diese
Bedingung ist gewährleistet, wenn im gesamten x-Bereich die Krümmung, also die zweite
Ableitung von z(x, y0 ), für alle y0 -Parameterwerte dasselbe Vorzeichen hat und nirgendwo
gleich Null wird:
∂ 2z
∂p
6= 0 bzw.
6= 0
2
∂x
∂x
z
g1(p)
g2(p)
x0,1
Abbildung 2.5:
x0,1
x
Beispiel für einen Funktionsverlauf mit nicht eindeutiger LegendreTransformation
Wäre das nicht der Fall, könnte z. B. folgendes auftreten (s. Abb. 2.5).
Zur selben Steigung p gäbe es mehrere Werte von g(p), z. B. g1 (p) und g2 (p). Es gäbe dann
sogar einen ganzen Bereich in x, wo zu verschiedenen Werten von x (z. B. x(0, 1) und x(0, 2))
dieselbe Steigung = p-Wert gehört und die Transformation z(x, y0 ) → g(p, y0 ) wäre nicht mehr
eindeutig.
Die Rücktransformation g(p, y0 ) → z(x, y0 ) ist ebenfalls nur dann eindeutig, wenn (∂ p/∂ x) 6= 0
im ganzen Bereich gilt. Dann ist auch (∂ x/∂ p) 6= 0.
Die Legendre-Transformation von z(x, y0 ) lautet also:
∂z
g(p, y) = z(x, y) − x · p mit p =
∂x y
Analog kann man nun, da g = g(p, y) ist, auch g einer Legendre-Transformation unterziehen.
Als Eindeutigkeitsbedingung gilt hier:
2 ∂ g
∂Q
∂g
6= 0 bzw.
6= 0 wenn Q =
2
∂y p
∂y p
∂y p
16
2.6 Die Pfaff’sche Differentialform und der integrierende Nenner
Die gesamte Legendre-Transformation bezüglich x → p und y → Q lautet dann
h(p, Q) = z − x · p − y · Q
Das lässt sich entsprechend auf Funktionen z(υ1 , υ2 , . . . , υk ) mit mehreren Variablen υ1 . . . , υk
erweitern und verallgemeinern
m
L(p1 , p2 , p3 , . . . , pm , υm+1,... , υk ) = z(υ1 , . . . , υk ) − ∑ xi · pi
i=1
L heißt dann Legendre-Transformation von z bezüglich der Variablen υ1 , υ2 . . . , υm
2.6 Die Pfaff’sche Differentialform und der integrierende Nenner
Die Differentialform
d f = a(x, y) · dx + b(x, y) · dy
heißt Pfaff’sche Differentialform. Ob d f ein totales Differential ist oder nicht, d. h., ob eine
Stammfunktion f (x, y) existiert mit (∂ f /∂ x)y = a(x, y) und (∂ f /∂ y)x = b(x, y), ist keineswegs
selbstverständlich und lässt sich dadurch entscheiden, dass bei einem vollständigen Differential
gelten muss (s. Gl. (2.2)):
∂ b(x, y)
∂ a(x, y)
=
∂x
∂y
y
x
Wir geben 2 Beispiele an:
Beispiel A:
d f = y · dx + x · dy
es gilt:
∂y
∂y
x
=1=
∂x
∂x
y
Also ist d f ein vollständiges Differential. Die Stammfunktion lautet f = x · y + c, wovon man
sich leicht durch Differenzieren von f überzeugen kann, bzw. durch Integrieren von d f auf einem
beliebigen Weg.
Beispiel B:
d f = y · xdx + x2 · dy
Man erhält:
∂ (y · x)
=x
∂y
x
und
∂ x2
∂x
= 2x
y
17
2 Mathematische Grundlagen zur Behandlung von thermodynamischen Zustandsfunktionen
Also ist d f hier kein vollständiges Integral.
Es gilt nun - zumindest bei 2 Variablen -, dass es immer einen integrierenden Faktor g(x, y),
bzw. einen integrierenden Nenner g−1 (x, y) gibt, der die Differentialform in ein vollständiges
Differential verwandelt.
Dazu schreibt man für den Fall von Beispiel B:
g(x, y) · d f = g(x, y) · y · x · dx + g(x, y) · x2 dy
g(x, y) wird dadurch bestimmt, dass jetzt gelten muss, wenn ein vollständiges Differential entstehen soll:
∂
∂
[g(x, y) · x2 ]y =
[g(x, y) · x · y]x
∂x
∂y
das ergibt:
2x · g(x, y) + x2
∂ g(x, y)
∂x
y
= x · g(x, y) + x · y
∂ g(x, y)
∂y
x
Das ist eine partielle Differentialgleichung zur Bestimmung von g(x, y), die man versuchsweise
mit dem Lösungsansatz
g(x, y) = g1 (x) · g2 (y)
behandelt. Einsetzen ergibt:
dg1 (x)
2x · g1 (x) · g2 (y) + x g2 (y)
dx
2
= x · g1 (x) · g2 (y) + x · y · g1 (x)
dg2 (y)
dy
Division durch x · g1 (x) · g2 (y) 6= 0 führt zu:
x
dg1 (x)
y
dg2 (y)
1+
·
=
·
=c
g1 (x)
dx
g2 (y)
dy
Es gelingt also durch diesen Lösungsansatz eine Separation der Variablen. Beide Seiten müssen
gleich einer Konstanten c sein, da x und y unabhängige Variablen sind.
Also gilt:
d ln g1 (x) c − 1
d ln g2 (y) c
=
und
=
dx
x
dy
y
und damit:
ln g1 (x) = (c − 1) ln x und ln g2 (y) = c · ln y
Das Ergebnis lautet also:
g( x, y) = g1 (x) · g2 (y) = xc−1 · yc
18
2.6 Die Pfaff’sche Differentialform und der integrierende Nenner
Da c willkürlich wählbar ist, wählen wir c = 0, also folgt:
g(x, y) =
1
x
Daraus folgt:
g(x, y) · d f = dF = y · dx + x · dy
Dass dies in der Tat ein vollständiges Differential ist, haben wir bereits im Beispiel A festgestellt.
Weitere wichtige Beziehungen über die Existenzbedingungen eines integrierenden Nenners sind
im Anhang 1 zu finden. Sie spielen in der Thermodynamik für den Nachweis der Entropie als
Zustandsfunktion (s. Kapitel 5) eine zentrale Rolle.
19
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
3.1 Thermische Zustandsgleichung, Ausdehnungskoeffizient und Kompressibilität
Allgemein wird als thermische Zustandsgleichung das Volumen eines Systems als Funktion von
p, T ∗ und den Molzahlen n1 , n2 , . . ., nk bezeichnet. Bei reinen Stoffen ist k = 1 und man schreibt
mit n1 = n:
V = V (T ∗ , p, n)
Auch die Auflösung nach p = p(V, T ∗ ) wird häufig als thermische Zustandsgleichung bezeichnet.
Wir weisen gleich auf eine wichtige, unmittelbar einleuchtende Eigenschaft von V als extensiver
Zustandsgröße hin: erhöht man bei p = const und T ∗ = const den Wert von n um den Faktor α (z.
B. α = 2), wird auch das Volumen um den Faktor α erhöht:
α ·V = V (T ∗ , p, α · n)
V ist also bezüglich der Molzahl n eine homogene Funktion 1. Ordnung
Das totale Differential von V lautet:
∂V
∂V
∂V
∗
dV =
· dT +
·dp+
· dn
∂ T ∗ p,n
∂ p T ∗ ,n
∂ n T ∗ ,p
(∂ V /∂ n)T ∗ ,p ist das partielle molare Volumen, im Fall eines reinen Stoffes ist es das Molvolumen
V.
Man bezeichnet
1 ∂V
αp =
V ∂ T ∗ p,n
als thermischen (isobaren) Ausdehnungskoeffzienten und
1 ∂V
κT ∗ = −
V ∂ p T ∗ ,n
als isotherme Kompressibilität.
Als konkretes Beispiel behandeln wir die thermische Zustandsgleichung des idealen Gases, die
wir bereits in Abschnitt 1.3 kennengelernt haben:
V = n · R · T ∗ /p
Dann ergibt sich:
αp =
κT ∗ =
20
p
n·R
1
·
=
[K−1 ]
∗
n·R·T
p
T∗
−p
n·R·T∗
1
·
−
=
n·R·T∗
p2
p
[Pa−1 ]
3.1 Thermische Zustandsgleichung, Ausdehnungskoeffizient und Kompressibilität
Bei 300 K und 1 bar = 105 Pa erhält man:
1
αp =
= 3, 33 · 10−3 [K−1 ]
300
κT ∗ = +10−5 [Pa−1 ]
Wir definieren noch den sog. thermischen Druckkoeffizienten β , für den ganz allgemein gilt:
∂V
∂ T ∗ p,n
∂p
β=
= − ∂V
∂ T ∗ V,n
∂p
T ∗ ,n
Hierbei wurde von Gl. (2.1) in Abschnitt 2.1 Gebrauch gemacht.
Also kann man schreiben:
αp
β=
[Pa · K−1 ]
κT ∗
(3.1)
Für ideale Gase folgt damit (bei T ∗ = 300 K, p = 1 bar):
p
105
=
= 3, 33 · 102 [Pa · K−1 ]
T ∗ 300
Ganz andere Zahlen erhält man, wenn man zu „realen“ Systemen geht, z. B. flüssigem Quecksilber (Hg).
Es gilt hier (experimentell gefunden):
βid =
α p,Hg = 1, 81 · 10−4 [K−1 ] sowie κT ∗ ,Hg = 3, 91 · 10−11 [Pa−1 ]
und damit:
1, 81 · 10−4
= 0, 463 · 107 [Pa · K−1 ]
3, 91 · 10−11
Das heißt anschaulich: befindet sich ein System (ideales Gas bzw. flüssiges Hg) in einem starren
Volumen (V = const), dann erhöht sich bei Temperaturerhöhung um 1 K der Druck im idealen Gas
um
∆p ∼
= βid · 1 = 3, 33 · 102 [Pa] = 3, 33 · 10−3 [bar] = 3, 33[mbar]
βHg =
während in flüssigem Hg die Druckerhöhung
∆p ∼
= βHg · 1 = 0, 463 · 107 [Pa] = 46, 3[bar]
also mehr als das 10000fache des Wertes vom idealen Gas beträgt.
Der thermische Ausdehnungskoeffizient α p ist bei allen Stoffen in ihren verschiedenen Aggregatzuständen mehr oder weniger stark von der Temperatur abhängig. Während er bei Gasen mit
T ∗ abnimmt (α p = 1/T ∗ bei idealen Gasen), steigt er bei Flüssigkeiten und Feststoffen in der Regel mit der Temperatur an. Beispiele zeigt Abb. ?? für einige Metalle. Eine gewisse Besonderheit
findet sich beim Wasser (Abb. 3.2). α p steigt dort sowohl in der Flüssigkeit wie im festen Zustand
des Eises meistens mit der Temperatur an. Interessant ist allerdings, dass es bei Wasser Temperaturbereiche gibt, wo α p negativ ist, das ist bei Wasser im Bereich von 274 K bis 278 K der Fall
und bei Eis zwischen 0 K und ca. 80 K.
Im Gegensatz zu α p ist die isotherme Kompressibilität κT weniger stark von der Temperatur
abhängig, auch sind Werte von κT stets positiv, das muss sogar der Fall sein. Der Beweis dafür
wird im Abschnitt 5.9. (Thermodynamische Stabilitätsbedingungen) erbracht.
21
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
Abbildung 3.1: Der thermische Ausdehnungskoeffizient α p · 106 [K−1 ] verschiedener Metalle von
0 K bis zu ihrem Schmelzpunkt SP bei p = 1 bar.
3.2 Die van der Waals-Zustandsgleichung
Es ist bekannt, dass jedes reale Gas in seinem Verhalten mehr oder weniger vom idealen Gasgesetz
abweicht. Wenn der Druck genügend hoch und/oder die Temperatur genügend niedrig ist, wird das
reale Gas flüssig und bei noch tieferen Temperaturen sogar fest.
Andererseits kann man auch sagen, dass jeder reale Stoff (Flüssigkeit oder Festkörper) sich in
seinem thermodynamischen Verhalten dem idealen Gaszustand nähert, wenn die Temperatur T ∗
größer als 0 K ist und p gegen 0 geht.
Gibt es eine thermische Zustandsgleichung, die das berücksichtigt und die Extremfälle „ideales
Gas“ und „kondensierte Flüssigkeit“ als Grenzfälle enthält?
Eine solche Gleichung kann sehr komplex sein und ist für jeden Stoff unterschiedlich. Wir
wollen hier eine einfache Modellgleichung wiedergeben, die schon 1873 von J. van der Waals
angegeben wurde und die man mit relativ einfachen Argumenten begründen kann, wenn man die
molekulare Struktur der fluiden Materie berücksichtigt.
Ausgehend vom idealen Gas, das molekular gesehen ein System von Massepunkten ist, müssen
zwei wesentliche Aspekte als Korrekturen eingeführt werden:
1. Die Moleküle haben eine endliche Größe, sie nehmen Raum in dem Volumen ein, in dem
sie sich befinden.
2. Die endlich großen Moleküle üben eine anziehende Wechselwirkungskraft aufeinander aus.
Für dieses reale System bedeutet das:
1. Den Molekülen steht als frei zugänglicher Raum nicht mehr das Systemvolumen V wie beim
idealen Gas, sondern nur noch das Volumen V − nb, das sog. freie Volumen zur Verfügung
22
3.2 Die van der Waals-Zustandsgleichung
800
600
ssig
-1
Flü
6
ap 10 / K
400
200
Fest
0
273K
200
0
50
100
150
200
250
300 350
T/K
Abbildung 3.2: Der thermische Ausdehnungskoeffizient α p · 106 [K−1 ] von Wasser im Bereich
von 0 K bis 350 K bei p ≈ 1 bar.
(n = Molzahl). nb ist das Eigenvolumen der Moleküle. Das freie Volumen bezeichnet man
mit υ f .
2. Aufgrund der zwischenmolekularen Anziehung ist bei gegebener Temperatur T ∗ der tatsächliche Druck p kleiner als der des entsprechenden idealen Gases bei derselben Teilchenzahl im freien Volumen, und zwar um den sog. Binnendruck π .
Man formuliert also:
(p + π )(V − n · b) = n · RT ∗ = pideal · υ f
π und n · b sind also Korrekturen, die auf der rechten Seite von Gl. (3.1) wieder das ideale
Gasgesetz mit Druck pideal und dem Volumen υ f herstellen. Was ist der Binnendruck π ? Er muss
zunehmen, wenn die molare Dichte n/V zunimmt und muss verschwinden, wenn n/V gegen Null
geht, bzw. V → ∞.
Man setzt daher eine Reihenentwicklung für π an:
π = c·
n
n2
n3
+ a· 2 + d · 3 + ···
V
V
V
Setzt man π in die vorherige Gleichung ein und lässt V gegen ∞ gehen, so wird nur dann das
ideale Gasgesetz erreicht, also
p ·V = n · RT ∗
wenn c = 0 ist. Damit ergibt sich:
n2
p + a · 2 (V − n · b) = n · RT ∗
V
(3.2)
wobei höhere Glieder wie d n3 /V 3 vernachlässigt werden. Das ist die van der Waals-Gleichung.
23
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
Abbildung 3.3: Die Isothermen T1∗ = 243,3 K, T2∗ = 273,7 K, T3∗ = Tc∗ = 304,1 K, T4∗ = 334,5
K nach der van-der-Waals’schen Zustandsgleichung (Gl. 3.2). Beispiel: CO2 mit a
und b aus Tabelle 1. – – – Isotherme des idealen Gases bei T2∗ zum Vergleich. - - Abgrenzung des 2-Phasenbereichs, • = kritischer Punkt.
Trägt man die van der Waals-Gleichung in ein p-V -Diagramm ein, so erhält man Isothermen
(T ∗ = const), wie sie in Abb. 3.3 gezeigt sind.
Der Vergleich von Abb. 3.3 mit Abb. 1.4 zeigt: die Isothermen des idealen Gases werden deutlich verändert, es gibt unterhalb von T3∗ zu einem Wert von p sogar drei Werte von V . Bei T1∗
werden sogar negative Werte von p erreicht. Das deutet einen sog. Phasenübergang an. Nun
muss gelten, dass (∂ p/∂ V )T ∗ < 0. Das sieht man gefühlsmäßig sofort ein, denn bei Volumenverkleinerung muss der Druck steigen (die genaue Begründung folgt in Abschnitt 5.9.). Die Isothermenwerte zwischen Minimum und Maximum sind also instabil und auf keinen Fall realisierbar.
Der stabile Bereich liegt links und rechts von den Schnittpunkten der Parallele zur V /n-Achse,
die jede Isotherme in zwei gleich große Flächen A1 = A2 teilt (die genaue Begründung folgt später). Auf der teilenden Gerade gibt es keine realisierbaren Zustände, es findet eine Aufspaltung
in 2 Phasen statt mit den Werten Vfl /n = V 0,fl und Vgas /n = V 0,gas . Diese teilende Gerade liegt
immer im positiven Druckbereich. Auf der Isothermen T3∗ fallen beide Phasen zusammen, es gibt
dort eine horizontale Tangente und einen Wendepunkt. Dieser Punkt heißt der kritische Punkt
mit T3∗ = Tc∗ , p = pc und V = V c . Oberhalb Tc∗ kann kein Gas durch Druckerhöhung mehr
24
3.2 Die van der Waals-Zustandsgleichung
verflüssigt werden. Man kann den kritischen Punkt berechnen durch die Bedingungen:
2 ∂p
∂ p
= 0 und
=0
2
∂ V Tc∗
∂ V Tc∗
Wenn man die v. d. Waals-Gleichung nach p auflöst
p=
RT ∗
a
− 2
V −b V
und die Differentiation durchführt, erhält man:
∂p
−R · Tc∗
2a
=
+
=0
∂ V Tc∗ (V c − b)2 V 3c
∂2p
∂V
2
=
Tc∗
2R · Tc∗
6a
+ 4 =0
3
(V c − b)
Vc
Dividiert man die erste Gleichung durch die zweite, folgt:
b=
Vc
3
Einsetzen von b in die erste Gleichung ergibt für a:
9
a = R · Tc∗ ·V c
8
Nach Einsetzen von a und b in die v. d. Waals-Gleichung folgt mit V = V c :
3 RTc∗
8 Vc
pc =
oder
zc =
pc ·V c 3
= = 0, 375
RTc∗
8
zc heißt der kritische Koeffizient. Üblicherweise bestimmt man a und b aus Tc∗ und pc , da diese
Messgrößen besser bestimmbar sind als Vc . Man schreibt also für a und b:
a =
b =
27 R2 · Tc∗2
R2 · Tc∗2
= 0, 421875 ·
64
pc
pc
∗
∗2
1 R · Tc
R · Tc
= 0, 125 ·
8 pc
pc
zc liegt bei tatsächlichen Stoffen zwischen 0,25 bis 0,32, also deutlich niedriger als es die v. d.
Waals-Gleichung voraussagt. Quantitativ gesehen ist die v. d. Waals-Gleichung unzureichend,
aber qualitativ erfasst sie das Wesentliche richtig.
25
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
3.3 Die verallgemeinerte Zustandsgleichung durch Virialentwicklung
Es gibt eine allgemeinere Form, um reale Gaseigenschaften zu beschreiben, die unabhängig ist von
einer speziellen Modellvorstellung für die thermische Zustandsgleichung V (p, T ∗ ) bzw. p(V, T ∗ ).
Man entwickelt dazu den Ausdruck p · V /RT ∗ in einer Reihe nach der Variablen 1/V , um den
Punkt, wo 1/V = 0, wo also das ideale Gasgesetz gilt:
p ·V
B(T ∗ ) C(T ∗ ) D(T ∗ )
=
1
+
+
+
+ ···
2
3
RT ∗
V
V
V
(3.3)
Diese modellunabhängige Form der thermischen Zustandsgleichung heißt Virialgleichung.
B,C, D, . . . , werden als der zweite Virialkoeffizient, als dritter Virialkoeffizient usw. bezeichnet.
B,C, D, . . . , sind für jede reine Substanz charakteristische Koeffizienten, die nur von T ∗ abhängen.
Wenn V groß ist, genügt es häufig, die Reihe nach dem Term mit B abzubrechen und es gilt dann
näherungsweise:
RT ∗
B(T ∗ )
∼
p=
1+
V
V
Im Allgemeinen hat der 2. Virialkoeffizient B(T ∗ ) den in Abb. 3.4 gezeigten Verlauf als Funktion von T ∗ .
*
B(T )
TB*
T*
Abbildung 3.4: Prinzipieller Verlauf des 2. Virialkoeffizienten
B(T ∗ ) wird in m3 · mol−1 , häufig auch in cm3 · mol−1 angegeben.
Bei tiefen Temperaturen wird B(T ∗ ) rasch negativ, bei hohen Temperaturen ist B(T ∗ ) positiv
und verläuft fast parallel zur T ∗ -Achse. Die Temperatur, bei der B = 0 wird, heißt die BoyleTemperatur TB∗ .
26
3.4 Andere Zustandsgleichungen
Wir wollen die v. d. Waals-Gleichung in eine Reihe entwickeln, um den Ausdruck für B nach
der v. d. Waals-Gleichung zu erhalten. Wir schreiben die van der Waals-Gleichung etwas um:
1
a
p ·V
=
−
b
RT ∗
1 − V RT ∗ ·V
Reihenentwicklung des ersten Terms
auf der rechten Seite nach b/V = x und Abbrechen nach
1
dem linearen Glied 1−x
= 1 + x + · · · ergibt:
b
a
1
a p ·V ∼
1
+
−
=
1
+
b
−
=
RT ∗
RT ∗
V RT ∗V
V
Vergleich mit der Virialgleichung ergibt:
Bv.d.W. = b −
a
RT ∗
(3.4)
Mit a > 0 und b > 0 ergibt das einen Kurvenverlauf, der qualitativ wie der in der Abb. 3.4
aussieht. Man sieht, dass
lim Bv.d.W. = b
T ∗ →∞
ergibt.
Für die Boyle-Temperatur TB∗ ergibt sich im Fall der v. d. Waals-Gleichung:
∗
TB,v.d.W.
=
a
R·b
Es sei betont, dass Gl. (3.4) nicht den korrekten Ausdruck für den 2. Virialkoeffizienten darstellt,
sondern den 2. Virialkoeffizienten, wie er sich aus der Modellvorstellung durch die v. d. WaalsZustandsgleichung ergibt.
3.4 Andere Zustandsgleichungen
Die v. d. Waals-Gleichung ist die einfachste und bekannteste thermische Zustandsgleichung für
reale fluide Systeme.
Die folgende Schreibweise:
p ·V
1
a
p ·V
p ·V
=
−
=
+
(3.5)
R · T ∗ 1 − b RT ∗ ·V
RT ∗ HS
RT ∗ attr.
V
macht deutlich, dass sie aus2 Anteilen zusammengesetzt ist.
Der 1. Term p ·V /RT ∗ (HS) (Index HS = Hard Spheres) rührt von den abstoßenden Wechselwirkungen der harten „Molekülkerne“
(Hard Spheres) her, der 2. Term von den anziehenden
Wechselwirkungen p ·V /RT ∗ attr. , die diese harten Kugeln aufeinander ausüben. Diese Aufspaltung ist etwas willkürlich. Sie bedeutet, dass der 1. Term die Zustandsgleichung von harten Kugeln
ohne anziehende Wechselwirkung darstellen soll (a = 0). Nun ist es so, dass man die korrekte
Entwicklung der Virialgleichung für harte Kugeln (ohne Anziehung) recht gut kennt, der 2. bis 5.
27
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
Virialkoeffizient (sh. Gl. (3.3)) kann sogar exakt berechnet werden, der 6. und 10. Virialkoeffizient für harte Kugeln ist aus Computersimulationsrechnungen mit genügender Näherung bekannt.
Wenn man abkürzt:
y = NL b/4V
wobei b = 23 πσ 3 bedeutet (σ = Kugeldurchmesser) bzw. b/4 = 43 π r3 (r = Kugelradius = σ /2),
dann gilt für die „korrekte“ Virialgleichung harter Kugeln
p ·V
= 1 + 4y + 10y2 + 18, 365y3 + 28, 22y4 + 39, 83y5 + 56, 1y6 + 73, 7y7 +
RT ∗ (HS,exakt)
+98, 3y8 + 131, 1y9 + · · ·
(3.6)
Wenn man den p ·V /RT ∗ (HS) -Term der v. d. Waals-Gleichung in eine Reihe entwickelt, ergibt
sich hingegen:
p ·V
1
= 1 + 4y + 16y2 + 64y3 + 256y4 + 1024y5 + 4096y6 + · · · (3.7)
=
RT ∗ (HS,v.d.W.) 1 − 4y
Der Vergleich von Gl. (3.6) mit Gl. (3.7) zeigt:
Bis zum 2. Virialkoeffizienten ist diese Reihenentwicklung des Hart-Kugel-Terms der van der
Waals-Gleichung noch korrekt, bei den folgenden Koeffizienten jedoch kommt es mit wachsenden
Potenzen von y zu erheblichen bzw. extremen Abweichungen.
Man hat nun versucht, das Prinzip der van der Waals-Gleichung,
wonach abstoßender Anteil und
∗
anziehender Anteil des Ausdruckes p ·V /RT sich additiv verhalten, beizubehalten, aber den
abstoßenden Term durch verbesserte Ausdrücke zu beschreiben, die der exakten Virialentwicklung
für harte Kugeln möglichst nahe kommen.
Von E. A. Guggenheim stammt z. B.der folgende Ausdruck:
p ·V
1
=
= 1 + 4y + 10y2 + 20y3 + 35y4 + 56y5 + 84y6 + · · ·
∗
RT HS,Gugg. (1 − y)4
Diese Gleichung stimmt bis einschließlich dem 3. Virialkoeffizienten mit der exakten Virialgleichung überein, die Abweichungen bei höheren Potenzen von y sind zwar deutlich, aber erheblich
geringer als beim van der Waals Modell.
Wenn man die fast korrekte Gleichung für harte Kugeln (Gl. (3.6)) genauer untersucht, stellt
man fest, dass sie mit erstaunlich hoher Genauigkeit durch folgende Reihe beschrieben werden
kann (Carnahan und Starling, 1969):
∞
1 + y + y2 − y3
p ·V
2
n−1
=
1
+
(n
+
n
−
2)
·
y
=
(3.8)
∑
RT ∗ CS
(1 − y)3
n=2
Die ersten Reihenkoeffizienten lauten:
p ·V
= 1 + 4y + 10y2 + 18y3 + 28y4 + 40y5 + 54y6 + +70y7 + · · ·
RT ∗ CS
Das ist eine fast perfekte Übereinstimmung mit dem Ausdruck für harte Kugelnbis zur sechsten
Potenz in y. Gl. (3.8) ist mit die genaueste analytische Darstellung für p ·V /RT ∗ HS , die bekannt
28
3.4 Andere Zustandsgleichungen
Abbildung 3.5: Hartkugelzustandsgleichungen (pV /RT ∗ )HS als Funktion y = NL b/4V . Gl.
(3.8) (CS-Gleichung) und Gl. (3.6) (HS, exakt-Gleichung) sind praktisch ununterscheidbar.
ist. Die besprochenen Hart-Kugel Zustandsgleichungen sind in Abb. 3.5 zusammengefasst dargestellt.
√
Die Werte von y können zwischen 0 (ideales Gas) und π /(3 · 2) = 0, 7405 (dichteste Kugelpackung) liegen. Obwohl die Guggenheim- und die CS-Gleichung rein mathematisch Werte von y
bis zu 1 zulassen, ohne dass die Ausdrücke für y < 1 divergieren, muss ihre Gültigkeit auf diesen
Maximalwert y = 0, 7405 beschränkt sein. Bei der v. d. Waals-Gleichung divergiert (pV /RT )HS
bereits bei y = 0, 25, das steht im klaren Widerspruch zur Realität.
Eine Kombination der verschiedenen Ausdrücke von (pV /RT ∗ )HS mit (pV /RT ∗ )attr. ergibt
dann Zustandsgleichungen für reale Systeme, die in einigen Fällen deutliche Verbesserungen gegenüber der van der Waals-Gleichung darstellen, vor allem im dichten Bereich der Flüssigkeit.
Für (pV /RT ∗ )attr. wird häufig der v. d. Waals-Ausdruck gewählt:
pV
RT ∗
attr.
=−
a
RT ∗ ·V
Einfache Zustandsgleichungen, die den Term (pV /RT ∗ )HS nach van der Waals beibehalten,
aber den Term (pV /RT ∗ )attr. verändern, führen z. B. zur RK (Redlich-Kwong), zur SRK (SoaveRedlich, Kwong) oder zur PR (Peng-Robinson) Zustandsgleichung, die häufig und gerne benutzt
werden wegen ihrer relativ einfachen Struktur als sog. kubische Zustandsgleichungen.
29
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
Als Beispiel geben wir die Zustandsgleichung nach Redlich und Kwong an (RK-Gleichung) an:
p=
RT ∗
a
− ∗1/2
V −b T
V (V + b)
Sie unterscheidet sich von der van der Waals-Gleichung nur im 2. Term durch die Temperaturabhängigkeit im Faktor T ∗1/2 und den Faktor V + b statt V . Diese Gleichung ist i. a. erheblich
besser geeignet als die van der Waals-Gleichung. Man erhält durch eine mathematische Analyse
der Bedingungen beim kritischen Punkt Tc∗ , pc ,V c :
zc =
pc ·V c 1
= = 0, 333.
RTc∗
3
Der Wert von zc liegt viel dichter an realen Werten (∼ 0, 29) als der zc -Wert der van der WaalsGleichung (0,375).
Ferner erhält man für die RK-Gleichung:
a=
∗5/2
∗5/2
R2 · Tc
R2 · Tc
=
0,
42748
·
pc
9(21/3 − 1)pc
1
[m3 · mol−2 J · K 2 ]
und
b = (21/3 − 1)
RTc∗
RT ∗
= 0, 08664 · c
3 · pc
pc
[Joule · mol−1 · Pa−1 = m3 · mol−1 ]
Aus den kritischen Daten Tc∗ und pc lassen sich also, ähnlich wie bei der van der Waals-Gleichung,
die Parameter a und b bestimmen. Über zc kann dann auch Vc berechnet und mit gemessenen
Werten von Vc verglichen werden.
Kritische Daten einer Reihe von wichtigen Fluiden sind in Anhang 7.1. zu finden.
Für die Gase H2 , N2 , NH3 , CO2 , Propan und Dimethylether sind als Beispiele die Werte für a
und b nach der van der Waals-Gleichung und der RK-Gleichung in der folgenden Tabelle angegeben. Sie wurden aus experimentellen Daten von Tc und pc nach den oben angegebenen Formeln
errechnet. Die berechneten Werte der molaren kritischen Volumina V c zeigen im Vergleich zu
den experimentellen Daten die Qualitätsunterschiede der beiden Zustandsgleichungen im Bereich
des kritischen Punktes. Die RK-Gleichung sagt V c deutlich besser voraus als die van der WaalsGleichung.
Tabelle 2: Die Parameter a und b nach der v. d. Waals- und der RK-Gleichung
avdW
bvdW
aRK
bRK
V c(vdW) V c(RK) V c(exp)
H2
0,0247 2,65 ·10−5 0,1443 1,84 ·10−5
79,6
70,7
65,0
−5
−5
N2
0,1370 3,87 ·10
1,560 2,68 ·10
116,1 103,2 85,5
NH3
0,4257 3,74 ·10−5 8,655 3,59 ·10−5 112,2
99,7
72,5
−5
−5
CO2
0,3661 4,29 ·10
6,470 4,13 ·10
128,6 114,3 94,0
Propan
0,9405 8,72 ·10−5 18,32 8,72 ·10−5 271,9 241,7 203,0
(CH3 )2 O 0,8689 7,74 ·10−5
17,6
5,36 ·10−5 232,2 185,8 178,0
avdW in Joule · m3 · mol−2 , aRK in Joule · m3 · K1/2 · mol−2 , bvdW in m3 · mol−1 , bRK in m3 · mol−1 ,
30
3.5 Volumina von Mischungen, partielles molares Volumen
alle V c in cm3 · mol−1
Wir wollen zum Abschluss dieses Abschnitts noch eine Anmerkung zum Begriff des freien
Volumens in einer Flüssigkeit machen. Eigentlich macht dieser Begriff nur einen Sinn für fluide Stoffe, die aus harten Kernen bestehen, wie z. B. Kugeln. Er stellt das Volumen eines Fluids
dar, das den Schwerpunkten der Moleküle im Mittel für die freie Bewegung zur Verfügung steht
und in dem sich die Moleküle wie ideale Gasteilchen verhalten. Nach der v. d. Waals-Theorie ist
das freie Volumen einfach V − b, wobei b = (2/3)πσ 3 oder (16/3) · π r3 , wenn r der Radius des
Moleküls ist. Da σ die kürzeste Entfernung ist, auf die 2 Kugeln sich einander annähern können,
wäre 4/3πσ 3 das Volumen einer Kugel, zu der die Schwerpunkte zweier Teilchen keinen Zugang
haben. Da b gerade die Hälfte dieses Kugelvolumens ist, ist b auch im Mittel das Volumen, das einem Kugelteilchen nicht zugänglich ist. Das trifft korrekt zu, wenn nur 2 Teilchen gleichzeitig im
Spiel sind. Sind mehrere Teilchen beteiligt, kann dieses einfache Konzept des freien Volumens pro
Molekül nicht mehr stimmen. Das ist die Ursache für die fehlerhafte Beschreibung der Zustandsgleichung für harte Kugeln nach v. d. Waals. Ein allgemeines Konzept, wie man das freie Volumen
experimentell bei realen Fluiden abschätzen kann, wird in Anhang 9 gegeben. Zum Verständnis
dieses Konzeptes werden allerdings die Kenntnisse der folgenden Kapitel bis einschließlich Kapitel 5 vorausgesetzt. Dennoch sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen.
3.5 Volumina von Mischungen, partielles molares Volumen
Die allgemeine Zustandsgleichung für das Volumen einer gasförmigen oder flüssigen Mischung
lautet:
V = V (p, T ∗ , n1 , n2 , . . . , nk )
und das totale Differential (bei T ∗ = const und p = const) ist demnach:
∂V
∂V
∂V
dV =
dn1 +
dn2 + · · · +
dnk
∂ n1 p,T ∗ ,n j6=1
∂ n2 p,T ∗ ,n j6=2
∂ nk p,T ∗ ,n j6=k
Das Volumen ist bezüglich der Molzahlen eine extensive Zustandsgröße; wenn alle Molzahlen n1 , . . . , nk um den Faktor α erhöht werden, wird auch V um den Faktor α vergrößert.
V ist also eine homogene Funktion vom Grad 1 bezüglich der Variablen n1 , . . . , nk . Es gilt
somit die Euler’sche Gleichung.
Daraus folgt:
k
∂V
∂V
∂V
V=
· n1 +
· n2 + · · · +
· nk = ∑ V i · ni
∂ n1
∂ n2
∂ nk
i=1
und
∑ ni dV i = 0
wobei wir mit
∂V
Vi =
∂ ni T ∗ ,p,n j6=i
31
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
abgekürzt haben. V i ist das partielle molare Volumen der Komponente i.
Anschaulich interpretiert ist V i die Änderung des Volumens V der Mischung, wenn 1 mol der
Komponente i zu einer Mischung mit sehr großen (streng genommen unendlich großen) Molzahlen
n1 , . . . , nk gegeben wird, so dass sich die Zusammensetzung der Mischung praktisch nicht ändert.
Man kann V i in einer binären Mischung, also V 1 und V 2 , folgendermaßen bestimmen.
Man ermittelt durch Dichtemessung ρM der Mischung das molare Volumen der Mischung V M =
V /(n1 + n2 ). Es gilt wegen (n1 M1 + n2 M2 )/V = ρM :
VM =
x1 M1 + x2 M2
ρM
wobei M1 und M2 die Molmassen [kg · mol−1 ], x1 und x2 die Molenbrüche, und ρM die gemessene
Dichte der Mischung [kg · m−3 ] bedeuten.
Da V = V (p, T ∗ , n1 , . . . , nk ) eine homogene Funktion 1. Grades in den Molzahlen n1 , . . . , nk ist,
bedeutet Multiplikation von V mit 1/n = 1/ ∑ ni :
V
= V M = V (p, T ∗ , x1 , . . . , xk )
n
mit
xi =
ni
n
Das molare Volumen der Mischung V M ist eine intensive Zustandsgröße und hängt nur noch von
intensiven Variablen (T ∗ , p, x1 , . . . , xk ) ab. Die Zahl der freien Variablen ist jetzt nicht mehr k + 2,
sondern nur noch k + 1, da die Zusatzbedingung
k
∑ xi = 1
i=1
gilt.
Für eine binäre Mischung erhält man:
V M = V 1 · x1 +V 2 · x2 = V 1 x1 +V 2 (1 − x1 ) = (V 1 −V 2 )x1 +V 2
und somit:
dV M = V 1 dx1 +V 2 dx2 + x1 dV 1 + x2 dV 2
= V 1 dx1 +V 2 dx2 = (V 1 −V 2 )dx1
wegen ∑ dxi = 0
Es folgt dann:
und
∑ xi dV i = 0.
dV M
= V 1 −V 2
dx1
Setzt man das in die Gleichung für V M ein, ergibt sich:
VM =
32
dV M
· x1 +V 2
dx1
bzw.
VM =
dV M
· x2 +V 1
dx2
3.5 Volumina von Mischungen, partielles molares Volumen
VM
V1
V2
V2
0
1
x1
Abbildung 3.6: Der Zusammenhang zwischen molarem Volumen V einer binären Mischung und
den partiellen molaren Volumina V 1 und V 2 . „Punktlinie“: Ausgleichskurve durch
0
0
Messpunkte von V . V 1 und V 2 sind die Molvolumina der reinen Stoffe 1 und 2.
Abb. 3.6 zeigt, dass V 2 (x1 ) der Achsenabschnitt der Tangente bei x1 = 0 ist, und V 1 (x1 ) der
Achsenabschnitt der Tangente bei x1 = 1. Auf diese Weise lassen sich also V 1 und V 2 bestimmen,
wenn V M (x1 ) bekannt ist aus Experimenten.
0
0
Im gezeigten Beispiel (Abb. 3.6) gilt V 2 > V 2 und V 1 > V 1 für alle x. Es gibt auch andere
Fälle, z. B. ist V NaCl = 19, 3 cm3 · mol−1 in einer 1-molalen Lösung in H2 O und in einer 4-molalen
Lösung V Na = 22, 3 cm3 · mol−1 .
0
Das Molvolumen V NaCl des festen Salzes NaCl beträgt dagegen 26,9 cm3 · mol−1 . Hier ist also
0
V NaCl < V NaCl .
Allgemein gilt für Mischungen mit k Komponenten und den Molenbrüchen x1 , . . . , xk :
k
V M = V j + ∑ xi
i=1
i6= j
∂V M
∂ xi
(3.9)
Der Beweis für Gl. (3.9) lässt sich folgendermaßen führen.
Es gilt:
dV M =
k
1
V
dn
=
i i
∑ V i dxi
n∑
i=1
k
dV M =
k
∑ V i dxi −V j ∑ dxi
i6= j
i6= j
k
(wegen
∑ dxi = −dx j )
i6= j
Daraus folgt :
∂V M
∂ xi
= V i −V j (i 6= j)
33
3 Das Volumen als Zustandsfunktion
Summation über alle i 6= j ergibt:
k
∑ xi
i6= j
k
k
∂V M
= ∑ xiV i −V j ∑ xi
∂ xi
i6= j
i6= j
(3.10)
Da nun gilt:
k
k
k
i6= j
i6= j
i6= j
V M = ∑ xiV i + x jV j = ∑ xiV i +V j −V j ∑ xi
oder umgeschrieben
k
k
i6= j
i6= j
∑ xiV i −V j ∑ xi = V M −V j
(3.11)
ergibt die Substitution der linken Seite von Gl. (3.11) in die rechte Seite von Gl. (3.10):
k
∂V M
V M = V j + ∑ xi
∂ xi
i6= j
Damit ist der Beweis erbracht.
Die hier diskutierten Beziehungen zwischen der extensiven Zustandsgröße V , dem molaren Volumen V M und den partiellen molaren Volumina V i gelten ganz allgemein für extensive Zustandsgrößen, z. B. für die innere Energie U , die Enthalpie H, die Entropie S, die freie Energie F oder
die freie Enthalpie G. Wir kommen darauf später noch zurück.
3.6 Partielle molare Volumina in realen Gasmischungen
Wie hängt in Zustandsgleichungen realer Systeme das Volumen V von n1 , . . . , nk ab, z. B. in
der v. d. Waals-Gleichung oder der Virialgleichung? Wir betrachten als Beispiel die allgemeine
Virialgleichung realer Gase, entwickelt bis zum 2. Virialkoeffizienten:
!
k
RT ∗
BM
RT ∗
BM 2
mit n = ∑ ni
p=
1+
bzw. p =
n+
·n
V
V
VM
VM
i=1
Wenn diese Gleichung auch für Mischungen gelten soll mit V M als molarem Volumen der Mischung, dann darf BM , der Virialkoeffizient der Mischung, außer von T ∗ nur noch von den Molenbrüchen x1 , . . . , xk abhängen und nicht von n1 , . . . , nk , da p eine intensive Größe ist.
