Mathematische Aspekte der Quantenmechanik

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Mathematische Aspekte der
Quantenmechanik ∗
30. Januar 2008
∗
Vorläufige Version. Korrekturen und Verbesserungsvorschläge
bitte an giulio.schober(at)itp.uni-leipzig.de schicken!
Inhaltsverzeichnis
1 Selbstadjungierte Operatoren
1.1 Abgeschlossenheit . . . . . .
1.2 Der adjungierte Operator . .
1.3 Symmetrie . . . . . . . . . .
1.4 Selbstadjungiertheit . . . . .
1.5 Regularität und Defekte . .
2 Die
2.1
2.2
2.3
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5
6
6
8
10
11
von Neumann’sche Erweiterungstheorie
15
Isometrie und Unitarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Die Cayley-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
3.1 Der Multiplikationsoperator mit einer stetigen Funktion
3.2 Der Impulsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Absolutstetige Funktionen . . . . . . . . . . . .
3.2.2 Der Impulsoperator auf dem Intervall [0, 1] . . .
3.2.3 Der Impulsoperator auf dem Intervall [0, ∞) . .
3.2.4 Der Impulsoperator auf R . . . . . . . . . . . .
3.3 Der Laplace-Operator auf dem Rn . . . . . . . . . . . .
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3
Inhaltsverzeichnis
4
1 Selbstadjungierte Operatoren
Definition 1.0.1. Sei H ein Hilbertraum. Eine lineare Abbildung
T : D(T ) → H,
wobei D(T ) ⊆ H ein linearer Teilraum ist,
(1.1)
bezeichnet man als linearen Operator.
D(T ) heißt Definitionsbereich von T und R(T ) = {T (x) | x ∈ D(T )} Wertebereich von
T. Die Menge G(T ) = {(x, T (x)) | x ∈ D(T )} als Teilmenge des Hilbertraumes H ⊕ H
bezeichnet man als Graph von T. N (T ) = {x ∈ D(T ) | T (x) = 0} heißt Kern von T.
Bemerkungen 1.0.2. i) Das Skalarprodukt im Hilbertraum H ⊕H ist gegeben durch
h(x1 , y1 ), (x2 , y2 )i = hx1 , x2 i + hy1 , y2 i ,
(1.2)
wobei auf der rechten Seite jeweils das Skalarprodukt in H gemeint ist. Für die induzierte Norm ergibt sich
q
(1.3)
k(x, y)k = kxk2 + kyk2 .
ii) Allgemeiner lässt sich ein linearer Operator als lineare Abbildung zwischen verschiedenen Hilberträumen H1 und H2 definieren. Dann ist D(T ) ⊆ H1 , R(T ) ⊆ H2
und G(T ) ⊆ H1 ⊕ H2 . Wir betrachten im Folgenden aber nur den Fall H1 = H2 = H.
Unter Operatoren verstehen wir von nun an stets lineare Operatoren, und anstelle von
T (x) schreiben wir auch kurz T x .
Definition 1.0.3. Seien T1 und T2 lineare Operatoren im Hilbertraum H. Man schreibt
T1 ⊆ T2 falls gilt: D(T1 ) ⊆ D(T2 ) und T1 x = T2 x ∀x ∈ D(T1 ). Man bezeichnet in diesem Fall T1 als Einschränkung von T2 und T2 als Erweiterung von T1 .
Bemerkungen 1.0.4. i) Äquivalent zu T1 ⊆ T2 ist offenbar G(T1 ) ⊆ G(T2 ).
ii) Zwei Operatoren T1 und T2 stimmen überein, wenn
T1 = T2 ⇐⇒ D(T1 ) = D(T2 ) und T1 x = T2 x
⇐⇒ T1 ⊆ T2 und T2 ⊆ T1 .
∀x ∈ D(T1 )
(1.4)
5
1 Selbstadjungierte Operatoren
1.1 Abgeschlossenheit
Definition 1.1.1. Ein linearer Operator T : D(T ) → H im Hilbertraum H heißt
abgeschlossen, falls
für jede Folge (xn ; n ∈ N) aus D(T ) mit xn → x ∈ H und T xn → y ∈ H
gilt, dass x ∈ D(T ) und y = T x.
Zum Vergleich: Ein Operator T heißt stetig, falls
für jede Folge (xn ; n ∈ N) aus D(T ) mit xn → x ∈ D(T ) gilt T xn → T x.
Bemerkung 1.1.2. Ein Operator T ist genau dann abgeschlossen, wenn G(T ) eine
abgeschlossene Teilmenge von H ⊕ H ist.
Definition 1.1.3. Ein Operator T heißt abschließbar, falls es einen abgeschlossenen
Operator S mit T ⊆ S gibt. Man kann zeigen: T ist abschließbar genau dann, wenn
für jede Folge (xn ; n ∈ N) aus D(T ) mit xn → 0 und T xn → y ∈ H gilt
y = 0.
Weiterhin kann gezeigt werden, dass, wenn T abschließbar ist, es eine kleinste abgeschlossene Erweiterung von T gibt. Diesen Operator nennt man den Abschluss von T
und bezeichnet ihn mit T . Für den Graphen von T gilt
G(T ) = G(T ),
(1.5)
wobei die rechte Seite den Abschluss der Menge G(T ) im Hilbertraum H ⊕ H bezeichnet. Man zeigt leicht, dass T ein abgeschlossener Operator ist.
1.2 Der adjungierte Operator
Sei T ein linearer Operator im Hilbertraum H. Wir setzen voraus, dass D(T ) dicht
liegt in H. Der zu T adjungierte Operator T ∗ (kurz: der Adjungierte von T ) wird
definiert, indem zuerst sein Bereich D(T ∗ ) und anschließend die Wirkung von T ∗ auf
ein beliebiges Element von D(T ∗ ) definiert wird:
6
1.2 Der adjungierte Operator
Definition 1.2.1. (i) Ein Element y aus H liegt im Definitionsbereich D(T ∗ ) des
Adjungierten genau dann, wenn ein Element zy ∈ H existiert, so dass
hT x, yi = hx, zy i für alle x ∈ D(T ).
(1.6)
(ii) Sei y ∈ D(T ∗ ) beliebig und zy ∈ H wie in (i), dann definieren wir T ∗ y := zy .
Zunächst muss gezeigt werden, dass die Definition (ii) korrekt ist, nämlich, dass für
y ∈ D(T ∗ ) das Element zy (welches nach (i) existiert) eindeutig bestimmt ist.
Beweis: Dazu nehmen wir an, es gäbe zwei verschiedene Elemente zy und zy0 (zy 6= zy0 )
aus H, für die jeweils gilt:
hT x, yi = hx, zy i für alle x ∈ D(T ),
und hT x, yi = hx, zy0 i für alle x ∈ D(T ).
(1.7)
Hieraus würde folgen:
0 = hx, zy i − hx, zy0 i = hx, zy − zy0 i für alle x ∈ D(T ),
(1.8)
d.h. zy − zy0 müsste in D(T )⊥ liegen, dem orthogonalen Komplement von D(T ). Da wir
aber vorausgesetzt haben, dass D(T ) dicht liegt in H, gilt D(T )⊥ = {0}, d.h. D(T )⊥
besteht nur aus dem Nullvektor. Also würde folgen
zy − zy0 = 0 ⇔ zy = zy0 ,
(1.9)
was im Widerspruch zu zy 6= zy0 steht. Somit ist gezeigt, dass unsere Annahme falsch
ist und es nur genau ein Element zy aus H gibt, so dass hT x, yi = hx, zy i für alle
x ∈ D(T ).
Eine leichte Rechnung zeigt, dass D(T ∗ ) ein linearer Teilraum von H und T ∗ mit obiger
Definition ein linearer Operator ist.
Bemerkung 1.2.2. In den meisten Fällen ist es schwierig, den Definitionsbereich des
Adjungierten zu bestimmen. Bei der Anwendung von Rechenregeln, die für beschränkte
Operatoren gelten, ist Vorsicht geboten. Zum Beispiel gilt für zwei dicht definierte
lineare Operatoren T1 und T2 stets
(T1 + T2 )∗ ⊇ T1∗ + T2∗ ,
(1.10)
aber im Allgemeinen, wenn T1 und T2 unbeschränkt sind,
(T1 + T2 )∗ 6= T1∗ + T2∗ .
(1.11)
T1 ⊆ T2 ⇒ T1∗ ⊇ T2∗ .
(1.12)
Allgemein gilt jedoch
7
1 Selbstadjungierte Operatoren
Wir schließen das Kapitel mit einer Auflistung einiger wichtiger Eigenschaften des
adjungierten Operators.
Satz 1.2.3. Sei T ein linearer Operator im Hilbertraum H, D(T ) sei dicht in H.
(i) T ∗ ist abgeschlossen.
