LN MODUL JUGENDLICHE UND IHRE LEBENSWELTEN VERSTEHEN PH BERN, INSTITUT SI, ERZIEHUNGS- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN REBECCA ANINA JOSS Sonntag, 28. Februar 2016 Cornelius Helmes, Adrian Baumgartner, Roland Rüegg, Andrea Plüss, Andreas Studer ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» 1 Zusammenfassung: 1.1 «Jugend und Gesellschaft» zum Thema: Erfolg und Arbeit im Jugendalter PH Bern Wir befassten uns mit der Frage: Wie definieren Jugendliche Erfolg hinsichtlich Beruf und Arbeitswelt? Dazu erarbeiteten wir uns zunächst die vorliegende Theorie, führten daraufhin theoriebasierte Interviews mit zwei Jugendlichen durch, die kurz vor dem Einstieg ins Berufsleben standen und schlossen die Arbeit ab mit einer Synthese aus der Theorie und den vorliegenden Ergebnissen aus den Interviews in Form eines Handouts. Ergebnisse / Erkenntnisse: Im Laufe der Entwicklungsprozesse im Kindes- und Jugendalter bildet sich eine normative Zielvorstellung, was eine «erfolgreiche», «ideale» Person auszeichnet. Es sind Aspekte wie gute Schulnoten, hohe Schulfreude, eine familiär und beruflich egalitäre Geschlechtsrollenorientierung sowie eine hohe Stabilität des Berufswunsches. Nebst den schulbezogenen Aspekten, zeichnet sich die Adoleszent jedoch durch viele weitere Entwicklungsaufgaben aus, deren Bewältigung bzw. Nichtbewältigung Einfluss darauf haben, wi e Jugendliche Erfolg definieren. Wie Jugendliche Erfolg hinsichtlich Beruf und Arbeitswelt definieren, hängt sowohl von deren endogenen Faktoren wie den schulischen Leistungen, der Einstellung zur Schule, der Ich-Stärke und des Leistungsvertrauens ab, sowie von exogenen Faktoren. Als wichtigste Exogene Faktoren gälten die «Eltern-Kind-Beziehung», der Berufsbildungsstatus der Eltern (BBS), der (gegebenenfalls vorherrschende) Leistungsdruck, die Geborgenheit und Unterstützung durch die Familie und Freunde . Jugendliche unterscheiden sich so stark voneinander, in ihren Voraussetzungen, ihren Anlagen an endogenen und exogenen Faktoren, was dazu führt, dass Erfolg ganz unterschiedlich definiert wird. Für Eine ist Erfolg das Erzielen von guten Schulnoten, die dazu beitragen den Berufswunsch zu erreichen. Für Andere ist Erfolg ein möglichst unmittelbares Erlangen materieller Unabhängigkeit und die Bewältigung weiterer jugendspezifischer Entwicklungsaufgaben wie z.B. der Vorbereitung auf ein Ehe und Familienleben. 1.2 «Entwicklungsprozesse im Jugendalter» zum Thema «Selbstwert stärken» Hier befassten wir uns mit der Frage: Wie kann der Selbstwert der SuS gestärkt werden? Zunächst wurde der Begriff Selbstwert definiert: «Selbstwert umfasst Vorstellungen, Einschätzungen und Bewertungen, die die eigene Person betreffen (vgl. Traummann 2003: S. 8). Der Selbstwert ist somit das mentale Modell einer Person über ihre Fähigkeiten und Eigenschaften (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008: S.531). Danach wurde die Wichtigkeit des Selbstwertes allgemein und im Zusammenhang mit der Schule verdeutlicht; «wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass emotionales Wohlbefinden, soziale Integration in Peergruppen, Resistenz gegenüber Gruppenzwang, Verhaltensstörungen in der Schule und vieles mehr je nach hohem/niedrigen Selbstwert unterschiedliche ausfällt. Schüler/innen mit einem hohen Selbstwert sind meist emotional stabiler und besser integriert (vgl. Trautmann 2003: S. 8). Der Selbstwert wirkt sich auch auf die Zukunftschancen aus. Schüler/innen mit einem positiven Selbstwert sind meist bewältigungs-optimistischer. (vgl. Mietzel 