Wir geben ohne Ableitung an, wie diese Beziehung lautet:
k
k
k
i=1
i=1
i6= j
j=1
BM = ∑ Bii · x2i + ∑ ∑ Bi j · xi · x j
Im Spezialfall einer binären Mischung ergibt das demnach:
BM = x21 · B11 + 2x1 · x2 · B12 + B22 · x22
34
3.6 Partielle molare Volumina in realen Gasmischungen
wobei B11 der 2. Virialkoeffizient der reinen Komponente 1 und B22 der 2. Virialkoeffizient der
reinen Komponente 2 ist. B12 ist der 2. Virialkoeffizient einer „Pseudo-Komponente“, die sich aus
Eigenschaften von 1 und 2 zusammensetzt (sog. Mischvirialkoeffizient).
Wir berechnen jetzt die partiellen Molvolumina V 1 und V 2 . Zunächst schreiben wir:
VM =
RT ∗
RT ∗
RT ∗
· BM ≈
+
+ BM
p
p
p ·V M
Dann gilt nach Gl. (3.9) mit k = 2:
RT ∗
∂V M
∂ BM
V2 =VM −
· x1 =
+ BM −
· x1
∂ x1 T ∗ ,p
p
∂ x1 T ∗
Mit
∂ BM
∂ x1
T∗
= 2x1 B11 + 2B12 − 4x1 B12 − 2(1 − x1 ) · B22
und
BM = x21 B11 + 2x1 (1 − x1 )B12 + (1 − x1 )2 B22
ergibt sich:
V2 =
V1 =
RT ∗
+ x21 (2B12 − B11 − B22 ) + B22
p
RT ∗
+ x22 (2B12 − B11 − B22 ) + B11
p
Das sind die partiellen molaren Volumina V 1 und V 2 in einer binären realen Gasmischung.
Wenn p → 0 bzw. V M → ∞, erhalten wir
lim V 1 = lim V 2 =
p→0
p→0
RT ∗
p
Man erhält also das ideale Gasgesetz, und es gilt allgemein
V i,id.Gas = V j,id.Gas = R ·
T∗
0
= V i,id.Gas
p
bzw., wenn BM = 0, gilt allgemein:
k
V M, id.Gas = ∑ xiV i,id.Gas
0
i=1
0
wobei V i,id. die Molvolumina der reinen Gase i bei gegebenem Druck p und Temperatur T ∗ alle
identisch sind.
0
V M, id.Gas bzw. V i,id.Gas sind also keine stoffspezifischen Größen mehr, die partiellen molaren
Volumina in einer idealen Gasmischung sind identisch mit dem Molvolumen der reinen Gase
0
V i,id.Gas = RT ∗ /p.
35
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
4.1 Die Begriffe Arbeit, Wärme und innere Energie
An einem System, in dem der Druck pSystem herrscht, kann eine Arbeit W geleistet werden mit
W > 0, z. B. durch Kompression des Systems mit einem Stempel (W = Kraft (K) mal Weg (∆l)).
Das System kann aber auch selbst eine Arbeit W leisten mit W < 0, z. B. durch Ausdehnung des
Systems gegen eine Kraft K. W ist also positiv, wenn das System Energie aufnimmt, W ist negativ,
wenn das System Energie nach außen abgibt. Abb. 4.1 illustriert diese Vorgänge.
Stempel mit Fläche F
..
Kraft K = pa F
PSystem
Dl
Abbildung 4.1: Kompression bzw. Ausdehnung eines Systems (z. B. eines Gases)
Für die differentielle Arbeit schreibt man:
δ W = K · dl
oder besser:
δ W = −pa dV
wobei pa = K/F ist, wenn F die Stempelfläche ist. pa ist dann der äußere Druck (Index a). Wenn
Kräftegleichheit bzw. Druckgleichheit innen und außen herrscht (pa = pSystem ), spricht man von
quasistatischer Arbeit δ Wqs (Index qs. = quasistatisch).
Eigentlich kann ein solcher Prozess nur unendlich langsam ablaufen, denn wenn er in endlicher
Zeit ablaufen soll, muss Kräfteungleichheit herrschen (pa 6= pSystem ).
Beim quasistatischen Prozess ist der Druck p = pSystem eine Zustandsgröße des Systems.
δ Wqs = −pdV
nennt man die quasistatische oder reversible (differentielle) Volumenarbeit, sie ist positiv, wenn
am System Arbeit geleistet wird (dV < 0), sie ist negativ, wenn das System selbst Arbeit leistet
(dV > 0).
Wir zeigen nun, dass pdV kein vollständiges Differential ist:
36
4.1 Die Begriffe Arbeit, Wärme und innere Energie
Wir schreiben für das totale Differential von V :
dV =
∂V
∂T∗
∂V
dT +
∂p
p
∗
dp
T∗
Damit folgt:
∂V
dT + p
∂p
p
!#
∂V
∂T∗
∂V
−δ Wqs = p · dV = p
∂T∗
∗
dp
T∗
Wir berechnen:
∂
∂p
"
∂V
p
∂T∗
p
T∗
=
+p
p
∂ 2V
∂ p·∂T∗
und
∂
∂T∗
∂V
∂ 2V
p
=p ∗
∂ p T∗ p
∂T ·∂ p
Da auf jeden Fall ∂ 2V /∂ T ∗ ∂ p = ∂ 2V /∂ p∂ T ∗ (Schwarz’scher Satz), ist pdV nur dann ein vollständiges Differential, wenn immer gelten würde: (∂ V /∂ T ∗ ) p = 0, das ist aber nicht der Fall, also
ist δ WqsR ein unvollständiges
Differential. Das ist nochmals in Abb. 4.2 illustriert, wo deutlich wird,
R
dass − δ Wqs = pdV vom Weg abhängt. Es gibt noch andere Arten von Arbeit, die das System
p
b
A
B
a
V
R
Abbildung 4.2: Zur Wegabhängigkeit des Integrals p dV . Das Integral von A nach B über Weg
a hat einen kleineren Wert als über Weg b.
37
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
mit der Umgebung austauschen kann, von denen wir die wichtigsten anführen:
Die Oberflächenarbeit W1,qs :
δ W1,qs = σ · d ω
Die elektrische Arbeit W2,qs :
δ W2,qs = +~Ed(~P ·V )
Die magnetische Arbeit W3,qs :
~ ·V )
δ W3,qs = +~Bd(M
Die Spannungarbeit W4,qs :
~ · d~l
δ W4,qs = +K
σ = Oberflächenspannung (bzw. Grenzflächenspannung)
ω = Oberfläche(bzw. Grenzfläche)
~E = elektrische Feldstärke,
~P = elektrischeVolumenpolarisation
V = Volumen
~B = magnetische Feldstärke,
~ = magnetischeVolumenpolarisation
M
V = Volumen
~ = Zugkraft
K
~l = Länge
Die elektrochemische Arbeit W5,qs :
δ W5,qs = +∆ϕ · dq
∆ϕ = elektromotorische Kraft = elektrische Spannung
eines galvanischen Elements,
q = elektrische Ladung
Allgemein kann man schreiben:
δ Wqs = ∑ δ Wi,qs = ∑ λi dli
i
i
Man nennt λi den Arbeitskoeffizienten der Arbeitsart i (intensive Größe)
und li die Arbeitskoordinate der Arbeitsart i (extensive Größe).
Wenn man nicht quasistatisch (irreversibel) arbeitet (λi,außen 6= λi,innen ), lässt sich bei der Prozessumkehr – selbst wenn man dabei wieder quasistatisch arbeitet – nicht mehr die am System
geleistete bzw. vom System geleistete Arbeit zurückgewinnen. Dieser verlorene Teil der Arbeit
heißt dissipierte Arbeit Wdiss , differentiell δ Wdiss . Wir kommen darauf noch ausführlich in Abschnitt 5.6 zu sprechen.
Quasistatische Prozesse, auch reversible Prozesse genannt, laufen als quasi-Gleichgewichtsprozesse auf der Oberfläche der Zustandsgleichung von Punkt A nach B ab, während nichtquasistatische Prozesse, auch irreversible Prozesse genannt, in undefinierter Weise von A nach B
ablaufen. Das verdeutlicht Abb. 4.3 am Beispiel der p-V -T -Oberfläche eines beliebigen Systems
(nicht notwendigerweise ein ideales Gas).
RB
Im Fall der p-V -T -Oberfläche stellt die quasistatische Volumenarbeit − pdV das Integral der
A
Projektion des Weges von A nach B auf die p-V -Ebene dar. Umgekehrt gilt: wenn die Funktion p = p(V ) auf der p-V -Ebene vorgegeben ist, dann ist durch ihre Projektion auf die p-V -T Zustandsfläche eindeutig der Weg auf der Oberfläche von A nach B definiert. Dabei wird deutlich,
dass verschiedene Wege auf der Oberfläche von A nach B möglich sind, die i. a. zu unterschiedRB
lichen Werten von − pdV führen. Das illustriert nochmals, dass −pdV kein vollständiges DiffeA
rential ist.
38
4.1 Die Begriffe Arbeit, Wärme und innere Energie
T
p
A
B
V
Abbildung 4.3: Quasistatischer Prozess auf der p-V -T -Oberfläche: ——–
Nicht-quasistatischer (irreversibler) Prozess: - - - - Es gilt also allgemein:
δ W = δ Wqs + δ Wdiss = ∑ λi dli + δ Wdiss
i
Rechnet man bei nicht-quasistatischen Prozessen noch Reibungsarbeit der Maschinenteile (z. B.
bewegliche Kolben) WReib und Deformationsarbeit (z. B. Deformation der Systemwände) hinzu,
so erhält man bei Auflösung nach δ Wdiss :
δ Wdiss = ∑(λi,außen − λi,innen )dl + δ WReib + δ WDeform
bzw.
δ W = ∑(λi,außen − λi,innen )dl + δ WReib + δ WDeform + δ Wqs
Bei Formen des Arbeitsaustausches des Systems mit der Umgebung, kann der Prozess auf verschiedenen Wegen ablaufen. Ein Prozess heißt adiabatisch, wenn die Arbeit W die einzige energetische Austauschform des Systems mit der Umgebung ist (thermische Isolierung).
Dann ändert sich die Energie des Systems auf dem Weg von Zustand I nach Zustand II um
∆E:
∆E = EII − EI =
Z
δ W = W (adiabatisch)
Gibt man die Bedingung „adiabatisch“ auf, und damit die thermische Isolierung, gilt allgemein:
∆E 6= W
Wegen des fundamentalen Gesetzes der „Energieerhaltung“ muss es eine weitere Energieform
Q geben, die mit der Umgebung ausgetauscht werden kann und für die gilt:
Q = ∆E −W
oder differentiell ausgedrückt:
dE = δ Q + δ W
39
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Q nennt man die Wärme. Da die Gesamtenergie E eine Erhaltungsgröße ist, dE also ein totales Differential darstellt, ferner δ W ein unvollständiges Differential ist (s. o.), kann δ Q auch
nur ein unvollständiges Differential sein. Die Summe δ Q + δ W dagegen ist immer ein vollständiges Differential. Q kann nur mit der Umgebung ausgetauscht werden, wenn die Systemwände
„diatherm“ sind, d. h., wenn Temperaturausgleich mit der Umgebung möglich ist. Haben System und Umgebung dieselbe Temperatur, ist ein Austausch von Q in endlicher Zeit nicht möglich,
bei quasistatischen Prozessen mit konstanter Temperatur kann also ein Austausch von Wärme nur
idealisiert, d. h. unendlich langsam erfolgen.
Im Allgemeinen lässt sich ∆E in 3 Anteile aufspalten:
∆E = ∆Ekin + ∆Epot + ∆U = Q +W
(4.1)
∆Ekin ist die Änderung der gesamten (makroskopischen) kinetischen Energie, ∆Epot die Änderung
der potentiellen Energie. Gl. (4.1) ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik in seiner allgemeinen
Form. Mit U bezeichnet man die sog. innere Energie des Systems und mit ∆U die Änderung der
inneren Energie. Man kann die kinetische und potentielle Energie des Systems nochmals in die
des eigentlichen (chemischen) Systems und die der Systemwände (Gefäßmaterial, Kolben et cet.)
aufteilen. Man erhält dann:
∆E = Q +
∑
i
Z
(λi,außen − λi,innen )dl +WReib +WDeform +Wqs = Q +W
= ∆Ekin,Wand + ∆Ekin,Sys + ∆Epot,Wand + ∆Epot,Sys + ∆U
Wenn die kinetischen sowie die potentiellen Energien des Systems und der Systemwände konstant
bleiben – das ist der Regelfall bei Problemen der chemischen Thermodynamik –, dann gilt:
∆U = Q +W
(4.2)
Das ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik, wie er in der chemischen Thermodynamik in der
Regel benötigt wird.
Im Gegensatz zu Q und W ist die innere Energie U eine Systemzustandsgröße. In einem
abgeschlossenen System (δ Q = 0, δ W = 0) ist U = const bzw. dU = 0.
Am naheliegendsten ist es, U als Funktion von V, T ∗ , n1 , . . . , nk darzustellen:
k ∂U
∂U
∂U
∗
dU =
dT +
dV + ∑
dni
(4.3)
∂ T ∗ V,ni
∂ V T ∗ ,ni
i=1 ∂ ni T ∗ ,V,n j6=i
In dieser Schreibweise wird der Begriff der inneren Energie gleich für offene Systeme erweitert,
d. h., wir wählen neben T ∗ und V auch die Molzahlen ni als freie, unabhängige Variable.
Man sieht sofort, dass U bezüglich V, n1 , . . . , nk eine homogene Funktion vom Grad 1 ist.
Es gilt also nach der Euler’schen Gleichung:
k
∂U
U=
·V + ∑ U i · ni
∂ V ni ,T ∗
i=1
oder mit V = ∑ Vi · ni
"
#
k
∂U
U=∑
·Vi +U i · ni
∂ V ni ,T ∗
i=1
40
4.1 Die Begriffe Arbeit, Wärme und innere Energie
U i = (∂ Ui /∂ ni )T ∗ ,ni6= j ,V ist die partielle molare innere Energie der Komponente i.
Für die molare Energie einer Mischung U gilt nun:
U
= U = U (V , T ∗ , x1 , . . . , xk )
∑ ni
wobei wieder ähnlich wie beim Übergang von V zum molaren Volumen der Mischung V durch
die Bedingung ∑ xi = 1 die Größe U nur 2 + k − 1 unabhängige Variable hat, da ∑ xi = 1
als zusätzliche Bedingung vorliegt. (∑ ni )−1 ist der Faktor, mit dem alle extensiven Variablen
(V, n1 , . . . , nk ), von denen U abhängt, multipliziert werden müssen, wenn U selbst mit (∑ ni )−1
multipliziert wird.
Im Spezialfall des reinen Stoffes gilt:
U
0
= U = U(V , T ∗ )
n
Ein wesentlicher Unterschied zu V (T ∗ , p, n1 , . . . , nk ) ist, dass für U kein absoluter Wert angegeben werden kann. Man nennt U (V, T ∗ , n1 , . . . , nk ) eine kalorische Zustandsgröße, während man
V (T ∗ , p, n1 , . . . , nk ) als thermische Zustandsgröße bezeichnet. Die physikalische Einheit für U
ist [J] und für U [J · mol−1 ].
Wir betrachten jetzt die Differentialquotienten (∂ U /∂ T ∗ )V bzw. ∂ U/∂ T ∗ V und ihre physikalische Bedeutung genauer.
1. Führt man dem geschlossenen System mit n Molen unter adiabatischen Bedingungen (δ Q =
0) – z. B. in einem idealen „Dewar“-Gefäß – durch einen elektrischen Widerstand die dissipierte Arbeit δ Wdiss = R · I 2 · dt zu (s. Abb. 4.4) (R = elektrischer Widerstand in [Ω], I =
elektrische Stromstärke in [A] = [C ·s−1 ], t = Zeit in [s]), gilt:
∂U
δ Wdiss =
· dT ∗
∂ T ∗ V,n
wobei V = const gehalten wird und alle ni konstant bleiben (adiabatisch-isochorer Prozess:
es wird keine Wärme δ Q mit der Umgebung ausgetauscht!
Gemessen wird δ Wdiss = R · I 2 · dt und dT ∗ mit einem Thermometer.
Die Größe
1 ∂U
dt 1
∂U
=
= R · I 2 · ∗ · = CV
∗
∗
n ∂ T V,n
∂T V
dT n
(4.4)
CV heißt Molwärme bei konstantem Volumen oder auch molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen.
2. n1 Mole einer Substanz bei T1∗ werden mit n2 Molen einer zweiten Substanz bei T2∗ (T1∗ >
T2∗ ) in thermischen Kontakt gebracht. Das Gesamtsystem, bestehend aus Substanz 1 und
Substanz 2, ist thermisch isoliert, d. h., es herrschen für das Gesamtsystem adiabatische
Bedingungen. Es wird keine Arbeit δ W geleistet. Dennoch finden in beiden Teilsystemen
41
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Th
Dj
R
Volumen V = const
mit n Molen Flüssigkeit
Thermisch isolierte Wand
Abbildung 4.4: Schematische Versuchsanordnung zur Messung von CV . ∆ϕ = elektrische Spannung, Th = Thermometer, R = elektrischer Widerstand
T ∗ -Änderungen statt, denn ∆U1 = −Q und ∆U2 = +Q mit T1∗ > TM∗ > T2∗ . Ein Beispiel ist
die Zugabe eines unlöslichen Metallstücks (System 1, T1∗ ) zu einer Flüssigkeit (System 2,
T2∗ ).
Es stellt sich in beiden Systemen die mittlere Temperatur TM∗ ein entsprechend dem „Nullten
Hauptsatz“, d. h., es wird thermisches Gleichgewicht erreicht. Also gilt:
∆U1 = CV1 · n1 (TM∗ − T1∗ ) = −Q < 0
∆U2 = CV2 · n2 (TM∗ − T2∗ ) = +Q > 0
Da ∆U1 + ∆U2 = 0, folgt:
CV1 · n1 (TM∗ − T1∗ ) = CV2 · n2 (TM∗ − T2∗ )
und somit:
CV2 = CV1
n1 T1∗ − TM∗
n2 TM∗ − T2∗
Bei bekanntem CV1 kann also CV2 bestimmt werden.
Wir fassen zusammen: Methode Nr. 1 arbeitet mit δ Wdiss = dU , Methode Nr. 2 mit δ Q =
dU .
Die Molwärme CV wird in [J · K −1 mol−1 ] angegeben.
Es stellt sich nun die Frage, wie man den anderen Differentialquotienten (∂ U /∂ V )T ∗ bestimmen kann.
Es gibt dafür eine elegante Methode, die wir erst nach Kenntnis des 2. Hauptsatzes anwenden können (Gl. 5.17). Hier beschränken wir uns auf ein direktes Experiment, wie man es
bei Gasen durchführen kann: der Versuch nach Gay-Lussac bzw. nach Joule (s. Abb. 4.5).
42
4.1 Die Begriffe Arbeit, Wärme und innere Energie
Zwei Kolben sind durch einen Hahn, der verschlossen ist, miteinander verbunden. Der linke
Kolben ist mit einem Gas (z. B. He oder N2 ) gefüllt (n Mole, p > 0), der rechte Kolben
ist evakuiert. Das ganze 2-Kolben-System ist adiabatisch isoliert und befindet sich vor Versuchsbeginn bei der Temperatur T1∗ .
Th1
Th2
V1
V2
H
thermische
Isolierung
Abbildung 4.5: Der Versuch nach Gay-Lussac bzw. Joule.
Th1, Th2 = Thermometer, H = Verbindungshahn, V1 ,V2 = Volumina (s. Text).
Das Gas wird durch Öffnen des Hahns ins Vakuum des rechten Kolbens expandiert und die
Endtemperatur T2∗ gemessen. Dabei gilt:
1. Das System leistet keine Arbeit, da der Prozess ohne Gegendruck erfolgt, d. h. δ W =
0 (δ Wqs = −δ Wdiss )
2. Wegen der adiabatischen Bedingung ist auch δ Q = 0. Also gilt:
∂U
∗
dU = δ Q + δ W = 0 = n ·CV dTU +
· dVU
∂V T ∗
Der Index U bedeutet: bei konstantem Wert von U .
Man schreibt um:
− ∂∂UV ∗
dT
T2 − T1
T1 − T2 ∆T
T
∼
δGL =
=−
=+
=
=−
dV
V
+V
−V
V2
V2
n ·CV
2
1
1
U
δGL heißt der Gay-Lussac-Koeffizient. Manchmal wird er auch Joule-Koeffizient
genannt.
Das Experiment wird mehrfach wiederholt mit jeweils kleinerem Anfangsdruck p bzw.
Molzahl n und die Ergebnisse gegen p = 0 für den erreichten Enddruck extrapoliert.
Das Ergebnis ist für alle Gase dasselbe:
lim
p→0
∆T
=0
V2
Da CV > 0, folgt somit:
∂U
lim
=0
p→0 ∂ V T ∗
43
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Die Schlussfolgerung ist: Bei idealen Gasen ist ∂ U /∂ V T ∗ = −CV δGL = 0 und damit
auch δGL = 0.
Hinweis: Bei realen Gasen oder Flüssigkeiten ist das keineswegs der Fall, wie wir
noch sehen werden.
4.2 Die Enthalpie als Zustandsgröße. Der Joule-Thomson-Prozess
Da V und p Zustandsgrößen sind, ist es auch das Produkt p · V . Addiert man zu U das Produkt
p ·V , erhält man eine neue Zustandsgröße H, die Enthalpie
H
(4.5)
n
Der tiefere Grund, warum H gerade so definiert ist, wird später nach Kenntnis des 2. Hauptsatzes
einleuchtend werden. Es gibt aber auch einen praktischen Grund, der unmittelbar einsichtig ist.
Das totale Differential von H lautet:
H = U + p ·V
H = U + p ·V
bzw.
mit H =
dH = dU + p · dV +V · d p
Im Fall, dass δ Wqs = −p · dV , folgt mit dU = δ Q − p · dV
dH = δ Q +V d p
Man wählt nun die Enthalpie H = H(p, T, n1 , . . . , nk ) bzw. die molare Enthalpie H = H(p, T, x1 , . . . , xk ),
als Funktion von p, T und den Molzahlen bzw. den Molenbrüchen, so dass bei p = const gilt:
dH = δ Q
(p = const)
Bei konstantem Druck ist also dH die differentielle Wärme δ Q, die im quasistatischen Fall mit
der Umgebung ausgetauscht wird, daher der Name Enthalpie (enthalpos (griechisch) = Wärme).
Da Wärmemengen bei p = const im Allgemeinen gut messbar sind und damit auch Enthalpieänderungen, liegt hier der praktische Sinn der Definition der Enthalpie als Funktion von T, p und den
Molzahlen ni .
H bzw. H wird ähnlich wie U bzw. U als eine kalorische Zustandsgröße bezeichnet.
Für das totale Differential gilt dann für offene Systeme:
k ∂H
∂H
∂H
∗
dH =
dT +
dp+ ∑
∂ T ∗ p,n
∂ p T ∗ ,n
∂ ni T ∗ ,p,n j6=i
i=1
H ist offensichtlich eine homogene Funktion vom Grad 1 in den Variablen n1 bis nk . Dabei gilt:
H = ∑ H i · ni
bzw.
H = ∑ H i · xi
wobei H i = (∂ Hi /∂ ni )T ∗ ,p als partielle molare Enthalpie der Komponente i bezeichnet wird.
Bei einer Systemänderung mit δ Wdiss = 0, d. h. bei quasistatischer Arbeitsweise und p = const
sowie alle ni = const, folgt dann:
∂H
dH = δ Q =
· dT ∗
∂ T ∗ p,n
44
4.2 Die Enthalpie als Zustandsgröße. Der Joule-Thomson-Prozess
Es ist jedoch auch möglich, dass sich das System unter den folgenden Bedingungen verändert:
δ Q = 0 und δ Wdiss 6= 0 bei p = const, d. h., d p = 0. Wegen dU = δ Wdiss − p · dV = δ W gilt in
diesem nicht-quasistatischen (irreversiblen) Fall:
∂H
· dT ∗
dH = δ Wdiss =
∂ T ∗ p,n
1
n
∂H
∂T∗
=
p,n
∂H
∂T∗
= Cp
p
C p heißt die Molwärme bei konstantem Druck und ist nach ähnlichen Methoden messbar wie CV ,
nur dass jetzt bei den entsprechenden Messvorgängen p konstant gehalten werden muss statt V .
Das ist experimentell in der Regel viel einfacher.
Es lässt sich nun ein Zusammenhang zwischen C p und CV herstellen. Es gilt definitionsgemäß:
∂H
∂U
∂ (U + p ·V )
∂U
C p −CV =
−
=
−
∂T∗ p
∂T∗ V
∂T∗
∂T∗ V
p
∂U
∂V
∂U
=
+
p
−
∂T∗ p
∂T∗ p
∂T∗ V
Jetzt betrachten wir nach Abschnitt 2.2. den Spezialfall der Transformation z(x, y) → z(α , β ) mit
α = x, also:
∂z
∂z
∂z
∂y
=
·1+
∂x β
∂x y
∂y x ∂x β
Mit U = z,V = y, x = T ∗ und β = p folgt dann:
∂U
∂U
∂U
∂V
=
+
∂T∗ p
∂T∗ V
∂V T ∗ ∂ T ∗ p
Damit ergibt sich:
∂V
C p −CV = p
∂T∗
∂U
+
∂V
p
∂V
·
∂T∗
T∗
=
p
∂V
∂T∗
p
∂U
p+
∂V
T∗
Wir wenden diese allgemein
gültige Gleichung
experimentell gefunden
auf ideale Gase an, wo ja
∗
∗
wurde, dass ∂ U /∂ V T ∗ = 0 und ∂ V /∂ T p = R/p (wegen V = R · T /p). Damit erhalten wir:
C p −CV = R
(ideales Gas)
(4.6)
Bei realen Gasen oder Flüssigkeiten bzw. Festkörpern ist der Unterschied geringer. Der Ausdruck
C p −CV kann durch eine allgemein gültige Formel angegeben werden, die wir noch kennenlernen
werden, wenn wir die Ergebnisse und Konsequenzen des 2. Hauptsatzes anwenden.
Ähnlich wie beim Gay-Lussac-Versuch kann man mit Gasen Expansionsversuche unter Bedingungen machen, bei denen H = const bleibt (statt U = const). Dazu betrachten wir Abb. 4.6.
Ein Gas wird so langsam durch eine poröse Scheibe (Drossel) gedrückt, dass jeweils links und
45
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Thermische Isolierung
.
.
P1 . V1
P2 . V2
Drossel
Drossel
Abbildung 4.6: Der Joule-Thomson-Prozess
rechts von der Drossel einheitliche und messbare Drücke und Temperaturen herrschen. Links von
der Drossel herrscht der Druck p1 und das Gas bewegt sich mit der Volumengeschwindigkeit V̇1 .
Rechts von der Scheibe ist der Druck p2 und das Gas strömt mit der Volumengeschwindigkeit V̇2 .
Es ist p1 > p2 . Das ganze, im zylindrischen Rohr langsam strömende Gas, ist adiabatisch nach
außen isoliert (δ Q = 0). Das ist der sog. Joule-Thomson-Versuch.
Links von der Drossel wird in der Zeit t an dem Gas die Arbeit
W1 = −
Zt
0
p1 · V̇1 · dt = −p1
Z0
·dV1 = +p1V1
ZV2
·dV2 = −p2V2
V1
geleistet. Rechts gilt:
W2 = −
Zt
0
p2 · V̇2 · dt = −p2
0
Daraus folgt:
W1 +W2 = p1V1 − p2V2 = W
Die Änderung der inneren Energie U von der Gasmenge, die durch die poröse Scheibe gedrückt
wurde, ist U2 −U1 = W , da Q = 0. Damit ergibt sich:
p1V1 +U1 = p2V2 +U2 = H1 = H2
(4.7)
Es bleibt also die Enthalpie H bei diesem Versuch konstant, d. h., es handelt sich um einen isenthalpen Prozess. Wir merken noch Folgendes an: Der Joule-Thomson-Prozess ist kein quasistatischer Prozess, er ist irreversibel, ähnlich wie der Gay-Lussac-Versuch. Die nicht-quasistatischen
bzw. irreversiblen Anteile des Joule-Thomson-Prozesses finden im Wesentlichen beim Druckabfall in der Drossel statt. Man sieht das leicht ein, indem man bedenkt, dass bei quasistatischer
(unendlich langsamer) Prozessführung ja überhaupt kein Druckgefälle über die Drossel aufrecht
zu erhalten wäre. In Abschnitt 5.13 werden wir den Joule-Thomson-Prozess nochmals von einem
anderen Standpunkt aus betrachten, der die Irreversibilität deutlich zum Ausdruck bringt.
Beim Joule-Thomson-Versuch gilt also:
∂H
∗
· d pH
dH = 0 = nC p · dTH +
∂ p T∗
46
4.2 Die Enthalpie als Zustandsgröße. Der Joule-Thomson-Prozess
Der Index H bedeutet hier, dass H = const gilt.
Es folgt damit:
∂H
∗
∂ p T∗
∂T
=−
= δJT
∂p H
Cp
(4.8)
δJT heißt der differentielle Joule-Thomson-Koeffizient. Er ist messbar als Steigung einer Kurve, die durch eine Versuchsreihe nach Abb. 4.7 erhalten wird, bei der ausgehend von p1 , T1∗ , im
Joule-Thomson-Versuch nach p2 , T2∗ , dann nach p3 , T3∗ usw. durch die Drossel entspannt wird. Die
Punkte dieser Kurve (s. Abb. 4.7) stellen eine Isenthalpe dar, d. h., für alle Punkte auf einer solche
Kurve gilt H = const. Es gibt also auf der p-V -T ∗ -Zustandsfläche eines Fluids Bereiche mit unterschiedlichem Vorzeichen für δJT . Projiziert man die Zustandsfläche auf die T ∗ -p-Ebene, so ist im
schraffierten Bereich in Abb. 4.7 δJT = (∂ T ∗ /∂ p)H > 0, außerhalb ist δJT < 0. Beim Entspannen
T*
T 1*
T 2*
T 3*
P3 P2
P1
P
Abbildung 4.7: Isenthalpen (H = const ——— und Inversionskurve - - - - - eines realen Fluids.
(T1∗ , P1 ), (T2∗ , P2 ), (T3∗ , P3 ) = Messpunkte bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck auf der Hochdruckseite des JT-Experiments für die Entspannungsseite
entsprechend einer Isenthalpen.
kommt es daher bei δJT > 0 zur Abkühlung (dT < 0), bei δJT < 0 zur Erwärmung (dT > 0) hinter
der Drossel. Die sog. Inversionskurve (- - - - -) verbindet die Kurven-Maxima. Der Prozess ist
wichtig zur Gas-Verflüssigung nach dem sog. Linde-Verfahren. Dabei muss ein Gas unter seine
Inversionstemperatur vorgekühlt sein, um es im Joule-Thomson-Prozess weiter abkühlen zu können. Das Vorkühlen lässt sich durch adiabatisch-quasistatische Entspannung des Gases erreichen
(s. Abschnitt 5.1.).
Der Joule-Thomson-Versuch liefert außerdem eine Möglichkeit (∂ H/∂ p)T ∗ mit Hilfe von Gl.
(4.8)zu messen, wenn C p bekannt ist.
Bei idealen Gasen gilt, dass δJT = 0, d. h., dort ist (∂ H/∂ p)T = 0 ähnlich wie (∂ U /∂ V )T = 0.
Es lässt sich zeigen, dass (∂ H/∂ p)T = 0, wenn (∂ U /∂ V )T = 0 (s. Übungsaufgabe). Wenn wir
47
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
den zweiten Hauptsatz und die Entropie kennengelernt haben, lassen sich diese Zusammenhänge
in besonders einfacher Weise herleiten (s. Abschnitt 5.5.).
Wir wollen zum Abschluss dieses Abschnittes noch einen kurzen Überblick geben, in welchen
Bereichen Werte der Molwärme C p für verschiedene Stoffe und Stoffklassen liegen.
Werte für C p verschiedener Stoffe können sehr unterschiedlich sein und sowohl von T ∗ wie von
p abhängen. Der Verlauf der Molwärmen C p für einige Stoffe als Funktion der Temperatur ist in
Abb. 4.8 dargestellt.
Man sieht, dass die Molwärmen C p für Gase i. a. deutlich kleiner sind als die von Flüssigkeiten. Im festen Zustand wird C p bei tiefen Temperaturen zunehmend kleiner und verschwindet bei T ∗ = 0. Allgemein gilt: Je mehr Atome ein Molekül hat, desto größer ist in der
Regel C p . Die kleinsten Werte für die Molwärme im gasförmigen Zustand haben Edelgase.
Dort gilt bei niedrigen Drücken C p,Edelgas = 5/2R bzw. CV,Edelgas = 3/2R (s. Gl. (4.6)). Im
Allgemeinen sind CV und C p Funktionen von T und p. Lediglich im Grenzfall idealer Gase kann
CV und C p nur eine Funktion von T sein, da Uid.Gas nicht von V und Hid.Gas nicht von p abhängen.
In Tabelle A.7.2 von Anhang A.7 sind Molwärmen C p von verschiedenen Gasen (extrapoliert auf
den idealen Gaszustand) als Funktion der Temperatur angegeben. Für einige Festkörper zeigt Abb.
Cp
-1
Jmol K
-1
80
H2O(fl)
60
CH4
H2O(Gas)
40
He, Ne, Ar
2
H
O
(fe
st)
20
mant)
C (Dia
100 200 300 400 500 600
T/ K
Abbildung 4.8: Molwärmen C p einiger Gase und kondensierter Stoffe (bei p = 1 bar)
4.9 C p (bei p = 1 bar) bzw. CV etwas genauer den Verlauf in Abhängigkeit von der Temperatur.
Charakteristisch ist, dass C p bzw. CV bei T ∗ = 0 gleich Null wird, relativ steil ansteigt und dann
wieder abflacht bis ein Sättigungswert erreicht ist, der bei einatomigen Festkörpern 3 R = 24,92
Joule ·mol−1 · K −1 beträgt (Doulong-Petit’sches Gesetz). Da die Molwärme C p eine in der chemischen Thermodynamik sehr wichtige Größe ist, wollen wir auch zu ihrer Abhängigkeit vom Druck
an dieser Stelle etwas sagen.
Allgemein gilt für die Druckabhängigkeit der Molwärme C p :
!
∂Cp
∂ αp
∗
2
(4.9)
= −T ·V
+ αp
∂ p T∗
∂T∗ p
48
4.2 Die Enthalpie als Zustandsgröße. Der Joule-Thomson-Prozess
15
o
<
o
<
10
o
CP bzw.CV
<
<
<
<
<
oo
o
<
o
5
0
o
Fe
<
<
<
o
CV -Kurven
CP -Kurven
1
CaF2
3
o
o
o
x
x
o
iamant)x
C (D
x
o
x
50
<
<
o
o
o
o
o
o
<
oo
<
<
Ag
o
o
<
<
20
o
o
o
o
<
Pb
<
JK mol
<
-1
<
<
<
<
<
<
<
<
25
-1
100
150
x
x
200
x
x
x
250
300
T/K
Abbildung 4.9: Molwärmen CV und C p von einigen Festkörpern (bei p = 1 bar). C p wurde gemessen, CV aus Gl. (5.22) ermittelt.
Die Gültigkeit dieser Gleichung werden wir später nachweisen (Abschnitt 5.5). Da bei idealen
Gasen α p = 1/T ∗ ist, wird (∂ C p /∂ p)T ∗ in diesem Fall gleich Null, was wir bereits festgestellt
hatten. Bei realen Systemen, z. B. realen Gasen, ist das nicht mehr der Fall. Setzt man z. B. die
Virialgleichung (Gl. (3.3)) in Gl. (4.9) ein, so ergibt sich, wenn man nur den 2. Virialkoeffizienten
B(T ) berücksichtigt:
2
∂Cp
d B(T ∗ )
∗
= −T
∂ p T∗
dT ∗2
Da B(T ) unabhängig von p ist, ergibt die Integration:
2
d B(T ∗ )
∗
C p,real = C p,id. Gas − T
·p
dT ∗2
Die Molwärme C p eines realen Gases nimmt also mit dem Druck zu, da die zweite Ableitung von
B(T ) nach der Temperatur praktisch im ganzen Temperaturbereich negativ ist.
Setzen wir für B(T ) z. B. das Ergebnis der van der Waals-Gleichung nach Gl. (3.4) ein, erhält
man:
C p,real = C p,id. Gas +
2a
·p
RT ∗2
Bei Flüssigkeiten und Festkörpern ist α p dagegen erheblich kleiner als bei Gasen, so dass α p2
gegen (∂ α p /∂ T ∗ ) vernachlässigt werden kann:
C p,Fl ≈ C p,Fl(p=1 bar) − T
∗
Zp p=1
∂ αp
∂T∗
p
·dp
49
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Da sowohl V wie auch (∂ α p /∂ T ∗ ) p bei Flüssigkeiten und Festkörpern in der Regel wenig von p
abhängig sind, ist das auch bei C p,Fl der Fall. Da in der Regel (∂ α p /∂ T ∗ ) p bei Flüssigkeiten und
Festkörpern positiv ist (s. z. B. Abb. ?? und Abb. 3.2), nimmt dort C p mit dem Druck meistens ab.
4.3 Enthalpieberechnungen und Exzessenthalpien fluider Mischungen
Ähnlich wie bei der inneren Energie U können auch absolute Werte von H nicht bestimmt werden,
sondern nur Änderungen:
∗
H2 − H1 =
ZT2
C p dT +
T1∗
Zp2 p1
∂H
∂p
dp
(4.10)
T∗
Da H eine Zustandsgröße ist, hat der Integrationsweg, auf dem man von H1 nach H2 kommt bzw.
von p1 , T1∗ nach p2 , T2∗ , keinen Einfluss auf das Ergebnis. Sind Werte der Wärmekapazität bei
konstantem Druck C p = n ·C p als Funktion von T ∗ und p sowie (∂ H/∂ p)T ∗ ebenfalls als Funktion
von T ∗ und p bekannt, kann die Integration durchgeführt werden, z. B. erst über T ∗ von T1∗ → T2∗
bei p1 = const, und dann bei T2∗ = const über p von p1 nach p2 .
Betrachtet man Mischungen, so ist auch hier nur die Differenz der Enthalpie vor dem Mischen
und nach dem Mischen messbar durch Messung der freiwerdenden oder verbrauchten Wärme Q
bei p = const, also:
k
k
Q = H E = HMisch − ∑ ni H i = ∑ ni (H i − H i )
i=1
0
0
i=1
wobei HMisch = ∑ ni H i ist.
0
H E heißt die Exzessenthalpie, wobei H i die molaren Enthalpien der reinen Stoffe (z. B. Gase
und Flüssigkeiten) und H i die partiellen molaren Enthalpien in der Mischung bedeuten.
Messbar ist auch
∂ HE
0
= H i − H i = ∆H i
∂ ni T ∗ ,p,n j6=i
die partielle molare Exzessenthalpie von Komponente i, das ist der Enthalpieunterschied, der
sich ergibt, wenn 1 Mol der reinen Komponente i zu einer großen Menge Mischung gegeben wird,
so dass sich beim Zumischen die Zusammensetzung der Gesamtmischung praktisch nicht ändert.
Der Zusammenhang zwischen H E und ∆H i lässt sich folgendermaßen ableiten.
Es gilt zunächst analog wie beim molaren Volumen V (s. Gl. 3.9) für die molare Enthalpie der
Mischung (Index M):
k
∂H
H M = H j + ∑ xi
(4.11)
∂ xi
i=1
i6= j
und entsprechend für die molare Enthalpie der noch ungemischten Komponenten:
!
0
k
∂ HM
0
0
H M = H j + ∑ xi
∂ xi
i=1
i6= j
50
(4.12)
4.3 Enthalpieberechnungen und Exzessenthalpien fluider Mischungen
wobei H M die molare Enthalpie der Mischung und H M = ∑ H i · xi die Summe der Enthalpien der
0
0
i
reinen Mischungspartner bezogen auf 1 Mol bedeutet.
Da gilt:
H M − H M = H = ∑(H i − H i )xi
0
E
0
ergibt sich sofort durch Substraktion der Gl. (4.12) von Gl. (4.11) für die molare Exzessenthalpie
E
H :
E
E
H =
0
(H j − H j ) +
∂H
∑ xi ∂ xi
i6= j
(4.13)
Im Falle einer binären Mischung gilt also:
E
E
H = ∆H 1 + x2
E
∂H
∂H
= ∆H 1 + x2
∂ x2
∂ x2
E
Liegen experimentelle Daten von H vor, können nach der bekannten Tangentenmethode ∆H 2 =
0
0
H 2 − H 2 und ∆H 1 = H 1 − H 1 ermittelt werden (s. Abb. 4.10 als Beispiel). Molare Exzessent-
H
E
H1-H10
H2-H20
0
0,5
1,0
X =Molenbruch
E
0
Abbildung 4.10: Molare Exzessenthalpie H und partielle molare Exzessenthalpien H 1 − H 1 =
0
∆H 1 und H 2 − H 2 = ∆H 2 . Die Punkte deuten experimentelle Messpunkte an.