(ii) T ist abschließbar gdw D(T ∗ ) dicht ist in H.
(iii) Wenn T abschließbar ist, dann gelten
(T )∗ = T ∗
und T = (T ∗ )∗ ≡ T ∗∗ .
(1.13)
(iv) R(T )⊥ = N (T ∗ ) .
1.3 Symmetrie
Definition 1.3.1. Ein linearer Operator T im Hilbertraum H heißt symmetrisch, falls
hT x, yi = hx, T yi für alle x, y ∈ D(T ) .
(1.14)
Satz 1.3.2. a) Sei T dicht definiert. T ist symmetrisch ⇐⇒ T ⊆ T ∗ .
b) T ist symmetrisch ⇐⇒ hT x, xi ∈ R ∀x ∈ D(T ).
c) Wenn T symmetrisch ist, sind alle Eigenwerte von T reell.
d) Sei T abschließbar. T ist symmetrisch ⇐⇒ T ist symmetrisch.
Beweis: a) “⇒“ Sei y ∈ D(T ) beliebig. Da T symmetrisch ist, gilt
hT x, yi = hx, T yi für alle x ∈ D(T ) .
(1.15)
Nach Definition von T ∗ folgen hieraus y ∈ D(T ∗ ) und T ∗ y = T y. Somit gilt T ⊆ T ∗ .
“⇐“ Seien x, y ∈ D(T ) beliebig. Da D(T ) ⊆ D(T ∗ ), ist auch y ∈ D(T ∗ ). Da T ⊆ T ∗ ,
ist außerdem T ∗ y = T y und es folgt
hT x, yi = hx, T ∗ yi = hx, T yi .
Also ist T symmetrisch.
8
(1.16)
1.3 Symmetrie
b) “⇒“ Sei x ∈ D(T ), dann gilt
hT x, xi = hx, T xi = hT x, xi .
(1.17)
Im ersten Schritt wurde dabei die Symmetrie von T ausgenutzt und im zweiten die
Antisymmetrie des Skalarprodukts. hT x, xi ist gleich seinem Komplexkonjugierten und
somit reell.
“⇐“ Sei hT x, xi reell, dann gilt
hT x, xi = hT x, xi = hx, T xi ,
(1.18)
wobei x ∈ D(T ) beliebig ist. Für x, y ∈ D(T ) folgt dann durch Polarisation die
Identität
hT x, yi = hy, T xi .
(1.19)
Somit ist T symmetrisch.
c) Sei λ Eigenwert von T , d. h. es existiert ein x ∈ D(T ), x 6= 0 mit T x = λx (x ist ein
Eigenvektor zum Eigenwert λ). Unter Ausnutzung der Linearität bzw. Antilinearität
des Skalarproduktes im ersten bzw. zweiten Eintrag und der Symmetrie von T erhält
man
(1.20)
λhx, xi = hλx, xi = hT x, xi = hx, T xi = hx, λxi = λhx, xi .
Da hx, xi = kxk2 6= 0 , folgt hieraus λ = λ , also λ ∈ R .
d) “⇐“ Seien x, y ∈ D(T ). Da T ⊆ T ∗ und T ∗ symmetrisch ist, folgt
hT x, yi = hT x, yi = hx, T yi = hx, T yi .
(1.21)
Somit ist T symmetrisch.
“⇒“ Seien x, y ∈ D(T ). Dann gibt es Folgen (xn ), (ym ) ⊆ D(T ) so dass xn → x, ym →
y, T xn → T x, T ym → T y. Unter Verwendung der Stetigkeit des Skalarproduktes und
der Symmetrie von T folgt:
hT x, yi = h lim T xn , lim ym i
n→∞
=
=
m→∞
lim lim hT xn , ym i
n→∞ m→∞
lim lim hxn , T ym i
n→∞ m→∞
= h lim xn , lim T ym i
n→∞
= hx, T yi
m→∞
(1.22)
9
1 Selbstadjungierte Operatoren
Somit ist T symmetrisch.
Bemerkung 1.3.3. Aus a) folgt insbesondere, dass jeder dicht definierte symmetrische Operator T abschließbar ist (denn T ∗ ist eine abgeschlossene Erweiterung von
T ).
1.4 Selbstadjungiertheit
Definition 1.4.1. Sei T ein dicht definierter linearer Operator im Hilbertraum H.
(i) T heißt selbstadjungiert, falls T = T ∗ ist.
(ii) T heißt wesentlich selbstadjungiert, falls T abschließbar und T selbstadjungiert
ist (d. h. T = T ∗ ).
Obwohl diese Definition einfach aussieht, ist es in den meisten Fällen schwierig, die
Selbstadjungiertheit eines Operators nachzuweisen.
Satz 1.4.2. a) T ist selbstadjungiert ⇐⇒ T ist symmetrisch und D(T ∗ ) ⊆ D(T ).
b) Aus T selbstadjungiert, S symmetrisch und T ⊆ S folgt T = S.
Beweis: a) “⇒“ Aus T = T ∗ folgt einerseits T ⊆ T ∗ , somit ist T symmetrisch.
Andererseits folgt T ∗ ⊆ T und somit D(T ∗ ) ⊆ D(T ).
“⇐“ Es gilt T ⊆ T ∗ , da T symmetrisch ist. Zu zeigen ist noch T ∗ ⊆ T . D(T ∗ ) ⊆ D(T )
gilt nach Voraussetzung. Für x ∈ D(T ∗ ) folgt x ∈ D(T ) und wegen T ⊆ T ∗ auch
T x = T ∗ x. Also gilt T ∗ ⊆ T und somit T = T ∗ .
b) T ist selbstadjungiert, d. h. T = T ∗ . S ist symmetrisch, also gilt S ⊆ S ∗ . Aus T ⊆ S
folgt S ∗ ⊆ T ∗ . Somit gilt S ⊆ S ∗ ⊆ T ∗ = T . Mit T ⊆ S folgt T = S.
Satz 1.4.3 (Theorem I). Sei T ein dicht definierter symmetrischer Operator im Hilbertraum H. Es existiere eine Zahl λ ∈ C derart, dass R(T − λI) = H und R(T − λI)
dicht in H ist. Dann ist T selbstadjungiert.
Beweis: Nach Satz 1.4.2 a) reicht es zu zeigen, dass D(T ∗ ) ⊆ D(T ). Sei dazu z ∈ D(T ∗ )
beliebig. Da R(T − λ) = H ist, existiert ein v ∈ D(T ) mit
(T ∗ − λ)z = (T − λ)v .
10
(1.23)
1.5 Regularität und Defekte
Wir zeigen nun, dass z = v gilt, insbesondere also z ∈ D(T ) : Für x ∈ D(T ) gilt
h(T − λ)x, zi = hx, (T ∗ − λ)zi = hx, (T − λ)vi = h(T − λ)x, vi ,
(1.24)
wobei im letzten Schritt die Symmetrie von T verwendet wurde. Folglich ist
h(T − λ)x, z − vi = 0 für x ∈ D(T ) ,
(1.25)
z − v ∈ ((T − λ)D(T ))⊥ = (R(T − λ))⊥ .
(1.26)
somit
Da R(T − λ) dicht in H ist, gilt (R(T − λ))⊥ = {0}. Also ist z − v = 0,
d. h. z = v. Somit ist gezeigt, dass D(T ∗ ) ⊆ D(T ) und folglich T selbstadjungiert
ist.
Bemerkung 1.4.4. Die Voraussetzung, dass T dicht definiert ist, kann weggelassen
werden. Sie folgt bereits aus den übrigen Voraussetzungen des Theorems.
1.5 Regularität und Defekte
Definition 1.5.1. Sei T ein linearer Operator im Hilbertraum H und λ ∈ C. λ ∈ C
heißt regulärer Punkt für T , falls es eine Konstante cλ > 0 gibt mit
k(T − λI)xk ≥ cλ kxk für alle x ∈ D(T ) .
(1.27)
Die Menge Γ(T ) = {λ ∈ C | λ ist regulärer Punkt für T } bezeichnet man als Regularitätsmenge für T .
Bemerkung 1.5.2. Wenn λ ∈ Γ(T ) ist, dann hat der Operator (T − λI) ein beschränktes, auf R(T − λI) definiertes Inverses (T − λI)−1 mit
(T − λI)−1 ≤ c−1 .
(1.28)
λ
Für λ ∈ Γ(T ) sei
dλ (T ) = dim({(T − λI)D(T )}⊥ ) = dim(R(T − λI)⊥ ) .
(1.29)
dλ (T ) ∈ N ∪ {∞} heißt Defektzahl des Operators T in λ ∈ Γ(T ) .
11
1 Selbstadjungierte Operatoren
Das folgende Theorem geben wir ohne Beweis an.
Satz 1.5.3.
(i) Γ(T ) ist eine offene Teilmenge von C .
