Musterveranstaltung Bäume

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Gekürzter Auszug aus:
• Bolay, E. & Reichle, B.: Handbuch der waldbezogenen Umweltbildung.
Waldpädagogik. Teil 2 Praxiskonzepte. Schneider Verlag Hohengehren, 2011
8.2.2.
Musterveranstaltungen: Bäume des Waldes
Einleitung
Veranstaltungen von so manchem Waldpädagogen haben den Schwerpunkt
Artenkenntnis und bewegen sich damit noch ganz in der Nähe der klassischen
Försterführung – was aber noch lange nicht unbedingt ein Zeichen von Qualität ist. Andere
halten Artenkenntnis für langweilig und reizlos. Das muss aber nicht so sein.
„Lehrerworte“ sollten möglichst weitgehend durch Erkundungen, durch Sammeln und durch
Eigenaktivitäten ersetzt werden - das fordert auch der Anspruch der Bildung für Nachhaltige
Entwicklung.
Der Rote Faden „Arten kennen lernen“ darf sich durchaus durch die Gesamtkomposition
ziehen, muss aber BNE-Kriterien beinhalten und kann daher nicht nur „mitteilend“ sein. Bei
kleineren Kindern sind Phasen des freien Spielens und bei älteren solche des selbstständigen
Arbeitens besonders wichtig. Auch Suchaufgaben können diesen Zweck erfüllen, wenn
genügend Zeit gelassen wird. Die Bestandteile einer Didaktik der BNE (aus Bd I und II)
müssen aktiv umgesetzt werden.
Die einzelnen Module können kombiniert und durch Struktur- und Bewegungsübungen
gegliedert, zu Veranstaltungen zusammengefügt werden. Viele dieser Aktivitäten sind gut
auch für Herbst- und Wintertage geeignet. Bei Laubbäumen fehlen dann die grünen Blätter,
gefallenes Laub ist immer verfügbar. Insbesondere an kalten Tagen sind Bewegungsspiele
notwendige Ergänzungen.
Zielgruppe: Schwerpunkt Grundschule
Teilnehmerzahl: bis ca. 30 Personen
Dauer: in etwa 3 Stunden möglich
Ort: strukturierter Mischwald mit Naturverjüngung
Ziele: Kennenlernen der wichtigsten Baumarten
Material: Tastbeutel, Markierungsband, Tuch, Butterbrotpapier und Wachskreiden,
Augenbinden, Bestimmungsbücher oder Infoblätter, ggf. Plakatkarton und Stifte.
Methoden: Gruppenarbeit, auch im Gruppenpuzzle
Sozialformen: Einzelarbeit, Paare, Halb- und Teilgruppen
Projekt: Wohl eher kein eigenes Projekt, jedoch sinnvoll in Waldprojekte
integrierbar.
Einstimmungsübung
„Fingerspitzengefühl“ (siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
Diese blinde Tastübung im geschlossenen Beutel ist eine schöne einfache Aktivität, bei der
bereits auf der Wahrnehmungsebene Grundfertigkeiten der Erkennung von Unterschieden und
Gemeinsamkeiten erfahrbar werden.
Hinführung zum Thema
„Sammeln und Sortieren von Pflanzenteilen“
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister).
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Vor der Suche erfolgt der Arbeitsauftrag an die Paare z.B. „Sucht zusammen mit euren
Partnern den Baum zu dem aus dem Beutel genommenen Objekt. Bringt alle Teile, von denen
ihr meint, dass sie zu diesem Baum gehören mit und legt sie auf das Tuch.“1
Durch die Auswahl der Objekte im Beutel können auch andere Themen angesprochen
werden, die in den thematischen Zusammenhang passen: angefressener Fichtenzapfen Eichhörnchen, Rindenstück mit Borkenkäferfraßgang - Käferproblematik, ... .
Gemeinsam wird die Auslage auf dem Tuch sortiert
und besprochen. Normalerweise sortieren alle nach
Arten. Einzelne sollen ihr Wissen zeigen dürfen und
die Leitenden ergänzen wenige Aspekte.
Sortieren und Umsortieren, z.B. nach Farben, nach
Größe, kann hier ein- bis zweimal stattfinden, sollte
aber nicht ausgedehnt werden (Bd. I, Kap. 4.5
Mathematik im Wald). Das Ziel Baumbiografie darf nicht aus den Augen verloren werden.
Modul: Baumbegegnungen und Rindenfrottage
„Baumbegegnungen“
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
Eine rein verbale Erklärung der Spielregeln bleibt Kindern oft unklar und auch für
Erwachsene sind bloße Worte zu wenig anschaulich. Die Übung ist zu wertvoll, als dass sie
durch „Gerede“ verdorben werden dürfte - vormachen. Blind orientieren sich geführte
Menschen meist mit dem Gehörsinn. Tasten, vor allem mit den Füßen ist wichtig. Die
Nahorientierung am Baum ist vor allem durch den Tast-, teils auch den Geruch-, selten den
Geschmacksinn vermittelt und daher eine ganz andere Leistung.
