137 KAPITEL F Niedertemperaturplasmen 1. Einleitung a) Was sind Niedertemperaturplasmen? Niedertemperaturplasmen haben Temperaturen T < 5eV, typischerweise von der Größenordnung 1eV. In der Mehrzahl der Fälle liegt nur ein geringer Ionisationsgrad vor, d.h. die Bewegung der Teilchen wird durch Stöße mit dem Hintergrundgas bestimmt. Für die Dynamik spielt eine große Zahl von atomaren Stoßprozessen wie Dissoziation, Ionisation, Anregung und die entsprechenden Umkehrprozesse eine entscheidende Rolle. Diese Plasmen werden auch als technische Plasmen oder Gasentladungen bezeichnet, ihre Physik als Gaselektronik. Grundlegende zusammenfassende Arbeiten findet man im Handbuch der Physik (Hrg. Flügge) in den Bänden XXI und XXII. Die Niedertemperaturplasmen sind für die gesamte Plasmaphysik wichtig, da sie naturgemäß geschichtlich zuerst bekannt und untersucht wurden und sich daher viele Begriffe an ihnen gebildet haben. Die ersten Beobachtungen über eine endliche Leitfähigkeit der Luft wurden im Zusammenhang mit den elektrostatischen Versuchen, die im 17. und 18. Jahrhundert in Mode waren, berichtet. Der erste kontinuierliche Lichtbogen wurde 1808 von Ritter betrieben. In der Folgezeit entwickelten sich zahllose Anwendungen. Der Lichtbogen wurde als lichtstarke Quelle für Beleuchtung entdeckt. Das Ende dieser Entwicklung ist vielleicht der Beck-Bogen, der mit Stromstärken bis 1500 A und Lichtleistungen bis 2 · 105 cd/cm2 für die Flugabwehr eingesetzt wurde. Lichttechnik ist ein klassischer Bereich der Gasentladungsphysik. Mit ihrer Hilfe wurden Neonröhren, Quecksilberdampflampen, Hochdrucklampen entwickelt. Heute kommen Entladungen in Lasern hinzu. In der chemischen Industrie werden Gasentladungen im großen Umfang zur Realisierung chemischer Prozesse eingesetzt, z.B. Lichtbögen in der Azethylenherstellung oder der Entsorgung von chemischem Müll. Auch in der Fusionsforschung spielen Niedertemperaturplasmen eine Rolle, z.B. bei der Beschreibung der Anfangsphase (Zündung des Plasmas), bei Entladungen, zur Reinigung der Wand und in der Plasma-Wand-Schicht. Ein Beispiel sind die unipolaren Bögen (Abschnitt 4f). 138 In neuerer Zeit gewinnt die Niedertemperaturplasmaphysik einen ungeahnten Aufschwung durch neuartige Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung wie Ätzen, Beschichten, Härten mit Hilfe von Plasmen. b) Klassifikation Man klassifiziert Entladungen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. In thermischen Entladungen zeigen die Plasmen lokales thermisches Gleichgewicht oder partielles lokales thermisches Gleichgewicht. Zu ihnen gehört der Lichtbogen, bei p ≥ 1bar und das Plasma von speziellen Hochfrequenzentladungen (z.B. der Helikonentladung). Nichtthermische Plasmen haben meist eine deutlich höhere Elektronentemperatur als Temperatur der schweren Teilchen. Außerdem kann die Verteilungsfunktion nichtmaxwellsche Anteile enthalten. Typische Vertreter sind Glimmentladungen und Lichtbögen bei kleinem Druck. Entladungen können stationär oder nichtstationär brennen. Bei Wechselstromentladungen und manchen Funken entsteht die Nichtstationarität durch das Zeitverhalten der Spannungsquelle. Wechselstromentladungen sehr hoher Frequenz, die man Hochfrequenz-, Radiofrequenzoder Mikrowellenentladungen nennt (HF, RF, MW), werden als stationär betrachtet. Andere Entladungen sind vom Mechanismus her instationär. Ein Beispiel ist der Kathodenfleck des Vakuumbogens. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium für Gasentladungen besteht in dem Mechanismus, der für die Nachlieferung der Ladungsträgers sorgt, die laufend der Entladung verloren gehen. Ladungsträger können durch eine äußere Energiequelle erzeugt werden, z.B. durch Bestrahlung wie in Zählrohren und Ionisationskammern oder durch die Entladung selbst. Im ersten Fall spricht man von unselbständiger Entladung, im zweiten von selbständiger Entladung. Bei der selbständigen Entladung kann Elektronenauslösung durch Teilchenbeschuß der Elektrode wie bei der selbständigen Townsendentladung oder zusätzlich durch Photonen wie bei der Glimmentladung oder Thermoemission wie beim Lichtbogen der wesentliche Mechanismus sein. Unsere Haupteinteilung der verschiedenen Entladungen erfolgt nach dem Verlauf der Strom Spannungscharakteristik. Wir stellen uns dazu eine stationäre Gleichstromentladung in einem Abb. F.1: Aufbau für eine Entladung. Die im nächsten Bild gezeigte Charakteristik könnte mit einer derartigen 139 Glasrohr von etwa 2 cm Durchmesser und 50 cm Länge vor. Das Gefäß soll mit einigen mb Argon gefüllt sein. In unserem Gedankenexperiment erlaubt es die Energieversorgung, einen bestimmten Strom im Bereich von 10-20 - 104 A einzustellen. Die sich dann in Abhängigkeit vom Strom einstellende Spannung ist in Abb. F.2 skizziert. Es zeichnen sich deutlich drei Plateaus ab, die die drei Hauptentladungstypen kennzeichnen: die Townsendentladung, die Glimmentladung und die Bogenentladung. Die Übergangsgebiete zwischen den Plateaus werden als Sonderformen Abb. F.2: Einteilung der verschiedenen Entladungen nach ihrer Charakteristik diesen drei Haupttypen zugeschlagen, die wir im folgenden behandeln. 2. Die Townsendentladung a) Einleitung Die Townsendentladung ist eine Dunkelentladung, im Strombereich unter 10-4 A. Bei kleinen Strömen (I ≤ 10-8 A) ist sie unselbständig, d.h. man muß Ladungsträger z.B. durch Bestrahlung der Kathode erzeugen. Im höheren Druckbereich ist sie selbständig. Ladungsträger werden im Volumen durch Stoß von Elektronen (α- Prozeß) oder Ionen (β-Prozeß) mit Neutralteilchen erzeugt, oder durch Stoß von Ionen mit der Kathode (γ-Prozeß). Die Townsendentladung bestimmt das Verhalten von Ionisationskammern und ähnlichen Detektoren für Strahlung und das Verhalten der meisten Entladungen in der Anfangsphase. Die Bedeutung für die Gasentladungsphysik liegt darin, daß man mit ihrer Hilfe das Ionisierungsvermögen, d.h. die Townsendkoeffizienten α, β, γ bestimmen kann. b) Die Charakteristik 140 Die Townsendentladung unterscheidet sich von der Glimmentladung dadurch, daß bei ihr Raumladungen keine Rolle spielen, d.h. das Potential steigt linear mit der axialen Koordinate (x): ϕ(x) = Ex. Wir setzen voraus, die Elektronenemission der Kathode sei von außen, etwa durch Bestrahlung, vorgegeben j em = eγ p S (S sei der Strahlungsstrom des eingestrahlten Lichtes) Ein Teil der freigesetzten Elektronen diffundiert zurück zur Kathode j diff = − 1 nev th 4 Der Faktor ¼ stammt von Integration über die Winkelkoordinaten d.h. j = j em + j diff = eγ p S − 1 nev th 4 n läßt sich über die Beweglichkeit eliminieren j = env D = enµE j j = eγ p S − 1 v th 4 µE j= eγ p SE v E + 4µth für E << vth /4µ, d.h. vth /4 >> vD wird j ~ E für E >> vth /4 wird j konstant. Dies ist der Sätti- Abb. F.3: Charakteristik der Townsend Entladung gungsbereich. In ihm ist die Stromstärke proportional zur Lichtintensität. Oberhalb des 141 Sättigungsbereiches geht die Entladung in eine selbständige Entladung über. Der Strom muß durch den äußeren Kreis vorgegeben werden. c) Die Ladungsträgerbilanz Bei der selbständigen Entladung müssen die der Entladung verlorengehenden Elektronen durch die Entladung nachgeliefert werden. Wenn man von den Verlusten durch radiale Abwanderung von Ladungsträgern absieht, muß jedes Elektron, daß an der Kathode austritt, dafür sorgen, daß während der Zeit, in der es zur Anode wandert, genau ein Elektron an der Kathode ausgelöst wird. Primär erzeugt jedes Elektron auf der Strecke dx αdx Elektronen-Ionen Paare durch Stoß mit neutralen Atomen (α-Prozeß). Jedes Ion erzeugt β Elektronen - Ionen Paare, wobei β oft gegenüber α vernachlässigt werden kann. An der Kathode werden dann im wesentlichen durch Ionenstoß pro Ion γi Elektronen ausgelöst. dne = neαdx dni = niβdx (F.1) dne/ = niγι α, β, γ heißen die Townsendkoeffizienten, α, β das differentielle Ionisierungsvermögen von Elektronen und Ionen. Jedes Elektron, das an der Kathode startet, führt nach Gl. (F1) - wenn man nur den α-Prozeß berücksichtigt - zu eαd Elektronen an der Anode (d: Abstand Kathode - Anode). Da an der Anode nur Elektronen eintreten, ist dies mal e0 die Stromstärke der Entladung. i = e αd i0 Über Messung der Stromstärke in Abhängigkeit von der Länge der Entladungsstrecke läßt sich also α bestimmen. Die Stromstärke ist nach den Kirchhoffschen Gesetzen über die ganze Entladungsstrecke gleich groß, d.h. an der Anode tragen die Elektronen den ganzen Strom, an der Kathode Elektronen und Ionen. 