2002: S. 302). Ein niedriger Selbstwert bewirkt meist die entgegengesetzte Wirkung (vgl. Trautmann 2003: S. 8)» Anschliessend sind wir der Frage nachgegangen, wie der Selbstwert in der Schule gefördert werden kann: «Eine Lehrperson sollte den Schüler/innen zeigen, dass sie an sie glaubt. Der Selbstwert der Schüler/innen kann z.B. auch durch Verantwortung für etwas übernehmen, etwas vorzeigen und präsentieren gefördert werden. Dazu gehört auch eigene Stärken fördern und vorstellen. Des Weiteren können individuelle Rückmeldungen, präzises Lob und ermutigende Aussagen (z. B. in Form einer Komplimentenrunde) den Selbstwert eines Menschen stärken. (vgl. Bandura 1997). Anhand der oben genannten Punkte wurde danach eine Verlaufsplanung erstellt, mit dem Ziel den Selbstwert der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Da der Prozess des «Selbstwertstärkens» sehr persönlich ist, lag es nahe, dieses Thema nicht hauptsächlich im Klassenverband, sondern viel mehr individuell zu erarbeiten. Damit sich die Klasse dennoch als gemeinsames Ganzes mit d em Thema auseinandersetzten konnte, planten wir einen Abschlussabend, an dem jede/r Schüler/in vorführen sollte, was er/sie gut kann. Dieser Abschlussabend sollte so gut, wie möglich durch die SuS selbst organisiert 1 ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» PH Bern werden. Für die Individuelle Arbeit planten wir einige Aufgaben, die in einem Tagebuch dokumentiert werden sollten. Die Aufgaben umfassten Aspekte wie; Umgang mit eigenen Ressourcen (beinhaltet: lernen sich abzugrenzen, sich Ziele zu setzen und zu erreichen, lernen persönliche Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren), Umgang mit Herausforderungen, Umgang mit anderen Menschen, Umgang mit Kritik, Vertrauen zu gewinnen durch das Halten von Blickkontakt, durch bewussteres, lauteres Sprechen, durch Positive-Thinking und Sport. Zur Diskussion präsentierten wir unsere Unterrichtsplanung einerseits einer SI Lehrerin, gemäss derer die Planung gut umsetzbar sei und andererseits Mitstudierenden, die uns durchwegs positive Rückmeldungen zu unserer Planung gaben. 1.3 «Sinn- und Wertfragen» zum Thema «Mobbing» Fragestellung: Wie kann Mobbing in der Schule erfolgreich angegangen werden? Das Vorgehen dieser Arbeit beschränkt sich auf eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema, die anschliessende Recherche für Handlungsmöglichkeiten zur Prävention von Mobbing in der Schule und einer abschliessenden Präsentation der Ergebnisse an der PH. Erkenntnisse, die ich aus dieser Arbeit nehme: Ein zentrales Merkmal von Mobbing ist das eindeutige Ungleichgewicht zwischen Mobber und Opfer. Mobbing sollte von Konflikten unterschieden werden. Konflikte gehören zum Alltag und zur sozialen und emotionalen Entwicklung. Kinder sollen lernen mit Konflikten umzugehen, sie zu lösen oder nachzugeben. Sie sollen ausserdem erkennen, wie weit sie gehen können, und lernen, sich zur Wehr zu setzen. Mobbing bietet keine solche Möglichkeit. Das Opfer des Mobbing-Angriffs hat keine Chance, sich gegenüber den anderen zur Wehr zu setzen. Bei Mobbing gibt es keinen Konfliktstoff. Im Mobbing demonstrieren Mobber ihre Machtbedürfnisse, indem sie jemanden angreifen und verletzen. Für Mitläufer ist die Situation schwer durchschaubar, wenn Mobber ihr Opfer zuerst provozieren und danach ihre Angriffe als «normale Abwehr» vertuschen. Es ist deshalb wichtig, Mobbing nicht als Konflikt zu bezeichnen, denn in einem Konflikt sollten beide Parteien zur Lösung des Konflikts beitragen, um daraus etwas