Karel Hruza (Hg.) Österreichische Historiker 1900–1945 Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts Böhlau Verlag Wien Köln Weimar 2008 ISBN 978-3-205-77813-4 Abkürzungsverzeichnis AAVČR Archiv Akademie věd České republiky [Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik] (Praha) ABBAW Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Berlin) Abh. Abhandlungen Abh. (und Ortsname) Abhandlungen der jeweiligen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische oder entsprechende Klasse AKG Archiv für Kulturgeschichte AMVČR Archiv ministerstva vnitra České republiky [Archiv des Innenministeriums der Tschechischen Republik] (Praha) AÖG Archiv für österreichische Geschichte BAB Bundesarchiv Berlin R Abt. Deutsches Reich BDC Berlin Document Center BAK Bundesarchiv Koblenz bes. besonders BG Bezirksgericht BMF Bundesministerium für Finanzen (Wien) BMI Bundesministerium für Inneres (Wien) BMU Bundesministerium für Unterricht (Wien) DA Deutsches Archiv für Erforschung (1937–1944: Geschichte) des Mittelalters DALV Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung DHI Deutsches Historisches Institut DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Wien) DU Deutsche Universität (1939–1945: Deutsche Karls-Universität) Prag ERR Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg FS Festschrift FRA Fontes Rerum Austriacarum GG Geschichte und Gesellschaft HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien), siehe ÖSTA HJb Historisches Jahrbuch HZ Historische Zeitschrift IÖG Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1923–1942: Österreichisches Institut für Geschichtsforschung; 1942–1945: Institut für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien) (Wien) Jb. Jahrbuch JbLKNÖ Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich K. Karton Kap. Kapitel MGH Monumenta Germaniae Historica (1935–1945: Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae Historica]) MIÖG Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (1923–1942: MÖIG = Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung; 1944: Mitteilungen des Instituts für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft) MÖIG siehe MIÖG MOÖLA Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs MÖSTA Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs MVGDB NA ND NDB NF NL NÖB NOFG OEFG OÖLA ÖAW IMF ÖBL ÖNB ÖStA AdR AVA HHStA KA NPA ÖZG PA REM RMI RM S SB (und Ortsname) SD SODFG StLA SÚA TLA UAB UAG UAI UAP UAW UB Veröff. Veröff. MPIG VFG VKGÖ VuF VSWG Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen Národní archiv (ehemals SÚA) Praha, oder: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Neudruck Neue Deutsche Biographie Neue Folge Nachlass Neue Österreichische Biographie Nordostdeutsche Forschungsgemeinschaft Osteuropäische Forschungsgemeinschaft Oberösterreichisches Landesarchiv (Linz) Österreichische Akademie der Wissenschaften (Wien) (1847–1921: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften; 1921–1946: Akademie der Wissenschaften in Wien) Institut für Mittelalterforschung Österreichisches Biographisches Lexikon Österreichische Nationalbibliothek (Wien) Österreichisches Staatsarchiv (Wien) Archiv der Republik Allgemeines Verwaltungsarchiv Haus-, Hof- und Staatsarchiv Kriegsarchiv Neues politisches Archiv Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften Personalakt(e) Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Berlin) Reichsministerium des Innern Reichsmark Schilling Sitzungsberichte der jeweiligen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische oder entsprechende Klasse, oder: Sonderbestände Sicherheitsdienst der SS Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft Steiermärkisches Landesarchiv (Graz) Státní ústřední archiv (Praha) (siehe NA) Tiroler Landesarchiv (Innsbruck) Humboldt-Universität zu Berlin, Archiv Karl-Franzens-Universität Graz, Archiv Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Archiv Karlsuniversität Prag, Archiv Universität Wien, Archiv Universitätsbibliothek Veröffentlichungen Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Volksdeutsche Forschungsgemeinschaft Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Vorträge und Forschungen Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte WFG WStLA ZBLG ZfO ZGORh ZGS ZHF ZHVSt ZRG GA KA Zs. ZSG Westdeutsche Forschungsgemeinschaft Wiener Stadt- und Landesarchiv Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins Zeitschrift für Geschichte der Sudetenländer Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Kanonistische Abteilung Zeitschrift Zeitschrift für sudetendeutsche Geschichte Abbildungsnachweis Johann Loserth Abb. 1: ÖAW, Archiv Emil von Ottenthal Abb. 2, 4: UAI; Abb. 3 Privatsammlung Horst Schober Anton Mell Abb. 5, 6: StLA Raimund F. Kaindl Abb. 7: Die Geschichtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Sigfried Steinberg (Leipzig 1925) Alfons Dopsch Abb. 8: Die Geschichtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Sigfried Steinberg (Leipzig 1925) Harold Steinacker Abb. 9: Deutschtum im Ausland 21 (Juli 1938); Abb. 10, 11: UAI Hans Pirchegger Abb. 12, 13: UAG Wilhelm Bauer Abb. 14: ÖAW, Archiv Ludwig Bittner Abb. 15, 16: ÖStA Hans Hirsch Abb. 17, 18, 19, 21: Privatbesitz; Abb. 20: AAVČR Otto Stolz Abb. 22: TLA Mathilde Uhlirz Abb. 23: UAG; Abb. 24: Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen 2, hg. v. Nikolaus Grass (Innsbruck 1951) Theodor Mayer Abb. 25, 27: ZGS 7 (1944); Abb. 26: ÖAW, Archiv Richard Heuberger Abb. 28: Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen 1, hg. v. Nikolaus Grass (Innsbruck 1950); Abb. 29, 30: UAI Paul Heigl Abb. 31: Privatbesitz; Abb. 32: ÖNB, Bildarchiv Leo Santifaller Abb. 33: Teresa Kulak, Mieczysław Pater, Wojciech Wrzesiński, Historia Uniwersytetu Wrocławskiego 1702–2002 (Wrocław 2002); Abb. 34: UAI; Abb. 35: Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen 2, hg. v. Nikolaus Grass (Innsbruck 1951) Eduard Winter Abb. 36, 37: NA; Abb. 38: Privatsammlung Heinz Zatschek Abb. 39, 40, 42, 43: AAVČR; Abb. 41: ÖAW, Archiv; Abb. 44: Dějiny univerzity Karlovy 4 1918–1990, hg. v. Jan Havránek, Zdeněk Pousta (Praha 1998) Abb. 150 Heinz Zatschek (1901–1965) „Radikales Ordnungsdenken“ und „gründliche, zielgesteuerte Forschungsarbeit“ von Karel Hruza Helmut Maurer zum 3. Mai 2006 Abb. 39: Heinz Zatschek zu Beginn der 1930er Jahre I. „Aus dem Reich der Hatschek kam Volksgenosse Zatschek“ Am vierten Adventssonntag 1962, einen Tag vor Heiligabend, kam für Heinz Zatschek jener Moment, vor dem sich ehemalige Nationalsozialisten insgeheim fürchten: Die öffentliche Anklage. Die österreichische kommunistische „Volksstimme“ publizierte den von „Dr. F. L.“ verfassten Artikel „Das Heeresgeschichtliche Museum und sein ‚Führer‛.“ F. L. wusste Interessantes zu berichten und war anscheinend bestens informiert, da er sein Wissen aus eigenem Erleben und aus von ihm in Prag angeforderten Dokumenten schöpfte. Und er befand sich in der Laune, die eine oder andere Polemik Volksstimme. Zentralorgan der Kommunistischen Partei Österreichs. Ausgabe für Niederösterreich Nr. 296, 23.12.1962, S. 3. Ein Zeitungsausschnitt (ohne Namen der Zeitung) befindet sich im ÖStA, KA, B 1200:0 NL Heinz Zatschek. Der Artikel korrespondiert in wesentlichen Aussagen mit einer im AMVČR verwahrten Akte über Zatschek (10-P-75), die nach einer Anfrage österreichischer antifaschistischer Widerstandskämpfer 678 Karel Hruza einfließen zu lassen und schrieb: Bei einem Besuch im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum habe er bei Lektüre des Museumsführers von 1960 den Namen des Direktors erfahren: Heinz Zatschek. „Da las ich ‚Der Wunsch nach einem Führer wird immer lauter […]‛ Das hatte ich doch schon wo gehört? Der Stil kam mir bekannt vor. Ich übersah, daß der Direktor 1960 nicht nach ‚Führer’, sondern nach einem Museumsführer verlangte. Doch kamen mir merkwürdige Assoziationen: Führer, Zatschek? Es ist doch nicht möglich, daß derselbe Zatschek, den ich aus dem Jahre 1941 in so schrecklicher Erinnerung habe […] Direktor des Heeresmuseums sein könnte.“ Zatschek sei 1941 als Professor für Geschichte an die Universität Wien gekommen und habe die „nazistischen Auslassungen“ seiner Kollegen weit „in den Schatten“ gestellt: Der Hauptfeind Deutschlands sei im Westen zu finden. „Besonders auf England hatte er es scharf. Die traditionelle Feindschaft gegen England begann […] im 11. Jahrhundert. Richard Löwenherz wurde von ihm zum Reichsfeind gestempelt, englische Könige würden durch Geld von Juden gewählt. Die Hussitenkriege und die damit verbundene ‚Entrechtung des Deutschtums‛ wären Folgen der Schriften des englischen Reformators Wycliffe.“ Ähnlich abwertend fuhr Zatschek chronologisch bis zum 2. Weltkrieg fort, an dessen Ausbruch den Engländern die Schuld zukäme. Die Engländer wären „Diener des Judentums geworden, einer Gedankenwelt, die ihr höchstes Ziel in der Zerstörung jedes gesunden Volkstums erblickt“. Wer nicht glauben wolle, dass Zatschek sich so geäußert hätte, der solle dessen Buch „England und das Reich“ lesen. F. L. fuhr mit einer Passage fort, die heutigen wissenschaftsgeschichtlichen Diskussionen entstammen könnte: „Natürlich wurde Zatscheks üble Völkerverhetzung von vielen ernst genommen und stiftete geistiges Unheil. Manchmal, wenn ich von den Greueltaten der SS lese, wundere ich mich, wie überhaupt Menschen zu derartigen Verbrechen fähig sind. Das geistige Rüstzeug zu diesen unmenschlichen Taten wurde aber von ‚Professoren‛ wie Zatschek verbreitet.“ Eine weitere Passage offenbart eine „Identität“ Zatscheks: „Als Zatschek […] davon sprach, daß nach dem Endsieg alle Slawen in den Ural und nach Sibirien ausgesiedelt würden, bemerkte ein österreichischer Wissenschafter: ‚Aber was geschieht dann mit uns?‛ Zatschek war erstaunt, worauf der andere auf seinen und Zatscheks slawischen Namen hinwies. Aber Zatschek hatte wenig Sinn für Humor, und er war wütend, als er hörte, daß man in Studentenkreisen davon sprach: ‚Aus dem Reich der Hatschek kam der Volksgenosse Zatschek‛.“ Abschließend gab F. L. preis, was er aus Prag erfahren hatte: „In Wien fühlte er sich nicht wohl. In Prag war er Leiter der NSDAP beim deutschen Amt für Wissenschaften und Mitglied der NSDAP mit Nr. 7077889. Vorher war er […] Mitglied der Sudetendeutschen Partei Henleins. Adolf Hitler verlieh ihm am 12. September vom 15.05.1962 zusammengestellt wurde, nachdem diese erfahren hatten, dass Zatschek angeblich wieder zum Ordinarius in Wien ernannt werden sollte. – Die Identität des Autors dieses Artikels konnte trotz intensiver Recherchen nicht in Erfahrung gebracht werden. Der Zeitpunkt seines Studiums, sein Artikel und die Anfrage in Prag weisen auf einen zu Beginn der 1920er Jahre geborenen Österreicher hin, der dem Widerstand gegen das NS-Regime angehört und vermutlich der KPÖ nahegestanden haben dürfte. An den studentischen Spottvers über Zatschek erinnerte sich die damalige Wiener Studentin Frau Dr. Maria Bechina noch 2007, siehe Anm. 8. Heinz Zatschek (1901–1965) 679 1941 und am 1. September 1944 persönlich [!] Auszeichnungen. Eine davon war das ‚Kriegsverdienstkreuz II. Klasse‛, obwohl er nie an der Front war. Dafür hat er im Hinterland fleißig den Prager Dienststellen des Sicherheitsdienstes […] Nachrichten mit Denunziationen katholischer Kreise übermittelt.“ Am Schluss blieb dem verblüfften F. L. nur zu konstatieren: „Bekanntlich ist dieses Museum dem Ministerium für Landesverteidigung unterstellt, und es erhebt sich die Frage, wer eigentlich Zatschek auf seinen Posten befördert hat. Im Professorenkollegium der Wiener Universität hält man vom Ansehen der österreichischen Wissenschaft mehr, denn dort wurde der Versuch Zatscheks, wieder eine Lehrtätigkeit zu erhalten, abgelehnt.“ Soweit F. L., der vorläufig anonym bleiben muss. Der Artikel wurde Zatschek von einem mit ihm befreundeten Mitglied des österreichischen Nationalrats zugesandt, und vermutlich zog Zatschek, auch bedingt durch seine Arbeitsbelastung, seine sich verschlechternde Gesundheit und seinen andauernden Unmut über die Universität Wien, eine Konsequenz aus dessen Kenntnis: 1963 legte er seine Lehrtätigkeit an der Wiener Alma mater nieder, die ihm seit 1955 wieder gewährt worden war. Vermutlich entschied er sich auch deshalb zu diesem Schritt, um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen. Einen öffentlichen Skandal heraufzubeschwören und auszukosten, wie es später Zatscheks Kollege aus gemeinsamen Prager Zeiten, der Historiker Taras Borodajkewycz, tat, lag Zatschek völlig fern. II Zatschek: Ein tschechischer Name, deutsch geschrieben Zur Person Heinz Zatscheks liegt lediglich ein kurzer Aufsatz in tschechischer Sprache vor, der durch Lexikonartikel und Nachrufe ergänzt werden kann. Wichtige In diesem Punkt irrte sich der Autor F. L. Vgl. Einer im Vordergrund: Taras Borodajkewycz. Eine Dokumentation, hg. v. Heinz Fischer (Wien/ Frankfurt/M. 1966); Gerard Kasemir, Spätes Ende für „wissenschaftlich“ vorgetragenen Rassismus. Die Borodajkewycz-Affäre 1965, in: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim, hg. v. Michael Gehler, Hubert Sickinger (Thaur 1995) 486–501. Eva Doležalová, Poznámky k dílu Heinze Zatschka [Anmerkungen zum Werk Heinz Zatscheks], in: Německá medievistika v českých zemích do roku 1945 [Die deutsche Mediävistik in den böhmischen Ländern bis zum Jahr 1945], hg. v. Pavel Soukup, František Šmahel (Práce z dějin vědy 18, Praha 2004) 353–362, ohne Kontextualisierung von Werk und Person. Insgesamt inhaltsreicher ist Annemarie Steidl, Heinz Zatschek – wissenschaftliche Biographie eines Wiener Historikers im 20. Jahrhundert (unpubliziertes Manuskript von 35 S., Wien 2000; der Autorin danke ich für eine Kopie). Eine kurze kritische Einordnung bei František Kutnar, Jaroslav Marek, Přehledné dějiny českého a slovenského dějepisectví. Od počátku národní kultury až do sklonku třicátích let 20. století [Geschichte der tschechischen und slowakischen Geschichtsschreibung im Überblick. Vom Anfang der Nationalkultur bis zum Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts] (Praha 1997) 954f. zu Zatschek und der ZSG, 962f. zu Zatschek und dessen Werken. Lexika: Robert Teichl, Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen (Wien 1951) 347; Wolfgang Weber, Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Lehrstuhlinhaber für Geschichte von den Anfängen des Faches bis 1970 (Frankfurt/ M. u. a. 1984) 678f.; Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien in 5 Bänden 5 (Wien 1997) 688; Deutsche biographische Enzyklopädie 10, hg. v. Walther Killy (†), Rudolf Vierhaus (München 680 Karel Hruza Einzelaspekte wurden zuletzt in neuen tschechischen Arbeiten zur Universität Prag beigesteuert. Eine Auseinandersetzung mit Zatschek und seiner wissenschaftlichen Arbeit muss daher in großem Maß systematisch auf unpubliziertes Aktenmaterial und seine Nachlässe und Schriften zurückgreifen. Diese sind glücklicherweise in 1999) 622; Personenlexikon Österreich, hg. v. Ernst Bruckmüller (Wien 2001) 549; Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (Frankfurt/M. 2003) 691; Fritz Fellner, Doris A. Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (VKGÖ 99, Wien 2006) 469; Karel Hruza, Heinz Zatschek, in: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, hg. v. Ingo Haar, Michael Fahlbusch, Matthias Berg (München 2008) 783–786; Biogramme der Mitglieder der Historischen Kommission der Sudetenländer im Gründungsjahr 1954, bearb. v. K. Erik Franzen, Helena Peřinová, in: Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918–1960. Zur Vorgeschichte und Gründung der Historischen Kommission der Sudetenländer, hg. v. Stefan Albrecht, Jiří Malíř, Ralph Melville (Veröff. des Collegium Carolinum 114, München 2008) 219–276, hier 275f.; vgl. noch Erich Cermak, Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zwischen 1938 und 1945 (masch. phil. Diss. Wien 1983) mit unkritischer Kurzbiografie Zatscheks 361–363. Nur wenige dieser Schriften sind frei von Fehlern. Nachrufe: Johann Christoph Allmeyer-Beck, Univ.Prof. Dr. Heinz Zatschek †, in: Mitteilungsblatt der Museen Österreichs 14 (1965) 64–67; ders., Univ.Prof. Dr. Heinz Zatschek †, in: Österreichischer Soldatenkalender 1966 84f.; Max Kratochwill, Heinz Zatschek †, in: Wiener Geschichtsblätter 20 (1965) 498–500; Friedrich Walter, Heinz Zatschek †, in: HZ 202 (1966) 263f.; Otto Brunner, Heinz Zatschek †, in: MIÖG 74 (1966) 249–251; Die Presse 28.05.1965; Sudetenpost 08.06.1965; Sudetendeutsche Zeitung München 25.06.1965; Prager Nachrichten Jg. 16, 1965, Nr. 10. Hier sind vor allem die unten zitierten Arbeiten von Alena Míšková und Pavel Kolář zu nennen. Folgende Aktenbestände wurden eingesehen: AAVČR: Osobní fond (= Of) Jan Rypka; Of Wilhelm Weizsäcker; Of Wilhelm Wostry; Of Heinz Zatschek (= HeZ); Of Hilde Zatschek (= HiZ). AMVČR: 10-P-75; 52-1-363. BAB: R 31/708 HeZ; R 4901; (ehem. BDC) PK; REM; RFR; RKK; WI. Heeresgeschichtliches Museum (= HGM) Wien: PA HeZ. IÖG, Archiv: Institutsakten 33. Ausbildungskurs 1921–23; NL Hans Hirsch (= NL HH); NL Emil v. Ottenthal. Konstanz, Stadtarchiv (= StadtA Konstanz), NL Theodor Mayer (= NL ThM). MGH München, Archiv: 338/20; 338/31; 338/51; 338/181; 338/191; A 69; A 241; B 704/II. NA Praha, Úřad říšského protektora – státní tajemník u říšského protektora (ÚŘP-ST) 109-4-1403; 109-12-22; Německé státní ministerstvo pro Čechy a Moravu (= NSM) 110-4-529; 110-12-4; NSDAP na území Čech a Moravy 123-748-6. OÖLA: NL Wilhelm Bauer (= NL WB). ÖAW Archiv: NL Wilhelm Bauer (= NL WB). ÖAW IMF Regesta Imperii: Akten. ÖNB, Archiv: 1093. ÖStA: AdR 6124A; 02/PA 3090/47; 03/BMU PA 264 Otto Brunner; PA 281 HeZ; KA B 1200 NL HeZ; B 1251 NL Taras Borodajkewycz; UAP: DU, Rektorat; Phil. Fak. Inv.-Nr. 541 Sign. PI/14 PA HeZ; Inv.-Nr. 827, 833, 891, 897. UAW: Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat Evidenzhaltung der aus der Tschechoslowakei geflüchteten deutschen Hochschullehrer; Phil. Fak. PA HeZ (unvollständig und der wichtigsten Dokumente beraubt!); Phil. Fak. PA Heinrich Fichtenau; Dissertationen; Dekanatsakten der Phil. Fak.; Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums der Phil. Fak. 1925/26–1928/29. WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung; Melderegister; NL HeZ A1. Herangezogen wurden auch die relevanten Bände von: Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k.k. Reichs-Hauptund Residenzstadt Wien 1894ff. (Wien 1894ff.). Für ihre Hilfe bin ich gerne zu Dank verpflichtet allen Archivaren der von mir aufgesuchten Archive, namentlich Ivana Čornejová (UAP), Paul Herold (IÖG), Hana Keller (ÖStA), Michaela Laichmann (WStLA), Jana Ratajová (UAP), Arno MentzelReuters (MGH), Johannes Seidl (UAW), Stefan Sienell (ÖAW), Alena Míšková, Martina Šumová (AAVČR), Vojtěch Šustek (Archiv hl. m. Prahy), sowie den Freunden und Diskussionspartnern Petr Elbel, Barbara Haider-Wilson, Christina Köstner, Anne-Katrin Kunde, Andreas Zajic und vor allem Jiří Němec. Einen besonders herzlichen Dank möchte ich jedoch Frau Dr. Maria Habacher, Absolventin des 42. Kurses am IÖG 1939–1941 und dortige Assistentin 1941–1944, ausdrücken, Heinz Zatschek (1901–1965) 681 überraschend großer Anzahl in Bibliotheken und Archiven Österreichs, Deutschlands und der Tschechischen Republik vorhanden, so dass sie im Rahmen dieser begrenzten Studie nicht in extenso ausgelegt werden können. Dessen ungeachtet erlauben sie es, ein verhältnismäßig schlüssiges Bild des Mediävisten Zatschek vorzustellen und dabei sein wissenschaftliches und politisches Wirken einer Würdigung und einer Kritik zu unterziehen. Im Folgenden wird ein „familiärer“ Lebenslauf Zatscheks geboten und die wissenschaftliche Laufbahn gesondert im dritten Abschnitt behandelt. Der vierte Abschnitt ist dem wissenschaftlichen Werk gewidmet, während im fünften die politischen Ansichten und Tätigkeiten Zatschek beleuchtet werden. In allen diesen Abschnitten wird auch Zatscheks Zeit nach 1945 einbezogen, freilich in geringerem Maß als die vorangehenden Jahrzehnte. Dem sechsten Abschnitt (Resümee) folgt ein Anhang mit der Edition bisher nicht ausgewerteter Dokumente. Heinz (Heinrich) Eugen Arthur Zatschek wurde am 27. Juni 1901 in Wien geboren. Sowohl die väterliche als auch die mütterliche Seite seines Vaters Arthur Zatschek waren teilweise oder überwiegend tschechischen Ursprungs, ein Tatbestand, über den Heinz Zatschek spätestens seit 1938 bestens Bescheid wusste. Sein Großvater Johann Zatschek war 1895 mit seiner Familie aus der Grenzstadt Ungarisch Hradisch (Uherské Hradiště) in die Metropole an der Donau gezogen. Von 1895 bis zu seiner Pensionierung 1905 amtierte er hier als Hofrat des k.k. obersten Gerichts- und Kassationshofes10. Hochbetagt starb er im Januar 1920. Auch Heinz Zatscheks eigener Vater Arthur gelangte als Marinekommissär der Reserve und als niederösterreichischer Landesrechnungsrat zu beruflichem Ansehen. Arthur heiratete die am 14. Juli 1878 in Stockerau geborene Flora Hiller, deren Vater Eugen als Rechtsanwalt an ihrem Geburtsort tätig war. Die Familie wohnte ab 1906 in einer Wohnung einer Mietvilla im 13. Wiener Gemeindebezirk, Leopold-Müller-Gasse 2/4 (heute Stoesslgasse). Heinz Zatschek besuchte 1907–1911 die Volks- und Mittelschule im 1. und im 13. Wiener Bezirk und danach das dortige „K.K. Staats-Gymnasium“, wo er im Juli 1919 die Reifeprüfung mit Auszeichnung ablegte. Einen wesentlichen und prägenden Abschnitt seiner Jugend und seiner Schulzeit hat Zatschek während des Ersten Weltkrieges erlebt: Er wurde in gewisser Weise zu einem Angehörigen der „Kriegs­ jugendgeneration“, durchlebte jedoch einen anderen Karriereverlauf als die meisten die mir im August und Oktober 2006 über ihre Begegnungen mit Heinz Zatschek berichtet hat, ebenso danke ich Frau Dr. Maria Bechina, Absolventin des 43. Kurses am IÖG 1943–1945, die mir im Juni 2007 in einem Telefongepräch ihre Eindrücke über Heinz Zatschek mitgeteilt hat, und Herrn Dr. Peter Brouček, der 1961 bei Heinz Zatschek promoviert wurde und mir im Mai 2007 darüber erzählt hat. Der in Prag lebende Heinz Zatschek ließ für die Ausstellung eines Ahnenpasses seit dem Frühjahr 1938 (!) nach seinen und seiner Frau Vorfahren und deren Nationalität suchen; dabei half ihm auch sein in Brünn (Brno) lebender Cousin Hans, der die gemeinsamen mährischen Vorfahren erkundete, siehe den Brief Hans Zatscheks vom 29.06.1938 an Heinz. AAVČR, Of HeZ, Nr. 47, und ebd. Nr. 2: Zatscheks NS-Ahnenpass von 1940 (?) und zugehörige Dokumente. Obwohl frühere („tschechische“) Familienmitglieder zu eruieren waren, gab Zatschek im Pass seine Vorfahren väterlicherseits nur bis zum Urgroßvater an, vermutlich um den tschechischen Familienanteil zu verschweigen. 10 Siehe Niederösterreichischer Amts-Kalender für das Jahr 1895, 30. Jg. (Wien 1895) 125, und zuletzt ebd. 1905, 45. Jg. (Wien 1905) 142. 682 Karel Hruza seiner Historikerkollegen derselben Generation11. Damals entwickelte er, angeregt vom kriegsbejahenden „Zeitgeist“ und wohl auch durch den Beruf des Vaters, einen Hang zum Militärischen, der in seinen Arbeiten und in seinem zuletzt ausgeübten Beruf deutlich zum Vorschein treten sollte. Die Niederlage der Mittelmächte und der Zerfall des österreichischen Kaiserreiches evozierten im damaligen deutschösterreichischen soziokulturellen Milieu der Wiener Oberschicht eine verstärkte Hinwendung zum Deutschnationalismus, der sich mit dem „üblichen“, in Wien jedoch besonders ausgeprägten Antisemitismus paarte12. Der junge Zatschek wurde bei dieser Ausrichtung zu keiner Ausnahme. Zu vermerken ist ebenso, dass er als getaufter Katholik zu seiner Religion keine tiefere innere Verbindung entwickelt hat. Später hat ihn Hans Hirsch als einen nicht gläubigen Menschen charakterisiert13. Dank der wohl gehobenen Verhältnisse, in denen die Familie Zatschek leben konnte, dürfte der Krieg den jungen Heinz materiell weniger getroffen haben als den Großteil der Wiener Bevölkerung. Vom WS 1919/20 bis zum SS 1923 absolvierte er ein Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Geografie an der Universität Wien. Das Interesse an diesen Fächern dürfte ihm sein Großvater mütterlicherseits vermittelt haben, der eine umfängliche Bibliothek mit vielen Geschichtswerken sein Eigen nannte. Der ehrgeizige Student wurde Ende 1923 zum Dr. phil. promoviert und beendete im selben Jahr auch den 33. Ausbildungskurs des Wiener IÖG14. Die Bereitschaft für den Kurs und die damit genommene Hinwendung zum Mittelalter dürften wiederum von einem Verwandten mütterlicherseits beeinflusst worden sein, nämlich von seinem Onkel und außerordentlichen IÖG-Mitglied und Realschul-, später Gymnasiallehrer Albert Hiller15. Schon 1921 war bei Zatschek Diabetes mellitus diagnostiziert worden – eine Krankheit, an der er wohl schon seit der Geburt litt und die er seit 1924 mit injiziertem Insulin und Diätkost bekämpfte. Die Krankheit hat Zatschek später zwar einen 11 Siehe dazu Abschnitt VI. 12 Die österreichischen Wurzeln des Nationalsozialismus analysiert Michael Wladika, Hitlers Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k.u.k. Monarchie (Wien/Köln/ Weimar 2005), die politische, aber auch soziale und kulturelle Situation in Wien vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis 1913/14 beschreibt etwa Brigitte Hamann, Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators (München 1998), hier Kap. 7–10. 13 IÖG, Archiv, NL HH, Brief vom 31.03.1938 an Edmund E. Stengel: Auf Deine Anfrage teile ich Dir sogleich mit, dass Zatschek und [Karl] Pivec katholisch sind, was in beiden Fällen soviel heisst, dass sie einen katholischen Taufschein besitzen, Praktizierende Katholiken, wie Ihr das nennt, sind sie beide bestimmt nicht. Zu Hirsch siehe den Beitrag in diesem Band und mit apologetischem Unterton die Ausführungen bei Manfred Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung 1929– 1945 (MIÖG Erg.-Bd. 50, Wien/München 2007). Diese Arbeit konnte für vorliegenden Beitrag nicht mehr vollständig rezipiert werden. 14 Siehe ausführlich Abschnitt III. 15 Zu ihm Leo Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung. Festgabe zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Veröff. des IÖG 11, Wien 1950) 133; Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1854–1954 (MIÖG Erg.-Bd. 17, Graz/Köln 1954) 353 und 357. Hiller nahm am 28. Kurs 1909– 1911 teil, seine Kurskollegen waren u. a. Paul Heigl, Richard Heuberger, Oswald Menghin und Otto Stowasser. Zu den ersten beiden vgl. die Beiträge in diesem Band. Heinz Zatschek (1901–1965) 683 Militärdienst erspart, ihn aber sein Leben lang belastet16, ihn zu Kuren und mehrmals zu längeren Krankenhausaufenthalten gezwungen und vermutlich auch zu seinem verhältnismäßig frühen Tod beigetragen. Zatschek hat es zudem strikt verweigert, sich zu schonen und bürdete sich stets erhebliche Strapazen auf, vielleicht auch, um seine Diabeteserkrankung zu verdrängen. Beruflich ging es für den jungen strebsamen Historiker trotzdem voran17: Im Dezember 1923 trat er als Volontär in die Universitätsbibliothek Wien ein und arbeitete seit 1924 zusätzlich am IÖG an einer Urkundenedition der MGH. Der Beginn bei den MGH war zunächst von einem längeren, sicher auch durch sein vorangegangenes riesiges Arbeitspensum bedingten Krankenhausaufenthalt gebremst, der Zatschek sehr peinlich zu sein schien: Wegen seiner Diabetes hatte er – wie Vorgänge 1931 noch zeigen sollten – auch berechtigterweise Angst um seine berufliche Karriere18. Bei den MGH kam er in Kontakt zum damals in Prag lehrenden Hans Hirsch, der für Zatscheks weitere berufliche Laufbahn von entscheidender Bedeutung werden sollte19. Mit Ehrgeiz stürzte sich Zatschek in die Arbeit und gewann schnell Anerkennung. 1926 publizierte er seinen ersten mediävistischen Aufsatz und konnte einen ersten großen Schritt seiner universitären Karriere vollziehen: Hirsch ebnete dem gerade 25-jährigen Zatschek den Weg zu einem Lehrauftrag in Prag. Mit großem Fleiß und Verantwortungsbewusstsein ging dieser seine Lehrtätigkeit an. Damals dürfte er kaum geahnt haben, dass er fast 20 Jahre in der Stadt leben, lehren und eine breite Forschungstätigkeit entfalten würde, die ihm zuletzt fast die Würde eines Prorektors einbringen sollte. Im Sommer 1927 kehrte Zatschek zunächst aber wieder aus Prag nach Wien zurück und setzte seine Tätigkeit an der dortigen Universität und im IÖG fort. Schnell erklomm er weitere Sprossen 16 1934 beanspruchten allein die Insulin-Kosten mehr als 10% seines Gehalts, siehe den Brief Hilde Zatscheks vom 27.10.1934. AAVČR, Of HiZ, Nr. 18. 