studien im fokus - Deutsches Ärzteblatt

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MEDIZINREPORT
STUDIEN IM FOKUS
METASTASIERTES KOLOREKTALES KARZINOM
Vor Panitumumabtherapie sollten mehrere RAS-Mutationen ausgeschlossen sein
GRAFIK
Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (ohne
RAS-Mutationen) unter Panitumumab plus FOLFOX4 oder unter FOLFOX allein
Panitumumab plus FOLFOX4;
medianes Überleben 26,0 Monate
100
FOLFOX 4 allein;
medianes Überleben 20,2 Monate
80
70
60
50
40
30
20
10
Hazard Ratio 0,78 (95-%-Konfidenzintervall 0,62–0,99)
0
0
12
24
36
Monate
Darmkrebspatienten mit Mutationen in Exon 2 des KRAS-Gens
sprechen nicht auf eine Anti-EGFRBehandlung an. Seit längerem wird
diskutiert, dass weitere Veränderungen von RAS-Genen prädiktiv sein
könnten für die Resistenz der Tumoren gegen eine Anti-EGFRTherapie. Diese Frage ist in einer
vordefinierten retrospektiven Subgruppenanalyse der PRIME*-Studie
untersucht worden. Darin wurden
Effektivität und Sicherheit der
Kombination des monoklonalen
Antikörpers Panitumumab mit
FOLFOX4 (Fluorouracil, Oxaliplatin, Leukovorin) bei metastasiertem
kolorektalem Karzinom gegen
FOLFOX allein geprüft. Primärer
Endpunkt der Studie mit 1 183 Patienten war das progressionsfreie
Überleben, sekundäre Endpunkte
Gesamtüberleben und Sicherheit.
In eine Subgruppenanalyse wurden Daten von 639 jener 656 Patienten eingeschlossen, deren Tumoren keine KRAS-Mutation
(Exon 2) hatten. Bei diesen 639
Teilnehmern wurde zusätzlich der
Status von KRAS Exon 3 oder 4
und von NRAS Exon 2, 3 oder 4
*PRIME: Panitumumab Randomized Trial in
Combination with Chemotherapy for Metastatic
Colorectal Cancer to Determine Efficacy
A 2136
(RAS-Mutationen) plus BRAF
Exon 15 untersucht. 512 Probanden
ohne RAS-Mutationen in den Biopsaten hatten unter PanitumumabFOLFOX ein progressionsfreies
Überleben von 10,1 Monaten versus 7,9 Monate mit Chemotherapie
allein (Hazard Ratio [HR] für Progression oder Tod unter Kombination 0,72; 95-%-Konfidenzintervall
[KI] 0,58–0,90; p = 0,004). Das
Gesamtüberleben betrug 26,0 Monate im Kombinationsarm und
20,2 Monate unter FOLFOX4 allein (HR für Tod 0,78; 95-%-KI
modifiziert nach: NEJM 2013; 369: 1023–33
Anteil Überlebender (%)
90
0,62–0,99; p = 0,04). In der Subgruppe ohne RAS- und ohne
BRAF-Mutationen betrug der Unterschied zwischen zusätzlicher Antikörpergabe und FOLFOX4 allein
7,4 Monate beim Gesamtüberleben.
BRAF-Mutationen waren prognostisch ungünstig für das Überleben
von Patienten ohne KRAS-Mutation (Exon 2) und mit NRAS-Mutationen (Exon 3).
Fazit: Die Nutzen-Risiko-Relation
der Kombination Panitumumab/
FOLFOX4 bei metastasiertem kolorektalem Karzinom wird optimiert, wenn Patienten mit RASMutationen im Tumor ausgeschlossen werden. Prof. Dr. med. Michael
Geißler, Esslingen, kommentiert:
„Bisher ist bei Patienten mit Option
auf eine Anti-EGFR-Therapie der
KRAS-Status getestet worden. Jetzt
sollten die Tests obligatorisch um
den NRAS-Status erweitert werden,
um Patienten, bei denen ein Ansprechen erwartet werden kann,
möglichst gut zu identifizieren.“
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
1. Douillard J-Y, Oliner KS, Siena S, Taberno J,
et al.: Panitumumab-FOLFOX4 treatment
and RAS-mutations in colorectal cancer.
NEJM 2013; 369: 1023–33.
FRÜHGEBORENENRETINOPATHIE
Frühe Vitrektomie bei aggressiver Erkrankung vorteilhaft
Bei Kindern mit FrühgeborenenRetinopathie (ROP: retinopathy of
prematurity) ist die Laserkoagulation des Augenhintergrundes die Methode der Wahl, um die Ausdehnung der pathologischen, durch die
Sauerstoffatmung im Inkubator verursachten Netzhautveränderungen
aufzuhalten und eine Netzhautablösung zu verhindern. Eine durch
massive Proliferation von fibrovaskulärem Gewebe und durch schnel-
les Erreichen des finalen ROP-Stadiums 5 (komplette Amotio retinae)
gekennzeichnete Sonderform, die
aggressive posteriore Frühgeborenen-Retinopathie (AP-ROP), lässt
sich mit der Laserapplikation in der
Regel nicht stoppen. Die Ergebnisse der vitreoretinalen Eingriffe nach
durch AP-ROP verursachter Netzhautablösung waren enttäuschend.
An der Augenklinik des japanischen Nationalen Zentrums für die
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 45 | 8. November 2013
MEDIZINREPORT
Gesundheit und Entwicklung von
Kindern in Tokio wurde bei Frühgeborenen mit dieser Retinopathieform früher als üblich, nämlich bei
ersten Zeichen für eine Traktionsamotio, vitrektomiert. Dabei wird
gleichzeitig auch die Linse des betroffenen Auges entfernt, deren refraktive Funktion später Kontaktlinsen übernehmen. 103 Augen
wurden vitrektomiert. Die Patienten
hatten zum Operationszeitpunkt ein
durchschnittliches postmenstruales
Alter von 37 Wochen, waren durchschnittlich nach 24 Schwangerschaftswochen auf die Welt gekommen und wogen 706 Gramm.