Konstruktives zu lernen. In Mobbing-Situationen wiederum muss dafür gesorgt werden, dass Mobber und ihre Assistenten ihr Verhalten ändern. « 1.4 «Jugend und Religion» zum Thema «Okkultismus» Fragestellung: Was kann das Thema Okkultismus in der Schule gewinnbringend thematisiert werden? Das Vorgehen dieser Arbeit beschränkte sich ebenfalls auf eine theoretische Auseinandersetzung, die Recherche für Einsatzmöglichkeiten im Unterricht und einer abschliessenden Präsentation der Ergebnisse an der PH. Okkultismus (lateinisch: occultus = verborgen, geheim) ist ein Sammelbegriff für die Beschäftigung mit Theorien, Praktiken und Ritualen, die sich auf die Existenz und Wirkung übersinnlicher Kräfte beziehen. Wegen seiner Nähe zu Satanismus wird der Begriff Okkultismus heutzutage negativ gewert et. Im Wesentlichen bezeichnet der Begriff Okkultismus Aktivitäten die mit Geheimwissen oder verborgenem Wissen zu tun haben. Okkultismus umfasst die Teilgebiete Spiritismus, Satanismus, Magie / Geistheilung, Hexen und nicht anerkannte Deute- und Beratungspraktiken. Der Spiritismus gliedert sich in den wissenschaftlichen Spiritismus, den Offenbarungsspiritismus (Medien, Channelling) und den Vulgärspiritismus (Gebrauchsesoterik), wo wiederum Praktiken wie Gläserrücken, Tischrücken, Pendeln, automatisches Schreiben, Kristallsehen, Wünschelruten und Tonbandstimmenforchung eingefasst werden. Der Satanismus lässt sich auch weiter unterteilen in den Bereich Synkretistischer Jugend Satansimus, in organisierte Gruppen wie der Satanskirchen und Sexualmagischer Gruppi erungen, daneben besteht eine Grauzone, die die Gruftiszene, den Künstler-Satanismus und den Hard Rock (Okkultrock) einschliesst. Als Beispiel für Praktiken des Teilgebiets Magie / Geistheilung ist u.A. Reiki zu erwähnen oder die «natürliche Magie». Die Astrologie, das Legen von Tarotkarten, Handlesen und I-Ging (und weiter Orakelspiele) sind dem Teilgebiet «nicht anerkannte Deute- und Beratungspraktiken zuzuschreiben. 2 ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» 2 PH Bern Explikation: Um aufzuzeigen, wie die Produkte resp. Erkenntnisse daraus mit ausgewählten Modulkompetenzen in Beziehung stehen, sind anschliessend alle Modulkompetenzen aufgeführt. Ich kann Einflüsse und Wechselwirkungen verschiedener Lebenswelten (z.B. Schule, Familie, soziale Netzwerke, religiöse Gemeinschaften) sowie von Kultur und Gesells chaft auf Individuen beschreiben und analysieren. In meinen Augen stellt jede Familie einen eigenen kleinen Mikrokosmos dar. Rudolf Steiner habe einmal gesagt; «man verbringt sein ganzes Leben damit, die eigene Kindheit zu verarbeiten. » Die Aussage finde ich in diesem Zusammenhang interessant. Jede Familie verfolgt bestimmte Werte, bezeichnet für sich implizit, was gut ist und was man besser sein lässt. Auch bezüglich Erziehungsstil, Betreuung der Kinder und Jugendlichen gibt eine Vielzahl an Ansichten und Einstellungen. Ebenso können die Ansprüche der Eltern an ihre Kinder sehr unterschiedlich ausfallen, wie sich in der Arbeit zum Thema «Erfolg und Arbeit im Jugendalter» bestätigte. Demzufolge, unterstehen Kinder von Eltern mit einem hohen Berufsbildungsstatus einem niedrigen Leistungsdruck, wohingegen Eltern mit einem mittleren bis niederen Berufsbildungsstatus ihren Kindern tendenziell einen höheren Leistungsdruck auferlegen. Die Theorie deckt sich mit den Erfahrungen, die ich in meinem Freundeskreis mache. Es sind öfter Kinder von gut gebildeten Eltern, die sich für eine künstlerische Ausbildung entscheiden. Dieser Erkenntnis gilt es