E
halpien H lassen sich auf grundsätzlich zwei Arten messen. Wir betrachten in Abb. 4.11 zwei
Strömungsrohre, im einen strömt die Komponente A (molarer Fluss dnA /dt), im anderen Komponente B (molarer Fluss dnB /dt). Beim Zusammenfluss von A mit B entsteht im Mischungsrohr
die Mischung A + B kontinuierlich.
Im ersten Fall wird das Strömungsrohr adiabatisch isoliert gehalten (Q = 0), dann wird in der
strömenden Mischung A + B die Temperatur konstant gehalten, indem ein Heiz- oder Kühlaggregat im Mischungsrohr die Dissipationsleistung dWdiss /dt aufbringt.
51
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Bei diesem Strömungsprozess gilt für die Bilanz nach dem 1. Hauptsatz bei p = const:
E
U ·
d(nA + nB ) dWdiss
E d(nA + nB )
=
− pV
dt
dt
dt
oder:
E
E
E
U + pV = H =
dWdiss
L
=
d(nA + nB ) ṅ
L = dWdiss /dt ist die Heiz- oder Kühlleistung (elektrischer Herzwiderstand oder Peltier-Element)
in Watt, und ṅ = d(nA + nB )/dt ist der gesamte molare Strom durch das Rohr in mol · s−1 .
Die Enthalpieänderung ist also gleich der dissipierten Arbeit.
Im zweiten Fall (s. Abb. 4.11) sind die Rohrwände diatherm und Wärme wird in die Umgebung
abgegeben. Hier ist also dWdiss /dt = 0, wenn wir von Reibungseffekten an der Rohrwand im
strömenden Medium absehen. Das ist das Prinzip eines Wärmeflusskalorimeters.
Es gilt bei p = const:
E
U ·
d(nA + nB ) dQ
E d(nA + nB )
=
− pV ·
dt
dt
dt
bzw.
E
H = Q̇/ṅ
wobei Q̇ jetzt die Wärmeflussleistung dQ/dt in Watt bedeutet.
E
0
E
V = V Misch − ∑ xi V i ist das molare Exzessvolumen, p ·V ist bei Normaldruck in der Regel
E
gegenüber U vernachlässigbar gering, das gilt aber nur für kondensierte Flüssigkeiten. Im Fall
von komprimierten (realen) Gasgemischen darf p ·V E nicht ohne weiteres vernachlässigt werden.
Kalorimeter
nA
Q
(nA+nB)
nB
Wdiss.
Abbildung 4.11: Störungskalorimetrische Messprinzipien zur Messung von Mischungsenthalpien
Q̇ = dQ/dt, Ẇdiss = dWdiss /dt (siehe Text)
4.4 Reaktionsenthalpien chemischer Reaktionen
Wir betrachten eine chemische Reaktion, die in einer homogenen Phase abläuft, z. B. die sog.
Knallgasreaktion in der Gasphase:
2H2 + O2 → 2H2 O
52
4.4 Reaktionsenthalpien chemischer Reaktionen
Wie kann man solche chemischen Reaktionen in den Formalismus der Thermodynamik einbauen?
Die folgende Überlegung gilt für alle extensiven Zustandsgrößen, wie U,V, H usw. Im Fall der
Enthalpie H gilt für offene Systeme:
m
dH = ∑ Hi dni
(p, T ∗ = const)
i=1
Bei chemischen Reaktionen ändern sich die Werte für ni im Laufe der Reaktion, allerdings nicht
unabhängig voneinander. So gilt z. B. für obige Reaktion:
−dnO2 = −2dnH2 = +2dnH2 O
Obwohl sich 3 Teilchenmengen ändern, lässt sich diese Änderung durch eine Variable, die Reaktionslaufzahl ξ darstellen:
dni = νi d ξ
wobei νi der sog. stöchiometrische Koeffizient von i ist:
νO2 = −1, νH2 = −2, νH2 O = +2,
Wir haben dabei ein geschlossenes System vorliegen, d. h., es wird keine Materie mit der Umgebung ausgetauscht. Also gilt:
!
m
dH =
∑ νi H i
i=1
T ∗ ,p
· dξ
Bei geschlossenen Systemen ist im Rahmen des 1. Hauptsatzes ξ eine Zustandsgröße.
Wir bezeichnen:
!
m
∂H
=
∑ νi H i
∂ ξ T ∗ ,p
i=1
∗
T ,p
als differentielle Reaktionsenthalpie.
Man kann auch schreiben:
!
m
dH =
∑ νi H i
0
i
m
d ξ + ∑ νi (H i − H i )d ξ
0
i
bzw. integriert
∆HR =
m
∑
i
0
νi H i
!
m
· ∆ξ + ∑
i
Z∆ξ
0
0
νi (H i − H i )d ξ
(4.14)
∆HR ist die integrale Reaktionsenthalpie, ∆ξ ist gleich ξE − ξA (A = Anfang, E = Ende der Reaktion).
53
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Der erste Term in Gl. (4.14) ist die Differenz der Enthalpien der Produkte minus der der Edukte
im reinen Zustand, bezogen auf p und T ∗ , bei der die Reaktion abläuft. Der zweite Term ist ein
reiner Mischungseffekt, der keine Anteile der eigentlichen chemischen Reaktion enthält. Wenn
Gl. (4.14) sich auf einen molaren Umsatz mit ∆ξ = 1 bezieht, wird ∆HR in Gl. (4.14) zu ∆H R , der
molaren Reaktionsenthalpie. (∑ νi Hi0 )T ∗ ,p heißt molare Standardreaktionsenthalpie:
m
∆H R = ∑ νi H iT ∗ ,p
0
0
(4.15)
i
0
∆H R hängt nur von Eigenschaften der reinen Stoffe ab (p, T ∗ = const). Z. B. gilt für die Knallgasreaktion:
0
0
0
0
∆H R = 2H H2 O − 2H H2 − 1H O2
Direkt messbar ist allerdings nur die integrale Reaktionsenthalpie ∆HR bzw. ∆H R , die sich um den
0
2. Term in Gl. (4.14) von ∆H R unterscheidet. Bei idealen Gasen verschwindet dieser Term und es
gilt:
0
∆HR/∆ξ = ∆H R = ∆H R
(ideale Gasreaktion)
Wir haben soweit vorausgesetzt, dass die Reaktion vollständig abläuft. Das ist keineswegs immer
so, bei den meisten Reaktionen von organischen Substanzen mit O2 im Überschuss (Verbrennungsreaktionen) ist das jedoch praktisch immer der Fall. Direkt messbar sind solche Verbrennungsenthalpien in einem sog. Bombenkalorimeter, allerdings bei V = const, nicht bei p = const. Das
Prinzip ist in Abb. 4.12 gezeigt.
Es wird in einem inneren Gefäß (V = const) eine Substanz mit O2 verbrannt. Dabei kommt
es zu einer Temperatur-Erhöhung und durch thermischen Kontakt mit einem Wasserbad bekannter Wassermenge wird nach Temperatur-Ausgleich zwischen Reaktionsgefäß und umgebendem
Wasserbad die Temperaturänderung gemessen . Man beachte, dass das Wasserbad und das Reaktionsgefäß adiabatisch isoliert sind. Wir wollen jetzt den Verbrennungsprozess untersuchen. Bei
Überschuss an Sauerstoff, also bei erhöhtem O2 -Druck, wird die Substanz durch Zündung im
Reaktionsgefäß des Kalorimeters bei konstantem Volumen verbrannt. Gemessen wird also die integrale Reaktionsenergie ∆UR , die als Wärme Q im System Wasserbad plus Reaktionsgefäß frei
wird.
0
Wenn es sich um ideale Gase handelt, wird ∆U R = ∆U R und der Zusammenhang zur gesuchten
0
Reaktionsenthalpie ∆H R bzw. ∆H R lautet:
0
0
0
0
∑ νiV i0 =
∆U R = ∆H R − p∆V R
mit
∆V R = ∆ξ
RT ∗
p
Daraus folgt für ideale Gase:
0
0
∆H R = ∆U R + RT ∗
54
∑ νi
∑ νi
· ∆ξ
4.4 Reaktionsenthalpien chemischer Reaktionen
O2 Zünddraht
Rührer
Thermometer
Thermische
Isolierung
Wasserbad
O2
Substanz
Kalorimetrische
Bombe
Abbildung 4.12: Verbrennungskalorimeter
Die Definition von Standardreaktionsgrößen ∆HR0 , ∆UR0 , ∆VR0 hat auch dann eine eindeutige Bedeutung, wenn heterogene Reaktionen stattfinden, z. B., wenn feste Substanzen verbrannt werden:
C(s) + O2 (g) → CO2 (g)
oder auch bei Reaktionen, bei denen jedes der Edukte und Produkte eine eigene Phase bildet, z.
B.:
PbCl2 + 2Ag → 2AgCl + Pb
Wir berechnen als Beispiel, wie hoch die Temperaturerhöhung ohne umgebendes Wasserbad bei
adiabatischer Verbrennung und V = const von 1 Mol C (Graphit) (= 12 g) ist. Bei 300 K ist für
0
0
C + O2 → CO2 der Wert von ∆H R = −393, 5kJ/mol, also ∆U R = −393, 5− RT ∑ νi = −393, 5+ 0
(das Volumen von festem Kohlenstoff wird vernachlässigt).
Beim Verbrennungsprozess im Reaktionsgefäß ohne Wasserbad ist δ Q = 0 und δ W = 0
Also ergibt sich:
0
dU = 0 = CV dT ∗ + ∆U R · d ξ
wenn wir die Gasphase als ideal ansehen. Das heißt, es gilt:
0
∆T ∗ = −∆U R ·
∆ξ
= −∆UR0 /CV
CV
Wir nehmen an, dass O2 vollständig verbraucht wurde, so dass
CV = CV,CO2 ≃ 37 J · mol−1 · K−1 .
Das ergibt:
∆T ∗ = +
393, 5
· 103 = 10635 K
37
55
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
Dieser Wert ist völlig unrealistisch. Man verbrennt daher ca. 1 g C = 1/12 mol in ca. 20 molarem Überschuss an O2 (CV,O2 ≈ 25 J · mol−1 · K−1 ). Das Reaktionsgefäß befindet sich in einem
Wasserbad von ca. 1 kg H2 O mit einer Wärmekapazität von CV,H2 O · 55, 6 = 75 · 55, 6 J · K −1 =
4, 17 kJ · K −1 .
Dann ist
∆ξ =
1 ∼
= 0, 083 mol
12
CV =
und
3, 7
−2
−3
· 10 + 20 · 25 · 10 + 4, 17 kJ · K −1 = 4, 68 kJ · K −1
12
und man erhält:
∆T ∗ =
393, 5
· 0, 083 = 6, 98K
4, 68
Das ist eine kalorimetrisch gut messbare Temperaturerhöhung.
Wir haben hier den verbrennungskalorimetrischen Prozess nur in groben Zügen geschildert.
Um genaue Messergebnisse zu erhalten, muss zunächst das Bombenkalorimeter mit einer Substanz genau bekannter Verbrennungsenthalpie (z. B. Benzoesäure) kalibriert werden. Ferner sind
eine Reihe von Messkorrekturen zu beachten (elektrische Zündleistung, Verbrennungswärme des
Zünddrahtes, Kondensationswärme bei der Bildung von flüssigem Wasser, Enthalpieeffekte von
entstandenem CO2 , das sich im flüssigen Wasser löst u. a.). Auf Details von solchen Korrekturen
gehen wir hier nicht näher ein.
Der 1. Hauptsatz und die daraus folgende Wegunabhängigkeit von Zustandsänderungen für Zustandsgrößen wie H, U oder V gilt selbstverständlich auch, wenn in geschlossenen Systemen
nun als neue Zustandsvariable die Reaktionslaufzahl ξ auftaucht. Das kann man sich zu Nutze
0
machen, um ∆H R von Reaktionen zu bestimmen, die nicht direkt messbar sind. Wir geben ein
Beispiel:
C + 2H2 → CH4
(Methan)
0
Wie groß ist ∆H R für diese Reaktion?
Dazu betrachten wir die beiden bereits bekannten Reaktionen
C + O2 → CO2
mit
0
∆H R,I = −393, 5 kJ/mol
0
2H2 + O2 → 2H2 O mit ∆H R,II = −483, 66 kJ/mol
und ferner:
CH4 + 2O2 → CO2 + 2H2 O mit
0
∆H R,III = −798, 3 kJ/mol
Addiert man die ersten beiden Gleichungen und subtrahiert davon die dritte, erhält man:
C + 2H2 → CH4
56
4.5 Standardbildungenthalpien
mit
0
0
0
0
∆H R = ∆H R,I + ∆H R,II − ∆H R,III
Daraus ergibt sich für die Hydrierung von Kohlenstoff zu Methan die gesuchte Standardreaktionsenthalpie:
0
∆H R = −393, 5 − 483, 66 + 798, 3 = −78, 86 kJ/mol
Diese Anwendung des 1. Hauptsatzes auf chemische Reaktionen ist auch bekannt als der Hess’sche
Satz. An dem angeführten Beispiel wurde gezeigt, wie Reaktionsenthalpien, die nicht direkt messbar sind, indirekt, durch geeignete Kombinationen von Verbrennungsreaktionen ermittelt werden
können.
4.5 Standardbildungenthalpien
Die Reaktionsenthalpie, die unter Standardbedingungen ( 1 bar, 298,15 K) bei der Bildung
einer molekularen Substanz i aus ihren Elementen beobachtet wird, heißt Standardbildungs0
enthalpie ∆f H i (Index f = formation).
Wir geben 2 Beispiele:
6C + 3H2 → C6 H6 (Benzol)
mit
0
0
0
0
∆f H Benzol = H Benzol(flüssig) − 3H C(fest) − 3H H2 (gas)
oder
H2 + S + 2O2 → H2 SO4
mit
0
0
0
0
0
∆f H H2 SO4 = H H2 SO4 (flüssig) − H H2 (gas) − H S(fest) − 2H O2 (gas)
0
Da absolute Werte der Enthalpien H i nicht angegeben werden können, hat man sich international
darauf geeignet, die Enthalpien der Elemente in ihrem stabilen Aggregatzustand bei 1 bar und
298,15 K gleich Null zu setzen. Das bedeutet, dass die Enthalpie einer beliebigen molekularen
Verbindung gleich der Standardreaktionsenthalpie ist, die bei der Bildungsreaktion dieser Verbindungen aus ihren chemischen Elementen auftritt. Diese Standardreaktionsenthalpie heißt daher
Standardbildungsenthalpie und ist definitionsgemäß identisch mit der Enthalpie der Verbindung
unter Standardbedingungen.
In den obigen Beispielen gilt also:
0
0
∆f H Benzol = H Benzol (flüssig)
0
∆f H H2 SO4
0
= H H2 SO4 (flüssig)
57
4 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik
und allgemein für irgendeine Verbindung i:
0
0
∆f H i = H i
(4.16)
Sucht man die Standardenthalpien bei p 6= 1 bar und T 6= 298, 15K, kann man sie nach Gl.
(4.10) berechnen.
Es lassen sich allgemein Standardreaktionsenthalpien mit Hilfe von Standardbildungsenthalpien
0
f
∆ H i also folgendermaßen darstellen:
∆H R = ∑ νi H i = ∑ ν ∆f H i
0
0
0
i
(4.17)
i
Wir geben Beispiele der Anwendung von Gl. (4.17).
Die Standardreaktionsenthalpie für die Reaktion von Schwefelsäure und Benzol zu Benzolsulfonsäure (BZS) und Wasser
H2 SO4 + C6 H6 → HSO3 C6 H5 + H2 O
lautet z. B.:
0
0
0
0
0
∆H R = ∆f H BZS + ∆f H H2 O − ∆f H H2 SO4 − ∆f H C6 H6
0
0
0
0
Misst man ∆H R und kennt man bereits ∆f H H2 O , ∆f H H2 SO4 und ∆f H C6 H6 , so lässt sich die Stan0
dardbildungsenthalpie ∆f H BZS daraus bestimmen. Durch entsprechende Kombinationen lassen
sich also aus Messungen von Standardreaktionsenthalpien die Standardbildungsenthalpien von
Verbindungen ermitteln, wie am Beispiel der Benzolsulfonsäure gezeigt wurde.
Umgekehrt gilt natürlich: sind alle Standardbildungsenthalpien der Produkte und Edukte einer
beliebigen chemischen Reaktion bekannt, lässt sich mit Hilfe von Gl. (4.17) sofort die Standardreaktionsenthalpie dieser Reaktion angeben. Wir wählen als Beispiel:
SO2 (gas) +
1
O2 (gas) → SO3 (gas)
2
0
0
Wir wollen den Wert von ∆H R dieser Reaktion bestimmen. Werte für ∆f H i der Reaktionspartner
lassen sich in Tabellenwerken nachschlagen, eine Auswahl enthält Anhang A7.3, wo auch die
Werte für SO2 , O2 und SO3 zu finden sind. Mit
0
0
0
∆H R (298) = ∆f H SO3 (298) − ∆f H SO2 (298) −
1 f 0
∆ H O2 (298)
2
ergibt sich
0
∆H R (298) = −395, 76 − (296, 84) = −98, 92 kJ · mol−1
0
wobei definitionsgemäß ∆f H O2 (298) = 0 ist.
0
Zum Gebrauch der Tabelle A.7.3 ist noch Folgendes wichtig zu wissen: Werte von ∆f H i im
Gaszustand (Kennzeichnung: (g)) beziehen sich immer auf den idealen Gaszustand bei 1 bar und
298,15 K, auch wenn das entsprechende Gas eigentlich real ist oder bei 1 bar gar nicht existieren
kann, wie das z. B. bei H2 O oder SO3 der Fall ist, die bei 1 bar und 298,15 K Flüssigkeiten sind.
0
Wie man ∆f H i im realen Gaszustand bestimmen kann, wird in einer Übungsaufgabe behandelt.
58
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik kann durch zwei fundamentale Aussagen formuliert
werden:
1. Es gibt eine Zustandsgröße S, die man die Entropie nennt, und die folgendermaßen definiert
ist:
Z
δQ
S=
dT + const
T
wobei T die absolute Temperatur ist, die (bis auf einen konstanten Faktor) identisch ist mit
der empirischen, gasthermometrischen Temperatur T ∗ .
Das Integral ist über quasistatische Zustandsänderungen zu erstrecken.
2. In isolierten Systemen, die nicht im thermodynamischen Gleichgewichtszustand sind, laufen nicht-quasistatische (irreversible) Prozesse spontan, d. h. in endlicher Zeit ab und zwar
in der Weise, dass die Entropie S des Systems nur zunehmen kann:
dSSyst. > 0
(nicht − quasistatischer Prozess im isolierten System)
Wir wollen in den folgenden Abschnitten die Zusammenhänge schrittweise entwickeln, die zu
diesen Aussagen des 2. Hauptsatzes führen.
5.1 Quasistatische thermodynamische Prozesse: Isothermen und Adiabaten
Wir müssen zunächst die Gesetzmäßigkeiten des Austausches von Arbeit und Wärme eines Systems mit seiner Umgebung noch etwas näher untersuchen. Dabei denken wir z. B. an die Volumenarbeit. Wenn vom oder am System Arbeit geleistet werden soll, muss sie in der Umgebung
irgendwie gespeichert werden oder einem Speicher entnommen werden. Das kann z. B. geschehen
durch Hebung oder Senkung eines Gewichts im Schwerefeld, durch Spannung oder Entspannung
einer Feder et cet. Wir wiederholen zunächst, was bereits in Abschnitt 4.1 gesagt wurde: wenn
der äußere Arbeitskoeffizient λa gleich dem des Systems λsys ist, also im Fall der Volumenarbeit
pa = psys , verläuft der Prozess quasistatisch: δ Wqs = −pdV . Statt „quasistatisch“ sagt man
häufig auch „reversibel“. Diese Erkenntnisse wollen wir jetzt auf sog. thermodynamische Prozesse anwenden. Quasistatische Prozesse kann man unter verschiedenen Randbedingungen
durchführen. Es gilt allgemein im Fall der Volumenarbeit:
∂U
dU =
dV +CV dT ∗ = δ Q + δ Wqs = δ Q − pdV
∂V T ∗
Von diesen quasistatischen Prozessen betrachten wir zunächst isotherme Prozesse, bei denen T ∗
konstant bleibt. Hier ist dT ∗ = 0 und es folgt:
ZV2 ∂U
+ p dV = Q = U2 −U1 −Wqs
∂V T ∗
V1
59
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
RV2
wobei − pdV = Wqs ist.
V1
Wir betrachten den Sonderfall des idealen Gases (s. auch Abb. 5.1) mit p = n · RT ∗ /V :
−
ZV2
V1
pdV = −nRT
ZV2
∗
V1
V2
dV
= −nRT ∗ ln = Wqs
V
V1
also ist U2 −U1 = 0 und (Wqs = −Q), da (∂ U /∂ V )T ∗ = 0.
Wenn V2 < V1 , ist Wqs > 0 und Q < 0. Es erfolgt eine Kompression des Gases.
Wenn V2 > V1 , ist Wqs < 0 und Q > 0. Es erfolgt eine Expansion des Gases.
*
P
Isotherme, T1 = const
Fläche = Wqs = -Q
V1
V2
V
Abbildung 5.1: Isothermer, quasistatischer Arbeitsprozess beim idealen Gas
Als nächstes betrachten wir einen adiabatischen, quasistatischen Prozess. Hier ist nach Definition δ Q = 0 und δ Wqs = −pdV. Damit folgt:
∂U
dV +CV dT ∗ = −pdV
∂V T ∗
bzw. integriert ergibt sich:
−
ZV2 V1
∂U
∂V
T∗
∗
ZT2
+ p dV = CV dT ∗
T1∗
Auch hier wollen wir den Sonderfall des idealen Gases behandeln. Da (∂ U /∂ V )T ∗ = 0, folgt:
−
p
dT ∗
dV
=
C
V
T∗
T∗
−
ZV2
bzw.
V1
60
p
dV = CV
T∗
∗
ZT2
T1∗
dT ∗
T∗
5.1 Quasistatische thermodynamische Prozesse: Isothermen und Adiabaten
Die Integration liefert mit p = n · RT ∗ /V :
V2
T∗
−nR ln
= nCV ln 2∗
V1
T1
Hier ist anzumerken, dass CV auch beim idealen Gas von T ∗ abhängen kann, also ist CV eigentlich
ein Mittelwert, der von T1∗ und T2∗ abhängt.
Da bei idealen Gasen C p −CV = R ist, folgt:
∗
C p −CV
V2
T
p2V2
ln
−
= ln 2∗ = ln
V1
T1
p1V1
CV
Mit der Abkürzung C p /CV = γ folgt dann:
V2
V1
γ −1
=
T1∗
T2∗
bzw.
V2
V1
γ
=
p1
p2
das heißt also:
V γ −1 · T ∗ = const
(5.1)
p ·V γ = const
(5.2)
bzw.:
Das ist die sog. Adiabate für ideale Gase. Die Werte von const in den Gleichungen (5.1) und
(5.2) werden durch die freie Wahl eines Punktes auf der p −V − T ∗ -Oberfläche des idealen Gases
festgelegt. Der isotherme Fall wird wieder erhalten, wenn γ → 1 geht. γ hängt ebenfalls wie CV
von T ∗ ab, wenn auch nur geringfügig.
Prozesse mit 1 < ε < γ mit ε statt γ heißen übrigens polytrope Prozesse (wir gehen darauf in
Abschnitt 5.2 noch näher ein).
Man sieht ferner, dass im quasistatisch adiabaten Fall des idealen Gases gilt:
U2 −U1 = −
ZV2
V1
R
(T ∗ − T1∗ )
γ −1 2
" #
R
V1 γ −1
∗
= n·
T
−1
γ −1 1
V2
pdV = Wqs = n ·CV (T2∗ − T1∗ ) = n
(5.3)
Hierbei wurde von Gl. (4.6) und Gl. (5.1) Gebrauch gemacht.
Gl. (5.3) geht für γ → 1 in den isothermen Prozess über (s. Übungsaufgabe). Den Vergleich von
Wqs bei adiabatischem und isothermem Prozess zeigt Abb. 5.2. Es bedeuten die Flächen F1 + F2
die isotherme Arbeit Wqs und die Fläche F1 die adiabatische Arbeit Wqs .
Als weiteren quasistatischen Prozess betrachten wir einen isobaren Prozess (d p = 0). Hier gilt:
Wqs = −
ZV2
V1
pdV = p(V1 −V2 )
61
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
P
Adiabate
Isotherme
T1
*
Isotherme
F2
*
T2
F1
Adiabate
V1
V
V2
Abbildung 5.2: Adiabatischer Arbeitsprozess (F1 = Wqs,ad. ) im Vergleich zum isothermen Prozess
bei T1∗ (Wqs,isoth. = −Q = F1 + F2 )
Das stellt eine quadratische Fläche im p −V -Diagramm dar (s. Abb. 5.3).
Ferner gilt für den isobaren Fall:
∗
U2 −U1 = Q − p(V2 −V1 ) =
ZT2
∗
CV dT +
T1∗
ZV2 V1
∂U
∂V
dV
T∗
also folgt:
U2 −U1 + p(V2 −V1 ) = H2 − H1 = Q
Durch p und V1 bzw. p und V2 ist auch T1∗ und T2∗ aus der Zustandsgleichung eindeutig gegeben
und U2 −U1 kann berechnet werden und ebenso auch Q = (H2 − H1 ) = nC p (T2∗ − T1∗ ). Auch hier
stellt C p einen Mittelwert dar, falls C p von T ∗ abhängt.
Wir behandeln den isobaren quasistatischen Prozess für den Sonderfall des idealen Gases. Wegen (∂ U /∂ V )T ∗ = 0 folgt:
U2 −U1 = n ·CV (T2∗ − T1∗ ) = Q − p(V2 −V1 )
bzw. mit C p = CV + R
Q = H2 − H1 = n ·C p (T2∗ − T1∗ )
Dabei gilt entsprechend dem idealen Gasgesetz:
T1∗ = p ·V1 /n · R
T2∗ = p ·V2 /n · R
62
5.2 Die Verallgemeinerung von quasistatischen Prozessführungen: polytrope Prozesse.
P
Wqs.
V
V1
V2
Abbildung 5.3: Isobarer quasistatischer Arbeitsprozess
5.2 Die Verallgemeinerung von quasistatischen Prozessführungen: polytrope
Prozesse.
Die isotherme Prozessführung (dT ∗ = 0) und adiabatische Prozessführung (δ Q = 0) sind Grenzfälle. In einem PV -Projektionsdiagramm der PV T ∗ -Oberfläche (es muss sich nicht um ein ideales
P
e =∞
1
2
1γ
e = -1
1
e =- 1
2
2
e=0
P0
1
e= 1
2
2
e = 1 (Isotherme)
e = (Adiabate)
?
V0
V
Abbildung 5.4: Polytropen mit verschiedenen Exponenten ε
Gas handeln), sind diese Grenzfälle zusammen mit der isobaren und isochoren Prozessführung
nochmals graphisch in Abb. 5.4 zusammengestellt. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist dabei der
Punkt P0 ,V0 .
Wenn man das ideale Gasgesetz zugrunde legt, kommt man zum sog. polytropen Prozess, indem
man schreibt:
p ·V ε = const
63
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Es gilt dann:
ε
ε
1
ε
ε
= 1
→ isothermer Prozess
= γ = C p /CV
→ adiabatischer Prozess
≤ ε ≤γ
→ polytroper Prozess
= 0
→ isobarer Prozess
= ∞
→ isochorer Prozess
Der isochore Prozess bedarf einer gesonderten Bemerkung. Schreibt man
lim p ·V ε = const
ε →∞
ist der Grenzwert nicht ohne weiteres zu bestimmen. Man schreibt daher besser mit V = const′ :
1 1
lim p ε ·V = V · lim p ε = V = const′ (isochorer Prozess)
ε →∞
ε →∞
Wir diskutieren nun als Beispiel den allgemeinen polytropen Prozess im idealen Gas bei quasistatischer Prozessführung. Dort gilt also:
Wqs,12 = −
ZV2
V1
pdV = −
ZV2
V1
const
const 1−ε
dV =
V1 −V21−ε
ε
V
1−ε
1
n·R ∗
=
[p1V1 − p2V2 ] =
(T − T2∗ )
1−ε
1−ε 1
γ −1 ∗
= n ·CV
(T − T1∗ )
ε −1 2
(5.4)
Man sieht, wenn ε = γ , ergibt sich der adiabatische Prozess (s. Gl. (5.3)). Man sieht ferner, wenn
ε = 1, ist T2∗ = T1∗ . Dann erhält man einen unbestimmten Ausdruck nach Gl. (5.4) (0 dividiert
durch 0), der aber endlich ist und identisch sein muss mit Wqs für den isothermen Fall (siehe
Übungsaufgabe).
Polytrope Prozesse spielen in der Atmosphäre von Planeten und im Inneren von Sternen sowie
bei (irdischen) technischen Prozessen eine Rolle, da die meisten Prozesse die Grenzfälle „streng
isotherm“ und „streng adiabatisch“ nicht erfüllen.
Für den Wärmeaustausch Q12 mit der Umgebung ist beim polytropen Prozess des idealen Gases
bei quasistatischer Prozessführung wegen
δ Wqs + δ Q = n ·CV · dT ∗
nach Gl. (5.4) zu schreiben:
Q12 = n ·CV (T2∗ − T1∗ ) − n ·CV
Q12 = n ·CV
64
ε −γ ∗
(T − T1∗ )
ε −1 2
γ −1 ∗
(T − T1∗ )
ε −1 2
(5.5)
5.3 Der Carnot’sche Keisprozess
bzw.:
Q12
ε −γ
=
W12qs
γ −1
(ideales Gas)
Man sieht auch hier:
• wenn ε = γ , ist Q12 = 0 (adiabatischer Prozess)
• wenn in Gl. (5.5) ε = 1, wird T2∗ = T1∗ , da Q12 endlich bleibt (isothermer Prozess).
Man bezeichnet
C ε = CV
ε −γ
ε −1
(5.6)
als molare Wärmekapazität der Polytropen.
Der isochore Prozess (dV = 0) wird mit ε = ∞ erhalten und pdV = 0:
dU = δ Q = lim Cε · dT ∗ = CV · dT ∗
ε →∞
Beim isochoren Prozess wird also keine Volumenarbeit geleistet (s. Abb. 5.5) und nach Gl. (5.6)
wird Cε = CV , wie es sein muss.
Beim isobaren Prozess ist ε = 0 und man erhält aus Gl. (5.6) wegen γ = C p /CV :
Cε = C p
p
V1
V
Abbildung 5.5: Isochorer Prozess
5.3 Der Carnot’sche Keisprozess
Wir betrachten jetzt Kreisprozesse, die aus den oben besprochenen Prozessen zusammengesetzt
werden können. Dabei nehmen wir zunächst immer quasistatische Prozessführung an.
65
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
3
2
2
3
1
4
2
T1
T2
1
3
1
4
4
P
1
•
T1
•
4
2
•
T1
•
3
V
Abbildung 5.6: Der Carnot’sche Kreisprozess
Es gibt viele Möglichkeiten, wie man das tun kann. Wir betrachten zunächst den wichtigsten
Kreisprozess, den sog. Carnot-Prozess einer beliebigen Substanz (es muss keineswegs ein ideales
Gas sein). In Abb. 5.6 durchlaufen wir das PV -Diagramm des Systems im Uhrzeigersinn
auf dem
H
Weg
1
→
2
→
3
→
4
→
1.
Das
ist
ein
Kreisprozess,
die
schraffierte
Fläche
ist
δ
W
=
W
qs
Carnot =
H
− pdV .
1 → 2 ist ein isothermer Schritt:
−
ZV2
V1
pdV = −Q12 +
ZV2 V1
∂U
∂V
dV
(5.7)
T∗
2 → 3 ist ein adiabatischer Schritt:
−
ZV3
V2
66
∗
pdV = +
ZT3
T2∗
∗
CV dT +
ZV3 V2
∂U
∂V
dV
T∗
(5.8)
5.3 Der Carnot’sche Keisprozess
3 → 4 ist ein isothermer Schritt:
−
ZV4
V3
pdV = −Q34 +
ZV4 V3
∂U
∂V
dV
(5.9)
T∗
4 → 1 ist ein adiabatischer Schritt:
−
ZV1
∗
pdV = +
∗
CV dT +
T4∗
V4
Wir schreiben:

ZV2
−
ZT1
V1
pdV +
ZV3
V4
pdV +
V2
ZV1 ZV4
V3
∂U
∂V
pdV +
ZV1
V4
dV
(5.10)
T∗

pdV  = −
I
pdV = WCarnot
und für die Gesamtbilanz, also die Summe von Gl. (5.7) bis Gl. (5.10), gilt:
−
I
pdV
= −Q12 − Q34




T3∗
T1∗
V3 V4 V1 ZV2 
Z
Z
Z
Z
Z


∂U
∂U
∂U
∂U
+ 
dV + CV dT ∗ +
dV +
dV + CV dT ∗ +
dV 


∂V
∂V
∂V
∂V
V

V2
V3
V4
T2∗
T4∗
|1

{z
} |
{z
} |
{z
} |
{z
}
[U2 −U1 ]
+
[U3 −U2 ]
+
[U4 −U3 ]
+
[U1 −U4 ]
Die
eckige Klammer verschwindet, wie es zu erwarten war, denn für die Zustandsgröße U gilt ja
H
dU = 0. Also ergibt sich:
−
I
pdV = WCarnot = −Q12 − Q34
oder:
−WCarnot
Q34
= 1+
Q12
Q12
Das gilt für jedes System, unabhängig von der individuellen Zustandsgleichung. Nun bedenken
wir, dass vom System aus betrachtet gilt: WCarnot < 0, Q12 > 0 und Q34 < 0, wenn der Kreisprozess
im Uhrzeigersinn läuft.
WCarnot , Q12 Es ist daher
besser
und
übersichtlicher,
die
Beträge
von
W
,
Q
und
Q
,
also
Carnot
12
34
und Q34 einzuführen, die alle positive Größen sind. Dann erhält man:
WCarnot Q34 ηC = = 1 − (für ein beliebiges System)
(5.11)
Q12
Q12
ηC bezeichnet man als thermodynamischen Wirkungsgrad des Carnot’schen Kreisprozesses. Diese
universelle Gleichung besagt, dass der thermodynamische Wirkungsgrad ηc , also das Verhältnis
67
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
von Arbeitsleistung des Systems (WCarnot ) zur eingebrachten Wärme Q12 immer kleiner als 1 ist.
Es kann also nur der Bruchteil ηc von der Wärme Q12 in Arbeit verwandelt werden, der Rest (Q34 )
wird in das kältere Wärmebad (T3∗ = T4∗ ) abgegeben (s. Abb. 5.7).
Man kann die Carnot-Maschine auch gegen den Uhrzeigersinn laufen lassen. Das bedeutet, es
kann durch Arbeit, die von außen in das System eingebracht wird, dem kälteren Bad die Wärmemenge |Q34 | entzogen werden, wobei die Wärmemenge |Q12 | an das wärmere Bad abgegeben
wird. Das ist das Prinzip einer Wärmepumpe.
Abbildung 5.7: Energiebilanz einer Carnot-Maschine mit T1∗ > T3∗ .
Wir betrachten jetzt als Sonderfall das ideale Gas. Nach Gl. (5.7) und (5.9) gilt für die isothermen Schritte unter Beachtung des idealen und Gasgesetzes für p sowie (∂ U /∂ V )T ∗ = 0 :
Q34 =
n · RT3∗ ln
V4
V3
<0
Q12 =
n · RT1∗ ln
V2
V1
>0
und
Zwischen V2 und V3 bzw. V1 und V4 bestehen wegen der adiabatischen Prozessführungen folgende
Zusammenhänge (siehe Gl. (5.1)):
V3
V2
=
T2∗
T3∗
1
γ −1
und
Da T1∗ = T2∗ und T3∗ = T4∗ folgt:
V2 V3
=
V1 V4
68
V4
V1
=
T1∗
T4∗
1
γ −1
5.4 Die Entropie als Zustandsfunktion und die Definition der absoluten Temperatur
oder:
V4
ln
V3
V2
/ ln
V1
= −1
Wir erinnern uns daran, dass die γ -Werte eigentlich über T ∗ gemittelte Werte sind, also hγ23 i und
hγ14 i, da i. a. CV bzw. C p von T ∗ abhängen. hγ23 i und hγ34 i sind jedoch identisch. Es gilt nämlich,
da T3∗ = T4∗ und T1∗ = T2∗ :
∗
hγ23 i =
ZT3
∗
γ (T )dT
∗
T2∗
∗
/(T3∗ − T2∗ )
= hγ14 i =
ZT4
T1∗
γ (T ∗ )dT ∗ /(T1∗ − T4∗ )
und somit folgt, da T3∗ < T1∗ :
T∗
|WCarnot |
= 1 − 3∗ < 1
|Q12 |
T1
(5.12)
Gl. (5.12) gilt für das ideale Gas, und es folgt durch Vergleich mit Gl. (5.11):
∗
|Q34 | T34
= ∗
|Q12 | T12
∗
∗
mit T3∗ = T4∗ = T34
bzw. T2∗ = T1∗ = T12
(5.13)
Wir machen also die wichtige Feststellung, dass das Verhältnis (|Q34 |/|Q12 | im Carnot-Prozess
eines beliebigen Systems identisch ist mit dem Temperaturverhältnis des kälteren Bades zum
∗ /T ∗ , das man mit einem (idealen) Gasthermometer
wärmeren Bad T3∗ /T2∗ = T1∗ /T4∗ = T34
12
misst.
5.4 Die Entropie als Zustandsfunktion und die Definition der absoluten Temperatur
Wir haben festgestellt, dass δ Q ein unvollständiges Differential ist. Unter quasistatischen Bedingungen gilt für geschlossene Systeme:
δ Q = dU + pdV − ∑ λi dli
oder, wenn wir nur Volumenarbeit berücksichtigen:
δ Q = dU + pdV
Da es bei 2 unabhängigen Variablen (p, T ∗ oder V, T ∗ ) immer einen integrierenden Nenner gibt,
muss dieser δ Q zu einer Zustandsfunktion machen. Wenn es mehrere unabhängige Variable gibt
(p, T ∗ , {ni }, {λi }), ist das nicht selbstverständlich, im Fall von thermodynamischen Zustandsgrößen lässt sich jedoch zeigen, dass es für δ Q auch im Fall beliebig vieler Variabler einen integrierenden Nenner geben muss. Der Beweis dafür wird in Anhang A.1 erbracht.
Es gibt also in jedem Fall einen integrierenden Nenner T für δ Q, der zu einer neuen Zustandsfunktion S führt:
dS =
δ Q dU p
1
=
+ dV −
T
T
T
T
∑ λi dli
(5.14)
69
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
S heißt die Entropie. Gl. (5.14) ist also ein totales Differential, d. h., S ist eine Zustandsgröße.
Ferner lässt sich beweisen (s. Anhang A.1): der integrierende Nenner T ist eine universelle Funktion der empirischen (ideal-gasthermometrischen) Temperatur T ∗ und hängt von keinen weiteren
Variablen ab.
Außerdem gilt, dass die Entropie eine extensive Zustandsgröße ist, d. h. für zwei Systeme, die
sich im thermischen Gleichgewicht befinden, gilt:
dS1+2 = dS1 + dS2
bzw.
S1+2 = S1 + S2
Auch die Gültigkeit dieser Gleichung wird in Anhang A.1 nachgewiesen.
Daraus folgt die Verallgemeinerung:
Stotal = ∑ Sα
α
wenn α beliebig viele Systeme (α = 1, . . . , , n) im thermischen Gleichgewicht bezeichnet.
Wir setzen nun dU = (∂ U /∂ T ∗ )V dT ∗ + (∂ U /∂ V )T ∗ dV (s. Gl. (4.3)) und erhalten damit beim
Einsetzen in Gl. (5.14):
1 ∂U
1
∂U
∗
dS =
dT +
+ p dV
T ∂T∗ V
T
∂V T ∗
wobei wir zur Vereinfachung alle dli = 0 gesetzt haben.