Tastend differenzieren und erkennen sind ein eindrucksvolles Training der
Sinneswahrnehmung. Auch hier werden inner- und zwischenartliche Unterschiede und
Gemeinsamkeiten festgestellt. Bäume haben, wie wir und alle Lebewesen, eine Individualität.
Auch hier spielen der Körperkontakt und die Kontaktaufnahme beim Führen eine wichtige
Rolle. Einfühlung in den Partner ist erforderlich, daher ist dies eine wertvolle
Vertrauensübung.
„Rindenfrottage“
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
Nachdem die Menschen ihren Baum kennen gelernt haben, dürfen sie jetzt ein Bild von ihm,
oder auch von anderen, mitnehmen. Mit Wachsmalkreiden und Papier wird ein
Rindenrubbelbild hergestellt. Die Rindenbilder werden den Baumarten zugeordnet. Stets
herrscht Erstaunen darüber, wie charakteristisch diese Rubbelbilder die Rindenstruktur
wiedergeben. Die Bilder werden wertgeschätzt. Diese Bilder können in die Sammlungen der
Baumbiografien integriert werden. Auch hier sollte über inner- und zwischenartliche
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Borkenmerkmale gesprochen werden.
Bewegungsaktivität
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Gewöhnlich ergibt sich ein Gespräch darüber, ob und was denn von den Pflanzen abgerissen werden darf.
Insbesondere Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen legen meist Wert darauf, dass die Kinder nichts von
Bäumen abreißen. Dies ist aus ethischen Gründen sicherlich wertvoll. Ehrfurcht und Respekt vor den Pflanzen
als Lebewesen ist ein hohes Ziel der Werteerziehung.
Bezüglich der forstwirtschaftlichen Themen sind derartige Ermahnungen jedoch eher kontraproduktiv. Forstleute
entnehmen sogar ganze, wertvolle und schöne Bäume. Allerdings ergibt sich daraus auch das Thema, dass es
auch immer darauf ankommt wer, warum, was tut. Es gibt Berechtigungen und Qualifizierungen für solche
Eingriffe. Auch sollte gegebenenfalls schon rechtzeitig gezeigt werden, wie man ohne den Baum zu
beschädigen, evtl. mit Baumschere oder Messer, Teile wegnehmen kann.
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Falls notwendig, z.B. an kalten Tagen oder mit lebhaften Gruppen, ist spätestens jetzt zur
Auflockerung eine Bewegungsaktivität wie „Baumfange“, „Stockspiele“ oder Ähnliches
angesagt (siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister).
Zentrale Aktivität:
„Baumsteckbrief“ „Baumbiografie“
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
Die Erstellung einer „Baumbiografie“ ist eine zentrale Aktivität dieser Veranstaltung, jedoch
wohl kein Höhepunkt. Nicht nur aus Zeitgründen, sondern auch weil diese
Zusammenstellungen von Plakaten im Klassenraum leichter fallen und daher schöner werden,
ist dies am besten als Vorarbeit zu gestalten. Deren Höhepunkt wird dann die fertige
Ausstellung. Als Höhepunkte werden von dieser Altersgruppe eher die Zwischenaktivitäten,
vor allem die bewegungs- und erlebnisbetonten empfunden.
Methodisch bietet sich hier ein „Gruppenpuzzle“ an.
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
In einer ersten Stammgruppe wird alles zu einem Baum gesammelt, also die Kiefern sammeln
alles zur Waldkiefer und die Buchen alles zur (Rot-)Buche usw. Eine Klasse mit bis zu 30
Kindern kann durchaus sieben bis acht unterschiedliche Waldbäume bearbeiten. Nun können
sich diese Expertengruppen heranbilden. Sammeltüten sollten gefüllt sein. Neben den
Bäumen im Wald sollten auch noch Bestimmungsbücher, Artbeschreibungen u.a. benutzt
werden. Online-Recherchen können ergänzen.
In der nächsten Phase im Wald geht aus jeder Baum-Expertengruppe jeweils ein Lernender in
eine neue Gruppe. In dieser Gruppe berichten sich alle reihum das Wesentlichste zu ihrer
Baumart.
„Baumbiografien“
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
Die Waldobjekte werden gesammelt und sortiert. Dann
werden diese den jeweiligen Baumarten namentlich
zugeordnet. Anschließend werden die Funde auf einem
Tuch gesammelt und durchgesprochen. Die Teilnehmenden
erzählen alles, was sie wissen und die Leitenden ergänzen.
Man kann jeden seine eigene Sammeltüte füllen lassen oder in Gruppen nach Baumarten
sammeln lassen. Im Wald werden nur die Sammelaufgaben erledigt.