Rechnung zu tragen in der Schule. Die Erwartungen der Eltern an ihre Kinder können sich z.B. auch konkret in der Berufswahl der Jugendlichen widerspiegeln oder in der Einstellung zur Schule selbst. Hinsichtlich der Berufswahl ist es daher sehr wichtig, Vorurteile abzubauen, geschlechtsspezifische Einstellungen zu dekonstruieren und den Jugendlichen eine neutrale und sachliche Sichtweise auf alle möglichen Bildungsmöglichkeiten zu bieten. Die Realität der Jugendlichen ist stark von neuen Medien geprägt. Wer in der Sekundarstufe heute kein Smartphone besitzt, hat einen schweren Stand und die denen, die eines haben, sollte es am besten gleich ein iPhone sein. Die Kommunikation der SuS ausserhalb der Schulzeiten erfolgt zu einem grossen Teil über die Applikationen WhatsApp, Instagram, Snap Chat etc. Wer hier nicht mithalten kann, ist aus meiner Sicht benachteiligt. Diese Tatsache wiederum kann Zündstoff für Hänseleien oder gar Mobbing werden. Weiter stellt Cybermobbing im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke eine Gefahr dar, deren Auswirkungen nur schwer abschätzbar sind. Wie beim üblichen Mobbing, gibt es beim Cybermobbing keinen konkreten Konfliktstoff, sondern es handelt sich um eine, sich wiederholende Machtdemonstration des Täters gegenüber dem Opfer, wobei auch die Mitläufer (Personen, die die Situation beobachten, jedoch nicht wirklich Partei ergreifen, weder fürs Opfer, noch für den Täter) zu Tätern werden können. Cybermobbing ist besonders gefährlich, weil Informationen rasch verbreitet werden können, eine viel grössere Zahl Menschen erreichen kann, als dies bei üblichen Mobb ing der Fall ist und weil die Daten, wenn sie einmal im Internet stehen, nur sehr erschwert wieder gelöscht werden können. Es ist wichtig, sich dieser Gefahren bewusst zu sein, neuen Medien immer auch kritisch gegenüberzustehen und gleichzeitig das Potenzial, das z.B. das Smartphone besitzt, zu erkennen und auszuschöpfen. Denn wie ich Bedenken zu äussern habe, sehe ich in den neuen Medien grosse Chancen für die Zusammenarbeit mit anderen Menschen, für die Bildung allgemein und damit für den Unterricht und die Schule. Bezüglich diverser neureligiöser Bewegungen, die in der Schweiz verbreitet sind, konnte ich persönliche Erfahrungen mit wissenschaftlich basierter Theorie verknüpfen. Ich selbst war nie Mitglied einer religiösen Bewegung, hatte zu Sekundarstufezeiten aber einen Freundeskreis, der sicherlich zur Hälfte aus Mitgliedern neureligiöser Bewegungen bestand. Meine Freunde wuchsen in der Gemeinde für Christus auf und im YWAM / JMEM auf und verbrachten einen Grossteil ihrer Freizeit innerhalb der religiösen Gemeinschaft. Sie lasen nicht Harry Potter oder Herr der Ringe, sondern Geschichten, in denen 3 ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» PH Bern Menschen zum Glauben fanden. Sie durften keine Ohrenstecker tragen, weil ihnen ihre Grosseltern dies untersagten. Bereits damals wurde mir bewusst, wie sehr die religiösen Gemeinschaften das Leben meiner Freunde prägte. Ich war fasziniert von all den tollen Erfahrungen, die meine Freundinnen in ihren Gemeinden sammelten, von den so erlebnisreichen Praisecamps, vom multikulturellen Zusammenleben meiner besten Freundin mit Menschen von überall auf der Welt. Und natürlich wurde ich auch eingeladen am Sonntag mit ins ICF zu gehen oder ähnliche Veranstaltungen, doch meine Familie insbesondere meine älteren Geschwister standen diesen Anlässen kritisch gegenüber und so unterliess ich meine Teilnahme an diesen Veranstaltungen. Durch meine eigenen