142 Die Anzahl der auf der Strecke d erzeugten Elektronen - Ionen Paare ist e d - 1. (Das erste Elektron wird nicht mitgezählt). Diese lösen γ i (e αd − 1) Sekundärelektronen an der Kathode aus. Im Gleichgewicht muß also gelten: γ i (e αd − 1) = 1 Primäreffekte nennt man die Ladungsträgererzeugung durch die Elektronen auf ihrem Weg durch die Entladung. Auslösung durch andere Teilchen sind Sekundäreffekte. Dazu gehören: Auslösung von Elektronen durch metastabile Atome (γm ) , Photonen (γp ), Neutrale (γn ), Desorption, d.h. Ablösung von Oberflächenbelegungen, Chemische Erosion, Zerstäubung (sputtering), Rückstreuung. Teilchen können auch in das Kristallgitter einer Wand eingefügt werden. d) Das U3/2 - Gesetz Bei Stromstärken im Bereich von 1 mA ändert sich die Entladungsform, was sich in einem Abknicken der Charakteristik bemerkbar macht. Im Unterschied zur Townsendentladung spielen jetzt Raumladungen eine Rolle. Um das Entstehen der Raumladung zu illustrieren, wird im folgenden der einfachste Fall berechnet: die stoßfreie Bewegung von Elektronen in ihrem selbstkonsistenten Feld. ∂ϕ = 0 . Diese Be∂x dingungen dienen nur der Vereinfachung und können auch fallengelassen werden. Die Pois- Wir nehmen an, die Teilchen starten bei x = 0 mit v = 0 und bei x = 0 sei son-Gleichung, die Definition von j und der Energiesatz ergeben ∇ 2 ϕ = − ne ε , 0 j = −nev, − eϕ + 1 mv 2 = 0 2 Man eliminiert n mit der zweiten Gleichung v mit dem Energiesatz d2ϕ j j = = = jϕ −1/2 ⋅ C 2 vε 0 dx ε 0 2eϕ/m Durch Multiplikation mit dϕ dx erhält man 143 dϕ d 2 ϕ −1/2 dϕ = Cjϕ dx dx 2 dx (F.2) 2 dϕ d 2 ϕ dϕ d ϕ 1/2 = 1 ϕ −1/2 dϕ Man beachte, daß d =2 und 2 dx dx dx dx dx dx 2 Damit wird (F.2): 2 d 1 dϕ = 2Cj d ϕ 1/2 dx 2 dx dx Man kann sofort einmal integrieren. Mit der Vereinfachung dϕ = 0 erhält man dx x=0 2 dϕ = 4Cjϕ 1/2 + C dx mit der Voraussetzung dϕ = 0 wird C = 0 . dx x=0 Abb. F.4: Charakteristik einer Elektronenröhre dϕ = ± 4Cj ϕ 1/4 dx U dϕ ∫ 0 ϕ 1/4 = 4Cj d 4 U 3/4 = 4Cj d 3 j ∼ U 3/2 Eine Charakteristik mit I ~ U3/2 ist typisch für Elektronenröhren bei kleineren Stromstärken. 144 3. Die Glimmentladung a) Phänomenologie Abb. F.5: Die verschiedenen Zonen in einer Glimmentladung: (1): Astonscher Dunkelraum, (2): Kathodisches Glimmlicht, (3): Hittorfscher D.R., (4): Glimmsaum, (5): Faradayscher D.R., (6): positive Säule, (7): anodischer D.R., (8): anodisches Glimmlicht Abb. F.6: Potential-, Feldstärke-, Teilchendichte-, Stromdichteverteilungen in der Glimmentladung Die Entladungsform mit Stromstärken im Bereich von mA, in dem die Spannung unabhängig von der Stromstärke ist (s. Abb. F.2) nennt man Glimmentladung. Die angrenzenden Bereiche mit kleinerer Stromstärke und fallender Charakteristik nennt man subnormale Glimmentladung mit größeren Stromstärken und steigender Charakteristik die anomale Glimmentladung. Die Entladungsstrecke der Glimmentladung gliedert sich in mehrere dunkle und leuchtende Zonen (Abb. F.5), mit einem typischen Verhalten der Feldstärke und damit der Raumladung b) Mechanismus Abb. F.7: Abhängigkeit der Wirkungsquerschnitte für Ionisation (Wion ) und Anregung (Wan ) von der Energie des stoßenden Elektrons 145 Um die Entstehung der Dunkelräume zu verstehen, betrachten wir die Abhängigkeit des Wirkungsquerschnittes für Elektronenstoßanregung in Abhängigkeit von der Energie Abb. F.7 Oberhalb einer Energie Wan steigt der Querschnitt steil an und nimmt nach einem Maximum bei Wmax wieder ab. Ähnlich ist der Verlauf des Ionisationsquerschnittes, meistens etwas flacher zu höheren Energien abfallend. Ein Dunkelraum liegt vor, wenn die Elektronenenergie Wel < Wmax oder Wel > Wmax ist. Die Elektronen werden an der Kathode durch Sekundärionenemission oder Photoemission ausgelöst. Sie werden in dem der Kathode vorgelagerten Raumladungsfeld sehr stark beschleunigt. Im Astonschen Dunkelraum (1) reicht ihre Energie noch nicht zur Anregung aus (Wel < Wan). An der Stelle, an der Wan erreicht wird, beginnt das kathodische Glimmlicht (2). Es kann vorkommen, daß sich der Dunkelraum und das kathodische Glimmlicht schwächer werdend wiederholen. Diese Wiederholung wird von Elektronen hervorgerufen, die bei der ersten Anregung ihre Energie verloren haben. Wenn die Elektronen das Optimum der Anregung verlassen, weil sie zu schnell werden, nimmt das Leuchten wieder ab, und es folgt der kathodische oder Hittorfsche Dunkelraum. In ihm hat man aber günstige Verhältnisse für Ionisierung. Es werden Elektronen-Ionen Paare erzeugt. Die Ionen wandern aufgrund ihrer kleineren Beweglichkeit langsam zur Kathode hin ab und bilden dort eine positive Raumladungszone, die zusammen mit der Elektronendichte für die Feldstärke vor der Kathode und damit für die Beschleunigung der Elektronen sorgt. Die Elektronendichte nimmt zum Ende des Hittorfschen Dunkelraums zu, die Feldstärken ab, so daß die Elektronen durch Stöße allmählich langsamer werden. Wenn Wel ≈ Wmax erreicht wird, entsteht der Glimmsaum (4). Im Glimmsaum leuchtet die Entladung am hellsten und hier liegt die höchste Elektronentemperatur vor. Daß die Elektronen im Glimmsaum abgebremst werden, erkennt man daran, daß die Linien, die höheren Anregungsenergien entsprechen, näher an der Kathode liegen als die mit niedrigeren Anregungsenergien. Am Ende des nächsten Dunkelraums, des Faraday-Dunkelraums ist es umgekehrt, d.h. die Elektronen werden erneut beschleunigt. Allerdings gewinnen sie jetzt aufgrund der vielen Stöße Energie der statistischen Bewegung. Im Faradayschen Dunkelraum (5) ist also wieder Wel < Wan. Am Ende des Faradayschen Dunkelraums beginnt die positive Säule (6), die sich durch konstante Feldstärke, Leuchtdichte und Temperatur auszeichnet. Die positive Säule kann periodisch gestreift sein. Die Streifen wandern häufig schnell. Die Elektronendichte ist gleich der Ionendichte, so daß hier typische Plasmaeigenschaften zu erwarten sind. Direkt vor der 146 Anode sammeln sich die Elektronen und ihre Raumladungsschicht verursacht den Anodenfall mit dem anodischen Dunkelraum (7), der häufig durch das anodische Glimmlicht begrenzt wird. Die Glimmentladung hat eine konstante Spannung bei sich ändernder Stromstärke. Bei Erhöhung der Stromstärke erhöht sich die Fläche des Ansatzpunktes auf der Elektrode, die Stromdichte bleibt konstant. Dies liegt daran, daß die Stromdichte für die Elektronenreproduktion maßgeblich