(ii) Wenn T abgeschlossen ist und λ ∈ Γ(T ), dann ist R(T − λI) ein abgeschlossener
linearer Teilraum von H .
(iii) Sei T abschließbar. Die Defektzahl dλ (T ) ist konstant auf jeder Zusammenhangskomponente von Γ(T ) .
Die Eigenschaft (iii) der Defektindizes ist von entscheidender Bedeutung. Dies zeigt
sich in Verbindung mit dem folgenden
Satz 1.5.4. Sei T symmetrisch. Dann gilt
C \ R ⊆ Γ(T ) .
(1.30)
Hieraus folgt, dass Γ(T ) höchstens zwei Zusammenhangskomponenten hat, nämlich die
obere und die untere komplexe Halbebene. Aus dem vorangegangenen Satz ergibt sich,
dass ein symmetrischer Operator durch höchstens zwei Defektindizes charakterisiert
wird:
dλ (T ) = d+i (T ) ≡ d+ (T ) , Im λ > 0 ,
dλ (T ) = d−i (T ) ≡ d− (T ) , Im λ < 0 .
(1.31)
Man beachte die von uns verwendete Konvention:
d+ (T ) ≡ d+i (T ) = dim(R(T − iI)⊥ ) = dim(N (T ∗ + iI)) ,
d− (T ) ≡ d−i (T ) = dim(R(T + iI)⊥ ) = dim(N (T ∗ − iI)) .
(1.32)
Wenn außerdem ein λ ∈ R existiert mit λ ∈ Γ(T ), dann ist Γ(T ) zusammenhängend
und es gilt d+ (T ) = d− (T ) , d. h. T wird in diesem Falle durch einen einzigen Defektindex charakterisiert.
Beweis (von Satz 1.5.4): Sei λ ∈ C \ R, d. h. λ = a + ib mit a ∈ R, b ∈ R\{0}. Für
x ∈ D(T ) ist
k(T − λ)xk2 = h(T − a − ib)x, (T − a − ib)xi
= h(T − a)x, (T − a)xi − ib hx, (T − a)xi + ib h(T − a)x, xi + b2 hx, xi
= k(T − a)xk2 − ib {hx, (T − a)xi − h(T − a)x, xi} + b2 kxk2
12
(1.33)
1.5 Regularität und Defekte
Der mittlere Term verschwindet, weil T symmetrisch ist. Somit gilt
k(T − λ)xk2 = k(T − a)xk2 + b2 kxk2 ≥ b2 kxk .
(1.34)
Hieraus folgt λ ∈ Γ(T ) mit cλ = |b|.
Satz 1.5.5 (Theorem II). Sei T ein dicht definierter abgeschlossener symmetrischer
Operator. Dann gilt die folgende Äquivalenz:
T ist selbstadjungiert ⇐⇒ d+ (T ) = 0 und d− (T ) = 0 .
(1.35)
Beweis: “⇒“ Da T ∗ = T gilt, ist
d± (T ) = dim(N (T ∗ ± i)) = dim(N (T ± i)) .
(1.36)
Wir zeigen, dass N (T ± i) = {0} ist: Sei x ∈ N (T ± i) beliebig, d. h.
(T ± i)x = 0 ⇔ T x = ∓ i x .
(1.37)
Wäre x 6= 0, dann wäre x Eigenvektor von T zum Eigenwert ∓ i. Das kann nicht sein,
da T symmetrisch ist und daher alle Eigenwerte von T reell sind. Also muss x = 0
sein. Wir haben gezeigt, dass N (T ± i) = {0} ist und folglich d± (T ) = 0.
“⇐“ Nach Voraussetzung ist T symmetrisch. Wir zeigen, dass für λ = i gelten:
R(T − λ) = R(T − i) = H ,
R(T − λ) = R(T + i) = H .
(1.38)
Aus Theorem I folgt dann, dass T selbstadjungiert ist. Da T abgeschlossen ist und
± i ∈ Γ(T ), sind R(T ∓ i) abgeschlossene lineare Teilräume von H , d. h.
R(T ∓ i) = R(T ∓ i) .
(1.39)
Wegen 0 = d± (T ) = dim(R(T ∓ iI)⊥ ) gelten außerdem
R(T ∓ i)⊥ = {0} .
(1.40)
R(T ∓ i) = R(T ∓ i) = (R(T ∓ i)⊥ )⊥ = {0}⊥ = H .
(1.41)
Hieraus folgen:
Aus Satz 1.4.3 (Theorem I) folgt nun, dass T selbstadjungiert ist.
13
1 Selbstadjungierte Operatoren
14
2 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
2.1 Isometrie und Unitarität
In Kapitel 1 hatten wir gesehen, dass ein symmetrischer Operator T durch höchstens
zwei Defektindizes charakterisiert wird:
d+ (T ) = dλ (T ) , Im λ > 0 ,
d− (T ) = dλ (T ) , Im λ < 0 .
(2.1)
Ist T abgeschlossen und dicht definiert, gilt außerdem nach Satz 1.5.5 (Theorem II)
die folgende Äquivalenz:
T ist selbstadjungiert ⇐⇒ d+ (T ) = 0 und d− (T ) = 0 .
(2.2)
Wir zeigen nun zunächst, dass ein ähnlicher Sachverhalt für isometrische bzw. unitäre
Operatoren gilt.
Definition 2.1.1. Ein linearer Operator V im Hilbertraum H heißt isometrisch, falls
gilt:
kV xk = kxk ∀x ∈ H.
(2.3)
V heißt unitär, falls V isometrisch und D(V ) = R(V ) = H ist.
Sei V isometrisch und λ ∈ C. Dann gilt für x ∈ D(V ):
k(V − λ)xk ≥ | kV xk − kλxk | = | kxk − |λ| kxk | = |1 − |λ|| kxk
(2.4)
Folglich ist λ ∈ Γ(V ), wenn |λ| =
6 1. Hieraus folgt, dass Γ(V ) höchstens zwei Zusammenhangskomponenten hat, nämlich das Innere“ und das Äußere“ des Einheitskrei”
”
ses in der komplexen Ebene. Aus Satz 1.5.4 ergibt sich, dass ein isometrischer Operator
durch höchstens zwei Defektindizes charakterisiert wird:
di (V ) = dλ (V ) , |λ| < 1 ,
de (V ) = dλ (V ) , |λ| > 1 .
(2.5)
15
2 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
Lemma 2.1.2.
di (V ) = dim R(V )⊥ ,
de (V ) = dim D(V )⊥ .
(2.6)
Beweis: Die Identität für di (V ) ist klar:
di (V ) = d0 (V ) = dim R(V − 0)⊥ = dim R(V )⊥ .
(2.7)
Um die Identität für de (V ) zu zeigen, verwenden wir einen Trick: V ist isometrisch,
folglich invertierbar und V −1 ist wieder isometrisch. Für λ 6= 0 gilt
R(V −1 − λI) =
=
=
=
=
(V −1 − λI)D(V −1 )
(V −1 − λI)R(V )
(I − λV )D(V )
(V − λ−1 I)D(V )
R(V − λ−1 I) .
(2.8)
Hieraus folgt für λ 6= 0:
dλ−1 (V ) = dim R(V − λ−1 I)⊥ = dim R(V −1 − λI)⊥ = dλ (V −1 ) .
(2.9)
Sei nun 0 < |λ| < 1. Dann ist
de (V ) = dλ−1 (V ) = dλ (V −1 ) = di (V −1 ) = dim R(V −1 )⊥ = dim D(V )⊥ ,
(2.10)
wobei im vorletzten Schritt die bereits gezeigt Identität für di (angewandt auf den
Operator V −1 ) verwendet wurde. Somit ist auch die Identität für de (V ) gezeigt. Satz 2.1.3. Sei V ein abgeschlossener symmetrischer Operator. Dann gilt die folgende
Äquivalenz:
V ist unitär ⇐⇒ di (V ) = 0 und de (V ) = 0 .
(2.11)
Beweis: Dies folgt unmittelbar aus dem vorangegangenen Lemma, da D(V ) und R(V )
abgeschlossene lineare Teilräume des Hilbertraums H sind.
Durch die Cayley-Transformation, die wir im folgenden Abschnitt behandeln werden,
werden symmetrische auf isometrische Operatoren und selbstadjungierte auf unitäre
Operatoren abgebildet. Die Idee der von Neumannschen Erweiterungstheorie ist dann,
das Finden der selbstadjungierten Erweiterungen eines symmetrischen Operators auf
das Finden der unitären Erweiterungen eines isometrischen Operators zurückzuführen.
16
2.2 Die Cayley-Transformation
2.2 Die Cayley-Transformation
Aus der Funktionentheorie ist die Abbildung bekannt,
C → C,
z 7→
z−λ
z−λ
mit λ ∈ C, Im λ > 0 fest gewählt.