Bei 32 Patienten war im Laufe
der Nachkontrolle eine Messung
des Visus möglich; es wurden Sehschärfen zwischen 20/2 000 und
20/40 ermittelt. Immerhin fast 70 %
dieser Augen hatten einen Visus
von 20/250 oder besser. Vielleicht
noch wichtiger für die visuelle
Langzeitprognose ist die Frage, ob
sich eine regelrechte Fovea – das
für die Sehschärfe entscheidende
Zentrum der Makula – ausbilden
kann. Dies war bei all jenen Augen
der Fall, bei denen operiert wurde,
bevor die fibrovaskulären Veränderungen die Glaskörperbasis oder die
Linsenoberfläche erreicht hatten.
Fazit: Bei einer besonders aggressiven Form der ROP kann durch frühzeitige Vitrektomie bei einigen Patienten ein fast altersentsprechender
Visus erreicht werden. Welchen
Stellenwert die frühe Vitrektomie
bei dieser Variante der Frühgeborenenretinopathie bekommen wird,
wenn mehr Daten zu Alternativen
wie der Anti-VEGF-Therapie (Injektion von Bevacizumab zum Beispiel) vorliegen, bleibe abzuwarten,
so die Autoren. Dr. med. Ronald D. Gerste
1. Azuma N, et al.: Visual outcomes after early
vitreous surgery for aggressive posterior retinopathy of prematurity. JAMA Ophthalmol
2013; 131: 1309–13.
ABSTOSSUNG VON NIERENTRANSPLANTATEN
C1q-bindende Antikörper lassen Abstoßungsrisiko gut abschätzen
Abstoßungen von Organtransplantaten zu verhindern, ist ein wesentliches Ziel der Nachsorge von
Patienten. Dabei wird die Immunantwort auf das Allotransplantat
beobachtet durch die Suche nach
HLA-Antikörpern, meist durch
Festphasenassays wie die Luminex-Technologie: HLA-Antigene
werden auf Mikropartikeln fixiert
und die Bindung von Antikörpern
aus dem Organempfängerserum
über Fluoreszenzsignale nachgewiesen. Die Bewertung der Ergebnisse dieser sehr sensitiven MethoGRAFIK
1,0
0,8
0,6
0,4
grau hinterlegt: 95-%-Konfidenzintervalle
0,2
0,0
0
1
4
5
2
3
Jahre nach Transplantation
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 45 | 8. November 2013
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modifiziert nach: NEJM 2013 ; 369: 1215–26
Wahrscheinlichkeit des Transplantatüberlebens
Überleben von Nierentransplantaten in Abhängigkeit von
donorspezifischen Antikörpern (DSA) und C1qDSA-Status
de kann schwierig sein, weil in positiven Seren eine Vielzahl von
Spezifitäten nachgewiesen wird,
ohne dass sich daraus erkennen ließe, welche Anti-HLA-Antikörper
dem Transplantat schaden könnten
und eine Anpassung der Abstoßungsprophylaxe zur Folge haben
sollten. Deshalb wird versucht, das
Monitoring durch eine funktionelle
Differenzierung der Antikörper zu
verbessern.
Eine Forschergruppe hat in einer
Population von 1 016 Nierenempfängern untersucht, ob das Auftreten von C1q-bindenden, donorspezifischen Antikörpern (C1qDSA)
prognostische Bedeutung für das
Auftreten von Abstoßungen hat (1).
Die Bindung von Antikörpern an
C1q ist der erste Schritt der klassischen Aktivierung der Komplementkaskade (C). Die Forscher verwendeten ebenfalls die LuminexTechnologie, allerdings mit der Erweiterung, dass die C1q-Bindung
der DSA nachgewiesen wurde.
Von allen Subgruppen fand sich
bei Patienten mit C1qDSA binnen
5 Jahren das schlechteste Transplantatüberleben, nämlich 54 %.
Dagegen funktionierten in der
Gruppe der Patienten mit nichtkomplementbindenden DSA im selben Zeitraum 93 % der Nieren und
in der Gruppe ohne DSA 94 % der
Transplantate (p < 0,001 für beide
Vergleiche). Komplementbindende
DSA waren mit einem mehr als vierfach erhöhten Risiko für einen Transplantatverlust assoziiert (Hazard
Ratio 4,78; 95-%-Konfidenzintervall 2,69–8,49), stärkeren Gewebeschäden mit ausgeprägter mikrovaskulärer Entzündung und Ablagerungen von C4d in den Kapillaren
des Transplantats. Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass C1qDSA
größere prognostische Bedeutung
haben als C4dDSA, und die Integration des Parameters „C1qDSA“
in einen Score zur Abschätzung des
Abstoßungsrisikos erhöhte signifikant dessen Vorhersagekraft.
Fazit: Das Auftreten von C1q-bindenden, donorspezifischen Antikörpern bei Nierenempfängern ist mit
einem stark erhöhten Abstoßungsrisiko assoziiert. Die Bedeutung für
das Routinemonitoring müsse geprüft werden, heißt es im Kommentar (2). In Protokolle klinischer Studien sollten Tests auf C1qDSA aber
künftig aufgenommen werden.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
1. Loupy A, et al.: Complementbindung
anti-HLA antibodies and kidney-allograft
survival. NEJM 2013 ; 369: 1215–26.
2. Racusen LC, et al.: C1q-binding antibodies
in kidney transplantation. NEJM 2013; 369:
1266–7.
A 2137
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