Wir wollen den Zusammenhang zwischen T und T ∗ bestimmen. Da S eine Zustandsfunktion
ist, können wir identifizieren:
∂S
1 ∂U
=
∂T∗ V T ∂T∗ V
und
∂S
∂V
T∗
1
=
T
∂U
∂V
T∗
+p
Ferner muss gelten (Maxwell-Relation bzw. Schwartz’scher Satz):
∂ 2S
∂ 2S
=
∂ V dT ∗ ∂ T ∗ ∂ V
und es folgt damit:
∂ 1 ∂U
∂
1
∂U
=
+p
∂V T ∂ T ∗ V T ∗ ∂ T ∗ T
∂V T ∗
V
bzw.:
1
T
∂ 2U
∂V · ∂ T ∗
= −
+
70
1
T
∂T
∂U
·
+
p
∂T∗ V
∂V T ∗
∂p
∂ 2U
1
+
·
∗
∗
∂T V
∂ T · ∂V
T
1
T2
5.4 Die Entropie als Zustandsfunktion und die Definition der absoluten Temperatur
Dabei haben wir Gebrauch gemacht von der Tatsache, dass T , der integrierende Nenner, nur eine
Funktion von T ∗ und nicht von V ist (s. o. bzw. Anhang A.1). Da nun
2
2
∂ U
∂ U
=
∂ T ∗∂V
∂V ∂ T ∗
ergibt sich somit:
∂T
∂U
∂p
·
+p =T·
∂T∗
∂V T ∗
∂T∗ V
(5.15)
Wir betrachten jetzt den Spezialfall des idealen Gases, durch den ja T ∗ definiert ist und für den
gilt, dass p = n · RT ∗ /V und (∂ U /∂ V )T ∗ = 0. Damit erhält man aus Gl. (5.15):
∂T
RT ∗
RT
·
n
·
= n·
∂T∗
V
V
oder:
d ln T
=1
d ln T ∗
also:
ln T = ln T ∗ + const
bzw.:
T = econst · T ∗ oder T = b · T ∗
Die gasthermometrische Temperatur T ∗ ist also bis auf einen beliebigen Skalierungsfaktor b identisch mit dem integrierenden Nenner T . T heißt die absolute Temperatur. Wählt man b = 1,
ergibt sich
T in [K] = T ∗ in [K]
(5.16)
Die Definition der absoluten Temperatur wurde 1848 von W. Thomson (dem späteren Lord Kelvin)
gegeben. Kelvin hat die absolute Temperatur T auf eine andere, äquivalente Weise eingeführt und
ihre Identität mit der gasthermometrischen Temperatur T ∗ nachgewiesen. Dies ist in Anhang A2
dargestellt.
Mit T = T ∗ folgt aus Gl. (5.15) sofort eine wichtige, ganz allgemein gültige Beziehung:
∂U
∂p
=T
−p
(5.17)
∂V T
∂T V
Die Entropie S kann man jetzt als Funktion von 2 Variablen (1-Komponentensystem mit p als
einzigem Arbeitskoeffizienten) in verschiedener Weise als totales Differential schreiben:
Für S = S(U,V ) gilt (s. Gl. (5.14)):
∂S
1
∂S
p
=
und
=
∂U V T
∂V U T
71
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Für S = S(T,V ) gilt:
1
1
dS = CV dT +
T
T
∂U
∂V
T
+ p dV
wobei
∂S
∂T
CV
und
T
V
1
∂S
∂U
∂p
=
+p =
∂V T T
∂V T
∂T V
=
Für S = S(T, p) gilt:
T dS = dU + pdV = dH − pdV −V d p + pdV = dH −V d p
Also kann man schreiben:
Cp
1
∂H
dS = dT +
−V d p
T
T
∂p T
Die zwei gekreuzten 2. Ableitungen müssen wieder gleich sein:
2 2 ∂ Cp
∂ S
∂ S
∂ 1
∂H
=
=
=
−V
∂p T T
∂ p∂ T
∂T∂ p
∂T T
∂p T
p
oder:
1
T
∂ 2H
∂ p∂ T
1
=− 2
T
∂H
∂p
−V
T
1
+
T
∂ 2H
1 ∂V
−
∂T∂ p
T ∂T p
Daraus folgt die wichtige Beziehung:
∂H
∂V
=V −T
∂p T
∂T p
(5.18)
und es gilt:
Cp
∂S
=
∂T p
T
sowie
∂S
∂p
T
∂V
=−
∂T
p
Für das allgemeine Integral der Entropie gilt also:
S − S0 =
72
ZT
T0
CV
dT +
T
ZV V0
∂p
∂T
V
dV oder : S − S0 =
ZT
T0
Cp
dT −
T
Zp p0
∂V
∂T
d p (5.19)
p
5.4 Die Entropie als Zustandsfunktion und die Definition der absoluten Temperatur
Damit ist auch klar, wie die Änderung von S zwischen 2 Zuständen I und II berechnet wird:
∆S =
ZII
I
dS = SII − SI =
ZTII
TI
CV
dT +
T
ZVII
VI
∂p
∂T
dV
V
bzw.:
∆S = SII − SI =
ZTII
TI
Cp
dT −
T
ZpII
pI
∂V
∂T
dp
p
Als Beispiel berechnen wir ∆S für den Sonderfall des idealen Gases bei T = const:
∆S =
ZII
dS =
ZVII
VI
I
∂p
∂T
V
dV = n · R
ZVII
VI
dV
VII
= n · R ln
V
VI
oder:
∆S = −
ZpII
pI
∂V
∂T
p
d p = −n · R
ZpII
pI
dp
p
= −n · R ln
pII
pI
VI
= −n · R ln
VII
VII
= +n · R ln
VI
Beide Resultate sind identisch, wie es auch sein muss.
Nimmt man zur Auswertung das einatomige ideale Gas mit CV = 3/2R, dann ergibt sich für n
Mole:
3
Sideales Gas = nS0 + n R · ln T + n · R ln(V · n)
2
Zunächst einmal ist festzustellen, dass in dieser Form die Entropie keine homogene Funktion 1.
Ordnung zu sein scheint, d. h.,
α · Sid. Gas 6= α · nS0 + α · nR ln T + α · nR ln(V · α · n)
Das liegt am Term mit ln(V · α · n). Dieses Problem ist nur lösbar, wenn man annimmt, dass die
noch nicht näher spezifizierte Integrationskonstante n · S0 einen additiven Term −nR ln n enthält.
Dann ergibt sich:
′
Sid. Gas = nS0 +
3
nR ln T + Rn lnV
2
′
und Sid. Gas ist jetzt eine homogene Funktion 1. Ordnung, wenn S0 nur noch konstante Größen
enthält, also T0 und V 0 .
Es ist interessant, dass die statistische Thermodynamik für ideale Gase automatisch den Term
−nR ln n liefert. Man erhält die sog. Sackur-Tetrode-Gleichung (s. Lehrbücher „Statistische Thermodynamik“).
73
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Wir kehren zurück zum Carnot-Kreisprozess. Die allgemeiner Formulierung für die Entropiedifferenz zwischen zwei Zuständen I und II lautet:
∆S =
ZII
I
δQ
(quasistatischer Prozess)
T
(5.20)
Das wenden wir auf den allgemeinen Carnot’schen Kreisprozess an. Auf den Adiabaten ist die
Entropieänderung gleich Null, da δ Q = 0 ist. Es bleiben nur noch die Isothermen übrig (s. Abb.
5.6). Also gilt, da S eine Zustandsfunktion ist:
∆S =
Q12 Q34
+
=
T1
T3
I
dS = 0
Damit folgt:
Q34
T3
=−
Q12
T1
Da nun aber
T3 T3∗
=
T1 T1∗
ist bewiesen, dass der Carnot’sche Kreisprozess für eine beliebige Arbeitssubstanz (nicht nur für
das ideale Gas) bei quasistatischer Arbeitsweise folgenden Wirkungsgrad ηC hat:
ηC =
−WCarnot
T3
= 1−
Q12
T1
(5.21)
Man kann den Carnot-Prozess, wie andere Kreisprozesse auch, statt in einer p,V -Projektion in
einer T, S-Projektion darstellen. Es entsteht als Fläche ein Rechteck, denn auf den Adiabaten ist
S = const, bzw. dS = 0 (Abb. 5.8).
Für die Fläche F gilt:
(S32 − S14 ) · T1 − (S32 − S14 ) · T3 = ∆Q12 + ∆Q34
Wegen ∆UCarnot = 0 = ∆Q12 + ∆Q34 +WCarnot ist die Fläche F gleich −WCarnot .
Die im Carnot-Prozess vom System geleistete Arbeit (WCarnot < 0) bzw. am System geleistete
Arbeit (WCarnot > 0) ist gleich der Fläche F bzw. −F im T-S-Diagramm. Das Vorzeichen von
WCarnot hängt von der Umlaufrichtung ab. Bei Umlaufrichtung im Uhrzeigersinn wird Wärme Q12
vom warmen Bad (T1 ) ins kältere Bad (T3 ) überführt und das System leistet Arbeit: WCarnot < 0.
Bei Umlaufrichtung gegen den Uhrzeigersinn wird Wärme Q12 vom kalten Bad (T3 ) zum warmen
Bad (T1 ) transportiert und am System muss Arbeit von außen geleistet werden: WCarnot > 0. Das
ist, wie bereits erwähnt, das Prinzip der Wärmepumpe. Wir erhalten also dieselben Aussagen wie
zuvor.
Über verallgemeinerte Kreisprozesse sowie technische bedeutsame Kreisprozesse (z. B. OttoZyklus, Diesel-Zyklus) und ihre Beziehumg zum Carnot-Prozess kann in Anhang A3 Weiteres
erfahren werden.
74
5.5 Aus der Entropie abgeleitete thermodynamische Beziehungen
T
Isotherme
Adiabate
Adiabate
T1=T2
T3=T4
Isotherme
S1=S4
S2=S3
S
Abbildung 5.8: Der Carnot’sche Kreisprozess im T, S-Diagramm.
Die schraffierte Fläche ist gleich −WCarnot
5.5 Aus der Entropie abgeleitete thermodynamische Beziehungen
Mit der Einführung der Entropie als Zustandsgröße lassen sich nun einige wichtige thermodynamische Zusammenhänge ableiten, die häufiger benötigt werden, und von denen wir in vorausgehenden Kapiteln teilweise schon Gebrauch gemacht haben.
• Die Druckabhängigkeit der Molwärme C p
Zunächst wollen wir die durch Gl. (4.9) angegebene Druckabhängigkeit der Molwärme
C p = (∂ H/∂ T ) p ableiten.
Wir gehen also aus von:
∂C p
∂p
T
∂
=
∂p
"
∂H
∂T
#
p T
∂
=
∂T
∂H
∂p
T p
wobei wir vom Schwarz’schen Satz (Maxwell-Relation) über die Vertauschbarkeit gemischter zweiter Ableitungen von Zustandsgrößen Gebrauch gemacht haben. Jetzt setzen wir Gl.
(5.18) für (∂ H/∂ p)T ein und beachten gleichzeitig die Definition des thermischen Ausdehnungskoeffizienten α p (s. Abschnitt 3.1):
∂
∂T
∂H
∂p
T p
"
#
∂V
∂ =
V −T
=
V − T ·V · α p
∂T p
∂T
∂ αp
∂V
= V · α p −V · α p − T
· α p − T ·V ·
∂T p
∂T p
∂
∂T
75
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Daraus folgt die zu beweisende Gl. (4.9):
∂Cp
∂p
"
∂ αp
α p2 +
∂T
= −T ·V
T
#
p
• Die Differenz C p −CV
Aus den Beziehungen Gl. (5.17) und Gl. (5.18), die aus der Definition der Entropie folgen,
lässt sich sofort ein allgemeiner Ausdruck für C p −CV angeben, der leicht messbare Größen
enthält. Das vorläufige Ergebnis aus Abschnitt 4.2. lautete:
C p −CV =
∂V
∂T
p
∂U
p+
∂V
T
Daraus ergibt sich nun mit Gl. (5.17):
∂V
C p −CV = T ·
∂T
∂p
·
∂T
p
V
und mit (∂ p/∂ T )V = α p /κT (s. Abschnitt 3.1) folgt:
C p −CV = T ·V ·
α p2
κT
(5.22)
Damit wird C p − CV auf einfach messbare Daten der thermischen Zustandsfunktion V =
V (p, T ) bzw. des thermischen Ausdehnungskoeffizienten α p und des isothermen Kompressibilitätskoeffizienten κT zurückgeführt. Man sieht sofort, dass für ideale Gase C p −CV = R
gilt, da α p = 1/T und κT = 1/p (vgl. Gl. (4.6)). Bei realen Systemen wie Flüssigkeiten und
Festkörpern ist C p −CV oft sehr gering und zwar umso geringer, je tiefer die Temperatur ist
(s. auch Abschnitt 10.3.).
In Abb. 4.9 kann man die Unterschiede zwischen C p und CV bei Festkörpern deutlich erkennen. C p wurde gemessen und CV nach Gl. (5.22) bei Kenntnis von V , α p und κT berechnet.
• Der Gay-Lussac-Koeffizient
Mit Gl. (5.17) folgt für den in Abschnitt 4.1 definierten Gay-Lussac Koeffizienten δGL :
∂p
∂U
p
−
T
−
∂T V
dT
∂V T
δGL = −
=
=
dV U
CV
CV
Also ergibt sich (s. Abschnitt 3.1):
δGL =
76
p−T
CV
αp
κT
5.5 Aus der Entropie abgeleitete thermodynamische Beziehungen
Es folgt sofort, dass bei idealen Gasen wegen α p = 1/T und κT = 1/p gilt:
δGL =
p − T · Tp
=0
CV
Der Gay-Lussac-Koeffizient δGL bei idealen Gasen muss also gleich Null sein, das experimentelle Ergebnis des Versuches nach Gay-Lussac (s. Abschnitt 4.1) folgt also direkt aus
der idealen Zustandsgleichung für Gase. Das ist allerdings keine neue Erkenntnis, da ja
in Abschnitt 5.4 bei der Herleitung von Gl. (5.17) von (∂ U /∂ V )T = 0 bei idealen Gasen
Gebrauch gemacht wurde.
• Der differentielle Joule-Thomson-Koeffizient δJT
Auch der differentielle Joule-Thomson-Koeffizient (s. Gl. (4.8)) kann jetzt auf einfach messbare Größen zurückgeführt werden, wie V , α und C p . Dazu verwendet man Gl. (5.18):
dT
dp
H
= δJT = −
∂H
∂p
Cp
T
=
1
∂V
V
T
−V =
[α p · T − 1]
∂
T
Cp
Cp
p
(5.23)
Man sieht sofort, dass für ideale Gase δJT = 0 gilt, da α p = 1/T und κT = 1/p.
Als Beispiel für Berechnungen mit realen Gasen wenden wir die allgemeine Virialgleichung
bis zum 2. Virialkoeffizienten an in der Form
p ·V ∼
= R·T +B· p
und setzen für B als Beispiel den Ausdruck nach der v. d. Waals-Gleichung (Gl. (3.4))ein:
B(T ) = b −
a
R·T
Damit ergibt sich nach Einsetzen dieser Beziehungen in Gl. (5.23):
1
dB
1 2a
δJT =
T
−B =
−b
dT
Cp
C p RT
Daraus lässt sich (bei kleinen Drücken) die Inversionstemperatur Ti , bei der δJT = 0 ist, nach
v. d. Waals bestimmen:
Ti =
2a
R·b
Ti ist nach der v. d. Waals-Gleichung also gerade doppelt so hoch wie die Boyle-Temperatur
(s. Gl. (3.4))
Die zweite Inversionstemperatur (s. Abb. (4.7)) bei tiefen Temperaturen wird hier nicht
erhalten, da bei tiefen Temperaturen die Virialgleichung bis zum 2. Virialkoeffizienten nicht
ausreicht zur Zustandsbeschreibung. Die Berechnung der gesamten Inversionskurve für die
v. d. Waals-Gleichung ist in Anhang A4 wiedergegeben.
77
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
• Isentrope Kompressibilität und Schallgeschwindigkeit
Wir leiten noch einen Ausdruck für C p /CV ab, der nur aus der Definition der Entropie folgt.
Aus
CV
∂p
dT +
dS =
· dV
T
∂T V
ergibt sich bei V = const :
CV
dTV
T
dSV =
Also ist
∂S
∂p
V
CV
=
T
∂T
∂p
V
und aus
Cp
∂V
dS =
·dp
dT −
T
∂T p
ergibt sich
dS p =
Cp
dTp
T
und damit
Cp ∂ T
∂S
=
T ∂V p
∂V p
Daraus folgt dS mit S als Funktion von V und p:
dS =
∂S
∂V
∂S
· dV +
∂p
p
Cp
dp =
T
V
∂T
∂V
CV
dV +
T
p
Wir betrachten jetzt den Fall, dass dS = 0 und erhalten:
∂T
∂p V
∂V
CV
CV ∂ V
=−
· =+
∂T
∂p S
Cp
Cp ∂ p T
∂V
Wenn man mit
1
κS = −
V
78
∂V
∂p
S
p
∂T
∂p
V
dp
5.6 Dissipierte Arbeit und irreversible Prozesse
die sog. isentrope Kompressibilität bezeichnet, ergibt sich:
κS =
CV
· κT
Cp
(5.24)
Aus Gl. (5.22) und Gl. (5.24) kann man ohne kalorimetrische Messungen C p und CV bestimmen (2 Gleichungen, 2 Unbekannte!). κS ist aus Schallgeschwindigkeitsmessungen erhältlich. Es gilt:
s
V
CS =
(5.25)
κS · M
wobei CS die Schallgeschwindigkeit ist und M die Molmasse. Eine Ableitung von Gl. (5.25)
findet sich in Anhang A10.
5.6 Dissipierte Arbeit und irreversible Prozesse
Soweit haben wir quasistatische Prozesse betrachtet. Sie laufen „unendlich langsam“ ab, da sie
im Kräftegleichgewicht sind. Real ablaufende Prozesse erfordern Ungleichgewicht der Kräfte, d.
h., allgemein Ungleichheit der Arbeitskoeffizienten, hier des Außendruckes pa und des Systemdruckes p. Wir betrachten ein Fluid (nicht notwendigerweise ein ideales Gas) mit einem Kolben
der Masse m im Schwerefeld (Abb. 5.9). Der Kolben wird durch eine Verriegelung in Position
Kolbenscheibe
mit Masse m
Verriegelung
Verriegelung
Gas
p, T
Abbildung 5.9: Ein Gas wird durch eine bewegliche Kolbenscheibe abgeschlossen (s. Text).
gehalten. Wird diese gelöst, bleibt das System nur dann unverändert, wenn pGas = m · g/F = pa
gilt, wobei g die Erdbeschleunigung, F die Kolbenfläche und m = Kolbenmasse sind. Kolbenreibungskräfte vernachlässigen wir hier.
Abb. 5.10 zeigt die entsprechende Kurve im PV-Diagramm. Es kann sich dabei um eine Isotherme oder Adiabate oder Polytrope handeln. p ist dabei jedenfalls der Gleichgewichtsdruck. Die
Pa -Kurve (Parallele zur V-Achse) ist der vom Kolben ausgeübt Gegendruck. Bei V1 ist p > pa ,
und es kommt zur Expansion bis V = V2 und p = pa , wenn der Kolben entriegelt wird. Die vom
System geleistete Arbeit ist W = −m · g(h2 − h1 ) = −m · g/F(V2 − V1 ). Das ist weniger als die
V
R2
quasistatische Arbeit − pdV , und zwar um den Betrag Wdiss weniger.
V1
79
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Abbildung 5.10: Dissipierte Arbeitsbeträge Wdiss bei Pa 6= PSystem für das System „Gas“ mit Kolbenscheibe der Masse m und Fläche F im Schwerefeld der Erde
Die dissipierte Arbeit Wdiss ist also im System „verschwunden“, genauer gesagt, Energie, die
als nutzbare Arbeit verfügbar war, ist in eine nicht als Arbeit nutzbare Energieform verwandelt
worden.
Es gilt ja
W = Wqs +Wdiss = −
ZV2
V1
pdV +Wdiss = −
m·g
(V2 −V1 )
F
also
Wdiss = +
ZV2
V1
pdV −
m·g
(V2 −V1 ) > 0
F
Wir haben V2 so gewählt, dass gerade dort wieder Gleichgewicht herrscht (pa = m · g/F = p).
Wenn man nach Abb. 5.10 umgekehrt verfährt, also von V3 statt von V1 ausgeht und das Gas
komprimiert, ist die am System tatsächlich geleistete Arbeit größer als Wqs . Für Wdiss gilt in diesem
Fall:
Wdiss = +
ZV2
V3
pdV −
m·g
(V2 −V3 ) > 0
F
da V3 > V2 .
Wdiss ist also in beiden Fällen, d. h. beim Expandieren wie beim Komprimieren des Gases,
positiv.
Die beschriebenen Vorgänge sind jedoch ganz allgemeiner Natur, sie sind am Beispiel der Volumenarbeit besonders anschaulich und unmittelbar einsichtig, sie gelten aber prinzipiell für alle
Paare von Arbeitskoeffizienten λi und Arbeitskoordinaten li . Bei der Oberflächenarbeit σ · dF,
kann man z. B. die analoge Argumentation ebenfalls leicht nachvollziehen (s. Abb. 5.11). Wir
80
5.6 Dissipierte Arbeit und irreversible Prozesse
Drahtbügel
l
s
F
b
Zugspannung
K a /2b
Flüssigkeitslamelle
mit Oberfläche 2F
Abbildung 5.11: Oberflächenarbeit an einer Flüssigkeitslamelle im Gleichgewicht (σ = Ka /2b)
oder im Ungleichgewicht (σ 6= Ka /2b)
betrachten dazu eine Flüssigkeitslamelle in einem Rahmen mit beweglichem Bügel. Wenn der
Drahtbügel sich bewegen soll und die Fläche F = 2b · l sich damit verändert, muss 2σ b 6= Ka
sein, wenn Ka die Zugkraft am Bügel b ist. Der Faktor 2 berücksichtigt, dass die Lamelle eine
Oberfläche und eine gleich große Unterfläche hat.
Bei Vergrößerung der Oberfläche F = 2b · l wird am System Arbeit geleistet mit Ka > 2σ b
und dl > 0:
δ Wdiss = δ W − δ Wqs = Ka · dl − 2σ b · dl > 0
Bei Verkleinerung der Oberfläche ist Ka′ < 2σ b und das System leistet Arbeit. Dann gilt mit
dl < 0:
δ Wdiss = (Ka′ − 2σ b)dl = δ W − δ Wqs > 0
In beiden Fällen ist also wieder δ Wdiss > 0.
Es wird also allgemein immer gelten:
W = Wdiss +Wqs > Wqs
Wir kehren nun zum Carnot’schen Kreisprozess zurück. Wenn man solche nicht quasistatischen
Prozesse auch für die einzelnen Prozessschritte des Carnot’schen Kreisprozesses zugrunde legt,
muss also gelten:
−Wqs,Carnot
T∗
−W
≤
= 1 − 3∗
Q12
Q12
T1
(T1∗ > T3∗ )
(5.26)
Das Gleichheitszeichen gilt, wenn W = Wqs ist, also bei quasistatischer (reversibler) Arbeitsweise.
Da sowohl −W wie auch −Wqs,Carnot positiv sind und Q12 ebenfalls positiv ist, bedeutet Gl.
(5.26), dass bei realen, nicht-quasistatischen (irreversiblen) Kreisprozessführungen die tatsächlich
vom System geleistete Arbeit immer kleiner ist, als die maximal mögliche Arbeit, die im quasistatischen Fall geleistet wird.
81
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
5.7 Gleichgewichtskriterien, irreversible Prozesse und Entropieproduktion
Bisher haben wir die Entropie als neue Zustandsgröße eingeführt und quasistatische Prozesse untersucht. Dabei wurden äußerst wichtige und weiterführende Ergebnisse erhalten. Der eigentliche,
axiomatische Teil des 2. Hauptsatzes beinhaltet jedoch vor allem eine Aussage über die Richtung
von nicht-quasistatischen Prozessen, also solchen Vorgängen, die in endlicher Zeit ablaufen aufgrund eines Nichtgleichgewichtes innerer und äußerer Kräfte. Der 2. Hauptsatz macht auch eine
Aussage darüber, bis wohin ein nicht-quasistatischer (irreversibler) Prozess läuft und wo er zur
Ruhe kommt, d. h., wo Gleichgewicht herrscht.
Wir betrachten für geschlossene Systeme dazu nochmals die allgemeine Gleichung des 1. Hauptsatzes. Für quasistatische Prozessführung gilt ja:
dU = T dS + δ Wqs
(mit δ Wqs = −pdV + ∑ λi dli )
Wenn wir dieselbe differentielle Zustandsänderung dU auf anderem, nicht-quasistatischem (irreversiblem) Weg ablaufen lassen, gilt mit δ W = δ Wqs + δ Wdiss :
dU = δ Q + δ Wqs + δ Wdiss = T dS + δ Wqs + δ Wdiss − T di S
Diese Gleichung ist wichtig für das allgemeine Verständnis: Bei nichtquasistatischem Prozess
erscheint zusätzlich zu δ Wqs noch δ Wdiss , wobei δ Wdiss immer positiv ist. Da aber dU unabhängig
vom Weg ist (quasistatisch oder nichtquasistatisch) und in beiden Fällen gleich sein muss (U ist
eine Zustandsgröße!), ist es im rechten Teil der Gleichung notwendig, einen differentiellen Term
- wir bezeichnen ihn mit −T di S -, zu addieren, der δ Wdiss genau kompensiert.
Also gilt:
T di S = δ Wdiss
(5.27)
Wenn man für T dS − T di S schreibt:
T dS − T di S = T de S
so erhält man:
T de S = δ Q
(5.28)
Das kann man folgendermaßen interpretieren.
Die gesamte Entropieänderung des Systems dS besteht i. a. aus zwei Anteilen, nämlich
δ Q/T und +δ Wdiss /T .
Der Anteil de S = δ Q/T verursacht eine Entropieänderung des Systems durch Wärmeaustausch mit der Umgebung (Index e = extern). Demzufolge ist der Anteil di S = +δ Wdiss /T die
Entropieänderung im Inneren des Systems (Index i = innen).
Man beachte: di S und de S sind keine totalen Differentiale! Da δ Wdiss > 0, kann dSi auch
nur größer als Null oder gleich Null sein. Ist dSi = 0, herrscht Gleichgewicht und es gilt
dann:
T dS = T de S = δ Q
82
(Gleichgewicht)
5.7 Gleichgewichtskriterien, irreversible Prozesse und Entropieproduktion
In manchen Lehrbüchern wird für diesen Fall δ Q = δ Qreversibel geschrieben. Wir benutzen diese
Bezeichnung jedoch nicht.
In Abschnitt 5.6 wurde gezeigt, dass immer gilt: δ Wdiss > 0. Somit folgt das wichtige Ergebnis:
δ Wdiss = T di S ≥ 0
(5.29)
Daraus folgt sofort weiter:
T de S + T di S = T dS ≥ δ Q
(5.30)
Diese Gleichung lässt sich auch umschreiben:
−
δQ
+ dS ≥ 0
T
Da δ Q vom System aus gesehen positiv ist, wenn δ Q dem System zugeführt wird und negativ,
wenn δ Q vom System in die Umgebung abgegeben wird, kann man auch schreiben mit −δ Q/T =
+dSUmgeb = −de S :
dSUmgeb + dSSystem ≥ 0
wobei hier explizit dS = dSSystem geschrieben wurde und dSUmgeb die Entropieänderung der Umgebung bedeutet. Diese Formulierung wird in vielen Lehrbüchern angegeben. Sie ist also gleichwertig der Formulierung in Gl. (5.30), die wir weiterhin benutzen werden.
Wir gehen noch einen Schritt weiter und integrieren Gl. (5.30) über einen geschlossenen Weg
(Kreisprozess):
I
dS = 0 ≥
I
δQ
T
(5.31)
Diese Beziehung ist gültig, da S eine Zustandsgröße ist. Sie wurde bereits 1854 von Clausius
angegeben und wird auch als das Theorem von Clausius bezeichnet.
Es ist noch zu erwähnen, dass man nach Gl. (5.29) auch schreiben kann:
di S
≥0
dt
(5.32)
Das bedeutet: bei nichtquasistatischen (irreversiblen) Prozessen kann der Anteil der Entropieänderung di S = δ Wdiss /T im Inneren des Systems mit der Zeit t nur zunehmen. (dSi /dt) heißt auch
Entropieproduktion.
Wir betrachten jetzt ein abgeschlossenes (isoliertes) System. Dort gilt bekanntlich:
dU = 0, alle dli = 0, insbesondere dV = 0
Damit ist auch δ Q = 0 und somit auch T de S = 0 und es gilt:
di S = dSU,li ,V ≥ 0
(5.33)
D. h., in einem abgeschlossenen System (U = const,V = const, li = const) strebt im Nichtgleichgewicht S als Funktion von irgendwelchen „inneren Parametern“ einem Maximum zu.
83
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Dabei können sich im Inneren des Systems nur Zustandsänderungen vollziehen, die mit der Bedingung des abgeschlossenen (isolierten) Systems vereinbar sind (T dSi = dWdiss > 0). Im inneren
Gleichgewicht ist dSU,li ,V = di S = 0.
Daraus kann man eine weitreichende Konsequenz ziehen. Wenn man das Weltall als endlich
und abgeschlossen (isoliert) ansieht (das Weltall hat keine „Umgebung“ mehr!), dann ergibt sich
die universelle Folgerung:
Z dSWelt
dt ≥ 0
dt
d. h., die Entropie des Weltalls kann mit der Zeit t nur zunehmen und erreicht letztendlich ein Maximum (dSWelt /dt = 0). Dieser Zustand wird auch „Wärmetod des Weltalls“ genannt. Er wurde
ebenfalls von Clausius bereits 1865 postuliert, ist aber heute nicht unumstritten, da in der Kosmologie der Begriff der Endlichkeit des Weltalls im thermodynamischen Sinn nicht eindeutig geklärt
zu sein scheint. Selbst wenn die Aussage zutrifft, ist zu bedenken, dass Bereiche im Weltall an
Entropie verlieren können, die woanders teilweise kompensiert wird durch Zunahme der Entropie. Beispiel: die Sonne nimmt an Entropie zu, dafür hat sich mit der Entwicklung des Lebens auf
der Erde ein Zustand niedriger Entropie gebildet.
Wir haben damit nicht nur ein Kriterium für Gleichgewichtszustände gefunden, sondern auch
eine Aussage darüber gemacht, in welche Richtung sich ein Nichtgleichgewichtszustand zum
Gleichgewicht hin verändern wird bei vorgegebenen Randbedingungen. Die Entropie als Größe
für Gleichgewichtsbedingungen zu formulieren ist aber keineswegs die einzige Möglichkeit. Wir
zeigen nun, unter welchen Bedingungen die innere Energie zu demselben Zweck dienen kann. Dazu betrachten wir das System unter isentroper Bedingung, d. h., dS = 0, ferner sollen als weitere
Bedingungen gelten, dass auch alle Arbeitskoordinaten konstant bleiben, also dli = 0 und dV = 0,
so dass δ W = δ Wqs + dWdiss = 0 gilt.
Wir können für geschlossene Systeme nach Gl. (5.28) ganz allgemein schreiben:
dU = δ Q + δ W = T de S + δ W
Diese Gleichung lässt sich nach dem oben Gesagten auch formulieren (s. Gl. (5.30)):
dU = T dS + δ W − T di S
und, da voraussetzungsgemäß dS = 0 und δ W = 0, folgt nach Gl. (5.29):
dUS,li ,V = −T di S ≤ 0
(5.34)
Diese Gleichung besagt, dass die innere Energie U bei S = const, alle li = const,V = const
im Nichtgleichgewicht als Funktion irgendwelcher „innerer Parameter“ einem Minimum
zustrebt. Im thermodynamischen Gleichgewicht ist dUS,li ,V = 0.
Entsprechende Gleichgewichtsbedingungen erhält man mit anderen Randbedingungen, wenn
man die Enthalpie H benutzt. Die Definition H = U + p · V (s. Gl. (4.5)) liefert für das totale
Differential:
dH = dU + pdV +V d p
84
5.7 Gleichgewichtskriterien, irreversible Prozesse und Entropieproduktion
Einsetzen von
dU = δ Q − pdV + ∑ λ dli
ergibt
dH = δ Q +V d p + ∑ λi dli
Wir betrachten wieder einen nichtquasistatischen (irreversiblen) Prozess mit δ Q = T de S und
T di S ≥ 0 und formulieren als Bedingungen dS = 0, d p = 0, alle dli = 0. Dann ergibt sich:
dH = T de S = T dS − T di S = −T di S
Also gilt:
dHS,p,li = −T di S ≤ 0
(5.35)
Die Enthalpie H strebt also bei S = const, p = const, und allen li = const im Nichtgleichgewicht
als Funktion irgendwelcher „innerer Parameter“ einem Minimum zu.
Diese Gleichgewichtsbedingung hat gegenüber Gl. (5.34) den Vorteil, dass p = const einfacher
zu realisieren ist als V = const.
Noch realistischere Randbedingungen für die Gleichgewichtskriterien erhält man mit der sog.
freien Energie (engl. Helmholtz energy) F, die wie folgt definiert ist, und die wir an dieser Stelle
neu einführen:
F = U −TS
(Definition der freien Energie)
(5.36)
Das totale Differential lautet:
dF = dU − T dS − SdT
Setzt man wieder die Gleichung für dU = δ Q − pdV + ∑ λi dli ein, ergibt sich:
dF = δ Q − pdV + ∑ λi dli − T dS − SdT
Im nichtquasistatischen Prozess ist wieder δ Q = T de S und T di S ≥ 0, und es ergibt sich mit den
Randbedingungen dV = 0, dT = 0, und alle dli = 0:
dF = T de S − T dS = −T di S
Also gilt:
dFV,T,li = −T di S ≤ 0
(5.37)
Die freie Energie F strebt also im Nichtgleichgewicht im isothermen (T = const) und isochoren (V = const) Fall als Funktion irgendwelcher „innerer Parameter“ einem Minimum zu.
Im thermodynamischen Gleichgewicht gilt dann dFF,T,li = 0. Diese Randbedingungen im Experiment einzuhalten, ist schon durchaus realistisch für praktische Fälle.
Schließlich kann man von einer weiteren neu zu definierenden Größe ausgehen:
G = F + pV
(Definition der freien Enthalpie)
(5.38)
85
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
G heißt die freie Enthalpie (engl. Gibbs energy, daher der Buchstabe G).
Bildung des totalen Differentials ergibt:
dG = dF + pdV +V d p
Setzt man nun dF = δ Q − pdV + ∑ λi dli − T dS − SdT (siehe oben) ein, ergibt sich:
dG = δ Q +V d p + ∑ λi dli − T dS − SdT
Diesmal wählen wir als Bedingungen d p = 0, dT = 0 und alle dli = 0.
Es ist wieder δ Q = T de S und T di S ≥ 0 und man erhält:
dG = T de S − T dS
Damit folgt im nichtquasistatischen Fall wegen T dS = T de S+T di S die Gleichgewichtsbedingung:
dG p,T,li = −T di S ≤ 0
(5.39)
G strebt also im Nichtgleichgewicht bei T = const, p = const und alle li = const als Funktion irgendwelcher „innerer Parameter“ einem Minimum zu. Im thermodynamischen Gleichgewicht
gilt dGT,p,li = 0.
Eine wichtige Frage lautet nun: welche Prozesse im Inneren eines Systems können bei den
jeweils gegebenen Randbedingungen für dS, dU, dH, dF, dG eigentlich spontan ablaufen, so dass
T di S = δ Wdiss > 0 gilt, bis der Gleichgewichtszustand T di S = δ Wdiss = 0 erreicht ist? Welches
sind die „inneren Parameter“, die sich ändern bis das Gleichgewicht erreicht ist?
Im Inneren eines Systems können Nichtgleichgewichte verschiedener Art vorliegen. Wir geben
einige Beispiele:
1. Verschiedene Bereiche des Systems können unterschiedliche Temperaturen haben.
Beispielsweise trennt innerhalb des Systems eine wärmeisolierende Wand 2 Metallstücke
gleicher Menge und gleichen Materials das System in 2 gleiche Hälften. Das ganze System
sei nach außen adiabatisch isoliert. Dann werden die wärmeisolierenden Wände zwischen
den Metallstücken (gedanklich) entfernt. Anfangs ist T2 > T1 . Es findet Temperaturausgleich
statt. Der innere Parameter ist hier die Temperaturdifferenz ∆T = T1 − T2 .
Wir wählen als Gleichgewichtskriterium:
dSU,V,li ≥ 0
Wir bestimmen das Maximum von Sgesamt . Nach Gl. (5.19) gilt allgemein bei V = const:
S1 − S2 = hCV i ln(T1 /T2 )
wobei hCV i ein geeigneter Mittelwert der Wärmekapazität über das Temperaturintervall
∆T = T1 − T2 ist.
Vor dem Temperaturausgleich gilt:
Sgesamt = S0
86
5.7 Gleichgewichtskriterien, irreversible Prozesse und Entropieproduktion
Danach gilt:
Sgesamt = S
Also folgt:
S − S0 = hCV i · ln
T1 + ∆T
T2 − ∆T
+ hCV i · ln
T1
T2
wobei die gemittelten Wärmekapazitäten hCV i der beiden gleichen Hälften sind (s. o.). Das
Maximum von S − S0 erhält man durch Ableiten nach ∆T und Nullsetzen bei festen Werten
von T1 und T2 :
d(S − S0 )
=0
d∆T
das ergibt
∆Tmax =
T2 − T1
2
und damit
T1 + T2
(S − S0 )max = hCV i · 2 · ln √
2 T1 T2
√
Da das arithmetische Mittel (T1 +T2 )/2 immer größer ist als das geometrische Mittel T1 T2 ,
ist S − S0 > 0 wie es sein muss, d. h., S hat bei T = (T2 + T1 )/2 seinen Maximalwert erreicht.
Es herrscht in beiden Teilen des Systems die Temperatur T und ∆T , der innere Parameter,
ist gleich (T2 − T1 )/2 im thermodynamischen Gleichgewicht.
2. Ist das System ein 1-Phasen-System mit verschiedenen Komponenten, können z. B. lokal
im Inneren des Systems unterschiedliche Konzentrationen herrschen, die sich ausgleichen
werden. Wir stellen uns als Beispiel 2 ideale Gase A und B gleicher Molzahl nA = nB im
System in zwei gleiche Hälften getrennt vor, es soll gelten: TA = TB und VA = VB . Nach
Entfernen der Trennwand vermischen sich die beiden Gase durch Diffusion vollständig und
nehmen dasselbe Volumen 2VA = 2VB = 2V ein. Wir wählen das Kriterium dSU,l,V ≥ 0. Am
Anfang, vor Entfernung der Trennwand, gilt für die Gesamtentropie SAnfang :
SAnfang =
0
SA
+ SB0 + nA · R lnVA + nB · R lnVB +
ZT
T0
CV A
dT +
T
ZT
T0
CV B
dT
T
Am Ende des Prozesses gilt:
SEnde =
0
SA
+ SB0 + nA · R ln(VA +VB ) + nB · R ln(VA +VB ) +
ZT
0
CV A +CV B
dT
T
Die Differenz SEnde − SAnfang = ∆S ergibt mit VA = VB = V und nA = nB = n
∆S = nA R ln(2V ) + nB R ln(2V ) − nA R lnV − nB R lnV
∆S = 2n · R ln 2 > 0
87
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
U bleibt bei idealen Gasen konstant, und das Gesamtvolumen 2V ist als konstant vorgegeben. Der errechnete Wert ∆S stellt das gesuchte Maximum der Entropieerhöhung im System
dar bei dU = 0, dV = 0, dli = 0. Der innere Parameter, der sich bei dem Vermischungsprozess ändert, ist die Teilchenkonzentration CA mit nA /VA ≥ CA ≥ nA /(VA +VB ) bzw. CB mit
nB /VB ≥ CB ≥ nB /(VA +VB ).
3. Es können im System Komponenten vorliegen, die chemisch miteinander reagieren können.
Auch hier kann ein Nichtgleichgewicht der Art vorliegen, dass die Reaktionspartner gehemmt sind und z. B. erst ein Katalysator die chemische Reaktion ermöglicht, so dass sich
durch die Reaktion die Zusammensetzung des Systems ändert, bis das System im thermodynamischen Gleichgewicht, also im Reaktionsgleichgewicht ist. Der innere Parameter ist in
diesem Fall die Reaktionslaufzahl ξ . Beispiele für diese, in der chemischen Thrmodynamik
so wichtigen Fälle geben wir später. Hier wählt man dFT,V,l ≤ 0 oder dGT,p,l ≤ 0 (s. Abschnitt 7.1.). Es können auch alle der ersten 3 Nichtgleichgewichtssituationen gleichzeitig
auftreten, so dass recht komplizierte Prozesse im Inneren ablaufen.
4. Im Systeminneren können mechanisch instabile Verhältnisse herrschen, die durch das Schwerefeld der Erde hervorgerufen werden. Durch einen spontanen Prozess stellen sich stabile
Verhältnisse ein. Beispiel: ein System, das aus Wasser mit einem am Boden haftenden Öltropfen besteht, ist instabil. Wir betrachten einen adiabatisch-irreversiblen Prozess (δ Q = 0):
Der Öltropfen vom Volumen VÖl steigt auf bis zur Decke des Gefäßes um die Höhe h (s. Abb.
5.12). Der innere Parameter ist hier also die Entfernung x über den Gefäßboden (0 < x < h).
Nach Ende des Prozesses ist die dissipierte Arbeit Wdiss > 0 erzeugt worden:
Wdiss = T ∆Si = (ρH2 O − ρÖl )VÖl · g · h
g ist die Erdbeschleunigung und ρH2 O und ρÖl die Dichten von Wasser und Öl.
Nach Gl. (4.1) erfordert der Energieerhaltungssatz (∆E = 0) für diesen Fall
−∆Epot,System = ∆U
wobei −∆Epot,System = (ρWasser − ρÖl )VÖl ·g·h und ∆U = CV,fl ·nfl (T − T0 ) sind. Alle anderen
Beiträge in Gl. (4.1) werden gleich null gesetzt.