(2.12)
Sie bildet die obere Halbebene konform auf das Innere des Einheitskreises ab, und
die reellen Zahlen auf eine Teilmenge des Einheitskreises. Fasst man C als eindimensionalen Hilbertraum auf, so entsprechen die reellen Zahlen den selbstadjungierten
Operatoren und die Zahlen auf dem Einheitskreis den unitären Operatoren in diesem
Hilbertraum. Durch obige Abbildung werden also selbstadjungierte auf unitäre Operatoren abgebildet. Die Cayley-Transformation ist eine Verallgemeinerung der obigen
Abbildung auf beliebige Hilberträume.
Sei im folgenden λ ∈ C, Im λ > 0 fest gewählt.
Definition 2.2.1. Sei T ein dicht definierter symmetrischer Operator im Hilbertraum
H. Da λ ∈ Γ(T ) liegt, ist (T − λI) invertierbar. Die Cayley-Transformierte von T wird
definiert als der Operator
VT = (T − λI)(T − λI)−1
mit D(VT ) = R(T − λI).
(2.13)
Zunächst kann gezeigt werden:
Satz 2.2.2. VT ist ein isometrischer Operator. Es gilt R(I − VT ) = D(T ), insbesondere ist R(I − VT ) dicht in H.
Definition 2.2.3. Sei V ein isometrischer Operator, für den R(I − V ) dicht in H ist.
Man kann zeigen, dass dann (I − V ) invertierbar ist. Wir definieren den folgenden
Operator:
TV = (λI − λV )(I − V )−1 mit D(TV ) = R(I − V ).
(2.14)
Es kann gezeigt werden:
Satz 2.2.4. TV ist ein dicht definierter symmetrischer Operator. Die Abbildungen
T 7→ VT und V 7→ TV sind zueinander invers, d. h. es gilt:
T(VT ) = T,
V(TV ) = V.
(2.15)
17
2 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
Hieraus folgt:
Satz 2.2.5. Die Cayley-Transformation ist eine bijektive Abbildung der Menge aller
dicht definierten symmetrischen Operatoren T auf die Menge aller isometrischen Operatoren V , für die R(I − V ) dicht ist.
Die Cayley-Transformation hat folgende wichtige Eigenschaften:
Satz 2.2.6.
(i) di (VT ) = d+ (T ),
de (VT ) = d− (T )
(ii) Seien T und S dicht definierte symmetrische Operatoren in H. Dann gilt:
T ⊆ S ⇐⇒ VT ⊆ VS .
(2.16)
Beweis: Wir zeigen die Eigenschaft (i). Nach Definition ist D(VT ) = R(T − λ). Es gilt
R(VT ) = R(T − λ), denn für x ∈ D(T ) ist VT (T − λ)x = (T − λ)x. Somit gelten
di (VT ) = dim R(VT )⊥ = dim R(T − λ)⊥ = d+ (T ) ,
de (VT ) = dim D(VT )⊥ = dim R(T − λ)⊥ = d− (T ) .
(2.17)
Sei T ein dicht definierter symmetrischer Operator, der zusätzlich abgeschlossen ist.
Man zeigt zunächst, dass dann auch VT abgeschlossen ist. Es gilt die folgende Äquivalenz:
Satz 2.2.7. T ist selbstadjungiert ⇐⇒ VT ist unitär
(T abgeschlossen)
Beweis: Da T und VT abgeschlossen sind, können die Sätze 1.5.5 und 2.1.3 angewandt
werden. Mit Satz 2.2.6 (i) folgt:
T ist selbstadjungiert
18
⇐⇒ d+ (T ) = d− (T ) = 0
⇐⇒ di (VT ) = de (VT ) = 0
⇐⇒ VT ist unitär.
(2.18)
2.3 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
2.3 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
Sei T ein dicht definierter symmetrischer Operator im Hilbertraum H. Gesucht sind
alle selbstadjungierten Erweiterungen von T (falls T selbstadjungiert erweiterbar ist,
d. h. falls T eine selbstadjungierte Erweiterung in H besitzt).
Lemma 2.3.1. Jede selbstadjungierte Erweiterung von T ist Einschränkung von T ∗ .
Beweis: Da T symmetrisch ist, gilt T ⊆ T ∗ . Sei S eine selbstadjungierte Erweiterung
von T . Aus T ⊆ S folgt S ∗ ⊆ T ∗ , somit gilt
T ⊆ S = S ∗ ⊆ T ∗.
Folglich ist S Einschränkung von T ∗ , d. h. es gilt S = T ∗ D(S) .
(2.19)
Jeder dicht definierte symmetrische Operator ist abschließbar nach Bemerkung 1.3.3.
Ein Operator S ist selbstadjungierte Erweiterung von T genau dann, wenn S selbstadjungierte Erweiterung von T ist, denn aus T ⊆ S folgt T ⊆ S = S (hierbei wurde
verwendet, dass S selbstadjungiert, insbesondere abgeschlossen ist). Wir können daher ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass T abgeschlossen ist (ist dies
nicht der Fall, gehen wir von T zu T über).
Sei also T dicht definiert, symmetrisch und abgeschlossen, und sei VT die CayleyTransformierte von T . Für einen Operator S gilt nach den Sätzen 2.2.6 und 2.2.7:
S ist
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
selbstadjungierte Erweiterung von T
T ⊆ S und S ist selbstadjungiert
VT ⊆ VS und VS ist unitär
VS ist unitäre Erweiterung von VT .
(2.20)
Damit haben wir das Problem, selbstadjungierte Erweiterungen von T zu finden,
zurückgeführt auf das Problem, unitäre Erweiterungen von VT zu finden.
Da T abgeschlossen und Im λ < 0 ist, ist nach Satz 1.5.3 (ii) R(T − λ) ein abgeschlossener linearer Teilraum von H (λ wurde in Abschnitt 2.2 fest gewählt; nach Satz 1.5.4
ist λ ∈ Γ(T )). Nach Satz 1.2.3 (iv) ist R(T − λ)⊥ = N (T ∗ − λ), folglich kann der
Hilbertraum H in eine orthogonale Summe zerlegt werden:
H = R(T − λ) ⊕ N (T ∗ − λ) .
(2.21)
19
2 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
Vollkommen analog erhält man die Zerlegung
H = R(T − λ) ⊕ N (T ∗ − λ) .
(2.22)
Die Cayley-Transformierte VT bildet R(T − λ) isometrisch auf R(T − λ) ab. Ist U eine
isometrische Abbildung von N (T ∗ − λ) auf N (T ∗ − λ), so kann VT auf N (T ∗ − λ)
durch U fortgesetzt werden, wodurch man eine unitäre Erweiterung von VT erhält.
Auf diese Weise erhält man alle unitären Erweiterungen von VT .
H = R(T − λ) ⊕ N (T ∗ − λ)
VS ↓
↓ VT
↓U
H = R(T − λ) ⊕ N (T ∗ − λ)
(2.23)
Eine Abbildung U , die N (T ∗ − λ) isometrisch auf N (T ∗ − λ) abbildet, existiert genau
dann, wenn dim N (T ∗ − λ) = dim N (T ∗ − λ), d. h. wenn d− (T ) = d+ (T ) ist.
Satz 2.3.2 (Theorem III). Sei T ein dicht definierter, symmetrischer und abgeschlossener Operator im Hilbertraum H. Seien H− = N (T ∗ −λ) und H+ = N (T ∗ −λ),
dann sind d− (T ) = dim H− und d+ (T ) = dim H+ .
(i) T ist selbstadjungiert erweiterbar ⇐⇒ d− (T ) = d+ (T ).
(ii) Sei d− (T ) = d+ (T ). Sei U eine isometrische Abbildung von H− auf H+ . Dann
existiert eine selbstadjungierte Erweiterung TU von T mit
D(TU ) = D(T ) + (I − U )H− ,
TU (x + (I − U )x+ ) = T x + λx+ − λU x+
für x ∈ D(T ) , x+ ∈ H−(2.24)
.
(iii) Jede selbstadjungierte Erweiterung von T ist von der Form TU wie in (ii).
Bemerkung 2.3.3. Wenn T nicht abgeschlossen ist, gehen wir wie oben beschrieben
zu T über. Da d∓ (T ) = d∓ (T ) ist, gilt (i) genauso auch in diesem Fall. Bei (ii) ergibt
sich die Veränderung
D(TU ) = D(T ) + (I − U )H− ,
TU (x + (I − U )x− ) = T x + λx− − λU x−
für x ∈ D(T ) , x− ∈ H− . (2.25)
Beweis (von Satz 2.3.2): Zu zeigen ist noch (ii). Sei U gegeben. Wir setzen VT auf H−
durch U fort und erhalten eine unitäre Erweiterung WU von VT :
H = R(T − λ) ⊕ H−
WU ↓
↓ VT
↓U
H = R(T − λ) ⊕ H+
20
(2.26)
2.3 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
Die selbstadjungierte Erweiterung TU von T erhalten wir als die umgekehrte Cayley”
Transformierte“ von WU gemäß Definition 2.2.3:
TU = (λI − λWU )(I − WU )−1
mit D(TU ) = R(I − WU ).