17 Siehe ausführlich Abschnitt III. 18 Am 30.03.1924 schrieb Zatschek an Emil von Ottenthal: Hoch verehrter Herr Hofrat! Da seiner Zeit Herr Hofrat die Liebenswürdigkeit hatten, sich nach meinem Befinden zu erkundigen, erlaube ich mir, Herrn Hofrat von meinem Zustand zu benachrichtigen, möchte aber gleichzeitig bitten, von dieser Mitteilung keinen Gebrauch zu machen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass ich zuckerkrank bin; um einen entsprechenden Heilungserfolg zu erzielen, ist es notwendig, dass ich noch einige Zeit im Spital bleibe, so dass ich vor 1. Mai kaum meinen Dienst werde antreten können. Da ich bei Verlassen des Spitals ziemlich ausgeheilt sein werde, lege ich grössten Wert darauf, dass meine Krankheit nicht bekannt wird. Es könnte doch bei der Anstellungsfrage dieses Moment unliebsam in Erwägung gezogen werden, obwohl ich hoffe, trotz meines schlechten Gesundheitszustandes vor meinem Eintritt ins Spital hinsichtlich meiner Arbeit zu keinerlei Klagen Ursache gegeben zu haben. […]. IÖG, Archiv, NL Emil von Ottenthal. Siehe auch Abschnitt III. 19 Einen wertvollen Fundus für vorliegende Arbeit und für die tschechisch-österreichisch-deutsche Wissenschaftsgeschichte allgemein bildet die Korrespondenz zwischen Zatschek und Hirsch 1924– 1940, die besonders in den Jahren 1926–1932 intensiv geführt wurde und im IÖG, Archiv, NL HH, und im AAVČR, Of HeZ, Nr. 188, verwahrt ist. Dabei ist der Wiener Bestand von ca. 100 Briefen Zatscheks an Hirsch unvollständig, da zumindest Zatschek 1941/42 aus ihm Briefe entnommen hat, siehe dazu Abschnitt III. Zatschek fungierte zeitweise fast als Privatsekretär Hirschs, bat diesen oft um Rat und Unterstützung und Durchsicht seiner Beiträge und eröffnete diesem auch private Angelegenheiten. Vor allem später bewahrte sich Hirsch, der Zatschek immer wieder zu Besonnenheit und Ruhe aufrief, jedoch einen durchaus kritischen Abstand zu diesem. 684 Karel Hruza auf der Karriereleiter: 1928 habilitierte er sich in Historischen Hilfswissenschaften und wurde im Frühjahr 1929 als außerordentlicher Professor nach Prag berufen. Zu diesem beruflichen Erfolg gesellte sich privates Glück, als Zatschek am 15. Juli 1929 in Wien Hilde(gard) (rk), geborene Wlček (oder Wlczek), heiratete20. Abb. 40: Hilde und Heinz Zatschek um 1929 Hilde Wlček kam am 8. August 1902 in St. Pölten zur Welt, und wie ihr Gatte trug sie einen tschechischen Namen. Sie besuchte 1908–1912 die Volksschule im 20. Wiener Bezirk und 1913–1917 die „öffentliche Bürgerschule für Mädchen“ im 13. Bezirk21. Danach übersiedelte ihre Familie im Frühjahr 1919 nach Brünn, wo Hilde noch im selben Jahr eine Ausbildung an der „Zweijährigen Fortbildungsschule für Mädchen des Frauenerwerb-Vereines“ begann. Zu ihren Fächern zählte auch die „čechische Sprache“. 1921–1923 besuchte sie das „Deutsche Städtische Mädchen-Reformgymnasium“ in derselben Stadt, das sie wieder mit „vorzüglichem Erfolg“ beenden konn20 Am 07.06.1929 schrieb Zatschek aus Prag an Wilhelm Bauer u. a.: […] betrachte mich vielmehr als Günstling des Schicksals und Liebling des Glückes […] die Verlobung aber ist vollzogen und steht unter dem Sternbild des Hirsches, womit angedeutet ist, dass durch die von Prof. Hirsch inaugurierte Supplentur 1926 das Unheil angerichtet wurde und es ist der Fluch der bösen Tat usw. Ich habe mich also tatsächlich mit einer Prager Studentin, heute schon längst würdige Frau Doktor, verlobt, wir werden im Juli heiraten, eine Wohnung hier ist schon besorgt, eine möblierte vorläufig, da es ja noch nicht feststeht, wie lange hier meines Bleibens ist. ÖAW Archiv, NL WB K. 8. 21 Hilde und ihre Eltern schrieben sich Wlček. Zatschek schrieb sie auf Postkarten als Wlczek an, diese Schreibweise stand auch in der Heiratsanzeige von 1929 und später oftmals bzw. durchgehend in den Dokumenten. Heinz Zatschek (1901–1965) 685 te. Als Fremdsprachen lernte sie Französisch und Latein. Die junge Frau ging ihren Weg zielstrebig weiter: Sie immatrikulierte sich zum WS 1923/24 an der Deutschen Universität in Prag und gehörte zu den Frauen, die damals in die alte Männerdomäne „Universität“ einbrachen22. Das ist umso mehr zu veranschlagen, als ihre Eltern nunmehr im mährischen Marktflecken Unter Themenau (Poštorná) in eher bescheidenen Verhältnissen lebten: Der Vater Wilhelm Wlček arbeitete als Vorsteher der dortigen Eisenbahnstation und hatte insgesamt sechs Kinder zu versorgen. Hilde Wlček studierte Geschichte und besuchte Lehrveranstaltungen bei den damals in Prag lehrenden, hoch angesehenen Professoren Hans Hirsch, Theodor Mayer, Samuel Steinherz und Wilhelm Wostry. Auch bei den Germanisten August Sauer sowie Erich Gierach und bei den Slawisten Franz Spina und Eugen Rippl belegte sie Lehrveranstaltungen und erbrachte an der Universität insgesamt sehr gute Leistungen. Die wissenschaftliche und politische Stellung ihrer Professoren zeigt insgesamt an, dass ihr eine deutschnationalzentrierte, auf Identitätsstiftung abzielende Geschichtsauffassung vermittelt wurde23. Ihr Fleiß und ihre Mühe, die vielleicht noch aus dem Elternhaus mitgebrachten Tschechischkenntnisse zu perfektionieren, beweisen, dass Hilde der tschechischen Kultur und dem tschechischen „Leben“ nicht ablehnend gegenüberstand. Rippl attestierte ihr 1928 in einem Zeugnis, dass sie die tschechische Sprache voll und ganz beherrscht. Hildes Berufsziel war Lehrerin an einer Mittelschule (Gymnasium): Nach Ablegung der benötigten Prüfungen 1928 unterrichtete sie im südmährischen Mährisch Budwitz (Moravské Budějovice) am tschechischen (!) Realgymnasium. Hilde besuchte als 24-jährige Studentin im WS 1926/27 die DiplomatikLehrveranstaltung des 25-jährigen Dr. Zatschek und nahm im SS 1927 an seinem Privatkolleg teil. Als Zatschek im Juli 1927 wieder nach Wien zurückkehrte, besuchten sie sich gegenseitig und standen in Briefkontakt. Im Studienjahr 1927/28 wurde Hilde bei Mayer an der Deutschen Universität zum Dr. phil. promoviert24. Ihre Dissertation „Beiträge zur Geschichte der Hochgerichtsbarkeit in Böhmen und 22 Während der Studienzeit Hildes 1923–1928 wuchs der Anteil der ordentlichen Hörerinnen an der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität von ca. 25% auf ca. 50%, siehe: Dějiny univerzity Karlovy 4: 1918–1990 [Geschichte der Karlsuniversität 4: 1918–1990], hg. v. Jan Havránek, Zdeněk Pousta (Praha 1998) 610f. 23 Zu Hirsch und Mayer siehe die Beiträge in diesem Band; des Weiteren siehe Daniel Kraft, Eugen Rippl (1888–1945) Slawist, in: Prager Professoren 1938–1948. Zwischen Wissenschaft und Politik, hg. v. Alena Míšková, Monika Glettler (Veröff. zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa 17, Essen 2001) 323–349; Peter Arlt, Samuel Steinherz (1857–1942) Historiker. Ein Rektor zwischen den Fronten, in: ebd. 71–101; dort auch zahlreiche Erwähnungen Spinas gemäß Register; Karel Hruza, „Wissenschaftliches Rüstzeug für aktuelle politische Fragen.“ Kritische Anmerkungen zu Werk und Wirken der Historiker Wilhelm Weizsäcker und Wilhelm Wostry, in: ZfO 54 (2005) 475– 526; ders., Wilhelm Wostry, in: Handbuch der völkischen Wissenschaften (wie Anm. 6) 772–776. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem überzeugten Nationalsozialisten Gierach steht noch aus, siehe jetzt Ingo Haar, Erich Gierach, in: ebd. 193–198. 24 Disertace pražské university 1882–1945 II. Německá universita [Die Dissertationen der Prager Universität 1882–1945 II. Die Deutsche Universität], bearb. v. Milena Výborná (Praha 1965) 69. Als Koreferent waltete Wostry. 686 Karel Hruza Mähren bis zur Maiestas Carolina“ wurde von Hirsch, der das Thema beeinflusst hatte, gegengelesen und sollte eine spätere Studie ihres Gatten anregen25. Zu einer eigenen Forschungstätigkeit ist sie nach ihrer Heirat nicht mehr zurückgekehrt, dürfte aber ihrem Gatten in etlichen Bereichen geholfen haben. Als das Paar im Sommer 1929 heiratete, war Zatschek noch in Wien in seinem Elternhaus ansässig, wohin sich auch Hilde, die ihren Beruf aufgab, polizeilich anmeldete26. Da Zatschek jedoch in Prag eine außerordentliche Professur erhalten hatte, siedelte das Paar in die ČSR und bezog im Oktober 1929 in Prag-Smíchov eine Wohnung als Untermieter. Zatschek hoffte die nachfolgenden zwei Jahre hindurch, eine Professur in Wien zu erhalten und blieb „auf dem Sprung“ dorthin. Dennoch nahm er im Dezember 1930 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft an und scheint sich in der ČSR wohl gefühlt zu haben: Irgendwie fühle ich mich in Prag daheim, hatte er bereits 1928 Hirsch eröffnet27. Im Winter 1930/31 und im Frühjahr erkrankte Zatschek in Prag an einer Magenuntersäuerung, was dazu führte, dass sein Gesundheitszustand zu einem Faktor innerhalb der Berufungsverhandlungen in Wien wurde. Nach dem Scheitern der Wiener Pläne Mitte des Jahres schritten die Zatscheks zur eigenen Hausstandsgründung in Prag und bezogen Ende Dezember 1931 eine Wohnung im Stadtteil Vinohrady in der Budečská 21. Die Sesshaftwerdung hat sich günstig auf Zatscheks Gesundheit und Stimmung ausgewirkt28. Des Weiteren trat mit seiner Ernennung zum ordentlichen Professor im Juli 1934 eine finanzielle Besserung ein. Das Ehepaar pflegte rege Kontakte zu seinen Angehörigen in Österreich und in der ČSR. In den Briefen zwischen Heinz und Hilde herrschte ein zärtlicher respektvoller Tonfall, sie scheinen eine innige Ehe geführt zu haben, die allerdings kinderlos blieb. Das gegenseitige Verständnis mag ihr gleiches Bildungsniveau und sicher das Interesse beider an der Geschichtsforschung gefördert haben. Die Umzüge in Prag lassen zugleich einen stetigen Aufstieg erkennen. 1936 siedelten die Zatscheks in einen Neubau in der Apolinářská 14 [später 6] (445). Die Wohnung bot gegen Süden 25 Zatschek, Diplomatik (wie Anm. 27) VIII. 26 Wie arbeitsam, pflichtbewusst, sensibel und auch ängstlich Zatschek war, geht aus seinem Brief vom 11.05.1929 an Hirsch hervor: Ich hoffe, dass bei Herrn Professor keine Verstimmung Platz gegriffen hat, weil ich von meiner Verlobung nicht früher sprach. Meine Braut musste zuerst Doktorat und Lehramtsprüfung hinter sich haben, ehe die Sache weiteren Kreisen bekannt wurde. Geschenkt ist ihr nichts worden. Dass das niemals wird behauptet werden können, ist mir ihretwegen recht. Sie musste auch von ihren Kolleginnen und Kollegen einen gewissen Abstand gewinnen, ehe sie als meine Frau nach Prag zurückkehren kann. Vor allem aber wollte ich es zu etwas gebracht haben, ehe ich von der Verlobung sprach, wollte mehr sein als ein Nichts und ein Niemand. Ich beabsichtige, bald nach meiner Ernennung [zum a.o. Prof.] hier und in Wien meine Verlobung bekannt zu geben und im Sommer zu einem Zeitpunkt zu heiraten, der sich nach meiner Reise [MGH-Archivreise nach Deutschland] richten wird. Herr Professor wissen, dass ich wegen der technischen Schwierigkeiten, die mit meinem Leiden verbunden sind, keine Geselligkeit suchen kann. Die Abende allein in den vier Wänden, die Vor- und Nachmittage, auch Sonn- und Feiertage, im Seminar, das ist so trostlos, dass ich nicht mehr allein nach Prag zurückkehren will. Bei allem Entgegenkommen, das ich hier bei den Professoren finde, habe ich doch immer das Gefühl der Unterordnung, und solange das bleibt, bin ich eben doch innerlich allein. Darunter leide ich ganz ausserordentlich. IÖG, Archiv, NL HH. 27 Schreiben vom 09.11.1928. IÖG, Archiv, NL HH. 28 Das berichtete Hirsch am 31.03.1932 an Gerhard Gesemann (Prag). IÖG, Archiv, NL HH. Heinz Zatschek (1901–1965) 687 eine großartige Aussicht auf den Vyšehrad. Zu dieser Zeit vollzog Zatschek wie viele Sudetendeutsche eine politische Radikalisierung. 1938 trat er der SdP bei und wurde ein Jahr später in die NSDAP überführt. Während der „Sudetenkrise“ im September 1938 verließ er die ČSR und „flüchtete“ ins Deutsche Reich nach Wien29, wo er als ein führender Parteigänger Hitlers auftrat, bis er schließlich im November nach Prag zurückkehrte. Seine „große“ Zeit als Historiker und vor allem Administrator begann nach der militärischen Okkupation der ČSR und der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren im März 193930. Zatschek, der als Protektorats-Deutscher im Oktober 1939 Staatsbürger des Deutschen Reiches wurde, engagierte sich bei der „Gleichschaltung“ der Prager Deutschen Universität und bei der kommissarischen Verwaltung tschechischer Bibliotheken und Institute der geschlossenen (tschechischen) Karlsuniversität31. Seine Hoffnungen, dass an der „Reichsuniversität“ Prag ihm und anderen sudetendeutschen Professoren erheblicher Freiraum zur Verwirklichung ihrer Interessen eingeräumt würde, erfüllten sich jedoch nicht in erwünschtem Maß. Als sich in Wien die Möglichkeit bot, Nachfolger seines 1940 verstorbenen Lehrers Hirsch zu werden, kehrte er Prag den Rücken. Die Unzufriedenheit mit den Prager Verhältnissen veranlasste auch den Rechtshistoriker Wilhelm Weizsäcker, mit dem der 15 Jahre jüngere Zatschek spätestens seit den gemeinsamen Tagen, die beide als „Flüchtlinge“ 1938 in Wien verbrachten, freundschaftlich und ideologisch verbunden war, einer Berufung nach Wien zu folgen32. Beide begannen im SS 1941 ihre Lehrveranstaltungen in Wien und waren wegen der Schnelligkeit der Berufungen verhältnismäßig unvorbereitet am neuen Wirkungsort angekommen, wo sich die Wohnungssuche für Zatschek problematisch gestalten sollte. Während Weizsäcker mit Hilfe des berüchtigten NS-Verbrechers Alois Brunner im Sommer die Räumung der von ihm ausgesuchten und „arisierten“ Wohnung erreichen konnte33, scheiterte Zatschek bei der Wohnungssuche. Als er am 19. Juli 29 Siehe Abschnitt V. 30 Siehe Abschnitte IV und V. 31 Siehe Abschnitte III und V, dazu vgl. Alena Míšková, Německá univerzita za 2. světové války [Die Deutsche Universität während des Zweiten Weltkrieges], in: Dějiny univerzity Karlovy 4 (wie Anm. 22) 213–231, hier 215–222; dies., Německá (Karlova) univerzita od Mnichova k 9. květnu 1945 (Vedení univerzity a obměna profesorského sboru) (Praha 2002) 63–99; die deutsche ergänzte Ausgabe: Die Deutsche (Karls-) Universität vom Münchener Abkommen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (Universitätsleitung und Wandel des Professorenkollegiums) (Praha 2007), konnte nicht mehr rezipiert werden. Wertvoll ist zudem die Arbeit: Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus und die Universität Prag. Dokumente eingeleitet und hg. v. Gerd Simon (http://tobias-lib.ub.unituebingen.de/volltexte/2001/217/pdf/gift002_komplett.pdf). – Zur Staatsbürgerschaft siehe Acta Occupationis Bohemiae et Moraviae [II]. Dokumenty z historie československé politiky 1939–1943 [Dokumente aus der Geschichte der tschechoslowakischen Politik 1939–1943], bearb. v. Libuše Otáhalová, Milada Červinková (Praha 1966) Nr. 343 vom 15.03.1939 „Artikel 2. (1) Die volksdeutschen Bewohner des Protektorates werden deutsche Staatsangehörige und nach den Vorschriften des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I.S. 1146) Reichsbürger.“ 32 Zu Weizsäcker vgl. Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 485f.; zu Zatscheks Berufung nach Wien siehe Abschnitt III. – Eine engere persönliche Freundschaft lag zwischen den beiden Männern jedoch nicht vor, wie ihre in 3. Person geführte Korrespondenz ausweist. 33 Vgl. Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 486 Anm. 39. 688 Karel Hruza 1942 seinen Urlaub antrat und nach Prag fuhr, war er von den Wiener Verhältnissen enttäuscht. Abb. 41: Hilde und Heinz Zatschek, im Hintergrund Otto Brunner 1941/42 (Fotografie Wilhelm Bauers mit dessen Kommentar) Doch Zatschek konnte auf eine Alternative zurückgreifen: Der seit Mai 1942 amtierende Rektor Alfred Buntru wollte Zatschek nach Prag zurückholen, um ihn in einer SS-eigenen Stiftung zu beschäftigen34. Zatschek nahm das Angebot an und kehrte zum WS 1942/43 nach Prag zurück. Wie wichtig Zatschek die Wohnsituation war, zeigt sein Bemühen, bei seiner Rückkehr seine Wohnung in der Apollinarisgasse um ein Zimmer einer freigewordenen Judenwohnung zu erweitern und die Kosten für die damit verbundenen Baumaßnahmen erstattet zu bekommen35. Wie Weizsäcker zeigte Zatschek keine Bedenken, von der Vertreibung jüdischer Mitbürger als „Ariseur“ Profit zu ziehen36. 34 Siehe Abschnitt III. 35 Der Bitte Zatscheks wurde zunächst nicht entsprochen, und er bat den Prager Kurator am 18.01.1943 um Ersatz aus irgend einem Fond. Eine etwas geringere Summe wurde ihm dann ausbezahlt. BAB, R31/708 HeZ. 36 1945, als sich Zatschek als Mitglied der NSDAP in Wien registrieren lassen musste, bat er um Nachsicht von der Registrierung und schloss sein Gesuch mit den Worten: Ich habe weder jüdischen Besitz an mich gebracht noch mir 1941/42 in Wien eine Wohnung dadurch verschafft, dass ich aus ihr Juden verdrängte. (Schreiben Zatscheks an den Magistrat der Gemeinde Wien vom 27.07.1945. Heinz Zatschek (1901–1965) 689 In Prag warteten auf Zatschek „große“ Aufgaben und durchaus einzigartige Karrierechancen, die er an der Deutschen Universität und innerhalb der ReinhardHeydrich-Stiftung verwirklichen wollte und die mit einem eifrigen wissenschaftlichen, administrativen und politischen Engagement einhergingen. An ihrem Ende sollte eine Amtsperiode Zatscheks als Rektor der Prager Universität stehen, und zwar im Studienjahr der großen 600-Jahrfeier 1948. Mit geradezu blindem Eifer widmete er sich seiner Arbeit, freilich auch ahnend, dass mit der sich rapide verschlechternden militärischen Lage der Deutschen der Aufenthalt in Prag für ihn, den überzeugten Nationalsozialisten, ein abruptes Ende finden musste. Der Krieg erreichte die Zatscheks erst am 14. Februar 1945, als sie einen Bombenangriff auf Prag erleben und eine Nacht außerhalb ihrer Wohnung verbringen mussten37. Zu spät streckte Zatschek Fühler aus, um ein geeignetes neues Obdach zu finden: Der auf Schloss Weißenstein bei Pommersfelden residierende Mayer unterbreitete ihm das Angebot, ihm dort Unterschlupf zu gewähren38. So arbeitete Zatschek bis zuletzt für die „Reichsuniversität“ Prag und suchte Zuflucht in der wissenschaftlichen Forschung, auch als er den vollen Ernst seiner Lage langsam erkannte. Nicht zuletzt wegen seiner Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Insulin kamen für ihn bestimmte Fluchtbewegungen nicht in Frage, und er verfiel zumindest zeitweise in Todesängste39. An seinen von Wien nach Linz geflüchteten WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768.) Siehe auch Abschnitt V. – Weizsäcker gelang bei seiner Rückkehr ein weitaus größerer „Fang“ als Zatschek: er konnte eine große „arisierte“ Villa beziehen, siehe Joachim Bahlcke, Wissenschaft im sudetendeutschen Volkstumskampf. Zur hochschulpolitischen Tätigkeit des Prager Rechtshistorikers Wilhelm Weizsäcker in der Zeit vom Münchener Abkommen 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Wissenschaft in den böhmischen Ländern 1939–1945, hg. v. Antonín Kostlán (Praha 2004) 118–135, hier 129. 37 Am 27.02.1945 schrieb Zatschek an Mayer u. a.: […] ist Prag zum ersten Mal angegriffen worden. Kenner behaupten, es sei ein leichter Angriff gewesen, uns hat es genügt, obzwar wir wie durch ein Wunder ohne Schaden davon gekommen sind. Aus meinem Fenster sehe ich auf ausgebrannte Mauern […] Wir waren eine Nacht evakuiert und haben im historischen Seminar geschlafen. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 14 Nr. 139. Siehe auch den Brief Zatscheks an Mayer vom 24.03.1945. MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Es handelte sich um den Tagangriff vom 14.02.1945, der am schwersten die Wohngegend Zatscheks traf, siehe Jan Gebhart, Jan Kuklík, Velké dějiny zemí koruny České XV.b 1938–1945 [Große Geschichte der Böhmischen Länder XV.b 1938–1945] (Praha/Litomyšl 2007) 511f. 38 Am 12.03.1945 schrieb Mayer an Zatschek: […] für den Fall, daß Sie von Prag weg müssen, […] wäre es möglich, Sie hier in Pommersfelden unterzubringen […] Das Schloß ist nach wie vor leer und im Winter nicht bewohnbar, die Gräfin [Ernestina von Schönborn-Wiesentheid] hat mir aber immer wieder versichert, daß sie gern Räume im Schloß für Prager Professoren zur Verfügung stellen würde. Das kann natürlich nicht für alle Geltung haben, aber für Sie würde schon Platz sein. Am 15.03. nahm er dieses Angebot zurück, um es am 31.03. zu erneuern, siehe die Briefe Mayers in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 599; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Druck der letzten beiden Briefe bei Karel Hruza, Der deutsche Insignien- und Archivalienraub aus der Prager Universität 1945. Mit einem Briefwechsel zwischen dem Universitätsarchivar Heinz Zatschek und dem Präsidenten der Monumenta Germaniae Historica Theodor Mayer (erscheint in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 48 [2008]). 39 Siehe seinen Brief an Mayer vom 24.03.1945. MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Druck bei Hruza, Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38). 690 Karel Hruza Kollegen Wilhelm Bauer schrieb er am 22. April 1945 aus dem noch „freien“ Prag unter Verzicht auf das bis dahin stets obligatorische Grußwort „Heil Hitler“, schilderte die niedergedrückte familiäre wie auch universitäre Situation und schloss mit den resignierenden Worten: Ihnen wünsche ich für die Zukunft alles Gute und bitte um einen nicht allzu unfreundlichen Nachruf in den Mitteilungen [MIÖG]40. Der in Prag ausharrende Zatschek schätze diejenigen seiner NS-Gesinnungsgenossen gering, die vor den anrückenden Armeen der Alliierten und wohl auch aus Angst vor der tschechischen Bevölkerung befehlswidrig die Flucht ergriffen hatten. Diese Bevölkerung setzte Zatscheks Prager Wirken schließlich ein rasches Ende: Während des seit dem Morgen des 5. Mai 1945 andauernden Aufstands wurden er und seine Frau wahrscheinlich noch am Abend dieses Tages festgenommen und vom 6. Mai bis 15. Juni interniert41, hatten aber insgesamt viel Glück im Unglück: Vermutlich konnten sie in ihrer Wohnung bleiben (unter Aufsicht?) oder zumindest kurzzeitig dorthin zurückkehren, denn Zatschek hatte Zugriff auf seine Korrespondenz, und als „Österreicher“, also als ehemalige österreichische Staatsangehörige – hierzu bekannten sich die Zatscheks ganz opportun –, wurde das ehedem überzeugt nationalsozialistisch gesinnte Paar mit dem tschechischen Namen enthaftet und durfte das Land verlassen, die guten Tschechischkenntnisse der beiden durften dabei für sie von Wert gewesen sein42. Gemäß der seit dem 10. Juli eingetretenen rechtlichen Lage waren die Zatscheks freilich keine österreichischen Staatsbürger; in einem für sie „günstigen“ Moment der Wirrnisse und eines rechtlichen „Vakuums“ war ihnen nach allem „legal“ die Ausreise geglückt43. Freilich war die Internierung und Abschiebung so schnell vonstatten gegangen, dass das Paar nicht nur den gesamten Hausstand samt Bibliothek, sondern auch 40 OÖLA, NL WB. 41 Diese Angabe machte er bei der Auflistung seiner „Ruhegenußvordienstzeiten“ für die Pensionsberechnung 1962/3, HGM Wien, PA HeZ. Am 16.09.1945 schrieb er an Leo Santifaller und erwähnte, noch am Nachmittag des 05.05.1945 in Prag mit Wilhelm Hanisch telefoniert zu haben, ÖAW, IMF, Regesta Imperii, Akten. Zum Aufstand siehe Stanislav Kokoška, Praha v květnu 1945. Historie jednoho povstání [Prag im Mai 1945. Geschichte eines Aufstands] (Praha 2005), hier 113– 217; Gebhart, Kuklík, Velké dějiny zemí koruny České XV.b (wie Anm. 37) 569–610. 42 Zu den Internierungen während des Aufstandes in Prag vgl. Tomáš Staněk, Odsun Němců z Československa 1945–1947 [Die Abschiebung der Deutschen aus der Tschechoslowakei 1945– 1947] (Praha 1991) 66f., und zu den Österreichern 161f.; aus deutscher Sicht: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa IV/1–2: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, bearb. v. Theodor Schieder u. a. (Bonn 1957), hier 1 60–64 und 2 107– 156 (Augenzeugenberichte). Die Mehrzahl der internierten Deutschen wurde aus ihren Wohnungen/ Arbeitsstätten geholt und ohne Möglichkeit, notwendigste Sachen mitzunehmen, zunächst in „Kinos, Schulen und Kasernen“ festgesetzt, um nach wenigen Tagen in große Sammellager überführt zu werden. 43 Die „Überleitung in“ und der „Erwerb und Verlust“ der österreichischen Staatsbürgerschaft wurde gesetzlich am 10.07.1945 von der Provisorischen Staatsregierung geregelt, siehe Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 59f./1945. Gemäß Nr. 59 § 4 galt Zatschek als ausgebürgerte Person (da er 1930 Staatsbürger der ČSR wurde) und konnte den Widerruf seiner Ausbürgerung erlangen, wenn er aus der erworbenen ausländischen Staatsangehörigkeit (seit 1939 war er „Reichsdeutscher“) ausscheide bzw. „aus dem bisherigen Staatsverband entlassen“ werde. Wegen seiner NS-Tätigkeit war Zatschek gemäß tschechoslowakischer Bestimmungen seiner (ehemaligen) tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft verlustig gegangen. Heinz Zatschek (1901–1965) 691 fast alle privaten und beruflichen Papiere zurücklassen musste44. Das „Archiv“ der Zatscheks, der schriftlich und bildlich festgehaltene Teil ihrer Vergangenheit, ging für sie verloren. Zatschek unternahm 1947 von Österreich aus Versuche, über Vermittlung Jan Rypkas seine Bibliothek zurück zu bekommen, was zunächst scheiterte und mit der Etablierung des stalinistischen Regimes in der ČSR letztlich unmöglich wurde. Er gab dabei an, dass seine Bibliothek und ungedruckten Arbeiten sowie die Bücher seiner Frau 1945 in das Historische Institut der Karlsuniversität gebracht wurden45. Die Zatscheks begaben sich nach Wien, wo sie am 16. Juni ankamen und schnell eine Unterkunft finden konnten: am 21. Juni meldeten sie sich im 7. Bezirk in der Schottenfeldgasse 60/III/21 an. Einen Monat später ging Zatschek den für ihn unerfreulichen Weg, sich als ehemaliges NSDAP-Mitglied registrieren und als „Minderbelasteter“ einstufen zu lassen, was er 1947 wiederholen musste46. 1949 wurden dann nach Erlass der Minderbelastetenamnestie von 1948 über 92% der in Wien registrierten Personen aus den Listen gestrichen. Zatscheks Weg zu einem legal in Wien lebenden Österreicher war wieder frei. Über die – sicher auch traumatischen – Ereignisse der Flucht hat Zatschek am 4. Oktober 1945 Bauer nach Linz berichtet: Die Eröffnung des Postverkehrs möchte ich benützen, Ihnen ein Lebenszeichen zu schicken. Nachdem wir in Prag in 2 Lagern gewesen waren, sind wir als Österreicher freigekommen und sind am 16. Juni zum Teil im Fussmarsch in Wien eingelangt. […] Wie es uns geht, fragen Sie lieber nicht, ich bin ein Bettler geworden und harre sehnsüchtig des Augenblicks, in dem es mir erlaubt wird, irgendwo als Hilfsarbeiter zu beginnen. Wostry ist, etwa 10 Tage vor dem 5. Mai, nach Saaz, [Josef] Pfitzners Schicksal haben Sie wohl aus der Zeitung entnommen, Borodajkewicz soll tot sein, hörte ich gestern, der arme [Gustav] Pirchan ist vor den Augen seiner Frau auf der Prager Polizeidirektion schwer blutig geschlagen worden. Das Ehepaar wurde getrennt, von ihm weiss man nichts […] [Anton] Ernstberger war in Mies, [Eduard] Winter ist in Wien. Das sind die Schicksale der Prager Historiker, die reichsdeutschen Kollegen, Dekan [Hans Joachim Beyer] an der Spitze, sind natürlich rechtzeitig getürmt. Haben Sie Nachricht von Prof. Mayer? Ich habe versucht, mit ihm Verbindung zu bekommen, vielleicht weiss er etwas für mich47. Als ehemaliger Mitarbeiter der MGH hoffte Zatschek demnach, dass ihm der seit September 1945 44 Diese bilden heute die zwei Bestände AAVČR, Of HeZ; Of HiZ. Der Verbleib der Privatbibliothek Zatscheks wäre noch zu eruieren. 45 Zumindest von März bis August 1947 korrespondierte Zatschek mit Rypka über diese Angelegenheit. AAVČR, Of Jan Rypka, K. 12. Zatschek äußerte später mehrfach, dass seine private Bibliothek und sein „Archiv“ verloren bzw. sogar vernichtet wären, so auch gegenüber Frau Dr. Maria Habacher. Dr. Peter Brouček berichtete, Zatschek hätte ihm erzählt, er sei „nur mit einem Hemd“ aus Prag geflüchtet. Dass sich auch ein nach Mai 1945 an Zatschek unter dessen Prager Wohnadresse gesendeteter Brief im Zatscheks NL findet, spricht für eine ziemlich ordnungsgemäße Übergabe der Dokumente Zatscheks an die neuen „Besitzer“, wohl auch dafür, dass Zatschek während seiner Internierung Zugang zu seiner Wohnung hatte. 46 Siehe Abschnitt V. 47 OÖLA, NL WB. Von den genannten Personen starb Pirchan 1945 in der Internierung in Theresienstadt (Terezín), Pfitzner wurde am 06.09.1945 hingerichtet, die anderen überlebten die Flucht. 