Hille Haker: Hauptsache gesund? Ethische Fragen der Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik. 272 Seiten, gebunden Kösel-Verlag, München 2011 19,99 Euro Elternschaft bedeutet Verantwortung. In unseren Tagen verschärft sich dieser Anspruch durch die medizintechnischen Möglichkeiten am Beginn einer Schwangerschaft. „Da wir uns aber alle daran gewöhnt haben zu denken, dass die Entscheidung, Eltern zu werden, >ganz privat< gefällt wird und gefällt werden sollte, lassen wir die Eltern mit den heute notwendig mit Elternschaft verbundenen Entscheidungen allein. Dem möchte ich entgegenwirken“ (51f). Haker will als theologische Ethikerin (Chicago, Frankfurt/Main) das Schweigen „durchbrechen, das die Frage nach der Moral in Entscheidungen zum Eltern-Werden beherrscht“ (11). In Sachen assistierter Fortpflanzung, Prä-implantationsdiagnostik und der Schwangerschaftskonflikte stellen sich stets neue Fragen, Erfahrungen und moralische Herausforderungen. Und dazu „gibt es keine so eindeutigen Begründungen, wie es eine klare und rationale Ethik – oder die katholischtheologische Ethik – erwarten lässt“ (14). Elternschaft hat sich durch soziale Wertveränderungen und durch die neuen Technologien radikal verändert, so „dass sie deshalb auch ethisch neu zu interpretieren ist“ (22). Haker will mit diesem Buch sowohl die belastenden Erfahrungen von (heutigen und künftigen) Eltern ernst nehmen, als auch für die Betroffenen „eine Schneise durch das Dickicht der historischen, sozialen und naturwissenschaftlichen Entstehungsbedingungen dieser Diskussion schlagen“ (17). Das gelingt ihr mit sachlicher Kompetenz und in gut lesbarem Stil. Nicht zuletzt die Verarbeitung konkreter Erfahrungsberichte (insbesondere von Frauen) veranschau-licht die Brisanz ethischer Neubesinnung, die „langsamer, behutsamer“ angegangen werden sollte, „als wir es in den letzten Jahren getan haben“ (146). Eine Ethik der Elternschaft müsse künftig mehr eine „Ethik der Beziehung“ sein (232), weil die dominierende Medikalisierung der Schwangerschaft einen Primat der Technik intendiert, was zu einer Entfremdung der beteiligten Subjekte führt: „Hier geht es nicht mehr um die >Annahme< eines Kindes, sondern es geht um den Umgang mit Embryonen, die mit medizinischer Unterstützung erzeugt werden“ (236). Das hoch informative Buch hält dem Leser provokant vor Augen, wie relativ und zeitbedingt die gängigen Vorstellungen von Gesundheit, Krankheit und Elternschaft sind, wie sehr die vitalen Erfahrungen von Frauen durch den medizinischen Fokus auf die Schwangerschaft (144) überlagert oder ausgeblendet werden, wie sehr inzwischen aus der sorgenden Schwangerschaftskontrolle eine nachhaltige Schwangerschaftsüberwachung geworden ist (117). Wer in diesem Problemfeld mit seinen drastischen Veränderungen Orientierung sucht, dem sei dieses Buch dringend empfohlen. Reiner Jungnitsch