Erfahrungen und das, im Kurs «Jugend und Religion», erworbene Wissen, sehe ich religiösen Bewegungen mit einer kritischen Distanz entgegen und habe meine Bedenken. Im Berufsalltag gilt es dann wohl, Kompromisse zu schliessen zwischen meinen Ansichten und den Ansichten der Eltern meiner SuS, wenn die Religion zum Konfliktpunkt wird. Ich kenne Entwicklungsprozesse von Jugendlichen sowie jugendtypische Herausforderungen, Haltungen, Verhaltens- und Erlebensweisen und kann diese erfassen. Durch die Veranstaltung «Entwicklungsprozesse im Jugendalter» und die Auseinandersetzung mit dem Thema «Arbeit und Erfolg im Jugendalter» konnte ich mir die Entwicklungsprozesse, die ich selbst erst vor kurzer Zeit durchlebte und immer noch durchlebe, vergegenwärtigen und wurde mir dabei bewusst, wie viele Herausforderungen damit verbunden sind. Entwicklungsaufgaben, vor denen Teenager stehen sind z.B. neue, reife Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufzubauen, eine männliche oder weibliche Geschlechtsrolle zu übernehmen, die eigene körperliche Erscheinung kennen und akzeptieren zu lernen, sich von den Eltern zu emanzipieren und emotionale Unabhängigkeit von ihnen und anderen Erwachsenen zu erlangen. Weiter geht es um die Vorbereitung auf eine allfällige Ehe und ein Familienleben, um die Vorbereitung auf eine berufliche Karriere. Es geht zudem darum, persönliche Werte und ein eigenes ethisches System zu erlangen, das als Leitfaden für das Verhalten dienen soll. Auch das Erstreben und Erreichen sozial verantwortlichen Verhaltens gehören zu den Entwicklungsaufgaben der Jugend. Gleichzeitig wird mir der Aufzählung dieser vielfältigen Aufgaben rasch klar, dass nur die wenigsten, alle die Herausforderungen auf einmal meistern. Nebst den bereits erwähnten, ist die Entdeckung der eigenen Sexualität ein zentraler Aspekt. Jugendliche sind dabei, ihre sexuelle Identität erst noch zu finden und sich ihrer sexuellen Orientierung bewusst zu werden. Damit verbunden sind grosse Unsicherheiten, vielleicht Ängste aber auch Spannung und Freude. Es kommen neue, vielleicht unbekannte Gefühle auf, die es erst einmal einzuordnen gilt. Nicht jede/r Schüler/in hat eine Familie oder Freunde, in denen er/sie diese Gefühle verarbeiten kann und offen über die neuen Erfahrungen sprechen kann. Gerade auch in Anbetracht dessen, ist ein gesunder Selbstwert sicher förderlich. Denn, je mehr Vertrauen man in sich selbst hat, desto gelassener kann man anderen Menschen gegenübertreten und desto sicherer wird man sich seiner eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Was hinsichtlich des Entdeckens der eigenen Sexualität eine wesentliche Rolle spielt. Auch deshalb finde ich die Thematisierung des Selbstwert Stärkens auf der Sekundarstufe wirklich sinnvoll. Ich kenne Grundlagen, um Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung von Sinn - und Identitätsfragen und im Umgang mit Problemen und Herausforderungen pädagogisch verantwortungsvoll und gestützt auf eine ethische Grundhaltung zu begleiten. Die Themen, die diese Modulkompetenz anspricht, sehe ich am ehesten in den künftigen ERG -Stunden oder den aktuellen Klassenstunden unterzubringen. Mir schwebt eine Unterrichtssequenz vor, in deren die Klasse sich zu Ethischen Grundhaltungen Gedanken machen kann. Vermutlich werden die SuS mit unterschiedlichem Alter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was völlig in Ordnung ist. In meinen Augen gibt es kein geeignetes resp. ungeeignetes Alter, ethische Fragen aufzuwerfen. Durch die empfehlenswerte Doku «Revolution der Selbstlosen», die vergangene Woche auf Arte zu sehen war, habe ich gelernt, dass bereits Babys im Alter von 3 Monaten zwischen gut und schlecht unterscheiden, was aus ethischer Sicht doch sehr beeindruckend ist. 4 ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» PH Bern Als mögliche Themen für eine Unterrichtssequenz sähe ich folgende Fragen vor: Was sind moralische Handlungen? Was ist das Ziel menschlichen Handelns? Was ist gut, was böse? Welche Werte verfolge ich und weshalb? Was ist Utilitarismus? Was ist Altruismus? Was verstehe ich unter Gerechtigkeit? Dazu empfiehlt es sich, Fallbeispiele mit einer Klasse zu besprechen, wodurch die SuS sich mit bestimmten Personen identifizieren können und die Themen nicht zu abstrakt sind. Ich kenne Grundlagen, um Jugendliche in ihrer sozialen und moralischen Entwicklung zu fördern und sie bei der Ausbildung ihrer Wertvorstellung und ihrer Eigenständigkeit zu unterstützen. Bei dieser Kompetenz stehe ich zunächst an und nur der vielsagende Satz: «Jede chan mache, was er will, well jede staht derzue, was er macht!» fällt mir ein. Zugegeben, diese Aussage hilft nicht viel weiter. Um Jugendliche in ihrer Eigenständigkeit zu fördern, ist es sicherlich wichtig, Themen, die die einzelnen Jugendlichen gerade beschäftigen, wahrzunehmen und darauf einzugehen. Dies können nebst den bereits erwähnten Entwicklungsaufgaben, der Berufswahl, der Sexualität, der Ethik, der Religion auch Themen wie Tod, Migration, Integration, Gewalt und Drogen etc. sein. Themen, die eine Klasse beschäftigen können, sind unerschöpflich, ebenso meine Motivation, diese Themen mit den Jugendlichen zu behandeln und aus den Diskussionen zu lernen. Ich bin bereit, eine kritikfähige Sicht auf verschiedene Weltanschauungen, Lebenswei sen und Organisationsformen einzunehmen. Während der Veranstaltung Jugend und Religion wurde ich mir einmal mehr bewusst, dass ich mich als Lehrperson gezwungener Massen in die Nesseln setzen werde. Meine persönlichen Werte werden auf eine Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen treffen und dann wird es darum gehen, mich und meine Werte erklären und vertreten zu können. Gleichzeitig, weiss ich bereits jetzt, dass ohnehin nie alle – ob Schüler/innen oder Eltern - mit mir einiggehen werden, was ich zu akzeptieren habe. Meine Werte basieren auf christlichen Grundwerten, die ich als Kind durch meine Eltern erfahren habe. So waren für mich die Botschaft der Liebe, der Nächstenliebe und der Vergebung wegweisend, ebenso wie die zehn Gebote. Auch wenn ich noch der reformierten Landeskirche angehöre, würde ich mich heute nicht mehr als aktiv-gläubige Person bezeichnen, jedoch ist mir die Identifikation als Atheistin ebenfalls fremd. Daneben gelten für mich die Menschenrechte als Grundlage, genauso wie die Gleichstellung von Mann und Frau. Ich bezeichne mich als liberalen Freigeist mit einer Affinität zum Schrägen, Skurrilen, Verrückten, Queren, wobei ich gleichzeitig auch sehr harmoniebedürftig bin. Gegenüber homophoben, xenophoben, misogynen, sexistischen und menschenrechtsverletzenden Äusserungen reagiere ich mit Nulltoleranz. Daneben gründet mein Wertesystem auch auf der Botschaft der Aufklärung; «sapere aude!» oder wie mein ehemaliger Klassenlehrer es auszudrücken vermochte: «Bitte mit XMV!» (xsundem Mönscheverstand). Meine Haltung birgt natürlich bereits sehr viel Konfliktstoff in sich. Wer weiss, wie sich der muslimische Vater damit abfinden wird, wenn ich darauf bestehen werde, dass er seine Tochter doch bitte am Schwimmunterricht teilhaben lassen soll oder, wie die GfC-Mutter reagieren wird, wenn ich sie auffordere, ihren Sohn ins Klassenlager mitgehen zu lassen. Bei allem Respekt und grosser Akzeptanz für unterschiedlichste Lebensweisen denke ich, dürfen die Jugendlichen nicht ausser Acht gelassen werden. Letzten Endes sollte es darum gehen, was sie sich wünschen und nicht, was die Eltern oder ich als Lehrperson für sie vorsehen. 5 ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» 3 PH Bern Reflexion: Durch die Explikation komme ich zur Reflexion. Zunächst halte ich Erkenntnisse zur eigenen Biografie fest, überdenke dann die Rolle meiner persönlichen Lehrkräfte auf der Sekundarstufe. Daran anschliessend werde ich mir meine Berufsaufgabe erneut in Erinnerung rufen und mich fragen, welche Ziele ich als Lehrerin verfolgen will. Meine persönliche Lebenswelt zwischen zwölf und 16 Jahren war eine wunderbare und behütete. Ich wuchs auf dem Land auf und besass, wie bereits zuvor angetönt, viele Freunde, die einer neureligiösen Bewegung angehörten. Wenn ich meine Freundinnen von damals heute wieder treffe, habe ich ihnen gegenüber gemischte Gefühle. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass eine meiner cleversten und eloquentesten Freundinnen ihr Studium zu Gunsten ihrer religiösen Gemeinde und ihres Ehemanns an den Nagel gehängt hat. Ich habe Bedenken, ob die zwei andere Turteltauben einer anderen neureligiösen Bewegung wirklich für einander geschaffen sind und wünschte, sie wären in ihrer Partnerwahl freier. Dies alles mitzuerleben, fordert mich heraus und lässt mich meine eigenen Werte überdenken. Meistens komme ich dabei zum Schluss, dass ich die Entscheidungen meiner Freundinnen zu respektieren und akzeptieren habe. Dennoch merke ich, wie sich, die mir einst so nahen Personen, langsam von meiner Realität entfernen, obwohl ich in ihnen noch die Eigenschaften und Charakter erkenne, die ich so mag und zu schätzen weiss. Worin ich mich selbst als Teenager (nicht) verstanden fühlte. Zum Glück hatte ich zwei ältere Geschwister, die mir den Weg ebneten und meine Eltern milder werden liessen. Wie die meisten pubertierenden Teenies fühlte ich mich dennoch vor allem seitens meiner Eltern nicht verstanden. Ich lehnte mich gegen das Schminkverbot für die Schule auf, wollte mehr Freiheiten und Unabhängigkeit. Als ich diese schrittweise erhielt und in der achten Klasse zum ersten Mal ans Gurten Festival gehen durfte, fühlte ich mich plötzlich gross. Es war dann umso spezieller, als ich meinen Schulkameradinnen nach den Sommerferien von meinen Erfahrungen berichtete, wo sie ähnliches längst noch nicht durften. Rückblickend denke ich, ist gerade dies auch eine weitere Herausforderung, dass nicht alle Jugendlichen zur selben Zeit dieselben Erfahrungen machen. Die einen sind in einer Beziehung und haben zum ersten Mal Sex, die anderen konzentrieren sich auf gute Schulnoten, damit ihnen der Beginn im Gymnasium nicht allzu schwerfällt und wieder andere, versuchen ihre kaputte Familiensituation während der Schule für einige Stunden zu vergessen und Vierte kiffen sich derweil die Birne voll und basteln Bomben. Welche Ziele ich als Lehrerin verfolgen will: Ein Ziel ist es sicherlich, die SuS darin zu unterstützen, einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben oder in die weitere Ausbildung zu erreichen. Weil die Ungleichheit allgegenwärtig ist und die Chancen auch bezüglich Berufswahl nicht für alle Jugendlichen gleich sind, ist es in meinen Augen von grosser Bedeutung, den Selbstwert der Jugendlichen zu fördern