ist. Sie pendelt sich so ein, daß die Elektronenproduktion optimal ist. Wenn dann der Strom erhöht wird, erhöht sie sich in den Außenbezirken, wo j bisher unter dem für die Entladung optimalen Wert lag. Dadurch kommt j in dieser Zone in den optimalen Bereich. Die Außenzonen übernehmen also den zusätzlich benötigten Strom und die übrigen Gebiete brauchen den optimalen Bereich nicht zu verlassen. c) Teilchenbilanzen Wie in der Townsendentladung muß jedes an der Kathode startende Elektron für einen Nachfolger sorgen. Wie in der Townsendentladung geschieht dies über die Ionen, die auf die Kathode prallen. Im Gegensatz zur Townsendentladung spielt aber außerdem der äußere Photoeffekt eine dominierende Rolle. Die Ionisation in der positiven Säule kompensiert die radialen Teilchenverluste durch ambipolare Diffusion. Die Ionisation im Anodenfall kompensiert die Abwanderung der Ionen zur Kathode. Die Glimmentladung wurde theoretisch von Schottky beschrieben. d) Änderung der Parameter Bei Verringerung des Druckes wächst die Ausdehnung des Hittorfschen Dunkelraums d. Wenn die Grenze des Glimmsaumes die Anode erreicht, erlischt die Entladung oder läßt sich nur mit sehr stark erhöhter Spannung weiter betreiben. Dieser Zustand der Entladung ist die behinderte Entladung. Umgekehrt wird d bei Druckerhöhung kleiner. Bei Drucken über 100 mbar kontrahiert die Säule. Abb. F.8: Zwei geometrisch ähnliche Entladungen 147 Bei Verlängerung oder Verkürzung der Entladungsstrecke ändert sich nur die positive Säule entsprechend. Auch hier kann die Entladung bestehen, solange der Hittorfsche Dunkelraum vollständig vorhanden ist. Bei Verlängerung der Säule benötigt man eine geringfügig höhere Spannung. Im übrigen ist der Verlängerung keine Grenze gesetzt. e) Ähnlichkeitsgesetze Die Beobachtung, daß p• d etwa konstant ist, läßt vermuten, daß es für den Vergleich von unterschiedlichen Anordnungen günstig ist, p• d als Variable einzuführen. Die Begründung hierfür und für weitere reduzierte Variable liefern Ähnlichkeitsbetrachtungen. Zwei Anordnungen sind geometrisch ähnlich, wenn alle Längen der einen durch Multiplikation der Längen der entsprechenden anderen Anordnung mit einem mit einem konstanten Faktor hervorgehen L2 = aL1 Neben der Ähnlichkeit der Ausmaße der Apparatur wird man die Ähnlichkeit der für die Entladung relevanten Längen fordern. Dies sind bei Gasentladungen die freie Weglänge λ2 = aλ in der Hochtemperaturplasmaphysik die Debyelänge und der Gyrationsradius. Die Transformation der übrigen Plasmaparameter ergibt sich daraus mehr oder weniger zwangsläufig oder aus der Gültigkeit gewisser Gesetzmäßigkeiten, die für diese Entladung relevant sind. U.U. kann man Parameter auch konstant lassen. In Gasentladungen wird meistens die Spannung, die Temperatur und der Strom konstant gelassen. Die Konstanz der Spannung ergibt sich aus der Konstanz der Ionisierungspotentiale, da man an den Atomdaten wenig verändern kann. Mit den Energien ist zweckmäßigerweise auch die Temperatur konstant. Die Konstanz des Stroms ergibt sich dann für Gasentladungen aus der Transformation der freien Weglänge λ ∼ d ergibt λ = 1/nσ n∼1 d und über p~nT p ∼ 1 d d.h p • d = const 148 Abb. F.9: Die Darstellung der Zündspannung in Abhängigkeit vom Druck in Parametern, die unabhängig von individuellen Eigenschaften der Entladung sind. wie aus den Beobachtungen abgeleitet. Da V = const und V/d = E folgt E ~ 1/d und E ~ p E = const p Da j ~ I/d2 ~ Ip2 , ist j = const p2 p• d, E/p und j/p2 sind daher häufig benutzte Parameter in Gasentladungen. Ein Beispiel zeigt Abb. F.9 in der die Zündspannung eines Gases in Abhängigkeit vom Druck dargestellt ist. Man erkennt, daß es für die Zündspannung ein Optimum in der Teilchendichte gibt. Für kleinere Dichten als das Optimum sind Stöße zu selten, für größere Dichten erreichen die Teilchen nicht genügend Energie, um ionisieren zu können. Spielt das Magnetfeld für den Mechanismus eine Rolle, wird man fordern, daß der Gyrationsradius rc ~ d ist, d.h. da rc ~ 1/B, B• d = const. Bei einer Übertragung der Wechselwirkung des Sonnenwindes mit dem Erdmagnetfeld auf Labormaßstab müßte d um den Faktor 107 verkleinert werden, d.h. B von ungefähr 10-5 Ta auf 102 - 103 Ta erhöht werden! Fordert man zusätzlich, daß die Debye-Länge wie d skaliert, so gilt nach der Definition der Debyelänge λD ∼ T ∼ d, n n ∼ 1, d →T∼d d.h. man kommt in einen Widerspruch zu der anfänglichen Forderung T = const. Derartige Widersprüche sind typisch für Ähnlichkeitsbetrachtungen. In solchen Fällen muß man dann 149 überlegen, welcher Forderung man mehr Gewicht beilegen möchte. Gewisse Situationen bleiben auch nichttransformierbar. Abb. F.10: Aufbau und Funktionsprinzip einer Hohlkathodenentladung f) Modifizierte Glimmentladungen α) Behinderte Entladung Wie bereits besprochen, geht die normale Glimmentladung in die behinderte Entladung über, wenn der Hittorfsche Dunkelraum die Länge der gesamten Entladungsstrecke erreicht. Die behinderte Entladung benötigt höhere Feldstärken, ist daher besonders geeignet für Situationen, in denen höhere Feldstärken erwünscht sind, etwa zur Erzeugung des Starkeffektes. Da die Länge des Hittorfschen Dunkelraums von der Größenordnung der freien Weglänge ist, eignet sich die behinderte Entladung zur Erzeugung von Teilchenstrahlen. Historisch sind die Eigenschaften von Elektronen und Ionen an solchen Strahlen untersucht worden. Dabei bezeichnen Kathodenstrahlen Elektronen, Kanalstrahlen Ionen. β) Entladungen, die durch enge Röhren brennen, werden durch Oberflächeneffekte dominiert. Die intensive Kühlung an der Außenfläche bewirkt, daß die Energiedichte im Innern vergrößert werden kann. Dies wird für Spektrallampen ausgenutzt. Typische Vertreter sind Geißlerrohre. γ) Eine für die Spektroskopie wichtige Abwandlung der Glimmentladung ist die Hohlkathodenentladung nach Schueler. Ihr Prinzip wird an Abb. F.10 erläutert. Da bei Kippung der Kathode die Kathodenphänomene mit der Kathode fest verbunden sind, kann man bei einer Anordnung mit 2 Kathoden, die sich gegenüberstehen, erreichen, daß die Glimmsäume der beiden Kathoden räumlich zusammenfallen. Bei der Hohlkathode ist die Kathode zylinderförmig und der Glimmsaum liegt in der Achse des Zylinders. Da der Beitrag aller Teilflächen der Kathode in der Achse zusammenfällt, ist die Stromdichte hier maximal und damit die Leuchterscheinung besonders hell. Die Hohlkathode wird als Spektrallampe für schwer verdampfbare 150 Metalle gebaut, wobei das gewünschte Metall als Kathodenmaterial verwendet wird. Durch Sekundäreffekte werden bei der Hohlkathode nicht nur Elektronen, sondern auch Ionen aus der Kathodenoberfläche ausgelöst. δ) In der Sprayentladung oder dielektrisch behinderten Entladung ist die Kathode mit einem Isolationsmaterial überzogen. Sie wird z.B. zur Ozonerzeugung eingesetzt. 