692 Karel Hruza inhaftierte Präsident der MGH Mayer eine Tätigkeit als Mediävist beschaffen könnte. Mayer, zu dem Zatschek 1946 Kontakt aufnehmen konnte, sagte Hilfe zu, beide erwogen auch einen Umzug Zatscheks nach Deutschland, der sich aber wegen einer fehlenden Arbeitsstelle und Zatscheks „Staatenlosigkeit“ sowie Mitgliedschaft in der NSDAP nicht ohne weiteres verwirklichen ließ. Als Mayer 1947 nicht wieder zum Präsidenten der MGH gewählt wurde, fanden Zatschek Hoffnungen endgültig ihr Ende48. In Zatscheks Briefen jener Zeit fällt auf, dass er einen pauschalen Gegensatz in der Treue zu Deutschland zwischen „reichsdeutschen“ und sudetendeutschen/österreichischen Historikern postuliert und Erstere der Feigheit beschuldigt, ein Urteil, das in der Unzufriedenheit der Sudetendeutschen und Österreicher mit der angeblichen Bevorzugung der „Reichsdeutschen“ nach 1938/39 wurzelte und des Öfteren bei Zatschek auftauchte. Worte über die Verbrechen der Nationalsozialisten oder sogar ein selbstreflektiertes Schuldeingeständnis sind in Zatscheks Nachkriegskorrespondenz nicht zu finden. Als „Opfer“, als das er sich durchaus ansah, hat er die Ereignisse des Jahres 1945 nie überwunden49. In Wien durchlebte Zatschek zunächst eine für ihn bittere Zeit und vermied es, als ehemals exponierter Nationalsozialist „öffentlich“ aufzutreten. Auch war es anscheinend nicht gerade opportun, zu ihm in Kontakt zu treten: er wurde „geschnitten“50. Zatschek, der sich im Kollegenkreis von Anfang an nicht großer Beliebtheit erfreute, musste nun erfahren, dass seine Einbindung in Netzwerke und „communities“ der deutschen und österreichischen Wissenschaft zwar vorhanden, aber nicht so zugfest ausgebildet war, um ihm den erwünschten wissenschaftlichen und beruflichen „Neubeginn“ zu ermöglichen. Seine Beziehungen funktionierten wenigstens noch in dem Maß, dass er bereits 1945 freiberuflich im Wiener Stadt- und Landesarchiv als Historiker arbeiten konnte51. Langsam ging es für Zatschek wieder „aufwärts“. Nachdem sein Wiener Aufenthalt legalisiert worden war, wurde er im November 1949 in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien angestellt. Freilich registrierte er verbittert, dass etliche ehemalige Kollegen und NSDAP-Mitglieder einen Ruf an eine Universität erhielten, während er nicht beachtet wurde52. Am 19. Juli 1950 „bescheinigte“ ihm die Stadt Wien, dass er Kraft Verleihung […] die österreichische Staatsbürgerschaft 48 Zu Mayer nach 1945 siehe den Beitrag von Helmut Maurer in diesem Band, Kap. VI. 49 Das bestätigte auch Frau Dr. Maria Habacher. 50 Davon zeugt ein Briefwechsel Zatscheks mit Bauer von 1952 (!): Zatschek hatte mehrmals um persönlichen Kontakt mit Bauer gebeten, den letzterer zeitweise vermieden hatte. OÖLA, NL WB. 51 Den Weg in das Wiener Stadtarchiv ebnete ihm der 1945 zum Direktor eingesetzte Archivar und Wirtschaftshistoriker Rudolf Geyer, Absolvent des 33. Kurses 1919–1921 am IÖG, zu ihm siehe Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 139; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 365; Fellner, Corradini, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 6) 139. Den Hinweis auf Geyer verdanke ich Frau Dr. Maria Habacher. 52 Am 15.12.1949 schrieb er an Mayer: […] die letzten Monate waren mit Sorgen und Enttäuschungen reichlich erfüllt […] Aus Bamberg/Regensburg ist nichts geworden. Dort wird [Hans?] Dachs die Kanzel bekommen. Und hier blüht […] auf dem Gebiet für mich kein Weizen. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 17 Nr. 139. Ähnlich am 16.05.1950 fast schon verzweifelt an Mayer u. a.: Muss es denn immer Leute geben, die ständig auf die Butterseite fallen und für die Ausnahmen gemacht werden? Was für innere Qualitäten sind dazu erforderlich? Ebd. Nr. 135. Siehe auch Abschnitt III. Heinz Zatschek (1901–1965) 693 besitzt, um die er allerdings bereits im Juli 1945 angesucht hatte53. Die Jahre des stillen „Überwinterns“ waren vorbei. Seine Lage besserte sich zudem 1952 mit dem Bezug einer repräsentativen Wohnung im 13. Wiener Bezirk, Wattmanngasse 7/13. Schließlich zahlte sich die Zugehörigkeit zum Netzwerk der IÖG-Mitglieder doch noch aus: Auf Antrag des Direktors Rudolf Pühringer, Absolvent des 34. Kurses am IÖG 1923–1925 (während dieser Zeit arbeitete Zatschek im Institut), wurde Zatschek mit 1. Juni 1955 zum Stellvertreter des Direktors Kustos I. Klasse im Heeresgeschichtlichen Museum bestellt und pragmatisiert54. In seinem Bewerbungsbogen vom Dezember 1954 unterließ es Zatschek, unter der Rubrik 17 „Verhältnis zur NSDAP“ einen Eintrag vorzunehmen. Pühringer, der am 31. Dezember 1956 in Pension ging, war mit der Arbeit Zatscheks so zufrieden, dass er ihn unter Lobeshymnen als seinen Nachfolger durchsetzen konnte: Mit 1. Januar 1957 amtierte Zatschek als Direktor des Museums, organisierte nachfolgend publikumswirksame Ausstellungen und konnte den Wiederaufbau des Museums zu einem Abschluss bringen. Zwischenzeitlich hatte Zatschek im Frühjahr 1955 an der Universität Wien erfolgreich um das Wiederaufleben seiner erloschenen venia legendi und um deren Erweiterung auf Wirtschaftsgeschichte angesucht und begann im WS 1955/56 wieder mit der Lehre, die er bis zum WS 1962/63 beibehielt55. Zatschek, der bereits im September 1959 mit dem Titel „Hofrat“ ausgezeichnet worden war, bekam an Weihnachten 1964 das „Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich“ verliehen. Damit war er im Zenit seiner Nachkriegskarriere angekommen. Doch war ihm keine Zeit mehr vergönnt, den Aufstieg zu genießen. 1963 wurde er von Herz-Kreislaufbeschwerden heimgesucht und trat ein Jahr später aus Krankheitsgründen aus dem Collegium Carolinum aus. Ende April 1965 stellte er den Antrag auf einen Urlaub: Er wollte am 8. Mai eine Reise zur Narzissenblüte nach Montreux unternehmen und auf der Rückfahrt einige Tage in Friedrichshafen bleiben56. Am 23. Mai 1965 starb er vermutlich an einem Herzinfarkt in der Friedrichshafen benachbarten Stadt Tettnang57. Sein nach Wien überführter Leichnam wurde im Familiengrab auf dem Friedhof in Hietzing bestattet. Dort fand auch die am 3. Januar 1977 verstorbene Hilde Zatschek ihre letzte Ruhestätte. 53 Zu 1950: HGM Wien, PA HeZ; zu 1945: StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr. 215 und Nr. 217. 54 HGM Wien, PA HeZ. Pühringer (1891–1969), Offizier, Maler, Kunsthistoriker, arbeitete 1938– 1945 in Berlin bei der Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen oder war an der Front. 1950 wurde er Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, siehe Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 143; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 371; Johann Christoph Allmayer-Beck, Rudolf Pühringer †, in: MIÖG 79 (1971) 293f.; Peter Brouček, Kurt Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie (Köln/Weimar/Wien 2000) 554f.; Fellner, Corradini, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 6) 330. 55 Siehe Abschnitt III. 56 HGM Wien, PA HeZ. 57 Die am 24.05.1965 in Tettnang ausgestellte Sterbeurkunde nennt keine Todesursache. HGM Wien, PA HeZ. 694 Karel Hruza III. Zwischen Wien und Prag: Die wissenschaftliche Laufbahn Heinz Zatschek begann sein Geschichts-, Kunstgeschichts- und Geografiestudium im WS 1919/20 mit vollem Elan: Im ersten Semester belegte er 14 Lehrveranstaltungen mit 29 Wochenstunden. In seinen acht Studiensemestern besuchte er insgesamt 73 Lehrveranstaltungen mit 178 Wochenstunden und konnte dabei zumeist sehr gute Noten verbuchen58. Seine zwei wichtigsten Lehrer wurden Oswald Redlich und Alphons Dopsch. Daneben hörte er Vorlesungen bei den damals großen Wiener Namen: Wilhelm Bauer, August Fournier, Lothar Groß, Ludo Moritz Hartmann, Emil von Ottenthal, Alfred Francis Přibram, Heinrich von Srbik, Otto Stowasser, Hans von Voltelini, Julius von Schlosser, Moritz Schlick, Robert Reininger, Eduard Brückner und Eugen Oberhummer. Der im Fach Geschichte abgedeckte Zeitrahmen erstreckte sich von der Antike bis ins 19. Jahrhundert mit politik-, verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtlichen und hilfswissenschaftlichen Themen. Das Studium beendete Zatschek im November 1923 mit dem Rigorosum („mit Auszeichnung“). Am 7. Dezember 1923 wurde er promoviert59. Die Anregung zu seiner Dissertation zu den napoleonischen Kriegen hatte er bereits im ersten Semester in einer Lehrveranstaltung Fourniers (†1920) erhalten. Die Arbeit beurteilte der Erstgutachter Redlich als „gute Leistung“, der Zweitgutachter Dopsch schloss sich diesem Votum an60. Wegweisend wurde für Zatschek jedoch die sein Studium begleitende Teilnahme am 33. Ausbildungskurs des IÖG61, dem er nach Besuch des Vorbereitungsjahres seit Juli 1921 als ordentliches Mitglied – und damit als Stipendiat – angehörte. Hier erhielt er den „Schliff“ zum Hilfswissenschaftler und Urkundenforscher. Bei den im Sommer 1923 abgehaltenen Abschlussprüfungen glänzte Zatschek mit dem Prädikat „vorzüglich“. Lediglich Otto Brunner konnte ihn mit einem „ausgezeichnet“ übertrumpfen. Zatscheks Hausarbeit am IÖG-Kurs „Rechtsgeschichtliche und diplomatische Beiträge zur Geschichte der älteren Staufer“ erhielt von Ottenthal das Prädikat „vorzüglich“. Da Zatschek zudem die Arbeiten an diesem Thema fortzusetzen gedachte, sah Ottenthal sich veranlasst, den Verfasser für die MGH Diplomata Abteilung (saeculi XII) am IÖG zu engagieren. Im Sommer 1923 erhielt er dazu einen offiziellen Arbeitsauftrag62. 58 Siehe Zatscheks universitäres „Meldungsbuch“ und die Zeugnisse etlicher Lehrveranstaltungen. AAVČR, Of HeZ, Nr. 12f. 59 UAW, Phil. Fak. Dissertationen, HeZ; HGM Wien, PA HeZ. Siehe auch Abschnitt IV. 60 Siehe auch Abschnitt IV. – Fournier wurde als Verfasser einer dreibändigen Biografie Napoleons bekannt, vgl. zu ihm Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 141f. Zu Dopsch vgl. den Beitrag in diesem Band, zu Redlich Leo Santifaller, Oswald Redlich. Ein Nachruf, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, in: MIÖG 56 (1948) 1–238. 61 Siehe Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 141; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 368f.; IÖG, Archiv, Institutsakten 33. Ausbildungskurs 1921–23. 62 Wenige Wochen nach Abschluss des Institutskurses stellte Ottenthal am 14.07.1923 Zatschek ein Empfehlungsschreiben aus, um ihm den Zugang zu Quellensammlungen zu erleichtern. AAVČR, Of HeZ, Nr. 1. Die Arbeiten mündeten auch in Zatscheks Habilitationsschrift über Wibald von Stablo von 1928. Siehe auch Abschnitt IV. Heinz Zatschek (1901–1965) 695 Zur gleichen Zeit versuchte Ottenthal, Zatschek in der Funktion des Institutsassistenten als Nachfolger Paul Heigls zu installieren, wofür Zatscheks Anstellung bei der UB nötig gewesen wäre63. Der Plan scheiterte, jedoch konnte Zatschek seit dem 1. Mai 1924 bei den MGH als angestellter „Hilfsarbeiter“ gegen ein geringes Gehalt beschäftigt werden, während er in der UB seit dem 13. Dezember 1923 nur als Volontär untergekommen war. Dort führte er im Laufe der Jahre die Referate Hilfswissenschaften, Kriegswissenschaften, Geschichte der Neuzeit und Deutsche Geschichte. Ottenthal lobte Zatscheks Mitarbeit ausdrücklich64. Hirsch, der seit Ende 1925 mit einer Berufung nach Wien rechnen konnte, war mit Zatschek in dem Maß zufrieden, dass er ihn als Vertreter seines mit dem WS 1926/27 vakanten Lehrstuhls an der Deutschen Universität in Prag empfahl. Nicht zuletzt ging es Hirsch um den Erhalt der von ihm mitetablierten strengen hilfswissenschaftlichen Lehre an der Prager Deutschen Universität, was nochmals Zatscheks Können aufzeigt: „Das kurze Wirken Harold Steinackers [1917] und Hans Hirschs [1918–1926] bedeutete eine Etablierung der modernen Diplomatik und ihre Anbindung an Verfassungs- und Rechtsgeschichte, was von Heinz Zatschek fortgesetzt wurde.“65 Die am 20. Mai 1926 eingesetzte Kommission zur Beratung betr. die Nachfolge nach Prof. Hirsch aus den Professoren Heinrich Swoboda, Ottokar Weber, Steinherz, Mayer, Wostry und Hirsch beschloss am 10. Juni eine Vertretung an Zatschek zu vergeben66, da über den endgültigen Fortgang Hirschs noch nicht entschieden war. Der Kommissionsvorsitzende Swoboda schrieb unter Verwendung eines Konzepts Hirschs 63 Vgl. Bettina Pferschy-Maleczek, Die Diplomata-Edition der Monumenta Germaniae Historica am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1875–1990), in: MIÖG 112 (2004) 412–467, hier 433f. Detaillierten Einblick über Zatscheks Arbeit für die MGH gewährt zuvorderst seine ausführliche, 1924 einsetzende Korrespondenz mit Hirsch und Ottenthal. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188, Nr. 311; IÖG, Archiv, NL HH und NL Emil v. Ottenthal. 64 Siehe Ottenthals Bericht bei P(aul) Kehr, Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae Historica 1924, in: NA 46 (1926) I–XI, hier IX, und Kap. IV. [Herbert Grundmann], Monumenta Germaniae Historica 1819–1969 (München 1969) 33, als „angestellter Mitarbeiter“ von 1924–1929 und bis 1942 als „nebenamtlicher Mitarbeiter“; Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 429f., die Zatscheks Tätigkeit als „typische Anfängerdienste“ bezeichnet und angibt, er hätte am 01.05.1924 bei den MGH begonnen. In einem frühen Lebenslauf gab Zatschek den 01.01.1924 an. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 6420, 1928; AAVČR, Of HeZ, Nr. 14 (siehe dazu Anm. 18). Ebd. auch der Beginn an der UB zum 13.12.1923, der später immer zum 01.01.1924 angegeben wurde. Um die Bestätigung des Beginndatums 01.01.1924 bei den MGH bat Zatschek Hirsch etwa am 09.11.1928 wegen Pensionsvorzeiten bzw. um bei seinen Berufungsverhandlungen in Prag Ende 1928 eine fünfjährige Arbeitszeit bei den MGH zu erreichen. IÖG, Archiv, NL HH; siehe auch unten. 65 So Pavel Kolář, Die Geschichtswissenschaft an der Deutschen Universität Prag 1882–1938: Entwicklung der Lehrkanzeln und Institutionalisierung unter zwei Regimen, in: Universitäten in nationaler Konkurrenz. Zur Geschichte der Prager Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Hans Lemberg (Veröff. des Collegium Carolinum 86, München 2003) 85–114, hier 113; Pavel Kolář, Eine Brutstätte der Volksgeschichte? Überlegungen zur Geschichte der Prager deutschen Historiographie 1918–1938 im Gesamtkontext der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Wissenschaftstraditionen – Institutionen – Diskurse, hg. v. Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft (Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 28, München 2006) 109–135, hier 112–118. 66 UAP, DU PA HeZ, dazu auch AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; Nr. 800f. Siehe auch Kolář, 696 Karel Hruza an Zatschek: Da es sich um einen in Anbetracht Ihres jugendlichen Alters sehr ehrenvollen Antrag handelt, beglückwünsche ich Sie hiezu, bitte Sie aber, Ihre Entscheidung erst nach reiflicher Erwägung mit Ihren Angehörigen und Ihrem wissenschaftlichen Arbeitschef treffen zu wollen67. Ausdrücklich wurde von der Kommission festgehalten, dass Zatschek nach Ablauf seines zeitlich begrenzten Lehrauftrags keine weiteren Ansprüche erwachsen und der Besetzungsvorschlag für den hilfswissenschaftlichen Lehrstuhl erst nach Hirschs definitivem Abgang ausgearbeitet und vorgelegt werden wird68. Hirschs Entscheidung war im September getroffen69, und im Oktober begann der von Hirsch und Ottenthal ermutigte Zatschek noch ohne Habilitation mit seiner Lehrtätigkeit: Lateinische Paläografie, Urkundenlehre, Chronologie und Siegel- und Wappenkunde standen gemäß Fakultätswunsch auf seinem Lehrplan des Studienjahres 1926/27. Mit der Prager Situation war Zatschek sehr zufrieden, nicht zuletzt wegen des Glücks, endlich eine „richtige“ Anstellung erlangt zu haben, auch wenn ihn weiterhin Zukunftssorgen plagten: Kaum war er in Prag, stand zur Diskussion, wie lange er denn wirklich würde verbleiben können. Der 69-jährige Prager Ordinarius Steinherz zeigte sich ihm bald sehr wohlwollend gegenüber, und schließlich zog Zatschek auf dessen Anregung hin sogar eine Habilitation in Prag in Betracht70. Nach einem Zeugnis Mayers hinterließ Zatschek in Prag einen positiven Eindruck71. Mit Ablauf des SS 1927 kehrte er nach Wien zurück und setzte seine auch während der Prager Zeit andauernde Arbeit bei den MGH fort. Im März 1929 wurde er endlich zu deren „Vollassistent“ ernannt72, während er als Bibliotheksvolontär seine seit 1. August 1926 andauernde Beurlaubung um ein weiteres Jahr verlängerte. Eine Habilitation in Prag hatte nicht mehr stattgefunden, aber die Fortschritte bei Zatscheks Habilitationsschrift gestalteten sich derart, dass er im November 1927 einen Antrag um Erteilung der venia legendi für Historische Hilfswissenschaften an der Philosophischen Fakultät in Wien stellen konnte. Nach absolviertem Habilitations-Kolloquium und Probevortrag und einstimmiger Annahme der entsprechenden Kommissionsanträge 67 68 69 70 71 72 Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 110–112; anzumerken ist zu 110, dass Zatschek bei seinem Antritt noch kein Privatdozent war. Durchschlag eines Schreibens vom 12.06.1926. UAP, DU PA HeZ. In einem handschriftlichen Notizbuch Hirschs findet sich derselbe Text mit Korrekturen und ohne Datum, dazu auch weitere Texte der Kommissionsverhandlung. IÖG, Archiv NL HH K. 21. Das bezeugt zu genüge Hirschs Einfluss bei der Entscheidung zugunsten Zatscheks. Ob Swoboda den Brief von 12.06. unterzeichnet und expediert hat, ist ungewiss, denn er starb am 13.06.1926. In einem Dankschreiben vom 16.06.1926 an Hirsch hatte Zatschek ausdrücklich gebeten, in einem allfälligen Dekret den Nachdruck darauf zu legen, dass meine Aufgabe nur eine zeitlich befristete ist, damit nicht bei meiner Rückkehr aus Prag Stimmen laut werden, ich sei unfähig gewesen. IÖG, Archiv, NL HH. Brief Hirschs an Ottenthal, Prag 10.06.1926. AAVČR, Of HeZ, Nr. 800: Und nun Zatschek! Er geht bewegten Zeiten entgegen. Aber ich kann ihm nicht helfen. Aller akademischer Anfang ist schwer. IÖG, Archiv, NL HH; NL Emil v. Ottenthal. Hirsch gab Zatschek am 14.02.1927 u. a. den Rat, mit seinen Habilitationsplänen nicht diejenigen Pfitzners zu stören. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Mayer an Hirsch am 06.05.1929. IÖG, Archiv, NL HH. MGH, Archiv 338/191, Jahresrechnung der Zentraldirektion für 1929, in der Zatschek mit einem Honorar von 900 RM verzeichnet ist. Heinz Zatschek (1901–1965) 697 erhielt Zatschek im Mai 1928 vom BMU die Zulassung als Privatdozent73. Für das WS 1928/29 kündigte er eine „Einführung in die Urkundenforschung“ an. Seine für das SS 1929 geplante Fortsetzung dieser Lehrveranstaltung musste er jedoch absagen, da er in Prag wiederum mit der Vertretung bis zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum ausserordentlichen Professor an der genannten Fakultät betraut wurde und die Lehre am 22. April aufnahm. In Prag waren zwischenzeitlich Entscheidungen zu seinen Gunsten gefallen: Bei den zu Beginn 1927 einsetzenden Verhandlungen wegen der Nachfolge Hirsch stellte die Berufungskommission die zwei IÖG-Mitglieder Lothar Groß und Otto Stowasser aequo loco in Vorschlag. Da beide unter den gegebenen Umständen absagten, wurden im Mai 1928 in einem neuem Berufungsantrag primo et aequo loco Zatschek und der Berliner Walther Holtzmann gesetzt, Zatschek wegen seiner erfolgten Vertretung jedoch Vorrang eingeräumt74. Und noch eine Tür öffnete sich im Frühjahr 1929 für Zatschek: In Wien begannen Beratungen über die Wiederbesetzung der Lehrkanzel für Geschichte und historische Hilfswissenschaften nach Professor Dr. Oswald Redlich. Schon in der ersten Sitzung der Berufungskommission traten jedoch erhebliche Mei­ nungsverschiedenheiten zwischen einer Gruppe um Redlich und einer um Hirsch auf, die auch nicht in zwei weiteren Sitzungen einvernehmlich bereinigt werden konnten75. 73 ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 6420, 1928; UAW, Phil. Fak. Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums Nr. 239, 1927/28. Der zuständigen Kommission gehörten an: Hirsch, Srbik, Dopsch, Redlich, Hans Uebersberger, Schlosser, Bauer u. a. Bei den Abstimmungen über die „persönliche Eignung“ und die „wissenschaftliche Eignung“ vor dem Professorenkollegium erhielt Zatschek 49 Ja, 1 Nein, 2 Enthaltungen bzw. 53 Ja und 1 Nein. Der Kommissionsbericht über die persönliche Eignung Zatscheks befindet sich als Konzept auch in einem handschriftlichen Notizbuch Hirschs. IÖG, Archiv NL HH K. 21. 74 Vgl. Kolář, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 110f. Ein längerfristiger Verbleib Zatscheks in Prag wurde bereits im Frühjahr 1927 von einigen seiner Prager Professorenkollegen in Betracht gezogen, etwa von Mayer, siehe Brief Zatscheks an Hirsch vom 21.03.1927. IÖG, Archiv, NL HH. Bei den Diskussionen (und wohl auch Intrigen?) wirkte Zatschek mehr oder weniger mit und bat Hirsch immer wieder um Ratschläge und Informationen. Im Namenkarussell fielen verschiedenste Namen, so auch Percy E. Schramm und Leo Santifaller, siehe Zatschek an Hirsch am 10.05.1927 ebd. Zur zweiten Prager Supplentur siehe die Schreiben des Professorenkollegiums und der Fakultät vom 02.03. und 12.03.1929 und weitere Schreiben 30.03.–29.04.1929. UAP, DU PA HeZ; AAVČR, Of HeZ, Nr. 1. 75 Der Berufungskommission gehörten an: Redlich, Dopsch, Hirsch, Srbik, Příbram, Oberhummer, Uebersberger, Carl Patsch, Adolf Wilhelm, Dietrich Kralik, Rudolf Much, Emil Reisch, Richard Wettstein, Josef Wilhelm Kubitschek, Friedrich Kraelitz und Richard Meister. Die Protokolle der drei Sitzungen vom 19. und 23.02. und 11.03.1929 sind ebenso wie die Berichte Redlichs und Hirschs erhalten. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929; UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. – Aus einem anderen Blickwinkel widmete sich der Nachfolge Redlich Pavel Kolář, Fachkontroverse und institutionelles Umfeld in der Geschichtswissenschaft. Die Debatte um die Nachfolge Oswald Redlichs an der Wiener Universität 1929–1931 und die Reorientierung der historischen Hilfswissenschaften, in: Magister noster. Sborník statí věnovaních in memoriam prof. PhDr. Janu Havránkovi, CSc. FS in memoriam Prof. PhDr. Jan Havránek, CSc., hg. v. Michal Svatoš, Luboš Velek, Alice Velková (Praha 2005) 107–124, der jedoch nicht näher auf Zatschek und dessen Verhandlungen eingeht. Zuletzt siehe mit anderen Akzenten Stoy, Institut (wie Anm. 13) 34–44 und 56–62. 698 Karel Hruza In einem späteren Bericht fasste Redlich die Vorgänge zusammen76: Die freiwerdende Kanzel ist ein Ordinariat. Es ist der selbstverständliche Vorgang, dieses Ordinariat der Fakultät zu erhalten […]. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend legte der Referent [Redlich] einen Vorschlag vor, welcher österreichische Forscher enthielt, nämlich 1. Harold Steinacker, Innsbruck, 2. ex equo Lothar Gross in Wien, Richard Heuberger in Innsbruck, Otto Stowasser in Wien77. Gegen diesen Vorschlag wurden von den Professoren Dopsch und Hirsch Einwendungen erhoben und Professor Dopsch stellte am Schluss der ersten Kommissionssitzung [19. Februar] den Antrag, dass die freiwerdende Lehrkanzel von Prof. Hirsch übernommen werden möge78. Mit diesem Antrag erklärte sich in der nächsten Kommissions-Sitzung [23. Februar] der Referent einverstanden, aber er führte des nähern aus, dass damit ja nur ein Teil der Frage gelöst sei. […] Es müsse an den zwei ordentlichen Lehrkanzeln festgehalten werden, besonders auch im Hinblick auf die eigenartigen und in ihrer Bedeutung allgemein anerkannten Aufgaben des IÖG, die voll gewahrt werden müssen. Der Referent beharrte daher auf seinen Vorschlag79. Da die Kommission überwiegend der Meinung war, dass unter solchen Umständen die Ermächtigung der Fakultät eingeholt werden solle, über die Besetzung der 2. Lehrkanzel zu beraten, wurde in der letzten Fakultätssitzung diese Ermächtigung eingeholt und die Kommission hielt dann ihre dritte Sitzung [11. März]. In dieser Sitzung erhoben die Professoren Hirsch und Dopsch neuerdings Einwände speziell gegen den Vorschlag Steinackers und Professor Hirsch stellte den Antrag, dass die zweite Lehrkanzel zunächst mit einem Extraordinarius zu besetzen sei und schlug hiefür vor 1. Lothar Gross in Wien 2. Heinz Zatschek […]. Der Referent nahm 76 Siehe Anm. 81 und vgl. auch Kolář, Fachkontroverse (wie Anm. 75) 120–122. – Hervorhebungen, wie auch im Folgenden in diesem Beitrag, nach der Vorlage. 77 Hirsch meinte demgegenüber: Einem Vorschlag, der reichsdeutsche Kräfte ausschließt, kann ich nicht zustimmen und brachte die Namen Edmund E. Stengel, Fedor Schneider, Friedrich Baethgen, Santifaller, Pfitzner und Zatschek in die Diskussion ein; letztlich sprach er sich für Groß und Zatschek (als Extraordinarius) aus und sagte über letzteren: [Albert] Brackmann schätzt Z(at)sch(ek) sehr, ebenso Kehr. Hirsch verlas einen Brief Kehrs an Zatschek, der sehr anerkennend ist. Wenn man Z(at)sch(ek) ziehen lässt, kann f(ür) Österreich eine sehr schwierige Situation entstehen. Sitzung vom 19.02.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. 78 Dopsch kritisierte Steinacker: Doch f(ür) eine Prof(essur) f(ür) Geschichte kommt er nicht in 1. Linie in Frage. Er ist zuerst Hilfswissenschaftler. Seine Arbeiten gehen langsam vorwärts. Seit 20 Jahren in bemerkenswerter Sterilität. Ist nirgends führend außer vielleicht in der antiken Urkundenlehre. Man darf auch die Hilfswissenschaften nicht überschätzen, und unterbreitete den Vorschlag: Es ist die beste Lösung, Hirsch zum Nachfolger Redlichs zu ernennen. Er ist der beste Schüler R(edlich)s. Nachdem ihm schon die Dir(ektion) d(es) Inst(ituts) zugesichert ist und er teilw(eise) auch Seminar und Vorlesungen hält, so liegt es ganz nahe, ihm die ganze Lehrkanzel zu übergeben. Dem schloss er einen entsprechenden formalen Antrag an, jedoch wurde die Sitzung auf Antrag Hirschs vertagt. Sitzung vom 19.02.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. 79 Redlich konnte sich den damals 27-jährigen Zatschek nicht als Ordinarius vorstellen: Dr. Zatschek ist eine vielversprechende Kraft. Man kann ihn aber jetzt noch nicht als Ord(inarius) vorschlagen. Srbik meinte: Ich halte die Übertragung der Lehrkanzel R(edlich) auf Hirsch für sehr wertvoll. […] Meine Ansicht […] läuft darauf hinaus, daß ich die Ansicht R(edlich)s teile. […] Aber es ist doch etwas anderes, ob man eine Lehrkanzel mit einem jungen vielversprechenden Mann oder mit einem alterfahrenen Lehrer besetzt. Das ist eine Prestigesache. Sitzungsprotokoll 23.02.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. Heinz Zatschek (1901–1965) 699 in seinen Vorschlag an 1. Stelle neben Steinacker noch den Reichsdeutschen Edmund Stengel in Marburg auf. Die Kommission schritt hierauf zunächst zur Abstimmung über die Frage, ob das zweite Ordinariat schon jetzt durchaus festgehalten werden solle. Die Abstimmung ergab 7 ja, 5 nein, 2 Stimmenthaltungen. Bei den weiteren Abstimmungen erhielt weder der Antrag Hirsch, noch der des Referenten eine Majorität80. Der Referent und Professor Hirsch wurden beauftragt über ihre Anträge [in einer Fakultätssitzung am 11. Mai] Bericht zu erstatten81, die Entscheidung liegt bei der Fakultät. In der Fakultätssitzung vom 11. Mai beantragte Redlich in seinem Bericht die Besetzung der durch den Wechsel Hirschs auf Redlichs Kanzel vakanten ordentliche(n) Lehrkanzel, nämlich für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften, in der Reihung: 1. Steinacker, Stengel; 2. Gross, Heuberger, Stowasser. Die Aufnahme Stengels in den Vorschlag bedeutete ein Entgegenkommen Redlichs an Hirsch, doch auch diesmal scheiterte Redlich. Hirsch beantragte dann als Nachfolger für H(errn) Hofrat Redlich [sic!] an erster Stelle […] Gross, an zweiter Privatdozent Dr. Heinz Zatschek zur Ernennung zum a.o. Professor der Geschichte des Mittelalters und der historischen Hilfswissenschaften in Vorschlag zu bringen. Im Fall einer Ernennung Zatscheks sollte Groß einen 2 stündigen Lehrauftrag für Archivkunde, Archivalische Aktenkunde, Genealogie, Spragistik und Heraldik erhalten82. Letztendlich erzielte Zatschek ein beachtliches Abstimmungsergebnis, nämlich die meisten abgegebenen Ja-Stimmen, jedoch kam es auch in der Fakultät nicht zu einer einstimmigen oder eindeutigen Lösung. Im Endergebnis wurde beschlossen, dass Hirsch Redlichs Lehrkanzel übernehmen soll, während seine dadurch vakante Lehrkanzel mit einem außerordentlichen Professor besetzt werden sollte, wofür zuerst Groß und nach ihm Zatschek angeführt wurden83. Steinacker wurde damit geschickt ausgeschaltet, denn als Ordinarius 80 Redlich brachte den Antrag zur Abstimmung: 1° Steinacker, Stengel. 2° Groß, Heuberger, Stowasser. Steinacker erzielte 6 Ja-, 7 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung, Stengel 6, 6, 2. Sitzungsprotokoll 11.03.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. 81 Am 09.05.1929 wurden die für die Fakultätssitzung vom 11.05. erstellten Berichte von den Kommissionsmitgliedern unterzeichnet. Redlichs Bericht unterzeichneten: Redlich, Wettstein, Oberhummer, Příbram, Wilhelm, Srbik, Reisch; Hirschs Bericht unterzeichneten: Dopsch, Uebersberger, Much, Meister, Kraelitz. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929; UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. 82 Ebd. Bericht Hirsch. Er führte u. a. an, dass die Zahl der Anwärter, die als ordentliche Professoren für die Nachfolge […] Redlich in Betracht kommen, […] nicht groß ist und als einziger Stengel wirklich in Frage kommt, wogegen als außerordentliche Professoren eben Groß und Zatschek geeignet sind. 83 Bericht des Dekans Oswald Menghin an das BMU vom 27.05.: In der Fakultätssitzung vom 11. Mai 1929 ist über die beiden Referate über die Nachfolge Professor Redlich beraten und zur Abstimmung geschritten worden. Zuerst wurde über die Anträge des Referates Redlich abgestimmt. Die Ergebnisse waren folgende: (Name, Ja-, Nein-Stimmen, Enthaltungen) Steinacker 30, 25, 10. Stengel 28, 16, 16. Groß 27 (im handschriftlichen Konzept: 22), 19, 16. Heuberger 16, 24, 17. Stowasser 16, 20, 20. Da alle Anträge als gefallen zu betrachten waren, wurde zunächst darüber abgestimmt, ob die Fakultät der Voraussetzung des Referates Hirsch, dass Prof. Hirsch die Lehrkanzel Redlich übernehme, genehmigt. Das Ergebnis waren 36 Ja, 14 Nein, 9 Enthaltungen. Daraufhin wurde über die im Referate Hirsch vorgeschlagenen Kandidaten für ein Extraordinariat abgestimmt. Das Ergebnis war: Groß 31, 15, 15. Zatschek 33, 17, 9. Professor Redlich hat seinen Antrag als Minoritätsvotum 700 Karel Hruza kam er dafür nicht in Frage84. Zatschek wurde als ein Vertreter der Urkundenlehre bezeichnet, der neben Hirsch, der vorwiegend die Urkundenforschung vertritt, und Groß helfen sollte, dass die hervorragende Stellung, derer sich das IÖG als deutsche école des chartes seit den Zeiten Sickels und Mühlbachers rühmen kann, erhalten und ausgebaut wird85. Das BMU stimmte im Sommer 1929 dem Fakultätsansuchen und Hirschs Wünschen zu, allerdings mit einer für Zatschek entscheidenden Klausel, die eine sofortige Berufung verhinderte, da nämlich die Ressourcen des ehemaligen Hirsch-Ordinariats einem zu schaffenden Lehrstuhl Alte Geschichte vorbehalten bleiben sollten86. eingegeben. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929; UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29. Ähnlich in ebd. Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums 1928/29 mit der Bemerkung zur Abstimmung Referat Redlich: […] womit alle Personen abgelehnt erscheinen [!]. Hirsch schrieb noch am 11.05.1929 an Zatschek: Die Fakultät hat nach hartem Kampfe, der für uns [!] wenig aussichtsvoll erschien, beschlossen, dass 1.) ich den Lehrstuhl von Hofrat Redlich übernehme 2.) an erster Stelle Gross, an zweiter Sie zum a. o. Prof. in Vorschlag gebracht werden. Hofrat Redlich fiel mit allen 5 Kandidaten durch. Hofrat Dopsch hat sich Ihrer sehr warm angenommen und es hat tiefen Eindruck gemacht, als er erzählte, was ihm drei Tage vorher [Luigi] Schiaparelli in Venedig von Ihren Arbeiten berichtet hat. […] Hirsch muss sich in der Sitzung mit ganzer Kraft für Zatschek (und gegen Redlichs Kandidaten Steinacker) eingesetzt haben, denn am 08.06.1929 schrieb er diesem nach einer Wiener Akademiesitzung: Mich haben die Herren unter dem Eindruck des 11. Mai so feindselig behandelt, dass Ärger zur Bezeichnung meiner Stimmung zu gering ist […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. 84 Dieser lieferte Jahrzehnte später einen interessanten Bericht: […] Als im nächsten Jahr O. Redlich die Altersgrenze erreichte und sein Ordinariat zu besetzen war, stellte sich zu seiner [Redlichs] Überraschung bei den Kommissionsberatungen heraus, daß Hirsch bei seiner Berufung [1926] die Bedingung gestellt und durchgesetzt hatte, daß nach dem bevorstehenden Abgange Redlichs er zur Vorstandschaft des Instituts auch die mittelalterliche Abteilung des Historischen Seminars erhalten und das Ordinariat Redlichs in ein Extraordinariat verwandelt werden sollte. Dafür holte der Dekan die Zustimmung aller Kommissionsmitglieder ein, ausgenommen die von Redlich, der von dieser Vorentscheidung über seine Nachfolge nicht verständigt wurde. Damit war meiner Berufung, wie sie Redlich vorschwebte, vorgebeugt […]. ÖAW Archiv, PA Harold Steinacker, Selbstbiographische Aufzeichnungen 6; siehe auch den Beitrag zu Steinacker in diesem Band, dessen Autorin Renate Spreitzer ich für den Hinweis zu Dank verpflichtet bin. Steinackers Aussage zu 1926 dürfte nicht zutreffen, zumindest finden sich in den Akten (siehe Anm. 83) keine bejahenden Hinweise. Zu Hirschs Berufung nach Wien siehe auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 22–30, der 28 darauf hinweist, dass Hirsch aber bei den Verhandlungen die Redlich-Nachfolge „in Aussicht genommen“ worden sei. 85 So im Bericht des BMU in Anlehnung an Hirschs Bericht vom 11.05. Ebd. legte Hirsch dar: […] es müßte die Zweiheit von Urkundenforschung und Urkundenlehre den Gesichtspunkt abgeben, nach dem, da Professor Hirsch Urkundenforscher ist, jetzt ein Vertreter der Urkundenlehre zu berufen wäre. Jener […] Disziplin der Urkundenforschung, die jede einzelne Urkunde als Quelle historischer Erkenntnis zu werten hat, durch Herausgabe von Urkundeneditionen für ganze Zeiträume die urkundlichen Grundlagen geschichtlicher Darstellung schafft und diese selbst nicht nur vorbereitet, sondern mindestens teilweise auch erstehen läßt – jener Urkundenforschung also wäre der andere Zweig der Urkundenwissenschaft, die Urkundenlehre, hinzu zu fügen, in der die Organisationen, aus denen die Urkunden hervorgehen, die Urkundenarten und die Grundbegriffe des gesamten Wissensgebietes vorgeführt und in ihrer Bedeutung beschrieben werden. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929. 86 II. Lehrkanzel nach Hirsch. […] Aus den Ausführungen des Referates des Prof. Hirsch sowie aus den mündlichen Ergänzungen desselben, die er dem gef.Abt.-Vorstand anläßlich seiner Vorsprache gemacht hat [!], geht hervor, daß es als die günstigste Lösung anzusehen wäre, wenn Gross einen 2 stün- Heinz Zatschek (1901–1965) 701 Hirsch hatte sich demnach im Wesentlichen durchgesetzt. Bei der Diskussion um die Kandidaten spielten ihre wissenschaftliche Leistung und Ausrichtung, die Tradition der Lehrkanzel, wissenschaftspolitische und wohl auch politische Momente wie auch das Alter der Kandidaten eine Rolle. Hirsch riskierte in den Sitzungen jedoch eine tiefgehende Verstimmung und Parteienbildung innerhalb der Fakultät und vor allem des IÖG und zog vehemente Kritik auf sich, die 1930 vermutlich auch seine Wahl in die Akademie der Wissenschaften in Wien verhinderte87. Der Wiener Erfolg Zatscheks führte immerhin dazu, dass man sich in Prag, wo er etwa im November 1928 persönlich verhandelt hatte und seine Ernennung im Frühjahr 1929 noch ausstand, Sorgen machte, ob er überhaupt nach Prag kommen würde, und die Sache beschleunigte, auch wenn zuerst lediglich eine Supplentur erreicht werden konnte88. Am 16. Mai 1929 schließdigen Lehrauftrag […] erhielte, hingegen Zatschek, von dem trotz seiner Jugend (geb. 1901) gesagt werden kann, daß in ihm ein führender Vertreter der Urkundenlehre von erstaunlicher Arbeitskraft heranwächst, zum a.o. Prof. der Geschichte des Mittelalters und der histor. Hilfswissenschaften ernannt würde. […] Hinsichtlich des Termins der Berufung Zatscheks wird jedoch zu Erwägen sein, dass das BMU mit Prof. Adalbert Prey (Astronomie) von der Universität Prag in Verhandlungen wegen der Nachfolge Samuel Oppenheim in Wien steht und Verhandlungen mit dem Prager Prof. Camillo Praschniker (Archäologie) wegen einer 1930 freiwerdenden Wiener Professur aufzunehmen beabsichtigt. Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen, mit der Berufung Zatscheks einstweilen noch zuzuwarten, da es gewiss nicht im Interesse des Nachbarstaates und seiner deutschen Minorität gelegen sein dürfte, wenn von der deutschen Univ. in Prag gleichzeitig mehrere bedeutende Gelehrte nach Wien abberufen werden. Mit Rücksicht auf diese Erwägungen wäre die Berufung Zatscheks erst zum 1. Oktober 1930 in Aussicht zu nehmen und mit der Einleitung von Berufungsverhandlungen vorläufig noch etwa bis zum Beginne des Studienjahres 1929/30 zuzuwarten. III. Präliminarmaßnahmen. […] Das BMU […] vermag […] nicht, das Ordinariat, das […] nach Hirsch frei wird, im Dienstpostenplane in ein Extraordinariat umzuwandeln, wenngleich die Verköstigung des künftigen a.o. Prof. [Zatschek] […] zunächst aus diesem Ordinariate in Aussicht genommen ist. Das BMU beabsichtigt nämlich, im Zeitpunkte der allfälligen Ersparung eines anderen Extraordinariates, das jetzt frei gewordene Ordinariat für die alte Geschichte zu widmen und das betreffende, dermalen noch nicht näher bestimmbare, allenfalls entbehrlich werdende Extraordinariat für die Geschichte des Mittelalters zu widmen. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929. 87 Siehe die stark persönlich gefärbten und respektlosen, dennoch sehr aufschlussreichen Lage-Berichte Paul Heigls an Zatschek in Abschnitt VII, Nr. 2 und 3. Die beiden kannten sich spätestens seit sie am IÖG zusammen in einem Zimmer gearbeitet haben: Die Zeiten, in denen ich mit Dr. Heigl und anderen in einem Zimmer gearbeitet habe, liegen so weit hinter mir, dass ich mir konzentrierte Arbeit in einem Raum mit anderen zusammen überhaupt nicht mehr vorstellen kann, besonders wenn auch die Schreibmaschinen zu sprechen beginnen, schrieb Zatschek am 18.03.1933 an Hirsch. IÖG, Archiv, NL HH. Während Zatscheks Abwesenheit in Wien wurden seine Postangelegenheiten von Heigl erledigt, zur politischen Richtung der beiden auch Abschnitt V., zu Heigl auch den Beitrag in diesem Band. Die Wiener Ereignisse wurden selbstverständlich kolportiert. Am 13.11.1929 schrieb Bernhard Seuffert aus Graz an Srbik u. a.: Redlich muß sich freuen. U(nd) das gönn ich ihm doppelt, weil er nach hier umlaufenden Gerüchten in der Frage seiner Nachfolge von der Fakultät schlecht behandelt worden sein soll. Siehe Heinrich Ritter von Srbik. Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers 1912–1945, hg. v. Jürgen Kämmerer (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts 55, Boppard a. Rh. 1988) Nr. 200. Zur Akademie und Hirsch siehe Stoy, Institut (wie Anm. 13) 42 und 52; ebd. 25f. zu bereits länger anhaltenden Differenzen zwischen Hirsch und Redlich. 88 Akten von 09.11.1928; 02.03.; 12.03.; 30.03.; 16.04.; 19.04.; 23.04.; 20.06.1929. UAP, DU PA HeZ; 24.10.1928 und 15.04.1929. AAVČR, Of HeZ, Nr. 563; 16.04.; 19.04. und 13.05.1929. Ebd. Nr. 584. 702 Karel Hruza lich wurde Zatschek von Staatspräsident Tomáš G. Masaryk zum Extraordinarius an der Prager Deutschen Universität ernannt und gleichzeitig zum Direktor des neuen Historischen Proseminars bestellt; nach dem Weggang Mayers 1930 wurde zudem seine Lehrverpflichtung auf die Geschichte des späten Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung der politischen Geschichte erweitert und er mit der Abhaltung der seminaristischen Uebungen in mittelalterlicher Geschichte betraut89. Vor seinem Antritt in Prag unternahm Zatschek im August und September 1929 noch eine fünfwöchige Archivreise für die MGH, um danach seine dortige (bezahlte) Stelle, nicht jedoch seine Mitarbeit, aufzugeben90. Getrieben von dem Wunsch zunächst als Wiener (Extra-) Ordinarius im IÖG und bei den MGH zu wirken, verharrte Zatschek für ganze zwei Jahre in einer ungewissen, mit einem Auf und Ab und auch Gerüchten erfüllten Warteposition in Prag: Die Angelegenheit der Redlich-Nachfolge wurde in Wien zwar weitergeführt, aber nur zögerlich, mit Unterbrechungen und den (üblichen) Gerüchten. Einfluss für Hirschs Wünsche nahm zudem auch Richard Meister, der an einem Verbleib Hirschs in Wien interessiert war91. Hirsch stand weiterhin mit seiner anscheinend beträchtlichen Machtfülle vehement an Zatscheks Seite, führte für ihn zeitweise persönlich die Verhandlungen mit den Wiener Ministerialbeamten und hielt sogar Ausschau nach einer freien Wohnung in Wien, wie auch Zatscheks Vater Nach diesen wurde u. a. zunächst mit einer Ernennung in Prag bereits noch Ende 1928 gerechnet. – Zatschek an Hirsch am 10.04.1929 u. a.: Ich konnte seinem Schreiben [Wostry] entnehmen, dass die Gerüchte über die Redlichnachfolge bis nach Prag gedrungen sind. Er äussert Besorgnisse, ob ich überhaupt nach Prag kommen würde und beabsichtigt nach seiner Rückkehr […] sofort [Franz] Spina zu mobilisieren. Weitere Details in einem Brief an denselben 23.04.1929. IÖG, Archiv, NL HH. Ebd. auch Briefe Mayers, die belegen, dass Hirsch von diesem über die Angelegenheit Zatschek in Prag direkt informiert wurde. 89 Schreiben des Ministeriums für Schulwesen und Volksaufklärung vom 25.05.1929 an Zatschek: Der Präsident der Republik hat Sie mit Entscheidung vom 16. Mai 1929 zum ausserordentlichen Professor für historische Hilfswissenschaften […] mit Rechtswirksamkeit vom Tage des tatsächlichen Dienstantrittes [22.04.] an ernannt. Schreiben des Dekanats vom 19.12.1930. AAVČR, Of HeZ, Nr. 1.Vgl. auch Kolář, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 110f., und Zatschek an Hirsch 23.04.; 11.05.; 24.05. und 25.05.1929; 17.11.1930; 10.01.1931. IÖG, Archiv, NL HH. Der geschäftsführende Direktor des Historischen Seminars blieb bis 1943 Wostry. Zatschek wurde 1930 nicht – wie oftmals und zuletzt von Stoy, Institut (wie Anm. 13) 224, behauptet – Lehrstuhlnachfolger von Mayer; der Lehrstuhl, für den auch Brunner im Gespräch war (AAVČR, Of HeZ, Nr. 90 vom 28.03.1930), ging 1933 an Gustav Pirchan. 90 Die Reise führte ihn nach Amsterdam, Utrecht, Köln, Wiesbaden, Ringelheim, Goslar, Münster, Wolfenbüttel, Mühlhausen, Weimar, Naumburg, Schulpforte, Zeitz und Dresden, siehe seinen Bericht vom 14.03.1930 an die MGH in: MGH, Archiv 338/51 Nr. 111; die Postkarten an seine Frau in: AAVČR, Of HiZ, Nr. 26, und auch Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 430, die angibt, Zatschek hätte auch nach seinem „Ausscheiden“ 1929 „ausgedehnte Archivreisen“ für die MGH unternommen. Aus dem MGH-Bericht für 1929 Paul Kehrs in: NA 49 (1932) I–XII, hier IX, und der Korrespondenz Zatscheks ist aber zu erfahren, dass als große MGH-Reise nur diejenige vom Sommer 1929 stattfand; 1927 war Zatschek nach Berlin gereist, siehe Bericht Kehrs in: NA 48 (1930) VII. Eine Reise im September 1930 in der ČSR stand zuvorderst in Zusammenhang mit seinen Forschungen zu Přemysliden-Urkunden, auch wenn er dabei Ergebnisse für ein Konrad III.-Diplom mitbrachte, siehe seinen Bericht an die MGH vom 21.04.1931 in: MGH, Archiv 338/51 Nr. 166f. 91 Siehe Stoy, Institut (wie Anm. 13) 43f., zu Hirschs Möglichkeit, nach Berlin berufen zu werden 31–34. Heinz Zatschek (1901–1965) 703 in die Berufungsangelegenheit involviert war92. Zatschek ließ sich auch von seinem mit ihm befreundeten, 14 Jahre älteren IÖG-Kollegen (und Kurs-Kollegen seines Onkels Albert Hiller) Paul Heigl vertraulich über Wiener Interna informieren und war neugierig auf Institutstratsch93. Während der ganzen Zeit der parallel laufenden Bemühungen sowohl in Prag als auch in Wien versuchte Zatschek deutlich, für sich vor allem in finanziellen Belangen das Beste zu erreichen und dabei in Wien bis zum Äußersten zu gehen. Die Nervosität wegen der Verhandlungen 1929 und 1930 führte bei Zatschek zu erheblichen, auch sein Verhalten und vermutlich ebenfalls seine Gesundheit beeinflussenden Anspannungen, was Mayer mehrmals gegenüber Hirsch brieflich zur Sprache brachte94. Zatscheks bereits damals erlangtes hohes Ansehen als Wissenschaftler spiegelt sich auch darin wider, dass er 1929 zusätzlich in Breslau in eine Berufungsliste für den dortigen Mittelalterlehrstuhl aufgenommen wurde95. Als feststand, dass Mayer von Prag nach Giessen gehen würde, kamen in Wien Befürchtungen auf, Zatschek könnte Mayers Nachfolger in Prag werden und für Wien verloren gehen. Der seit Oktober 1929 als Minister im BMU amtierende Srbik nahm das zum Anlass, Zatscheks Angelegenheit, wohl auch nach Intervention Meisters für Zatschek, zu beschleunigen. Dem trat jedoch das BMF zunächst entgegen. Deshalb nahm Srbik mit den zuständigen Bearbeitern einen klärenden Briefverkehr auf und hob hierbei sowohl die internationale 92 In der Korrespondenz Zatschek-Hirsch 1929–1932 war die Berufung allgegenwärtig, siehe den Briefwechsel in AAVČR, Of HeZ, Nr. 188; IÖG, Archiv, NL HH. 93 Heigl schrieb ihm mehrmals ausführliche Lage-Berichte, siehe Anm. 87 und Abschnitt VII, Nr. 2 und 3. Auch mit Brunner – für den sich Hirsch 1929 ebenfalls in den Ministerien einsetzte – korrespondierte Zatschek (in sehr sachlicher Weise). 94 Am 08.05.1929: Zatschek befindet sich in einer Psychose und redet sich noch mehr hinein. Er sieht in jedem einen versteckten Gegner und kombiniert selbst die Argumente, die gegen ihn ausgenützt werden könnte[n]. […] Wenn er ernannt sein wird, wird dieser Zustand sofort vorbei sein. […] Also wie gesagt Zatschek ist augenblicklich übernervös und fühlt sich verfolgt, schalte also eine kleine Korrektur bei der Lektüre seiner Briefe ein, im übrigen werde ich mich schon bekümmern. Am 07.10.1929: […] neugierig bin ich, was mit Zatschek sein wird. Freilich sollte man wissen, wie seine gesundheitlichen Aussichten stehen. Ich habe mit Ärzten ohne Namensnennung gesprochen [!], die wissen aber alle zusammen nichts. An und für sich ist er gewiß schwer krank, das sagen alle Ärzte, über die Wirkungen des Insulin haben sie aber noch nicht genügende Erfahrung, d.h. sie glauben nicht an eine wirkliche Heilung und wissen auch nicht, wie lange das Insulin die Krankheitserscheinungen paralysieren kann. Seine Gewichtsabnahme im Sommersemester hat in erster Linie gezeigt, daß er eben eine ganz genaue Diät und Pflege braucht. Wie er jetzt aussieht, weiß ich nicht. Was sein „hochfahrendes Wesen“ anlangt, muß ich sagen, daß ihm dieser Vorwurf meines Wissens in Prag nicht gemacht wird. Am 22.06.1930: […] Zatscheks Verhalten kann ich nur noch als krankhaft bezeichnen. IÖG, Archiv, NL HH. 95 Vgl. etwa das Schreiben Hirschs aus Berlin vom 10.08.1929 an Zatschek: Der Breslauer Vorschlag lautet 1. [Anton] Eitel 2 [Gerhard] Kallen und pari passu Zatschek 3 Santifaller. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. – Die Breslauer ordentliche Professur wurde schließlich mit Santifaller besetzt, was Mayer am 20.11.1929 Bauer mitteilte: Also Santifaller ist doch nach Breslau gekommen. Zatschek war doch sehr peinlich berührt, wenn er auch vorher immer mit dem Gedanken einer Ablehnung gespielt hat. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Siehe auch Teresa Kulak, Mieczysław Pater, Wojciech Wrzesiński, Historia Uniwersytetu Wrocławskiego 1702–2002 [Geschichte der Universität Breslau 1702–2002] (Wrocław 2002), die 138–152 im relevanten Kapitel nicht genauer auf die Besetzungsvorgänge eingehen; Stoy, Institut (wie Anm. 13) 53. 704 Karel Hruza Bedeutung des IÖG und seines mit Zatschek gewährleisteten Lehrbetriebes hervor, wie er auch die Kompetenzen seines Ministeriums in Berufungsfragen unterstrich und die Dringlichkeit eines Ordinariats für Alte Geschichte zurückstellte. Als Ergebnis wurden im Juni 1930 die Verhandlungen des BMU mit Zatschek aufgenommen und dieser reiste selbst zu Konsultationen nach Wien96. Zatscheks präzise ausgearbeiteten finanziellen Forderungen vom Herbst, die eine Erhöhung seines Nettoeinkommens um 30% verfolgten und wegen der erheblich höheren Lebenshaltungskosten in Wien eine Beibehaltung seines Prager Realeinkommens bedeutet hätten, stießen aber im BMU wie im BMF auf Widerstand97. Im Dezember 1930 erhielt Zatschek den Ruf nach Wien, wobei die Modalitäten hinter Zatscheks Wünschen zurückblieben98. Dennoch dachte sich Zatschek im Frühjahr 1931 trotz Misstrauens und bestimmter Sorgen, etwa Dopsch stünde gegen ihn, fast am Ziel99. Er ging schon so weit, dass er – noch vor seiner Zusage für Wien am 18. März100 – in Prag die Wahl einer Kommission 96 Verweis auf die Prager Situation und Entwurf eines Berufungsschreibens an Zatschek mit Antritt Studienjahr 1930/31 vom 03.1930, gezeichnet von Srbik, Ministerialrat Dr. Alfred Majer u. a.; Schreiben des BMF vom 31.03.1930 mit Erinnerung an die in Anm. 86 dargelegte Reservierung des ehemaligen Hirsch-Ordinariats für die Alte Geschichte usw.; Am 16.05. ersuchte das BMU (Srbik) das BMF, die Zustimmung zur Einleitung von Verhandlungen mit Zatschek erteilen zu wollen, was am 04.06. geschah. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 8107, 1930. Zum Beginn der Verhandlungen und eben diesen ebd., 22014, 1930; 28785, 1930. 97 Zatschek forderte mündlich im Sommer und in einem Brief vom 07.10.1930 und gemäß einem entsprechenden Aktenvermerk des BMU: 1.) Bezüge, die ihm seine bisherige Lebensführung gewährleisten […] 2.) 10.000 S für die Erlangung einer [Dreizimmer-] Wohnung. 3.) Anrechnung einer Dienstzeit seit 1. Jänner 1924 für die Bemessung des Ruhegenusses, 4.) Ersatz der Uebersiedlungskosten für ihn und seine Frau. Die […] Wünsche erscheinen […] durchaus gerechtfertigt und maßvoll. Dazu aber der handschriftliche Vermerk: Ich habe gelegentlich einer Unterredung mit Zatschek diesem gesagt, dass seine Wünsche zu hoch gespannt seien u(nd) ich sie nicht für realisierbar halte, worauf er besonders auf die billigeren Lebensverhältnisse in Prag verwies. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 33193, 1930. 98 Am 24.12.1930 teilte Majer Zatschek mit, daß die österr. Unterrichtsverwaltung in Aussicht nimmt, im Falle Ihrer endgiltigen Zusage Ihre Ernennung […] unter folgenden Modalitäten zu erwirken [ohne Angabe des Antrittstermins]: Ein Monatsbezug von 656 S netto (3. Gehaltsstufe anstatt der geforderten 6.; was für Zatschek eine deutliche Einbuße im Realeinkommen bedeutet hätte); Zuschuß zu den Uebersiedlungskosten […] höchstens […] von 10.000 S.; Anrechnung der Zeit vom 01.01.1924 in einfacher Zählung für die Pension. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 33193, 1930. Zatschek antwortete am 04.01.1931 zunächst mit weiteren Fragen und schloss: […] erbitte ich mir noch eine Angabe, für welchen Termin das Ministerium meine Ernennung in Aussicht nehmen würde. Wollen Sie noch die Versicherung entgegennehmen, dass ich nach dem Einlangen Ihrer Antwort Ihnen, so rasch es mir möglich sein wird, meinen endgültigen Entschluss mitteilen werde. AAVČR, Of HeZ, Nr. 634; Das BMU nannte ihm den 01.04.1931 als Termin der Ernennung sobald Ihre endgiltige Zusage vorliegt und Ihre Entlassung aus dem tschechoslov. Staatsverband sichergestellt ist. Diese unterblieb jedoch, da Zatschek noch am 27.03.1931 – wie Dr. Havelka aus Prag Majer mitteilte – nicht um die Entlassung aus dem Dienste der ČSR ersucht hat; also auch Staatsbürger der ČSR blieb. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 398, 1931; 11924, 1931. 99 Siehe Zatscheks Brief an Bauer vom 10.01.1931. ÖAW Archiv, NL WB K. 8; und seine Briefe an Hirsch vom 17.11. und 14.12.1930 und 10.01.1931. IÖG, Archiv, NL HH; sowie Hirschs Antwort vom 19.01.1931. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. 100ÖStA, AdR BMU PA 264 Otto Brunner (sic! Für den Hinweis danke ich Reinhard Blänkner). Revers: AAVČR, Of HeZ, Nr. 468. Heinz Zatschek (1901–1965) 705 für seine Nachfolge beantragte, die tatsächlich auch eingesetzt wurde101. Schließlich musste er aber im Frühsommer – längere Zeit von einer Krankheit geplagt, die ihm keine größere Bewegungsfreiheit erlaubte und über die Hirsch Auskunft erbat – zur Kenntnis nehmen, dass seine Forderungen, nämlich den Wechsel möglichst ohne finanziellen Verlust und zu dem von ihm auch aus Krankheitsgründen gewünschten 1. Oktober 1931 zu vollziehen, von den zuständigen Ministerien nicht erfüllt werden würden und auch Hirsch letztlich mit seiner Geduld am Ende war102. Dass seine, von ihm bewusst verschwiegene Diabeteserkrankung wie seine Krankheit vom Frühjahr zu einem entscheidenden Faktor wurden, hat ihn offensichtlich gekränkt. Am 22. Juni 1931 hat er schließlich seine Zusage vom 18. März verbittert zurückgenommen103. Die ganze Angelegenheit hatte zuletzt auch eine in der Korrespondenz erkennbare, freilich nur kurzzeitige Entfremdung zwischen Zatschek und Hirsch zur Folge, da letzterer sich – wohl zu Recht – von Zatschek ausgenutzt fühlte, für den er ein erhebliches Risiko eingegangen war104. Die folgenden zehn Jahre fand Zatscheks Karriere an der Deutschen Universität in Prag statt, wo er noch 1930 vom Ministerium zum Mitglied der „Deutschen wissenschaftlichen Prüfungskommission für das Lehramt an Mittelschulen“ für das Fach Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften ernannt und in die „Universitäts-Archivkommission“ in Nachfolge Mayers zugewählt wurde105. Im folgenden Jahr versuchte er gemeinsam mit Wostry, ein Seminar für Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte an der Universität zu installieren, als dessen Leiter Josef Pfitzner vorgesehen war. Das Vorhaben scheiterte jedoch aus Mangel an finanziellen Mitteln106. Am 31. Juli 1934 entschied der Präsident der ČSR, Zatschek rückwirkend zum 1. Juli zum ordentlichen Professor für historische Hilfswissenschaften und allgemeine Geschichte des Mittelalters zu ernennen107; den Antrag dazu hatte die Philosophische Fakultät bereits im Mai 1930 an das zuständige Ministerium gestellt, um den Ausfall 101Siehe Tagesordnung der V. Sitzung des Professorenkollegiums der philosophischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag vom 05.03.1931. AAVČR, Of HeZ, Nr. 787. In der Sitzung wurde die Kommission aus Wostry, Gierach, Alois Grünwald, Arthur Stein und Pfitzner eingesetzt, siehe die Einberufungsaufforderung vom 24.03.1931. UAP, DU PA HeZ. 102Schreiben Hirschs an Zatschek vom 25.02.1931. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. 103ÖStA, AdR BMU PA 264 Otto Brunner; AAVČR, Of HeZ, Nr. 468. 104Hirsch an Zatschek am 25.06.1931: Ich kann Ihre endgültige Ablehnung tief bedauern, aber nicht mehr ändern. Auch ich stehe nun am Ende meiner Nervenkraft und die zwei Besuche im Ministerium waren durchaus nicht erfreulich. Doch möchte ich Ihnen vom ganzen Herzen wünschen, dass die Besorgnisse wegen Ihrer Gesundheit nicht zutreffend sind, dann werden Sie den Ausfall der Wiener Berufung auch nicht zu beklagen haben. Darüberhinaus versprach er, die Form der Ablehnung [durch Zatschek] so [zu] regeln […], dass nicht auch für die Zukunft ein Stein des Anstosses übrig bleibt. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. 105AAVČR, Of HeZ, Nr. 1. Siehe zu Zatscheks Ämtern und Aufgaben auch: Personalstand der Deutschen Universität in Prag zu Anfang des Studienjahres 1937–1938, hg. v. Akademischen Senate (Prag [1937]) 4, 34, 67, 83. – Ab dem 1. Juli 1932 erfreute ihn zudem eine Gehaltserhöhung. 106UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 827 Sign. J6 Historisches Seminar, Akten vom 02.03. (Zatscheks und Wostrys Antrag) und 12.04.1933 (Ministerium an Dekan) und weiteres Material. 107Schreiben vom 19.09. und 05.10. und 06.10.1934 an Zatschek. AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; UAP, DU PA HeZ. 706 Karel Hruza Mayers auszugleichen108. Weitere Pflichten und Ämter, die mit einer akademischen Laufbahn verbunden sind, folgten109: Mitglied im „Kulturverband“, 1933 Mitglied im Ausschuss des VGDB110; 1935 Mitglied der „Reifeprüfungskommission“ und Lehrer für Methodik der Geschichte und Bürgerkunde (1936 noch: Vaterlandskunde und Staatsbürgerliche Erziehung); 1936 dann Mitglied des Lehrkörpers (Fach Geschichte) an der „staatlichen pädagogischen Akademie mit deutscher Unterrichtssprache in Prag“; 1936 wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Abteilung der „Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik“ (seit 1941: Deutsche Akademie der Wissenschaften in Prag) und deren „Historischer Kommission“111; 1940 Mitglied der „Historischen Kommission“ der „Sudetendeutschen Anstalt für Landes- und Volksforschung“ in Reichenberg (Liberec)112. Zumindest 1937 saß Zatschek auch im von Wostry geleiteten universitären „Ausschuß für volkstümliche Hochschulkurse“113. Als Professor war Zatschek in Promotions- und Habilitationsverfahren involviert, die allgemein als Indikatoren für bestimmte politisch-gesellschaftliche Strömungen gelesen werden können. Ein Beispiel sei angeführt: 1931/2 unternahm die 1898 geborene Historikerin Käthe Spiegel, Tochter des bekannten Prager Juristen Ludwig Spiegel, den Anlauf zu einer Habilitation114. Sie hatte in Prag seit dem WS 1917 bei Steinherz, Stein, Heinrich Swoboda, Weber und Emil Werunsky Lehrveranstaltungen besucht und ihre hilfwissenschaftliche Ausbildung bei Steinacker und vor allem bei Hirsch erhalten und wurde 1921 bei Steinherz und Weber promoviert115. Spiegel unternahm weitere Studien in Wien und Genf und forschte 1927–1929 als Fellow der Rockefeller-Foundation in den USA. Das daraus resultierende, als Beheift der HZ gedruckte Werk reichte sie als Habilitationsschrift im Oktober 1931 in Prag ein116, wobei ihr Habilitationsverfahren gleichzeitig mit jenem Anton Ernstbergers durchgeführt wurde. Da im Dezember 1932 sowohl das Gutachten über ihre Studie als auch der Antrag der zuständigen Kommission (Wostry als Referent, Pfitzner, Stein, 108Schreiben vom 30.11.1935. UAP, DU PA HeZ. 109Siehe: BAB, R 4901/13281 Hochschullehrerkartei, Karteikarte HeZ. 110MVGDB 71 (1933) 159–164 Bericht über die Tätigkeit des Vereines im 70. Vereinsjahre (1932), hier 164 Neuwahlen des Vereinsvorstands und -ausschusses am 26.06.1933. 111AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; Ebd. Of Wilhelm Wostry, Nr. 445 (Antrag auf Wahl Pirchans und Zatscheks zu außerordentlichen [!] Mitgliedern vom 27.11.1932). 112Siehe Ota Konrád, Die Sudetendeutsche Anstalt für Landes- und Volksforschung 1940–1945. „Wissenschaftliche Gründlichkeit und völkische Verpflichtung“, in: Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918–1960 (wie Anm. 6) 71–95, hier 77. Anscheinend hinterließ Zatschek keine Spuren einer Tätigkeit innerhalb der Kommission. 113Personalstand 1937–1938 (wie Anm. 105) 4. 114Zu ihrer Biografie siehe wie auch im Folgenden grundlegend Gerhard Oberkofler, Käthe Spiegel. Aus dem Leben einer altösterreichischen Historikerin und Frauenrechtlerin in Prag (Innsbruck/Wien/ Bozen 2005), hier Kap. III und VIIIf. und die Dokumente 112–129. – Zu von Zatschek betreuten Dissertationen siehe Abschnitt IV. 115Ihre Dissertation über die Prager Universität wurde von Wostry in die MVGDB aufgenommen: Käthe Spiegel, Die Prager Universitätsunion (1618–1654), in: MVGDB 62 (1924) 5–94. 