(2.27)
Für den Definitionsbereich von TU erhalten wir
D(TU ) =
=
=
=
=
R(I − WU )
(I − WU )H
(I − WU )R(T − λ) + (I − WU )H−
(I − VT )R(T − λ) + (I − U )H−
D(T ) + (I − U )H− ,
(2.28)
Im letzten Schritt wurde verwendet, dass (I − VT )R(T − λ) = (I − VT )D(VT ) =
R(I − VT ) = D(T ) gilt.
Da T symmetrisch ist, gilt T ⊆ T ∗ . Nach Lemma 2.3.1 gilt auch TU ⊆ T ∗ . Für die
Wirkung von TU erhalten wir daher
TU (x + (I − U )x− ) = T ∗ (x + x− − U x− ) = T x + λx− − λU x− ,
wobei x ∈ D(T ), x− ∈ H− = N (T ∗ − λ) und U x− ∈ H+ = N (T ∗ − λ) ist.
(2.29)
21
2 Die von Neumann’sche Erweiterungstheorie
22
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
In diesem Abschnitt werden der Multiplikationsoperator mit einer stetigen Funktion
(als Spezialfall hiervon der Ortsoperator), der Impulsoperator auf den Intervallen [0, 1],
[0, ∞) und R sowie der Laplace-Operator auf dem Rn behandelt. Zur Untersuchung
des Impulsoperators wird die von Neumannsche Erweiterungstheorie angewandt.
3.1 Der Multiplikationsoperator mit einer stetigen Funktion
Definition 3.1.1. Sei H = L2 (R), und sei f eine stetige (komplexwertige) Funktion
auf L2 (R). Der Multiplikationsoperator Tf mit der Funktion f wird definiert durch
D(Tf ) = { g ∈ L2 (R) | f · g ∈ L2 (R)} und Tf g = f · g für g ∈ D(Tf ).
Bemerkung 3.1.2. D(Tf ) liegt dicht in H, da f stetig ist.
Satz 3.1.3. Sei f reellwertig. Dann ist Tf selbstadjungiert.
Beweis: Wir zeigen zunächst, dass Tf symmetrisch ist: Seien g, h ∈ D(Tf ). Dann gilt
Z 1
Z 1
dxg(x)f (x)h(x) = hg, f · hi = hg, Tf hi
dxf (x)g(x)h(x) =
hTf g, hi = hf · g, hi =
0
0
(3.1)
(hierbei wurde verwendet, dass f reell ist, f (x) = f (x)). D. h. Tf ist symmetrisch.
Sei λ = ±i. Wir zeigen, dass R(Tf − λ) = L2 (R) ≡ H gilt. Aus Satz 1.4.3 (Theorem
I) folgt dann, dass Tf selbstadjungiert ist. Sei ϕ ∈ L2 (R) beliebig. Wir definieren
ψ(x) =
ϕ(x)
.
f (x) − λ
(3.2)
Da f reell ist, gilt |f (x) − λ| ≥ 1 und somit |ψ(x)| ≤ |ϕ(x)|. Da ϕ ∈ L2 (R), folgt
hieraus ψ ∈ L2 (R). Weiterhin ist
((Tf − λ)ψ)(x) = (f (x) − λ)
ϕ(x)
= ϕ(x),
f (x) − λ
somit ψ ∈ D(Tf ) und (Tf − λ)ψ = ϕ. Folglich gilt R(Tf − λ) = L2 (R) ≡ H.
(3.3)
23
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
Für f (x) = x erhält man den Ortsoperator der Quantenmechanik:
(Tf ψ)(x) = (Xψ)(x) = x · ψ(x) für f (x) = x.
(3.4)
3.2 Der Impulsoperator
3.2.1 Absolutstetige Funktionen
Definition 3.2.1. Sei J ⊆ R ein beliebiges Intervall. Die Funktion f : J → R heißt
absolutstetig auf J, falls zu ε > 0 ein δ > 0 angegeben werden kann, so dass für jedes
endliche System ((αi , βi ))pi=1 von paarweise disjunkten offenen Teilintervallen von J
aus
p
X
(βi − αi ) < δ
p
X
folgt
i=1
|f (βi ) − f (αi )| < ε .
(3.5)
i=1
Setzt man hier p = 1, so hat man gerade die Definition der gleichmäßigen Stetigkeit
vor sich. Absolutstetige Funktionen sind also gleichmäßig stetig.
Der folgende Satz wird als Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
im Rahmen der Lebesgueschen Theorie bezeichnet.
Satz 3.2.2. Ist die Funktion f im Intervall [a, b] absolutstetig, so ist f µL -fast überall
in [a, b] differenzierbar, f 0 ∈ L1 ([a, b]), und es gilt
Z
f (b) − f (a) =
b
f 0 (t) dt
.
(3.6)
a
Ist die Funktion g aus L1 ([a, b]), so ist die zugehörige Funktion f (x) =
absolutstetig, und es ist f 0 = g µL -fast überall in [a, b].
Rx
a
g(t) dt
Der Beweis dieses Satzes ist nicht einfach. Er findet sich in [W. Walter: Analysis 2. 5.,
erweiterte Auflage. Berlin: Springer-Verlag 2002] (darin Satz 9.23).
Mithilfe dieses Satzes erhalten wir die folgende Charakterisierung absolutstetiger Funktionen (die wir im Weiteren anstelle der Definition 3.2.1 verwenden werden):
24
3.2 Der Impulsoperator
Korollar 3.2.3. (i) Sei [a, b] ein kompaktes Intervall. Eine Funktion f ist absolutstetig
auf [a, b] genau dann, wenn es eine Funktion g aus L1 ([a, b]) gibt mit
Z x
g(t) dt
(3.7)
f (x) = f (x0 ) +
x0
für alle x, x0 ∈ [a, b] .
(ii) Sei J ein beliebiges Intervall. Eine Funktion f ist absolutstetig auf J genau dann,
wenn f auf jedem kompakten Intervall [a, b] ⊆ J absolutstetig ist (dies folgt aus
der Definition 3.2.1). Äquivalent hierzu ist die Bedingung, dass es eine Funktion
h auf J gibt mit h ∈ L1 ([a, b]) für [a, b] ⊆ J und (3.7) für alle x, x0 ∈ J .
Wir führen nun die folgenden Bezeichnungen ein (welche in der Literatur jedoch nicht
Standard sind):
AC(J) =
f | f absolutstetig auf J, f ∈ L2 (J), f 0 ∈ L2 (J)
(3.8)
AC 2 (J) = {f ∈ AC(J) | f 0 ∈ AC(J)}
Lemma 3.2.4.
(3.9)
(i) Sei f ∈ AC([0, ∞)). Dann gilt limb→∞ f (b) = 0.
(ii) Sei f ∈ AC(R). Dann gilt lima→−∞ f (a) = 0 = limb→∞ f (b).
Beweis: Wir zeigen (i). Da f und f 0 ∈ L2 ([0, ∞)) liegen, existiert der Grenzwert
Rb
limb→∞ 0 (f (t)f 0 (t) + f 0 (t)f (t))dt und ist gleich hf, f 0 i + hf 0 , f i. Es gilt
Z
b
Z
b
d
(f (t)f (t))dt = lim |f (b)|2 − |f (0)|2
b→∞ 0 dt
b→∞
b→∞ 0
(3.10)
Folglich existiert auch der Grenzwert limb→∞ |f (b)|2 und ist < ∞. Da f ∈ L2 ([0, ∞))
ist, folgt hieraus limb→∞ f (b) = 0. Der Beweis von (ii) erfolgt analog.
lim
0
(f (t)f 0 (t) + f (t)f (t))dt = lim
3.2.2 Der Impulsoperator auf dem Intervall [0, 1]
Definition 3.2.5. Sei H = L2 ([0, 1]). Der Impulsoperator T auf dem Intervall [0, 1]
wird definiert durch
D(T ) = {f ∈ AC([0, 1]); f (0) = 0 = f (1)}
T f = if 0 für f ∈ D(T ) .
(3.11)
25
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
Bemerkung 3.2.6. Die Elemente des Raumes L2 ([0, 1]) sind streng genommen Äquivalenzklassen [ . ] von Funktionen, die µL -fast überall übereinstimmen. Die korrekte
Definition des Impulsoperators auf dem Intervall [0, 1] müsste daher lauten:
D(T ) = {[f ] ∈ L2 ([0, 1]) | es gibt einen absolutstetigen Repräsentanten f von
[f ] mit [f 0 ] ∈ L2 ([0, 1]) und f (0) = 0 = f (1)}
T [f ] = [if 0 ] wenn [f ] ∈ D(T ) und f ∈ [f ] absolutstetig.