4. Der Lichtbogen Abb. F.11: Der Ausdruck "Bogen" stammt von der durch Konvektion nach oben gebogenen Plasmasäule a) Charakterisierung In der allgemeinen Charakteristik (Abb. F.2) schließt sich an den Bereich der anomalen Glimmentladung bei Stromstärken von Ampère oder mehr ein Bereich mit fallender Charakteristik an. Die benötigte Spannung wird deutlich kleiner als in Glimmentladungen. Der dazugehörige Entladungstyp ist die Bogenentladung. Das Absinken der Spannung deutet darauf hin, daß jetzt ein effektiverer Mechanismus der Ladungsträgererzeugung einsetzt. Die auf die Kathode auftreffenden Ionen deponieren so viel Energie, daß die Kathode bis zum Glühen oder bis zur lokalen Verflüssigung und Verdampfung aufgeheizt wird und Elektronen thermisch emittiert. Neben der Thermoemission spielt die Feldemission eine wichtige Rolle. Das Hintergrundgas kann Elektronentemperatur erreichen. Man kann häufig mit lokalem oder partiellem lokalen Gleichgewicht rechnen. Gasströmungen werden wichtig. Die nach oben gekrümmte Säule des zwischen zwei waagerechten Elektroden brennenden Lichtbogens entsteht durch eine durch die Erwärmung des Gases im Bogen angetriebene Konvektionsströmung. Übliche Spannungen liegen bei 5 - 50 V Ströme bei einigen Ampère. Es werden Lichtbögen mit Strömen bis einigen kA betrieben. b) Bogentypen Bögen unterscheidet man nach dem Elektrodenmaterial in Kohlebögen und Metallbögen, wobei der Quecksilberbogen eine Sonderstellung einnimmt. Die Bogensäule kann freibrennend 151 sein oder stabilisiert werden, z.B. wandstabilisiert, wenn der Bogen gezwungen wird, durch einen Kanal zu brennen oder wirbelstabilisiert, wenn die Säule von einem Gas oder Flüssigkeitswirbel umgeben ist. Das Medium, in dem der Bogen brennt, kann ein Fremdgas sein oder der Dampf aus den Elektroden. Eine Sonderform des Metalldampfbogens ist der Vakuumbogen, der im Vakuum gezündet wird, aber im Metalldampf brennt. Hierzu gehört auch der unipolare Bogen (s. Abschn. f). Wie bei der Glimmentladung gibt es Bögen, die wegen einer instationären Energieversorgung, z.B. einer Kondensatorentladung instationär brennen und solche, die vom Mechanismus her instationär sind, wie z.B. Abreißbogen, bei denen der Bogenansatz auf den Elektroden bis zum Abreißen des Bogens läuft, um lokale Erosionen zu vermeiden. Abb. F.12: Der Kaskadenbogen c) Spezielle Bögen α) Der frei brennende Niederstrom Kohlebogen Dieser Bogen wird noch häufig für Beleuchtung bei Demonstrationen eingesetzt. Er brennt typischerweise bei 10 A, 50 V. Der Kathodenkrater des Kohlebogens ist sehr genau vermessen und wird als Normalstrahler benutzt. Bei einer Stromstärke von 7 - 8 A strahlt er wie ein schwarzer Körper der Temperatur T = 3900 K und eines Emissionsgrades 0,8 im sichtbaren Spektralbereich. Die Säulentemperatur beträgt etwa 6000 K. Die Elektroden werden durch chemische Prozesse, z.B. die Bildung von CO2 und CN2 chemisch abgetragen. Für große Lichtausbeute werden frei brennende Kohlebögen mit Stromstärken von 1000 2000 A betrieben. Der Bogen mit der größten Lichtausbeute (73 %, bei 2 . 105 cd/cm2) ist der Beckbogen. Bei ihm sind die Elektroden mit einem Docht aus Oxyden der seltenen Erden, z.B. Cer, versehen. β) Wandstabilisierte Kohlebogen 152 Der Kaskadenbogen nach Maecker brennt durch einen Kanal, von 3-10 mm Durchmesser und 5-10 cm Länge, der aus wassergekühlten Kupferplatten gebildet wird. Um Stromtransport neben dem Kanal durch die Kupferplatten zu unterbinden, sind diese gegeneinander isoliert. Abb. F.13: Der Gerdien Bogen Durch die Kühlung der Außenzonen erreicht man dort eine Herabsetzung der elektrischen Abb. F.14: Der Pfundbogen Leitfähigkeit, so daß sich der Strom auf die Kanalachse konzentriert. Im Gegensatz zum frei brennenden Bogen, bei dem eine Stromerhöhung zu einer Aufweitung der Säule führt, ergibt sich hier eine Temperaturerhöhung. Man erreicht Temperaturen bis 25 000 K, die nur durch die Kühlmöglichkeit des Kanals begrenzt sind. Typische Stromstärken sind 100 - 500 A. Der Bogen eignet sich besonders zur Untersuchung von Gasen bei diesen Temperaturen. Das Gas wird meistens tangential in der Mitte des Kanals eingeblasen und verläßt den Kanal frei strömend bei den Elektroden. Durch das Gas kann eine Wirbelstabilisierung erreicht werden. Eine effektivere Kühlung und damit höhere Achsentemperaturen erzielt man im Gerdien-Bogen. Hier wird in einem Quarzrohr ein Wasserwirbel erzeugt, mit einem Wirbelkanal in der Mitte, durch den der Bogen brennt. Medium sind die Dissoziationsprodukte von Wasser. In einem solchen Bogen wurde bisher die höchste überhaupt in einem Lichtbogen erzeugte Temperatur gemessen (50 000 K). Der Wälzbogen brennt in einem Rohr, das während des Betriebes um seine Achse gedreht wird. Mit dieser Methode lassen sich sehr lange zylindrische Bogensäulen von bis 1 m Länge herstellen, die gewisse Bedeutung bei Untersuchungen zur Physik des Bogenmechanismus hatten. γ) Frei brennende Metallbögen 153 Der Pfundbogen ist ein frei brennender Eisenbogen, der zwischen senkrecht sehenden Elektroden brennt (Abb. F.14). In einer Vertiefung der Kathode liegt ein Eisenstückchen, das beim Betrieb des Bogens zu einer Kugel schmilzt und verdampft. Typische Stromstärken sind 6 A, Abb. F.15: Ersatzschaltbild zur Betrachtung der Stabilität des Arbeitspunktes. Ohne Streuinduktivität ist die Diskussion Spannungen 80 V. Da das Eisenspektrum sehr viele Linien besitzt, die sich gleichmäßig über den sichtbaren Spektralbereich und die Nachbarbereiche erstrecken, eignet es sich als Wellenlängenstandard. Ein für die Anwendung wichtiger Vertreter des frei brennenden Metallbogens ist der Schweißbogen für das Elektroschweißen. Bezüglich der Anode ist es ein Metalldampfbogen, der in dem Dampf des zu bearbeitenden Metalls brennt, bezüglich der Kathode ein Gasbogen. Man verwendet ein Edelgas (meist das Billige Argon), um chemische Prozesse mit dem Oxyd der Luft zu vermeiden. δ) Eingeschlossene Metallbögen Eingeschlossene Bögen werden als Lampen eingesetzt. Diese verwenden meist Netzspannung und können von Watt bis Kilowatt Leistung aufweisen. Häufig wird der Bogen in einem Edelgas zur Vermeidung von Erosion betrieben. Vertreter sind die Höhensonne (Hg-Bogen), Hg Höchstdrucklampe (30-40 bar Hg) und die Xe Hochdrucklampe. d) Elektrische Stabilisierung Da ein Lichtbogen eine fallende Charakteristik hat, ist er, wie jedes andere Bauelement mit fallender Charakteristik instabil. Daß dem so ist und man durch Vorschaltung eines Widerstandes Stabilität erzwingen kann, wird im folgenden gezeigt: 154 Wir gehen vom Ersatzschaltbild Abb. F.15 aus. UQ ist eine ideale Spannungsquelle, R der Innenwiderstand und ein im Kreis zugeschalteter Vorwiderstand. L die Streuinduktivität des Kreises. Das Strom- Spannungsverhalten des Bogens wird durch die Charakteristik UB(I) beschrieben. • Im Gleichgewichtsfall (I= 0 ) gilt U Q = IR + U B (I) U B (I) = U Q − IR Die Funktion der rechten Seite ist die Arbeitsgerade, die in das U/I Diagramm Abb. F.15 eingetragen ist. Ihr Schnittpunkt mit der Charakteristik UB(I) ergibt den Arbeitspunkt U0 = Ua - I0R (F.3) Abb. F.16: Die Gesamtspannung ergibt sich aus Spannung über dem Bogen und über dem Vorwiderstand Um das Zeitverhalten bei einer Störung am Arbeitspunkt zu berechnen, wird die Charakteristik um U0, I0 linearisiert. U B (I) = U 0 + U∆I Abb. F.17: Wenn die Arbeitsgerade stärker fällt als die Charakteristik, brennt der Bogen stabil dU mitU = B und I = I 0 + ∆I dI I0 155 Abb. F.18: Die Potentialverteilung über die Bogenachse legt die Unterteilung der Säule in drei Abschnitte nahe Die Maschengleichung des vollständigen Kreises ergibt dann • U Q = (I 0 + ∆I)R + L∆ I +U 0 + U∆I Man erkennt, daß die Einführung einer Induktivität notwendig ist, um überhaupt eine Zeitabhängigkeit der Störung I in die Gleichung zu bekommen. Berücksichtigung von (F.3) vereinfacht zu • 0 = ∆IR + L∆ I +U 0 + U∆I • ∆ I= − R + U ∆I L − R+U /Lt ∆I = ∆I 0 e Abb. F.19: Beim Steenbeckschen Minimalprinzip wird angenommen, daß