116Käthe Spiegel, Kulturgeschichtliche Grundlagen der amerikanischen Revolution (HZ Beiheft 21, München/Berlin 1931). Heinz Zatschek (1901–1965) 707 Zatschek und Viktor Ehrenberg) positiv ausfielen, konnte sie mit einer Fortsetzung ihrer Habilitation rechnen. Während jedoch Ernstberger 1933 habilitiert wurde, beschloss die Fakultät unter Dekan Ernst Otto, den Antrag der Kommission, Spiegel zu den weiteren Stadien der Habilitation zuzulassen, abzulehnen117. Spiegel versuchte 1936 noch einmal, sich zu habilitieren. Ihr neues Werk über Wilhelm Egon von Fürstenberg wurde in NS-Deutschland von Max Braubach und Franz Steinbach zum Druck gebracht und von ihr als Habilitationsschrift in Prag vorgelegt118. Zatschek gehörte erneut der im Juni 1936 eingesetzten Kommission an, neben ihm Pfitzner, Pirchan, Wostry und als Referent Spiegels „Kollege“ Ernstberger. Dieser wollte in seinem Gutachten, für das er selbst umfangreiche Studien betrieben haben muss, eine wissenschaftliche „Hinrichtung“ Spiegels exerzieren. Es bleibt die Feststellung, dass es das offensichtliche Streben Ernstbergers war, in durchaus bösartiger Absicht auf Fehlersuche zu gehen, um Spiegel für immer aus der akademischen Prager Gemeinschaft auszuschließen, da er vehement an den Grundfesten ihrer Wissenschaftlichkeit rüttelte119. Im November 1936 lehnte das Professorenkollegium Spiegels Ansuchen um Habilitation erneut ab. Treffend resümiert Gerhard Oberkofler: „Die akademische Laufbahn, die der begabten Käthe Spiegel in den zwanziger Jahren noch offen gestanden war, blieb ihr jetzt durch die Niedertracht der zur Naziideologie übergelaufenen Professoren verschlossen. Aber es sollte für Käthe Spiegel noch weit schlimmer kommen.“120 Nachdem sie im Januar 1939 an ihrer Arbeitsstelle in der Universitätsbibliothek zeitweise beurlaubt wurde, verlor sie ein Jahr später endgültig ihren Arbeitplatz. Als Leiter der Bibliothek amtete damals Zatschek. Im Oktober 1941 wurde Käthe Spiegel wegen ihrer jüdischen Abstammung aus „rassischen“ Gründen nach Polen deportiert und dort ermordet121. Es war für die immer mehr völkisch und nationalsozialistisch gesinnten Kommissionsmitglieder noch nicht 1932, aber dann 1936 unannehmbar, einer Frau, zudem jüdischer Abstammung, die sich darüber hinaus für Rechte der Frauen eingesetzt hat, die venia legendi zu erteilen und sie zur „Kollegin“ im Lehrkörper zu erheben. Zatschek hat, davon kann wegen seiner 117Siehe Oberkofler, Spiegel (wie Anm. 114) 69, 112–119 die zwei Gutachten vom Dezember 1932. 118Käthe Spiegel, Wilhelm Egon von Fürstenberg’s Gefangenschaft und ihre Bedeutung für die Friedensfrage 1674–1679 (Rheinisches Archiv 29, Bonn 1936). 119Druck des Gutachtens bei Oberkofler, Spiegel (wie Anm. 114) 119–129. – Ergänzend zu Oberkofler sei angeführt, dass sich der 1894 geborene sudetendeutsche Ernstberger nach einem Jura-Studium in Prag und Wien und einer zweijährigen Tätigkeit bei Gericht dem Geschichtsstudium zuwandte und 1926 bei Mayer zu Wallenstein promoviert wurde. Anschließend ging er als Stipendiat nach Wien und London (1930/31 Rockefeller-Stipendium). Später trat er der SdP und der NSDAP bei, siehe gänzlich apologetisch Walter Fuchs, Anton Ernstberger 1894–1966, in: Jb. für fränkische Landesforschung 27 (1967) 1–14; Hans Liermann, Anton Ernstberger 22.11.1894–15.10.1966, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften Jb. 1967, 185–191; Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder 1: A–H, hg. v. Heribert Sturm (Müchen/Wien 1979) 317f. 120Oberkofler, Spiegel (wie Anm. 114) 88. 121Karel Hruza, Ein vergeblicher Hilferuf: Der Brief Käthe Spiegels an den Rektor der Deutschen Karls-Universität in Prag vom 11. Oktober 1941 (erscheint in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 48 [2008]). 708 Karel Hruza politischen Gesinnung ausgegangen werden, die jeweiligen Beschlüsse mit seiner Unterschrift nicht nur ermöglicht, sondern auch inhaltlich mitgetragen. Aber auch „arische“ Frauen hatten im konservativen männerbündlerischen Milieu der deutschen Prager Hochschullehrer immer noch den Stand der nur im Hintergrund zu verbleibenden „gnädigen Frau“, der am Ende eines Briefes „Handküsse“ übersandt wurden122. Nicht zuletzt konnte selbst eine Professorengattin zur Angriffsfläche werden, wenn es galt, dem Herrn Professor „eins auszuwischen“, wie es auch unversehens dem Ehepaar Zatschek geschah123. Die abschätzigen Bemerkungen blieben den Zatscheks höchstwahrscheinlich verborgen, und Zatschek fiel es anscheinend nicht schwer, später selbst über andere Professorengattinnen beleidigende Worte zu verlieren124. Im Studienjahr 1937/38 übernahm Zatschek bei Herabsetzung seiner Lehrverpflichtung das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät125, weil der Althistoriker Ehrenberg wegen seiner jüdischen Abstammung auf das Amt verzichtet hatte, um Proteste völkischer Professoren (und Studenten) zu vermeiden126. Zatscheks Funktionsperiode wurde bereits von politischen Ereignissen durchkreuzt und bestimmt, und das nachfolgende Studienjahr 1938/39 fand wegen der Aggressionspolitik sowohl des Dritten Reiches als auch der Sudetendeutschen unter massiven Veränderungen statt, so dass ein ruhiger geregelter Studienbetrieb nicht möglich war127, wie auch die Amtsübergabe an den auf Zatschek folgenden Dekan Karl Maria Swoboda außerordentlich verlief, da Zatschek während der „Sudetenkrise“ nach Wien „flüchtete“ und sich auch Swoboda in der Stadt befand128. 122Siehe Kolář, Brutstätte (wie Anm. 65) 123: „Für die überwiegend konservativ gesinnte Prager Professorenschaft scheint die Trennung der Geschlechter im rein männlich dominierten Universitätsbetrieb grundlegend gewesen zu sein, was auch anhand der Tatsache deutlich wird, dass sich nicht nur im Fach Geschichte, sondern in der Philosophischen Fakultät der Prager deutschen Universität keine einzige Frau habilitierte.“ An der tschechischen Universität gab es dagegen 1928 die erste Habilitation einer Frau. Siehe zu diesem Thema auch den Beitrag zu Mathilde Uhlirz in diesem Band. 123Mayer ließ sich mehrmals über die Zatscheks aus, so gegenüber Hirsch am 22.06.1930: Schade ist [es] um Zatschek, aber wie gesagt, man muß ihn als Kranken nehmen. Daneben wirkt wohl auch der, wie ich jetzt glaube, nicht geringe Einfluß seiner Frau, für die ich wieder zu unserem ersten Urteil zurückkehren möchte, nämlich, daß sie strohdumm ist. IÖG, NL HH. Gegenüber Bauer am 15.06.1930 über Hilde Zatschek: Hirschens Urteil über sie lautete zuerst auf: Dumme Nocken. Mein Urteil war ähnlich. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. 124Siehe Abschnitt V. 125Schreiben vom 19.07. und 22.09.1937. AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; Nr. 563, dazu und Nr. 783. 04.09.1937. UAP, DU PA HeZ. Siehe auch: Dějiny univerzity Karlovy 4 (wie Anm. 31) 590. Siehe auch Personalstand 1937–1938 (wie Anm. 105) 2, 29. 126Am 19.07.1937 schrieb Zatschek an Hirsch: […] Sie [Wahl zum Dekan] kam verfrüht und überraschend; ich wäre am allerwenigsten auf den Gedanken gekommen, dass Ehrenberg für dieses Jahr verzichten würde, damit nicht 3 Fakultäten jüdische Dekane bekommen. IÖG, Archiv, NL HH. Zu Ehrenberg vgl. Kolář, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 94–96. 127Siehe grundlegend Míšková, Německá univerzita (wie Anm. 31) 213–215, und dies., Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 28–56. 128Siehe dazu Abschnitt V. Zatschek schrieb am 24.09.1938 an die Prager Universitätsleitung: Ich habe in Wien mit dem künftigen Dekan, Herrn Professor Swoboda, ausgemacht, dass wir die Uebergabe der Dekanatsgeschäfte um einige Tage verspätet vornehmen, da er hier mit der Auflösung sei- Heinz Zatschek (1901–1965) 709 Zatschek exponierte sich seit 1938 als nationalsozialistisch politisierter Professor und engagierte sich maßgeblich bei der in der ČSR zunächst noch freiwillig, später „offiziell“ vollzogenen „(Selbst-) Gleichschaltung“ der Universität und der fast reibungslosen Integration der Lehrenden in den NS-Machtapparat129. Alsbald wirkte er auch als „Referent des Amtes für Wissenschaft“ und als „kommissarischer Leiter der Hauptstelle für Presse und Kultur“ des NSD-Dozentenbundes in Prag. Anscheinend bestanden keine Skrupel, diejenigen Lehrstühle sogleich neu zu besetzen, die durch die schnelle Flucht vereinzelter Professoren „frei“ geworden waren, da diese Wissenschaftler wegen ihrer jüdischen Abstammung oder politischen Orientierung Repressalien zu erwarten hatten130. Im Gegenteil: Von der Errichtung der NS-Diktatur und des Protektorates Böhmen und Mähren versprach sich Zatschek große Vorteile sowohl für seine eigene „wissenschaftliche“ Arbeit und Karriere als auch für die Philosophische Fakultät der Deutschen Universität, die er in anständiger Weise einem Umbau unterzog und beispielsweise versuchte, eine Professur für Volksforschung einrichten zu lassen131. ner Wohnung noch zu tun hat und die Dekanatgeschäfte zur Zeit unbedeutend sein werden. UAP, DU PA HeZ. Zu Swoboda siehe Sigrid Canz, Karl Maria Swoboda (1889–1977) Kunsthistoriker. Wissenschaftler zwischen Wien und Prag, in: Prager Professoren (wie Anm. 23) 175–190. 129Davon zeugt etwa eine Verhandlungsschrift über eine Besprechung der Mitglieder der Philosophischen Fakultät der Deutschen Karlsuniversität, Prag, vom 09.02.1939 (!), in der u. a. festgehalten wurde: Der Dekan [Swoboda] kennzeichnet die einzelnen neuen Aufgaben, die unserer Hochschule aus ihrer inneren Umgestaltung erwachsen. In der Frage der Südostausrichtung unseres Lehrbetriebes betont der Referent des Amtes für Wissenschaft und des NSD-Dozentbundes Prof. Zatschek, dass damit keine Einengung, sondern eine wesentliche Erweiterung unserer Lehr- und Forschungsaufgaben gegeben sei; überdies mögen alle Fachgruppen grundsätzlich die Bedeutung des Volkstums und der Volksgeschichte berücksichtigen […]. Prof. Zatschek erörtert weiter die Grundlinien einer planvollen grosszügigen Ausgestaltung des gesamten Vorlesungsbetriebes; dabei gilt es […] Themen für Einzelvorlesungen und für Vorlesungsreihen über Gegenwartsfragen für Hörer aller Fakultäten festzulegen. Der Referent selbst schlägt dann für jedes einzelne Fach eine Reihe von Themen vor […]. Für das nächste Wintersemester ist eine Gemeinschaftsvorlesung der in Betracht kommenden Fachprofessoren über die Rolle des Judentums vorgesehen; ebenso ist eine Vorlesung über die Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung in Aussicht genommen. […] Prof. Zatschek erörtert die Frage der Ergänzung der Dozentenschaft nach der persönlichen und sachlichen Seite hin und gibt eine eingehende Uebersicht über die erforderlichen Besetzungsvorschläge für die freigewordenen dreizehn Lehrkanzeln. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 891. Siehe zur Gleichschaltung auch Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 37–82; dies., Die Deutsche Universität im Zweiten Weltkrieg, in: Universitäten in nationaler Konkurrenz (wie Anm. 65) 177–193, hier 180– 184, dies., Die „Arisierung“ an der Deutschen Universität Prag, in: Wissenschaft in den böhmischen Ländern (wie Anm. 36) 97–106. 130U. a. aus einer Sitzung vom 09.02.1939 ging ein Bericht über die Personalerfordernisse der philos. Fakultät der Deutschen Universität in Prag hervor, den Dekan Swoboda am 23.03. an das zwischenzeitlich zuständige REM nach Berlin sandte. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 891–897; BAB, R 4901/13487. – Zu Zatscheks Ämtern siehe seinen Lebenslauf von 1940 in seinen Berufungsunterlagen für Wien. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A (Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien). 131Unter den geforderten Professuren vom 09.02.1939 waren auch die Fächer Rassenkunde und Volksforschung, letztere sollte Hans Joachim Beyer erhalten. Dieser war im Frühjahr 1939 wegen politischer Intrigen im Deutschen Ausland-Institut Stuttgart entlassen worden; sein Habilitationsverfahren kam Ende des Jahres zum Abschluss, siehe Karl Heinz Roth, Heydrichs Professor. Historiographie des „Volkstums“ und der Massenvernichtungen. Der Fall Hans Joachim Beyer, in: Geschichtsschreibung 710 Karel Hruza Zusätzliche Bewegung in Zatscheks ereignisreiches Jahr 1939 brachten ein Ruf nach Marburg an der Lahn (Professur für Mittlere und Neuere Geschichte) und ein Ruf nach Graz (Professur für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften)132. Bei der Feier aus Anlass des 60. Geburtstages seines Lehrers Hirsch am 19. Januar 1939 in Wien durfte Zatschek, der als Prodekan zusammen mit Pfitzner offiziell von der Prager Universität entsandt worden war, als dritter Redner nach dem Wiener Dekan und Rektor und vor dem eigentlichen Festredner Mayer auftreten133. Der im Sommer 1939 durch den Prager Gau-Dozentenbundsführer Konrad Bernhauer gehegte Plan für eine linientreue nationalsozialistische Universitätsleitung mit einem Prorektor Zatschek konnte nicht umgesetzt werden. Dieser Plan wie auch der Wunsch Zatscheks, das Amt des Dekans zu übernehmen, scheiterte an den Vorbehalten des amtierenden Rektors Ernst Otto134. Als am 4. November im Prager Ständetheater im Beisein u. a. des Reichsministers Bernhard Rust, des Reichsprotektors Konstantin von Neurath und des Staatssekretärs Karl Hermann Frank eine Feier aus Anlass der am 1. September erfolgten Übernahme der Deutschen Universität in die Verwaltung des Deutschen Reiches abgehalten wurde, saß Zatschek in den vorderen Reihen des Publikums135. Nach Schließung der tschechischen Hochschulen durch den Reichsprotektor am 17. November 1939 wurde Zatschek von diesem am 22. Dezember mit der Aufsicht über die Institute der Philosophischen Fakultät der tschech(ischen) Universität in Prag beauftragt136. In dieser politischen Funktion als kommissarischer Verwalter verhielt sich Zatschek zwar kontrollierend, ließ eine Inventarisierung durchführen und von den Instituten der – von Hitler noch im November in „Deutsche KarlsUniversität“ umbenannten – Deutschen Universität angeforderte Bücher ausfolgen, als Legitimationswissenschaft 1918–1945, hg. v. Peter Schöttler (Frankfurt/M. 1997) 262–342, hier 280–285. 132Siehe Zatscheks Lebenslauf von 1940 in seinen Berufungsunterlagen für Wien. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A; BAB, (ehem. BDC) REM, Karteikarte HeZ. 133Diese vorläufige Rednerfolge teilte ihm Brunner am 09.01.1939 mit. Als weitere Redner waren Srbik, Hans Sedlmayr, Pfitzner und Pivec vorgesehen. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Siehe auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 186–188. 134Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 65f. Insgesamt sind die internen Vorgänge und Gruppierungen an der deutschen Prager Universität und insbesondere ihrer Philosophischen Fakultät 1939–1941 nicht ganz durchschaubar und bedürfen einer eingehenden Untersuchung. 135Er ist zu sehen in der zweiten Reihe im Parkett sitzend auf der Fotografie „Feierliche Übernahme der ältesten deutschen Universität […] am 4. November 1939. Blick von der Bühne in den Zuschauerraum“ in: Wolfgang Wolfram von Wolmar, Prag und das Reich. 600 Jahre Kampf deutscher Studenten (Dresden 1943) Bilderanhang; ebd. 666f. und 669 zur Feier. Siehe auch: Feier der Übernahme der beiden deutschen Hochschulen zu Prag in die Verwaltung des Großdeutschen Reiches am 4. November 1939 (Brünn/Prag/Leipzig 1940), mit den gehaltenen Reden; Helmut Heiber, Universität unterm Hakenkreuz II: Die Kapitulation der hohen Schulen. Das Jahr 1933 und seine Themen 2 (München u. a. 1994) 104. – Am 03.11.1939 hatte Zatschek ein Exemplar seiner gerade rechtzeitig für den Festakt erschienenen „Reichsuniversität in Prag“ (Studien zur Geschichte der Prager Universität bis 1409 [mit 7 Tafeln], hg. v. Heinz Zatschek, in: ZSG 3 [1939] 81–128; als Separatum erschienen mit dem Obertitel: Die Reichsuniversität in Prag) an Frank gesandt und erhielt wenige Tage später ein Dankschreiben aus dessen Kanzlei. Der Briefwechsel vom 03. und 06.11.1939 in NA Praha, ÚŘP-ST 109-12-22. 136AAVČR, Of HeZ, Nr. 603. Heinz Zatschek (1901–1965) 711 griff aber anscheinend nicht in größerem Ausmaß auf das Eigentum der Institute zu und erlaubte den tschechischen Wissenschaftlern, ihre Arbeitsunterlagen abzutransportieren. Der vor der Universitätsschließung im begonnenen WS 1939/40 amtierende Dekan der tschechischen Philosophischen Fakultät, der Orientalist Jan Rypka, der Zatschek als Ansprechpartner diente, dankte diesem 1940 schriftlich für dieses Vorgehen137. Dementsprechend erinnerte sich auch Zdeněk Kalista an eine „faire“ Behandlung bei seinem „Rausschmiss“ aus der Fakultät zu Beginn des Jahres 1940138, und sogar der den deutschen Professoren wenig zugetane Václav Vojtíšek gab später eine ähnliche Einschätzung139. Die im November 1939 von deutschem Militär und Polizei besetzte Prager Universitätsbibliothek im Klementinum nahm im Dezember den Betrieb wieder auf. Die Aufsicht über die Bibliothek wie auch über diejenige der Prager Technischen Hochschulen wurde dem im Bibliothekswesen erfahrenen Zatschek als kommissarischem Leiter anvertraut, der dem Reichsprotektor unterstand, also direkte Anweisungen der deutschen Protektoratsstellen erhielt und diese mit dem Ziel umsetzen sollte, „die deutsche Einflussnahme auf den Betrieb“ zu fördern140. In dieser Funktion der zentralen Schnittstelle zwischen Reichsprotektor und der weiter bestehenden tschechischen Bibliotheksverwaltung erhielt Zatschek Informationen über alle entscheidenden 137Siehe zum Brief Rypkas Abschnitte V und VII, Nr. 5 (Druck). 138Zdeněk Kalista, Po proudu života [Im Strom des Lebens] 2 (Brno 1996) 486. 139H.Z. wurde zum Kommissar der tschechischen philosophischen Fakultät ernannt und beteiligte sich an der Inventarisierung ihres Eigentums und ihrer Einrichtungen […]. Damals verwaltete ich das Seminar für historische Hilfswissenschaften. H.Z. und ich benahmen uns zurückhaltend, er fast passiv. So soll er sich auch in den anderen Instituten benommen haben, und ich weiß, dass der Dekan der tschechischen philosophischen Fakultät Prof. Dr. Jan Rypka es für angebracht hielt, ihm schriftlich zu danken. AAVČR, Ústřední archiv ČSAV 63/74, Vojtíšek an Gerda Blaschej 25.03.1966, 16. Zatscheks Freundlichkeit gegenüber den tschechischen Kollegen sollte nicht überbewertet werden. Am 17.11.1942 bat er etwa den deutschen Dekan Erich Hofmann bei Herrn Dekan R i p k a die Uebergabe des hilfswissenschaftlichen Apparats Prof.Dr. Vojtišeks erwirken zu wollen. Die in Eisenschränken aufbewahrte Sammlung ist nicht mit dem Büchereigentum des ehemaligen tschechischen historischen Seminars in unseren Besitz übergegangen; wo sie sich jetzt befindet, ist unbekannt. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 833. Das paläographische Material aus dem Seminar der historischen Hilfswissenschaften war in einem Hause in der Trojangasse untergebacht, wie Hofmanm und Zatschek aus einem Schreiben vom 02.12.1942 erfuhren. AAVČR, Of HeZ, Inv.-Nr. 584. 140Vgl. Robert Luft, Das Bibliothekswesen in Böhmen und Mähren während der nationalsozialistischen Herrschaft 1938–1945, in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 30 (1989) 295–342, hier 328f., und das Schreiben des Reichsprotektors an Zatschek vom 10.01.1940: AAVČR, Of HeZ, Nr. 603. Im November 1940 wurde Josef Becker zum „deutschen Kommissar der National- und Universitätsbibliothek und der Bibliothek der Technischen Hochschulen in Prag“ eingesetzt, einige Agenden wurden aber trotzdem von Zatschek weitergeführt. – An Hirsch schrieb Zatschek am 12.01.1940: […] ich bin Kommissar der tschechischen philosophischen Fakultät und die Universitätsbibliothek sowie die der technischen Hochschulen sind mir unterstellt. Nach etlichen Besprechungen habe ich heute übernommen und werde bestrebt sein, die Schäden gutzumachen, die das Deutschtum erlitten hat, und zu verhindern, dass Beamte aus dem Altreich mit Riesengehältern hergesetzt werden und die armen deutschen Beamten, die am Hungertuch nagen, wieder in zweite Reihe gedrängt werden. Es mag genügen, dass dieser unerträgliche Zustand an den Hochschulen eingeführt worden ist. […] ich komme zweifellos mit den Kräften des Protektorats und Sudetengaues aus. IÖG, Archiv, NL HH. 712 Karel Hruza Angelegenheiten141. In der Bibliothek ließ Zatschek im Frühjahr 1940 in verhältnismäßig problemloser Zusammenarbeit mit dem verbliebenen tschechischen Generaldirektor Jindřich Hrozný eine „erfolgreiche“ Generalrevision aller Abteilungen durchführen und mittels einer Generalreklamation ausgeliehene und wegen der Bibliotheksschließung noch nicht zurückgestellte Bücher zurückfordern sowie akribisch nach unauffindbaren Büchern fahnden. Ebenso wurde eine Reorganisation der Bibliothek vollzogen142. Die Generalrevision diente freilich zuvorderst politischen und Zensurzwecken: Zatschek schuf die Abteilung „Unter Verschluß“ für „verbotene Werke“, die vom Wiener Franz Stuchlik geführt wurde, der sich als fleißiger Informant des SD entpuppen sollte. Die Abteilung übernahm und verzeichnete „unerwünschtes und schädliches Schrifttum“ der Bibliothek und schloss im Februar 1941 ihre Tätigkeit ab143. Die Bibliothek war für Tschechen seit dem Januar 1940 „zugänglich“: Sie mussten bei Zatschek persönlich Passierscheine beantragen, die nach Prüfung von ihm ausgestellt wurden. Bei bestimmten „Problemen“ mit verbotener Literatur holte sich Zatschek Rat von seinem Wiener Freund und „Kollegen“ Heigl, der zwischenzeitlich zum Generaldirektor der dortigen Nationalbibliothek ernannt worden war und ihm nahe legte, lieber schärfer als milder vorzugehen144. Klage führte Zatschek über das sich in 141Er war informiert über: Zwangspensionierung jüdischer Mitarbeiter, Beibringung der Abstammungs­ erklä­rungen aller Mitarbeiter, Vernichtung von Bildern, Büsten u.ä. von Persönlichkeiten, die an dem Auf­bau der ehem. Tschechoslovakei beteiligt waren, und andere Maßnahmen des deutschen Besatzungs­regimes. AAVČR, Of HeZ, Nr. 789. 142Vom 11.01. bis zum 30.03.1940 wurde unter Hrozný die „Generalrevision“ durchgeführt und der achtseitige Schlussbericht vom 24.05. auch an Zatschek gesandt. Die Initiative ging von deutschen Protektoratsstellen aus. AAVČR, Of HeZ, Nr. 789. 143Siehe den Schriftverkehr: AAVČR, Of HeZ, Nr. 789, und vgl. Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 98 und 120, Anm. 63–65. Am 15.07.1940 schrieb SS-Sturmbannführer Martin Wolf vom SD-Leitabschnitt Prag an Zatschek u. a.: SS-Gruppenführer Frank brachte […] zum Ausdruck, daß eine Wiedereröffnung der Bibliothek für die Öffentlichkeit erst dann erfolgen darf, wenn der gesamte Buchbestand der Bibliothek von deutschfeindlichem Schrifttum gesäubert ist. Eventuellen Argumenten, mit denen Oberdirektor Hrozný eine Sonderabteilung (z. B. Nationalbibliothek) von der Säuberung ausnehmen will, ist nicht stattzugeben. […] Ich bitte Sie, […] unverzüglich dem Oberdirektor Hrozný die Anordnung zu geben, […] sofort mit der Säuberung des ihnen unterstehenden Buchbestandes zu beginnen. Die Abteilungsleiter scheiden […] das deutschfeindliche Schrifttum […] aus und legen es täglich dem Pg. Stuchlik zum endgültigen Entscheid vor. […] Auszuscheiden ist: 1./ Das gesamte marxistische Schrifttum, 2./ sämtliche Schriften von und über Beneš, 3./ das gesamte Legionärsschrifttum, 4./ jüdisches und zersetzendes Schrifttum […], 5./ die gesamte reichsund deutschfeindliche Literatur. AAVČR wie oben. 144Am 26.09.1940 schrieb Zatschek an Heigl u. a.: Vermutlich ist die Kunde an Ihr Ohr gedrungen, dass mir seit Jahresbeginn die National- und Universitätsbibliothek und die Bibliothek der technischen Hochschulen in Prag als Kommissar unterstellt sind. Und in dieser Eigenschaft bitte ich Sie um eine Auskunft. Es haben auch alle wissenschaftlichen Büchereien im Protektorat die Weisung erhalten, das französische und britische (sic!) schöngeistige Schrifttum auf Kriegsdauer unter Verschluss zu stellen [Schreiben des Reichsprotektors vom 21.08.1940, am 02.09. vom tschechischen Ministerium als Erlass publiziert. AAVČR, Of HeZ, Nr. 789; vgl. auch Luft, Bibliothekswesen (wie Anm. 140) 314.]. Ich möchte nun gerne wissen, wie Sie die Grenze zwischen dem freigegebenen klassischen und dem schöngeistigen Schrifttum gezogen haben. Hier äussert so ziemlich jeder eine andere Auffassung und ich möchte gerne, dass die Dinge hier genau so geregelt werden wie in den grossen deutschen Büchereien. Ich könnte nicht sagen, dass mich dieses Kommissariat mit grosser Begeisterung erfüllt Heinz Zatschek (1901–1965) 713 großer Mehrheit befindende tschechische Personal, dem er grundsätzlich misstraute und das schließlich Deutschkurse zu absolvieren hatte. An der Ausbildung der Bibliothekare wollte er persönlich mit zwei Veranstaltungen teilnehmen145. Zatschek wird allerdings kaum geahnt haben, dass sein Mitarbeiter und Mitglied der NSDAP Stuchlik als Pg. St. dem SD ausführliche Berichte über die angeblich untragbaren Zustände in der Bibliothek überbrachte, in denen Zatscheks Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem tschech(ischen) Chauvinistenklüngel als sehr schwach charakterisiert wurde146. Stuchliks Wertungen vermochten freilich nicht Zatscheks guten Ruf beim Prager SD zu ruinieren147. In welchem Maß Zatschek in die Enteignung von Bibliotheken aus jüdischem Eigentum involviert war, muss vorläufig offen bleiben148. hätte, ich habe die Universitätsbibliothek mit 150 tschechischen und 5 deutschen Angestellten übernommen […] Bei Jahresschluss hoffe ich in dem Verhältnis der Konzeptsbeamten eine entschiedene Stärkung des deutschen Anteils durchgeführt zu haben, deutsche Diener zu bekommen, ist aussichtslos. Wer hätte gedacht, dass ich noch einmal meine Erfahrungen in Wien [als Volontär der dortigen UB] würde verwerten können. Heigl antwortete am 03.10.1940 u. a.: […] Nun zu Ihrer Frage! Da wir derartige Weisungen bisher nicht erhielten, nehme ich an, dass der Tschechen wegen im Protektorate Verschärfungen eingesetzt haben. Ich gebe englisches und französisches, schöngeistiges Schrifttum, das seit 1933 erschienen ist, nicht aus, ausser zu amtlichen Zwecken. […] Natürlich sind von dieser Sperre alle jene Werke ausgeschlossen, die […] im Reich erschienen sind. Frei sind alle Ausgaben der französischen und englischen Klassiker mit Ausnahme jener, die von Juden besorgt wurden oder die, seit 1933 erschienen, allenfalls in den Einleitungen eine Kritik des Reiches enthalten. Im übrigen sind ja auch in der vom Reichspropagandaministerium herausgebrachten „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ […] Namen von Franzosen vor allem aufgeführt, deren Werke […] unter Sperre zu halten sind. […] Diese Liste ist vor allem deshalb wichtig, weil in ihr auch die zu sperrenden vor 1933 erschienenen Werke der französischen oder englischen Ma[r]xisten und Juden aufgeführt sind. Damit hoffe ich, Ihnen aus unserer Praxis einige Hinweise gegeben zu haben, die Ihnen genügen. Ich glaube nur, dass Sie lieber schärfer als milder vorgehen sollen – den tschechischen Benützern gegenüber. ÖNB Archiv, 1093/1940 (für den Hinweis auf diesen Briefwechsel danke ich Christina Köstner). 145Mit den Fächern Bücherkunde und Quellen zur deutschen Geschichte und Schriftkunde. AAVČR, Of HeZ, Nr. 790. 146Siehe den sechsseitigen anonymen, höchstwahrscheinlich von Stuchlik (da es größtenteils um dessen Amtseinführung geht) verfassten Bericht an den SD-Leitabschnitt Prag, z.H. SS-Sturmbannführer Wolf vom 05.06.1940. Der Verfasser gab an, weitere Berichte abliefern zu wollen. NA Praha, ÚŘPST 109-4-1403. 147Einem am 15.07.1940 erstellten Protokoll einer Besprechung zwischen Frank und weiteren Mitgliedern der SS bzw. des SD vom 29.06. ist u. a. zu entnehmen: Von hier aus [SD] wurde festgestellt, dass die kommissarische Leitung auch sonst bestimmte deutschfeindliche Zustände in der Universitätsbibliothek bisher nicht beseitigen konnte. Dr. Reinhold meinte, dass dieses nicht auf Schwäche, sondern auf starke Belastung des kommissarischen Leiters Prof. Dr. Zatschek zurückgehe. NA Praha, ÚŘP-ST 109-4-1403. 