(3.12)
Man beachte, dass der absolutstetige Repräsentant f einer Äquivalenzklasse [f ] ∈
D(T ) eindeutig bestimmt ist (denn zwei absolutstetige Funktionen, die µL -fast überall übereinstimmen, sind identisch). Wir identifizieren wie üblich [f ] und f , um die
Notation zu vereinfachen. Eine Aussage wie f (0) = 0 für f ∈ D(T )“ ist dann zu ver”
stehen als f (0) = 0 für den absolutstetigen Repräsentanten f der Äquivalenzklasse
”
[f ] ∈ D(T )“.
Bemerkungen 3.2.7. i) Man überzeugt sich leicht davon, dass D(T ) dicht in H liegt.
ii) Man möchte zumindest die unendlich oft differenzierbaren Funktionen in den Definitionsbereich des Impulsoperators nehmen. Definiert man den Operator T0 durch
D(T0 ) = {f ∈ C ∞ ([0, 1]); f (0) = 0 = f (1)}
T0 f = if 0 für f ∈ D(T0 ) ,
(3.13)
so zeigt sich, dass der Abschluss von T0 gerade T (mit dem oben angegebenen Bereich)
ist, d. h. es gilt T0 = T . Aus diesem Grund wird der Bereich von T wie oben gewählt.
Satz 3.2.8. Der Adjungierte des Impulsoperators auf [0, 1] ist gegeben durch
D(T ∗ ) = AC([0, 1])
(keine Randbedingung)
T ∗ f = if 0 für f ∈ D(T ∗ ) .
(3.14)
Beweis: Wir definieren den Operator A durch
D(A) = AC([0, 1])
(keine Randbedingung)
Af = if 0 für f ∈ D(A) .
und zeigen, dass T ∗ = A gilt. Dazu reicht es zu zeigen, dass
(i) A ⊆ T ∗ , und
(ii) D(T ∗ ) ⊆ D(A) .
26
(3.15)
3.2 Der Impulsoperator
Wir zeigen zunächst (i). Seien f ∈ D(A) und g ∈ D(T ) beliebig. Es ist
Z 1
0
ig 0 (t)f (t) dt .
hT g, f i = hig , f i =
(3.16)
0
Durch partielle Integration (möglich, da f und g absolutstetig) ergibt sich
Z 1
Z 1
1 0
0
g(t)f (t) dt + g(t)f (t) .
ig (t)f (t) dt = i −
(3.17)
Der zweite Term verschwindet, da g(0) = 0 = g(1) ist. Somit erhält man
Z 1
Z 1
0
ig (t)f (t) dt =
g(t) if 0 (t) dt = hg, if 0 i = hg, Af i ,
(3.18)
0
0
0
0
0
d. h. es gilt
hT g, f i = hg, Af i .
(3.19)
Da g ∈ D(T ) beliebig war, folgen hieraus f ∈ D(T ∗ ) und T ∗ f = Af . Da f ∈ D(A)
beliebig war, folgt A ⊆ T ∗ .
Als nächstes zeigen wir (ii). Sei f ∈ D(T ∗ ) beliebig, und sei g = T ∗ f . Aus g ∈ H =
L2 ([0, 1]) folgt g ∈ L1 ([0, 1]), und wir können die Funktion definieren
Z x
g(t)dt , x ∈ [0, 1].
(3.20)
G(x) :=
0
G ist absolutstetig auf [0, 1] und G0 = g. Für alle h ∈ D(T ) gilt
R1
hih0 , f i = hT h, f i = hh, T ∗ f i = hh, gi = 0 h(t)g(t)dt
R1
R1
= 0 h(t)G0 (t)dt = − 0 h0 (t)G(t)dt = −hh0 , Gi .
(3.21)
Im vorletzten Schritt wurde partiell integriert. Dies ist möglich, weil h und G absolutstetig sind; die Randterme verschwinden, weil h(0) = 0 = h(1) gilt. Wir haben
also
hh0 , −if + Gi = 0 für alle h ∈ D(T )
⊥
⇔ (−if + G) ∈ {h0 | h ∈ D(T )} .
(3.22)
R1
Wenn h ∈ D(T ), dann ist h0 ∈ L2 ([0, 1]) und 0 = h(1) − h(0) = 0 h0 (t)dt. Wenn
R1
Rx
f1 ∈ L2 ([0, 1]) und 0 f10 (t)dt = 0, dann liegt die Funktion h(x) := 0 f1 (t)dt in D(T )
und h0 = f1 . Dies zeigt
Z
1
0
2
{ h | h ∈ D(T )} = f1 ∈ L ([0, 1]) f1 (t)dt = 0 .
(3.23)
0
27
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
Wegen
R1
0
f1 (t)dt =
R1
0
f1 (t) · 1 dt = hf1 , 1i lässt sich dies auch schreiben als
{h0 | h ∈ D(T )} = (C · 1)⊥ ,
(3.24)
wobei die rechte Seite das orthogonale Komplement des eindimensionalen Unterraumes
C · 1 von H = L2 ([0, 1]) bezeichnet. Somit haben wir
(−if + G) ∈ (C · 1)⊥⊥ = C · 1,
(3.25)
d. h. −if +G = α·1 ⇔ f = −iG+iα·1 mit α ∈ C. Da f in H = L2 ([0, 1]) liegt, G und
die konstante Funktion absolutstetig sind und f 0 = −iG0 = −ig ebenfalls in L2 ([0, 1])
liegt, folgt f ∈ AC([0, 1]) = D(A). Da f ∈ D(T ∗ ) beliebig war, folgt D(T ∗ ) ⊆ D(A).
Korollar 3.2.9. Der Impulsoperator auf [0, 1] ist symmetrisch.
Beweis: Dies folgt aus Satz 1.3.2 a), denn es gilt T ⊆ T ∗ .
Wir wollen nun mithilfe von Satz 2.3.2 (Theorem III) die selbstadjungierten Erweiterungen von T bestimmen. Sei λ = i. Wir bestimmen die Räume H− = N (T ∗ − i) und
H+ = N (T ∗ + i).
0
= g− . Aus g− absolutstetig
Sei g− ∈ N (T ∗ −i), d. h. g− ∈ D(T ∗ ) und T ∗ g− = ig− ⇔ g−
0
0
und g− = g− folgt g− absolutstetig. Durch Iteration dieses Arguments erhält man, dass
die Lösung g− beliebig oft differenzierbar sein muss. Wir finden g− = c− et , c− ∈ C .
g− liegt in D(T ∗ ), folglich ist H− = C et .
0
Sei g+ ∈ N (T ∗ + i), d. h. g+ ∈ D(T ∗ ) und T ∗ g+ = −ig+ ⇔ g+
= −g+ . Wir finden
−t
∗
−t
g+ = c+ e , c+ ∈ C . g+ liegt in D(T ), folglich ist H+ = C e .
H− und H+ sind jeweils eindimensionale Unterräume von H, d. h. es gilt d− = 1 = d+ .
Nach Satz 1.5.5 (Theorem II) ist T zwar nicht selbstadjungiert, aber nach Satz 2.3.2
(Theorem III) besitzt T selbstadjungierte Erweiterungen.
Seien
√
2
et ,
f− := √
2
e −1
√
2e
f+ := √
e−t
2
e −1
(3.26)
die auf 1 normierten
Vektoren, die H− und H+ aufspannen (d. h. kf− k2 = 1 = kf+ k2
R
1
mit kf k2 = 0 |f (t)|2 dt). Da H− ∼
=C∼
= H+ , sind die isometrischen Operatoren von
iϕ
H− auf H+ gegeben durch Uϕ (f− ) = e f+ ⇔ Uϕ (et ) = eiϕ ee−t mit ϕ ∈ [0, 2π). Nach
28
3.2 Der Impulsoperator
Satz 2.3.2 (Theorem III) und Lemma 2.3.1 sind alle selbstadjungierten Erweiterungen
von T gegeben durch die Operatoren T(Uϕ ) mit ϕ ∈ [0, 2π), wobei
D(T(Uϕ ) ) = D(T ) + (I − Uϕ ) C et ,
T(Uϕ ) f = T ∗ f = if 0 für f ∈ D(T(Uϕ ) ) .
(3.27)
Definition 3.2.10. Für z ∈ C definieren wir den Operator Sz durch
D(Sz ) = {f ∈ AC([0, 1]); f (1) = zf (0)}
Sz f = if 0 für f ∈ D(Sz ) .
