NOTIZEN 468 Bestim m ung der Zellzyklusphasen in heterogenen Tum orzellpopulationen in vivo H a rtm ut R abes Pathologisches Institut der Universität München (Z. N a tu rfo rsch g . 24 b , 468 [1969] ; e in g e g a n g e n am 16. O k to b e r 1968) Zur Bestimmung der Zellzyklusdauer (tc) und der einzelnen Abschnitte (fei; t s ! ^02? *m) des Zellzyklus wurde von Q u a s t l e r und S h e r m a n 1 ein Verfahren entwickelt, das bei normalen proliferierenden Zellpopu­ lationen exakte Aussagen zuläßt. Aus dem autoradio­ graphisch ermittelten Anstieg des Prozentsatzes m arkier­ ter Mitosen in verschiedenen Intervallen nach Gabe von tritiiertem Thymidin bis zum 100%-Wert können £g2 und tyi abgelesen werden. Der Abfall der Kurve zu späteren Versuchszeitpunkten ermöglicht die Bestim­ mung der DNS-Synthese-Dauer (ts ). Wiederanstieg der Prozentkurve m arkierter Mitosen (P.m.M.) läßt Rück­ schlüsse auf tc zu, woraus £gi berechnet werden kann. Die Methode ist von zahlreichen Autoren angewendet w orden2. Ein Vorteil des Verfahrens ist die Unabhän­ gigkeit von tageszeitlichen Schwankungen der Mitose­ aktivität und des Thymidin-H-3-Markierungsindex (Zahl m arkierter Zellen pro Gesamtzellzahl). Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Methode ist jedoch, daß die Dauer der einzelnen Zellzyklusperioden innerhalb der Population weitgehend konstant ist. Variationen von 1G2 und tyi führen zu einer Ab­ flachung im Anstieg der P.m.M. In extremen Fällen wird der 100%-Wert nicht erreicht, da bei kurzer ts die Zellen m it kurzer *g2 und sich bereits wieder in ?Gl befinden, bevor alle Zellen erreicht haben. Durch Schwankungen von ts flacht zusätzlich der fallende Schenkel der P.m.M. ab, so daß Aussagen über die Dauer der einzelnen Zellzyklusabschnitte nicht mit Sicherheit möglich sind. Diese Verhältnisse liegen in der Regel bei malignen Tumoren v o r3-5. Chemisch in­ duzierte, autochthone Tumoren zeigen ein ähnliches Verhalten. Gerade die Proliferationskinetik induzierter maligner Tumoren ist jedoch von besonderem Inter­ esse. Durch Auswahl bestimmter, streng definierbarer Tumoranteile gelingt es aber, die Variationsbreite der Zyklusdauer einzuschränken und mit der geschilderten Methode klarere Ergebnisse zu gewinnen. In solid wachsenden Tumoren stehen die Zellen je nach ihrer Lokalisation unter sehr unterschiedlichen Bedingungen. Anreicherung von Stoffwechselendpro­ dukten und ungenügende Zufuhr von Metaboliten des Energie- und Synthesestoffwechsels können hemmend auf das Wachstum wirken. Im autoradiographischen 1 H. Q uastler and G. Sherman, Exp. Cell Res. 17, 420 [1959]. 2 R. B a s e r g a , Cancer Res. 25, 581 [1965]. 3 A. B. R e i s k i n and M . L. M e n d e l s o h n , Cancer Res. 24, 1131 [1964]. 4 J. P o s t and J. H o f f m a n . J. C e l l B i o l . 22. 341 [1964]. 5 A. G o l d f e d e r , Nature [London] 207, 612 [1965]. 6 H. D r u c k r e y , A. S c h i l b a c h . D . S c h m ä h l , R. P r e u s s m a n n u . S. I v a n k o v i c , Arzneimittel-Forsch. 13, 841 [1963]. 