und damit einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu leisten. Gemäss meinen Erkenntnissen aus der Arbeit «Arbeit und Erfolg im Jugendalter» sind endogene Faktoren wie Ich-Stärke und Leistungsvertrauen von grosser Bedeutung für den Erfolg und die Thematisierung des Selbstwert an der Sek I mit einem weiteren Argument legitimiert. Da der Berufsbildungsstatus der Eltern ebenso heterogen ist, wie die Klasse selbst, ist es wichtig, den SuS Raum zu bieten, in dem sie nebst fachlichen auch überfachliche Kompetenzen erwerben können. Damit seien folgende Kompetenzen angesprochen: personale Kompetenzen wie Selbstreflexion, Selbstständigkeit und Eigenständigkeit, soziale Kompetenzen wie Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Umgang mit Vielfalt und methodische Kompetenzen wie Sprachfähigkeit, Information nutzen, Aufgaben / Probleme lösen erwerben können. Um die Lebenswelten der SuS besser zu verstehen, ist zwingend auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit verschieden Religionen und Glaubensrichtungen nötig. Die Veranstaltung «Jugend und Religion» stellt für mich daher nur einen Anfang einer intensiven Vertiefung dar. Der Glaube beeinflusst das 6 ESW «Jugendliche und ihre Lebenswelten verstehen» PH Bern Handeln und nur, wenn ich den Glauben meiner SuS verstehe oder vielleicht präziser noch, den ihrer Eltern, werde ich auch ihr Handeln begreifen können. Die Auseinandersetzung mit Religionen und Glaubensrichtungen alleine reicht jedoch nicht aus, um die Lebenswelten der Jugendlichen voll und ganz zu verstehen. Auch ein Basiswissen über die Geschichte der Herkunftsländer der Eltern meiner Schüler/innen wird mir helfen, die Jugendlichen besser zu verstehen. Durch meine Arbeit als Hilfswerksvertreterin bei Asylanhörungen hat sich für mich nebst der PH ein weiter Horizont geöffnet. Je mehr Einblick ich in die Flüchtlingsthematik erhalte, in das Leben zig eritreischer, syrischer, afghanischer, somalischer, iranischer Menschen und Kinder, desto mehr werde ich mir bewusst, welche Vielfalt mich in meinem künftigen Arbeitsalltag erwartet. In meiner aktuellen P3-Klasse ist ein Mädchen, dessen Eltern aus Eritrea stammen, einen Jungen, dessen Eltern aus Serbien sind, einen Jungen, dessen Eltern vermutlich aus Nigeria stammen oder einem anderen Westafrikanischen Land. Ich schätze, dass die Eltern von mehr als dreiviertel der Kinder aus einem ander en Land stammen und Deutsch als Zeitsprache erlernt haben. Leider hatte ich noch nicht die Gelegenheit, die Jugendlichen danach zu fragen. Doch diese Tatsache berührt mich ohnehin. Den Spagat, den die Jugendlichen machen müssen, zwischen ihrem Zuhause bzw. der Kultur, mit deren ihre Eltern aufgewachsen sind und der hiesigen Realität, beeindruckt mich. In dieser besonderen Zeit, in der so viele Menschen auf der Flucht sind, wie zuletzt während des zweiten Weltkrieges, liegen mir als Lehrerin insbesondere alle UMAs am Herzen, die in der Schweiz Asyl gefunden haben oder dieses ersuchen. Diese Kinder, die in der Schweiz das unangefochtene Recht auf Bildung geniessen, brauchen professionelle Hilfe im Unterricht und beim Einleben in der neuen Realität im Allgemeinen. Dieser Fakt stellt uns Lehrpersonen vor eine grosse Aufgabe und sie wird von uns allen viel Flexibilität und Kreativität abverlangen. Ich hoffe sehr, durch meine Arbeit einen Beitrag zu einer erfolgreichen Integration leisten zu können. Es sind unter anderem auch Projekte, wie der Song «Jemila» der Schule Seidenberg, die das Denken der Menschen hier in der Schweiz verändert. 7