(3.28)
Lemma 3.2.11. Sei ϕ ∈ [0, 2π) und sei z = (e −eiϕ )(1−eiϕ e)−1 . Dann ist T(Uϕ ) = Sz .
Beweis: Zu zeigen ist D(T(Uϕ ) ) = D(Sz ). Sei zunächst f ∈ D(T(Uϕ ) ) beliebig. Dann
existieren f0 ∈ D(T ) und λ ∈ C, so dass f = f0 + (I − Uϕ )λet = f0 + λ(et − eiϕ ee−t ).
Aus f0 (0) = 0 = f0 (1) folgen f (0) = λ(1 − eiϕ e) und f (1) = λ(e − eiϕ ), somit
f (1) = (e − eiϕ )(1 − eiϕ e)−1 f (0) ⇔ f (1) = zf (0). Folglich liegt f in D(Sz ).
Sei umgekehrt f ∈ D(Sz ) beliebig. Wir definieren λ = f (0)(1 − eiϕ e)−1 und f0 =
f − λ(et − eiϕ ee−t ). Dann gilt f0 (0) = f (0) − λ(1 − eiϕ e) = 0. Aus f (1) = (e − eiϕ )(1 −
eiϕ e)−1 f (0) folgt λ = f (1)(e − eiϕ )−1 , somit gilt auch f0 (1) = f (1) − λ(e − eiϕ ) = 0.
Folglich ist f0 ∈ D(T ), und f = f0 + λ(et − eiϕ ee−t ) = f0 + (I − Uϕ )λet liegt in
D(T(Uϕ ) ).
Für das z aus Lemma 3.2.11 gilt |z| = 1. Umgekehrt existiert zu jedem z ∈ C, |z| = 1
genau ein ϕ ∈ [0, 2π), so dass z = (e − eiϕ )(1 − eiϕ e)−1 gilt. Somit erhalten wir
Satz 3.2.12. Alle selbstadjungierten Erweiterungen von T sind gegeben durch die
Operatoren Sz mit z ∈ C, |z| = 1.
3.2.3 Der Impulsoperator auf dem Intervall [0, ∞)
Definition 3.2.13. Sei H = L2 ([0, ∞)). Der Impulsoperator T auf dem Intervall
[0, ∞) wird definiert durch
D(T ) = {f ∈ AC([0, ∞)); f (0) = 0}
T f = if 0 für f ∈ D(T ) .
(3.29)
29
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
Bemerkungen 3.2.14. i) Eine Funktion f aus dem Definitionsbereich von T erfüllt
die Bedingungen f (0) = 0 und (wegen Lemma 3.2.4 (i)) limb→∞ f (b) = 0. Dies entspricht gerade der Randbedingung f (0) = 0 = f (1), die wir in Abschnitt 3.2.2 für den
Impulsoperator auf dem Intervall [0, 1] verwendet haben.
ii) Man überzeugt sich leicht davon, dass D(T ) dicht in H liegt.
Satz 3.2.15. Der Adjungierte des Impulsoperators auf [0, ∞) ist gegeben durch
D(T ∗ ) = AC([0, ∞))
(keine Randbedingung)
(3.30)
T ∗ f = if 0 für f ∈ D(T ∗ ) .
Beweis: Wegen der Bemerkung 3.2.14 i) können wir den Beweis von Satz 3.2.8 (für
den Impulsoperator auf [0, 1]) auf diesen Fall übertragen. Wir definieren den Operator
A durch
D(A) = AC([0, ∞))
(keine Randbedingung)
(3.31)
Af = if 0 für f ∈ D(A) .
und zeigen, dass T ∗ = A gilt. Dazu reicht es zu zeigen, dass
(i) A ⊆ T ∗ , und
(ii) D(T ∗ ) ⊆ D(A) .
Wir zeigen zunächst (i). Seien f ∈ D(A) und g ∈ D(T ) beliebig. Es ist
Z ∞
0
hT g, f i = hig , f i =
ig 0 (t)f (t) dt .
(3.32)
0
Durch partielle Integration (möglich, da f und g absolutstetig) ergibt sich
Z b
Z ∞
0
ig (t)f (t) dt = lim
ig 0 (t)f (t) dt
b→∞
0
0
Z b
b 0
= lim i −
g(t)f (t) dt + g(t)f (t)
b→∞
0
Z ∞ 0
b 0
= i −
g(t)f (t) dt + lim g(t)f (t)
0
b→∞
(3.33)
0
Der zweite Term verschwindet, da g(0) = 0 = limb→∞ g(b) und limb→∞ f (b) = 0 gelten.
Somit erhält man
Z ∞
Z ∞
0
ig (t)f (t) dt =
g(t) if 0 (t) dt = hg, if 0 i = hg, Af i ,
(3.34)
0
30
0
3.2 Der Impulsoperator
d. h. es gilt
hT g, f i = hg, Af i .
(3.35)
Da g ∈ D(T ) beliebig war, folgen hieraus f ∈ D(T ∗ ) und T ∗ f = Af . Da f ∈ D(A)
beliebig war, folgt A ⊆ T ∗ .
Als nächstes zeigen wir (ii). Sei f ∈ D(T ∗ ) beliebig, zu zeigen ist f ∈ AC([0, ∞)). Sei
g = T ∗ f , d. h. für alle h ∈ D(T ) gilt
hT h, f i = hh, gi .
(3.36)
Sei b > 0. Wir betrachten den Hilbertraum L2 ([0, b]) als Unterraum von H = L2 ([0, ∞)).
Eine beliebige Funktion hb ∈ L2 ([0, b]) kann zu einer Funktion h ∈ L2 ([0, ∞)) fortgesetzt werden durch die Definition
hb (t) falls t ∈ [0, b]
h(t) =
(3.37)
0
sonst.
Liegt hb in D(Tb ), wobei Tb den Impulsoperator auf dem Intervall [0, b] bezeichnet,
so gilt h(b) = 0, folglich ist h absolutstetig und liegt in D(T ). Sei nun hb ∈ D(Tb )
beliebig. Für die Fortsetzung h von hb gilt nach (3.36)
Z ∞
Z ∞
0
h(t)g(t)dt .
(3.38)
ih (t)f (t)dt =
0
0
Da h(t) und h0 (t) für t > b verschwinden,
Z b
Z b
0
ih (t)f (t)dt =
h(t)g(t) .
0
(3.39)
0
D. h. es gilt
hTb hb , fb i = hhb , gb i ,
(3.40)
wenn fb und gb die Einschränkungen der Funktionen f bzw. g auf das Intervall [0, b]
bezeichnen. Da (3.40) für alle hb ∈ D(Tb ) gilt, folgen fb ∈ D(Tb∗ ) und gb = Tb∗ fb . Für
den Impulsoperator auf dem kompakten Intervall [0, b] wissen wir bereits nach Satz
3.2.8, dass
D(Tb∗ ) = AC([0, b]) ,
(3.41)
Tb∗ fb = ifb0 für fb ∈ D(Tb∗ ) .
Folglich sind fb ∈ AC([0, b]) und gb = ifb0 , d. h. f ist absolutstetig auf [0, b] und g = if 0
gilt auf [0, b]. Da dies für alle b > 0 gilt, ist f absolutstetig auf [0, ∞) und g = if 0 ⇔
f 0 = −ig gilt auf [0, ∞). Da g ∈ L2 ([0, ∞)) liegt, folgt f ∈ AC([0, ∞)) = D(A).
31
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
Korollar 3.2.16. Der Impulsoperator auf [0, ∞) ist symmetrisch.
Beweis: Dies folgt aus Satz 1.3.2 a), denn es gilt T ⊆ T ∗ .
Sei λ = i. Wir bestimmen die Räume H− = N (T ∗ − i) und H+ = N (T ∗ + i).
0
= g− . Aus g− absolutstetig
Sei g− ∈ N (T ∗ −i), d. h. g− ∈ D(T ∗ ) und T ∗ g− = ig− ⇔ g−
0
0
und g− = g− folgt g− absolutstetig. Durch Iteration dieses Arguments erhält man, dass
die Lösung g− beliebig oft differenzierbar sein muss. Die Funktion g− = c− et , c− ∈ C
liegt jedoch für c− 6= 0 nicht in H = L2 ([0, ∞)), folglich ist H− = {0}.
0
= −g+ . Wir finden
Sei g+ ∈ N (T ∗ + i), d. h. g+ ∈ D(T ∗ ) und T ∗ g+ = −ig+ ⇔ g+
g+ = c+ e−t , c+ ∈ C . g+ liegt in D(T ∗ ), folglich ist H+ = C e−t .
Es gelten d− = dim H− = 0 und d+ = dim H+ = 1, somit d− 6= d+ . Nach Satz
2.3.2 (Theorem III) besitzt T keine selbstadjungierte Erweiterung. Dieser Operator
entspricht also in der Quantenmechanik keiner Observablen.