der Strom und die Temperatur am Rand konstant bleiben. Der Kreis ist stabil, wenn eine Störung wieder von selbst verschwindet, also wenn R + U > 0 Der Vorwiderstand muß also so groß sein, daß er den Abfall der Charakteristik überkompensiert. Diese Verhältnisse sind in Abb. F.16 dargestellt. Der Bogen ist stabil, wenn die Gesamtspannung Uges=IR + UB(I) eine steigende Charakteristik wie ein Ohmscher Widerstand hat. Oder anders ausgedrückt, wenn die Arbeitsgerade stärker fällt als die Charakteristik (Abb. F.17) 156 e) Bogentheorie α) Einleitung Der Potentialverlauf über die Entladungsstrecke eines Bogens zeigt typischerweise den in Abb. F.18 gezeigten Verlauf mit einem Kathodenfall, Anodenfall und einem schwächeren Anstieg in der Säule. Der unterschiedliche Anstieg des Potentials wird durch unterschiedliche Mechanismen verursacht. Es gibt demgemäß eine Theorie des Kathodenfalls, des Anodenfalls und der Säule. Die Theorie der Säule liefert die besten Vergleiche mit Experimenten. Deshalb wird im folgenden einiges dazu gesagt. Kernsätze der Theorie sind das Steenbecksche Minimalprinzip und die Elenbaas-Hellerschen Differenzialgleichungen. β) Steenbecksches Minimalprinzip Das Steenbecksche Minimalprinzip sagt aus, daß ein Lichtbogen bei konstantem Strom und konstanter Temperatur am Rand, denjenigen Zustand einnehmen wird, bei dem die Spannung minimal ist. Wenn also nach einer Theorie verschiedene Moden vorhergesagt werden, die sich in der Spannung unterscheiden, wird die Mode der Realität entsprechen, bei der die Spannung minimal ist. Dieser Satz ist zunächst als Erfahrungssatz anzusehen. Er hängt aber zusammen mit einem allgemeineren Satz der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse, der besagt, daß ein offenes System, d.h. ein System, in dem dauernd Energie zugeführt und gleich viel abgeführt wird, den Zustand einnimmt, bei dem die Entropieerzeugung minimal ist. Nach der Definition der Entropie ist TdS = dQ Abb. F. 20: Das radiale Temperaturprofil der Bogensäule bei einem Edelgas und einem dissoziierendem Gas Die Leistung der erzeugten Wärme ist aber durch UI gegeben 157 dQ = UI dt Damit wird der Entropiestrom Θ S durch die Oberfläche des Bogens bei R Θ S = UI TR wo TR die als konstant angenommene Temperatur der Oberfläche der Bogensäule bei r = R ist. Man erkennt, daß für I und TR=const aus δU = 0, δΘS = 0 folgt und umgekehrt. γ) Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung Abb. F.21: Das Kanalmodell Die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung beschreibt die Energiebilanz der Säule in radialer Richtung. Die im Zentrum sekündlich erzeugte Energie ist UI. Diese wird im einfachsten Fall durch Wärmeleitung abgeführt, wobei der Wärmestrom gegeben ist durch die Wärmeleitungsgleichung Φ W = −κ dT dr d.h. (κ ist der Wärmeleitungskoeffizient) IU = −2πrlκ dT dr dT IE = −2πrκ dr Wird die Energie nur im Zentrum zugeführt, so ergibt sich aus einem gemessenen Temperaturverlauf sofort κ(T) 158 Bei einem Edelgas ist κ(T) monoton, da Dissoziation keine Rolle spielt. T(r) hat dann etwa den in Abb. 20 skizzierten Verlauf. Da wo T(r) steil ist, ist κ(T) klein, wo T(r) flach ist, groß. Durch Dissoziation erhöht sich κ drastisch. Daher zeigen Schultern im T(r)-Profil eines zweiatomigen Moleküls an, wo die Dissoziation bevorzugt stattfindet. In einer allgemeineren Form heißt die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung div[κ(T)gradT] − S(T) + Ej = 0 Man erkennt durch Integration über das gesamte Volumen, daß für S(T) = 0 das frühere Ergebnis reprodziert wird. S(T) bezeichnet die Strahlungsverluste. Im allgemeinsten Fall müsAbb. F.22: Der Unipolarbogen ist ein Stromwirbel in der Nähe einer Wand sen auch Verluste durch Strömungen berücksichtigt werden. Die Elenbaas-Hellersche Differentialgleichung und das Steenbecksche Prinzip finden eine einfache Anwendung im Kanalmodell. Hier nimmt man an, es existiere ein homogener innerer Bezirk, der Kanal mit konstanter Temperatur TK und damit konstanter Leitfähigkeit σ(TK). Sein Radius ρ wird als freier Parameter gelassen Außerhalb ist σ = 0 und die gesamte im Kanal deponierte Leistung wird durch Wärmeleitung abgeführt. Das System wird also durch die Gleichungen beschrieben I = πρ 2 j = πρ 2 σ(T K )E IE = −2πrκ(T) dT dr d.h. ρ ∫ R IE drr = −∫ T TK 2πκ(T)dT R I, κ(T) und σ(T) werden als bekannt vorausgesetzt. Um die unbekannten E, TK und ρ zu berechnen, benötigt man noch eine dritte Gleichung. Hierfür verwendet man das Steenbecksche Minimalprinzip in der Form 159 ∂E = 0 ∂ρ Damit lassen sich die unbekannten ausrechnen. f. Der unipolare Bogen α) Was ist der unipolare Bogen? Die Bezeichnung „unipolarer“ Bogen ist etwas provokativ. Selbstverständlich hat der „unipolare“ Bogen zwei Pole wie jeder elektrische Verbraucher. Es gibt zwar elektrische Entladungen, bei denen nur ein Pol bekannt ist, wie etwa beim Elmsfeuer. Dies ist hier aber nicht gemeint. Beim unipolaren Bogen liegen lediglich Kathode und Anode auf dem gleichen metallischen Wandelement: Aus einem winzigen Kathodenfleck treten Elektronen aus der Wand aus und kehren in seiner Umgebung auf die Wand zurück. Die Energie stammt aus einem Hintergrundplasma, das im Kontakt mit dem Wandelement steht. Die Vermutung, daß dieser Prozeß eine ganz normale Erscheinungsform ist, stammt von Robson und Thonemann, die damit Erosionsspuren auf der Wand des Fusionsexperimentes Zeta erklärten. Robson und Thonemann (1956) gaben einen Mechanismus für Unipolarbögen an und führten die ersten Simulationsversuche durch. Aus diesen Untersuchungen weiß man, daß Unipolarbögen zu einer erheblichen Wanderosion in Fusionsmaschinen führen können. Zur Erklärung der Funktionsweise des Unipolarbogens benötigt man zwei Grundkonzepte der Plasmaphysik: Die Langmuirschicht und den Vakuumbogen. β) Was treibt den Unipolarbogen? Tritt ein metallisches Wandelement, das mit keinem anderen Bauteil elektrisch verbunden ist, mit einem Plasma in Wechselwirkung, so wird es wegen der größeren Beweglichkeit der Elektronen gegenüber den Ionen negativ gegenüber dem Plasma aufgeladen. Das negative Potential stellt sich so ein, daß so viele Elektronen zurückgehalten werden, das gleich viel negative und positive Ladungen pro Zeitintervall auf die Wand treffen. Dieses Potential heißt Floating Potential ϕfl. Die Stromdichte der Ionen erreicht den Sättigungswert, d.h. alle Ionen, die thermisch aus der Plasmaoberfläche austreten, erreichen die Wand: kT j i = nev ith = ne m i 160 Die Anzahl der Elektronen, die das Gegenfeld überwinden können, wird durch einen Boltzmannfaktor gegeben. Der Elektronenstrom ist deswegen Abb. F.23: Potentialabsenkung (oberste Spur), Stromdichte der Elektronen und Ionen (Mitte), und Gesamtstrom (unten) in der Umgebung des Kathodenflecks des Unipolarbogens. j e = j e0 = −nev eth e −eϕ fl /kT Aus der Gleichgewichtsbedingung je + ji = 0 erhält man die Größe des Floating Potentials. mi ϕ fl = kT e ln m e Eine genauere Betrachtung führt zu mi ϕ fl = kT e ln 2πm e Im Wasserstoff ergibt sich ein Floating Potential , das in Volt etwa dem Dreifachen der Temperatur in eV entspricht. Bei genügend hoher Temperatur wird die Potentialdifferenz größer als die zur Zündung eines Vakuumbogens erforderliche Spannung. Der eigentliche Zündmechanismus ist nicht sehr gut bekannt. Man vermutet eine Vorentladung an Mikrospitzen. Experimente sprechen für die Beteiligung dielektrischer Schichten. Die