Wegen δ Q = 0 muss de S = 0 gelten. Damit erhöht sich die Temperatur im System um:
T − T0 = (ρH2 O − ρÖl ) ·VÖl g · h/ CV,H2 O · nH2 O +CV,Öl · nÖl
Die Entropieerhöhung beträgt
∆Si = ∆S =
ZT T0
dT
V ·g·h
∼
nH2 O ·CV,H2 O + nÖl ·CV,Öl ·
= 2(ρH2 O − ρÖl ) · Öl
T
T + T0
Sie wird maximal, wenn sich der Öltropfen an der Gefäßdecke in der Höhe h befindet. Die
Erniedrigung der potentiellen Energie wird dabei durch die Temperaturerhöhung und durch
die Erhöhung der inneren Energie gerade kompensiert.
88
5.8 Gibbs’sche Fundamentalgleichung, Thermodynamische Potentiale
h
H 2O
H 2O
Abbildung 5.12: Ein Öltropfen (Volumen V , Dichte ρÖl ) steigt in Wasser (Dichte ρH2 O ) auf.
In allen Fällen – Nr. 1 bis Nr. 4 – ist das Kriterium für solche spontanen Nichtgleichgewichtsverhältnisse immer dSi > 0. Gl. (5.29) bzw. (5.32) stellen die fundamentalen Beziehungen dar, die
zur Entwicklung der „Thermodynamik irreversibler Prozesse“ führen, einem eigenständigen und
sehr umfangreichen Wissenschaftsgebiet, auf das wir hier nicht näher eingehen können.
5.8 Gibbs’sche Fundamentalgleichung, Thermodynamische Potentiale
Die im letzten Abschnitt neu eingeführten Größen der freien Energie F und der freien Enthalpie
G haben noch eine tiefere Bedeutung. Dass soll jetzt näher erläutert werden.
Wir gehen erneut aus vom totalen Differential von U , wobei wir jetzt die Darstellung auf offene
Systeme erweitern, d. h. die Molzahlen ni als Variable zulassen:
dU = T dS − pdV + ∑ λi dli + ∑ µi dni
(5.40)
Dabei wird die Bezeichnung µi eingeführt:
∂U
= µi
∂ ni S,V,li ,n j6=i
µi heißt das chemische Potential der Komponente i. Die Gleichung (5.40) für dU heißt Gibbs’sche Fundamentalgleichung. Ihre wichtigste Eigenschaft ist, dass alle Variablen, von denen U
abhängt, extensive Zustandsgrößen sind, d. h., es gilt die Euler’sche Gleichung.
T, −p, λi und µi stellen partielle Differentialkoeffizienten von U dar, die alle intensive Größen
sind, und es ergibt sich somit:
U = T S − pV + ∑ λi li + ∑ ni µi
(5.41)
Gl. (5.41) heißt die integrierte Gibbs’sche Fundamentalgleichung.
Dies ist die zentrale Gleichung der chemischen Thermodynamik, denn aus ihr lassen sich alle anderen Größen ableiten. Bildet man das totale Differential dieser Gleichung, also dU , und
vergleicht das Ergebnis mit der Ausgangsgleichung Gl. (5.40), so folgt sofort:
SdT −V d p + ∑ li d λi + ∑ ni d µi = 0
(5.42)
89
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Dies ist die verallgemeinerte Gibbs-Duhem-Gleichung. Formal bedeutet Gl. (5.42), dass eine
Zustandsgröße z, die von allen intensiven Variablen T, p, λi und µi abhängt, nicht existieren kann,
da sie gleich Null oder gleich einer Konstante sein muss (dz = 0). Aus der integrierten Gibbs’schen
Fundamentalgleichung (Gl. (5.41)) lassen sich jetzt die zuvor definierten Größen H, F und G in
folgender Form angeben:
H = U + pV = T · S + ∑ λi li + ∑ ni µi
F = U − T S = −pV + ∑ λi li + ∑ ni µi
G = F + pV = ∑ λi li + ∑ ni µi
Bildet man nun die totalen Differentiale von H, F und G und berücksichtigt die verallgemeinerte
Gibbs-Duhem’sche Gleichung (5.42), so folgt:
dH = T dS +V d p + ∑ λi dli + ∑ µi dni
(5.43)
dF
= −SdT − pdV + ∑ λi dli + ∑ µi dni
(5.44)
= T dS − pdV + ∑ λi dli + ∑ µi dni
(5.46)
dG = −SdT +V d p + ∑ λi dli + ∑ µi dni
dU
(5.45)
wobei Gl. (5.46) identisch mit Gl. (5.40) ist und nur der Vollständigkeit halber nochmals hinzugefügt wurde.
Alle partiellen Differentialquotionen lassen sich durch Koeffizientenvergleich mit den Gln.
(5.43) bis (5.46) bestimmen.
Es gilt für dU :
∂U
∂U
∂U
∂U
= T;
= −p;
= λi ;
= µi (5.47)
∂ S V,li ,ni
∂ V S,li ,ni
∂ li S,V,l j6=i ni
∂ ni V,S,li ,n j6=i
Für dH:
∂H
= T;
∂ S p,li ,ni
Für dF:
∂F
= −S;
∂ T V,li ,ni
Für dG:
∂G
= −S;
∂ T p,li ,ni
∂H
∂p
∂F
∂V
∂G
∂p
∂H
∂ li
= −p;
∂F
∂ li
=V;
∂G
∂ li
=V;
S,li ,ni
T,li ,ni
T,li ,ni
S,p,l j6=i ni
∂H
∂ ni
T,V,l j6=i ni
∂F
∂ ni
T,p,l j6=i ni
∂G
∂ ni
= λi ;
= λi ;
= λi ;
= µi (5.48)
S,p,li ,n j6=i
= µi (5.49)
T,V,li ,n j6=i
= µi (5.50)
T,p,li ,n j6=i
Bemerkenswert ist, dass das chemische Potential µi jeder Komponente i nach unserer Ableitung
durch 4 verschiedene, völlig äquivalente partielle molare Größen ausgedrückt werden kann:
90
5.8 Gibbs’sche Fundamentalgleichung, Thermodynamische Potentiale
µi =
∂U
∂ ni
=
V,S,li ,n j6=i
∂H
∂ ni
=
p,S,li ,n j6=i
∂F
∂ ni
=
T,V,li ,n j6=i
∂G
∂ ni
p,T,li ,n j6=i
Mit Hilfe der abgeleiteten Zusammenhänge lässt sich sofort auch folgende Schreibweise für H, F
und G angeben:
∂U
H = U + pV = U −V
∂ V S,li ,ni
∂U
F = U −TS = U −S
∂ S V,li ,ni
∂U
∂U
G = U − T S + pV = U − S
−V
∂ S V,li ,ni
∂ V S,li ,ni
Man sieht nun, dass die Definitionen von H, F und G nicht willkürlich erfolgten, denn H, F und G
sind Legendretransformationen von U . Jedem Wert von U ist eindeutig ein Wert von H, F und
G zugeordnet.
Auch die Rückumwandlungen sind eindeutig, denn es gilt entsprechend den obigen Ableitungen:
∂H
U = H−p
= H − p ·V
(5.51)
∂ p S,ni ,li
und:
U = F −T
∂F
∂T
= F +TS
(5.52)
V,ni ,li
Gl. (5.52) wird in der Literatur als Helmholtz’sche Gleichung bezeichnet.
Ferner gilt:
∂G
∂G
U = G + T S − pV = G − T
−p
∂ T p,li ,ni
∂ p T,li ,ni
(5.53)
Für Gl. (5.52) lässt sich auch schreiben:
U + pV = G + T S = H
also:
H = G−T
∂G
∂T
p,li ,ni
= G+T ·S
(5.54)
91
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Gl. (5.54) wird in der Literatur als Gibbs-Helmholtz-Gleichung bezeichnet.
Es ergeben sich also Hin- und Rücktransformationen, die in beide Richtungen eindeutig sein
müssen, da sie identische Beziehungen von U, H, F und G zueinander herstellen. Damit ist die
Existenz der entsprechenden Legendretransformationen gesichert.
Aus diesem Grunde heißen U (S,V, li , ni ), H(S, p, li , ni ), F(T,V, li , ni ) G(T, p, li , ni ) thermodynamische Potentiale. Aus ihnen können alle Zustandsgrößen durch Differentiation abgeleitet werden. Die Namensgebung kommt aus der Mechanik, wo durch Ableitung der potentiellen Energie
(Potential) nach den Ortskoordinaten eine konservative Kraft erhalten wird. Die Integration ist unabhängig vom Weg und ergibt wieder dasselbe Potential, das aber nur bis auf eine Konstante festliegt. Beim Differenzieren eines Potentials geht also Information verloren, denn beim Rückweg,
also beim Integrieren, ist die dann auftretende Integrationskonstante grundsätzlich unbekannt, es
sei denn, man kennt sie aus anderen Quellen her. Formal genau dasselbe gilt bei den thermodynamischen Potentialen.
U, H, F und G sind keineswegs alle thermodynamischen Potentiale, die sich ableiten lassen, aber
es sind die in der chemischen Thermodynamik wichtigsten. Für interessierte Leser sind weitere
thermodynamische Potentiale und ihre Ableitung in Anhang A.11 wiedergegeben.
Thermische und kalorische Zustandsgleichungen werden durch Differentiation thermodynamischer Potentiale erhalten.
Man erhält die thermische Zustandsgleichung (s. Gl. (5.50):
∂G
(5.55)
V (p, T, li , ni ) =
∂ p T,li ,ni
oder (s. Gl. (5.49)):
∂F
p(V, T, li , ni ) = −
∂V
(5.56)
und die kalorische Zustandsgleichung (s. Gl. (5.49):
∂F
2 ∂ (F/T )
U (T,V, li , ni ) = F − T
= −T
∂ T V,li ,ni
∂T
V,li ,ni
(5.57)
oder (s. Gl. (5.50))
H(T, p, li , ni ) = G − T
∂G
∂T
p,li ,ni
= −T 2
∂ (G/T )
∂T
(5.58)
Die thermischen Zustandsgleichungen V (p, T, li , ni bzw. p(V, T, li , ni )) und die kalorischen Zustandsgleichungen U (T,V, li , ni bzw. H(T, p, li , ni )) enthalten nicht mehr die vollständige Information der thermodynamischen Potentiale, aus denen sie durch Differenzieren erhalten wurden.
Thermische und kalorische Zustandsgleichung sind außerdem nicht unabhängig voneinander.
Wir können das sofort feststellen, indem wir z. B. Gl. (5.57) nach V differenzieren (die Bezeichnung für die konstanten Werte für ni und li lassen wir weg):
∂U
∂F
∂
∂F
∂F
∂
∂F
=
−T
=
−T
∂V T
∂V T
∂V
∂T V
∂V T
∂T
∂V T
92
5.9 Thermodynamische Stabilitätsbedingungen
Hier haben wir von der Vertauschbarkeit der Reihenfolge der Differenziation nach dem Schwarz’schen Satz Gebrauch gemacht, und man erhält mit (∂ F/∂ V )T = −p sofort:
∂U
∂p
=T
−p
(5.59)
∂V T
∂T V
Ähnliches gilt, wenn man Gl. (5.58) nach p differenziert:
∂H
∂G
∂ ∂G
=
−T
∂p T
∂p T
∂ p ∂T p
Verwendung des Schwarz’schen Satzes und der Identität (∂ G/∂ p)T = V ergibt:
∂H
∂V
=V −T
∂p T
∂T p
(5.60)
Die Beziehungen (Gl. (5.59) und Gl.(5.60)) wurden bereits nach der Einführung der Entropie
abgeleitet (Gl. (5.17) und Gl. (5.18)). Ihre Gültigkeit und damit die ganze Konsistenz der thermodynamischen Zusammenhänge wird also hier nochmals bestätigt. Auf der linken Seite von Gl.
(5.59) bzw. Gl. (5.60) stehen jeweils Ableitungen der kalorischen Größen U und H, auf der rechten Seite Ableitungen der Größen, die die thermische Zustandsgleichung bestimmen, also p bzw.
V.
5.9 Thermodynamische Stabilitätsbedingungen
Die Frage lautet: unter welchen Bedingungen ist ein System thermodynamisch stabil, d. h., wann
sind keine spontanen Änderungen des Systems mehr zu erwarten?
Um die Schreibweise zu vereinfachen, lassen wir die Arbeitskoordinaten li und die Molzahlen
ni zunächst weg und schreiben nach Gl. (5.51)
∂H
U =H−
·p
∂p S
Wir haben festgestellt, dass es sich hier um um eine Legendre-Transformation von H nach U handelt. Wegen der Eindeutigkeit solcher Transformationen für thermodynamische Potentiale muss
also gelten (s. Abschnitt 2.5):
2 ∂ H
6= 0
∂ p2 S
wobei die zweite Ableitung im gesamten denkbaren Zustandsbereich eines Systems niemals ihr
Vorzeichen wechseln darf. Da (∂ H/∂ p)S = V ist, gilt somit (auf ein Mol bezogen):
2 ∂ H
∂V
=
6= 0
(5.61)
∂ p2 S
∂p S
Wir führen jetzt folgende Argumentation an, um das korrekte Ungleichzeichen (> oder <) in Gl.
(5.61)zu erhalten. Alle Materie geht, wenn p → 0 bzw. V → ∞ bei T > 0 in das ideale Gas über,
für das gilt:
∂V
CV
CV 1
1
= −V κS = −
· κT = −
=−
∂ p S,ideales Gas
γ·p
Cp
Cp p
93
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Dabei haben wir von Gl. (5.24) sowie der Tatsache Gebrauch gemacht, dass κT = 1/p für ideale
Gase ist (s. Abschnitt 3.1).
Da in allen Fällen bei idealen Gasen p > 0 und γ = (CV + R)/CV > 1 ist, und da das negative
Vorzeichen erhalten bleiben muss, wenn wir auf der Zustandsfläche wieder in den realen Bereich
zurückkehren, muss für jeden Zustand einer realen Substanz immer gelten, wenn thermodynamische Stabilität herrschen soll:
1 ∂V
−
= κS > 0
(5.62)
V ∂p S
Gl. (5.62) nennt man eine mechanische Stabilitätsbedingung. Im thermodynamischen Gleichgewicht der Materie muss κS , die isentrope Kompressibilität, immer positiv sein.
Auch die Legendre-Transformation von T nach U (Gl. (5.52)) liefert eine neue Stabilitätsbedingung:
∂F
U = F −T
∂T V
Es muss also in diesem Fall überall im Zustandsbereich der Materie gelten:
2 ∂ F
6= 0
∂T2 V
wobei wieder das Vorzeichen dieser Ungleichung im gesamten Zustandsbereich, in dem die Substanz existiert, also auch im Grenzfall des idealen Gases, immer gleich bleiben muss. Zunächst
kann man schreiben:
2 ∂ F
∂S
CV
=−
= −n ·
6= 0
∂T2 V
∂T V
T
Es gilt aber beim idealen Gas immer CV,id. Gas > 0.
Damit gilt auch für irgendeinen realen Zustandsbereich:
CV > 0
(5.63)
Gl. (5.63) nennt man eine thermische Stabilitätsbedingung.
Als nächstes gehen wir von der Legendre-Transformation Gl. (5.54) aus:
∂G
H = G−T
∂T p
wobei jetzt gelten muss:
2 Cp
∂ G
∂S
=−
= −n ·
6= 0
2
∂T p
∂T p
T
Wenn CV bei idealen Gasen größer als 0 ist, muss das wegen C p −CV = R für C p ebenfalls gelten,
und man erhält mit der oben erläuterten Argumentation auch für alle realen Zustände
Cp > 0
94
(5.64)
5.9 Thermodynamische Stabilitätsbedingungen
als weitere thermische Stabilitätsbedingung.
Man liest nun aus den Gln. (5.62), (5.63), (5.64) und (5.24) ohne weiteres ab, dass für die
isotherme Kompressibilität immer gelten muss:
κT > 0
(5.65)
Denn es gilt ja κS > 0 und ebenfalls CV /C p > 0. Gl. (5.65) ist ebenfalls eine mechanische
Stabilitätsbedingung. Sie kann auch direkt durch die Forderung der Gültigkeit einer LegendreTransformation von F nach G erhalten werden (s. Übungsaufgabe).
Wir betonen nochmals, dass diese Stabilitätsbedingungen, die generell für alle Materie im thermodynamischen Gleichgewicht gültig sind, hier aufgrund der Existenz der Legendre-Transformation
für thermodynamische Potentiale sowie auf der Tatsache beruhen, dass alle Materie prinzipiell bei
p → 0 und T > 0 in den idealen Gaszustand übergeht. Eine etwas tiefer greifende Begründung der
Stabilitätsbedingungen, die ohne diese Aussage über ideale Gase auskommt, wird in Anhang A5
gegeben.
Wir weisen ferner darauf hin, dass mit den abgeleiteten Stabilitätsbedingungen für alle Materie
im thermodynamischen Gleichgewicht gilt:
C p > CV
(5.66)
κT > κS
(5.67)
und
Das sieht man sofort ein, da nach Gl. (5.22) und wegen κT > 0 sowie α p2 > 0 gilt:
C p −CV = T ·V
α p2
>0
κT
(5.68)
und damit die Ungleichung in Gl. (5.66) korrekt ist. Ebenso ist Gl. (5.67) eine Konsequenz der
Stabilitätsbedingungen, denn es gilt mit C p > CV :
κT =
Cp
· κS > κS
CV
(5.69)
Interessanterweise sagt keine der Stabilitätsbedingungen etwas über das Vorzeichen des thermischen Ausdehnungskoeffizienten α p aus. In Gl. (5.68) erscheint α p nur im Quadrat, das natürlich
immer positiv ist. Meistens ist α p zwar größer als Null, es gibt aber bekannte Ausnahmen, wie z.
B. H2 O zwischen 0◦ C und 4◦ C, wo α p < 0 ist (s. Abb. 3.2).
Wir wollen uns jetzt noch Gedanken über die thermodynamische Stabilität von Mischungen
machen. Dabei erhebt sich z. B. die Frage: ist eine binäre fluide Mischung stabil in Bezug auf ihre
Zusammensetzung, oder gibt es Molenbruchbereiche, wo eine fluide Mischung nicht existent, d.
h. instabil, ist und spontan in 2 Phasen zerfällt?
Wir wollen diese Frage hier nur bei binären Mischungen untersuchen, wenn T = const und
p = const gilt.
Dabei gehen wir aus von der molaren freien Enthalpie G:
G = x1 µ1 + x2 µ2
(T, p = const)
(5.70)
95
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Schon bei der Behandlung der partiellen molaren Volumina hatten wir ja festgestellt, dass gilt (Gl.
(3.9)):
k
∂V
V = V j + ∑ xi
(T, p = const)
∂ xi
i6= j
Dasselbe trifft natürlich für alle extensiven Zustandsgrößen zu bezüglich des Zusammenhangs von
molarer Größe und den partiellen molaren Größen. Im Fall von G einer binären Mischung kann
man also schreiben:
∂G
G − x2
= µ1
(5.71)
∂ x2 p,T
Das können wir so interpretieren: in einem binären System ist µ1 eine Legendre-Transformation
von G (thermodynamisches Potential) bezüglich der Variablen x2 .
Die entsprechende Gleichung (3.9) für k = 2:
∂V
V − x2
=V1
∂ x2
ist dagegen keine Legendre-Transformation, da V kein thermodynamisches Potential ist. Man
kann leicht Fälle anführen, die das belegen (s. Übungsaufgabe).
Bei p = const und T = const gilt also wegen der Legendre-Transformation Gl. (5.71):
2 ∂ G
6= 0
∂ x22 T,p
Diese Gleichung
darf im Stabilitätsbereich von x2 ihr Vorzeichen nicht ändern. Das Vorzeichen von
2
2
∂ G/∂ x2 T,p für thermodynamischen Stabilität entscheiden wir, indem wir uns das ganze Gemisch unter quasistatischen Bedingungen verdampft vorstellen und mit p → 0 zur idealen Gasmi
schung übergehen. Bei diesem gedanklichen Prozess darf sich das Vorzeichen von ∂ 2 G/∂ x22 T,p
nicht ändern, wenn die reale Mischung stabil gegen Entmischung sein soll. Im idealen Gaszustand
herrscht ja für alle x2 - bzw. x1 -Werte vollständige Mischbarkeit. Dort gilt (Gl. (??)):
G = x2 (µ20 (T ) + RT ln x2 ) + (1 − x2 )(µ10 (T ) + RT ln(1 − x2 ))
und es ergibt sich:
2 1
∂ G
1
1
1
·
= + =
>0
2
RT
∂ x2 T,p x1 x2 x1 · x2
Es muss also unter allen möglichen Zustandsbedingungen von p und T für thermodynamisch
stabile reale Mischungen ebenfalls gelten:
2 2 ∂ G
∂ G
> 0 oder
>0
(5.72)
2
∂ x2 T,p
∂ x21 T,p
Die zweite Beziehung in Gl. (5.72) ergibt sich aus Symmetriegründen, wenn man x2 gegen x1
tauscht. Dort, wo Gl. (5.72) nicht erfüllt ist, kann keine homogene Mischung existieren. Wir werden davon in Abschnitt 5.11 Gebrauch machen, wenn wir die Stabilität von flüssigen Mischungen
bezüglich einer (partiellen) Entmischung behandeln.
96
5.10 Thermodynamisches Gleichgewicht in heterogenen Systemen
5.10 Thermodynamisches Gleichgewicht in heterogenen Systemen ohne
chemische Reaktionen. Phasengleichgewichte und Phasenregel.
Besteht ein Mischungssystem aus verschiedenen Phasen (abgegrenzte Bereiche verschiedener Zusammensetzung und Dichte, eventuell auch Druck und Temperatur) spricht man von heterogenen
Systemen. Schematisch ist das in Abb. (1.2) dargestellt.
Die Phasen werden mit 1, 2, . . . , σ bezeichnet. Wir nehmen an, dass das System k Komponenten
mit den Molzahlen n1 , n2 , . . . , nk enthält, die sich alle auf die σ Phasen verteilen können.
In einem solchen System herrscht inneres Gleichgewicht, wenn die in Abschnitt 5.7 angegebenen Gleichgewichtsbedingungen herrschen, z. B. dUS,li ,ni ,V = 0 (Gl. (5.34)). Wir setzen jetzt alle
li = const bzw. 0. Das gesamte System mit σ Phasen sei also geschlossen, die einzelnen Phasen dagegen sind offene Systeme. Für jede Phase, die in sich homogen ist, gilt die Gibbs’sche
Fundamentalgleichung (alle dli = 0, aber dni 6= 0):
= Tα dSα
..
.
dUα
..
.
= Tσ dSσ
dUσ
−pα dVα
..
.
+ ∑ki µiα · dniα
..
.
−pσ dVσ
+ ∑ki
(5.73)
µiσ · dniσ
Die Gleichgewichtsbedingung für das Gesamtsystem lautet:
dUS,V,ni = ∑ dUα = 0
α
Es müssen also folgende Nebenbedingungen beachtet werden (α ist der Summationsindex für die
Phasen):
dS = ∑ dSα = 0
α
dV = ∑ dVα = 0
α
dni = ∑ dniα = 0 (für alle i)
α
dUS,ni ,V = ∑ dUα = 0 stellt ein Extremalproblem mit Nebenbedingungen dar. Dieses Problem löst
man mit Hilfe der Methode der Lagrange-Multiplikatoren. Die Nebenbedingungen werden jeweils
mit den frei wählbaren Faktoren λ1 , λ2 und λ3i multipliziert und von dU = ∑ dUα = 0 subtrahiert.
α
Man erhält dann:
∑
α
σ
dUα =
∑ (Tα − λ1)dSα +
α =1
σ
k
∑ (pα − λ2)dVα + ∑
α =1
σ
∑ (µiα − λ3i)dnα i = 0
i=1 α =1
λ1 , λ2 und λ3i (i = 1 bis k) werden nun so gewählt, dass jeweils eine der Klammern (für ein bestimmtes α ) unter den α -Summen verschwindet. Damit sind alle anderen (σ -1) Variationen für
dSα , dVα , dniα (i = 1 bis k) frei, und rechts kann nur dann 0 stehen, wenn alle Klammern verschwinden! Daraus folgt:
Tα = λ1
97
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
pα = λ2
µiα = λ3i für alle i
Da diese Identitäten für alle Werte von α (α = 1 bis α = σ ) gelten, folgt unmittelbar:
=
=
=
T1
p1
µi1
..
.
T2
p2
µi2
..
.
= ···
= ···
= ···
µk1 = µk2 = · · ·
=
=
=
Tσ
pσ
µiσ
..
.
(thermisches Gleichgewicht)
(mechanisches Gleichgewicht)
= µkσ
(5.74)
(materielles Gleichgewicht)
Gl. (5.74) besagt: Im inneren Gleichgewicht des Systems muss in allen Phasen jeweils die
Temperatur, der Druck und das chemische Potential jeder Komponente denselben Wert haben.
Dieselbe Aussage lässt sich auch statt über die innere Energie U über die freie Enthalpie G
gewinnen: Es gilt in diesem Fall:
dGα
..
.
= −Sα dTα +Vα d pα
+ ∑ki µiα dniα
..
.
dGσ
= −Sσ dTσ +Vσ d pσ
+ ∑ki µiσ dniσ
Nach Gl. (5.39) in Abschnitt 5.7. muss im Gleichgewicht bei T = const und p = const für das
gesamte System, bestehend aus σ Phasen, gelten:
σ
σ
k
∑ dGα = ∑ ∑
dG =
α =1
α =1 i=1
µiα dniα = 0
Da das gesamte System geschlossen ist, gilt:
σ
∑
α =1
dniα = 0 für alle i bis k
Diese Nebenbedingung führt man nach der Methode der Lagrange’schen Parameter analog wie
oben ein:
σ
k
∑ ∑
α =1 i=1
µiα − λi′ dniα = 0
und wählt die Werte von λi′ so, dass wieder jeweils eine der Klammern (für ein bestimmtes α )
verschwindet. Daraus folgt:
µiα = λi′
Es ergibt sich also, wie in Gl. (5.74), dass µi in allen Phasen α = 1 bis σ gleich ist. Das gilt für
jede Komponente i. Die Ableitung über dG = 0 ist allerdings nicht so umfassend wie die über
dU = 0. Bei dG = 0 muss vorausgesetzt werden, dass T und p überall konstant sind, das ist bei
98
5.10 Thermodynamisches Gleichgewicht in heterogenen Systemen
der Ableitung über dU = 0 nicht der Fall. Dort kommt die Bedingung p = const und T = const
für alle Phasen aus der Ableitung selbst heraus.
Da µiα in allen Phasen α = 1 bis σ denselben Wert im thermodynamischen Gleichgewicht hat,
kann man die Indizierung der Phase auch weglassen und erhält:
σ
∑
k
k
∑ µiα dniα = ∑ µi
α =1 i=1
i=1
σ
∑
α =1
k
dniα = ∑ µi dni = 0
i=1
In einem geschlossenen System gilt diese Beziehung immer unabhängig von der Zahl der Phasen,
da alle dni = 0 sind, wenn chemische Reaktionen ausgeschlossen sind. Sie gilt aber auch bei
Anwesenheit chemischer Reaktionsgleichgewichte, wenn nicht alle dni einzeln Null sind, wie wir
in Kapitel 8 noch sehen werden.
Aus dem Gleichungssystem (5.74) lässt sich nun die sog. Phasenregel ableiten. Dabei handelt
es sich eigentlich nicht um eine „Regel“, sondern um eine Gesetzmäßigkeit.
Wir hatten für den Fall, dass in einem offenen 1-Phasensystem k Komponenten und r unabhängige chemische Reaktionen vorliegen, bereits festgestellt, dass es k + 2 − r unabhängige Variable
gibt. Ohne chemische Reaktionen sind es k + 2 unabhängige Variable (siehe Abschnitt1.1.).
Wie groß ist die Zahl der unabhängigen Variablen in einem k-Komponentensystem mit σ Phasen
ohne chemische Reaktionen?
Zunächst müssen wir zwischen offenen und geschlossenen Systemen unterscheiden. Im geschlossenen 1-Phasensystem gibt es nur (k − 1) + 2 Variable, da die Gesamtzahl der Komponenten
festliegt und somit nur noch (k − 1)-Konzentrationen frei wählbar sind (z. B. die Molenbrüche).
In einem geschlossenen Mehrphasensystem (k Komponenten, σ Phasen) gibt es also zunächst
[(k − 1) + 2] · σ Variable. Diese Zahl von Variablen muss jedoch noch vermindert werden um die
Zahl der Gleichgewichtsbedingungen, die gleich der Zahl der Gleichheitszeichen im Schema nach
Gl. (5.74) ist, also (k + 2) · (σ − 1). Damit ist die Zahl der frei wählbaren Variablen f:
f = (k + 1)σ − (k + 2)(σ − 1)
also
f = k+2−σ
(ohne chemische Reaktionen)
(5.75)
Das ist die sog. Phasenregel für geschlossene heterogene Systeme mit freiem Komponentenaustausch in allen Phasen ohne chemische Reaktionen.
Falls r unabhängige chemische Reaktionsgleichgewichte zwischen den Komponenten vorliegen, erniedrigt sich die Zahl der frei wählbaren Variablen um r und man erhält:
f = k+2−r−σ
(mit chemischen Reaktionen)
Einige Beispiele sind:
1. Dampfdruck einer reinen Flüssigkeit
k = 1, σ = 2
Damit folgt: f = 1 Es ist nur eine Variable frei wählbar, also p oder T .
99
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
2. Gleichgewicht fest-flüssig-gasförmig:
k = 1, σ = 3
Damit folgt: f = 0 Das System hat also keine freien Variablen. Es liegt ein Tripelpunkt vor.
3. Binäres Flüssiggemisch im Gleichgewicht mit seinem Dampf:
k = 2, σ = 2
Damit folgt: f = 2 Die zwei freien Variablen sind:
x und T , dann liegen p und y fest
oder x und p, dann liegen T und y fest
oder T und p, dann liegen x und y fest.
Hierbei ist x der Molenbruch in Flüssigphase und y der in der Gasphase.
4. Sättigungsgleichgewicht eines festen Stoffes in einem Lösemittel:
k = 2 (Stoff u. Lösemittel), σ = 2 (fest und flüssig)
Also gilt: f = 2 Es können z. B. T und p frei gewählt werden, dann ist die Stoffkonzentration
im Lösemittel festgelegt.
5. Binäre flüssige Mischung mit Dampf-flüssig-Gleichgewicht und gleichzeitiger flüssig-flüssig Mischungslücke (s. Abschnitt 6.8):
k = 2, σ = 3
Nach der Phasenregel ist damit f = 1.
Die Temperatur ist z. B. frei wählbar, dann stehen die Zusammensetzung x′ in der einen und
x′′ in der anderen flüssigen Phase sowie die Zusammensetzung y der Dampfphase und der
Druck p fest.
6. Wir betrachten das chemische Gleichgewicht
N2 O4 ⇋ 2NO2 ,
das sich sowohl in der flüssigen wie der gasförmigen Phase des 2-Phasensystems einstellt.
Die Zahl der freien Variablen f ist in diesem Fall:
f = k+2−r−σ = 2+2−1−2 = 1
Wenn also die Temperatur vorgegeben ist, so ist auch der Druck und die Zusammensetzung
an N2 O4 und NO2 in beiden Phasen festgelegt.
100
5.11 Die Maxwell-Konstruktion und Phasenumwandlungen reiner Stoffe
7. Es ist nützlich, als gesondertes Beispiel für die Phasenregel den Begriff der freien Komponente einzuführen. Eine freie Komponente ist im Sinn der Thermodynamik ein chemischer Bestandteil einer Mischung, dessen Molzahl unabhängig von anderen Bestandteilen
frei wählbar ist. Wenn es stöchiometrische Beziehungen zwischen den Bestandteilen gibt,
reduziert sich die Zahl der freien Komponenten um die Zahl dieser Beziehungen.
Ein Beispiel ist die Existenz von chemischen Reaktionsgleichgewichten in der Mischung,
die wir bereits erwähnt hatten. Die Zahl der freien Komponenten ist dann die Zahl der unterscheidbaren chemischen Bestandteile, allgemein Komponentenzahl k genannt, minus der
Zahl der unabhängigen Reaktionsgleichgewichte r. Zusätzliche Besonderheiten treten bei
Elektrolytlösungen auf, z. B. bei in Wasser gelösten Salzen wie NaCl, die in Ionen dissoziieren. Damit ist die Zahl der Komponenten gleich 3: H2 O, Na+ und Cl− , genau genommen
sogar gleich 5, da wegen der Autoprotolyse des Wassers H2 O ⇋ OH− + H+ (s. Abschnitt
8.9) zwei weitere Spezies, nämlich die Ionen OH− und H+ zu berücksichtigen sind, auch
wenn diese in unserem Beispiel nur in sehr geringer Konzentration vorhanden sind. Im Fall
von Ionen kommt neben der Bedingung ∑ xi = 1 noch als weitere Beziehung zwischen den
Ionen die Elektroneutralitätsbedingung hinzu, d. h., die elektrische Ladungszahl aller Anionen muss gleich der der Kationen sein (s. Kapitel 8), in unserem Beispiel muss also gelten:
cH+ + cNa+ = cCl− + cOH− . Die Zahl der freien Komponenten beträgt also in einer wässrigen
Lösung von NaCl: k − r − 2 = 5 − 1 − 2 = 2.
5.11 Die Maxwell-Konstruktion und Phasenumwandlungen reiner Stoffe
Wir haben gesehen, dass bei konstantem p und T in heterogenen Systemen das chemische Potential in allen möglichen Phasen für jede Komponente denselben Wert haben muss. Betrachten
wir in einem 1-Komponenten-System (reiner Stoff) ein Phasengleichgewicht, so bedeutet das ganz
allgemein:
µ1′ = µ1′′
„Strich“ und „Doppelstrich“ kennzeichnen dabei die beiden Phasen. Wir hatten bei der Diskussion
der v. d. Waals-Gleichung (s. Gl. (3.2)) behauptet, dass in Abb.3.3 die Gleichheit der beiden Flächen A1 und A2 die Konstruktionsvorschrift zur Bestimmung des Phasengleichgewichtes DampfFlüssigkeit ist. Diese Vorschrift heißt Maxwell-Konstruktion. Wir wollen sie jetzt beweisen.
a) Nach Gl. (5.74) ist klar, dass gelten muss: Tfl = Tgas und pfl = pgas
b) Ferner gilt: µfl = µDampf .
Da bei reinen Stoffen µ = (∂ G/∂ n)T,p = G also gleich der molaren freien Enthalpie ist,
folgt also:
Gfl = Ggas
oder
F fl + pV fl = F gas + pV gas
101
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Damit ergibt sich:
F fl − F gas = p · (V gas −V fl )
Andererseits gilt (s. Gl. (5.49)):
∂F
= −p
∂V T
Daraus folgt sofort:
F gas − F fl = −
V
Zgas
p(V )dV
V fl
also gilt:
p(V gas −V fl ) = +
V
Zgas
p(V ) · dV
V fl
Das ist der Beweis der Flächengleichheit. Zur Konstruktion des Phasengleichgewichtes ist
es also erforderlich, dass A1 = A2 (s. Abb. 3.3).
Befindet sich das Volumen eines Fluids (nfl + ngas ) ·V = V innerhalb des 2-Phasenbereichs, dann
spaltet sich das Volumen in 2 Volumenanteile Vfl und Vgas auf. (s. Abb. 5.13). Es gilt:
n ·V = (nfl + ngas ) ·V
oder V
mit xfl
= nfl ·V fl + ngas ·V gas
= xfl ·V fl + xgas ·V gas
nfl
= 1 − xgas =
(nfl + ngas )
Gibt man also im 2 Phasengebiet das Volumen V = V /n vor, so lässt sich bei bekannten V fl und
V gas berechnen, wie groß die Anteile in der Gasphase (xGas ) bzw. der flüssigen Phase (xfl ) sind.
Bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck sind V fl und V gas durch die Maxwellkonstruktion festgelegt. In Abb. 5.14 ist das 3-dimensionale p − V − T -Diagramm eines 1-KomponentenSystems dargestellt. Auch der Phasenübergang flüssig-fest ist gezeigt, den die v. d. Waals-Gleichung nicht erfassen kann. Die Temperatur, wo alle 3 Phasen koexistieren (A′ , A′′ , A′′′ ), heißt Tripelpunkt. Hier ist nach der Phasenregel f = 0. Abb. 5.15 zeigt schematisch die Mengenverhältnisse der Volumina von Flüssigkeit und Dampf im 2-Phasenbereich. Die Projektion der P − V − T Oberfläche auf die P − T -Ebene zeigt die Sublimationsdruckkurve BA, die Schmelzdruckkurve
AD und die Dampf-Flüssigkeits-Kurve AC (Dampfdruckkurve) mit dem kritischen Punkt C. Man
kann die Phasenübergänge flüssig-gas, flüssig-fest, gas-fest auch am Verlauf von µ = (∂ G/∂ n)T,p
auf einer Isobaren betrachten. Auch für Umwandlungen im festen Zustand, die bei vielen kristallinen Stoffen zu beobachten sind, also fest-fest Übergänge, gelten diese Überlegungen. Wir betrachten dazu Abb. 5.16. TU ist die Umwandlungstemperatur (z. B. Siedetemperatur) bei gegebenem
Druck p. α bezeichnet die bei tieferer Temperatur stabile Phase (fest oder flüssig), β die oberhalb
102
5.11 Die Maxwell-Konstruktion und Phasenumwandlungen reiner Stoffe
Vgasf.
ngas. . Vgas.
n .V
Vfl.
. fl.
nfl. .V
Abbildung 5.13: Molzahlen und Volumina im 2-Phasengleichgewicht Flüssig-Gas
TU stabile Phase (fest, flüssig oder gasförmig). Oberhalb TU folgt µ der Kurve µβ , unterhalb TU
der Kurve µα . Der Grund ist klar: bei p = const nimmt µ bei jeder Temperatur den möglichen
Minimalwert an, wie es die Gleichgewichtsbedingung verlangt. Es handelt sich hierbei um sog.
Phasenübergänge 1. Ordnung. Wir fassen diese Phasenübergänge nochmals tabellarisch mit jeweils einem Beispiel versehen in Tabelle 5.1 zusammen. Mit einem Phasenübergang 1. Ordnung
Tabelle 5.1: Typen von Phasenumwandlungen 1. Ordnung bei p = const (1 bar)
Phase α Phase β TU
Beispiel
flüssig
gas
Siedetemperatur
Sieden von Flüssigkeiten
(z. B. H2 O bei TU = 373,15 K)
flüssig
flüssig
Schmelztemperatur
Schmelzen kristalliner Stoffe
(z. B. H2 O bei 273,15 K)
fest
gas
Sublimationstemperatur
Sublimieren fester Stoffe
(z. B. CO2 bei 1 bar und TU = 195,1 K)
fest
fest
Umwandlungstemperatur z. B. Schwefel: rhombisch zu
monoklin bei 386 K
ändern sich neben V auch H und S sprungartig. Das kann man ebenfalls aus Abb. (5.16) erkennen,
denn der „Knick“ in der Gleichgewichtskurve für µ(T ) bedeutet einen Sprung in der Temperatu ∂µ
rableitung ∂∂ Tµ
bei TU , und da S = − ∂ T(T ) und H = µ − T ∂∂ Tµ , müssen auch S(T ) und
p
p
p
H(T ) einen Sprung machen bei T = TU . ∆H V = H gas − H fl heißt die molare Verdampfungsenthalpie, ∆H sub = H gas − H fest die molare Sublimationsenthalpie und ∆H melt = H fl − H fest die molare
Schmelzenthalpie („melting“) oder allgemein ∆HU = H α − H β die molare Umwandlungsenthalpie. Entsprechendes gilt für die Entropie.Allgemein spricht man von Umwandlungsenthalpien,
103
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
FES
T
D’ D”
FLÜ
SSIG
p
C
°
GA
S
A’
A”
S
A”‘
T2
GA
V
T3
T1
T4
T5
D
T6
P
°C
DA
T
B
Abbildung 5.14: P −V − T -Oberfläche einer realen Flüssigkeit mit den Phasenbereichen DampfFlüssig, Dampf-Fest und Flüssig-Fest. Auf der P− T -Projektionsebene bedeuten:
A = Tripelpunkt, C = kritischer Punkt, AC = Dampfdruckkurve (Flüssig-Dampf),
AD = Schmelzdruckkurve, BA = Sublimationsdruckkurve (Fest-Dampf).
Umwandlungsentropien usw. Im Phasengleichgewicht gilt bei jeder Temperatur Gα = Gβ , also:
∆GU = µα − µβ = ∆H U − T ∆SU = 0
also ist
∆SU =
∆H U
T
d. h., es gilt entlang der Phasen-Koexistenzlinie (s. z. B. die pT -Projektionen in Abb. 5.14):
dGα = d µα = d µβ = dGβ
und aufgrund von Gl. (5.45) (dli = 0, dni = 0) :
−Sα dT +V α d p = −Sβ dT +V β d p
Daraus folgt:
Sα − Sβ
dp
∆SU
∆H U
=
=
=
dT
V α −V β
∆V U
T · ∆V U
104
(5.76)
5.11 Die Maxwell-Konstruktion und Phasenumwandlungen reiner Stoffe
Nur Flüssigkeit Flüssigkeit und Dampf Nur Gas (Dampf)
p
flüssige
Phase
2 - Phasenbereich
Gasphase
V1
V2
V
Abbildung 5.15: Volumen (Kastengrößen) und Anteile von Flüssigkeit und Dampf auf einer Isotherme im 2-Phasenbereich Flüssig-Dampf
Das ist die Differentialgleichung für die 2-Phasen-Koexistenzlinie eines reinen Stoffes (1- Komponentensystem) auf der p − T -Projektionsfläche, also z. B. für die Dampfdruckkurve, die Sublimationsdruckkurve oder die Schmelzdruckkurve in Abb. 5.14. Gl. (5.76) heißt die Clapeyron’sche Gleichung.
