Nutzwert, Eigenwert, Selbstwert Was kann, darf und soll Gegenstand ökonomischer Bewertung sein? Strategie-Workshop „Vom rechten Maß und der richtigen Vermittlung ökonomischer Ansätze im Naturschutz“ INA, Vilm, 17.-20.11.2014 Dr. Uta Eser Koordinationsstelle Wirtschaft und Umwelt, HfWU U. Eser 1 Worum es geht Anlass: Die „Ausgrenzung und Verdrängung intrinisischer Werte“ Hintergrund: Unsere Studien über Ethik und Naturschutzkommunikation Kommunikativer Knackpunkt: Der ökonomische Begriff des Nutzens „Nutzlos aber sinnvoll“: Das Konzept des eudämonistischen Eigenwerts U. Eser 2 Anlass „ Ausgrenzung und Verdrängung intrinsischer Werte“ Irreführende Problembeschreibung Dennoch weit verbreitet U. Eser „Ausverkauf der Natur“ U. Eser 4 „Ausverkauf der Natur“ U. Eser 5 Ganz unterschiedliche Bedenken Technisch: Preise sagen nicht die volle „Wahrheit“ Bei ökonomischer Bewertung wird Natur „unter Wert verkauft“ Strategisch: Wer sich auf die ökonomische Argumentation einlässt, riskiert, dass er keine Argumente mehr hat, wenn Naturschutz unrentabel ist. Moralisch: Natur hat einen von Menschen unabhängigen Selbstwert („Würde“), der eine Monetarisierung grundsätzlich verbietet. Politisch: Kommodifizierung, Verdrängung intrinsischer Naturschutzmotivation U. Eser 6 Hintergrund Studie für das BfN Ethische Argumente in der deutschen, schweizerischen, österreichischen und europäischen Biodiversitätsstrategie Our Life insurance, our natural capital: – an EU biodiversity strategy to 2020 Kapitel 6 (S. 142-158): Ethische Aspekte des ES-Ansatzes U. Eser 7 Themen Kapitel 6 6.1 Linking biodiversity to ecosystem services 6.2 „Selling out on nature – critics of the ecosystem services concept“ 6.3 „Benefit without use: the contested meaning of instrumental value“ 6.4 „Limits of the economic framework: Relations are not commodities“ U. Eser 8 3. Kommunikativer Knackpunkt ‚Nutzwert vs. intrinsischer Wert‘ als unzureichende Alternative U. Eser Nutzwert vs. Intrinsischer Wert Wert für etwas: Nutzwert Wert an sich: „Nicht-Nutzwerte“ U. Eser 10 Nutzwert vs. Intrinsischer Wert? Wert für etwas: Nutzwert Wert an sich: „Nicht-Nutzwerte“ ‚Wert-an-sich‘ für Menschen Eudämonistscher Eigenwert ‚Wert-an-sich‘ für sich selbst Moralischer Selbstwert Eudämonistische Eigenwerte werden in der ökonomischen Betrachtung unter Nutzwert gefasst U. Eser 11 Total economic value U. Eser 12 „Use Values“ Erholung Spirituelles / kulturelles Wohlergehen Forschung Bildung Ästhetik U. Eser 13 Eudämonistischer Eigenwert „Glückswert“ Zwischen Nutzwert und moralischem Selbstwert Teilt bestimmte Merkmale mit Nutzwert... ...und andere mit Selbstwert Diese Merkmale sind für die Möglichkeit und Zulässigkeit ökonomischer Bewertung relevant. U. Eser 14 4. Nutzwert, Selbstwert, Eigenwert Merkmale und Unterschiede U. Eser Nutzwert Wert der Natur liegt in ihrem Nutzen für Menschen Wertgebendes Merkmal ist extrinsisch: Nicht Natur selbst ist wertvoll, sondern unsere Zweck, für deren Erreichung wir sie brauchen. „Gans, die die goldenen Eier legt“ Instrumentelle Wertschätzung U. Eser 16 Merkmale des Nutzwerts Nicht „an sich“ gut, sondern gut „für etwas“ Wertvoll ist die Funktion, das Messer ist nur Mittel zum Zweck Tausch ist möglich Substitution Schadensersatz möglich Kompensation U. Eser Wert steigt mit Funktionsfähigkeit Wert ist von Funktionsfähigkeit abhängig: Ohne Nutzen kein Wert Voraussetzung für ökonomische Bewertung 17 Selbstwert Natur hat Selbstwert weil und insofern sie Zweck an sich und für sich selbst ist (Selbstzweck). Wertgebendes Merkmal liegt nicht außerhalb der Natur, sondern in ihr selbst Intrinsischer Wert Wesen mit Selbstwert haben keinen Wert, sondern eine Würde. Würde ist konstitutiv für moralische Rechte U. Eser 18 Merkmale des Selbstwerts Wert liegt im Wesen selbst Wertvoll ist die Selbstzwecklichkeit