Bogenspannung ist kleiner als das Floating Potential. Daher wird in der Umgebung des Bogenansatzes das Potential des Plasmas gegenüber der Wand abgesenkt, was dazu führt, daß in der Umgebung mehr 161 Elektronen auf die Wand fallen, als dem Gleichgewichtzustand entspricht. Der Teilchenstrom bei einem Potential ϕ ist dort i e = nv the e −eϕ/kT Der Gesamtstrom I = A(j i + j e ) = A(j e0 + j e ) = Anev the (e −eϕ fl /kT − e −eϕ/kT ) (F.4) Die Verhältnisse sind qualitativ in Abb. F.23 dargestellt. Spur b) zeigt die erhöhte Elektronenemission im Bereich des Kathodenflecks (jew). Der Ionenstrom bleibt praktisch ungestört (jip). a) Zeigt die Absendkung des Potentials der Schichtgrenze gegenüber dem Gleichgewichtswert ϕfl. Diesem Verlauf folgt in etwa der Elektronenstrom aus dem Plasma (mit negativem Vorzeichen). Der Gesamtstrom jeW +jip +jep (Spur d) zeigt das in Abb. F.22 geforderte Muster eines Stromwirbels, d.h. einen negativen Strom - vom Plasma zur Wand gerechnet - in den Außenbezirken und einen positiven Strom im Innern. Damit ein solcher Bogen also existieren kann, muß das Floating Potential und deshalb die Temperatur noch hoch genug sein, um Zündung zu ermöglichen. Die Zündspannung hängt vom Wandmaterial und seiner Oberflächenbeschaffenheit ab, und liegt im Bereich von 50 V. Außerdem muß nach Gl. (F4) ein genügend großes Produkt Anvth vorliegen. Gl. (F.4) gibt auch die U/I Charakteristik der effektiven Spannungsquelle an. Man erkennt, daß es sich um eine fallende Charakteristik handelt ähnlich wie bei einer Spannungsquelle mit Innenwiderstand. γ) Der Kathodenfleck Der Mechanismus des Kathodenflecks ist der gleiche wie beim Vakuumbogen: Dicht über der Kathode liegt ein winziger Plasmaball, der aus dem Dampf der Kathode besteht. Dieser hat einen oder mehrere Fußpunkte, die in einem Krater auf der Kathode enden. Der Krater wird mit Teilchen bombardiert, so daß hier das Material geschmolzen ist. Wenn der Krater eine gewisse Größe erreicht hat, erlischt der Fußpunkt und ein neuer Kanal zündet vom Plasmaball zur Kathode. In einem parallel zur Oberfläche ausgerichteten Magnetfeld wandert der 162 Plasmaball umgekehrt zur j × B - Richtung (retrogerade Bewegung). Im Krater herrschen exotische Bedingungen: Radius: 1µm Dichte des Plasmas: ne = 1018cm-3 Temperatur: Te = 1 eV Energieumsatz: P/V = 1012 W/cm3 Feldstärke: E = 106 V/cm Stromdichte: j = 108 A/cm2 Lebensdauer: te = 10 ns Abb. F.24: Induktive, kapazitive und quasioptische HF - Entladungen 163 5. Hochfrequenzplasmen a) Einleitung Benutzt man für die Energieversorgung einer Entladung eine Wechselspannung, so wird sich die Entladung bei Frequenzen, die wesentlich kleiner sind als die typischen reziproken Einstellzeiten, nicht wesentlich von der entsprechenden Gleichstromentladung unterscheiden. Bei sehr hohen Frequenzen beobachtet man neue Entladungstypen. Man spricht dann von Hochfrequenz - (HF), Radiofrequenz - (RF), oder Mikrowellenentladungen (MW). Die anwendbaren Frequenzen liegen bei den RF Entladungen im Prinzip zwischen 10 kHz und 100 MHz, bei den Mikrowellenentladungen zwischen 1GHz und 300 GHz. Durch die bedürfnisse der Kommunikationstechnik sind die tatsächlich zur Verfügung stehenden Frequenzen allerdings stark eingeschränkt. Für RF - Plasmen ist die am häufigsten verwandte Frequenz 13,56 MHz, im Bereich der Mikrowellenplasmen 2,45 GHz. Nach der Technik der Energieeinkopplung unterscheidet man zwischen induktiven, kapazitiven und quasioptischen Entladungen (Abb. F.24). Der Aufbau einer induktiven Entladung entspricht dem eines Transformators: Die Hochfrequenzquelle speist die Primärwicklung, das Plasma übernimmt die Funktion der Sekundärwicklung. Wir haben dieses Prinzip schon im Thetapinch und bei der Einkopplung des toroidalen Stromes im Tokamak kennengelernt. Der Grundtypus der kapazitiven Entladung ist ein Kondensator, dessen Platten mit einer Hochfrequenzspannung gespeist werden. Die Geometrie entspricht also im Prinzip der einer Glimmentladung. Der Grundtyp einer quasioptischen Entladung ist die Mikrowellenentladung. In allen drei Fällen kann man ohne Kontakt zwischen Plasma und Elektroden oder zumindest mit einem stark reduzierten Kontakt auskommen. Bei der induktiven und der quasioptischen Entladung ist diese Aussage evident. Sie können in Glas- oder Quarzgefäßen ohne Elektroden Abb. F.25: Ein Anpassungsnetzwerk, um die Plasmaimpedanz Zp an den Arbeitswiderstand des Senders anzupassen betrieben werden. Bei der kapazitiven Entladung werden im stoßfreien, stationären Fall alle 164 geladenen Teilchen eine sinuusförmige Schwingung vollführen. In einer Anfangsphase werden Teilchen, die die Wand berühren, aus aus dem Plasma entfernt, sodaß die Teilchen, die keinen Wandkontakt hatten, auch in Zukunft keinen haben werden. Bei Anwesenheit von Stößen werden Teilchen zu den Elektroden diffundieren. Der Kontakt des Plasmas mit den Elektroden entspricht also dem Plasma - Wand Kontakt in den anderen Entladungen. Dadurch, daß γ - Prozesse (s. Kap. F.2) für die Aufrechterhaltung der Entladung nicht erforderlich sind, können in Hochfrequenzentladungen Elektrodenerosion und die damit verbundene Verunreinigung des Plasmas gegenüber Gleichspannungsentladungen deutlich reduziert werden. Diese Tatsache rechtfertigt bei industriellen Verfahren den zusätzlichen Aufwand der Hochfrequenzentladungen gegen über Gleichspannungsentladungen. Zu dem höheren apparativen Aufwand kommt noch die i.a. geringere Effektivität: Auch HF - Generatoren benötigen ja zunächst eine Gleichstromversorgung. D.h. zu den Verlusten in der Gleichstromversorgung treten bei HF - Entladungen die Verluste des Oszillators hinzu. Die Leistung, die der Oszillator bereitstellt, soll möglichst effektiv auf die geladenen Teilchen übertragen werden. Mit diesem Problem der Ankopplung befaßt sich der nächste Abschnitt. Die Energie im Plasma liegt dann zunächst in Form gerichteter kinetischer Energie der Teilchen vor. Um eine Temperaturerhöhung zu bewirken, muß die gerichtete Energie etwa durch Stöße dissipiert werden, d.h. in eine mehr oder weniger isotrope Maxwellverteilung überführt werden. In manchen Anwendungen wie der Beschichtung von Oberflächen benötigt man hohe gerichtete Energien. b) Das Problem der Energieeinkopplung α) Anpassung des Senders Die optimale Energieeinkopplung ist zunächst ein elektrotechnisches Problem. Jeder Oszillator benötigt einen ganz bestimmten Arbeitswiderstand Rs um seine maximale Leistung abgeben zu können. Stellt man den Oszillator als ideale Spannungsquelle mit in Serie geschaltetem Innenwiderstand Ri dar, so ist Rs = Ri. Die Leistung wird letztendlich durch eine Antenne an das Plasma übertragen, wobei die Antenne je nach Entladungstypus eine Spule, ein Kondensator oder ein Mikrowellenhorn sein kann. Wenn die Impedanz der Antenne mit Plasma, Zp bekannt ist, kann ein Anpassungsglied konstruiert werden, das für die gegebene Frequenz Zp auf den Arbeitswiderstand des Osszillators anpaßt. 