Bei den Übergängen „Flüssigkeit-Gas“ und „Feststoff-Gas“ kann bei niedrigen Temperaturen
angenommen werden, dass V gas ≫ V fl bzw. V fest . Wenn für V gas das ideale Gasgesetz näherungsweise gültig ist, erhält man also:
RT
V gas −V fl = ∆V ∼
= V gas ∼
=
p
Eingesetzt in Gl. (5.76) wird daraus die sog. Clausius-Clapeyron’sche Gleichung:
dp
∆HV
∆HV
=
= p·
dT
RT 2
T ·V gas
(5.77)
Integration ergibt unter Voraussetzung, dass ∆H V ≈ const:
−
p(T ) = p(T0 ) · e
∆HV
R
1
T
− T1
0
Das gibt den Verlauf der Dampfdruckkurve bzw. der Sublimationsdruckkurve wieder. p(T0 )
und T0 sind irgend ein Punkt auf der Dampfdruckkurve, der vorgegeben ist. Bei Annäherung an
den kritischen Punkt wird diese Gleichung allerdings ungültig. Sie gilt näherungsweise nur bei
kleinen Werten von p in einem beschränkten T -Bereich. Eine verbesserte Dampfdruckgleichung
wird in Anhang A.8 abgeleitet.
105
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
µ
µb
µa
µa
TU
µb
T
Abbildung 5.16: Verlauf der chemischen Potentiale µα und µβ bei der Phasenumwandlung eines
reinen Stoffes α ↔ β
Bei Phasenübergängen im kondensierten Bereich, also „Flüssigkeit-Feststoff“ oder auch „Feststoff-Feststoff“, muss die allgemein gültige Gl. (5.76) verwendet werden. ∆VU kann oft in erster
Näherung als T - und p-unabhängig angesehen werden, ebenso ∆HU . Meistens ist neben ∆H U
auch ∆V U positiv, aber nicht unbedingt, es gibt Fälle, wo ∆V = V fl − V fest negativ sein kann.
Das bekannteste Beispiel ist H2 O: die sog. Schmelzdruckkurve hat eine negative Steigung, d.
h., Eis I schmilzt unter Druck. Das ganze Hochdruckphasendiagramm von H2 O ist in Abb. 5.17
wiedergegeben als dreidimensionale Darstellung der Oberfläche im Koordinatensystem Druck (p),
spezifisches Volumen (vsp ), Temperatur (◦ C). Alle Linien p(T ) entsprechen Phasengrenzen im
Bereich von festem Wasser, die der Gl. (5.76) gehorchen.
Wir betrachten noch 2 weitere Beispiele. In Abb. 5.18 ist das Phasendiagramm von Kohlenstoff
(C) dargestellt, d. h. die Projektion der 3-dimensionalen p − V − T -Oberfläche auf die p − T Fläche. Auf den Phasengrenzlinien gilt ∆G = 0. Ist ∆G = GII − GI also als Funktion von T und
p bekannt, so ergibt ∆G = GII − GI = 0 die Phasengrenzlinie (p(T ) ), die die benachbarte Phasen
voneinander trennt. Abb. 5.18 zeigt z. B., dass Graphit bei Raumtemperatur stabiler als Diamant
ist, erst bei hohen Drücken ist es umgekehrt. Der Besitz von Brillanten ist also eine unsichere
Angelegenheit, sie müssten sich unter normalen Bedingungen in schwarzen Graphit umwandeln.
Dass das nicht geschieht, liegt daran, dass die Umwandlung Diamant → Graphit kinetisch sehr
stark gehemmt ist. Bei Bornitrid (s. Abb. 5.18), ein ebenfalls äußerst hartes Material, ist unterhalb
ca. 1200 K die kubische Form (c-BN) stabil bis zu höchsten Drücken. Oberhalb ca. 1200 K ist bei
Normaldruck die hexagonale Form (h-BN) stabil und wandelt sich erst bei höheren Drücken in
die kubische Form um. Die Phasendiagramme von Kohlenstoff und Bornitrid stellen Projektionen
der p,V, T -Zustandsfläche auf die p − T -Ebene dar. Allerdings ändert sich bei Phasenumwandlungen im kondensierten Zustand das Molvolumen V in viel geringerem Ausmaß als im Fall des
Flüssig-Dampf- oder Fest-Dampf-Phasengleichgewichtes, aber auch bei den Phasendiagrammen
im kondensierten Zustand kommt es auf den Phasengrenzflächen zu Sprüngen des Wertes von
Volumen V (wie in Abb. 5.17 gezeigt), Enthalpie H und Entropie S.
Häufig ist es auch von Interesse zu wissen, wie sich entlang der Phasengrenze die Umwandlungswerte der Zustandsgrößen verändern, z. B. stellt sich die Frage, wie sich die Verdampfungsenthalpie ∆H V entlang der Dampfdruckkurve ändert (s. Abb. 5.19). Am kritischen Punkt muss
106
5.11 Die Maxwell-Konstruktion und Phasenumwandlungen reiner Stoffe
10
0
-25
25
10
8
p [kbar]
VI
8
6
6
V
4
Flüssiges
Wasser
4
II
2
III
2
0
0,6
I
0,8
3 -1
JSP[cm g ]
0
1,0
-50
-25
0
25
50
t /°C
Abbildung 5.17: Hochdruckphasendiagramm des kondensierten Wassers. I, II, III, V, VI feste
Phasen von Eis. Die Fest-Flüssig-Existenzkurve (Schmelzdruckkurve) Wasser Eis I hat eine negative Steigung, da υsp,EisI > υsp,fl.H2 O . Dasselbe ist der Fall bei
der Eis II - Eis V - Existenzkurve (υsp,EisII > υsp,EisV )
.
∆H V verschwinden, da die beiden Phasen ja mit Annäherung an den kritischen Punkt immer ähnlicher und dort identisch werden. Man sieht z. B. in Abb. 5.19, dass ∆HV bei Annäherung an den
kritischen Punkt rasch kleiner wird und dort verschwindet.
Abb. 5.19 legt ferner die Vermutung nahe, dass ∆H V bei der kritischen Temperatur Tc mit einer
Steigung
d∆H V
lim
= −∞
T →Tc
dT
einmündet. Das lässt sich in der Tat leicht nachweisen, indem man von der Clapeyron’schen Gleichung (Gl. (5.76)) ausgeht und diese nach T entlang der Phasenkoexistenzlinie differenziert:
dH V
d
dp
=
· T · ∆V V
dT
dT dT
wobei ∆V V = V Dampf −V Flüssig das molare Verdampfungsvolumen bedeutet. Es gilt also:
d∆H V
d2 p
dp
dp
d∆V V
=
· T · ∆V V +
· ∆V V +
·T ·
2
dT
dT
dT
dT
dT
Ein Blick auf Abb. 5.14 zeigt, dass sowohl (d p/dT ) wie auch (d 2 p/dT 2 ) am kritischen Punkt C
auf der Dampfdruckkurve (Kurve AC) endlich bleiben, während ∆V V im 2-Phasengebiet (weiße
107
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
b)
a)
10
P
(GPa )
P 10
(GPa)
8
8
Diamant
6
6
4
4
c - BN
Fl.
Graphit
Flüss.
2
2
0
0
h-BN
0
1000 2000
3000 4000
5000
0
1000 2000 3000
4000
5000
T (°C)
T (°C)
Abbildung 5.18: Die Phasendiagramme von Kohlenstoff (a) und von Bornitrid (b).
CDiamant → CGraphit : ∆G◦n = −2, 87 [kJ·mol−1 ], BNcub. → BNhex. : ∆g◦n = 13, 9 [kJ·
mol−1 ]
Fläche) bei T → Tc verschwindet. Man entnimmt Abb. (5.14) ferner, dass bezüglich der Änderung
von V Dampf bzw. V Flüssig mit T gilt wegen (dT /dV ) T =Tc = 0:
p=pc
lim
T →Tc
dV Dampf
dT
= −∞
und
lim
T →Tc
dV Flüssig
dT
= +∞
Also ergibt sich wie vermutet:
d∆H V
dp
d∆V V
lim
=
· Tc · lim
= −∞
T →Tc
T →Tc
dT
dT T =Tc
dT
5.12 Freie Standardbildungsenthalpien
0
In Abschnitt 4.5. wurden Standardbildungsenthalpien ∆ f H 298 für chemische Verbindungen defi0
niert. In ähnlicher Weise lässt sich auch die freie Standardbildungsenthalpie ∆ f G298 definieren.
Sie ist die Differenz der freien Enthalpie der Verbindung minus der stöchiometrischen Summe der
freien Enthalpien der reinen Elemente, aus denen die Verbindung besteht. Dabei werden die freien
Enthalpien der Elemente bei 1 bar und 298,15 K in ihrem thermodynamisch stabilsten Zustand
definitionsgemäß gleich Null gesetzt.
Es gilt also für die Verbindung n:
∆ f G298,n = G298,n − ∑ νi G298,i = G298,n (bei p = 1 bar)
0
0
0
0
i
wobei νi die stöchiometrischen Koeffizienten der Elemente i für die chemische Bildung der Ver0
bindung n bedeuten mit ihren freien Enthalpien G298,i .
108
5.12 Freie Standardbildungsenthalpien
DHV / (kJ/mol)
50
40
H 2O
30
20
10
0
0
100
200 300
t /°C
Abbildung 5.19: Abhängigkeit der molaren Verdampfungsenthalpie ∆H V von der Temperatur.
Beispiel: Wasser
Wir wählen als Beispiel die Schwefelsäure:
H2 (g) + S (s) + 2O2 (g) → H2 SO4 (l)
(g = gasförmig, l = flüssig (liquid), s = fest (solid))
Also gilt (bei 1 bar):
0
∆ f G298,H2 SO4
0
0
0
0
= G298,H2 SO4 − G298,H2 − G298,S − 2G298,O2
0
= G298,H2 SO4
Es ist also
ν1 = νH2 = 1, ν2 = νS = 1, ν3 = νO2 = 2.
0
Die freie Standardbildungsenthalpie ∆ f G298 ist somit gleich der freien Reaktionsenthalpie
der Verbindung aus ihren Elementen unter Standardbedingungen, d. h. bei 298,15 K und 1
bar.
0
Wie ermittelt man Werte von ∆ f Gn,298 ?
Nach der Gibbs-Helmholtz-Gleichung (vergl. Gl. (5.54)) gilt:
!
0
0
∆ f Gn,298 = ∆ f H n,298 − T
Sn,298 − ∑ νi Si,298
i
0
∆ f H n,298 ist die Standardbildungsenthalpie der Verbindung, Sn,298 ihre absolute Entropie und Si,298
die der konstituierenden, reinen Elemente. Bei der Entropie wählt man nun - anders als bei Enthalpie und freier Enthalpie - für die Elemente nicht Si,298 = 0, sondern man gibt absolute Entropiewerte an. Das gilt für die chemische Verbindung ebenso wie für die Elemente. Die molare Entropie
109
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
S(T ) lautet (bei p = const) für kondensierte Stoffe:
S(T ) =
ZT
0
Cp
dT + S(T = 0)
T
Nun besagt das Nernst’sche Wärmetheorem (s. Abschnitt 10)), dass im thermodynamischen Gleichgewicht für alle Stoffe S(T = 0) = 0 gesetzt werden kann. Damit können für Entropien, anders
als für Enthalpien und freie Enthalpien, absolute Werte ermittelt werden, wenn die Molwärme C p
0
0
bzw. CV im Bereich von T = 0 bis T als Funktion von T bekannt ist. Werte von ∆ f G298 , ∆ f H 298
und S298 sind in Anhang A 7.3 für viele anorganische und organische Stoffe angegeben.
Will man die freie Bildungsenthalpie bei anderen Werten von T und p kennen als im Standardzustand, so geht man von der allgemeinen Beziehung für das totale Differential von G aus (s. Gl.
(5.45) mit d λi = 0 und dni = 0:
dG = −SdT +V d p
0
Integration dieser Gleichung unter Berücksichtigung der Definition von ∆ f G (T, p) ergibt für den
Stoff n, der aus den Elementen i gebildet wird:
0
0
∆ f Gn (T, p) = ∆ f Gn (298 K, 1 bar) −
Rp
+
1 bar
RT
298
Sn (T, p) − ∑i νi Si (T, p) dT
V n (T, p) − ∑i νi V i (T, p) d p
wobei νi hier wieder die stöchiometrischen Koeffizienten der Elemente bezüglich der Verbindung
n bedeuten.
Es gilt nun allgemein:
ZT
S(T ) dT =
298
ZT
dT
298
ZT
0
Cp
dT ′
T′
(bei p = const)
R
R
Die rechte Seite dieser
Gleichung lässt sich durch partielle Integration nach u · d υ = u · υ − υ ·
R
du mit d υ = dT, u = (C p /T ′ )dT ′ bzw. du = (C p /T ′ )dT ′ umschreiben, wobei jetzt T ′ = T gesetzt
ist:
ZT
dT
298
ZT
Cp
dT = T
T
0
ZT
298
Cp
dT −
T
ZT
T
Cp
dT
T
298
Damit erhält man:
∆
f
0
Gn (T, p) =
∆ Gn (298 K, 1bar) +
f
ZT
298
∆C p dT − T
mit
∆C p = C p,n − ∑ νiC p,i und ∆V = V n − ∑ νi V i
i
110
ZT
298
∆C p
dT +
T
Zp
1
∆V d p
(5.78)
5.12 Freie Standardbildungsenthalpien
Der zweite bzw. dritte Term auf der rechten Seite von Gl. (5.78) stellen wieder nichts anderes
dar als die Enthalpieänderung bzw. die Entropieänderung multipliziert mit T entsprechend der
Gibbs-Helmholtz-Gleichung.
0
0
Die Berechnung von ∆ f Gn (T, p) bei Kenntnis von ∆ f Gn (298, 1bar) lässt sich also immer durchführen, wenn die Molwärmen C p,n bzw. C p,i und die Molvolumina V n bzw. V i als Funktionen von
T und p bekannt sind.
0
Bei reinen Stoffen entspricht ∆ f Gn (T, p) dem chemischen Potential µn (T, p) dieses Stoffes.
Wenn ein Stoff in verschiedenen Phasen existieren kann, herrscht ja Phasengleichgewicht zwischen 2 Phasen („Strich“ und „Doppelstrich“), wenn gilt (s. Abschnitt 5.10):
µn′ = µn′′
bzw.
0
0
∆ f G (T, p)′n = ∆ f G (T, p)′′n
Außerhalb des Phasengleichgewichtes ist immer diejenige Phase thermodynamisch stabil, die den
niedrigeren Wert von ∆ f G0 (T, p)n bzw. µn hat (s. Abb. 5.16).
0
Für einige Stoffe sind im Anhang A.7.3 auch Standardwerte ∆ f G (298, 1 bar) für verschiedene
0
Phasen angegeben. So wird z. B. beim Kohlenstoff der Wert von ∆ f G (298, 1 bar) für Graphit
mit 0 kJ · mol−1 angegeben, für Diamant mit 2,88 kJ · mol−1 und für gasförmigen Kohlenstoff mit
669,58 kJ · mol−1 . Die stabile Modifikation ist also bei 298 K und 1 bar Graphit, Diamant ist nicht
stabil, sondern nur metastabil (s. auch Abb. 5.18). Gasförmiger Kohlenstoff ist unter Standardbedingungen nicht existent, so dass dieser hypothetische Zustand nur indirekt, d.h., rechnerisch
ermittelt werden kann. Es gilt generell für den gasförmigen Standardzustand - unabhängig davon,
ob er thermodynamisch stabil ist oder nicht -, dass er für das ideale Gas definiert ist. Dieser Zustand ist deshalb hypothetisch, d. h. nicht realisierbar, weil kein Gas bei 1 bar und 298,15 K als
ideales Gas vorliegt. Es müssen daher beim realen Gas bei 1 bar und 298,15 K Korrekturen vorgenommen werden, um den hypothetischen Zustand des idealen Gases bei Standardbedingungen an0
0
geben zu können (Näheres s. Abschnitt 10.1). So sind die Zahlenwerte für ∆ f G (298), ∆ f H (298)
0
und S (298) für gasförmige Verbindungen (Index g) in Anhang A.7.3 zu verstehen.
0
Wir wollen als Beispiel berechnen, bei welchem Druck ∆ f G (298, p) für Graphit und Diamant
gleich werden, also Phasengleichgewicht herrscht.
Es muss dort bei 298,15 K gelten:
0
∆ G (298 K, 1bar)Graphit +
f
Zp
0
V Graphit
0
d p = ∆ G (298 K, 1bar)Diamant +
1 bar
f
Zp
0
V Diamant d p
1 bar
Mit den tabellarischen Daten folgt zunächst:
−1
2, 88 kJ · mol
=
Zp
1 bar
0
0
(V Graphit −V Diamant ) d p
0
Um den fraglichen Druck p berechnen zu können, benötigen wir Werte der Molvolumina V
von Graphit und Diamant. Wir nehmen vereinfachend an, dass die Molvolumina in erster Näherung druckunabhängig sind, eine Annahme, die für die Differenz der Molvolumina sicher noch
111
5 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik
zutreffender ist. Die Dichte von Graphit beträgt 2, 25 · 103 kg · m−3 , diejenige von Diamant 3, 52 ·
103 kg · m−3 . Die Molmasse Mc von Kohlenstoff ist 0,01201 kg · mol−1 .
Damit ergibt sich:
1
1
−1
2, 88 · 1000 J · mol = Mc ·
−
(p − 1)
ρGraphit ρDiamant
Aufgelöst nach dem fraglichen Druck p folgt:
p=
2, 88 · 1000
+ 1 = 1, 495 · 109 [Pa] = 14950 [bar]
1
1
−3
0, 01201 · 2,25 − 3,52 · 10
Das ist der Druck im Phasengleichgewicht.
Oberhalb eines Druckes von ca. 15 kbar und 298 K ist also Diamant die stabile Phase des
Kohlenstoffs, unterhalb dieses Druckes ist es Graphit (s. auch Abb. 5.18).
112
6 Mischphasenthermodynamik
6.1 Das chemische Potential in Mischphasen: Fugazitäten und
Fugazitätskoeffizienten, Aktivitäten und Aktivitätskoeffizienten
Da das chemische Potential bei der Berechnung von Phasengleichgewichten in Mischungen eine
fundamentale Rolle spielt, müssen wir uns mit seiner Ermittlung beschäftigen, zunächst für den
einfachen Fall des idealen Gasgemisches mit k Komponenten.
Wir gehen aus von der Entropie SM der Gasmischung (Index M bezeichnet die Mischung). Es
gilt allgemein (s. Abschnitt 5.4):
∂ SM
∂p
=
∂V T
∂T V
Differenzieren nach der Molzahl ni und Vertauschen der Reihenfolge der Differentiation
(Schwarz’scher Satz) ergibt:
"
#
∂ Si
∂
∂p
=
∂V T ∂ T
∂ ni T,V
V
Si ist die partielle molare Entropie der Komponente i.
Einsetzen des idealen Gasgesetzes p = (∑ ni ) · RT /V ergibt:
∂ Si
R
=
∂V T V
Integration ergibt (bei T = const):
∗
Si − Si = R · ln
V (p)
V ∗ (p∗ )
(6.1)
∗
wobei Si der Wert von Si bei V = V ∗ bzw. p = p∗ ist. Für das Volumen V ∗ (p∗ ) der Gasmischung
wird ein frei wählbarer Standardwert des idealen Gases bei gegebenem Wert der Temperatur T
gewählt. diese Wahl bestimmt den Wert von Si∗ .
Dasselbe tun wir für die reine Komponente i bei derselben Temperatur und demselben Druck
p:
0
∗0
Si − Si = R · ln
V0 (p)
V0∗ (p∗0 )
(6.2)
Wenn nun hier für V0∗ (p∗ ) derselbe Wert wie oben in Gl. (??), also V0∗ (p∗0 ) = V ∗ (p∗ ), gewählt
∗
∗0
wird, ist auch Si = Si und es folgt durch Subtraktion der Gl. (??) von Gl. (??) unter der Beachtung, dass V das Volumen der Mischung und V0 das Volumen der reinen Komponente i bei
demselben Druck p bedeuten:
V (p)
V id (p) · ∑ ni
ni
0
Si − Si = R · ln
= R · ln
= −R · ln
= −R ln xi
(6.3)
V0 (p)
V id (p) · ni
∑ ni
113
6 Mischphasenthermodynamik
wobei xi der Molenbruch der Komponente i in der idealen Gasmischung ist und V id (p) das Molvolumen des idealen Gases bei p und T .
Nun gilt ja:
GM = HM − T · SM
und mit partieller Differentiation nach ni folgt für das chemische Potential µi :
0
0
µi = H i − T · Si bzw. µi0 = H i − T · Si
Da für das ideale Gas H i = H i0 ist, ergibt sich also:
0
µi − µi0 = −T (Si − Si ) = RT ln xi
bzw.
µi = µi0 (T, p) + RT ln xi
(ideales Gas)
(6.4)
Diese Beziehung gilt für das chemische Potential in einer idealen Gasmischung. Sie kann auch
noch anders formuliert werden. Dazu schreiben wir zunächst:
RT
∂
∂ GM
∂ µi
∂ µi0
∂ VM
=
=
=
= V i = V i0 =
∂ ni
∂p T
∂p T
∂p T
∂ ni T
p
Damit folgt für µi0 (T, p) :
µi0 (T, p) = RT ln
p
+ µi0 (T, p∗ )
p∗
wobei p∗ ein frei wählbarer Standarddruck ist. Setzt man das in Gl. (??) ein, erhält man:
µi = µi0 (T, p∗ ) + RT ln
p · xi
p∗
Wenn man p∗ = 1 bar (Standarddruck) setzt, folgt also:
µi = µi0 (T, 1 bar) + RT ln pi
(ideales Gas)
(6.5)
wobei pi = p · xi der Partialdruck der Komponente i heißt. Wir lassen hier und künftig die
notwendige Division von pi durch die Druckeinheit (hier: 1 bar) fort, d. h., wir setzen immer
stillschweigend voraus, dass dimensionsbehaftete Größen unter dem Logarithmus, wie z. B. pi ,
durch ihre Dimensionseinheit dividiert sind, denn unter dem Logarithmus dürfen bekanntlich nur
dimensionslose Zahlenwerte stehen.
Gl. (??) und Gl. (??) sind zwei äquivalente Ausdrücke für das chemische Potential µi einer
Komponente i in einer idealen Gasmischung. In Gl. (??) ist das Bezugspotential µi0 von T und p
abhängig, in Gl. (??) ist µi0 bei p = 1 bar nur eine Funktion von T .
Wir betrachten jetzt Mischungen realer Gase bzw. Mischungen von Flüssigkeiten. Formal
schreibt man ganz allgemein:
µireal = µi0id. (T, 1 bar) + RT ln fi
114
(6.6)
6.1 Das chemische Potential in Mischphasen
Statt pi wird die sog. Fugazität fi eingeführt. pi 6= fi berücksichtigt also die Abweichung vom
idealen Gas, nur bei idealer Gasmischung wird pi = fi .
Die Frage lautet jetzt: wie kann
man fi ermitteln?
Mit Hilfe von ∂ µi /∂ p = V i berechnet man den Unterschied zwischen µireal und µiid. , indem
man bedenkt, dass bei p → 0 µireal = µiid. wird. Es gilt also:
µireal (T, p) − µiid. (T, p)
=
Zp
real
(V i
0
id.
−V i )d p
=
Zp
0
real
(V i
−
RT
)d p = RT ln( fi /pi )
p
Wir schreiben jetzt:
fi = xi p · ϕi = pi · ϕi
(6.7)
Hierbei ist ϕi der sog. Fugazitätskoeffizient (ϕi 6= 1, bei idealen Gasmischungen ist ϕi = 1).
Daraus folgt:
fi
= RT ln ϕi =
RT ln
p · xi
Zp real
Vi
0
RT
−
p
dp
(6.8)
also ergibt sich, wobei wir ab jetzt den Index „real“ weglassen:
µi = µi0id. (T, 1 bar) + RT ln(xi p · ϕi )
(6.9)
Kennt man also das partielle molare Volumen V i als Funktion von Druck p, Zusammensetzung xi
und T , lässt sich ϕi aus Gl. (??) bzw. µi aus Gl. (??) bestimmen.
Für die reale reine Komponente i gilt:
µi0 (T, p) = µi0id. (T, 1 bar) + RT ln fi0
mit
fi0 = p · ϕi0
(6.10)
und somit:
RT ln ϕi0 =
Zp 0
0
Vi −
RT
p
dp
(6.11)
fi0 und ϕi0 sind also Fugazität bzw. Fugazitätskoeffizient des reinen Stoffes i.
Fugazitätskoeffizienten ϕi0 reiner Stoffe lassen sich experimentell gut bestimmen, wenn genaue
0
0
Messdaten des Molvolumens V i (T, p) bekannt sind. Isotherme Werte von V i lassen sich als Funktion von p durch geeignete Fit-Funktionen beschreiben und die Durchführung der Integration nach
Gl. (??) ergibt dann ϕi0 .
Abb. ?? zeigt als Beispiel eine Kurve durch Messwerte von ϕi0 für CO2 bei 200 K. ϕi0 wird
gleich 1, wenn p → 0 geht. ϕi0 nimmt mit dem Druck bei gegebener Temperatur ab, bei höheren
Werten von p kommt es jedoch wieder zu einem Anstieg und ϕi0 wird dann bei genügend hohen
Drücken wieder größer als 1. Einen prinzipiell ähnlichen Verlauf von ϕi0 mit p beobachtet man
auch bei anderen Stoffen.
Häufig ist man bei realen fluiden Mischungen am Unterschied des chemischen Potentials des
Stoffes i in der realen Mischung und der realen reinen Komponente bei demselben Druck p und
derselben Temperatur T interessiert. Das bedeutet, wir suchen jetzt nach einer Schreibweise für
115
6 Mischphasenthermodynamik
jio
1,60
1,40
1,20
1,00
0,80
0,60
0
200
400
600
800
1000
p / bar
Abbildung 6.1: Fugazitätskoeffizient ϕi0 von CO2 bei 200 K
das chemische Potential µi , in der als neuer Standardwert für das chemische Potential der Zustand
des realen, reinen Stoffes i gewählt wird. Dazu geht man folgendermaßen vor.
Gl. (??) und Gl. (??) lassen sich kombinieren, indem man µi0id. (T, 1 bar) eliminiert:
µi = µi0 (T, p) + RT ln
fi
fi0
= µi0 (T, p) + RT ln ai
(6.12)
In dieser Formulierung des chemischen Potentials ist µi0 (T, p) der Wert von µi im Zustand des
reinen, realen Stoffes i bei demselben Druck p und der selben Temperatur T wie in der Mischung.
ai heißt die Aktivität, für die sich schreiben lässt:
ai = xi
ϕi
ϕi0
= xi γi
(6.13)
Die Größe
ϕi
ϕi0
= γi
heißt der Aktivitätskoeffizient.
Wenn γi = 1 (also ϕi = ϕi0 ) spricht man von idealen fluiden Mischungen, obwohl diese Mischungen bezogen auf das ideale Gasgesetz stark real sein können, also z. B. flüssige Mischungen.
Beispiel: Für eine Mischung aus flüssigem n-Heptan (C7 H16 ) und n-Oktan (C8 H18 ) ist γ ≈ 1 über
den ganzen Molenbruchbereich, also ist das eine nahezu ideale flüssige Mischung, obwohl die
Mischung extrem stark vom idealen Gasgesetz abweicht (ϕi ∼
= ϕi0 6= 1). Weitere Beispiele, die
noch deutlicher den Begriff der idealen Mischung hervortreten lassen, sind flüssige Isotopenmischungen, z. B. C6 H6 + C6 D6 .
116
6.1 Das chemische Potential in Mischphasen
Bei flüssigen Mischungen, für die eine solche „Quasi-Idealität“ der Komponenten als Näherungsannahme gelten soll, also ϕi = ϕi0 , spricht man auch von der „Fugazitätsregel nach Lewis
und Randall“.
Als ein Beispeil für reale fluide Mischungen wollen wir jetzt Fugazitätskoeffizienten und Aktivitätskoeffizienten für reale Gasmischungen bestimmen, indem wir das reale Gasgesetz bis
zum 2. Virialkoeffizienten zugrunde legen.
Wir erinnern uns daran, dass wir das partielle molare Volumen V i einer (binären) realen Gasmischung in Abschnitt 3.3 abgeleitet hatten:
V1 =
V2 =
RT
+ x22 (2B12 − B11 − B22 ) + B11
p
RT
+ x21 (2B12 − B11 − B22 ) + B22
p
Damit berechnen wir sofort nach Gl. (??) RT ln ϕ1 und RT ln ϕ2 :
RT ln ϕ1 =
Zp
(V 1 −
Zp
RT
)d p = x22 (2B12 − B11 − B22 ) + B11 · p
p
(V 2 −
RT
)d p = x21 (2B12 − B11 − B22 ) + B22 · p
p
0
RT ln ϕ2 =
0
Einsetzen in Gl. (??) ergibt dann die Werte für die chemischen Potentiale in einer realen Gasmischung mit dem Bezugszustand des idealen Gases bei gegebener Temperatur und p = 1 bar.
Wenn wir als Bezugszustand nach Gl. (??) das reine, reale Gas wählen, lassen sich Aktivitäten
bzw. Aktivitätskoeffizienten berechnen:
Zp
ϕ1
0
RT ln γ1 = RT ln
= (V 1 −V 1 )d p = x22 (2B12 − B11 − B22 ) · p
ϕ10
RT ln γ2 =
0
2
x1 (2B12 − B11 − B22 ) · p
(6.14)
Gl. (??) ist dann einzusetzen in:
µi = µi0 + RT ln xi + RT ln γi
Über den Wert von B12 wurde bisher noch nichts näheres gesagt. Setzt man ihn nach folgender
(empirischer) „Mischungsregel“ ein:
B12 = (B11 + B22 )/2
so ergibt sich
RT ln γ1 = 0 bzw. γ1 = 1
RT ln γ2 = 0 bzw. γ2 = 1
Man erhält also in diesem besonderen Fall ideale Mischungen (ϕi = ϕi0 6= 1), obwohl im Sinne
der Abweichung vom idealen Gasgesetz diese Mischungen real sind. Die angegebene „Mischungsregel“ für B12 führt also zu einem Beispiel, das die Fugazitätsregel nach „Lewis und Randall“
befolgt.
117
6 Mischphasenthermodynamik
Man kann nun ohne Mühe auch partielle molare Enthalpieänderungen H i − H i0 (partielle molare Mischungsenthalpie) oder Entropieänderungen Si − Si0 (partielle molare Mischungsentropie)
berechnen nach den bekannten Formeln:
∂ (µi − µi0 )
H i − H i0 = (µi − µi0 ) − T
(6.15)
∂T
p
und
0
Si − Si
∂ (µi − µi0 )
=−
∂T
(6.16)
p
0
H i −H i0 ist nun nicht mehr gleich Null wie bei idealen Gasmischungen und auch Si −Si 6= −R ln xi ,
ist vom Wert für ideale Gase verschieden.
Einsetzen von µi nach Gl. (??) mit den entsprechenden Ausdrücken für γi nach Gl. (??) in die
0
0
Gln. (??) und (??) gibt die Formeln für H i − H i und Si − Si für reale Gasmischungen nach der
Virialgleichung bis zum 2. Virialkoeffizienten (s. Übungsaufgabe).
Die Gleichungen (??),(??) und (??) sind natürlich in ihrer Anwendung nicht auf reale Gase beschränkt, sondern bilden die Grundlage der Mischphasenthermodynamik realer fluider Mischungen einschließlich kondensierter, flüssiger Gemische. Voraussetzung für ihre Anwendung ist die
Kenntnis von ϕi (xi , T, p) bzw. γi (xi , T, p). Wie man allgemein Fugazitätskoeffizienten ϕi und Aktivitätskoeffizienten aus Zustandsgleichungen berechnen kann, wird in Abschnitt 6.3 behandelt.
6.2 Thermodynamische Exzessgrößen in Mischungen
Wir können jetzt die sog. thermodynamischen Exzessgrößen in voller Allgemeinheit formulieren.
Die Definition einer molaren Exzessgröße ist die molare Zustandsgröße einer Mischung Z M minus
0
der Summe der molaren Zustandsgrößen der reinen Stoffe Z i multipliziert mit dem Molenbruch
xi der Mischung bei derselben Temperatur und demselben Druck, also:
k
∆Z M = Z M (x1 , . . . , xn ) − ∑ xi Z i
0
(6.17)
i=1
wobei Z sein kann: U, H, S, F, G,V . Auch andere Zustandsgrößen sind denkbar, z. B. C p , κT oder
E
E
E
κS . Für U , H und V schreibt man statt ∆Z M auch Z . Für H und V hatten wir die entsprechende
Definition schon früher angegeben (s. Abschnitt 4.3).
Da
Z M (x1 , . . . , x2 ) = ∑ Z i xi
E
kann für Z auch geschrieben werden:
k
∆Z M = Z = ∑ (Z i − Z i )xi
E
0
(6.18)
i=1
0
∆Z i = (Z i −Z i ) bezeichnet man als partielle molare Mischungsgröße, wobei Z i die partielle molare
Zustandsgröße in der Mischung bedeutet.
118
6.2 Thermodynamische Exzessgrößen in Mischungen
Ausgehend von µi = µi0 + RT ln ai Gl. (??) mit ai = xi · γi (s. Gl. (??)) lassen sich die Exzessgrößen folgendermaßen schreiben.
E
Für das molare Exzessvolumen V gilt:
k
∆V M = V = ∑
E
0
(V i −V i ) · xi
i=1
k
=∑
i=1
∂ (µi − µi0 )
∂p
k
T
· xi = RT ∑
i=1
∂ ln ai
∂p
T
· xi
Damit folgt:
k
∆V M = V = RT ∑
E
i=1
∂ ln γi
∂p
T
· xi
(6.19)
und für das partielle molare Mischungsvolumen der Komponente i gilt:
∂ ln γi
0
∆V i = V i −V i = RT
.
∂p T
(6.20)
E
Für die molare Exzessenthalpie H gilt:
k k
k
∂ (µi − µi0 )
∂
E
∆H M = H = ∑ (µi − µi0 ) − T
· xi = RT ∑ xi ln ai − T ∑ xi
(RT ln ai )
∂
T
∂
T
i=1
i=1
i=1
Damit folgt:
E
∆H M = H = −RT
k
2
∑ xi
i=1
∂ ln γi
∂T
(6.21)
p
und für die partielle molare Mischungsenthalpie der Komponente i gilt:
0
2 ∂ ln γi
∆H i = (H i − H i ) = −RT
∂T p
(6.22)
Im Fall der Entropie schreibt man:
k
∆SM = − ∑ xi
i=1
k
∂ (µi − µi0 )
∂
= − ∑ xi
(RT ln ai )
∂T
i=1 ∂ T
oder:
k
k
k
i=1
i=1
i=1
∆SM = −R ∑ xi ln xi − R ∑ xi ln γi − RT ∑ xi
∂ ln γi
∂T
p
Man bezeichnet jetzt:
k
∆SM,id = −R ∑ x · ln xi
(6.23)
i=1
119
6 Mischphasenthermodynamik
als ideale Mischungsentropie und
k
k
i=1
i=1
S = −R ∑ xi · ln γi − RT ∑ xi
E
∂ ln γi
∂T
(6.24)
p
als molare Exzessentropie oder residuale Entropie. Also gilt:
E
∆SM = ∆SM,id + S
(6.25)
und für die partielle molare Mischungsentropie der Komponente i schreibt man:
!
∂
ln
γ
0
i
∆Si = Si − Si = −R · xi ln xi + ln γi + T
∂T
p
(6.26)
Entsprechendes gilt für die freie Exzessenthalpie.
E
E
∆GM = H − T ∆SM = H − T · SE − T · ∆SM,id
wobei gilt:
k
∆GM,id = −T · ∆SM,id = RT ∑ xi ln xi
(6.27)
i=1
sowie:
k
G = H − T · S = RT ∑ xi ln γi
E
E
E
(p und T sind konstant)
(6.28)
i=1
Also folgt:
E
∆GM = ∆GM,id + G
(6.29)
Für die partielle molare freie Mischungsenthalpie ∆Gi der Komponente i schreibt man ∆µi :
∆µi = µi − µi0 = RT (ln xi + ln γi )
(6.30)
Man bezeichnet ∆µi auch als Exzess des chemischen Potentials.
Gl. (??) entspricht genau Gl. (??) mit ai = xi · γi .
Ganz analoge Ausdrücke erhält man für die innere Energie und die freie Energie ausgehend
von
E
E
∆F M = ∆F id + F = U − T · ∆SM
bzw.
E
E
F =U −T ·S
E
E
E
E
E
Die experimentell ermittelten Exzessgrößen H , G , S und V für flüssige Wasser + EthanolMischungen sind in Abb. ?? als Beispiel wiedergegeben. Man erkennt aus dieser Abbildung, dass
120
6.2 Thermodynamische Exzessgrößen in Mischungen
1000
5.0
110°C
G
G
50
E
70°C
90°C
E
H
-1
[Jmol ]
E
RT ln x EtOH
70°C
500
2.5
RT ln x H O
2
0
0
0
0
0
1
xH O
2
E
-1
-0.4
70°C
70°C
E
V
-1
[cm /mol ]
-0.8
[Jmol K-2]
-1
2
0
0
S
1
xH O
-1
-3
0
1
xH O
2
E
0
1
xH O
2
E
E
Abbildung 6.2: Molare Exzessgrößen H (a), GE und RT ln γi (b), S (c) und V von binären Mischungen Ethanol (1) + H2 O (2).
Exzessgrößen positiv oder negativ sein können und dass sie in ihrer Abhängigkeit vom MolenE
bruch auch das Vorzeichen wechseln können, wie es bei H für H2 O + Ethanol bei 70◦ C und
90◦ C der Fall ist. Die Zusammenhänge von molaren und partiellen molaren Größen bzw. molaren Exzessgrößen und partiellen molaren Exzessgrößen wurden schon am Beispiel des molaren
E
Volumens V in Abschnitt 3.3 und am Beispiel der Exzessenthalpie H in Abschnitt 4.3 abgeleitet
(Gl. (4.11), Abb. 4.10). Diese Zusammenhänge gelten ganz allgemein, d. h.,
Z = Z j + ∑ xi
i6= j
∂Z
∂ xi
bzw.
∆Z M = (Z j − Z j ) + ∑ xi
0
i6= j
∂ ∆Z M
∂ xi
(6.31)
Wir diskutieren an dieser Stelle auch nochmals den Begriff der idealen Mischung. Eine ideale
Mischung liegt vor, wenn im gesamten Mischungsbereich gilt, dass γi = 1.
121
6 Mischphasenthermodynamik
Hier muss man 2 Fälle unterscheiden:
1. γi = 1, d. h., ϕi /ϕi0 = 1, aber ϕi 6= 1 und ϕi0 6= 1.
Hier handelt es sich um ideale Mischungen, deren Komponenten reale Gase oder Flüssigkeiten sind, d. h., die Fugazitätskoeffizienten ϕi = ϕi0 selbst können sehr verschieden von
1 sein und von T und p abhängen. γi selbst hängt bei idealen Mischungen dagegen weder
von xi noch von T und p ab. Typische Vertreter solcher idealer flüssiger Mischungen sind
Isotopengemische. Streng genommen gibt es solche „idealen“ Flüssiggemische eigentlich
nicht, auch bei Isotopengemischen gibt es in der flüssigen Phase sehr kleine Abweichungen
von der Bedingung γi = 1.
2. γi = 1, d. h., ϕi /ϕi0 = 1 ,mit ϕi = 1 und ϕi0 = 1.
Bei solchen Mischungen handelt es sich um ideale Gasmischungen. Solche Systeme existieren nur im Grenzfall realer Systeme für p → 0 und T > 0.
Ferner sei auch nochmals darauf hingewiesen, dass alle Exzessgrößen auf Aktivitätskoeffizienten und ihre Ableitungen nach T oder p zurückzuführen sind (Gln. (??) bis (??)). Das unterstreicht
nochmals die Rolle von G bzw. (∂ G/∂ ni ) = µi als thermodynamisches Potential.
0
Als Beispiel wollen wir die Formeln für die partielle molare Exzessenthalpie (H i − H i ) = ∆H i
E
und die molare Exzessenthalpie H binärer realer Gasmischungen angeben unter Verwendung des
2. Virialkoeffizienten nach der v. d. Waals-Gleichung.
Mit i = 1, 2 ergibt sich nach Gl. (??) ausgehend von Gl. (??):
∂ ln γ1
∆B12
1 d∆B12
0
H 1 − H 1 = ∆H 1 = −RT 2
= −RT 2 · x22 · p −
+
∂T
RT 2 RT dT
p
wobei wir abgekürzt haben:
a12 a1
a2 ∆B12 = 2B12 − B11 − B22 = 2 b12 −
− b1 −
+ b2 −
RT
RT
RT
und auf der rechten Seite die 2. Virialkoeffizienten nach der v. d. Waals-Gleichung eingesetzt
haben (s. Gl. (3.4)).