148Von Interesse ist etwa ein Schreiben Dr. Reinholds vom Büro des Reichsprotektors an Zatschek vom 15.07.1940: In der Anlage übersende ich Ihnen […] eine Aufzeichnung über die Bibliothek der jüdischen Kultusgemeinde in Prag […] und möchte hierzu folgendes mitteilen: Die genannte Bibliothek ist im vorigen Jahre von der Geh. Staatspolizei geschlossen und versiegelt worden; sie befindet sich aber noch im jüdischen Rathaus in der Maiselova. Eine Entscheidung über die künftige Verwendung […] ist bisher nicht getroffen worden. Ich halte es aber für dringend notwendig, baldigst die Frage zu prüfen, ob sich die Erwerbung dieser Bibliothek für die N(ational-) u(nd) U(niversitäts-) Bibl. oder für ein Institut der Deutschen Karls-Universität empfiehlt und möchte hierbei zugleich der Überzeugung Ausdruck geben, dass diese Bibliothek nach Möglichkeit in Prag verbleiben sollte. Es 714 Karel Hruza Ende Juli 1940 unterbreitete Rektor Wilhelm Saure, Mitglied der SS, Staatssekretär K. H. Frank den Vorschlag zu einer geschichtlich-politischen Tagung über die deutschtschechische Frage, die zwischen dem 28. und 30. September 1940 in der Schulungsburg Podiebrad stattfinden sollte. Zatschek bat er, über Das Werden des deutschen Volkstums in Böhmen und Mähren, und zwar bis zur Gegenwart, zu referieren. Als Teilnehmer für die in den Oktober verlegte Tagung hatten sich sowohl Reichsprotektor Neurath als auch sein Staatssekretär angesagt149. Eine „nationalpolitische Tätigkeit“ als Historiker entfaltete Zatschek zudem als Mitglied der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft (SODFG)150. Abb. 42: Heinz Zatschek (rechts) am 30.11.1940 bei einer Promotion in der kleinen Spiegelkapelle des Klementinums in Prag Mitten während seines Sommerurlaubs in Eisenstrass (Hojsova Stráž) im Böhmerwald erhielt Zatschek die Kunde vom plötzlichen Tod Hirschs am 20. August 1940 in Wien151. Damit schien Zatscheks alter Wunsch erneut am Horizont auf, in der Nachfolge handelt sich um eine rein wissenschaftliche Bibliothek. […] Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Ihre Stellungnahme […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 790. 149Saure an Zatschek am 01.08.1940. AAVČR, Of HeZ, Nr. 511. Vgl. Stanislav Šisler, Vznik a formování nacistického „slovanského bádání“ v Praze v letech 1940–1943 [Entstehung und Formierung der nazistischen „slawischen Forschung“ in Prag in den Jahren 1940–1943], in: Český Lid 78 (1991) 261–271, hier 261. – Zatscheks Vortrag wurde gedruckt in: ZSG 4 (1940) 241–257. 150Siehe Abschnitt IV. 151Brunner informierte am 21.08.1940 Zatschek in einem Telegramm (das dieser am 22.08. erhielt): Prof. Hirsch gestorben Beisetzung Freitag [23.08.] 10h Wien. Gleichzeitig schrieb Brunner am 22.08. in einem Brief u. a. Wie du weißt, trifft uns Hirschens Tod im Moment einer Existenzkrise des Instituts, denn die „Reichsunmittelbarkeit“ ist leerer Schall, wenn uns die Prüfungsbefugnis ge- Heinz Zatschek (1901–1965) 715 Hirsch als Historiker in seiner Heimatstadt Wien arbeiten zu können152. Weil Zatschek zudem in Prag in Konflikte mit Rektor Otto geraten war und sich auch von dessen seit Januar 1940 amtierenden Nachfolger Saure nicht hoch genug geschätzt fühlte, ergriff er gern die Gelegenheit zu einer Rückkehr nach Wien. Die ganze Berufungsangelegenheit sollte – wie zu erwarten war – von etlichen Gerüchten, Verdächtigungen und Missverständnissen begleitet werden. In dem von der Wiener Philosophischen Fakultät eingesetzten Berufungsausschuss, der die Vorschlagsliste für die Professur nach Hirsch und für die IÖG-Direktion auszuarbeiten hatte, herrschte wohl Einigkeit, dass für die Neubesetzung der Hirsch-Professur wegen deren Ausrichtung nur ein renommierter Mediävist und Hilfswissenschaftler bzw. Editor in Betracht kommen konnte, so dass sich Zatschek als enger Mitarbeiter Hirschs und der MGH – und im Übrigen auch als überzeugter Nationalsozialist – berechtigte Hoffnungen auf die Übernahme machen durfte. Die Stelle des Institutsdirektors jedoch sollte, vor allem gemäß der Forderung Srbiks, Präsident der ÖAW, und Ludwig Bittners, Direktor des HHStA, mit einer Person besetzt werden, die wegen des Charakters des Instituts als Archivschule über dementsprechende Erfahrung verfügte, so dass später im Bericht des Dekans an den Berliner Reichsminister zu lesen war: Sein [IÖG] Zweck, als Archivschule zu dienen, erfordert einen im Archivwesen erfahrenen Leiter, daneben muss am Institut auch ein Gelehrter tätig sein, der im Stande ist, die Mitarbeit an den „Monumenta Germaniae“ weiterzuführen. Diesen doppelten Aufgaben würde am besten eine Lösung gerecht werden, die den gegenwärtigen ao. Prof. Dr. Otto Brunner unter Ernennung zum o.Prof. mit der Leitung des Instituts betraut […]153. Im Hintergrund dieses Vorschlags stand sicher auch der Wunsch, Brunner eine ordentliche Professur und die Institutsleitung zu verschaffen. Auch deswegen dürfte sich innerhalb des Ausschusses beträchtlicher nommen u(nd) der Kurs so eingeschränkt wird, daß eine volle wissenschaftliche Ausbildung nicht mehr möglich ist. Wie wird sich schließlich das Verhältnis zu den Monumenten gestalten? […] Du weißt, wie sehr ich stets mit Dir gerechnet habe u(nd) auch Hirsch hat in Dir seinen Nachfolger [in der Professur für Historische Hilfswissenschaften] gesehen. Das sagte er mir noch in unserm letzten Gespräch mit Hinweis auf Dein neues Buch. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Zatschek konnte nicht mehr zur Beerdigung nach Wien kommen und entschuldigte sich noch am 22.08. beim Wiener Rektor. Ebd., Nr. 468; UAW, PA Hans Hirsch. Seinem Lehrer widmete Zatschek einen Nachruf und zwei Porträts: Heinz Zatschek, Hans Hirsch – Der Gelehrte und sein Werk, in: ZSG 4 (1940) 213–216; ders., Hans Hirsch (1878–1940), in: Große Österreicher 12 (Neue Österreichische Biographie ab 1815, Zürich/Leipzig/Wien 1957) 194–204; ders., Hans Hirsch, in: NDB 9 (Berlin 1972) 214f. 152Schon am 30.11.1939 hatte ihm Brunner geschrieben: Deinen Wunsch, hierher zurückzukehren, verstehe ich sehr gut. Schließlich ist es ja auch nicht mehr allzu lange hin, bis in Wien erhebliche Veränderungen eintreten. Wenn die Hirsch-Nachfolge einmal akut wird, bis[t] ja doch Du der einzige in Frage kommende Mann. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Zur Hirsch-Nachfolge siehe auch – mit anderen Akzenten – Stoy, Institut (wie Anm. 13) 242–254. 153Bericht des Dekans Viktor Christian an Reichsminister Bernhard Rust vom 17.12.1940. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A. – Zum IÖG und den MGH siehe PferschyMaleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 436f.; zur damaligen Situation auch Gernot Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichtswissenschaft und der Nationalsozialismus, in: Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945, hg. v. dems., Siegfried Mattl, Sebastian Meissl, Edith Saurer, Karl Stuhlpfarrer (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 43, Wien 1989) 39–76, hier 50–54. 716 Karel Hruza Widerstand dagegen formiert haben, Zatschek die Machtfülle eines Lehrstuhlinhabers und eines Institutsdirektors zuzuweisen154. Hinzu kam, dass Zatschek nicht mehr als vorderster Kandidat Hirschs für die Institutsdirektion gelten konnte: Mayer berichtete mehrmals, Hirsch hätte ihm kurz vor seinem Tod anvertraut, er würde Brunner vor Zatschek den Vorzug als sein Nachfolger am Institut geben155, und auch Zatschek selbst teilte Srbik mit, Brunner sei Hirschs erste Wahl156. Interne Entscheidungen in Wien dürften sehr schnell, vermutlich noch im September 1940, getroffen worden sein mit dem Wunsch nach zwei ordentlichen Professuren (Brunner und Zatschek), einer außerordentlichen (Karl Pivec) und dem Bestreben im Hintergrund, das IÖG weiterhin als selbständige Archivschule zu erhalten157. Hierbei spielte der Ausschussvorsitzende Srbik eine entscheidende Rolle, der mit den Kandidaten korrespondierte, diesen einen durchdachten Plan vorlegte und um Zustimmung warb, bevor in der Fakultät offiziell verhandelt wurde. Zatschek wurde so in bestimmten Bereichen vor vollendete Tatsachen gestellt und stimmte ungewöhnlich devot zu158. In zwei Sitzungen am 30. November und am 14. Dezember 1940 tagte der Berufungsausschuss und legte, dem Berichterstatter Srbik folgend, seine Vorschlagsliste vor. Am 3. Januar 1941 übermittelte der Rektor die Wiener Wünsche, die auch von politischer Seite, nämlich vom Dozentenbundsführer Arthur Marchet wärmstens befürwortet wurden, an das REM159: Zatschek wurde primo et aequo loco neben Santifaller gereiht und letztlich „nur“ als Lehrstuhlvertreter berufen und stand plangemäß auch der MGH-Diplomata-Abteilung am IÖG vor160. Mit der kommissarischen Direktion des 154Wertvolle „Insider-Informationen“ zur Nachfolge Hirsch enthält der Briefwechsel des AusschussMitglieds Bauer mit Mayer von 1940, der hier jedoch aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden kann. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Siehe dazu auch Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 437f. 155Theodor Mayer, Probleme der österreichischen Geschichtswissenschaft, in: Alteuropa und die moderne Gesellschaft. FS für Otto Brunner (Göttingen 1963) 346–363, hier 357, und ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Siehe dazu jedoch die Aussage Brunners vom 22.08.1940 in Anm. 151. 156Brief vom 12.10.1940, siehe Abschnitt VII, Nr. 7. 157Siehe die Korrespondenz in Abschnitt VII, Nr. 6–8. Zur gefährdeten, letztlich bewahrten Selbstständigkeit des IÖG siehe Othmar Hageneder, Eine Existenzkrise des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung im Jahre 1940?, in: MIÖG 112 (2004) 399–411. 158Siehe Srbiks aufschlussreichen Brief an Zatschek vom 10.10.1940 und Zatscheks Antwort vom 12.10. in Abschnitt VII, Nr. 6f. 159Dem Ausschuss gehörten an: Bauer, Bittner, Fritz Knoll (Rektor), Marchet, Srbik. Siehe Srbiks Bericht im Ausschuss vom 30.11.1940 in Abschnitt VII, Nr. 8, über den nochmals am 14.12. beraten wurde, sowie den am 03.01.1941 vom Rektor Knoll abgeschickten Bericht des Dekans an Reichsminister Rust vom 17.12.1940. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A. 160Dass Zatschek nach Wien wechseln würde und dort die MGH Diplomata-Abteilung leiten würde, war am 18.12.1940, also nur vier Tage nach der Fakultätssitzung vom 14.12., bekannt, da Heinrich Fichtenau an Zatschek schrieb: Hochgeehrter Herr Professor, da es mir nicht vergönnt war, Sie bei der Trauerfeier für Prof. Hirsch sprechen zu können, möchte ich Ihnen als meinen künftigen Chef und Lehrer schriftlich sagen, wie sehr ich mich auf eine künftige Zusammenarbeit unter Ihrer Leitung freue. Der frische Zug wird ja wohl besonders der Konradausgabe zugute kommen [folgt Bericht über Stand der Arbeiten an den Konrad III.-Diplomen]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 122. Siehe Heinz Zatschek (1901–1965) 717 IÖG war freilich bereits im September Brunner beauftragt worden, der als jahrelanger Mitarbeiter des HHStA entsprechende Berufserfahrung vorweisen konnte, aber erst im April 1942 zum (ordentlichen) Direktor ernannt werden sollte161. Insgesamt durchaus überraschend erscheinen bei diesen Angelegenheiten nicht nur das schnelle Handeln, sondern auch die Kompetenz und die Unabhängigkeit der Wiener Fakultät bzw. ihres Ausschusses bei der Entscheidungsfindung. Man wollte vor möglichen Eingriffen von außen (Berlin) die Sache in Wien selbst regeln und alle (?) eigenen Kandidaten (Brunner und Pivec) im Vorschlag unterbringen, bevor die „offiziellen“ Verhandlungen beginnen würden. Da der Dozentenbundsführer vor Ort, Marchet, dieses Vorgehen unterstützte, konnte es auch gelingen. Aus den Akten ergeben sich zwar die Namen der Ausschussmitglieder, die gegen eine zu große Machtfülle Zatscheks auftraten, so etwa Bittner und Srbik, seine Befürworter jedoch bleiben im Dunklen162. Wahrscheinlich wurde er zuerst im Wiener Ausschuss motu proprio in Aussicht genommen und kaum von äußeren politischen Stellen nominiert. Die definitive Entscheidung jedoch wurde in Berlin getroffen, wohin Zatschek zu einem Gespräch eingeladen wurde163, um daraufhin nach Wien „berufen“ zu werden: In Verfolg der in meinem Auftrage mit Ihnen geführten Verhandlungen ersuche ich Sie, vom 1. April 1941 ab den durch das Ausscheiden des Professors Hirsch in der Philosophischen Fakultät der Universität Wien freigewordenen Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters und für Hilfswissenschaften bis zur endgültigen Berufung vertretungsweise wahrzuauch Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 438. Santifaller dagegen war vermutlich schlecht informiert, denn noch am 22.06.1941 schrieb er an Zatschek: Aus der Absenderadresse [Zatscheks] auf dem Umschlage ersehe ich, dass Du in Wien bist; ich habe bisher darüber nichts gelesen – es muss mir wohl entgangen sein. AAVČR, Of HeZ, Nr. 359. 161Siehe Jütte, Ständestaat (wie Anm. 73) 246f., der aber indirekt meint, Brunner sei auch Hirschs Nachfolger in der Professur geworden. Wie Zatschek wurde Brunner 1941 zum ordentlichen Professor ernannt. 162Falsch ist wohl die Aussage bei Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 383: „Brunner hat für Hirsch als Vertreter der hilfswissenschaftlichen Fächer noch 1941 Heinz Zatschek gewonnen […].“ Zu fragen wäre bei der Berufung beispielsweise nach dem Einfluss des NSD-Dozentenbundsführers Marchet. Zatschek selbst gab später den Hinweis, ein Eingreifen Stengels mit der Drohung, bei einer Missachtung Zatscheks die Wiener Diplomata-Abteilung nach Berlin zu transferieren, sei das entscheidende Moment bei seiner Berufung gewesen, siehe Anm. 193. – Ein interessantes Detail berichtet Srbik in seinem Brief vom 22.01.1941 an Bauer, über dessen Verhalten er wegen Außerachtlassung der kollegialen und freundschaftlichen Rücksicht […] irritiert war: Im vergangenen Jahr hast Du, ohne mich als Referenten zu verständigen, den Herrn Dekan um Verschiebung der Nachfolgefrage nach Hirsch mit Rücksicht auf Brunner gebeten, – ein Verfahren, das sich nachträglich als nutzlos und nur als Verzögerung der Besetzung […] herausgestellt hat. Siehe Srbik, Korrespondenz (wie Anm. 87) Nr. 337. 163Der zuständige Referent im REM, Prof. Dr. Heinrich Harmjanz, schrieb am 22. Januar 1941 an Zatschek: Ich beabsichtige, Sie meinem Herrn Minister [Rust] auf den Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters an der Universität in Wien zum 1.4.41 zu berufen. Ich bitte Sie daher, zu Berufungsverhandlungen am 12.II.41, vormittags 11 Uhr zu mir ins Ministerium zu kommen. AAVČR, Of HeZ, Nr. 602. Über die Einladung informierte Zatschek am 30.01. Srbik. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40. In Berlin konnte Zatschek nicht alle Belange vollständig klären, wie er Brunner am 15.02. mitteilte. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Danach verhandelte Zatschek mit der Wiener Fakultät und stellte Forderungen. Schreiben des Dekans vom 20.02.1941. Ebd., Nr. 586. 718 Karel Hruza nehmen164. Dass Zatschek dem Reichsministerium auch aus politischen Gründen als der beste und daher einzusetzende Kandidat für Wien galt, ist sehr wahrscheinlich. Er wäre somit vom Wiener Berufungsausschuss nicht zu umgehen gewesen, wobei das Bild durchscheint, dass er in diesem nicht als erster Wunsch-, sondern lediglich als ein hinzunehmender, weil kaum zu umgehender Kompromisskandidat galt. Zatschek korrespondierte im Herbst 1940 auch mit dem Präsidenten des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde (MGH) Stengel und konnte diesem sein neues Buch „Wie das erste Reich der Deutschen entstand“ zusenden; ein persönliches Gespräch wurde für die „Gedächtnisfeier“ für Hirsch im Dezember vereinbart und kam auch zustande165. Die Modalitäten der Mitarbeit Zatscheks an den MGH-Editionen wurden schließlich im Sommer 1941 schriftlich vereinbart166. Aber nicht nur bei den MGH, auch bei den Regesta Imperii, dem anderen ehrwürdigen (damals nur in Wien ansässigen) Editionsunternehmen für mittelalterliche Quellen, zog Zatschek eine Führungsposition an sich. Obwohl Srbik nominell Vorsitzender des Regestenausschusses, also der 1931/39 eingerichteten „Kommission für die Neubearbeitung der Regesta Imperii“ der ÖAW, blieb, bekam Zatschek als Nachfolger auf der Lehrkanzel Hirsch […] die tatsächliche Leitung der Regesta Imperii übertragen167. Er unterstützte nachfolgend die schließlich erfolgreichen Bemühungen seiner Wiener Kollegen, die Versuche Stengels, seinen Einfluss auf die Regesta Imperii auszuweiten, zu vereiteln und nahm an den organisatorischen Aufgaben regen Anteil168. 164So am 11.03.1941 Harmjanz an Zatschek. AAVČR, Of HeZ, Nr. 601. 165Schreiben Stengels an Zatschek vom 14. und 26.11.1940. AAVČR, Of HeZ, Nr. 599. Stengel, der mit Zatschek seit Jahren korrespondierte, machte keine Bemerkungen zur Hirsch-Nachfolge, doch schien ihm Zatschek als Hirsch-Nachfolger festzustehen. 166Siehe Abschnitt IV. 167Schreiben Srbiks an Paul Kehr vom 13.03.1942. ÖAW, IMF, Regesta Imperii, Akten. Am 26.04.1941 hatte Srbik an Zatschek geschrieben: Ich bitte Sie sehr angelegentlich im Namen des Regestenausschusses der Akademie, die Leitung der Regesta Imperii, soweit sie Sache der Akademie ist, zu übernehmen […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 406. In die Regesten-Kommission wurde Zatschek am 11.06.1941 in einer Sitzung der philosophisch-historischen Klasse der Akademie berufen und zu Kommissionssitzungen eingeladen. Schreiben des Sekretärs an Zatschek vom 12.06. und entsprechende Einladungsschreiben. Ebd., Nr. 1. 168Zatschek schrieb am 18. [richtig 19.] 06.1941 an seine Frau in Prag u. a.: Gestern [18.06.] war im Institut [IÖG] eine sehr heitere Sitzung der Kommission für die Neubearbeitung der Regesta imperii. (Redlich, Dopsch, Srbik, Brunner, kurze Zeit auch Bauer, und ich). Behalte es für Dich, aber Stengel wollte Obmann der Kommission werden und die ganze Sache sichtlich in seine Hände bringen. Er hat einen 8–9 Punkte umfassenden Entwurf an Srbik und Redlich geschickt, und der stand also gestern zur Debatte. Alles völlig unannehmbar, und der alte Redlich hat einige herzerfreuende Worte über diese an sich ja nicht vereinzelte Art des Vorgehens gefunden. Ich habe mich, als der Entwurf verlesen war, zunächst einmal sehr geärgert, denn seine Bedenklichkeit war mir sofort klar, bei der Durchsprache habe ich mich dann reichlich gemeldet, auch dort, wo die anderen unbedenklich waren, ich möchte fast sagen, mit einem gewissen Geschick, das sogar Srbik ein gewisses Schmunzeln herauslockte, und was übrig geblieben ist, erscheint mir harmlos. Zum Präsidenten ist einstweilen Srbik bestellt worden, die Geschäftsführung liegt in meinen Händen, und wenn sich Stengel beruhigt hat und ich ordentliches Mitglied der hiesigen Akademie bin [!], dann fällt diese Stelle unzweifelhaft in meine Hände. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. Der Versuch Stengels, die damals wenig produktive Regesten-Kommission zu übernehmen, gab (u. a.?) Anstoß, einen Heinz Zatschek (1901–1965) 719 In Wien stellte sich Zatschek am 6. Mai 1941 mit einer stark politisierten und antisemitischen Vorlesung vor, die sein im Entstehen begriffenes Buch „England und das Reich“ reflektierte und bei etlichen Zuhörern auf verblüfftes Unverständnis, bei anderen wiederum auf Zustimmung stieß169. Er wollte kämpferisch und „aufklärend“ im Sinne des NS-Regimes wirken, wie er auch dachte, dass bei der IÖG-Direktion ein Wechsel schon sehr hoch an der Zeit gewesen war170. 1962 hat sich eingangs erwähnter „Dr. F. L.“ in seinem Artikel genau an diesen politisierten Vortrag Zatscheks erinnert, dessen Inhalt die damalige Zuhörerin Maria Habacher ebenfalls bestätigt hat171. Zatschek las im WS 1941/42 zudem an der Verwaltungs-Akademie Wien über Deutsche Geschichte einschließlich der Geschichte der [nationalsozialistischen] Bewegung. Der Geschäftsführer der Akademie ließ Zatschek nach Ende der Vorlesungen wissen, dass diese eine allgemeine Begeisterung unserer Hörer für den höchst geschätzten Lehrer bewirkt hat. Das aus den Vorträgen entstandene Buch „Deutsche Geschichte“ ist vollkommen aus einer nationalsozialistischen Auffassung heraus verfasst und bezeugt eindringlich, wie politisiert Zatschek seine damalige Lehre gestaltet hat172. Erwähnenswert ist weiterhin, dass Zatschek sich mit dem zu seiner Unterstützung in den Hilfswissenschaften vorgesehenen, seit 1939 als außerordentlicher Professor in Leipzig lehrenden Pivec – entgegen seiner freudigen Zustimmung im neuen Arbeitsplan zu erarbeiten und sowohl beim REM als auch beim Kaiser-Wilhelm-Institut für Geschichte in Berlin um finanzielle Unterstützung anzufragen. Gemäß einem von Zatschek erstellten Bericht über einen Kommissionsbeschluss vom 24.01.1942 waren folgende Bearbeiter vorgesehen: Fichtenau für Konrad III., der Assistent am historischen Seminar der deutschen Karlsuniversität in Prag Dr. Wilhelm Hanisch für Wenzel, Mathilde Uhlirz für Otto III. und danach Otto II. Die Regesten Friedrichs I. und Heinrichs VI. sollten auf keinen Fall dem Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde […] überlassen werden. Noch nach seinem Fortgang von Wien versuchte Zatschek zu erreichen, dass Hans-Walter Klewitz sowohl die Regesten als auch die MGH-Urkundenedition Friedrichs I. übertragen bekäme. ÖAW, IMF, Regesta Imperii, Akten; StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 185f. 169Eine richtige Antrittsvorlesung hielt Zatschek nicht. An seine Frau schrieb er am 08.05.1941 u. a.: An Kollegen waren Dopsch (!) mit [Erna] Patzelt, Srbik, Brunner, Bauer, Gross, die beiden Althistoriker, unser Kunsthistoriker, [Anton] Pfalz, und die Dozenten [anwesend]. […] Beifall war allerdings keiner. Was der Vortrag wert war, ersah ich vor allem aus dem völligen Schweigen von Brunner. Bauer hat sich mir gegenüber sehr anerkennend ausgesprochen, das Urteil der Patzelt hörte ich von Pfalz, der sich einem grösseren Kreis gegenüber lobend ausliess, die Patzelt sagte mir dann gestern als Urteil Dopschs, die Sache solle sofort und ohne jegliche Aenderung gedruckt werden. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. Bauer schrieb am 26.11.1942 an Zatschek u. a.: Von dem Inhalte Ihres Buches habe ich Bruchstücke schon bei Ihrer Wiener Antrittsvorlesung vernommen und auch damals meine mediaevale Ignoranz zu fühlen bekommen […]. Und auch jetzt sagte mir der erste Blick […] wie viel mir Unbekanntes darin beschlossen liegt. AAVČR, Of HeZ, Nr. 64. 170So am 09.05.1941 an seine Frau. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. 171Zum Artikel siehe Abschnitt I. Frau Dr. Maria Habacher erinnerte sich, über die Vorlesung sehr überrascht gewesen zu sein: Eine dermaßen politisierte Vorlesung über das Mittelalter (Thema war die Feindschaft Englands gegenüber dem Reich) hatte sie bis dahin in Wien nicht gehört. Des Weiteren berichtete Frau Dr. Maria Bechina, dass Zatschek etwa im Gegensatz zu Brunner als politisiert bekannt war. 172Heinz Zatschek, Deutsche Geschichte. Nach Vorträgen an der Verwaltungs-Akademie Wien im Wintersemester 1941/42 2 Teile [Wien 1943/44], dazu auch Abschnitt IV. Zur Vorlesungstätigkeit siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 652. 720 Karel Hruza Brief an Srbik – doch nicht abfinden und gegen diesen Heinrich Fichtenau aufbauen wollte: Mit Zatscheks Unterstützung habilitierte sich Fichtenau im Frühjahr 1942 und übernahm (weiterhin) Arbeiten bei den MGH und den Regesta Imperii173. Bis Zatschek im September 1941 von Hitler (gemäß einer Vorschlagsliste der Universität Prag vom Juni 1940) zum ordentlichen Professor im Reichsdienst ernannt und im Mai 1942 in Wien auf Hitler vereidigt wurde, gelang es Zatschek außer bei den MGH zunächst jedoch nicht, in die wahren Spitzenpositionen einzurücken174. Als schließlich Brunner zum 13. April 1942 zum Kriegsdienst einberufen wurde, vertrat ihn Zatschek als Direktor des IÖG175. Srbik unterbreitete Zatschek sogleich nach dessen Beginn in Wien den Gedanken, ihn zum Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften zu wählen. Diese Wahl hat jedoch nie stattgefunden. Im IÖG hatte Zatschek Zugriff auf die hinterlassenen Briefe und Materialien Hirschs, die er wegen seiner Tätigkeit für die MGH und die Regesta Imperii und wegen des Vorhabens durchsah, nachgelassene Schriften Hirschs zu publizieren – freilich nicht ohne neugierige Blicke in Briefe zu werfen, die ihn selbst und seinen Umkreis tangierten. Seiner Frau Hilde berichtete er im Januar 1942 mehrmals über die dabei vorgefundenen Überraschungen176. Unumwunden gab er dabei zu, aus dem Nachlass einiges Material entwendet zu haben177. Es sollte für Zatschek lediglich ein dreisemestriges und zudem nicht sehr glückliches Gastspiel in Wien werden. War er anfangs noch überzeugt, in Wien zu verbleiben178, litt er bald unter der Trennung von seiner Frau und unter offensichtlichen 173Bedenken gegen Pivec wegen dessen fachlicher Ausrichtung (der Hals über Kopf von den Hilfswissenschaften wegstrebt) teilte Zatschek am 04.11.1941 Brunner mit und favorisierte Fichtenau. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Siehe auch Abschnitt IV. 174Original der vom REM ausgestellten Ernennungsurkunde: AAVČR, Of HeZ, Nr. 1. Siehe auch BAB, R 31/708 HeZ, u. a. Niederschrift über die Vereidigung mit Eidesformel vom 27.05.1942. – Zur Vorschlagsliste vom 24.06.1940 siehe Tobias Weger, „Völkische“ Wissenschaft zwischen Prag, Eger und München. Das Beispiel Josef Hanika, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern (wie Anm. 65) 177–208, hier 190. 175Schreiben des Dekans der Wiener Philosophischen Fakultät vom 17.04.1942 und nachträgliche Genehmigung der Vertretung durch das REM vom 09.06.1942. UAW, Phil. Fak. PA HeZ. 176AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. 177Am 14.01.1942 schrieb er an seine Frau: Sonntag bin ich mit der Durchsicht des Hirschnachlasses fertig geworden und habe manches gefunden, was mich selbst angeht und was ich zu mir genommen habe, so mein Schreiben von 1926, in dem ich mich bereit erkläre, die Supplentur anzutreten, und das Gutachten für mich 1929 für Wien. Neben anderem, das ich nicht aufzähle, auch einen Vortrag von Hirsch über Richard Wagner und das Mittelalter, der glänzend ist und als verloren galt, und noch einen ungedruckten Vortrag. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. Im Prager NL Zatscheks befinden sich etwa zwei Briefe Hirschs an Stengel von 1939 (Durchschlag bzw. Konzept), ebd., Of HeZ, Nr. 412, und 12 Vortragsmanuskripte (ohne Wagner) ebd. 21 Nr. 847–858. – Hirschs Wagner-Vortrag erschien, von Richard Meister besorgt, als Hans Hirsch, Richard Wagner und das deutsche Mittelalter (Wiener wissenschaftliche Voträge und Reden 4, Brünn u. a. 1944). 178Am 03.04.1941 schrieb er an seine Frau: Dass ich in Prag bleibe, glaube ich nicht recht. Und zwar ist es nicht etwa der lokale Einfluss, den ich im übrigen ja nicht ableugne. Die Not nach mir ist hier bestimmt grösser als in Prag, wo man nicht wissen wird, dass Ernstberger primo loco in Jena vorgeschlagen ist, so dass unter Umständen Prag fast Historikerfrei wird. Auch die weitere politische Entwicklung könnte für Wien sprechen. Aber lassen wird das. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. Heinz Zatschek (1901–1965) 721 Zurücksetzungen; er erfreute sich an der Universität und am IÖG anscheinend weder bei den anderen Lehrenden noch bei den Studenten besonderer Beliebtheit, zumal er auch als strenger Lehrer galt179. Dennoch engagierte er sich fleißig, so etwa als Mitherausgeber der MÖIG, in deren Band von 1942 er viele, auch umfangreiche Rezensionen und seinen letzten Bericht zur Urkundenforschung einbrachte, den er sich gut bezahlen ließ, oder indem er an einer neuen Institutssatzung mitarbeitete. In seinem Ordnungssinn ließ er für das IÖG zudem einen neuen „korrekten“ Stempel anfertigen180. Im Frühling 1942 änderten sich Zatscheks Karrieremöglichkeiten jedoch drastisch: Mitte Mai 1942 erhielt der immer noch wohnungslose Zatschek in seiner Wiener Pension vom Berliner REM einen Brief mit gewichtigem Inhalt: Sehr geehrter Herr Professor! Der Herr Reichsprotektor hat mich auf Vorschlag der Universität Prag gebeten, Ihre Rückversetzung von Wien nach Prag in die Wege zu leiten181. Der neue, seit dem 1. Mai 1942 amtierende kommissarische Rektor der Prager Universität Buntru182, Mitglied der SS, hatte sich nämlich energisch um eine Rückkehr Zatscheks und Weizsäckers aus Wien bemüht183. Ausschlaggebend und beschleunigend war sicher auch ein Fernschreiben, das Reinhard Heydrich von Paris aus nach Berlin schickte, 179So schrieb er am 13.06.1941 an seine Frau: Ansonsten kann ich Dir nur beistimmen, nach dem letzten Wiedersehen trägt sich die Trennung viel, viel schwerer als vorher […] Aber ich fühle mich in meiner Arbeitskraft derartig gehemmt und beeinträchtigt, und es geht seit meiner Rückkehr – von zwei Tagen abgesehen – alles so fürchterlich langsam weiter, dass ich alle Lust verloren habe und meinen Entschluss, nach Wien zu gehen, jetzt schon bitter bereue. Dabei kein Mensch, mit dem man reden kann, und beabsichtigte oder nicht beabsichtigte Zurücksetzungen. […] Von 21 Kandidaten zur Staatsprüfung hat sich bis jetzt eine bei mir vorgestellt und den Termin ausgehandelt. Die anderen 20 prüft offenbar Brunner in Mittelalter. Dabei gewinnt er nichts, denn er würde sonst österreichische Geschichte prüfen, die nun Bauer prüfen muss. Ob der etwa dahinter steckt? AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. – Stoy, Institut (wie Anm. 13) 269, führt auf Basis von Zeitzeugen an, dass Zatschek „in Wien nicht akzeptiert“ wurde und als „schwierig“ galt, zudem „versuchte [er] zu politisieren“. Frau Dr. Maria Habacher erinnerte sich dem gegenüber an einen ruhigen, zuvorkommenden und hilfsbereiten Zatschek. 