165 Abb. F.25 zeigt ein typisches Beispiel eines Anpassungsgliedes für den Radiofrequenzbereich. In diesem Fall wird der ohmsche Anteil von Zp hochtransformiert. Man versteht die Funktion sofort über das Verhalten eines Parallelschwingkreises in Resonanz mit Verlustwiderstand Re(Zp). Im Mikrowellenbereich benutzt man Hohlleiterelemente, die die Funktion von C und L haben. Das Anpassungsglied kann stets aus Blindelementen gebildet werden. Falls man voraussetzt, daß L und C reine Blindelemente sind, folgt, daß die gesamte vom Sender abgegebene Leistung im Plasma verbraucht wird. Das Problem der Anpassung von Sender und Zp besteht darin, daß die Komponenten des Anpassungsgliedes nicht verlustfrei sind, und man daher den Anteil der Blindleistung im Anpassungsglied und in der Antenne mit Plasma möglichst gering halten muß. Ideal ist also ein reelles Zp mit Zp = Rs. β) Die Einkopplung ins Plasma Ein Maß für die Güte der Übertragung der von der Antenne angebotenen Energiedichte u in das Plasma ist die Energieübertragungsfrequenz ν*, definiert durch P = umax ν* Wobei P die ans Plasma abgegebene Leistungsdichte und umax die Amplitude der Energiedichte in der Antenne ist. Im Einteilchenmodell ist die Leistung, die ein Teilchen der Ladung e im stationären Fall im Mittel aus einem elektrostatischen Feld E0 aufnimmt p 1 = eE 0 v d wobei vd die Driftgeschwindigkeit des Teilchens ist. Setzt man die Driftgeschwindigkeit ein eE v d = ν m0 c e (s. Kap. E.4.c), und rechnet auf alle Teilchen pro Volumen um, so erhält man nee2E2 P = nep1 = ν m 0 c e n e2 Mit der Energiedichte u max = 1 ε 0 E 20 und der Elektronenplasmafrequenz ω2pe = ε em erhält 0 e 2 man 166 Abb. E.26: Aufbau einer Fackelentladung 2ω2pe P = u max ν oder P = u max ν∗ c Die Energieübertragungsfrequenz ist 2ω2pe ν∗= ν c (F.5) ν* ist interessanterweise hier umgekehrt proportional zur Stoßfrequenz. Abb. F.27: Aufbau eines induktiven Parallelplattenreaktors. Die Spule ist schneckenförmig auf der Oberseite des Entladungsgefäßes angeordnet Im allgemeinen Fall, d.h. bei Berücksichtigung von kollektiven Effekten, der Bewegung im Magnetfeld u.Ä. ist ν* besonders groß, wenn die Frequenz des äußeren Kreises mit charakteristischen Frequenzen des Plasmas in Resonanz tritt. Es kann sich dabei um charakteristische Frequenzen handeln, die mit den Plasmaparametern verbunden sind, wie der Elektronen- oder Ionenzyklotronfrequenz der unteren oder oberen Hybridfrequenz. Die Heizmethoden heißen dann entsprechend Elektronen - oder Ionenzyklotronheizung (ECRH, ICRH) oder untere Hybridheizung (UHH). Es kann sich aber auch um Eigenresonanzen der Plasmasäule bezüglich bestimmter Plasmawellen handeln. Man spricht dann von geometrischen Resonanzen. Geometrische Resonanzen können Plasmaresonanzen völlig überdecken. Abb. F.28: Anordnung für den kapazitiven Parallelplatten reaktor Für ein unmagnetisiertes Plasma mit ωpi << ω << ωpe lassen sich die kollektiven Effekte in erster Näherung über das Flüssigkeitsmodell berücksichtigen. Bei genügend kleiner 167 Leitfähigkeit dringt das Feld vollkommen ein aber es wird wenig Energie dissipiert. Bei hoher Leitfähigkeit ist die Energiedissipation pro Volumen groß, aber der Skineffekt sorgt dafür, daß das Volumen, in dem Energie dissipiert wird, mit steigender Leitfähigkeit abnimmt, so daß insgesamt die Energiedeposition im Plasma wieder abnimmt. Es gibt ein Optimum der Leitfähigkeit, bei der die Skintiefe etwa gleich dem Plasmaradius ist. Bei Abschätzungen dieser Art ist Vorsicht geboten, da wie oben ausgeführt für die gesamte Energieübertragung vom Sender zum Plasma die Eigenschaften des Senders wie sein Innenwiderstand entscheidend eingehen. c) Induktive Plasmaquellen Unter den industriell genutzten induktiven Plasmaquellen sollen zwei hervorgehoben werden: Die induktive Fackelentladung und der induktive Parallelplattenreaktor. α) Die Fackelentladung Abb. F.26 zeigt einen typischen Aufbau. Fackelentladungen werden mit Leistungen bis in den 100kW Bereich betrieben. Sie können bei 10 mbar bis 10 bar arbeiten. Häufig angewandter Arbeitsdruck ist Atmosphärendruck. Gastemperaturen bis 2 eV sind üblich. Die Plasmadaten sind also vergleichbar mit denen in Lichtbögen. Dadurch, daß keine Elektroden benötigt werden, erreicht man längere Standzeiten und geringere Plasmaverunreinigung. Unbequem ist die Abb. F.29: Die Potentialverteilung einer völlig symmetrischen Anordnung Tatsache, daß Fackelentladungen i.a. nicht selbst zünden und daher eine besondere Zündmaßnahme benötigen. Fackelentladungen sind in der Industrie beliebt, da die technische Ausrüstung von Induktionsöfen her bekannt ist. β) Der induktive Parallelplattenreaktor Der Aufbau des induktiven Parallelplattenreaktrors ist in Abb. F.27 skizziert. Die Geometrie des Plasmas ist der des kapazitiven Parallelplattenreaktors angenähert, um über eine große Fläche möglichst homogene Plasmaparameter zu erhalten. Leistungen bis 168 2kW werden Angewandt. Bei kleineren Gasdichten als in der kapazitiven Quelle erzielt man höhere Elektronendichten. d) Kapazitive RF Plasmaquellen α) Einleitung Die am häufigsten industriell genutzte kapazitive RF Plasmaquelle ist der Parallelplattenreak- Abb. 30: Die Strom - Spannungscharakteristik eines völlig symmetrisch betriebenen Kondensators ist die einer symmetrischen Doppelsonde tor (Abb. F.28). Um an dieser Apparatur gewonnene Erkenntnisse vergleichen zu können, wurde auf einer der jährlich von der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft abgehaltenen Konferenzen für Gaselektrtonik (Gaseous Electronics Conference, GEC) eine gewisse Normung dieser Plasmaquelle vorgenommen. Die genormte Zelle, die in vielen Labors untersucht wird, wird GEC Referenzzelle genannt. Die folgenden Erörterungen beziehen sich im wesentlichen auf die Verhältnisse in der GEC Zelle, d.h. auf ein relativ homogenes Plasma ohne Magnetfeld bei Frequenzen unterhalb der Elektronenplasmafrequenz und einer Skintiefe, die größer als die Abb. F.30: Aus dem Spannungsverlauf am Kondensator, hier mit der Zeitachse nach unten, läßt sich mit Hilfe der Strom - Spannungscharakteristik der Stromverlauf konstruieren. Die Potentialverhältnisse am Kondensator stellen sich bei kapazitiver Ankopplung so ein, daß die Gesamtfläche zwischen Ic(t) und der t - Achse über eine Periode verschwindet. Plasmadicke ist. Es gibt eine Reihe von Abwandlungen dieser Quelle. Z.B. kann ein Magnetfeld angewandt werden, etwa ein rotierendes Magnetfeld, um das Plasma in Rotation zu versetzen und so die mittlere Homogenität zu verbessern. Ein Magnetfeld von Festmagneten am Kondensatorrand 169 kann den Einschluß positiv beeinflussen. Im Extremfall kann ein statisches homogenes Magnetfeld überlagert werden, um die Zyklotronresonanz einer Teilchensorte zur Heizung auszunutzen. Neben der Parallelplattengeometrie werden auch alle möglichen anderen Elektrodenanordnungen eingesetzt. β) Die Potentialverhältnisse Gehen wir von einer völlig symmetrischen Anordnung mit gleich großen Elektroden und Mittelerdung der Stromversorgung aus (Abb. F.29), so wird das Plasma im Plasmakörper (bulk) das Potential 0 besitzen. In den Schichten vor den Elektroden geht dann das Potential auf den Wert, den der Sender vorgibt. D.h. die in Abb. F.29 durchgezogene Potentialverteilung gilt für das maximale positive Potential an der linken Elektrode, die gestrichelte Kurve für eine Situation mit einer Phasenverschiebung π d.h. zu einem Zeitpunkt, bei dem die rechte Elektrode das maximale Potential besitzt. Eine Erdung an einer anderen Stelle, etwa an einer Elektrode ändert an dem relativen Verlauf des Potentials im Prinzip nichts, sondern legt nur den Nullpunkt anders fest. In praxi ist es nicht gleichgültig, wo die Erdung vorgenommen wird, da das Vakuumgefäß aus verschiedenen Gründen im allgemeinen geerdet wird. Die zusätzliche Fläche des Vakuumgefäßes wirkt wie eine