3.2.4 Der Impulsoperator auf R
Definition 3.2.17. Sei H = L2 (R). Der Impulsoperator T auf R wird definiert durch
D(T ) = AC(R)
T f = if 0 für f ∈ D(T ) .
(3.42)
Bemerkungen 3.2.18. i) Eine Funktion f aus dem Definitionsbereich von T erfüllt
wegen Lemma 3.2.4 (ii) die Bedingungen lima→−∞ f (a) = 0 = limb→∞ f (b).
ii) Man überzeugt sich leicht davon, dass D(T ) dicht in H liegt.
Satz 3.2.19. Es gilt T ∗ = T , d. h. der Impulsoperator auf R ist selbstadjungiert.
Beweis: Nach Satz 1.4.2 reicht es zu zeigen, dass
(i) T symmetrisch ist, und
(ii) D(T ∗ ) ⊆ D(T ) .
32
3.2 Der Impulsoperator
Wegen der Bemerkung 3.2.18 i) können wir den Beweis von Satz 3.2.8 (für den Impulsoperator auf [0, 1]) bzw. Satz 3.2.15 (für den Impulsoperator auf [0, ∞)) auf diesen
Fall übertragen. Wir zeigen zunächst (i). Seien f, g ∈ D(T ) beliebig. Es ist
Z ∞
0
ig 0 (t)f (t) dt .
(3.43)
hT g, f i = hig , f i =
−∞
Durch partielle Integration (möglich, da f und g absolutstetig) ergibt sich
Z ∞
Z b
0
ig (t)f (t) dt = lim lim
ig 0 (t)f (t) dt
a→−∞
b→∞
−∞
a
Z b
b g(t)f 0 (t) dt + g(t)f (t)
= lim lim i −
a→−∞ b→∞
a
a
Z ∞
b 0
g(t)f (t) dt + lim lim g(t)f (t)
= i −
a→−∞ b→∞
−∞
(3.44)
a
Der zweite Term verschwindet, da lima→−∞ g(a) = 0 = limb→∞ g(b) und lima→−∞ f (a) =
0 = limb→∞ f (b) gelten. Somit erhält man
Z ∞
Z ∞
0
ig (t)f (t) dt =
g(t) if 0 (t) dt = hg, if 0 i = hg, T f i ,
(3.45)
−∞
−∞
d. h. es gilt
hT g, f i = hg, T f i .
(3.46)
Da f, g ∈ D(T ) beliebig waren, folgt hieraus, dass T symmetrisch ist.
Als nächstes zeigen wir (ii). Sei f ∈ D(T ∗ ) beliebig, zu zeigen ist f ∈ AC(R). Sei
g = T ∗ f , d. h. für alle h ∈ D(T ) gilt
hT h, f i = hh, gi .
(3.47)
Sei b > 0. Wir betrachten den Hilbertraum L2 ([−b, b]) als Unterraum von H = L2 (R).
Eine beliebige Funktion hb ∈ L2 ([−b, b]) kann zu einer Funktion h ∈ L2 (R) fortgesetzt
werden durch die Definition

falls t < −b
 0
hb (t) falls t ∈ [−b, b]
h(t) =
(3.48)

0
falls t > b .
Liegt hb in D(Tb ), wobei Tb den Impulsoperator auf dem Intervall [−b, b] bezeichnet, so
gilt h(−b) = 0 = h(b), folglich ist h absolutstetig und liegt in D(T ). Sei nun hb ∈ D(Tb )
beliebig. Für die Fortsetzung h von hb gilt nach (3.47)
Z ∞
Z ∞
0
h(t)g(t)dt .
(3.49)
ih (t)f (t)dt =
−∞
−∞
33
3 Beispiele selbstadjungierter Operatoren
Da h(t) und h0 (t) für t < −b bzw. t > b verschwinden,
Z
b
0
Z
b
ih (t)f (t)dt =
−b
h(t)g(t) .
(3.50)
−b
D. h. es gilt
hTb hb , fb i = hhb , gb i ,
(3.51)
wenn fb und gb die Einschränkungen der Funktionen f bzw. g auf das Intervall [−b, b]
bezeichnen. Da (3.51) für alle hb ∈ D(Tb ) gilt, folgen fb ∈ D(Tb∗ ) und gb = Tb∗ fb . Für
den Impulsoperator auf dem kompakten Intervall [−b, b] wissen wir bereits nach Satz
3.2.8, dass
D(Tb∗ ) = AC([−b, b]) ,
(3.52)
Tb∗ fb = ifb0 für fb ∈ D(Tb∗ ) .
Folglich sind fb ∈ AC([−b, b]) und gb = ifb0 , d. h. f ist absolutstetig auf [−b, b] und
g = if 0 gilt auf [−b, b]. Da dies für alle b > 0 gilt, ist f absolutstetig auf R und
g = if 0 ⇔ f 0 = −ig gilt auf R. Da g ∈ L2 (R) liegt, folgt f ∈ AC(R) = D(T ).
Bemerkung 3.2.20. Aus Satz 1.5.5 (Theorem II) folgt, dass d− = 0 = d+ gelten
muss. Dies kann explizit gezeigt werden: Seien g∓ ∈ N (T ∗ ∓ i) = N (T ∓ i), d. h.
0
0
= ±g∓ folgen
= ±g∓ . Aus g∓ absolutstetig und g∓
g∓ ∈ D(T ) und T g∓ = ±ig∓ ⇔ g∓
0
g∓ absolutstetig. Durch Iteration dieses Arguments erhält man, dass die Lösungen g∓
beliebig oft differenzierbar sein müssen. Die Funktionen g∓ = c∓ e±t , c∓ ∈ C liegen
für c∓ 6= 0 jedoch beide nicht in H = L2 (R), folglich gelten H∓ = {0} und d∓ =
dim H∓ = 0.
3.3 Der Laplace-Operator auf dem Rn
Definition 3.3.1. Die Menge der Funktionen
α β
n
∞
n
n
S (R ) = f ∈ C (R ) | sup x (D f )(x) < ∞ für alle α, β ∈ N0
(3.53)
x∈Rn
bezeichnet man als Schwartzraum.
Hierbei haben wir die Multiindex-Schreibweise benutzt: Für α = (α1 , ..., αn ) ∈ Nn0 sei
xα = xα1 1 ... xαnn ,
34
Dβ = ( ∂x∂ 1 )β1 ... ( ∂x∂n )βn ,
wobei x0j = 1, ( ∂x∂ j )0 = 1.
3.3 Der Laplace-Operator auf dem Rn
Definition 3.3.2. Für f ∈ L2 (Rn ) sei
(Ff )(p) = lim (2π)
R→∞
−n/2
Z
f (x)e−ip·x dx ,
(3.54)
kxk≤R
wobei x = (x1 , ..., xn ) ∈ Rn , p = (p1 , ..., pn ) ∈ Rn und p · x = p1 x1 + ... + pn xn . Die
Abbildung F : f 7→ Ff bezeichnet man als Fourier-Transformation.
Satz 3.3.3 (Plancherel). F ist eine unitäre Abbildung des Hilbertraumes L2 (Rn ),
d. h. F bildet L2 (Rn ) auf sich ab und es gilt kFf k = kf k für f ∈ L2 (Rn ). Die Umkehrabbildung F −1 ist gegeben durch
Z
−1
−n/2
(F g)(x) = lim (2π)
g(p)eip·x dp .
(3.55)
R→∞
kpk≤R
Sei H = L2 (Rn ). Bezeichne P 2 den Multiplikationsoperator
(P 2 g)(p) = p2 g(p) = (p21 + ... + p2n ) g(p1 , ..., pn )
(3.56)
auf dem Bereich D(P 2 ) = {g ∈ L2 (Rn ) | P 2 g ∈ L2 (Rn )}. Nach Satz 3.1.3 ist P 2 selbstadjungiert. Man kann zeigen, dass für f ∈ S (Rn ) gilt:
∂2
∂2
−1 2
− ... −
f (x).
(3.57)
−4f = F P Ff mit (−4f )(x) = −
∂x1 2
∂xn 2
Definition 3.3.4. Sei H = L2 (Rn ). Der Laplace-Operator auf dem Rn wird definiert
als −4 = F −1 P 2 F. Es gilt D(−4) = {f ∈ L2 (Rn ) | Ff ∈ D(P 2 )}, und −4f =
F −1 P 2 Ff für f ∈ D(−4).
Satz 3.3.5. Der Laplace-Operator auf dem Rn ist selbstadjungiert.
Beweis: Dies folgt aus der Selbstadjungiertheit des Multiplikationsoperators P 2 nach
Beispiel 3.1 und dem Fakt, dass für jeden selbstadjungierten Operator A und unitären
Operator U der Operator B = U −1 AU auch selbstadjungiert ist.
35
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