180Der neue Stempel des IÖG trug die Umschrift mit dem neuen Namen „Institut für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien“ und eliminierte aus seinem Vorgänger „Österreichisches Institut für Geschichtsforschung der Universität Wien“ signifikante Worte, siehe die Abbildungen bei Stoy, Institut (wie Anm. 13) vor dem Titelblatt und dazu 259f. Ebd. 255–258 zur Institutssatzung und 294 die Angabe, dass Zatschek für seinen Urkunden-Beitrag vom IÖG 200 RM erhielt. 181AAVČR, Of HeZ, Nr. 601. Die bei Stoy, Institut (wie Anm. 13) 269, gemäß einer Erinnerung Fichtenaus vertretene Ansicht, „daß Zatschek 1942 nach Prag zurückgekehrt ist, weil er von Walter Frank, dem Präsidenten des Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschland mit der Durchführung der Vorarbeiten zum Jubiläum der Prager Universität (1948) beauftragt wurde“, beruht auf der falschen Zuordnung des Namens Frank, hinter dem sich nur K. H. Frank und dessen Wünsche zur Reinhard-Heydrich-Stiftung verbergen können. 182Zu ihm vgl. die Nennungen bei Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31), und Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik [Deutschland]. Staat, Wirtschaft, Armee, Verwaltung, Justiz, Wissenschaft, ([Ost-]Berlin 1965) 302–304. Der Dienstantritt zum 01.05.1942 in: UAP, DU Rektorat A 6. 183Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 130; zu Weizsäckers Rückkehr Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 487f. 722 Karel Hruza um u. a. die aus seiner Sicht sich verschleppende Berufung Zatscheks anzumahnen184. Die Berufung nach Prag zum 1. Oktober 1942 wurde schließlich von Reichsminister Rust am 30. Juni in Gemeinschaft mit dem Reichsprotektor in Böhmen und Mähren vollzogen: Ich verleihe Ihnen in der Philosophischen Fakultät dieser Universität [Prag] die planmäßige Professur für Mittelalterliche Geschichte [!]185. Buntru hatte freilich nicht nur Zatscheks Wirken an der Universität im Blick, sondern war – zusammen mit Beyer – an den personellen Vorbereitungen einer SS-eigenen „Denkfabrik“ anwendungsorientierter und politikberatender Geisteswissenschaft beteiligt: hoch qualifizierte und nationalsozialistisch standfeste jüngere „Wissenschaftler“ sollten in einer geschichtlichen, vom SD kontrollierten SS-Stiftung zusammengezogen werden. Die Stiftung, deren erste Planungen bis 1940 zurückreichten, wurde als „Reichs­ stiftung für deutsch-slawische Forschung“ zu einem Lieblingsprojekt des stellvertretenden Reichsprotektors in Böhmen und Mähren, SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, und später ihm zu Ehren „Reinhard-Heydrich-Stiftung, Reichsstiftung für wissenschaftliche Forschung in Prag“ (RHS) benannt, nachdem er am 4. Juni 1942 an den Folgen eines von tschechischen Widerstandskämpfern verübten Anschlags gestorben war186. Gemäß Heydrich sollte die Stiftung unter anderem dafür sorgen, dass ein „Geschichtsbild herausgestellt wird, das die deutsche Führung in diesem Raum begründet“187. Die schließlich eingerichtete Stiftung fungierte als Dachorganisation für acht, später neun Institute. Als Direktor stand Buntru vor, die eigentliche Aufbauarbeit hatte jedoch Beyer, „Sonderbeauftragter für die slawischen wissenschaftlichen Einrichtungen“ in Prag, geleistet, der noch von Heydrich auserwählt und im Februar 1942 beauftragt worden war und später 184In dem an SS-Oberführer Rudolf Mentzel gerichteten Schreiben heißt es u. a.: Lieber Mentzel! Leider muß ich Sie darauf hinweisen, daß ein Teil Ihrer Mitarbeiter offenbar nicht bereit ist, die Prager Hochschulangelegenheiten in dem von uns besprochenen Sinne und mit der notwendigen Aufmerksamkeit zu erledigen. Das bestätigt den Ihnen szt. übermittelten Eindruck. Ich möchte nicht in die Lage kommen, dem Führer die Dinge melden zu müssen. Ich darf Sie bitten, sich unmittelbar der folgenden Angelegenheiten anzunehmen: […] 3.) Die für die Philosophische Fakultät vorgesehenen Veränderungen kommen offenbar nicht vom Fleck. Ich bitte zu verhindern, daß in den Fällen Pfitzner und Zatschek durch Abwesenheit des Sachbearbeiters und andere Umstände weitere Verzögerungen entstehen. […] UAP, DU Rektorat A 6/3. 185BAB, R 31/708 HeZ, Schreiben des Reichsministers vom 30.06.1942. 186Zum Interesse Heydrichs an der böhmisch-mährischen Geschichte und ihrer Instrumentalisierung für die NS-Herrschaft vgl. Günther Deschner, Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht (Esslingen am Neckar 1977) 244–251; Reinhard Heydrich, Die Wenzelstradition, in: ders., Ein Leben der Tat (Prag 1944) 37–39. Zu Heydrichs rassistischen Plänen einer „Germanisierung“ Böhmens und Mährens siehe Andreas Wiedemann, Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (1942–1945) (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung. Berichte und Studien 28, Dresden 2000) 30– 35; ders., Die Reinhard-Heydrich-Stiftung als Beispiel nationalsozialistischer Wissenschaftspolitik im Protektorat, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern (wie Anm. 65) 157–176, hier 158–161. Siehe auch Anm. 197. 187Aus einem Schreiben Heydrichs an Alfred Rosenberg vom 29.01.1942, zitiert nach Ota Konrád, Geisteswissenschaften an der Deutschen Universität in Prag (1938/39–1945), in: Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit, hg. v. Karen Bayer, Frank Sparing, Wolfgang Woelk (Stuttgart 2004) 219–248, hier 238. Siehe auch Roth, Heydrichs Professor (wie Anm. 131) 297f. Heinz Zatschek (1901–1965) 723 als Generalbevollmächtigter K. H. Franks fungierte. Beyer oblag später zudem die wissenschaftliche Leitung, während als Verwaltungsdirektor Weizsäcker amtierte188. Zum überzeugten Nationalsozialisten Beyer, der offen seine antisemitischen volkstumspolitischen Vorstellungen proklamierte, hatte Zatschek nachweislich erst seit März 1942 brieflichen Kontakt wegen des Vorhabens, jedoch muss zumindest kurze Zeit vorher eine Fühlungnahme geschehen sein, die es Zatschek ermöglichte, sich von Beyer über Interna des Berliner REM informieren zu lassen189. Zatschek versuchte demgemäß, möglichst genau die Lage und seine Aussichten in Prag zu erkunden. Mit Beyer vereinbarte er sowohl eine Zusammenkunft in Prag für Mitte März als auch telefonische Unterredungen. Im Jahr 1942 begegneten sie sich beide als NS-Gesinnungsgenossen und erzielten in bestimmten Angelegenheiten der Prager Wissenschaftspolitik ziemliche Einigkeit – sicherlich maßgeblich zu Zatscheks Vorteil. Beyer erwies sich nämlich als ein entscheidender kompromissloser Organisator im Hintergrund, der – obwohl (noch) nicht Mitglied des Prager Lehrkörpers – in die Struktur und Besetzungspolitik an der Prager Universität eingreifen konnte mit dem Ziel, eine verstärkte volksgeschichtliche und rassistische Ausrichtung im Sinne der SS durchzuführen. Die „Reform“ der Universität sollte als Voraussetzung für die Errichtung der RHS dienen190. Für diese Planungen war Beyer, dessen Lehrstuhl, den er erst seit Januar 1942 innehatte, erst noch von Posen (Poznań) nach Prag verlegt werden sollte, auf die Mitarbeit und das Insiderwissen von Kennern der Prager „Szene“ angewiesen, die zudem politisch 188Eine ausführliche Darstellung der RHS steht noch aus. Grundlegend sind Karel Fremund, Heydrichova nadace – důležitý nástroj nacistické vyhlazovází politiky (Výběr dokumentů), in: Sborník archivních prácí 14/1 (1964) 3–38, bzw. ders., Die Reinhard-Heydrich-Stiftung – ein wichtiges Instrument der faschistischen Ausrottungspolitik in der Tschechoslowakei 1942–1945, in: Informationen über die imperialistische Ostforschung 3 (1965) 1–48, und Šisler, Vznik (wie Anm. 149). Vgl. des Weiteren Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) [ohne Register!], mit wissenschaftspolitischer Einordnung der RHS, aber ohne auf Zatscheks Mitarbeit näher einzugehen, und 111 das Resümee: „Die Akteure der Stiftung lieferten durch ihre Grundlagenforschung Ergebnisse, die bei der geplanten endgültigen Eindeutschung des als ‚geeignet‛ erscheinenden Teils der tschechischen Bevölkerung und der Aussiedlung des anderen Teils zum Tragen kommen sollten.“ Alena Míšková, Rassenforschung und Oststudien an der Deutschen (Karls-) Universität in Prag, in: Erzwungene Trennung. Vertreibung und Aussiedlung in und aus der Tschechoslowakei 1938–1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Detlef Brandes u. a. (Veröff. der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission 8, Essen 1999) 39–53; dies., Německá univerzita (wie Anm. 31) 222f.; dies., Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 133–135; Roth, Heydrichs Professor (wie Anm. 131). 189Siehe etwa das Schreiben Beyers an Zatschek vom 28.02.1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 69. Der erste Kontakt zwischen Beyer und Zatschek ist für 1937 nachweisbar, siehe den Brief Beyers vom 02.11.1937. AAVČR, Of HeZ, K.7 Nr. 584. Ein engerer Kontakt oder sogar Freundschaft zwischen beiden dürfte dagegen – so der Ton der Korrespondenz – bis 1942 nicht geherrscht haben. 190Siehe Roth, Heydrichs Professor (wie Anm. 131) 294–303, etwa 298: „Der stellvertretende Reichsprotektor und sein Berater [Beyer] einigten sich [im Frühjahr 1942] darauf, die […] Übernahme des Projekts ‚Reichsstiftung für deutsch-slawische Forschung‛ solange zurückzustellen, bis die Deutsche Karls-Universität personalpolitisch den Kriterien einer interdisziplinär arbeitenden ‚Volkstumsforschung‛ entsprach und von einem SD-loyalen Kader von Hochschullehrern beherrscht wurde.“ 724 Karel Hruza konform mit den Planungen der SS gingen. Zatschek erschien hierfür anscheinend als einer der richtigen Männer und war deswegen seit dem März 1942 wesentlich in die ersten konkreten Planungen für die Stiftung eingebunden; er gehörte so von Anbeginn an zum Führungskern der späteren RHS um Beyer und dürfte eigene Vorstellungen eingebracht haben191. Das alles bedeutete für Zatschek aber, dass er die eigene wissenschaftliche Infrastruktur in Prag längerfristig mitgestalten konnte und nicht wie in Wien vor vollendeten Tatsachen stand. Zatschek erhörte also einen „kurzen Appell“ Heydrichs192, brach im Juli seine Zelte in Wien rigoros ab und folgte dem Ruf nach Prag. In Wien machte er noch seinen Einfluss in seiner eigenen Nachfolgefrage geltend193. Mayer fand für Zatscheks Abgang eher pessimistische Worte: Wie nun die Berufung auch gehen mag, vom Standpunkt des Wiener Instituts aus bedauere ich Ihren Weggang sehr. Ich weiss nicht, wie die 191Siehe den Brief Beyers an Zatschek vom 05.03.1942 in Abschnitt VII, Nr. 10. Aufschlussreich ist in Beyers eigenem Vorschlag für neue Prager Professuren die deutlich volkgeschichtlich und rassistisch ausgerichtete Zielsetzung, zudem aber auch das Extraordinariat für Mährische Geschichte oder die Umwandlung des Extraordinariats Mittelalterliche Geschichte und Hilfswissenschaften in ein Ordinariat. Zatscheks erbetene Antwort dürfte mündlich erteilt worden sein. Die Ergebnisse dieser Kontakte könnten in das von Beyer spätestens Ende April 1942 vorgelegte, nicht erhaltene erste Konzept der Stiftung eingeflossen sein, siehe Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 264. 192Walter Jacobi schrieb an K. H. Frank, dass „… ein durch den Hochschulbeauftragten von SSObergruppenführer Heydrich den bewährten Professoren Zatschek und Weizsäcker in Wien übermittelter kurzer Appell genügte, beide zur freudigen Rückkehr nach Prag zu veranlassen.“ Zitiert nach Konrád, Geisteswissenschaften (wie Anm. 187) 244. 193Zatschek konnte als Berichterstatter im zuständigen Fakultätsausschuss die Nachfolge mitbestimmen. Sein auch vom Wiener NSD-Dozentenbundsführer Marchet befürworteter Wunschkandidat war Klewitz (kein Mitglied des IÖG), der im Vorschlag an erster und gleicher Stelle wie Santifaller gereiht wurde, an zweiter Stelle folgte Karl Jordan. Nur bei Klewitz konnten eine Mitgliedschaft in der NSDAP und in der SA angeführt werden. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 322, 1942/43. Klewitz starb im März 1943. In einem Brief an Mayer vom 01.08.1942 aus Prag hatte Zatschek frustriert resümiert: Um die Regelung meiner Nachfolge habe ich mich nicht sonderlich bekümmern müssen, das hat Brunner von selbst besorgt, da er gerade 14 Tage Urlaub hatte. Den Dekan hat er für Klewitz ohne weiteres gewonnen, Bauer […] hatte nichts gegen Klewitz einzuwenden, Srbik dürfte mehr Widerstand geleistet haben und so wie mir gegenüber mehrfach vermerkt haben, Hirsch würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass jemand von der Göttinger „Konkurrenz“ berufen werden soll. Mich hat es gerissen, Srbik zu fragen, ob Hirsch bei P. Schramm, der ja auch aus dieser Konkurrenz stammte, anders reagiert hätte – und Schramm war ja 1940 Srbiks Kandidat. Das Staatsarchiv, Bittner vor allem, ist gegen Klewitz und jede nicht österreichische Lösung. Wie sich die Gegensätze in der Kommissionssitzung ausgeglichen haben, weiss ich nicht, weil der Dekan die Sitzung auf Viertel 12 angesetzt hatte, obzwar er von mir zweimal verständigt wurde, dass ich von 10 bis 12 Kolleg habe. Als ich kam, waren die Herren bereits einig; Pivec ist überhaupt nicht aufgenommen worden, was ich sachlich für richtig halte, Brunner hatte noch, ohne mir vorher ein Wort zu sagen, [Hans] Weirich hineingebracht – dass er gefallen ist, haben wir erst einen Tag vor der Sitzung erfahren. Der Vorschlag lautet primo loco Klewitz und Santifaller, secundo loco Jordan. Die eingefleischten Oesterreicher werden gegen mich das Anathem schleudern – aber ich kann mich trösten. Die Wiener Herren wissen scheinbar auch heute noch nicht, wie gut ich über die Vorgänge 1940 unterrichtet bin, wie nur eine Prestigefrage den Ausschlag für mich gegeben hat, oder genauer Stengels Erklärung entweder ich nach Wien oder die [MGH-]Abteilung nach Berlin. Wie es damals ohne mich gegangen wäre, wird es eben jetzt gehen und nach drei Wiener Semestern kann ich sagen: besser, als wenn ich geblieben wäre. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 186. Heinz Zatschek (1901–1965) 725 Zukunft des Instituts werden wird, ich fürchte nur, daß es seinen alten Rang nicht beibehalten wird194. Zum Nachfolger Zatscheks wurde schließlich zum 1. April 1943 Santifaller berufen195. Im WS 1942/43 begann Zatschek wieder mit der Lehre in Prag und wurde im November auf Vorschlag des dortigen Dekans als Nachfolger Wostrys zum geschäftsführenden Direktor des Historischen Seminars der Universität bestellt196. In Prag liefen die Vorbereitungen für die am 11. Juli 1942 vom Reichsprotektor und seinem Stellvertreter gegründete RHS weiter, wobei Zatschek als Leiter eines historischen und philologischen (Slawistik) Instituts ausersehen war, zunächst aber „nur“ als Gruppenleiter für Geschichte und Philologie fungierte197. Im August wurde er dann von Beyer als Leiter eines landesgeschichtlichen Institutes vorgeschlagen; die offizielle Bestätigung erfolgte im Februar 1943 durch K. H. Frank, der Zatschek mit der Leitung des neu einzurichtenden Landesgeschichtlichen Institutes für Böhmen und Mähren im Rahmen der Reinhard Heydrich Stiftung beauftragte198. Andere, in die RHS eingebundene Professoren waren etwa Gerhard Gesemann, Adolf Grohmann, Josef Hanika, Rudolf Hippius, Franz Laufke, Karl Valentin Müller, Eugen Rippl, Edmund Schneeweis, Arthur Winkler von Hermaden, Weizsäcker und Winter, also fast das ganze geisteswissenschaftliche Who’s who der Prager Deutschen Universität199. In die RHS, die im Herbst 1943 von der Amtsgruppe III B des Reichs­ sicherheitshauptamtes der neu gebildeten, von Wilfried Krallert als Geschäftsführer geleiteten Amtsgruppe VI G zugewiesen wurde200, gliederte man schließlich auch 194Mayer an Zatschek am 05.08.1942. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 187. 195Santifaller war im Dezember berufen worden und hatte Mayer brieflich um Urteile über seine möglichen Nachfolger in Breslau gebeten (Heinrich Appelt, Fichtenau, Dietrich von Gladiß, Jordan). StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 131. 196Schreiben des Kurators der deutschen wissenschaftlichen Hochschulen in Prag Gustav Ehrlicher an Zatschek vom 10.11.1942. Die Bestellung galt bis zum 31.03.1944, Zatscheks Nachfolger wurde Pirchan. AAVČR, Of HeZ, Nr. 555. Bei der Rückberufung hatte man allerdings übersehen, im Ernennungsdekret Zatscheks vollständige venia legendi anzugeben; erst im Sommer 1944 wurde diese in vollem Umfang offiziell wiederhergestellt und die Geschichte des Mittelalters um die Historischen Hilfswissenschaften erweitert. Schreiben vom 11.03., 29.04., 26.06. und 08.07.1944. BAB, R31/708 HeZ; UAP, DU PA HeZ. 197Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 3–7, 17–21, 30–32, insbesondere 20f. Nr. 3 (= Verordnungsblatt des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren Jg. 1942, Prag, 211f. Nr. 30, vom 11.07.1942): „Verordnung über die Errichtung einer ‚Reinhard-Heydrich-Stiftung, Reichsstiftung für wissenschaftliche Forschung in Prag‛“ zur „Erforschung der völkischen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Böhmens und Mährens sowie der Völker im ost- und südosteuropäischen Raum“, was ebd. 24–27 Nr. 6 in einem Konzept der Eröffnungsrede K. H. Franks für die RHS von 1943 genauer ausgeführt wird; Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 264; Wiedemann, ReinhardHeydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 48. – Vgl. auch Míšková, Universität im Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 130) 186–188, zu den „engsten Anhängern“ Beyers. 198AAVČR, Of HeZ, Nr. 603. Im selben Monat wurden etwa auch Weizsäcker und Franz Laufke mit der Leitung des Instituts für Deutsches Recht im Osten der RHS von Frank beauftragt. Ebd., Of Wilhelm Weizsäcker, Nr. 121. Dazu auch Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 265. 199Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 7, 13–17; Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 265f.; Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 54–73; Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 135; dies., Universität im Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 130) 185–189. 200Siehe Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshaupt 726 Karel Hruza tschechische Institute der geschlossenen Universität und andere wissenschaftliche Vereinigungen ein, die weiterhin von der tschechischen Protektoratsregierung zu unterhalten waren. Die Verwirklichung des Stiftungsbetriebs zog sich aber länger hin als von den Protagonisten gedacht, und erst am 4. Juni 1943 wurde die offizielle Eröffnung der RHS zu Heydrichs einjährigem Todestag im Zuge der NS-Gedenkfeierlichkeiten vollzogen201. Sollte K. H. Frank hierbei eine Eröffnungsrede gemäß einem erhaltenen Konzept gehalten haben, so hat er auch Zatschek namentlich erwähnt: Von Prof. Zatschek erwarte ich eine besondere Initiative auf dem Gebiete der gesamten landesgeschichtlichen Forschung sowie der Universitätsgeschichte202. Das konnte Frank sich auch deswegen wünschen, weil unterdessen Zatschek noch eine wesentliche wissenschaftspolitische Funktion an sich hatte ziehen können, die sicher seinen Wünschen wie auch Fähigkeiten entsprach und eng mit der RHS verbunden werden sollte: Er wurde vom Reichsprotektor zum „Beauftragten für geschichtliche Quellenveröffent lichungen in Böhmen und Mähren“ ernannt, eine Aufgabe, die auch kulturpolitische Momente in sich barg203. Zatscheks Ämterakkumulation war jedoch noch nicht an ihrem Endpunkt angelangt: Zum 1. August 1943 ernannte ihn Universitätsrektor Buntru zum Verwalter des Universitätsarchivs. Von Buntrus Nachfolger Friedrich Klausing amtes (Hamburg 2002) 409f.; zu Krallert siehe den Beitrag in diesem Band. – In der Amtsgruppe III B war seit Dezember 1939 Beyer als Referent tätig, siehe Roth, Heydrichs Professor (wie Anm. 131) 285. 201Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 24–28 Nr. 6; Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 266f. Falsch ist die Angabe bei Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 47. Als Quelle für die „Eröffnung“ gilt ein Abschnitt eines langen Artikels über die Prager Feierlichkeiten aus Anlass des ersten Todestages Heydrichs am 04.06.1943 in „Der Neue Tag. Tageszeitung für Böhmen und Mähren“ Nr. 154 vom 05.06.1942, 2: „Staatssekretär SS-Gruppenführer K. H. Frank empfing aus Anlaß der ersten Wiederkehr des Todestages von SS-Obergruppenführer Heydrich die leitenden Mitarbeiter der Reinhard-Heydrich-Stiftung und bestellte die Professoren Beyer, Gesemann, Grohmann, Hanika, Hippius, Rippl, Schneeweis, Weizsäcker, Winter und Zatschek, sowie […] Prof. Laufke zu Institutsdirektoren, die Professoren Beyer, Weizsäcker, Winkler von Hermaden und Zatschek zu Gruppenleitern. Auf Grund der Satzung wurde der Rektor der Deutschen KarlsUniversität, Prof. Buntru, zum Vorstand der Reinhard-Heydrich-Stiftung ernannt. Zum stellvertretenden Leiter wurde kommissarisch Prof. Beyer und zum kommissarischen Verwaltungsdirektor Prof. Weizsäcker bestimmt.“ Am 25.02.1943 hatte Beyer an Weizsäcker u. a. geschrieben: Ursprünglich sollte die Eröffnung der RHS im formellen Rahmen einer Prager Hochschulwoche stattfinden. Diese Hochschulwoche fällt jedoch aus. Es ist jetzt vorgesehen, dass der Staatssekretär in der Zeit zwischen 15. und 20. März die Gruppen- und Institutsleiter empfängt und in ihre Ämter einführt. Am 22.03. bekam Weizsäcker die Mitteilung, dass die offizielle Uebergabe der RHS erst Anfang April möglich sein wird […]. AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker Nr. 121. Auch dieser Termin wurde nicht eingehalten. – Ebenfalls am 4. Juni 1943 wurde erstmals die „Ehrengabe“ der nicht mit der RHS zu verwechselnden „Reinhard-Heydrich-Gedächtnisstiftung der Hauptstadt Prag“ durch Pfitzner verliehen, siehe Siehe Alena Míšková, Vojtěch Šustek, Josef Pfitzner a protektorátní Praha v letech 1939–1945 1: Deník Josefa Pfitznera. Úřední korespondence Josefa Pfitznera s Karlem Hermannem Frankem [Josef Pfitzner und Prag während des Protektorats 1939–1945 1: Das Tagebuch Josef Pfitzners. Die Amtskorrespondenz Josef Pfitzners mit Karl Hermann Frank] (Documenta Pragensia Monographia 11/1, Praha 2000) 51–56 (Rede Pfitzners). 202Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 24–28 Nr. 6, hier 27. 203Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) Abb. [Nr. 3]. Heinz Zatschek (1901–1965) 727 wurde er am 25. Juli 1944 zum ständigen Stellvertreter des Rektors in der Leitung des Ausschusses für Angelegenheiten der Landes- und Universitätsbibliothek ernannt204. Am 29. November 1943 berief ihn Klausing in den akademischen Senat205. All das zog sicher eine erhebliche Arbeitsbelastung nach sich, und vielleicht stand deswegen seit 1944 Ernstberger als (zweiter?) Direktor an Zatscheks Seite in der Leitung des landesgeschichtlichen Instituts der RHS, zumal diesem Institut die Vorbereitung der großen Universitätsfeiern 1948 übertragen wurde206. Als Ende 1944 einige Institute der RHS im Zuge des „totalen Kriegseinsatzes“ geschlossen wurden, bewertete man Zatscheks Institut als so wichtig, dass es eingeschränkt weiterarbeiten konnte207. Im Frühjahr 1943 war Zatschek von Beyer in Nachfolge Buntrus als Rektor der Universität vorgeschlagen, von Buntru aber wegen seiner Konfliktfreudigkeit abgelehnt worden. Schließlich wurde nach längeren Verhandlungen zwischen dem REM, dem Amt des Reichsprotektors, dem SD und anderen Stellen ein Besetzungsplan für fünf Jahre ausgearbeitet: Klausing für zwei Studienjahre (WS 1943/44 bis SS 1945), Kurt Albrecht für die folgenden zwei Studienjahre (bis SS 1947) – und nachfolgend Zatschek bis in das Jubiläumsjahr 1948 hinein208. Der politische Aspekt von Zatscheks Amtszeit wurde intern thematisiert: Dadurch, daß für das Jubiläumsjahr Prof. Dr. Zatschek als Rektor vorgesehen ist, scheint es […] gewährleistet, daß das Gewicht der Deutschen an der Karls-Universität zu ihrem Jubiläum trotz der kriegsbedingten Schwierigkeiten noch klarer geworden ist als heute schon, sowohl in wissenschaftlicher als auch in volkspolitisch-weltanschaulicher Hinsicht209. Im Frühjahr 1945 war Zatschek schließlich führend in deutsche Evakuierungs­maß­ nahmen eingebunden. Von der Universitätsleitung wurde an der Wende Februar-März beschlossen, wertvolle und umfängliche Bestände des Universitätsarchivs auszulagern210. Als Archivleiter oblag die Organisation des Unternehmens Zatschek, der sich sogleich am 3. März an Mayer in Schloss Weißenstein bei Pommersfelden wandte, wohin dieser von Berlin aus die umfängliche MGH-Bibliothek und weiteres Material verfrachtet hatte. Mayer, der einen gewissen Anstoß zu dem Vorhaben gegeben hat211, sagte am 15. März die Aufnahme in einem bei Oberköst (nahe Pommersfelden) ge204Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 511; UAP, DU PA HeZ. 205UAP, DU Rektorat Inv.-Nr. 244. Zatschek dürfte zunächst seit August 1944 vertretungsweise und seit dem 29.11.1944 als ordentliches Mitglied des akademischen Senats amtiert haben. 206Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 46 und 49. 207Ebd. 93 ohne Quellenangabe. Mitte Oktober 1944 war die teilweise Stillegung der RHS noch nicht genehmigt, siehe NA Praha, NSM 110-3-13. 208Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 149f. und 171 Anm. 1–3. Da Klausing im August 1944 Selbstmord verübte (siehe Abschnitt V), folgte ihm Albrecht bereits im WS 1944/45 nach. Siehe Míšková, Šustek, Pfitzner (wie Anm. 201) 207. 209Brief des SD vom 27.04.1944. NA Praha, PA HeZ CH 307/25 B3, hier nach Steidl, Zatschek (wie Anm 6) 11. 210Zu dieser Episode siehe ausführlich Hruza, Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38). – Ähnliche Maßnahmen zum Abtransport hatte Mayer Santifaller in Wien empfohlen, siehe dessen Brief an Mayer vom 14.02.1945. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 16 Nr. 7. 211Siehe Mayers Brief an Zatschek vom 28.10.1944. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. 728 Karel Hruza legenen Gebäude zu und bat um Geheimhaltung. Zatschek konnte ihm am 24. März jedoch nur antworten, dass die Philosophische Fakultät in Prag bereits informiert sei, da Dekan Beyer den Transport im Plenum zur Diskussion gestellt hatte, mit der Folge, dass weitere Wissenschaftler ebenfalls Material mit dem geplanten Transport wegschaffen lassen wollten212. Unter ihnen befanden sich der Altphilologe Theodor Hopfner, der ein zweibändiges Manuskript über die Juden in Deutschland „retten“ wollte, das im Auftrag des „Amtes Rosenberg“ verfasst worden war, und Joachim Prochno, der 400 Urkunden vermutlich der Přemyslidenzeit unter persönlicher Aufsicht wegschaffen wollte213. Zatschek teilte noch mit, dass der Transport wegen der unsicheren Bahnfahrten mit Lastkraftwagen der SS erfolgen sollte, ein Vorhaben, dass bei der damaligen absoluten Luftüberlegenheit der Alliierten ebenfalls als höchst riskant zu gelten hatte. Am 29. März offenbarte Mayer Zatschek, dass er sich über die damalige gesamte Situation keine Illusionen mehr machte und dass er mit Vernunft und ausgesprochenem Realitätssinn die Angelegenheit lösen wolle. Zwei Tage später wiederholte er ausführlich seine Meinung. Im Laufe weniger Tage waren ihm nämlich immer mehr Zweifel am Sinn der von seinen Prager Kollegen betriebenen Aktion gekommen. Da er richtigerweise annahm, in Pommersfelden bald unter US-amerikanische Besatzung zu geraten, wollte er bei einer möglichen Untersuchung der dort eingelagerten Bücherund Archivbestände tunlichst verhindern, dass antisemitische Schriften des „Amtes Rosenberg“ zu finden seien, welche die Verwahrung des gesamten Materials gefährden könnten. Ebenso verhielt es sich mit dem Archivgut, das nach Provenienzprinzip der Universität Prag im allgemeinen, also nicht nur der deutschen [Universität] gehörte. Auch hier hätten Nachforschungen, etwa der wieder erstehenden ČSR, das bereits legal in Pommersfelden lagernde Material gefährden können. Des Weiteren war sich Mayer bewusst, dass in Prag etliche Akten zu verbrennen und/oder als kompromittierend zu bewerten wären. Insgesamt wollte er das Prager Archivgut dort belassen, wo es historisch und gemäß einer neuen Rechtslage hingehörte, also in Prag. Mayers Antworten waren jedoch bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung (fast) gegenstandslos geworden, da Zatschek ebenfalls am 29. März hatte mitteilen müssen, dass die Auslagerung wegen Transportschwierigkeiten nicht zu verwirklichen sei. Trotzdem blieb das Vorhaben nicht ohne Folgen, denn im Archiv dürften die Vorbereitungen bereits angelaufen gewesen sein, zumindest wurde eine beachtliche Menge Archivalien verpackt und 212Es handelt sich um die Fakultätssitzung vom 05.03.1945, in der gemäß Protokoll über die vom Staatsminister angeordneten ARLZ-Maßnahmen beraten wurde (das erwähnt Zatschek in seinem Brief vom 24.03.1945, siehe Hruza, Insignien- und Archivalienraub [wie Anm. 38]). Eine Diskussion über die Archiv-Angelegenheit wurde nicht vermerkt. Verhandlungsschrift und Anwesenheitsliste der Sitzung des Fakultätsausschusses, unterschrieben u. a. von Willi O. J. Czajka, Hippius, Hopfner, Pirchan, Winter, Wostry und Zatschek. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 897. 