Nachbearbeitung
Findet das Zusammenstellen der Baumbiografien in der unterrichtlichen Nachbearbeitung
statt, so ist projektähnliche Gruppenarbeit sinnvoll. In den Gruppen entstehen die Plakate der
einzelnen Arten. Man kann z.B. Zweige und Blätter mitnehmen und im Klassenzimmer
zusammen mit den Rindenbildern ausstellen. Plakate und andere Ausstellungsobjekte können
erweitert und veranschaulichend zur Präsentation der Ergebnisse eingesetzt werden.
Sinnvollerweise findet eine Ausstellung im Klassenzimmer oder in der Schulöffentlichkeit
statt, denn dann werden diese besonders sorgfältig gestalteten Plakate und Schauobjekte auch
wertschätzend beachtet.
Wiederholungsaktivität
„Bäumchen-wechsle-dich“-Spiel mit Artnamen prüfen
(siehe www.hausdeswaldes.de Datenbank Waldmeister)
In einem Waldstück mit möglichst vielen unterschiedlichen Baumarten werden einzelne
Bäume in der Anzahl der Personen der Gruppe minus eins ausgezeichnet. Ohne diese
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Markierungen ist es für die meisten Personen schwierig, sich die bespielten Bäume zu
merken. Unnötiges Chaos wäre vorprogrammiert. Die Teilnehmenden wählen sich einen
Baum, sodass eine Person dabei übrig bleibt. Vor Spielbeginn werden die Spielregeln laut für
alle benannt (Spielprinzip von „Reise nach Jerusalem“). Ziel dieser Variante ist eine
Wiederholung und Festigung der Arten- und Formenkenntnis.
Schlussrunde
Dann folgt nur noch die Schlussrunde mit kurzen Rückmeldungen an die Leitung.
BNE-Kriterien
Alle diese Aktivitäten sind authentisch und eigenaktiv (Bd. I, Kap.4.6.1) – und somit nah an
der Natur und die Teilnehmenden müssen selbst aktiv werden. Realismus, also konkreten
Bezug zur Lebenswelt der Teilnehmenden wird davon abhängen, wie vertraut ihnen der
Lebensraum Wald ist. Die meisten Kinder und Jugendlichen haben wohl eher distanzierte
Beziehungen zum Wald und den Waldbäumen. Sie betreten dann Neuland.
Die zeitliche Dimension wird bei Bäumen immer eine Rolle spielen. „Wow, ist der dick!“
„Wie alt ist der wohl?“ und „Wie kann ich das prüfen?“ sind Fragen, die immer wieder
aufkommen und nach Antworten verlangen. Beim Sägen von Baumscheiben oder beim
Betrachten von Holzpoltern finden sich Antworten.
Beim Sortieren und Umsortieren kann die Eigenaktivität tatsächlich auch zur
Selbstständigkeit werden. Autonomie, im Sinne von selbstständigen Entscheidungen der
Teilnehmenden ist erst in echten Projektansätzen möglich. Bei der Erstellung der
Baumbiografien, beginnend im Wald und beendet im Klassenzimmer, können die
Teilnehmenden sehr autonom agieren – sofern die Lehrenden dieses zulassen und dazu
anregen.
Partizipation kann sich auch darin ausdrücken, dass zielführende Ideen von Teilnehmenden
aufgegriffen und erprobt werden. Leitende sind mit einer sehr hohen Flexibilität gefordert.
Kinder können insbesondere in Projektphasen einmal Leitfunktion bekommen.
Gestaltungskompetenzen werden durchaus auch gefördert. Kooperation und interdisziplinäres
Handeln sind gefragt. Verständigung und Planung ist in und zwischen den Arbeitsgruppen für
eine Ausstellung erforderlich. Leitbilder werden wohl eher nicht reflektiert und
transkulturelles Lernen wird höchstens zwischen den Teilnehmenden möglich. Einfühlsames
Handeln in Bezug auf die Natur kann sehr wohl geübt werden. Beim Sammeln von Blättern
und Früchten oder vielleicht auch beim Durchforstungsspiel (Bd. II, Kap.8.6) sind
Fachkenntnisse und Teamarbeit erforderlich.
Vorausschauend gedacht wird auch im Zusammenhang mit der Ausstellungsplanung und der
Veröffentlichung. Die ökonomische Dimension bleibt außen vor, wenn nicht eine
Vermarktung von Produkten (Herstellung eines Ausstellungsführers, Verkaufsprodukte aus
Holz usw.) Projektbestandteil wird. Ökonomische Verwertbarkeit der Bäume in der
Ausstellung zu benennen, erfüllt dieses Kriterium sicherlich noch nicht. Es ist sicherlich nahe
liegend die ökologischen und sozialen Dimensionen zu bearbeiten.
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