des Lebewesens „Tausch“ verletzt Würde „Schadensersatz“ ist empörend U. Eser Wert unabhängig von menschlicher Wertschätzung Auch ohne Nutzen wertvoll Wer Wesen mit Selbstwert schadet, tut ihnen selbst Unrecht, nicht Menschen Ökonomische Bewertung ist / erscheint unmoralisch 19 Eigenwert Menschen schätzen (eine bestimmte) Natur „um ihrer selbst willen“: weil es sie gibt (Existenzwert) weil sie biographische Bedeutung hat (Erinnerungswert „Heimat“) weil sie kulturelle oder spirituelle Bedeutung hat (Kultureller Wert) weil sie spezifische Formen der (Selbst)-Erfahrung ermöglicht (Ästhetischer Wert) Intrinsische Wertschätzung U. Eser 20 Merkmale des Eigenwerts Wertgebender „Nutzen“ liegt im Gegenstand selbst Wertvoll ist die spezifische subjektive Bedeutung des Messers (hier: Erinnerung) Tausch ist nicht möglich Schadensersatz ist nicht möglich U. Eser Symbolischer Wert unabhängig von Funktionsfähigkeit Auch ohne objektiven Nutzen wertvoll Wer mein Messer zerstört, schadet mir, nicht dem Messer Voraussetzung für ökonomische Bewertung nicht gegeben / fraglich 21 „Spezifische subjektive Bedeutung“ „Es gibt Millionen von Sternen Unsere Stadt, sie hat tausend Laternen Gut und Geld gibt es viel auf der Welt Aber Dich gibt‘s nur einmal für mich...“ (Die Flippers, 1971) „Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig. (…) Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast“ (Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz) Einzigartigkeit entsteht in Beziehung U. Eser 22 Beziehung oder Dienstleistung? Wertschätzung entsteht in Beziehung Wichtiger Grund für das Unbehagen am Konzept der Ökosystemdienstleistung Dienstleistungen als Warenform von Beziehungen Vergleich: Familie/Freundeskreis vs. „haushaltsnahe Dienstleistungen“ Der Tauschwert der Dienstleistung gibt den Wert der Beziehung nicht wider. U. Eser 23 Δ Nutzwert / Eigenwert Einwand: Auch Ästhetik oder Erinnerung sind „Nutzen“ Aber: Nutzen liegt in der besonderen Beziehung Beziehung verbindet Wertenden und Wertgeschätztes untrennbar Es gibt keine „funktionalen Äquivalente“ Kein Ersatz möglich Angabe eines Tauschwerts unplausibel. U. Eser 24 Δ Eigenwert / Selbstwert Eigenwerte verpflichten uns gegenüber demjenigen, der etwas um seiner selbst willen schätzt Selbstwerte verpflichten uns gegenüber dem Träger des Selbstwerts Selbsttest: Wem tue ich Unrecht? U. Eser 25 Wem tue ich unrecht? Selbstwert kaum objektivierbar U. Eser 26 Fazit Was kann, darf und soll Gegenstand ökonomischer Bewertung sein? U. Eser Fazit (Monetarisierte) Nutzwerte sind gewichtige Argumente – aber entscheidender als ihre absolute Höhe ist ihre Verteilung Eigenwerte entziehen sich der Quantifizierung, sind aber kommunizierbar Selbstwerte bedeuten absolute Unverrechenbarkeit, sind aber als moralische Kategorie sehr strittig U. Eser 28 Eigenwerte nicht unterschätzen Viele Menschen schätzen biologische Vielfalt oder Landschaften „um ihrer selbst willen“ Wert entsteht in vielfältigen Beziehungen und Interaktionen zwischen Menschen und Natur Nicht alle diese Beziehungen oder Interaktionen sind als „Nutzung“ adäquat adressiert Subjektive Dimension der Wertschätzung wahrnehmen und ansprechen Subjektive, qualitative Werturteile aussagekräftiger als objektive, quantitative Werte U. Eser 29 Danke für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Uta Eser Koordinationsstelle Wirtschaft und Umwelt HfWU Schelmenwasen 4-8 72622 Nürtingen Tel. 07022 /404-211 E-Mail: [email protected] URL: www.kowu.hfwu.de U. Eser 30 U. Eser 31 Non-use values Philanthropischer Wert Erb-Wert Altruistischer Wert Altruistische Haltung zur Biodiversität Existenzwert U. Eser 32 Δ Tauschwert / Gebrauchswert Tauschwert < Gebrauchswert Luft,Trinkwasser Regenwurm, Biene etc. Lebensmittel Tauschwert > Gebrauchswert Luxusgüter Sammlerstücke U. Eser 33