7 P. N. M a g e e and R. S c h o e n t h a l . Brit. med. Bull. 20, 102 [1964]. Bild zeigen die zentralen Teile eines soliden Tumors nach Thymidin-H-3-Injektion des Versuchstieres gerin­ gere Silberkorndichte und Markierungsindex. Die Zahl m arkierter Zellen steigt zur Peripherie des Tumors steil an, wobei gleichzeitig die Silberkorndichte über den Kernen zunimmt. Diäthylnitrosamin-induzierte maligne H epatom e6’ 7 (Sprague-Dawley-Ratten, männlich, 340 —400 g, 5 mg Diäthvlnitrosam in/kg/die im TrinkwTasser) zeigen die­ ses Phänomen in ausgeprägter Weise. M arkierungs­ dichte und Silberkornzahl im Autoradiogramm nach Gabe von Thymidin-H-3 (1 juC/g KG i.p., spez. Akt. 5C/m M ) steigen von den zentralen, nicht nekrotischen Teilen des Tumors zur Peripherie hin nahezu um den Faktor 10 an. D araus läßt sich mit Wahrscheinlichkeit eine unterschiedliche Proliferations- und DNS-SyntheseRate in verschiedenen Teilen des Tumors ableiten. Die Anwendung des Q u a s t l e r - S h e r m a n - Verfahrens ist wegen der Inhomogenität der Tumorzellpopulation unmöglich. Der 100%-Wert m arkierter Mitosen wird nicht annähernd erreicht, Anstieg und Abfall der Kurve sind flach. Dieses Ergebnis ist eine Bestätigung der Untersuchungen von P o s t und H o f f m a n 4 an 3-Methyl4-dimethylaminoazobenzol-induzierten Lebertumoren. Beschränkt man die Bestimmung des Prozentsatzes m arkierter Mitosen jedoch auf den peripher liegenden Hepatombereich, so ergibt sich für die P.m.M. und da­ mit für die Auswertung ein eindeutiges Bild. Es w ur­ den nur die Hepatomzellen ausgewertet, die nicht wei­ ter als maximal 200 // vom normalen Lebergewebe ent­ fernt lokalisiert lagen. 2,5 Stdn. nach Injektion des tritiierten Thymidins steigt der Prozentsatz m arkierter Mitosen steil an, erreicht nach etwa 4 Stdn. den 100%W ert und nähert sich bereits 10 Stdn. nach Gabe des Thymidins in steilem Abfall bereits wieder dem Mini­ mum bei etwa 10 Prozent. Das Maximum der zweiten Welle m arkierter Mitosen liegt bei 20 Stunden. Daraus ergibt sich eine Zyklusdauer von etwa 14 Stdn., £g2 + ?M betragen etwa 4 Stdn., ts etwa 6,5 Stdn. und £gi etwa 3,5 Stunden. Dieses Ergebnis ist ein Hinweis dafür, daß sich die heterogene Zusammensetzung dieses chemisch induzier­ ten Carcinoms nur bei Einbeziehung aller Tumorzellen unabhängig von ihrer Lokalisation im Tumor bem erk­ bar macht. Bei Beschränkung auf eine genau definierte Zone des Tumorgewebes, wo alle Tumorzellen unter etwa gleichen Bedingungen proliferieren, gelingt mit dem Q u a s t l e r - S h e r m a n - Verfahren eine exakte kinetische Analyse des Zellzyklus. Die gewonnenen Werte charakterisieren zwar nicht das Wachstumsver­ halten des gesamten Tumors, geben jedoch Aufschluß über den biologisch besonders wichtigen, schnell proli­ ferierenden und destruktiv-invasiv wachsenden Anteil des Tumors. Mit dieser Methode ergibt sich die Möglichkeit, die Beeinflussung des Generationszyklus von Tumorzellen durch exogene oder körpereigene Faktoren auch in autochtonen Tumoren unter kontrollierbaren Bedingun­ gen zu untersuchen. Die Versuche wurden mit großzügiger Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License. Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen. On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage.