13 Selbst (netz)

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Das Selbst
Vorlesung Winter, 2011/12
Thomas Kessler
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Überblick
• Was ist das Selbst?
– Existentielles Selbst vs objektives Selbst
– Definitionen
• Drei Aspekte des Selbst
– Selbstkonzept (Selbstreflexives Bewusstsein)
– Selbstwert
– Selbst als Akteur, Urheber von Verhalten
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Leitfragen
• Was ist das Selbst?
• Wie hängen Selbstkonzept und Selbstwert
zusammen?
• Wie beeinflussen Aspekte des Selbst das
Verhalten?
3
Selbst ist zentral ...
• ... denn alle bisher besprochenen Themen
laufen im Selbst zusammen.
– Kategorisierung und Stereotype
– Kognitive Verarbeitung (intensiv)
– Selbst und Affekt/Emotionen sind eng miteinander
verbunden
– Bewertung des Selbst durch soziale Vergleiche
– Attribution und das Selbst (Selbstwahrnehmung)
– usw.
4
Das Selbst ist zentral!
• Neben Einstellungen ist das Selbst
wichtigster Untersuchungsgegenstand der
Psychologie.
– Im Zeitraum von 1974-1993 können 31550
Artikel in psychologischen Fachzeitschriften
gezählt werden.
– Da sind Diplomarbeiten sowie viele
Doktorarbeiten und Buchkapitel nicht
mitgezählt.
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Was ist das Selbst?
• Das Selbst ist schwer begrifflich zu fassen!
• David Hume meint dazu:
– „Ich meines Teils kann, wenn ich mir das, was ich als "mich"
bezeichne, so unmittelbar als irgend möglich zu vergegenwärtige, nicht
umhin, jedes Mal über die eine oder andere bestimmte Perzeption zu
stolpern, die Perzeption der Wärme oder der Kälte, des Lichts oder des
Schattens, der Liebe oder des Hasses, der Lust oder der Unlust. Niemals
treffe ich mich ohne eine Perzeption an und niemals kann ich etwas
anderes beobachten als eine Perzeption.“
– (D. Hume, Traktat über die menschliche Natur)
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Was ist das Selbst?
• Nietzsche setzt noch einen drauf:
– „Manche Seele wird man nie entdecken, es sei denn,
dass man sie zuerst erfindet.“
(Nietzsche, Also sprach Zaratustra, Vom
Baum am Berge)
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Existentielle vs. objektive Selbst
• Lewis und Brooks unterscheiden zwei
grundlegende Aspekte des Selbst:
– Das existentielle Selbst: Das Selbst als
Subjekt der Wahrnehmung;
– Das objektive Selbst: Das Selbst als
das Objekt der Wahrnehmung;
8
Definitionen des Selbst

„Die Struktur der Einschätzung eigener Denkund Handlungsweisen im Hinblick auf
Eigenheiten des sozialen Bezugssystems“.

„Relativ überdauernde Struktur individueller
Erfahrung über die Besonderheiten der
Beziehungen eines Individuums zu seiner
Umwelt“. (C. Rogers)
9
Definitionen des Selbst

Das „looking glass self“: Gemäß des
Symbolischen Interaktionismus ist des Konzept
des „Selbst“ aus dem abgeleitet, wie andere
einen sehen.

Das Selbstkonzept: Zentrales Schema das alles
Wissen über uns selbst enthält (Wissen über
Eigenschaften, Meinungen, Fähigkeiten, sowie
enge Beziehungen und Besitz). Wir
unterscheiden hier „spezifischen Inhalt“ und
„generelle Struktur“.
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Definitionen des Selbst
• Wissen über das Selbst nennt man das
Selbstkonzept.
• Die Beschäftigung mit dem Selbst nennt man
Selbstaufmerksamkeit.
• Funktionen des Selbstkonzepts:
– Strukturierung (das Selbst als Schema)
– Basis für Emotionen (Vergleich zwischen Actual-Self,
Ideal-Self und Ought-Self) (Higgins, 1987)
– Exekutive mit begrenzten Ressourcen (Muskelmetapher; Ego-Depletion) (Baumeister, Muraven & Tice, 2000)
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Drei Basisaspekte des Selbst
• Das reflexive Bewusstsein bezeichnet das Erleben des
Selbst, also den Prozess durch den man seines Selbst
bewusst wird.
– Selbstkonzept; Selbstwert; Selbstreferenz; Selbstaufmerksamkeit
• Das Selbst als Akteur meint das Selbst als Handelnder,
das entscheidet und Handlungen initiiert sowie
verantwortlich für sie ist.
– Selbstregulation, Self-monitoring, Selbsteffizienz
• Das interpersonale Selbst bezeichnet das Selbst in seinen
Beziehungen zu anderen Individuen, als Verursacher wie
auch seine Konsequenzen von sozialen Phänomenen.
– Reflected Appraisal; Selbstdarstellung; soziale Emotionen
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Selbstkonzept
Interpersonal Attributes
I´m a student
I am a sister
I am a truck driver
I´m a Zera Tau Alpha
I date a lot
I´m a football player
Ascribed Characteristics
I´m a man
I am a nineteen-year-old
I am a Nancy
I´m a Native American
I´m Irish
Interests and Activities
I´m into philosophy
I enjoy the theatre
I am a good cook
I have a stamp collection
I´m a dog person
Existential Aspects
I´m a unique individual
I am attractive
Components of
the Self-Concept
Self-determination
I´m a Catholic
I can attain my educational goals
Internalized Beliefs
I´m opposed to abortion
I like modern art
I´m in favor of less government
I´ve always been a Democrat
Self-awareness
My beliefs are well integrated
I am a good person
Social Differentiation
I´m from a poor family
I am a Canadian
I´m a Bostonian
I am a human being
I´m gay
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Selbstwert
• Selbstwert = „self-esteem“ = Grad der positiven
oder negativen Bewertung des Selbst
• Beispiele für die Messung:
- Rosenberg (1968) (Trait)
- Heatherton & Polivy, 1991 (State)
- Nuttin (1987) (impliziter Selbstwert)
• Manipulation von state-Selbstwert im Labor
z.B. über „gefälschte“ Leistungsrückmeldung
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Selbstwert II: Motive
• Self-Assessment: Akkurate Information über
den Grad der Erreichung eigener Ziele bzw. der
Erfüllung eigener Standards
• Self-Enhancement: Streben nach hohem
Selbstwert
- self-improvement
- Selbstwert als Quelle positiver Emotionen
- Selbstwert als Coping-Ressource (Wohlbefinden)
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Selbstwert

Selbstwert steht in ausgesprochen guter
Reputation in anwendungsbezogenen
psychologischen Kreisen.

Er zeigt positive Zusammenhänge zu

Leistung und Zielerreichung

Physischer Gesundheit

Psychische Gesundheit und Wohlbefinden
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Selbstwert
- Methodisches I 
Kleiner methodischer Einschub:

Selbstwert (SW) wird häufig nur als Selbstbericht
gemessen.

Selbstberichtete Attraktivität und
Selbstwertkorrelieren r = .59,

Aber extern eingeschätzte Attraktivität korreliert nur
noch zwischen r = .00 und .14
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Selbstwert
- Methodisches II 
Selbstwert korreliert mit all den genannten
Faktoren (Leistung, Gesundheit).

ABER: Leistung und Gesundheit können den
Selbstwert genauso beeinflussen wie der
Selbstwert Leistung und Gesundheit

Kausalitätsproblem
18
Selbstwert
- Methodisches III 
Korrelationen haben nicht nur das Problem
ungelöster Kausalität, sondern ...

... auch das Problem der Drittvariablen.

Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und
Selbstwert kann durch Drittvariablen
hervorgerufen werden.
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Selbstwert und Leistung

Selbstwert hängt mäßig stark mit der Leistung in
akademischen Settings zusammen.

ABER: Es wird kritisiert, dass der Selbstwert hier
einen Effekt als eine Bedingung darstellt.

UND: Werden alle möglichen
„Hintergrundvariablen“ (Alter, Geschlecht,
Bildung der Eltern usw.) kontrolliert, dann
reduziert sich der Zusammenhang von
Selbstwert und akademischer Leistung stark.
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Selbstwert und physische
Gesundheit

Zusammenhang zwischen Selbstwert und
allgemeiner Gesundheit sowie zu biologischen
Faktoren, die zu allgemeiner Gesundheit führen.

Geringer Selbstwert korreliert mit Anorexia, Bulimie
und Essstörungen allgemein, es wird sogar eine
kausale Verbindung nachgewiesen (z.B. French et
al., 2001; Williams et al., 1993).

Andererseits gibt es keinen Zusammenhang zu
anderen Gesundheitsindikatoren wie Rauchen,
Alkoholmissbrauch, sexuellen Störungen, usw.
21
Selbstkonzept und Selbstwert

Wie hängen Selbstkonzept und Selbstwert
zusammen?

Individuen mit hohem Selbstwert (im Vergleich zu geringem
Selbstwert) …

… können sich schneller einschätzen, …

… geben eindeutigere (extremere) Einschätzungen ab

… geben konsistentere Einschätzungen ab (z.B. synonyme
Attribute werden gleich eingeschätzt)

… zeigen mit Selbsteinschätzungen konsistentes Verhalten.
22
Selbstwert und Aggression
Wer ist aggressiver?

Die mit geringem Selbstwert oder

die mit hohem Selbstwert??

Untersuchung von Bushman und Baumeister
(1999)
23
Selbstwert und Aggression

Untersuchung von Bushman und Baumeister
(1999)

UV1: Narzissmus („Wenn ich die Welt regieren
würde, wäre sie besser als sie jetzt ist“)

UV2: Bedrohung

AV: Länge von unangenehmen Reizen
24
Selbstwert und Aggression

Ergebnisse:

Selbstwert in seiner übersteigerten Version
(Narzissmus) hängt nur mäßig mit aggressivem
Verhalten zusammen.

Aber bedrohter Narzissmus (z.B. nach einer
negativen Rückmeldung) führt deutlich zu
aggressivem Verhalten.
25
Selbst als Akteur
• Drei Typen von Selbstschemata
– Aktuelle Selbst
– Idealselbst (Ich Ideal)
– „Muss“-Selbst (Pflichten)
• Selbstdiskrepanzen
– Diskrepanzen zwischen Idealen und dem, wie man
sich selbst wahrnimmt
– Diskrepanzen zwischen Pflichten und dem, wie man
sich selbst wahrnimmt
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Selbst als Akteur
Sensitivity to Presence or
Absence of Positive Outcomes
Nurturance
Needs
Strong
Ideals
Approach as Strategic Means
Promotion
Focus
Gain – Non-gain
Situations
Cheefulness – Dejection
Emotions
Sensitivity to Absence or
Presence of Negative Outcomes
Security
Needs
Strong
Oughts
Non-loss - Loss
Situations
Insure Hits and Insure Against
Errors of Omission
Avoidance as Strategic Means
Prevention
Focus
Insure Correct Rejections
And Insure Against Errors of
Commission
Quiescence – Agitation
Emotions
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Selbst als Akteur
• Untersuchung von Sassenberg, Kessler und
Mummendey (2003)
– Minimales Gruppenparadigma
– UV1: Promotion vs. prevention focus
– UV2: Verteilung positiver vs. negativer
Ressourcen
– AV: Differenz zwischen Eigengruppe und
Fremdgruppe
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Selbst als Akteur
• Ergebnisse:
Prom. Fokus
Zuschuss
Abzug
Prev. Fokus
Zuschuss
Abzug
IG
214.75
189.78
193.50
218.67
OG
178.20
175.78
180.58
181.38
Diff
36.55*
14.00
12.92
37.29*
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Selbst als Akteur
• Zusammenfassung:
• Das Selbst als Akteur hat generelle
motivationale Implikationen.
• Je nach dem, wie das Selbst aufgefasst
wird (welche Selbstdiskrepanzen im
Vordergrund stehen) wird selektiv auf
bestimmte Umweltreize reagiert.
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Zusammenfassung
•
•
•
•
Existentielles und objektives Selbst
Selbstkonzept: Wissen über das Selbst
Selbstwert: Bewertung des Selbst
Selbst als Akteur: Selbstdiskrepanzen
steuern z.B. welche Aspekte der Umwelt
besonders relevant erscheinen.
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Literatur
• Baumeister, R. F. (1998). The self. In S.T. Fiske, D.T.
Gilbert, & G. Lindzey (Eds.), The Handbook of Social
Psychology.
• Smith, E. R., & Mackie, D. M. (2000). Social Psychology.
Chapter 4: The Self, S. 294 – 312.
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