√
Wenn wir z. B. b12 = (b1 + b2 )/2 und a12 = a1 a2 setzen, ergibt sich:
√
a1 + a2 − 2 a1 a2
√
d∆B12
1
∆B12 =
bzw.
= − 2 (a1 + a2 − 2 a1 a2 )
RT
dT
RT
√
√
√ 2
Also folgt mit der abkürzenden Schreibweise: ∆a12 = a1 + a2 − 2 a1 · a2 =
a1 − a2 :
∂ ∆B12
∆a12
0
2
2 ∆a12
H 1 − H 1 = p · x2 ∆B12 − T
= x2
+
·p
∂T
RT
RT
und man erhält schließlich:
0
2∆a12
·p
RT
2∆a12
= x21
·p
RT
H 1 − H 1 = x22
0
H2 − H2
122
6.3 Dampf-Flüssigkeits-Phasengleichgewichte in binären Nichtelektrolytmischungen
E
Dann ergibt sich für die molare Exzessenthalpie H :
H
E
0
0
= x1 (H 1 − H 1 ) + x2 (H 2 − H 2 ) =
2∆a12
· p(x22 · x1 + x21 · x2 )
RT
2∆a12
· p · x1 (1 − x1 )
RT
√
√ 2
E
Da ∆a12 =
a1 − a2 > 0 gilt, ist H ebenfalls immer positiv. Das liegt an der speziellen
√
√
E
Mischungsregel a12 = a1 · a2 , wählt man z. B. a12 = k a1 · a2 mit k > 1, kann H auch negativ
werden (∆a12 < 0), wobei k ein anpassbarer Parameter ist.
H
E
=
6.3 Dampf-Flüssigkeits-Phasengleichgewichte in binären
Nichtelektrolytmischungen bei niedrigen Dampfdichten. Das Raoult’sche
Grenzgesetz
Wir betrachten jetzt das Phasengleichgewicht Flüssigkeit-Dampf für Mischungen, wobei wir uns
der Einfachheit halber wieder auf zwei Komponenten (1 und 2) beschränken. Ein solches Gleichgewicht ist in Abb. ?? schematisch dargestellt.
T =const.
Molenbruch
Gas
p =const.
Flüssig
y1 = 1- y2
Molenbruch
x1 = 1- x2
Abbildung 6.3: Binäres Dampf (Gas)-Flüssigkeit-Phasengleichgewicht
Nach den Gleichgewichtsbedingungen muss T und p in beiden Phasen gleich sein. Welche
Werte nimmt x1 bzw. y1 ein? Genauer gefragt: wenn x1 und T vorgegeben werden, welche Werte
stellen sich für p und y1 im thermodynamischen Phasengleichgewicht ein? Diese Frage wird durch
die geforderte Gleichheit der chemischen Potentiale von Komponente 1 bzw. 2 in jeweils beiden
Phasen beantwortet (s. Gl. 5.74).
Wir betrachten den häufig auftretenden Fall, bei dem der Druck bzw. die Dampfdichte so niedrig ist, dass in der Gasphase näherungsweise das ideale Gasgesetz gilt (oder eventuell die Virialgleichung bis zum 2. Virialkoeffizienten), die flüssige Phase ist viel dichter als die gasförmige
(V f l ≪ V gas ). Das ist nur bei genügend tiefen Temperaturen möglich.
Im Dampf-Flüssigkeits-Phasengleichgewicht einer binären Mischung gilt allgemein:
id
µi0, f l + RT ln(xi γi ) = µi0,gas
+ RT ln p · ϕi · yi
(i = 1, 2)
wobei ϕi der Fugazitätskoeffizient in der Gasphase bedeutet.
123
6 Mischphasenthermodynamik
Wenn man xi gegen 1 gehen lässt, werden auch γi = 1 und yi = 1 und es gilt:
id
µi0, f l = µi0,gas
+ RT ln(pi0 · ϕi0 )
Hier ist pi0 der Sättigungsdampfdruck der reinen Komponente i.
Also lässt sich die Phasengleichgewichtsbedingung auch folgendermaßen formulieren:
RT ln(pi0 · ϕi0 ) + RT ln(xi γi ) = RT ln(pϕi yi )
oder:
pi0 · ϕi0 · xi γi = p · ϕi · yi
oder
fi0 · xi · γi = fi
(6.32)
Wenn die Gasphase als ideal angesehen wird, ist ϕi = 1 und ebenso ϕi0 = 1. Wenn außerdem
die flüssige Phase als ideal angesehen wird, gilt γi = 1 und es folgt:
(Raoult′ sches Grenzgesetz)
p · yi = pi = pi0 · xi
(6.33)
Dieser idealisierte Zusammenhang für das Dampf-Flüssig-Phasengleichgewicht von Mischungen
heißt das Raoult’sche Gesetz. Graphisch dargestellt für ein 2-Komponentengemisch sind die
Verhältnisse in Abb. ??. Es ergeben sich Geraden für die Partialdrücke und den Gesamtdruck
p = p1 + p2 .
p
pgesamt
p2(x1)
p1(x1)
0
x1
1
Abbildung 6.4: Partialdruckdiagramm nach dem Raoult’schen Gesetz
Der allgemeinere und realistischere Fall ist der, wo γi 6= 1 für xi < 1 ist. Natürlich könnte man
mit Hilfe einer Zustandsgleichung nach Gl. (??) Aktivitäten bzw. Aktivitätskoeffizienten γi über
die Fugazitätskoeffizienten berechnen und zwar für die flüssige wie die gasförmige Phase. Das
wird bei Mischungen einfacherer Moleküle auch häufig getan, jedoch wollen wir hier einen einfacheren, semiempirischen Weg gehen, der vor allem bei niedrigen Drücken für flüssige Gemische
üblich ist. Allgemein ist bei binären Mischungen ln γ1 eine Funktion von x1 , T und p. Da p sich
nur sehr geringfügig mit x1 ändert, sind ln γ1 und ln γ2 im Wesentlichen Funktionen von x1 = 1 − x2
sowie von T . Da diese Funktionen systemspezifisch sind, sind sie in der flüssigen Phase nicht von
vornherein bekannt. Man kann aber einige wichtige allgemein gültige Eigenschaften dieser Funktionen ableiten. Dazu betrachten wir wieder einfachheitshalber binäre Systeme und entwickeln
124
6.3 Dampf-Flüssigkeits-Phasengleichgewichte in binären Nichtelektrolytmischungen
ln γ1 bzw. ln γ2 bei T = const in eine Taylor-Reihe nach x1 um den Wert x1 = 1 bzw. x2 = 1, vorausgesetzt, das sich RT ln γi in ganzzahlige Potenzen von x2 = 1 − x1 entwickeln lässt. Das ist nicht
notwendigerweise der Fall. Bei Nichtelektrolyten setzen wir aber die Entwicklung in ganzzahlige
Potenzen voraus. Es soll also gelten:
RT ln γ1 = a0 + a1 (1 − x1 ) + a2 (1 − x1 )2 + a3 (1 − x1 )3 + · · ·
(6.34)
wobei
lim (RT ln γ1 )
∂ ln γ1
=
∂ x1 x =1
2 1
1 ∂ ln γ1
=
2!
∂ x21
x =1
1
3
1 ∂ ln γ1
=
3!
∂ x31
x1 =1
a0 =
a1
a2
a3
x1 →1
usw. bedeuten.
Entsprechendes gilt für RT ln γ2 :
RT ln γ2 = a′0 + a′1 · x1 + a′2 · x21 + a′3 · x31 + · · ·
Folgende Bedingungen müssen nun erfüllt sein:
a)
γ1 = 1 für = x1 = 1 bzw. x2 = 0
γ2 = 1 für = x2 = 1 bzw. x1 = 0
Aus diesen Bedingungen folgt, dass a0 = a′0 = 0 sein muss.
b) Wir erinnern uns an die verallgemeinerte Gibbs-Duhem-Gleichung (Gl. (5.42)), nach der
für jede Phase gilt:
SdT + ∑ li d λi −V d p + ∑ ni d µi = 0
Da alle d λi = 0 und im isothermen Fall auch dT = 0, folgt für binäre Mischungen in jeder Phase:
n1 d µ1 + n2 d µ2 = V · d p
Da wir vorausgesetzt hatten, dass die Drücke niedrig sind und das Flüssigkeitsvolumen auch klein
ist, und da ferner die µi0 -Werte nicht von x1 bzw. x2 abhängen, gilt für die flüssige Phase:
n1 · RT d ln(γ1 x1 ) + n2 · RT d ln(γ2 x2 ) ∼
=0
bzw.
x1 d ln γ1 + x1 d ln x1 + x2 d ln γ2 + x2 d ln x2 = 0
125
6 Mischphasenthermodynamik
Da
d ln x1 =
1
1
dx1 bzw. d ln x2 =
dx2
x1
x2
folgt:
x1 d ln x1 + x2 d ln x2 = dx1 + dx2 = 0
und damit ergibt sich:
x1 d ln γ1 + x2 d ln γ2 = 0
oder:
x1
∂ ln γ1
∂ x1
∂ ln γ2
+
∂ x1
T,p
T,p
(1 − x1 ) = 0
bei T = const, p ∼
= const
(6.35)
Setzt man die obigen Reihenentwicklungen für ln γ1 und ln γ2 in Gl. (??) ein und sammelt alle
Koeffizienten vor den Potenzen in x1 zusammen, so erhält man:
a′1 −(a′1 +a1 −2a′2 +2a2 +3a3 +· · · )·x1 +(2a2 −2a′2 +6a3 +3a′3 +· · · )x21 −3(a′3 +a3 +· · · )·x31 = 0
Aus Symmetriegründen muss dasselbe gelten, wenn man statt x1 → x2 schreibt und statt ai ↔ a′i ,
also:
a1 −(a1 +a′1 −2a2 +2a′2 +3a′3 +· · · )·x2 +(2a′2 −2a2 +6a′3 −3a3 +· · · )x22 −3(a3 +a′3 +· · · )x32 = 0
Da x1 bzw. x2 beliebige Werte zwischen 0 und 1 annehmen können, müssen alle Klammern vor
den Koeffizienten = 0 sein. Insbesondere muss gelten:
a1 = a′1 = 0
Man sieht, dass die Koeffizienten ai und a′i für i > 1 nicht unabhängig voneinander sein können.
Sind alle ai bekannt, sind auch alle a′i festgelegt.
a1 = a′1 = 0 gilt jedoch immer, unabhängig von der Zahl der Koeffizienten. Das ist eine Folge
der Gibbs-Duhem-Gleichung. Also kann man schreiben:
RT · ln γ1 = a2 (1 − x1 )2 + a3 (1 − x1 )3 + · · ·
RT · ln γ2 = a′2 (x1 )2 + a′3 (x1 )3 + · · ·
Die analytisch einfachste Form einer realen flüssigen Mischung ist also: ai = 0 für i ≥ 3. Damit
lässt sich schreiben:
RT · ln γ1 ∼
= a2 (1 − x1 )2
RT · ln γ2 ∼
= a′ · x2
2
1
Dann muss aber gelten: a2 = a′2 .
126
(6.36)
6.3 Dampf-Flüssigkeits-Phasengleichgewichte in binären Nichtelektrolytmischungen
·
p1
p10
a>0
a<0
0
1
x1
Abbildung 6.5: Partialdruckdiagramm p1 der Komponente 1 einer realen Mischung mit a > 0 und
a < 0 (s. Text)
Mit diesem einfachen Ansatz wollen wir im Folgenden rechnen. Er zeigt sehr viele wichtige
Eigenschaften realer flüssiger Mischungen von Nichtelektrolyten. Einsetzen von Gl. (??) in die
Beziehung von Gl. (??) ergibt mit a2 = a′2 = a unter der Annahme einer idealen Gasphase:
p1 = p10 · x1 · ea(1−x1 )
p2 = p20 · x2 · ea(1−x2 )
2 /RT
2 /RT
Für a > 0 erhält man positive Abweichungen vom Raoult’schen Gesetz, für a < 0 negative Abweichungen (s. Abb. ??). Ferner erhält man für den Gesamtdampfdruck p = p1 + p2 (bei T = const):
p(x1 ) = p10 · x1 · ea(1−x1 )
2
+ p20 · (1 − x1 ) · ea·x1 /RT
b
(6.37)
Dampf
n1²+ n2²
y1
Flüssig
n1¢+ n2
x1
Dampf
a
y1
T=const.
0
(T = const)
x1
Flüssig
x1
P
2 /RT
x1, y1
¢
1
Abbildung 6.6: Dampfdruckdiagramm bei T = const (s. auch Text in Abschnitt 6.9)
Auch in Gl. (??) gibt es positive Abweichungen vom linearen Verhalten für a > 0 und negative
für a < 0.
127
6 Mischphasenthermodynamik
Ferner spielt das sog. Dampfdruckdiagramm bei der Darstellung des Phasengleichgewichtes
eine Rolle:
2
p1
p10 · x1 · ea(1−x1 ) /RT
p1
= y1 =
=
2
2
p(x1 )
p1 + p2
p10 · x1 · ea(1−x1 ) /RT + p20 · x2 · eax1 /RT
(T = const)
(6.38)
Es stellt die Abhängigkeit der Dampfphasenzusammensetzung y1 von der Zusammensetzung x1
der flüssigen Phase dar. Zu jedem Wert des Gesamtdampfdruckes p(x1 ) gehört ein Wert auf der
y1 -Kurve bzw. x1 -Kurve. Das zeigt Abb. ??.
Statt der Diagramme bei T = const können auch Diagramme bei p = const konstruiert werden,
sog. „Siedediagramme“. Zunächst gilt wieder:
p = x1 γ1 · p10 + (1 − x1 )γ2 · p20
Beim Siedediagramm gilt p = const und p10 sowie p20 hängen von T ab. Die integrierte ClausiusClapeyron’sche Gleichung (s. Gl. (5.77)) ergibt bei niedrigen Drücken die folgende Dampfdruckformel:
−
pi0 (T ) ∼
= pi0 (T0 ) · e
∆HV,i
R
1
1
T − T0
wobei T0 eine frei wählbare Bezugstemperatur ist. Damit ergibt sich:
x1 =
p − p20 (T ) · γ2
p10 (T ) · γ1 − p20 (T ) · γ2
(p = const)
(6.39)
und demnach für y1 :
y1 =
x1 (T ) · γ1 · p10 (T )
x1 (T ) · γ1 · p10 (T ) + (1 − x1 ) · γ2 · p20 (T )
(p = const)
(6.40)
Die graphische Darstellung von Gl. (??) und Gl. (??) heißt Siedediagramm (s. Abb. ??). Im
Unterschied zum Dampfdruckdiagramm gilt beim Siedediagramm:
• Die Gasphase ist oben und die Flüssigphase unten.
• Die Neigung der „2-Phasenspindel“ ist entgegengesetzt der beim Dampfdruckdiagramm.
Der Stoff mit dem niedrigeren Dampfdruck hat die höhere Siedetemperatur, der mit dem
höheren Dampfdruck die niedrigere Siedetemperatur.
Eine dreidimensionale Darstellung zeigt Abb. ??. Dampfdruck- und Siedediagramme stellen
Schnitte im p, T, x-Raum dar, die oberhalb der kritischen Temperatur der leichter siedenden Substanz „abreißen“. Wir weisen nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Gleichungen (??), (??)
bzw. (??) das in Abb. (??) dargestellte 2-Phasenverhalten nur im Bereich niedriger Drücke p und
Temperaturen T zufriedenstellend beschreiben können. Bei Annäherung an die kritischen Temperaturen bzw. kritischen Drücke kann die Dampfphase auf keinen Fall mehr durch das ideale
Gasgesetz beschrieben werden. Eine vollständige Beschreibung des in Abb. (??) gezeigten Verhaltens ist nur durch Berechnung des Phasengleichgewichtes mit Hilfe von Zustandsgleichungen
möglich.
128
6.4 Das Henry’sche Grenzgesetz
T
Dampf
y1
•
x1
Flüssig
0
P=const.
1
x1, y1
Abbildung 6.7: Siedediagramm einer binären Mischung bei p = const (s. Text)
6.4 Das Henry’sche Grenzgesetz
Wir kehren nochmals zum Partialdruckdiagramm bei niedrigen Drücken zurück und wollen das
Verhalten des Partialdrucks p1 (x1 ) für die Grenzfälle x1 = 1 und x1 = 0 näher untersuchen. Abb.
?? zeigt das Beispiel einer positiven Abweichung vom Raoult’schen Gesetz. Die Berechnung der
Steigung der p1 (x1 )-Kurve bei x1 → 1 erhält man folgendermaßen:
d p1
d γ1
d f1
d γ1
= γ1 · p10 + x1 · p10 ·
genauer :
= γ1 · f10 + x1 · f10 ·
dx1
dx1
dx1
dx1
Wie sieht (d p1 /dx) für x1 → 1 aus?
Da γ1 = 1 bei x1 = 1, gilt:
d p1
d γ1
lim
= p10 + p10 · lim x1
x1 →1 dx1
x1 →1
dx1
genauer :
d f1
d γ1
= f10 + f10 · lim x1
lim
x1 →1 dx1
x1 →1
dx1
Es gilt nun ausgehend von Gl. (??):
RT
d ln γ1
1 d γ1
= RT
= −2a2 (1 − x1 ) − 3a3 (1 − x1 )2 − · · ·
dx1
γ1 dx1
Daraus folgt:
d γ1
=0
dx1
für x1 = 1
bzw.
lim
x1 →1
d p1
dx1
= p10
genauer :
lim
x1 →1
d f1
dx1
= f10
129
6 Mischphasenthermodynamik
Cb
p
º
º
Ca
P4
Ab
P3
P2
X1
P1
Aa
X
T2
T1
T4
T3
T5
T
Abbildung 6.8: Dreidimensionale Darstellung (P, x, T ) eines einfachen binären Gemisches. Cα =
kritische Temperatur von Komponente 1, Cβ = kritische Temperatur von Komponente 2
Wir halten also fest: p1 bzw. f1 geht bei x1 = 1 assymptotisch in die Raoult’sche Gerade
über. Das gilt ganz allgemein, unabhängig von der Zahl der Koeffizienten a1 , a2 , . . . , an .
Wir betrachten jetzt den Fall, dass x1 → 0 geht.
Da d γ1 /dx1 für x1 → 0 einen endlichen Grenzwert erreicht, gilt:
d p1
d f1
∞
∞
lim
= p10 · γ1
genauer : lim
= f10 · γ1
x1 →0 dx1
x1 →0 dx1
wobei γ1∞ der Aktivitätskoeffizient von Komponente 1 in unendlicher Verdünnung ist (x1 = 0).
Im einfachsten Fall erhält man nach Gl. (??):
h a i
γ1∞ = exp
RT
Die Gerade p1 = (p10 · γ1∞ ) · x1 bzw. genauer f1 = ( f10 · γ1∞ ) · x1 heißt Henry’sche Gerade. Man
bezeichnet
p10 · γ1∞ = KH
bzw.
f10 · γ1∞ = KH
als Henry’schen Koeffizienten.
Das Henry’sche Gesetz
pi = KH,i · xi
130
bzw.
fi = KH,i · xi
(6.41)
6.5 Azeotrope Systeme
P10
Henry’sche
Gerade
P1(x1)
P1(x1)
Raoult’sche
Gerade
0
x1
1
Abbildung 6.9: Partialdampfdruck p1 einer binären realen flüssigen Mischung. - - - - Henry’sche
Gerade
ist also ein Grenzgesetz, das nur für xi → 0 streng gültig ist und somit bei kleinen Werten von xi
näherungsweise Gültigkeit besitzt. Bei idealen flüssigen Mischungen ist γ1∞ = 1, KH wird gleich
p10 , und die Henry’sche Gerade geht in die Raoult’sche Gerade über, d. h., es gilt überall das
Raoult’sche Gesetz.
Gl. (??) gilt auch für die Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten, d. h. von Substanzen, die sich
bei der betreffenden Temperatur im reinen Zustand bereits im überkritischen Zustand befinden.
Tabelle 6.1 zeigt Werte für KH einiger Gase in Wasser bei 298,15 K.
Tabelle 6.1: Henry-Koeffizienten einiger Gase in Wasser bei 298,15 K
H2
N2
O2
CO Ar
CH4 C2 H6
KH,H2 O /kbar 71,7 86,4 44,1 58,8 40,3 40,4 30,3
Mit Gl. (??) berechnet man z. B. bei pi = 1 bar für Stickstoff in Wasser ein Molenbruch xN2 =
1, 16 · 10−5 und für Sauerstoff ein Molenbruch xO2 = 2, 27 · 10−5 . O2 ist also in Wasser besser
löslich als N2 .
6.5 Azeotrope Systeme
Wir diskutieren jetzt sog. azeotrope Systeme. Azeotrope Gemische sind solche, bei denen es im
Dampfdruckdiagramm (bzw. Siedediagramm) einen Punkt gibt, wo Gasphase und flüssige Phase
dieselbe Zusammensetzung haben. Bei Azeotropie gilt also: x1 = y1 bzw. x2 = y2 .
Man unterscheidet positive und negative Azeotrope. Abb. ?? zeigt zwei Beispiele. Schon mit
den einfachen Ansätzen für die Aktivitätskoeffizienten
h a
i
h a i
γ1 = exp
(1 − x1 )2 und γ2 = exp
x2
RT
RT 1
131
6 Mischphasenthermodynamik
63
°C
61
56
°C
52
Dampf
Flüssigkeit
t
t
59
48
Dampf
44
57
Flüssigkeit
40
55
0
0,2
0,4
0,6
0,8
x, y (CH3 )2CO
1,0
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
x, y (CH3 )2CO
Abbildung 6.10: Beispiele für Siedediagramme mit positivem (CHCl3 + (CH3 )2 CO) und negativem (CS2 + (CH3 )2 CO) Azeotrop bei 1 bar.
kann unter bestimmten Bedingungen Azeotropie auftreten. Diese Bedingungen wollen wir jetzt
kennenlernen.
Zunächst beweisen wir ganz allgemein: Dort, wo der azeotrope Punkt auftritt, hat die Gesamtdampfdruckkurve ein Maximum oder ein Minimum.
Die Bedingung für Azeotropie lautet bei Annahme der Gültigkeit der Idealität in der Dampfphase:
p10 · x1 · γ1
y1 = x1 =
p10 · x1 · γ1 + p20 · x2 · γ2
oder:
x1 +
p20 · γ2
(1 − x1 ) = 1
p10 · γ1
und damit:
γ2
p10
=
γ1
p20
(6.42)
Die allgemeine Form der Dampfdruckkurve der Mischung p = p10 · x1 γ1 + p20 · x2 γ2 wird nach x1
differenziert:
d γ1
d γ2
dp
= p10 · γ1 − p20 · γ2 + p10 · x1
+ p20 · x2
dx1
dx2
dx1
d ln γ1
d ln γ2
= p10 · γ1 − p20 · γ2 + p y1 ·
+ y2 ·
(6.43)
dx1
dx1
Der Ausdruck in der runden Klammer ist gültig wegen p·y1 = p10 ·x1 γ1 , bzw. p·y2 = p20 ·x2 · γ2 .
Am azeotropen Punkt ist nun x1 = y1 und x2 = y2 . Somit kann man schreiben:
d ln γ1
d ln γ2
d ln γ1
d ln γ2
+ y2
= x1
+ x2
(6.44)
dx1
dx1
dx1
dx1
Im nächsten Schritt verwenden wir die durch die Gesamtmolzahl dividierte Gibbs-Duhem-Gleichung (s. Gl. (5.42)) mit d λi = 0:
y1
S
V
dT −
d p + ∑ xi d µi = 0
∑ ni
∑ ni
132
6.5 Azeotrope Systeme
Wenn T = const, also dT = 0, folgt für eine binäre Mischung:
−V ·
dp
d µ1
d µ2
+ x1
+ x2
=0
dx1
dx1
dx1
Einsetzen von µi = µi0 + RT ln(γi xi ) ergibt:
dp
1
d ln γ1
1
d ln γ2
−V ·
+ RT x1 · + x1 ·
+ x2 −
+ x2
=0
dx1
x1
dx1
x2
dx1
Und daraus folgt:
dp
d ln γ1
d ln γ2
V·
= RT x1
+ x2
dx1
dx1
dx1
Einsetzen der eckigen Klammer in Gl. (??) unter Berücksichtigung von Gl. (??) ergibt:
dp
p ·V d p
= p10 γ1 − p20 γ2 +
dx1
RT dx1
also:
dp
p ·V
· 1−
= p10 · γ1 − p20 · γ2
dx1
RT
(6.45)
Bei Azeotropie ist die rechte Seite von Gl. (??) gleich 0 wegen Gl. (??). Da 1 6= p ·V /RT (V ist
das Molvolumen der flüssigen Phase!), muss bei Azeotropie gelten:
dp
= 0 (Azeotropie)
dx1
Damit ist bewiesen, dass am azeotropen Punkt die Dampfdruckkurve entweder ein Maximum
oder Minimum hat. Welcher Fall vorliegt, hängt von ln γ1 und ln γ2 ab. Näheres wird in Anhang 5
mitgeteilt.
Wir merken an, dass die Beweisführung in dieser Form für den Sonderfall gilt, dass die Gasphase sich ideal verhält und die Dichten der flüssigen und gasförmigen Phase sehr unterschiedlich
sind. Eine allgemeine Behandlung der Azeotropie, die diesen Sonderfall nicht als Voraussetzung
enthält, ist im Rahmen der sog.
Theoreme
möglich
(s. Anhang A.18).
Gibbs-Konovalov’schen
Wir setzen jetzt γ1 = exp a/RT (1 − x1 )2 und γ2 = exp a/RT x21 und untersuchen, unter welchen Bedingungen dabei Azeotropie auftreten kann. Nach Gl. (??) muss gelten:
a 2
h a
i
exp RT
· x1
γ2
p10
a
= exp
=
=
(2x
−
1)
1
γ1
p20 exp RT (1 − x1 )2
RT
Aufgelöst nach x1 ergibt sich:
RT
p10
1
x1 =
ln
+
2a
p20
2
133
6 Mischphasenthermodynamik
Da 0 ≤ x1 ≤ 1, gilt also:
RT
p10
1
0≤
ln
+ ≤1
2a
p20
2
oder:
−1 ≤
RT
ln
a
p10
p20
≤ +1
Wir betrachten 2 Beispiele:
Es soll gelten, dass p10 /p20 = 2/3 und ferner:
a) a = RT
oder
b) a = RT /3
Für die beiden Fälle ergibt sich:
a) 1 · ln 23 = −0, 405 y Azeotropie existiert
b) 3 · ln 23 = −1, 216 y Azeotropie existiert nicht
In Abb. ?? ist graphisch das Dampfdruckdiagramm für den Fall p10 = 100 mbar, p20 = 150 mbar
und a = R · T aufgetragen.
Wir merken noch abschließend an: Dampfdruckdiagramme mit posivitem Azeotrop zeigen im
Siedediagramm ein negatives Azeotrop und umgekehrt. Das in Abb. ?? gezeigte System CH3 Cl +
(CH3 )CO hat also ein Minimum im Dampfdruckdiagramm und das System CS2 + (CH3 )2 CO ein
Maximum.
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
Schon die Erfahrung zeigt, dass nicht alle Flüssigkeiten miteinander mischbar sind. Während sich
z. B. Wasser und Ethanol vollständig mischen, ist das z. B. bei Wasser + Benzol nur teilweise, bei
Wasser + Quecksilber überhaupt nicht der Fall.
Wenn in einer flüssigen Mischung 2 Phasen nebeneinander im Gleichgewicht vorliegen, spricht
man von einer Mischungslücke. Ein typisches Beispiel ist in Abb. ?? dargestellt, wie man es etwa
bei Dimethylformamid + Heptan beobachtet. Bei einer bestimmten Temperatur bilden sich 2 flüssige Phasen mit der Zusammensetzung x′1 und x′′1 . Die eingezeichnete Kurve mit den Messpunkten
beschreibt die Koexistenzlinie zwischen vollständiger Mischbarkeit und dem 2-Phasenbereich.
Innerhalb der „Mischungslücke“ spaltet das System in 2 Phasen auf. Die Schnittpunkte der zur x1 Achse parallelen Gerade (Isotherme) sind die Molenbrüche x′1 und x′′1 in den beiden Phasen. Bei
sinkender Temperatur wird die Mischungslücke breiter, bei steigender Temperatur wird sie kleiner und verschwindet am sog. oberen kritischen Entmischungspunkt (UCST = Upper Critical
Solution Temperature).
134
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
Abbildung 6.11: Dampfdruckdiagramm mit positivem Azeotrop berechnet nach Gl. (??) und (??)
mit a = RT, p10 = 100 mbar, p20 = 150 mbar (s. Text)
Dieses Verhalten zeigt an, dass flüssige Mischungen im Bereich dieser Mischungslücke offenbar
als homogene Mischung nicht mehr thermodynamisch stabil sind. Als Kriterium für die thermodynamische Stabilität binärer Mischungen hatten wir in Abschnitt 5.9, Gl. (5.72), festgestellt, dass
gelten muss:
2 ∂ G
>0
∂ x2 T,p
Stattdessen können wir auch die entsprechende molare Mischungsgröße ∆GM = G − x1 µ10 − x2 µ20
als Stabilitätskriterium verwenden (x = x1 oder x2 ):
∂ 2 ∆G
(T, p) > 0
∂ x2
Mit dem bisherigen, einfachsten Ansatz für reale Mischungen gilt:
∆GM = RT (x1 ln x1 + x2 ln x2 ) + a · x1 · x2
(6.46)
Wir nehmen an, dass a > 0 und erhalten für ∆GM bei verschiedenen Temperaturen T1 , T2 , T3 , T4
Kurvenverläufe, wie sie in Abb. ?? gezeigt sind. Unterhalb einer gewissen Temperatur (in Abb.
?? ist das T2 ) zeigt der Verlauf von ∆GM zwei getrennte Minima, oberhalb von T2 gibt es nur ein
Minimum. Für T1 > T2 = Tc ist offenbar das Stabilitätskriterium immer erfüllt, und die Mischung
ist für alle Werte von x1 stabil. Unterhalb T2 , also bei T = T3 und T = T4 , gilt dieses Kriterium von
135
6 Mischphasenthermodynamik
80
70
J/°C
60
2 - PHASENBEREICH
50
40
30
x’
0,0
0,2
x’’
0,4
0,6
0,8
1,0
xHeptan
Abbildung 6.12: Flüssig-Flüssig Phasendiagramm p = 1 bar des Systems Dimethylformamid +
Heptan, N, = experimentelle Messpunkte, • = UCST.
links bis zum Punkt A und von rechts bis zum Punkt A’, an diesen Punkten hat die ∆GM -Kurve
Wendepunkte. Dort gilt:
2
∂ ∆GM
=0
(6.47)
∂ x2
T,p
Zwischen A und A’ gilt dagegen:
∂ 2 ∆GM
∂ x2
<0
(6.48)
T,p
In diesem Bereich ist die Mischung instabil und zerfällt spontan in zwei Phasen. Dieser völlig
instabile Bereich wird durch die Bedingung nach Gl. (??) abgegrenzt. Gl. (??) eingesetzt in Gl.
(??) und aufgelöst nach T ergibt:
T=
2a
x1 · x2
R
(6.49)
Diese Kurve heißt Stabilitätskurve oder Spinodale, sie ist als gestrichelter Verlauf in Abb. ??
eingezeichnet. Ihr Maximum liegt bei x1 = x2 = 0, 5 mit Tc = TUCST = a/2R. Überall innerhalb der Fläche, die von der Spinodalen nach innen abgegrenzt wird, findet spontaner Zerfall
der flüssigen Mischung statt. Die Fläche zwischen Spinodale und der 2-Phasengrenze heißt metastabiler Bereich, er kann kinetisch zeitweise stabil sein, thermodynamisch ist er es nicht. Die
136
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
Abbildung 6.13: ∆GM nach Gl. (??) für verschiedene Temperaturen im Bereich einer Mischungslücke als Funktion von x1 mit a = 4988, 7 [J · mol−1 ]
2-Phasengleichgewichtskurve (sog. Koexistenzkurve) erhält man aus den Gleichgewichtsbedingungen. Sie lauten bekanntlich:
µ1′ = µ1′′
und
µ2′ = µ2′′
Wenn wir unser bisheriges Modell des Aktivitätskoeffizienten anwenden, gilt ja (i = 1, 2):
µi = µi0 + RT ln(xi γi )
(6.50)
Damit lassen sich Mischungslücken durch eine Koexistenzkurve beschreiben. Es gelten also die
Gleichgewichtsbedingungen:
RT ln x′1 + RT ln γ1′ = RT ln x′′1 + RT ln γ1′′
RT ln(1 − x′1 ) + RT ln γ2′ = RT ln(1 − x′′1 ) + RT ln γ2′′
Einsetzen des einfachen quadratischen Ausdruckes für γ1 bzw. γ2 (s. Gl. (??)) ergibt:
RT ln x′1 + a(1 − x′1 )2 = RT ln x′′1 + a(1 − x′′1 )2
RT ln(1 − x′1 ) + a · x′2
= RT ln(1 − x′′1 ) + a · x′′2
1
1
137
6 Mischphasenthermodynamik
Abbildung 6.14: Phasenkoexistenzkurve (—–) nach Gl. (??) und die Spinodale (- - - - -) nach
Gl. (??) für das Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht einer binären Mischung mit
a = 4988, 7 [J · mol−1 ].
Das sind 2 Gleichungen für 2 Unbekannte x′1 und x′′1 . Man sieht sofort, dass die beiden Gleichungen
ineinander übergehen, wenn x′1 = 1 − x′′1 = x′′2 gesetzt wird.
Damit erhält man eine Bestimmungsgleichung für x′1 :
RT ln x′1 + a(1 − x′1 )2 = RT ln(1 − x′1 ) + ax′2
1
oder:
ln
x′1
a
=
(2x′1 − 1)
1 − x′1 RT
und aufgelöst nach T ergibt sich:
T (x′1 ) =
a (2x′1 − 1) a (2x′′2 − 1)
=
R ln x′1 ′
R ln x′′2 ′′
1−x
1−x
1
(6.51)
2
Das ist die thermodynamische Gleichgewichtskurve (Koexistenzkurve) für den 2-Phasenbereich
(T (x′1 ) = T (x′′1 )). Sie ist symmetrisch um x′1 = x′′2 = 0, 5 und ist graphisch in Abb. ?? als durchgezogene Kurve dargestellt.
138
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
Aus Gl. (??) lässt sich die kritische Entmischungstemperatur berechnen. Ein UCST-Punkt wird
bei x′1 = x′′1 = 0, 5 erreicht. Die dazugehörige Temperatur, die TUCST , wird durch eine Grenzwertbetrachtung von Gl. (??) bestimmt:


"
#
′
a
−
1
2x
a
2
′
1
 = TUCST = · lim
TUCST = ′lim T (x1 ) = ′lim 
′
1
R x′1 →0,5 x1′ + 1−x
x1 →0,5
x1 →0,5 R ln x1
′
′
1−x1
TUCST =
a 1
·
R 2
1
1
(6.52)
Dabei wurde von der Grenzwertbestimmung unbestimmter Ausdrücke nach der Regel von l’Hospital Gebrauch gemacht. Gl. (??) erhält man auch aus der Spinodalkurve nach Gl. (??) mit x1 =
x2 = 0, 5, da am Maximum Koexistenzkurve und Spinodalkurve zusammenfallen.
Die Phasen mit der Zusammensetzung x′1 und x′′1 (bzw. x′2 und x′′2 ), die im thermodynamischen
Gleichgewicht miteinander stehen, lassen sich auch graphisch interpretieren. In Abschnitt 5.9 (Gl.
(5.71)) hatten wir angegeben:
G = µ1 + x2
∂G
∂ x2
T,p
Diese Gleichung gilt auch, wenn man schreibt
∆GM = (µ1 − µ10 ) + x2
∂ ∆GM
∂ x2
(6.53)
mit ∆GM = (µ1 − µ10 )x1 + (µ2 − µ20 )x2 , wie man leicht überprüft.
Im Phasengleichgewicht muss gelten:
µ1′ − µ10 = µ1′′ − µ10
oder nach Gl. (??):
′
′′
∂ GM
′
′′
′
′′ ∂ ∆GM
= ∆GM − x2
∆GM − x2
∂ x2
∂ x2
(6.54)
Die Gleichheit der beiden Seiten dieser Gleichung erfordert, dass die gemeinsame Tangente (gestrichelte Gerade in Abb. ??) die Berührungspunkte x′1 und x′′1 (bzw. x′2 und x′′2 ) festlegt. Diese
Punkte bestimmen die Zusammensetzung der beiden im thermodynamischen Gleichgewicht vorliegenden flüssigen Phasen. Selbstverständlich ist Gl. (??) allgemein gültig und nicht von dem
speziellen Ansatz von ∆GM (Gl. (??)) abhängig, wo a > 0 eine Konstante und der Kurvenverlauf
symmetrisch ist.
Es werden auch andere Arten von Entmischungskurven beobachtet, z. B. solche mit einer unteren kritischen Entmischungstemperatur und solche mit je einem oberen und unteren Entmischungspunkt (sog. geschlossene Mischungslücke). Beispiele dafür zeigt Abb. ?? mit Triethylamin
(C6 H15 N)+ Wasser bzw. Nikotin (C10 H14 N2 ) + Wasser.
Wir wollen nun an einem Beispiel zeigen, dass sich (symmetrische) geschlossene Mischungslücken durch einen geeigneten Ansatz für die Temperaturabhängigkeit a = a(T ) im Ausdruck
139
6 Mischphasenthermodynamik
T
1 Phase
220°C
T
80°C
Phasen
22 Phasen
140°C
2 Phasen
50°C
60°C
20°C
1 Phase
1 Phase
0
1
0,5
0
0,5
1
w (C10H14N2)
w (C6H15N)
(b)
(a)
Abbildung 6.15: Flüssig-Flüssig Entmischungskurven (Koexistenzlinien) mit unterer kritischer
Entmischungstemperatur (a) (Triethylamin + H2 O) und mit oberer (UCST) und
unterer (LCST) Entmischungstemperatur (b) (Nicotin + H2 O)
für den Aktivitätskoeffizienten relativ leicht erzeugen lassen. Auch lassen sich allgemeine EigenE
schaften der molaren Exzessenthalpie H oberhalb und unterhalb geschlossener Mischungslücken
angeben.
E
Wir gehen davon aus, dass in der binären Mischung die Temperaturabhängigkeit von H , also
E
(∂ H /∂ T ) p , linear von der Temperatur abhängt. Wir machen folgenden Ansatz:
!
E
∂H
E
= C p = −2a2 · T · x1 (1 − x1 )
(6.55)
∂T
p
E
E
Man nennt (∂ H /∂ T ) p auch C p , die molare Exzessmolwärme. Den Proportionalitätsfaktor bezeichnen wir mit −2a2 .
Integration von Gl. (??) ergibt:
E
H = (a0 − a2 T 2 )x1 (1 − x1 )
wobei a0 eine Integrationskonstante ist.
E
Wir berechnen jetzt S :
Z
Z E
Cp
E
S =
· dT = −
2a2 · dT · x1 (1 − x1 )
T
= (−2a2 T − a1 )x1 (1 − x1 )
Hier ist −a1 eine weitere Integrationskonstante.
E
E
Einsetzen von H und S in die bekannte Gleichung
E
E
G = H −T ·S
140
E
(6.56)
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
ergibt:
E
G = (a0 + a1 T + a2 T 2 )x1 (1 − x1 )
und damit:
∆GM = (a0 + a1 T + a2 T 2 )x1 (1 − x1 ) + RT (x1 ln x1 + (1 − x1 ) ln(1 − x1 ))
Wir berechnen jetzt das chemische Potential in der bekannten Weise:
(µ1 − µ10 ) = ∆GM − x2
∂ ∆GM
= RT ln x1 + (a0 + a1 T + a2 T 2 )(1 − x1 )2
∂ x2
bzw.
µ1 = µ10 + RT ln x1 + a(T ) · (1 − x1 )2
und
µ2 = µ20 + RT ln(1 − x1 ) + a(T ) · x21
mit
RT · ln γ1 = a(T )(1 − x1 )2
bzw.
RT · ln γ2 = a(T ) · x21
wobei gilt:
a(T ) = a0 + a1 · T + a2 T 2
(6.57)
Die Form der Aktivitätskoeffizienten γ1 und γ2 ist also dieselbe wie bisher. Der Unterschied besteht
nur darin, dass a jetzt eine Funktion der Temperatur ist. Für die Koexistenzkurve gilt also (s. Gl.