Vergrößerung der Fläche der geerdeten Elektrode. Als Modell zur Beschreibung der Potentialverteilung wird auf den Mechanismus der Langmuirschicht zurückgegriffen (s. Kap. E.5.b). Die symmetrische Situation entspricht einer Doppelsonde. Die Strom - Spannungscharakteristik läßt sich ermitteln, indem man zwei Schichten der Langmuirsonde mit umgekehrter Polarität hintereinanderschaltet. Das Ergebnis ist in Abb. F.30 skizziert. Die Charakteristik ist symmetrisch. Der Sättigungsstrom ist jetzt für beide Stromrichtungen durch den Ionensättigungsstrom gegeben. I s = 1 An e v thi . Bei unglei4 chen Flächen A2 > A1 wird auch der Ionensättigungsstrom, der durch die Fläche A2 begrenzt wird, größer. Für A 2 v the = erreicht man an A2 den Elektronensättigungsstrom und die Charakteristik geht in A 1 v thi die der Langmuirsonde über. Koppelt man einen Entladungskondensator mit ungleichen Flächen kapazitiv an die RF Versorgung an, so müssen sich die Potentialverhältnisse so einstellen, daß der Strom im zeitlichen Mittel verschwindet, da der Koppelkondensator für 170 Gleichstromanteile undurchlässig ist. Die Form des Stromsignals läßt sich aus dem bekannten (z.B. sinusförmigen) Spannungssignal mit Hilfe der U/I Charakteristik konstruieren (Abb. F.31). Wegen der jetzt unsymmetrischen Charakteristik ist das Stromsignal nicht mehr sinusförmig. Der Entladungskondensator wird sich in einer Einschwingzeit solange aufladen, d.h. die Charakteristik wird sich in Abb. F.31 solange in Richtung der U - Achse verschieben, bis im stationären Zustand <I> = 0 erfüllt ist. D.h. es entsteht eine Gleichspannung am Entladungskondensator und damit am Plasma gegenüber Erde. Dieser Mechanismus ist als automatische Vorspannungseinstellung (Bias) von nichtlinearen elektronischen Bauelementen wie Elektronenröhren her bekannt. Der Bias hat für die Anwendung der RF - Plasmen zur Oberflächenbehandlung eine überragende Bedeutung, da hierdurch den Teilchen, die auf die Oberfläche auftreffen, eine gerichtete Energie erteilt wird. Dadurch haften Schichten fester und geätzte Kanäle können steilere Wände erhalten. γ) Heizung Bei der Heizung der kapazitiven Entladung unterscheidet man zwischen zwei Mechanismen: Der ohmschen Heizung und der Schichtheizung. Die ohmsche Heizung ist im wesentlichen im Plasmakörper (bulk) maßgeblich. Hier kann man von einem räumlich konstanten, zeitlich oszillierenden E - Feld kleiner Feldstärke ausgehen. Unter den hier vorrausgesetzten Bedingungen eines magnetfeldfreien Plasmas geringer Dichte und großer Eindringtiefe bei Frequenzen ωpi < ω < ωpe kann man sich mit einem eindimensionalen Einteilchenmodell einen Überblick über den Mechanismus verschaffen. Die Bewegungsgleichung eines Elektrons in Feldrichtung lautet dann 2 m e d 2x + m e ν c dx = eE 0 e iωt dt dt νc ist die Elektronen Stoßfrequenz, unter den betrachreten Bedingungen also die Frequenz der Stöße der Elektronen mit dem Neutralteilchenhintergrund. Die stationäre Lösung ergibt sich durch den Ansatz ∼ x =∼ ae iωt 171 eE 1 ∼ x=m e iωt e −ω 2 + iων c und • iω eE ∼ v=∼ x= m e iωt e −ω 2 + iων c wobei die Tilde andeutet, daß man es mit komplexen Größen zu tun hat. Die mittlere Leistung, die auf ein Elektron übertragen wird, ergibt sich aus ∼ 1 Re(∼ v) ⋅ Re F 2 ∼ = 1 Re ∼ v ∗ F 2 ∼ mit der Kraft pro Elektron F = eE 0 e iωt . Diese Beziehung läßt sich leicht durch Ausschreiben der komplexen Größen verifizieren, etwa ∼ v= (v r + iv i )(cos ωt + i sin ωt), usw. Die mittlere Leistung auf ne Elektronen pro Volumen ist dann 〈P;〉 = ne 2 E 20 νc 2m e (ω2 + ν 2c ) In der Schicht ist die Feldstärke sehr viel größer als im im Plasmakörper und auf einen kleinen Volumenbereich beschränkt. Hier ist die oben angewandte Näherung, insbesondere die Annahme eines homogenen E - Feldes, nicht gerechtfertigt. Adäquater ist eine Wellennäherung. Ein Teilchen, das aus dem Plasma in die solitäre Welle gelangt, erleidet einen Stoß. Da die Schicht eine positive Raumladung enthält, wird ein Elektron in das Plasma zurückreflektiert. Bei der Reflexion gewinnt das Teilchen Energie, wenn die Welle auf das Teilchen zu läuft und verliert Energie, wenn die Welle die gleiche Bewegungsrichtung wie das Teilchen hat. Die Anzahl der Teilchen, die mit der Welle wechselwirken, ist allerdings für beide Fälle unterschiedlich: Wenn die Welle auf die Teilchen zu läuft, trifft sie mehr Teilchen als im umgekehrten Fall, wodurch insgesamt ein Energiegewinn zu verzeichnen ist. Eine ähnliche Diskussion wird bei der Landaudämpfung geführt (Kap. G.4.f). Die Schichtheizung führt zu einer Elektronenpopulation mit einer höheren Energie als die ohmsche Heizung. Wegen der kleinen Teilchendichten stellt sich keine Maxwellverteilung ein. Das Vorliegen einer nicht maxwellschen Elektronenverteilungsfunktion ist typisch für kapazitive RF - Entladungen. e) Mikrowellenentladung 172 Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen zwischen 1mm und 30cm. Die für technische Plasmaquellen am häufigsten verwandte Frequenz ist 2,45 GHz (λ = 12,24cm). Da diese Frequenz auch für Mikrowellenherde benutzt wird, sind Komponenten billig verfügbar. Die Wellenlängen liegen im Bereich der Abmessungen typischer Plasmagefäße, daher kann man geometrische Resonanzen zur effektiveren Einkopplung der Energie ausnutzen. Wird ein homogenes Plasma benötigt, sind Eigenresonanzen eher unerwünscht und erfordern u. U. zusätzliche Maßnahmen, um zu erreichen, daß das zu bearbeitende Material dem Plasma gleichmäßig ausgesetzt wird. Typische Leistungen liegen im Bereich von 100W bis einigen Kilowatt, typische Gasdrucke zwischen 1Pa und Atmosphärendruck. Bei Überlagerung eines Magnetfeldes und Ausnutzung der Elektronenzyklotronresonanz kann Zündung bei extrem niedrigen Drucken (10-6 Pa) erreicht werden. Die Temperaturen und Elektronendichten sind i.a. höher als in RF - Entladungen (Te bis 15 eV, ne bis 1018 m-3 ). Die einfachste Methode zur Einkopplung der Mikrowellenleistung besteht darin, das Plasmagefäß durch den Hohlleiter zu führen. Meistens liegt dann die Welle in der Grundmode vor und die Anpassung regelt sich i.a. automatisch. Es ist allerdings auch möglich, über Fenster aus Quarz oder Keramik die Mikrowellen einzustrahlen und höhere Moden des Resonators auszunutzen. Die Zündbedingungen kann man ähnlich wie bei den Gleichstromentladungen in einem E - p Diagramm darstellen. Man erhält in Abhängigkeit von der Diffusionskonstanten als Parameter Kurven, die der Paschenkurve (Abb. F.9) ähneln, d.h. die bei einem bestimmten Druck ein Minimum der Zündfeldstärke besitzen. Die Situation ohne Magnetfeld wird durch drei dimensionslose Parameter charakterisiert: E/p, pλ, λ/Λ wobei Λ die charakteristische Diffusionslänge und λ die Vakuumwellenlänge der Mikrowellenstrahlung ist. Die Energieaufnahme kann nicht mehr wie bei den RF - Plasmen mit der Einteilchennäherung behandelt werden. Man verwendet das Modell des kalten Plasmas wie in Kap. D, und berücksichtigt zusätzlich Stöße. Im Bereich der Mikrowellenentladungen werden Fragen der Wellenausbreitung wichtig. Der Wellenpfad kann gekrümmt verlaufen, bestimmte Plasmabereiche sind u.U. für einen Wellentyp nicht erreichbar, es gibt die Möglichkeit Oberflächenwellen anzuregen und so das Plasma nur in den Randzonen zu heizen, Wellentypen können 173 ineinander umgewandelt werden, usw.. Die entsprechenen Techniken und Modelle sind im wesentlichen in der Fusionsforschung entwickelt worden.