Selbst – Das Credo einer Gesellschaft

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Selbst – Das Credo einer Gesellschaft
In einer Kultur, welche die Individualität als Maxime angestrebt und kultiviert wird, bekommt der Begriff
„Selbst“ eine enorme Bedeutung. Sebst-Wert, Selbst-Vertrauen sind zwei Beispiele welche in unserer
Kultur immer wieder zu Thema werden – nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Leiden von Menschen,
die an einem „Burnout“ erkrankt sind.
Diagnostische existiert der Begriff „Burnout“ nicht – die Fachwelt spricht von einer Depression mit
Erschöpfungssymptomen. Oft zeigt die Situation von Betroffenen, dass das (über-)strapazierte Selbst
dabei eine wesentliche Rolle spielt.
Selbst-Vertrauen
Selbstvertrauen ist wertvoll und wichtig. Vertrauen in sich selbst, in seine Fähigkeit zu handeln, zu
entscheiden, sein eigenes Leben als erwachsener Mensch selbst-ständig zu gestalten. Die
Lebenserfahrung zeigt jedoch auch immer wieder die Grenzen der eigenen Handlungsfähigkeit auf. Vieles
können wir beeinflussen, vieles aber auch nicht. Schicksal nennen es die einen, anderen nennen es
Karma oder Vorsehung. Vertrauen ist die Gegenkraft zu Angst, Vertrauen entspannt, ist lebenswichtig.
Vertrauen in mich selbst, in meine Mitmenschen und in das Leben als solches. Gottvertrauen – ein etwas
aus dem Mode gekommener Begriff - war für unsere Vorfahren existenziell und – so wage ich zu
behaupten – ist es noch heute. Stellen sie sich vor, wie es sich anfühlen muss, wenn da ein Gott ist, dem
ich vertrauen kann. Was immer auch ist, was immer ich tue und entscheide - alles wird gut 1.
Ohne diese Vertrauen bleibe jeder Mensch auf sich selbst gestellt und kann oft nur auf sich selbst
vertrauen. Dass dies früher oder später zur Überforderung wird, ist offensichtlich und eine alltägliche
Beobachtung in meiner Begleitung von Menschen.
Selbst-Wert
Störung des Selbstwertes, geringer Selbstwert, sind Ausdrücke, welche ebenfalls immer wieder im
Kontext von Lebenskrisen auftauchen. Viele Strategie stehen zur Verfügung um den Selbstwert zu
schützen: Wie rasch greifen wir doch zu Ausreden, Not-Lügen, Rechtfertigung, Schuldzuweisung oder
verstecken uns in irgend einer Form wenn wir einen Fehler gemacht haben 2. Alles Strategien um den
Selbstwert zu schützen. Geschütz werde muss aber nur etwas, das bedroht, schwach, brüchig und fragil
ist. Echter Selbstwert ermöglicht es, zu Fehler stehen zu können, Kritik entgegen zu nehmen und zu
prüfen. Echter Selbstwert stellt sich dem Leben und der eigenen Realität. Echter Selbstwert bezieht seine
Kraft aus der Würde des Menschen.
Auch hier zeigt sich, dass der Erhalt des Selbstwertes für viele Menschen zur energieraubenden Aufgabe
wird. Sei es durch stetige Abgrenzung durch Abwertung anderer oder der Gesellschaft (Abwehr in Form
von externalisieren), oder durch überhöhte Selbstdarstellung und Aufrechterhaltung eigener Grandiosität
die Beachtung und Bewunderung von Mitmenschen auf sich ziehen zu müssen.
Gelassenheit und innere Ruhe entstehen aber aus einer Haltung, die den Mut hervorbringt, Fehler zu
machen, dazu zu stehen und Kritik anzunehmen ohne sie gleich wieder wegzustecken. Es brauch dazu
die Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit, der eigenen Fehlbarkeit, sowie das Wissen um die eigene
Bedürftigkeit und das Vertrauen auf Vergebung3. Es braucht Mut - Demut. Aus der Demut wird
Gelassenheit möglich. Aus der Gelassenheit4 kann ein echter Selbstwert wachsen, der auch durch Fehler
und Kritik nicht erschüttert wird und sich doch nicht in narzistischer Grandiosität verliert.
(150604/B. von Ballmoos)
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„Alles wird gut“ konnte man bis in die 1990er Jahre auf einem übergrossen Graffiti lesen, wenn man mit dem Zug in den
Hauptbahnhof von Zürich einfuhr (siehe: https://www.flickr.com/photos/mladenpictures/157837582)
vgl. das Verhalten Adam's in der Geschichte vom Sündenfall
Eigenschaften, die in der Seelsorge, speziell in der Beichte zentral sind
Empfehlung zum Thema Gelassenheit: Thomas Strässle „Gelassenheit“, ISBN: 978-3-446-24183-1
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