Wahrscheinlichkeitstheorie In diesem Kapitel stehen nicht einzelne Experimente im Vordergrund Wir werden vielmehr oftmals einfach einen abstrakten Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P) gegeben haben Wir wollen über einem solchen Wahrcheinlichkeitsraum under möglichsten milden Annahmen allgemeine Aussagen treffen. Diese werden zunächst Folgen (unbahängiger) Beobachtungen betreffen. Dies formalisieren wir zunächst. Matthias Löwe Stochastik Zufallsvariablen Definition Eine Zufallsvariable auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P) ist eine Funktion X : Ω → R, so dass für jedes Paar a, b ∈ R mit a < b gilt: {ω ∈ Ω | a < X (ω) < b} ∈ A. Für endliche oder abzählbare Mengen Ω, wenn wir also A = P(Ω) wählen, ist diese Forderung übrigens immer erfüllt, denn A enthält sowieso jede Teilmenge von Ω. Matthias Löwe Stochastik Zufallsvariablen Ebenso, wie die Menge Ω unter Anwendung von X zur Bildmenge X (Ω) wird, so macht X aus der σ–Algebra A die Bild–σ–Algebra X (A) und aus dem W–Maß P das Bildmaß X (P). Und zwar auf folgende Weise: Ω −→ X (Ω) = {x ∈ R | x = X (ω) für ein ω ∈ Ω} Bildmenge A −→ X (A) Bild–σ–Algebra P −→ X (P) = {M ⊆ X (Ω) | X −1 (M) ∈ A} ( P : X (A) → [0, 1] = M 7→ P(X −1 (M)) Matthias Löwe Stochastik Bildmaß Zufallsvariablen Definition Sei X eine Zufallsvariable auf einem W–Raum (Ω, A, P), dann heißt das Bildmaß X (P) die (Wahrscheinlichkeits-)Verteilung von X und wird mit PX bezeichnet. Konvention Ist die Bildmenge der Zufallsvariablen X : Ω → R abzählbar, also X (Ω) = {xj | j ∈ J} für eine Indexmenge J ⊆ N, und die Bild–σ–Algebra X (A) gleich der Potenzmenge P(X (Ω)), so nennen wir die Verteilung PX von X auch diskret und schreiben p(xj ) j∈J := PX ({xj }) j∈J = P({X = xj }) j∈J . Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Definition (Erwartungswert einer Zufallsvariablen) Sei PX = p(xj ) j∈J die Verteilung einer Zufallsvariablen X mit X |xj | · p(xj ) < +∞, j∈J dann heißt EX = X xj · p(xj ) j∈J Erwartungswert von X . Die Bedingung X |xj | · p(xj ) < +∞ j∈J in der Definition des Erwartungswertes stellt sicher, dass einerseits EX auch eine endliche Größe ist und wir andererseits die Summe bei der Berechnung vonMatthias EX Löwe beliebigStochastik umordnen dürfen. Erwartungswert einer Zufallsvariablen Konvention Falls eine abzählbare Menge {xj | j ∈ J} und ein Wahrscheinlichkeitsmaß M über ihrer Potenzmenge gegeben ist und P j∈J |xj | · M({xj }) < +∞, so heißt E[M] := X xj · M({xj }) j∈J Erwartungswert von M. Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Satz Sei (Ω, P(Ω), P) ein W–Raum über einer abzählbaren Menge Ω und X eine Zufallsvariable auf Ω. Der Erwartungswert EX existiert genau dann, wenn X |X (ω)| · P({ω}) < +∞ ω∈Ω ist. In diesem Fall gilt EX = X X (ω) · P({ω}). ω∈Ω Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Satz (Linearität des Erwartungswerts) Auf einem W–Raum (Ω, A, P) seien zwei Zufallsvariablen X und Y mit ihren Erwartungswerten EX und EY gegeben. Dann existiert der Erwartungswert der Zufallsvariablen a · X + b · Y für alle a, b ∈ R und es ist E[a · X + b · Y ] = a · EX + b · EY . Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Beispiele 1 Die Zufallsvariable X heißt Laplace–verteilt auf {1, . . . , n}, n ∈ N, wenn P({X = k}) = 1 für alle k = 1, . . . , n n gilt. Es gilt EX = 12 (n + 1). 2 Die Zufallsvariable X heißt Bernoulli–verteilt zum Parameter p ∈ [0, 1], falls P({X = 1}) = p und P({X = 0}) = 1 − p gilt. Es gilt EX = 1 · P({X = 1}) + 0 · P({X = 0}) = p. Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Beispiele 1 Seien r , s, n ∈ N mit n ≤ r und n ≤ s, dann heißt die Zufallsvariable X hypergeometrisch verteilt zu den Parametern r , s, n, falls r s · für k = 0, 1, . . . , n. P({X = k}) = k r +sn−k n Es gilt: EX = n X k·P({X = k}) = k=0 n X nr nr ·P({Y = k−1}) = . r +s r +s k=1 Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Beispiele 1 Die Zufallsvariable X heißt binomialverteilt zu den Parametern n ∈ N und p ∈ [0, 1] (kurz B(n, p)–verteilt), falls n k P({X = k}) = p (1 − p)n−k für k = 0, 1, . . . , n. k Es gilt: EX = np. 2 Die Zufallsvariable X heißt geometrisch verteilt zum Parameter p ∈ [0, 1], falls P({X = k}) = (1 − p)n−1 · p für alle n ∈ N. Es gilt: EX = 1/p. Matthias Löwe Stochastik Erwartungswert einer Zufallsvariablen Beispiele 1 Die Zufallsvariable X heißt negativ binomialverteilt zu den Parametern r ∈ N und p ∈ [0, 1], falls für n ≥ r gilt: n−1 r P({X = n}) = p (1 − p)n−r . r −1 Es gilt: EX = 2 r . p Die Zufallsvariable X heißt Poisson-verteilt zum Parameter λ ∈ R+ , falls P({X = n}) = πλ (n) := λn −λ e für n = 0, 1, 2, . . . n! Es gilt EX = λ. Matthias Löwe Stochastik