(??)):
T (x′1 ) =
a(T ) (2x′1 − 1)
x′
R
ln 1−x1 ′
(6.58)
1
Wenn wir eine geschlossene Mischungslücke erhalten wollen, muss es einen oberen kritischen
Entmischungspunkt mit TUCST und einen unteren mit TLCST geben (s. das Beispiel in Abb. ??(b))
(LCST = Lower Critical Solution Temperature). Für beide Punkte muss jeweils in völliger Analogie zu Gl. (??) gelten:
aTUCST
aTLCST
= 2R · TUCST
= 2R · TLCST
Also gilt mit Gl. (??) für a(T ) :
2
2R · TUCST = a0 + a1 TUCST + a2 TUCST
(6.59)
141
6 Mischphasenthermodynamik
und
2
2R · TLCST = a0 + a1 TLCST + a2 TLCST
(6.60)
Subtraktion der beiden Gleichungen ergibt:
2
2
2R(TUCST − TLCST ) = a1 (TUCST − TLCST ) + a2 (TUCST
− TLCST
)
Wegen
2
2
TUCST
− TLCST
= (TUCST + TLCST )(TUCST − TLCST )
folgt:
2R = a1 + a2 (TUCST + TLCST)
(6.61)
Wir nehmen jetzt an, dass a(T ) am oberen kritischen Entmischungspunkt ein Maximum hat, um zu
gewährleisten, dass oberhalb TUCST keine Phasentrennung mehr auftreten kann. Also soll gelten:
da(T )
= 0 = a1 + 2a2 TUCST
(6.62)
dT
T =TUCST
Damit sind alle Parameter a0 , a1 und a2 festgelegt. Abb. ?? zeigt den Verlauf von a(T ). Mit den
Abbildung 6.16: Temperaturverlauf des Parameters a(T ) zur Berechnung der geschlossenen Mischungslücke in Abb. ??
Gl. (??), (??) und (??) lassen sich a0 , a1 und a2 durch TUCST und TLCST ausdrücken. Auflösen der
algebraischen Ausdrücke ergibt:
TLCST · TUCST
TUCST
+ 4R
·T
TUCST − TLCST
TUCST − TLCST
1
− 2R
·T2
TUCST − TLCST
a(T ) = −2R
142
(6.63)
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
Also:
TUCST · TLCST
TUCST − TLCST
TUCST
= 4R
TUCST − TLCST
1
= −2R
TUCST − TLCST
a0 = −2R
(6.64)
a1
(6.65)
a2
(6.66)
Wir suchen jetzt die Extremalwerte in der x′1 (T )-Funktion, d. h. die Temperaturen, wo dx′1 /dT = 0
ist. Wir trennen die Variablen T und x′1 in Gl. (??):
RT
(2x′ − 1)
= 1 x′ = F(x′1 )
a(T ) ln
1
1−x′
1
Differentiation nach T ergibt mit dx′1 /dT = 0:
′
d
RT
dF(x′1 )
dx1
=
·
=0
′
dT a(T )
dx1
dT
Also erhält man:
d
RT
R(a0 + a1 T + a2 T 2 ) − RT (a1 + 2a2 · T )
=0
=
dT a0 + a1 T + a2 T 2
(a0 + a1 T + a2 T 2 )2
Daraus ergibt sich (Max ist der Index für „Maximum“):
2
a0 = a2 · TMax
und somit
TMax =
r
a0 √
= TUCST · TLCST
a2
(6.67)
Einsetzen von TMax in Gl. (??) ergibt x′1,Max bzw. x′′1,Max bei T = TMax .
Man erhält also in der Tat eine geschlossene Mischungslücke, wie sie in Abb. ?? dargestellt ist.
E
Der Verlauf der Exzessenthalpie H ergibt sich aus Gl. (??) mit a0 und a2 aus Gl. (??) sowie
den Gln. (??) und (??):
2R
TUCST · TLCST
E
2
H =
T − 2R
x1 (1 − x1 )
TUCST − TLCST
TUCST − TLCST
Bei T = TUCST ergibt sich
E
H = 2R · TUCST · x1 (1 − x1 )
(6.68)
und bei T = TLCST
E
H = −2TLCST · x1 (1 − x1 )
(6.69)
143
6 Mischphasenthermodynamik
Abbildung 6.17: Geschlossene Flüssig-Flüssig Mischungslücke mit UCST = 400 K und LCST =
300 K (s. Text)
√
E
Bei T = TUCST · TLCST = TM wird H = 0.
E
H wechselt also sein Vorzeichen von positiven Werten für T > Tmax zu negativen Werten für
E
T < Tmax . Im Bereich der Mischungslücke (TLCST < T < TUCST ) ist H nur außerhalb der Mischungslücke, also im homogenen Bereich der Mischung, messbar. Abb. ?? illustriert das VerhalE
E
ten von H . Der gestrichelte Verlauf verbindet die Werte von H an den Rändern der MischungsE
lücke. Ausgangspunkt für diese Resultate war Gl. (??), in der eine lineare T -Abhängigkeit für C p
angenommen wurde.
Man kann weitere Fälle diskutieren:
a)
E
C p = a · x1 (1 − x1 ) 6= 0
wobei a nicht von T abhängt.
b)
E
Cp = 0
E
Im Fall b) kann keine geschlossene Mischungslücke mehr erhalten werden, da H keine Abhängigkeit von der Temperatur besitzt. Es gibt nur entweder einen oberen oder einen unteren kritischen Entmischungspunkt. Fall a) ist etwas komplizierter, aber er erlaubt bereits das Auftreten
144
6.6 Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewicht in binären Mischungen
E
Abbildung 6.18: Verlauf von H im Bereich einer geschlossenen Mischungslücke (s. Text)
einer geschlossenen Mischungslücke. Wir überlassen die Diskussion dieses Falles einer Übungsaufgabe.
Kompliziertere Gestalten von Mischungslücken mit asymmetrischem Verhalten wie z. B. in
Abb. ?? können durch Erweiterung des Ansatzes für den Aktivitätskoeffizienten in Abhängigkeit
des Molenbruches erhalten werden.
Die Druckabhängigkeit von Flüssig-Flüssig-Phasengleichgewichten kann mit dem einfachen
Ansatz für ln γi formuliert werden. Statt der T -Abhängigkeit muss nur eine geeignete p-Abhängigkeit des Parameters a eingeführt werden. Diese hängt mit den partiellen molaren Volumina der
Komponenten in folgender Weise zusammen.
Es gilt ja:
∂ (µi − µi0 )
∂ ln γi
= V i −V i0 = RT
(i = 1 oder 2)
∂p
∂p
Mit dem Ansatz
RT ln γ1 = a(1 − x1 )2
folgt:
RT
∂ ln γ1
∂p
=
∂a
∂p
T
(1 − x1 )2 = V 1 −V 10
Die Druckabhängigkeit von a hängt also mit den partiellen molaren Volumina und den Molvolumina der reinen Stoffe zusammen. Ist Vi = Vi0 , gibt es keine Druckabhängigkeit des Phasengleichgewichts.
145
6 Mischphasenthermodynamik
Eine allgemeine Diskussion über das Verhalten thermodynamischer Eigenschaften am oberen
und unteren kritischen Entmischungspunkt sowie ihrer Druckabhängigkeit findet sich in Anhang
A12 und A13.
6.7 Stoffbilanz binärer Mischungen im 2-Phasengleichgewicht
Wir wollen allgemein den Bereich eines binären Systems, in dem zwei Phasen auftreten, etwas genauer betrachten. Geht man z. B. im Dampfdruckdiagramm in Abb. ?? aus dem flüssigen Bereich
bei x1 mit sinkendem Druck p in den 2-Phasenbereich hinein, so erfolgt eine Aufspaltung in die
Flüssigphase mit dem Molenbruch x1 und der Dampfphase mit dem Molenbruch y1 .
Man kann folgende Bilanz für die Gesamtmolzahl nT aufstellen (Index T = total):
nT = n′1 + n′′1 + n′2 + n′′2
Der Doppelstrich kennzeichnet die Molzahlen in der Dampfphase, der Einfachstrich die in der
flüssigen Phase.
Damit ergibt sich:
y1 = n′′1 /(n′′1 + n′′2 )
x1 = n′1 /(n′1 + n′2 )
und für den Gesamtmolenbruch des binären Systems gilt:
x1 = (n′1 + n′′1 )/nT
Also kann man schreiben:
n′1 + n′′1 = x1 · nT
= (n′1 + n′2 )x1 + (n′′1 + n′′2 ) · y1
= (n′1 + n′2 )x1 + (nT − n′1 − n′2 ) · y1
Da (n′1 + n′2 )x1 = n′1 und (n′′1 + n′′2 )y1 = n′′1 , folgt:
nT (x1 − y1 ) = (n′1 + n′2 ) · (x1 − y1 )
und damit
n′1 + n′2 y1 − x1
b
=
=
nT
y1 − x1 a + b
(6.70)
b/(a + b) ist der Bruchteil von nT in der flüssigen Phase (s. Abb. ??).
Entsprechend gilt durch Ersetzen von ′ durch ′′ und x1 durch y1 :
n′′1 + n′′2
x1 − x1
a
=
=
nT
x1 − y1 a + b
(6.71)
a/(a + b) ist der Bruchteil von nT in der Gasphase (s. Abb. ??).
Den Zusammenhang von x1 , x1 und y1 kann man auch in einer linearen Beziehung zusammenfassen.
146
6.8 Osmotisches Gleichgewicht
Dazu schreibt man:
n′1 + n′2
n′
n′′ + n′′2
n′′
n′
n′′
· ′ 1 ′ + 1
· ′′ 1 ′′ = 1 + 1 = x1
nT
nT
nT nT
n1 + n2
n1 + n2
| {z }
| {z }
x1
y1
Somit ergibt sich mit Gl. (??) und (??):
x1 =
b
a
· x1 +
· y1
a+b
a+b
(6.72)
Das ist das sog. Hebelgesetz (engl. „Lever rule“), das den Zusammenhang von x1 , x1 und y1 im
Phasengleichgewicht binärer Systeme angibt.
Völlig analog lassen sich Siedediagramme Abb. (??) oder Flüssig-Flüssig 2-Phasendiagramme
Abb. (??) behandeln, um die Mengenbilanzen zwischen den beiden Phasen aufzustellen. Auch
hier lassen sich Gl. (??) und Gl. (??) direkt anwenden und es gilt allgemein das „Hebelgesetz“
nach Gl. (??).
6.8 Osmotisches Gleichgewicht
Wir betrachten 2 flüssige Phasen, die durch eine sog. semipermeable Membran voneinander
getrennt sind (s. Abb. ??). Die Membran lässt nur Moleküle der Sorte 1 hindurch (z. B. Wasser),
aber keine der Sorte 2 (z. B. Glucose).
p0
H2O(1)
Glucose(2)
+ H2O(1)
p0+p
semipermeable
Membran
Abbildung 6.19: Schematische Darstellung zur Entstehung des osmotischen Druckes π
In der rechten Kammer befindet sich eine Mischung von 1 + 2 mit den Molzahlen n1 und n2 , in
der linken befindet sich die reine Flüssigkeit 1 mit der Molzahl n′1 .
Statt Glucose kann Komponente 2 auch ein Salz wie NaCl oder ein Polymeres sein.
Als Membranen werden häufig Cellulosetriazetat-Membranen oder Polyamid-Membranen verwendet, die praktisch nur für H2 O durchlässig sind.
Ein thermodynamisches Gleichgewicht bei T = T ′ = const stellt sich nur bezüglich der Komponente 1 ein:
µ1′ = µ1
Mit ∂∂µp1 = V 1 , dem partiellen molaren Volumen der Komponente 1, gilt auf der rechten Seite:
µ1 = µ10 + RT ln(x1 γ1 ) +
Zp
V 1d p
p0
147
6 Mischphasenthermodynamik
wobei µ10 und γ1 die Werte von µ10 und γ1 beim Druck p0 sind. Auf der linken Seite gilt:
µ1′ = µ10
Damit Gleichgewicht herrscht, muss soviel Komponente 1 in die rechte Seite eindringen, bis der
Druck p einen Wert erreicht, der gewährleistet, dass µ1′ = µ1 .
Wenn V 1 als druckunabhängig angenommen wird, ergibt sich also:
V 1 · π = −RT ln(γ1 x1 )
(6.73)
π = p − p0 heißt die osmotische Druckdifferenz oder kurz: der osmotische Druck.
Der Druck in beiden Phasen ist also verschieden. Das widerspricht nicht den Gleichgewichtsbedingungen (s. Gl. (5.74)), denn die gelten mit p′ = p′′ = p′′′ = . . . , nur dann, wenn alle Komponenten in allen Phasen vorkommen und die Phasengrenzen durchdringen können! Genau das ist
jedoch bei einer semipermeablen Membran als Phasengrenze nicht der Fall.
Einsetzen der Reihenentwicklung (s. Abschnitt 6.5.) für RT ln γ1 in Gl. (??) ergibt dann:
V 1 · π = −RT ln(1 − x2 ) − a2 x22 − a3 · x32 + · · ·
Entwickelt man den Logarithmus in eine Taylor-Reihe um x2 = 0
ln(1 − x2 ) = −x2 −
x22 x32
− − ···
2
4
gilt bei kleinen Werten von x2 :
1
2
V 1 · π = RT x2 +
− a2 x2 + · · ·
2
Bei sehr hoher molarer Verdünnung (x2 ≪ 1) kann man auch den x22 -Term weglassen:
V1 ·π ∼
= RT · x2
oder, da n1 ≫ n2 :
π=
RT
RT
n2
RT n2
n2
· x2 =
≈
· = RT
V
V1
V 1 n1 + n2
V 1 n1
Es gilt n1 ·V 1 ∼
= V , wobei V das Gesamtvolumen der Lösung bedeutet.
Also ergibt sich für den Fall „unendlich hoher Verdünnung“:
π = RT ·
m 2
V
·
1
M2
(6.74)
Das ist die Gleichung nach van’t Hoff für den osmotischen Druck.
Hier ist m2 die im Lösemittelvolumen V gelöste Masse des Stoffes 2 und M2 ist seine Molmasse.
Gl. (??) kann zur Bestimmung von unbekannten Molmassen M2 durch Messung des osmotischen
Druckes π verwendet werden. Voraussetzung ist, dass nur das Lösemittel 1 permeabel ist und nicht
der gelöste Stoff.
148
6.8 Osmotisches Gleichgewicht
In der Praxis geht man so vor, dass
1
π
=
+ B′(T ) · ρ2 + · · ·
RT · ρ2 M2
geschrieben wird.
B′ heißt der zweite osmotische Virialkoeffizient in Analogie zur Virialentwicklung bei Gasen. ρ2
ist die Massendichte des gelösten Stoffes, also m2 /V . Trägt man also Messwerte von π /(RT · ρ2 )
gegen ρ2 auf, so erhält man bei nicht zu großen Werten von ρ2 eine Gerade. Der Achsenabschnitt
ergibt 1/M2 und die Steigung den Wert für B′(T ) .
Die Osmose spielt in biologischen Systemen eine große Rolle. Auch bei der Meerwasserentsalzung zur Gewinnung reinen Wassers wird der Effekt des osmotischen Drucks in der sog. Umkehrosmose angewandt. Anwendungsbeispiele zur Osmose werden in Abschnitt 6.16 behandelt.
149
7 Chemische Gleichgewichte
7.1 Chemische Gleichgewichtsbedingungen
Wenn bei einer chemischen Reaktion, z. B. α A + β B → γ C + δ D, die von links nach rechts abläuft, im Laufe dieser Reaktion auch die Rückreaktion γ C + δ D → α A + β B eintritt, so dass sich
ein zeitlich konstantes Gleichgewicht einstellt, spricht man vom chemischen Gleichgewicht und
schreibt:
αA + β B ⇋ γC + δ D
(7.1)
Allgemein kann man formulieren
∑ Eiνi ⇋ ∑ Piνi′
(7.2)
wobei νi die stöchiometrischen Koeffizienten der Edukte Ei und νi′ die stöchiometrischen Koeffizienten der Produkte Pi bedeuten. So ist z. B. bei der bekannten Ammoniaksynthesereaktion
N2 + 3H2 ⇋ 2NH3
E1 = N2 , E2 = H2 mit ν1 = 1 und ν2 = 3 bzw. P1 = NH3 mit ν1′ = 2.
In vielen Fällen jedoch läuft in einer Mehrkomponentenmischung keine messbare chemische
Reaktion ab, z. B. ist eine Gasmischung aus N2 und H2 bei Raumtemperatur und ohne Katalysator völlig stabil, es findet in endlicher Zeit keine Reaktion statt. In anderen Fällen, z. B. bei der
Dissoziation von Wasser:
H2 O ⇋ 2H2 + O2
ist nach beliebig langen Zeiten bei Raumtemperatur keine Spur von H2 oder O2 zu finden. Es
gibt also zwei wesentliche, sehr unterschiedliche Gründe, warum denkbare chemische Reaktionen
nicht stattfinden:
1. Die Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichtes geht so langsam vonstatten, dass
ein Umsatz nicht beobachtet wird. Erst bei Zugabe eines geeigneten Katalysators stellt
sich möglicherweise ein Gleichgewicht mit messbaren Konzentrationen von Edukten und
Produkten ein.
2. Das Gleichgewicht stellt sich zwar ein, aber es sind keine Edukte (bzw. Produkte) nachweisbar, weil das Gleichgewicht praktisch vollständig auf einer Seite liegt, also in obigem
Beispiel beim H2 O-Dampf ganz auf der Eduktseite.
In der Thermodynamik beschäftigen wir uns mit chemischen Reaktionen unter der Annahme, dass das chemische Gleichgewicht sich einstellt (unter Umständen mit Hilfe eines Katalysators). Die wichtige Frage lautet:
150
7.1 Chemische Gleichgewichtsbedingungen
Wie wird mit Hilfe der thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten die Lage des Gleichgewichtes
festgelegt und wie lassen sich die Konzentrationen im chemischen Gleichgewicht berechnen?
Dazu gehen wir von den in Abschnitt 5.7 formulierten Gleichgewichtsbedingungen aus.
Es liege also eine Mischung von Edukten Ei und Produkten Pi vor, die entsprechend Gl. (??)
durch ihre chemische Stöchiometrie miteinander verbunden sind, d. h., die Molzahlen ni von Ei
und Pi sind nicht unabhängig voneinander, sie sind durch die bereits in Abschnitt 4.4 eingeführte
Reaktionslaufzahl ξ miteinander verknüpft:
dni = νi d ξ
Im Beispiel von Gl. (??) ist ν1 = −α , ν2 = −β , ν3 = +ν1′ = +γ , ν4 = +ν2′ = +δ .
Um die Gleichgewichtslage zu ermitteln, schreiben wir jetzt für das totale Differential von G in
einem offenen System ausgehend von Gl. (5.45) (mit dli = 0):
!
∑ νi · µi
dG = −SdT +V d p +
i
· d ξ + ∑ µ j dn j
j
wobei in der Summe über i sowohl über die Edukte wie die Produkte summiert wird, νi ist definitionsgemäß negativ für Edukte und positiv für die Produkte. Die Summe über j betrifft Komponenten der Mischung, die nicht an der Reaktion teilnehmen (z. B. Lösemittel bzw. Inertgase). Gehen
wir vom offenen zum geschlossenen System über, verschwindet die zweite Summe über j, da für
alle j gilt, dass dn j = 0. Damit wird die Reaktionslaufzahl ξ im geschlossenen System neben T
und p zunächst zu einer weiteren Systemvariablen. Man schreibt auch
− ∑ νi µi = Ar
(7.3)
i
wobei Ar als Affinität bezeichnet wird.
Jetzt wenden wir die Gleichgewichtsbedingung Gl. (5.39) an
dGT,p,n j = 0
(7.4)
d. h., bei T = const, p = const sowie bei konstanten Molzahlen n j der nicht an der Reaktion
beteiligten Komponenten muss dG als Funktion der Variablen ξ ein Minimum einnehmen. Das
heißt, es gilt:
dG = 0 = ∑(νi µi ) · d ξ
(7.5)
oder
−Ar = ∑ νi µi = 0
(p = const, T = const, n j = const)
(7.6)
Abb. ?? zeigt den Verlauf von G als Funktion von ξ bei (T = const und p = const) schematisch.
Die Bedingung Gl. (??) legt die Lage des chemischen Gleichgewichts fest, dort ist ξ = ξe (Index
e : equilibrium). Sie folgt übrigens ebenso aus den Bedingungen dSU,V,n j =0 oder dUS,V,n j =0 oder
dFV,T,n j =0 , allerdings unter den entsprechend anderen Randbedingungen, die z. B. bei dF = 0
besagen, dass T und V konstant sind, bei dS = 0, dass U und V konstant sind.
151
7 Chemische Gleichgewichte
G
xe
x
Abbildung 7.1: Freie Enthalpie G einer reaktiven Mischung in Abhängigkeit von der Reaktionslaufzahl ξ
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Reaktionslaufzahl ξ auch im geschlossenen System keine neue Zustandsvariable ist, jedenfalls nicht, wenn chemisches Gleichgewicht herrscht, denn unter Gleichgewichtsbedingungen ist ja ξ durch den entsprechenden Gleichgewichtswert ξe festgelegt und nicht mehr frei variabel. Man bezeichnet Hilfsgrößen wie ξ als
sog. „innere Parameter“. Bereits in Abschnitt 5.7 hatten wir diesen Begriff eingeführt.
7.2 Homogene chemische Gleichgewichte in der idealen Gasphase
Wir wollen Gleichung (??) bzw. (??) zunächst auf Gasreaktionen unter der vereinfachenden Annahme der Gültigkeit des idealen Gasgesetzes anwenden. Für das chemische Potential µi gilt in
der idealen Gasphase (s. Gl. (??)):
µi = µi0 (T, p = 1bar) + RT ln pi
wobei pi der Partialdruck der Komponente i bedeutet.
Eingesetzt in Gl. (??) folgt im Fall der Reaktion α A + β B ⇋ γC + δ D:
γ
−
p · pδ
γ µC0 + δ µD0 − α µA0 − β µB0
= ln C Dβ
RT
pαA · pB
oder:
γ
pC · pδD
β
pαA · pB
γ
=
yC · yδD
β
yαA · yB
0
· pγ +δ −α −β = K pid = e−
∆G0R
RT
(7.7)
0
wobei man ∆GR = ∑ νi µi0(T,p=1) als Freie Standardreaktionsenthalpie bezeichnet. ∆GR hängt
nur von der Temperatur T ab. yi sind die Molenbrüche der Reaktionspartner (i = A, B,C, D).
id
Gl. (??) ist das Massenwirkungsgesetz und K p(T
) ist die druckunabhängige Gleichgewichtskonstante für Gasreaktionen in der idealen Gasphase. Wir geben zwei Beispiele:
152
7.2 Homogene chemische Gleichgewichte in der idealen Gasphase
Beispiel 1:
Die Jodwasserstoffbildungsreaktion, die zu den bekanntesten Gasgleichgewichtsreaktionen gehört, lautet:
J2 + H2 ⇋ 2HJ
Es gilt somit nach Gl. (??):
id
−
K p(T
)=e
∆G0R
RT
=
p2HJ
y2HJ
=
pJ2 · pH2
yJ2 · yH2
(7.8)
mit
0
0
∆GR = 2µHJ
− µH0 2 − µJ02
0
Man sieht: ist ∆GR bekannt, kann K pid berechnet werden, die Zusammensetzung yHJ , yH2 , yJ2 im
Gleichgewicht unterliegt (wenn keine weiteren Komponenten n j vorliegen) der Bedingung: yHJ +
yJ2 + yH2 = 1.
Beispiel 2:
Die berühmte Ammoniaksynthesereaktion, die auch heute noch eine der wichtigsten industriellen Prozesse darstellt, lautet:
N2 + 3H2 ⇋ 2NH3
Hier gilt nach Gl. (??):
id
−
K p(T
)=e
∆G0R
RT
=
p2NH3
pN2 · p3H2
=
y2NH3
yN2 · y3H2
·
1
p2
(7.9)
mit
0
0
∆GR = 2µNH
− 3µH0 2 − µN0 2
3
Es hängt also in diesem Beispiel die Gleichgewichtszusammensetzung außer von K pid (d. h. von
T ) auch noch vom Druck p ab. Bei gegebener Temperatur ist bei höherem Druck p des Systems der
Molenbruch von NH3 auch höher. Natürlich gilt immer yH2 + yN2 + yNH3 = 1, so dass entsprechend
bei Druckerhöhung yH2 und yN2 kleiner werden. Man wird also versuchen, bei hohem Druck zu
arbeiten, wenn man Ammoniak herstellen will.
Wir wollen nun den Wert der Reaktionslaufzahl im chemischen Gleichgewicht ξe ermitteln und
daraus die Molenbrüche yi . Wie dies geschieht, soll zunächst am Beispiel des Dissoziationsgleichgewichtes
N2 O4 ⇋ 2NO2
in der Gasphase erläutert werden.
Wenn anfangs nur Edukte, d. h., n0 Mole N2 O4 vorhanden sind, ist die Reaktionslaufzahl ξ = 0.
Wenn ξ > 0 ist, befinden sich auf der
Eduktseite :
Produktseite :
n0 (1 − ξ ) Mole
n0 · 2 ξ Mole
153
7 Chemische Gleichgewichte
Die Summe beider Seiten ergibt die Gesamt-Molzahl in der Reaktionsmischung im Zustand ξ :
n0 (1 + ξ ) = Gesamtmolzahl
Im thermodynamischen Gleichgewicht ist ξ = ξe , und es gilt demnach für die Molenbrüche yi im
Gleichgewicht:
yN2 O4
=
yNO2
=
n0 (1 − ξe ) 1 − ξe
=
n0 (1 + ξe ) 1 + ξe
n0 · 2 ξe
2 ξe
=
n0 (1 + ξe ) 1 + ξe
Also ergibt sich für das Gasgleichgewicht:
K pid =
p2NO2
[2ξe /(1 + ξe )]2
4ξe2
4ξe2
= p·
=p
=p
pN2 O4
[(1 − ξe )/(1 + ξe )]
(1 − ξe )(1 + ξe )
1 − ξe2
(7.10)
Damit kann ξe als Funktion von K pid und p angegeben werden:
ξe = h
1
(7.11)
i1/2
1 + K4id · p
p
Der Verlauf von ξe als Funktion von p ist für verschiedene Werte von K pid in Abb. ?? dargestellt.
Ähnlich verfährt man mit dem schon besprochenen Gasgleichgewicht der Ammoniaksynthesereaktion (Gl. (??)), wenn z. B. anfangs n0 Mole N2 und ebenfalls n0 Mole H2 vorhanden sind. Die
Bilanzen lauten:
Eduktseite :
Produktseite :
n0 (1 − ξ ) + n0(1 − 3ξ ) = Molzahl N2 + Molzahl H2
n0 · 2ξ = Molzahl NH3
Es gilt also:
n0 (2 − 2ξ ) = Gesamtmolzahl
Damit ergibt sich für die Gleichgewichtsbedingung:
K pid
=
p2NH3
pN2 · p3H2
= p−2 ·
4ξe2 (2 − 2ξe )2
(1 − ξe )(1 − 3ξe )3
(7.12)
Wir lösen dazu als Beispiel folgende Aufgabe.
Welcher Gesamtdruck p muss bei 400 ◦ C herrschen, damit 10 % einer anfangs eingesetzten
äquimolaren Gasmischung von N2 und H2 in NH3 umgewandelt werden? Welchen Wert haben die
Molenbrüche yH2 , yN2 und yNH3 ? Bei 400 ◦ C hat K pid den Wert 1, 6 · 10−4 [bar−2 ]. Zunächst besagt
die Aufgabenstellung also, dass ξe den Wert 0,1 haben soll.
Einsetzen in Gl. (??) ergibt:
1, 6 · 10−4 =
154
4(0, 1)2 (1, 8)2 −2
·p
(0, 9) · (0, 7)3
7.2 Homogene chemische Gleichgewichte in der idealen Gasphase
Abbildung 7.2: Reaktionslaufzahl im Gleichgewicht ξe als Funktion von p für eine Dissoziationsreaktion A2 ⇋ 2A für verschiedene Werte von K pid
Auflösen nach p ergibt:
p = 51, 2 bar
Die Molenbrüche im chemischen Gleichgewicht sind:
yH2
=
yN2
=
yNH3
=
1 − 3ξe
= 0, 389
2(1 − ξe )
1 − ξe
= 0, 500
2(1 − ξe )
2ξe
= 0, 111
2(1 − ξe )
Wir wollen nun die Beschreibung chemischer Gleichgewichte von Gasreaktionen verallgemeinern. Anfangs sollen beliebige Molzahlen für jeden Reaktionsteilnehmer vorliegen. Die Molzahlen
der Edukte bezeichnen wir mit ni0 , die der Produkte mit n j0 .
Dann lautet die Molzahl des Eduktes i im Zustand ξ der Reaktion:
ni0 − νi ξ
155
7 Chemische Gleichgewichte
für alle Edukte i.
Die Molzahl des Produktes j im Zustand ξ lautet entsprechend
n j0 + ν j ξ
für alle Produkte j.
Wir definieren also wieder die Stöchiometriefaktoren νi der Edukte als negative Zahlen, die
der Produkte ν j als positive Zahlen.
Nach dieser Vereinbarung benötigen wir nur einen Index k, und für jede an der Reaktion beteiligte Komponente k gilt:
nk0 + νk · ξ = Molzahl von k
Nun wollen wir auch zulassen, dass es inerte Komponenten gibt, die nicht an der Reaktion teilnehmen.
Dann gilt:
ninert + ∑ nk0 + ξ ∑ νk = Gesamtmolzahl
k
k
Damit kann man die Gleichgewichtskonstante K p in ganz allgemeiner Weise folgendermaßen angeben:
∑ νk
K pid = p
k
∑ νk
· ∏ yνk k = p
k
k
∏k (nk0 + νk · ξe )νk
·
ninert + ∑ nk0 + ξe ∑ νk
k
k
!∑ νk
k
oder:



id
Kp = 


∑ νk
p
ninert + ∑ nk0 + ξe ∑ νk
k
k


!


k
· ∏(nk0 + νk · ξe )νk
(7.13)
k
Wir wenden zur Übung Gl. (??) auf die Reaktion
CO + 2H2 ⇋ CH3 OH
an, die sich bei 500 K mit einem Katalysator ins Gleichgewicht bringen lässt. Der Wert von K pid
bei 500 K ist 6, 23 · 10−3 [bar−2 ]. Vorgegeben ist p = 100 bar sowie n0,CO = 1 Mol, n0,H2 = 2 Mol,
n0,CH3 OH = 0 Mol. Ferner ist ninert = 0. Es gilt dann:
−2
p
ξe
id
Kp =
·
3 − 2ξe
(1 − ξe )(2 − 2ξe )2
1 2 ξe (3 − 2ξe )2
=
·
= 6, 23 · 10−3
100
4 · (1 − ξe )3
156
7.2 Homogene chemische Gleichgewichte in der idealen Gasphase
Die Lösung für ξe kann nur numerisch erhalten werden. Das Resultat ist:
ξe = 0, 817 . . . ,
Für die einzelnen Molenbrüche im Gleichgewicht ergibt sich dann:
yCO =
yH2
=
yCH3 OH =
1 − ξe
= 0, 134
(3 − 2ξe )
2(1 − ξe )
= 0, 268
(3 − 2ξe )
ξe
= 0, 598
(3 − 2ξe )
Wir untersuchen jetzt dasselbe System unter denselben Bedingungen von Druck (100 bar) und
Temperatur (500 K), nur soll jetzt zusätzlich 1 Mol N2 enthalten sein.
Nach Gl. (??) gilt dann im Gleichgewicht mit der inerten Komponente N2 :
−2
p
ξe
id
Kp =
·
4 − 2ξe
(1 − ξe )(2 − 2ξe )2
2
ξe (2 − ξe )2
1
=
·
= 6, 23 · 10−3
100
(1 − ξe )3
Die Lösung für ξe ist jetzt 0,735 und für die Molenbrüche ergibt sich jetzt:
yCO =
yH2
=
yCH3 OH =
yN2
=
1 − ξe
(4 − 2ξe )
2(1 − ξe )
(4 − 2ξe )
ξe
(4 − 2ξe )
1
(4 − 2ξe )
= 0, 105
= 0, 210
= 0, 291
= 0, 394
Wir hatten bereits festgestellt, dass K pid nicht vom Druck, sondern nur von der Temperatur abhängt. Der Grund ist, dass µi0 beim Bezugszustand von p = 1 bar definiert ist und somit nur noch
von T abhängt. Die Temperaturabhängigkeit von K pid lässt sich nun schreiben:
!
!
!
0
0
0
d ln K pid
∆GR
∆GR
1
d∆GR
= −d
/dT =
−
dT
RT
RT 2 RT
dT
Nach der Gibbs-Helmholtz-Gleichung gilt nun (s. Gl. (5.54)):
0
0
∆GR − T
d∆GR
0
= ∆H R
dT
so dass man erhält:
!
0
d ln K pid
∆H R
=
dT
RT 2
(7.14)
157
7 Chemische Gleichgewichte
Das ist die sog. van’t Hoff’sche Gleichung für die Temperaturabhängigkeit von K pid .
0
0
∆H R = ∑ νi H i ist die Standardreaktionsenthalpie (s. Abschnitt 4.4). Sie lässt sich also aus der
Temperaturabhängigkeit von ln K pid ermitteln. Damit ergibt sich eine Vergleichsmöglichkeit mit ka0
0
lorimetrisch ermittelten Werten von ∆H R . Beide Wege zur Bestimmung von ∆H R müssen dasselbe
experimentelle Resultat ergeben. Diesen Vergleich der mit verschiedenen Methoden bestimmten
0
Werte von ∆H R nennt man einen thermodynamischen Konsistenztest.
Es erhebt sich jetzt die Frage: kann man K p (T ) vorausberechnen, ohne dass man die Gleichgewichtszusammensetzung der reaktiven Mischung messen muss? Das ist eine sehr wichtige Frage,
da solche Messungen oft sehr aufwendig sind und man in manchen Fällen nicht sicher sein kann,
ob das chemische Gleichgewicht sich wirklich eingestellt hat.
0
Da K p durch den Wert von ∆GR (T ) eindeutig festgelegt ist, lautet die Antwort: es genügt, die
0
Standardwerte µi0 (T ) = Gi (T ), also die freien molaren Enthalpien im reinen Zustand bei p = 1
bar der einzelnen Reaktionsteilnehmer, also der Edukte und Produkte, zu kennen, dann kann K p
sofort über
0
K p = e−∆GR (T )/RT
0
0
angegeben werden, da ja ∆GR (T ) = ∑ νi Gi (T ). Konsequenterweise lautet dann die nächste Frage:
0
woher kennt man die Werte von Gi (T ) bei 1 bar? Hier ergibt sich die Antwort aus folgendem
Zusammenhang.
0
Für Gi (T ) gilt ja:
0
0
0
0
Gi (T ) = H i (T ) − T · Si (T )
H i (T ) wird gleich der molaren Bildungsenthalpie der Verbindung aus ihren Elementen, also gleich
0
∆ f H i (T ) gesetzt (s. Abschnitt 4.5) und bezieht sich auf den Zustand des idealen Gases bei 1 bar.
Entsprechendes gilt für die freie Enthalpie Gi0 (T ), sie wird mit der freien Standardbildungsenthal0
0
0
pie ∆ f Gi (T ) identifiziert (s. Abschnitt 5.12). Es gilt ebenso wie bei ∆ f H i (T ), dass ∆ f Gi (T ) bei
T = 298,15 K und 1 bar für alle Elemente i in ihrem bei diesen Bedingungen thermodynamisch
stabilen Zustand gleich Null gesetzt wird. Ist der thermodynamische Zustand einer chemischen
Verbindung bei T = 298,15 K und 1 bar ein kondensierter Zustand, dann ist der Dampfdruck im
Gleichgewicht offensichtlich kleiner als 1 bar. In diesem Fall wird eine Korrektur des Dampfes
(Unterschied zwischen Fugazität und Druck) auf den Druck des entsprechenden idealen Gases bei
1 bar durchgeführt. Es gilt also allgemein:
0
0
0
∆ f Gi (298) = ∆ f H i (298) − 298, 15∆ f Si (298)
0
Werte von ∆ f Si (298) werden in der Regel nicht angegeben (s. Abschnitt 5.12), da im Fall der
Entropie sich sowohl bei den Elementen als auch bei den Verbindungen die absoluten Werte der
Entropie ermitteln lassen. Näheres wird in Abschnitt 10 (3. Hauptsatz der Thermodynamik) mitgeteilt.
So ist z. B. die absolute (sog. konventionelle molare) Entropie
von HCl
von H2
von Cl2
158
0
SHCl (298) = 186, 908 J · mol−1 · K−1 ,
0
SH2 (298) = 130, 684 J · mol−1 · K−1 ,
0
SCl2 (298) = 223, 066 J · mol−1 · K−1 .
7.2 Homogene chemische Gleichgewichte in der idealen Gasphase
Damit lässt sich für die Standardreaktionsentropie bei 298 K für die HCl-Bildungsreaktion aus
0
H2 und Cl2 ∆SR,HCl (298) berechnen:
1 0
1 0
0
0
∆SR,HCl (298) = SHCl (298) − SH2 (298) − SCl2 (298)
2
2
= 10, 033 J · mol−1 · K−1
0
0
Der Wert von ∆H R,HCl (298) ist identisch mit ∆ f H HCl (298), er beträgt - 92,307 kJ · mol−1 (s.
Tabelle A7.3). Damit folgt:
0
∆GR,HCl (298) = −92, 307 − 298, 15 ·
10, 033
1000
= −95, 298kJ · mol−1
Ähnlich wird in anderen Fällen verfahren. Auf diese Weise können für beliebige chemische Gas0
0
0
reaktionen die Standardreaktionsgrößen ∆GR (298), ∆H R (298) und ∆SR (298) mit Hilfe von tabel0
0
lierten Werten der Standardbildungsgrößen ∆ f Gi (298), ∆ f Hi0 (298) und Si (298) leicht berechnet
werden. Eine Auswahl von Standardbildungsgrößen ist in Anhang 7 wiedergegeben. Zusätzlich
sind noch Werte der Molwärme C p 298 angegeben. Wenn in der Tabelle der Index (g) hinter dem
Formelzeichen steht, handelt es sich dabei also um die entsprechenden thermodynamischen Werte
im idealen Gaszustand bei 298,15 K und 1 bar. Für die Standardbildungsgrößen einer idealen
Gasreaktion gilt also bei 298 K:
0
0
∆GR (298) = ∑ νi ∆ f Gi (298)
0
0
∆H R (298) = ∑ νi ∆ f H i (298)
0
0
∆SR (298) = ∑ νi Si (298)
0
0
∆C pR (298) = ∑ νiC pi (298)
(7.15)
0
Will man ∆GR bei einer anderen Temperatur T 6= 298 K bestimmen, so gilt zunächst:
0
∆GR (T ) =
0
∆H R (298) +
ZT
298
0
0
∆C pR dT − T ∆SR (T )
Mit
0
∆SR (T )
0
= ∆SR (298) +
ZT
0
∆C pR
dT
T
298
ergibt sich dann:
0
∆GR (T ) =
0
∆H R (298) +
ZT
298
0
∆C pR dT
−T
ZT
298
0
∆C pR
0
dT − T ∆SR (298)
T
(7.16)
159
7 Chemische Gleichgewichte
und da gilt:
0
0
0
∆SR (298)
∆H R (298) − ∆GR (298)
=
298
so folgt schließlich:
0
∆GR (T )
0
= ∆H R (298) +
ZT
0
∆C pR dT
298
−T
ZT
298
0
o
∆C pR
T n 0
0
dT −
∆H R (298) − ∆GR (298) (7.17)
T
298
Damit kann man die freie Standardreaktionsenthalpie ∆GR (T ) für eine beliebige Gasreaktion bei
0
vorgegebener Temperatur T berechnen. Unter der Annahme, dass ∆C pR nicht von der Temperatur
abhängt, ergibt sich:
T
0
0
0
0
∆GR (T ) = ∆H R (298) + ∆C pR (298)(T − 298) − T ∆C pR (298) ln
−
298
T 0
0
∆H R (298) − ∆GR (298)
298
(7.18)
0
Als Beispiel wollen wir die Ammoniaksynthesereaktion behandeln und ∆GR und K p bei 400 ◦ C
= 673,15 K berechnen. Mit Hilfe der Tabelle in Anhang 7 findet man:
0
∆GR (298) = 2 · (−16, 45 · 103 ) − 3 · 0 − 1 · 0 = −32, 9 kJ · mol−1
0
∆H R (298) = 2 · (−45, 11) · 103 − 3 · 0 − 1 · 0 = −92, 22 kJ · mol−1
0
∆C pR
= 2 · 35, 06 − 3 · 28, 824 − 1 · 19, 125 = −45, 48 J · mol−1 · K−1
Damit ergibt sich:
0
673 − 298 673
673 673
+ 3 · 45, 48 · ln
−
(−92, 22 + 32, 9)
3
10
10
298 298
= −109, 28 + 24, 93 + 133, 97
∆GR (673) = −92, 22 − 45, 48
0
∆GR (673) = +49, 62 kJ · mol−1
49620
K673 = e− 8,314·673 = 1, 41 · 10−4 [bar−2 ]
Im Anschluss an Gl. (??) wurde K pid für die Ammoniaksynthesereaktion zu 1, 6 · 10−4 [bar−2 ] bei
400 ◦ C = 673 K angegeben. Der Unterschied zu dem hier berechneten Wert von 1, 41·10−4 [bar−2 ]
beruht auf der gemachten Annahme, dass ∆C pR im Bereich zwischen 298 K und 673 K nicht von
der Temperatur abhängt. Das ist aber nicht ganz der Fall. Berücksichtigt man diese Temperaturabhängigkeit, erhält man den korrekten Wert von 1, 6 · 10−4 [bar−2 ].
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