213Hopfner hatte 1943 ein volksgeschichtlich motiviertes „Griechisch-lateinisch-deutsches Quellenbuch zur Siedlung und Geschichte der Germanen im böhmisch-mährischen, schlesischen und Karpathenraume“ und „Die Judenfrage bei Griechen und Römern“, eine antisemitsch durchdrungene Arbeit, publiziert. Zu Prochno siehe Abschnitt IV. Heinz Zatschek (1901–1965) 729 abtransportiert und gilt seitdem als vermisst214. Darunter befinden sich die mit einem Goldsiegel beglaubigte Universitäts-Gründungsurkunde Karls IV. (1348) sowie die Approbationsurkunde Papst Klemens’ VI. (1347)215. Vor allem wurden aber auch die alten Universitätsinsignien weggebracht. Welche Verantwortung Zatschek für diesen Raub zuzuschreiben ist, kann derzeit nicht entschieden werden. Die Insignien und Urkunden dürften im Rektorat aufbewahrt worden sein und standen so unter Aufsicht des Rektors und der dort Diensthabenden. Zatschek dürfte als mit der Universitätsgeschichte befasster Historiker und als Zeuge des „Insignienstreites“ von 1934 jedoch mehr um die „nationale“ und symbolische Bedeutung der Insignien und Urkunden gewusst haben als der erst 1940 aus Berlin nach Prag angereiste Rektor Albrecht. Bei der Wahl des abzutransportierenden Materials darf in Zatschek doch die entscheidende Instanz gesehen werden, zumal er sich bereits mit der konkreten Zahl der Transportkisten an Mayer gewandt hatte. Solange die eigentlichen Vorgänge um den Abtransport im Dunklen liegen, heißt das aber nicht zugleich, dass er der wirklich Verantwortliche für diesen war. Das SS 1945 der Deutschen Karlsuniversität Prag begann am 1. April, wobei der Lehrbetrieb je nach Fach bis zum Ausbruch des Aufstands am Samstag, den 5. Mai, fortgeführt wurde. Zatschek befand sich unter den Professoren seiner Fakultät, die noch am 3. Mai, als der Tod Hitlers bereits bekannt war, zu einer Sitzung zusammenkamen216. Er selbst wollte erst am Dienstag, den 8. Mai, mit seinen Lehrveranstaltungen beginnen, doch der Prager Aufstand brachte den Universitätsbetrieb in der zweiten Woche des Mai schnell zum Erliegen. Eine letzte „Ehre“ verblieb Zatschek: Er hat vermutlich die letzte Promotion an der Philosophischen Fakultät der Deutschen Karlsuniversität vollzogen217. Und er stand noch 1945 auf einer Vorschlagsliste der Universität München218. Zatscheks Fall als Universitätslehrer war tief: Der ehemalige Lehrstuhlinhaber, Dekan, Rektorsanwärter und Akademiemitglied konnte ab 1945 – im Alter von 44 Jahren – nur freiberuflich im Wiener Stadt- und Landesarchiv arbeiten219. Erst nach vier Jahren konnte er einen Erfolg bei der institutionellen Verankerung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verbuchen: Seit November 1949 arbeitete er als angestellte wissenschaftliche Fachkraft in der Kammer für gewerbliche Wirtschaft für Wien. Aber 214Siehe Hruza, Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38). 215Das verlorene umfängliche Material listen auf: Václav Vojtíšek, O archivu university Karlovy a jeho ztrátách, in: Archívní časopis 3 (1951) 86–93, hier 88–91; Karel Kučera, Miroslav Truc, Archiv University Karlovy. Průvodce po archivních fondech (Praha 1961) 171–179. 216Siehe die Anwesenheitsliste der Sitzung des Fakultätsausschusses vom 03.05.1945. Anwesend waren u. a. noch Gustav Becking, Hanika, Hippius, Hopfner, Pirchan, Rippl, Adolf Rotter, Schneeweis, Ernst Schwarz, K. M. Swoboda. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 897. 217Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 139. 218BAB, (ehem. BDC) REM Karteikarte HeZ, letzter Eintrag zu 1945: Vorschlag München. 219HGM Wien, PA HeZ; ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ. Bei seinem Ansuchen um Anrechnung der Vordienszeiten zur Pension von 1962 gab Zatschek an, seit dem 16.06.1945, also sofort nach seiner Ankunft in Wien, in freiberuflicher Tätigkeit gearbeitet zu haben, was sicher nicht dem tatsächlichen Beginn seiner Arbeiten im Wiener Stadt- und Landesarchiv entsprechen kann. 730 Karel Hruza auch sein weiterer Aufstieg zum Kustos I. Klasse am Heeresgeschichtlichen Museum seit Juni 1955 und schließlich zum Museumsdirektor seit Januar 1957 fand nicht an einer akademischen Institution statt220. Als Museumsdirektor organisierte Zatschek Ausstellungen, etwa die erfolgreiche Prinz Eugen-Ausstellung von 1963, begründete die „Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums“ und konnte den Wiederaufbau des im Krieg beschädigten Museums abschließen221. Der Historiker Friedrich Hausmann folgte 1958 „einem Angebot des Direktors des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, W. Hofrat Professor Heinz Zatschek, der sich um seine Nachfolge sorgte, unter gewissen Bedingungen“ und wurde Vertragsbediensteter und schließlich 1960 Kustos I. Klasse am Museum222. Er berichtet auch von einem unvorgesehenen Besuch und einer Führung des Schahs von Iran, Reza Pahlawi, im Museum, als dort im Mai 1960 der 2. Kongress der Waffen- und Heeresgeschichtlichen Museen stattfand223. Für die Führung bedankte sich der Schah bei Zatschek mit einer Auszeichnung224. Als einige Jahre nach Ende des Weltkrieges das allgemeine Entsetzen über die nationalsozialistischen Verbrechen abebbte und Fragen nach bestimmten Vergangenheiten in herrschenden Kreisen nicht mehr angebracht schienen, sammelten sich in Westdeutschland die ehemaligen deutschen Eliten der hinter dem Eisernen Vorhang verschwundenen Länder Ostmitteleuropas. Auch der einst zur Spitze der einflussreichsten deutschen Historiker im Protektorat zählende Zatschek stand nicht im Abseits. 1954 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission der Sudetenländer und wurde im Juni 1959 als Mitglied in das Collegium Carolinum in München aufgenommen, das die Tradition der bis 1945 in Prag an der Universität betriebenen deutschen historischen Forschungen fortführen wollte225. Im Collegium Carolinum sollte er auf alte Bekannte der RHS und der Prager oder Wiener Universität stoßen, denn Buntru, Hanika, Ernst Klebel, Laufke, Mayer, Kurt Oberdorffer, Ernst Schwarz, Weizsäcker und andere waren ebenfalls Mitglieder. Auch nicht institutionalisierte Netzwerke der Zeit vor 1945 funktionierten noch. Gemäß der Sonderdrucke, 220Ebd. 1954 hatte Zatschek den erfolglosen Versuch unternommen, als Bibliothekar im Staatsdienst angestellt zu werden. 221In: Joh. Christoph Allmayer-Beck, Militär, Geschichte und politische Bildung, hg. v. Peter Brouček, Erwin A. Schmidl (Wien/Köln/Weimar 2003) Abbildungen [Nr. 5], ist Zatschek bei einer Führung durch das Museum zu sehen. 222Friedrich Hausmann, Autobiographie, in: Recht und Geschichte. Ein Beitrag zur österreichischen Gesellschafts- und Geistesgeschichte unserer Zeit. Zwanzig Historiker und Juristen berichten aus ihrem Leben, hg. v. Hermann Baltl, Nikolaus Grass, Hans Constantin Faussner (Studien zur Rechts-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte 14, Sigmaringen 1990) 115–134, hier 127f. 223Ebd. 128. 224WStLA, NL HeZ A1, K. 1 Mappe 4. Humayun 3. Klasse verliehen am 16.05.1960 (Für eine Übersetzung der persischen Verleihungsurkunde danke ich Mag. Sibylle Wentker). 225Rudolf Schreiber, Die Historische Kommission der Sudetenländer, in: Stifter-Jb. 3 (1953) 239–244; 25 Jahre Collegium Carolinum München 1956–1981 (München 1982) 60–62 (Mitgliederverzeichnis); Stephan Dolezel, Einleitung: Zu den Anfängen der Historischen Kommission der Sudetenländer, in: Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918–1960 (wie Anm. 6) 1–9. Als die Kommission und das Collegium Carolinum 1962 die 1862 vollzogene Gründung des VGDB mit einer „Feierstunde“ in München begingen, hielt Zatschek den Vortrag „Die deutsche Geschichtswissenschaft in den böhmischen Ländern seit 1862“. Einladungskarte im: WStLA, NL HeZ A1, K. 7. Heinz Zatschek (1901–1965) 731 die sich in Zatscheks Wiener Nachlässen befinden, betrieb er intensiven Austausch mit Anton Blaschka, Brunner, Fichtenau, Franz Huter, Herbert Klein, Alphons Lhotsky, Stengel, Friedrich Walter und vor allem Mayer226. Eine regelrechte Freundschaft ergab sich mit Mayer, wie Zatschek ein „Exilant“, was den Wechsel des Wohnorts und einen gewissen Ausschluss aus der community der Mediävisten betraf. Waren die Kontakte der beiden trotz langer Bekanntschaft bis zum Beginn der 1940er Jahre eher sporadischer und dienstlicher Natur, kamen sie seit 1946 als enttäuschte und frustrierte Schicksalsgenossen zusammen. Beständig urteilten sie negativ und auch abschätzig über die damalige neue Situation und alte wie neue Kollegen und gebrauchten Termini der Zeit vor 1945. So war die Bundesrepublik Deutschland immer noch das „Reich“ oder das österreichische Bundesheer wurde zur „neuen Wehrmacht“227. Obwohl Zatschek vermutlich schon Ende der 1940er Jahre Schritte unternahm, an der Universität Wien eine Anstellung oder Lehrbefugnis zu erhalten228, suchte er erst im März 1955 an der Universität Wien um das Wiederaufleben seiner venia legendi und um deren Erweiterung auf Wirtschaftsgeschichte nach. In seinem Antrag verzichtete er darauf zu erklären, warum seine venia erloschen war, vergaß aber nicht, auf seine ehemals furchtbare Lage nach 1945 und vor allem auf wohlmeinende Stimmen aus der hohen Politik zu verweisen229. Zatscheks venia dürfte nach vier Semestern ohne Abhalten von Vorlesungen erloschen sein; dahinter stand freilich, dass er als Nationalsozialist wegen der österreichischen Verbotsgesetze nach Kriegsende nicht ohne weiteres an einer Universität hätte lehren dürfen. Dieses politische Moment wurde im gesamten (zumindest schriftlichen) Verfahren mit keinem Wort angeführt, dagegen die Wiederzulassung als Privatdozent Mitte Mai vom Professorenkollegium der 226Siehe die Separata in: ÖStA, KA, B 1200:0 NL HeZ; WStLA, NL HeZ A1, K. 5f. 227StadtA Konstanz, NL ThM. Auf Details dieser Korrespondenz möchte ich anderer Stelle zurückkommen. 228Am 16.05.1950 schrieb Zatschek an Mayer: Eben kommt von der Rektorenkonferenz die Aufforderung, ein Schriftenverzeichnis zu schicken und über das Ergebnis der Entnazifizierungsverhandlung zu berichten. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 17 Nr. 135. Siehe auch Abschnitt II. 229Im Zatscheks Ansuchen vom 09.03.1955 steht u. a.: Er [Zatschek] bitte die Fakultät, sie möge dem Wiederaufleben der Venia legendi ihre Zustimmung erteilen und diese nicht nur auf die Fächer erstrecken, die er zuletzt an der Universität vertreten hat, sondern auch auf Wirtschaftsgeschichte. Zur Begründung dieser Bitte gestattet er sich anzuführen, daß er seit seiner Rückkehr aus Prag durch seine gewerbegeschichtlichen Arbeiten und die dabei eingeschlagenen neuen methodischen Wege der österreichischen Forschung auf diesem Gebiet einen weiten Vorsprung gesichert hat […]. Im Begleitschreiben selben Datums zu den seinem Antrag beigelegten Publikationen teilt er mit: Am 15. September vergangenen Jahres habe ich dem damaligen Unterrichtsminister, Herrn Dr. [Ernst] Kolb, ein ähnliches Schriftenverzeichnis übergeben, der für die Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte grosses Interesse zeigte und mir zusicherte, dass etwas für mich getan werden könne. […] Die Publikationen werden doch nur dem Nachweis dienen können, dass ich ungeachtet der furchtbaren Lage, in die ich nach 1945 geraten bin, weiterhin und mit Erfolg wissenschaftlich gearbeitet habe. UAW, Phil. Fak. PA HeZ. Zu der Wiederverleihung siehe bereits Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit (wie Anm 154) 59, und ders., Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive? Die mittlere, neuere und österreichische Geschichte, sowie die Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien 1945–1955, in: Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955, hg. v. dems., Margarete Grandner, Oliver Rathkolb (Querschnitte 19, Innsbruck u. a. 2005) 189–210, hier 201f. mit der Nennung anderer Wiederverleihungen an ehemalige Nationalsozialisten. 732 Karel Hruza Philosophischen Fakultät bei 52 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen, nachdem die eingesetzte Fakultätskommission zu einem positiven Ergebnis gelangt war. Die offizielle Erteilung geschah im Juni. Das Gutachten des zuständigen Berichterstatters und Kommissionsvorsitzenden Santifaller lautete: Der Genannte gilt allgemein als bedeutender Gelehrter und hat trotz schwierigster äußerer Verhältnisse seit 1947 eine große Zahl bedeutender Arbeiten insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeschichte veröffentlicht (17 Arbeiten). Aus diesem Grunde und mit Rücksicht darauf, daß der Gen. bereits Ordinarius a.d. Deutschen Univ. in Prag gewesen ist, wurde gem. § 21 Pkt. 4 der Habil.Norm die Wiederverleihung der Lehrbefugnis für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften, sowie die Erweiterung […] auf Wirtschaftsgeschichte ohne weiteres Habil.Verfahren beschlossen230. Als Dekan amtete damals Karl Maria Swoboda, der 1930–1945 als Zatscheks Fakultätskollege in Prag gelehrt hatte, und auch von den Mitgliedern der Kommission war vermutlich kein entscheidender Widerstand gegen Zatscheks Ansuchen zu erwarten gewesen231. Im zugehörigen Akt des BMU ist unter staatsbürgerliches Verhalten eingetragen: Lt. vorgelegter Bescheinigung der Magistratsabteilung als Registrierungsbehörde vom [Eintrag fehlt] ist der Genannte in den Registrierungslisten der Nationalsozialisten nicht verzeichnet. Dieser Vermerk ist ebenso wie die nachfolgende Rubrik Gauakt durchgestrichen232. Die Gründe für die Wiederverleihung der venia legendi an Zatschek dürften in dem damals herrschenden Bedarf an Lehrkräften, seiner traditionellen Bindung an die Universität und vor allem an das IÖG als ein Schüler Hirschs ‚par excellence‛ und seiner fachlichen Qualifikation zu sehen sein. Wäre diese Wiederverleihung aber unter Hinweis auf Zatscheks politische Tätigkeit im Dritten Reich zu verhindern gewesen? Juristisch gab es dafür seit 1948 keine Grundlage mehr, die Kommission hätte das politische Argument demnach nur intern diskutieren können, doch wurde (zumindest gemäß Bericht) damaligem usus entsprechend darauf verzichtet, obwohl sich unter den Kommissionsmitgliedern Personen befanden, denen keine Affinität zum Nationalsozialismus nachgesagt werden kann. Ein weiterer Karriereschritt an der Universität wurde Zatschek jedoch versagt. Erna Patzelt, seit 1948 Leiterin des auf Dopsch zurückgehenden Seminars für Wirtschaftsund Kulturgeschichte der Universität Wien, beantragte im Januar 1957 bei der Philosophischen Fakultät, Zatschek zu ihrem Mitdirektor zu ernennen, entsprechend den Verhältnissen an anderen Universitätsinstituten233. Der von Fichtenau, Hantsch, 230ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ; UAW, Phil. Fak. PA HeZ. In seinem Vortrag vor der Kommission betreffend Wiedererlangung der erloschenen Lehrbefugnis […] an Dr. Heinz Zatschek am 04.05.1955 referierte Santifaller knapp über Zatscheks berufliche Laufbahn bis 1945 ohne Erwähnung politischer Momente und kam zum oben wiedergegebenen Schluss. 231Die Kommissionsmitglieder waren neben Santifaller Meister, der den entsprechenden Antrag einbrachte, Fichtenau, Hugo Hantsch, Lhotsky und vier weitere Personen. UAW, Phil. Fak. PA HeZ. 232ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ. – Zatschek hatte wohl das Glück, dass die Akten über seine NSDAPMitgliedschaft in Prag und Berlin (und evt. München) lagen. Dass er Parteimitglied gewesen war, dürfte an der Universität Wien 1955 dennoch bestens bekannt gewesen sein. Siehe auch Abschnitt V. 233Es heißt im Antrag vom 07.01.1957 des Weiteren: Professor Zatschek hat im Sommersemester 1956 Heinz Zatschek (1901–1965) 733 Lhotsky, Santifaller und anderen unterstützte Antrag zeigt deutlich, dass sich Zatschek wieder an der Universität etablieren wollte, da nämlich die 62jährige Patzelt krankheitsbedingt kurz vor der Pensionierung stand und Zatschek hoffen durfte, als Mitdirektor ihr Nachfolger zu werden. Schon vor der entscheidenden Kommissionssitzung im März trat aber ein Meinungsumschwung ein, den der verhinderte Santifaller in seinem Entschuldigungsschreiben an Dekan Hantsch lapidar ausdrückte: Im Sinne unserer Besprechung stimme ich gegen den Antrag, obwohl ich zunächst denselben mitunterstützt habe. In der Sitzung wurde der Antrag, da aus formalen Gründen nicht durchführbar, abgelehnt und daher ebenso von der Fakultät im April verworfen234. Im WS 1955/56 hatte Zatschek wieder mit der Lehre begonnen und las zunächst ein Proseminar „Einführung in das Geschichtsstudium“ je Semester, betreute wieder Doktoranden und durfte ab dem SS 1961 ein Seminar für mittelalterliche Geschichte abhalten235. Im Januar 1963 legte Zatschek seinen Lehrauftrag ab dem SS 1963 jedoch zurück. Sogleich am Anfang seines Schreibens nannte er unmissverständlich den Grund: Im Hinblick darauf, daß die Ernennung von Prof. [Heinrich] Appelt zum Ordinarius wohl unmittelbar bevorsteht, halte ich es nicht mehr für notwendig, daß ich ein Seminar für mittelalterliche Geschichte halte. Genau zwei Jahre später wiederum bat er, seinen unterbrochenen, aber unbefristeten Lehrauftrag auch im SS 1965 nicht wahrnehmen zu müssen, ohne dass seine venia legendi wegen des Überschreitens von vier vorlesungsfreien Semestern erlösche. Das Professorenkollegium gab seinem Ansuchen statt. Im WS 1965/66 plante er, die Lehre wieder fortzuführen236. Das Abhalten von Lehrveranstaltungen als externer Privatdozent bedeutete für Zatschek nur einen kleinen Trost. Beständig hegte er nach 1945 die Hoffnung, wieder eine Professur in Österreich oder Deutschland übernehmen zu können. Auch während der Erkrankung der Unterfertigten das Seminar für Wirtschaftsgeschichte gehalten, wurde von dem damaligen Dekan, Herrn Prof. [Edmund] Hlawka, mit der vertretungsweisen Führung der Direktionsgeschäfte betraut und hat während des einen Semesters zwei wirtschaftsgeschichtliche Dissertationen vergeben. So käme eine solche Ernennung dem Fache Wirtschaftsgeschichte zugute und böte Prof. Zatschek eine eigene Arbeitsstätte und einen Wirkungskreis an der Universität, der ihm in anderer Form nicht zur Verfügung gestellt werden könnte und den er auch für die Proseminarprüfungen dringend benötigt. UAW, Phil. Fak. PA HeZ. 234Ebd. Schreiben Santifallers vom 18.03.1957. Gemäß Protokoll der Kommissionssitzung vom 22.03.1957 führte Hantsch u. a. an: Institut [für Wirtschafts- und Kulturgeschichte] hat keinen Direktor [sondern Vorstand] und eine Zustimmung würde die Besetzung der Lehrkanzel für Wirtschaftsgeschichte bereits eindeutig bestimmen. Swoboda bemerkte: [Es wäre] Den Dekanen der nächsten 2 Jahre nahezulegen, Zatschek mit der Verwaltung zu betrauen. In der offiziellen Begründung der Ablehnung heißt es in Klammern gesetzt: Hinweis auf einen von der Fakultät vor einiger Zeit an das BMfU gerichteten Antrag auf Bestellung Prof. [Viktor] Matejkas zum Direktor des Inst. f. Dolmetscherausbildung. Dieser Antrag wurde vom BMfU mit der Begründung abgelehnt, dass rechtliche Voraussetzungen für die Ernennung zum Direktor nicht vorhanden sind – Laut HOG gibt es nur Vorstände bzw. Mitvorstände (ordentl. bzw. außerordentl. Univ.Prof.). Zatschek war an der Universität jedoch nur als Universitätsdozent tätig. 235Wie auch im Folgenden ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ; UAW, Phil. Fak. PA HeZ. Einer seiner letzten Doktoranden mit einem handwerksgeschichtlichen Thema war Peter Brouček, siehe ders., Peball, Geschichte (wie Anm. 54) 310–326. 236Ebd. Schreiben vom 15.01.1963; 09.01. und 29.01.1965. 734 Karel Hruza seine Museumskarriere hat diesen Wunsch nur dämpfen, aber nicht ersetzen können. Seine Enttäuschung, dass 1963 Appelt aus Graz und nicht er selbst auf einen freien Mittelalterlehrstuhl in Wien berufen wurde, ist seinem Absagebrief mehr als deutlich zu entnehmen. Für den im 62. Lebensjahr stehenden Zatschek war damit die letzte Möglichkeit zerronnen, doch noch als ordentlicher Professor an seine alte Heimatuniversität zurückzukehren. Es muss Zatschek überhaupt schmerzhaft berührt haben, dass er bei den damals in Wien erfolgten Neubesetzungen von Lehrkanzeln nicht in die Vorschlagslisten aufgenommen wurde237. 1962 wurde Santifaller emeritiert; der Lehrstuhl Hirschs, den Zatschek 1941/42 innehatte, und die Vorstandschaft am IÖG standen seit 1961 zur Vergabe, wobei wieder ein Hilfswissenschaftler und MGHMitarbeiter gewählt werden sollte. Das letzte Mal berührten sich die Karrierewege Santifallers und Zatscheks, doch wurde dieser anscheinend überhaupt nicht für die Professur in Betracht gezogen, nach seinen Angaben vielmehr von Santifaller abgemeuchelt238, und die Professur schließlich mit dem „Nicht-Monumentisten“ Fichtenau besetzt, der auch die Leitung des IÖG übernahm. Dessen außerordentliches Ordinariat für Geschichte des Mittelalters, zum ordentlichen aufgewertet und um Historische Hilfswissenschaften erweitert, ging später an den MGH-Mitarbeiter Appelt. Als dessen Nachfolger in Graz wiederum wurde Zatschek ins Spiel gebracht – jedoch ohne Erfolg239. Dass Zatschek in diesen Fällen weitgehend missachtet wurde, kann nicht nur an seinem Alter gelegen haben, denn die anderen Kandidaten dieser beiden Besetzungen waren zum Teil nur unwesentlich jünger240; zudem wurde ihm sogar ein „Ehrenplatz“ auf den Vorschlagslisten verwehrt, mit welchem man ihm hätte demonstrieren können, dass seine Person und Arbeit geschätzt werden, er aber eben aus Altersgründen nicht in die wirkliche Auswahl komme241. Das alles kann nur so interpretiert werden, 237Zur Santifaller- und Fichtenau-Nachfolge siehe zuletzt unter weitgehender Ausblendung kon­ textueller Momente Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 458–462, die in ihrer auf Akteneinsicht beruhenden Darstellung Zatschek in diesem Zusammenhang nicht anführt. 238Am 28.08.1961 schrieb Zatschek an Mayer u. a.: Die [Berufungs-]Kommission hat es gefressen, daß Santifaller gleich zu Beginn mich und Pivec abgemeuchelt hat, dafür aber dann Appelt ausgebo[o]tet, und die 7 Stimmen, die für ein Minoritätsvotum nötig gewesen wären, konnte Santifaller nicht aufbringen. Der Endeffekt wird der sein, daß die Lehrkanzel im Herbst vakant ist und Santifaller, obzwar emeritiert, weiter liest und die Direktion des Instituts behält. So etwas nennt man dann Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 1 Nr. 148. 239Appelts Nachfolger in Graz wurde schließlich (der von Zatschek geförderte) Friedrich Hausmann. 240Peter Acht *1911, Appelt *1910, Heinrich Büttner *1908, Fichtenau *1912, Theodor Schieffer *1910, Erich Zöllner *1916. 241Am 19.08.1961 schrieb Zatschek an Mayer u. a.: Was sich hier mit dem Vorschlag für die Nachfolge nach Santifaller zugetragen hat, wissen Sie vermutlich bereits. Jetzt, wo der alte Löwe gehen muß, haben die anderen Helden Mut bekommen: Santifallers Kandidat Appelt ist nicht einmal im Vorschlag, auch für ein Minoritätsvotum waren nicht genug Stimmen aufzutreiben! Primo loco stehen Fichtenau und Schieffer, secundo loco Büttner und tertio loco Acht. Da es die Kommission verabsäumt hat, in die Praeambel eine Erklärung zur Tatsache zu bringen, daß ich nicht aufgenommen wurde, habe ich dem Minister [Heinrich Drimmel] gesagt, jetzt lange es mir, ich wünsche den Lehrauftrag und die Venia legendi zurückzulegen. Leider hat er mich amtlich und persönlich gebeten, das nicht zu tun, aber es steht mir immer noch frei, falls nicht Fichtenau ernannt wird, einmal das laut zu sagen, was Heinz Zatschek (1901–1965) 735 dass an der Wiener Philosophischen Fakultät und insbesondere unter den dortigen Historikern wie auch an der ÖAW und bei den MGH, die zeitweise in die Diskussion eingebunden waren242, nicht das Interesse bestand, Zatschek die Türen weiter zu öffnen, als es bisher geschehen war. 1957 und 1962/63 wurden ihm unumwunden die Grenzen aufgezeigt: Weder als Institutsleiter noch als Lehrstuhlinhaber wollte man ihn installieren, nur seine Tätigkeit als Privatdozent mit einer Lehrveranstaltung pro Semester wurde akzeptiert. Aus welchen Gründen Zatschek ignoriert wurde, ist nicht exakt auszumachen. Sein schwieriger, streitbarer Charakter und seine politische Vergangenheit dürften dabei die wesentliche Rolle gespielt haben, weit mehr als die Tatsache, dass er seit etlichen Jahren nicht mehr als Mediävist und Hilfswissenschaftler an einer Universität gearbeitet hatte. Dazu gab es zu dieser Zeit bereits genügend bestens qualifizierte jüngere Kandidaten in Österreich wie in Deutschland, so dass auf Personen wie Zatschek aus fachlichen und eben auch „anderen“ Gründen verzichtet werden konnte. Für diese Interpretation spricht auch, dass die Fakultät oder einzelne Historiker weit mehr für Zatschek hätten unternehmen können, wenn sie ihn wirklich institutionell hätten integrieren wollen. Insgesamt zeigt der Fall Zatschek, dass ein nationalsozialistisch schwer belasteter Historiker zwar an der Universität lehren durfte, allerdings recht spät ab 1955243, dass ihm aber weitere Aufstiegsmöglichkeiten strikt verweigert wurden. Der Weg Zatscheks steht weniger beispielhaft für die Frage „Wie konnte es geschehen, dass ein ehemaliger Nationalsozialist wieder lehren durfte“, als vielmehr richtungsweisend für die Antwort „So weit, und nicht weiter, konnte ein ehemaliger überzeugter Nationalsozialist kommen“. IV. Vom präzisen Wissenschaftler zum NS-Historiker: Das wissenschaftliche Werk Heinz Zatschek war zeitlebens ein fleißiger und produktiver Historiker. In seine Bibliografie lassen sich über 140 Titel einordnen (eingeschlossen kleinere Beiträge und die derzeit eruierten Zeitungsartikel), darunter befinden sich elf Monografien. Seine wissenschaftlichen Schriften lassen sich in mehrere Bereiche unterteilen: Militärgeschichte, Urkundenforschung und Editionen, Landesgeschichte und/oder Volksgeschichte, politische Geschichte und Handwerks- und Wirtschaftsgeschichte. Hinzu schon längst hätte gesagt werden müssen, auf der Universität Schluß zu machen und dann endlich einmal außerhalb der Dienstzeit das zu tun, was mir gerade Spaß macht […]. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 1 Nr. 144. 242Siehe Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 459–461. 243Folgende Historiker etwa haben trotz nationalsozialistischer „Vorgeschichte“ wieder hohe Positionen an Universitäten oder Archiven eingenommen: Aubin 1945/46, Beyer 1951, Brunner 1952, Ernstberger 1947, Hanika 1955, Oberdorffer 1953, Schreiber 1950, K. M. Swoboda 1946, Weizsäcker 1950, Winter 1947, zu den „Sudetendeutschen“ siehe auch Robert Luft, Deutsche und Tschechen in den Böhmischen Ländern. Traditionen und Wandlungen eines Teilgebiets der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern (wie Anm. 65) 367–431, hier 417f. 736 Karel Hruza kamen „Nebenprodukte“ historischer Arbeit wie Lexikon- und Zeitungsartikel. Des Weiteren sollen hier noch betrachtet werden: wissenschaftliche Projekte, besuchte Tagungen und Lehre (betreute Dissertationen und Habilitationen). Ausgeblendet bleiben bis auf Ausnahmen die Themen seiner Vorlesungen und Seminare sowie die seiner vielen Vorträge. Dabei kann wegen des Umfangs und der Themenbreite des Materials keine vollständige Werksanalyse geboten werden; stattdessen werden signifikante Beispiele vorgestellt. Zatscheks in jahrelanger Arbeit entstandene Dissertation von 1923 galt dem militärgeschichtlichen Thema „Die Operationen Bonapartes in Italien gegen die österreichischen Erblande 1797“244. Die Arbeit blieb ungedruckt, bezeugt aber deutlich, dass sich ihr Verfasser akribisch in die Details historischer Abläufe einarbeiten konnte. Ganz der neuesten Militärgeschichte, nämlich dem Kriegsbeginn 1914 an der Westfront gewidmet war Zatscheks erste Publikation von 1925, die er anscheinend völlig aus privatem Interesse verfasst hat: „Moltke oder Schlieffen?“245 Der damals 24jährige Zatschek hatte dazu ganz selbstbewusst mit militärischen „Größen“ wie etwa Erich Ludendorff korrespondiert246. Wegweisend gestalteten sich für Zatschek aber die Ausbildung am IÖG und seine nachfolgende Arbeit für die MGH. Mit der IÖG-Hausarbeit „Rechtsgeschichtliche und diplomatische Beiträge zur Geschichte der älteren Staufer“ von 184 Seiten Umfang führte ihn Ottenthal in die Diplomatik und Editionstätigkeit ein247 und zog ihn für die laufende MGH-Diplomata-Edition heran. Zatschek half mit großem Erfolg bei der Drucklegung der von Ottenthal und Hirsch bearbeiteten Diplome Lothars III. und erstellte die Register, wie das Inhaltsverzeichnis und die Vorrede des Bandes und die lobenden Arbeitsberichte der Bearbeiter für die Jahre 1924–1927 ausweisen, die von Paul Kehr publiziert wurden248. Mit Ende der Arbeiten an Lothar III. begann Zatschek 244Mit dem Untertitel „Der vierte Versuch zum Entsatz der Festung Mantua. Der Feldzug Bonapartes vom Tagliamento bis Leoben.“ Ein handschriftliches korrigiertes Exemplar mit der Widmung Lilly Zeininger in Liebe und Verehrung zugeeignet. Wien, 11. IX. 1921 [!] in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 684. Ebd. Nr. 683f. auch die Vorarbeiten „Der Feldzug Bonapartes von Tagliamento bis Leoben 1797“ (Seminararbeit bei Fournier 1919/20) und „Über das Für und Wider zu dem Operationsplan des Erzherzogs“. Im UAW und in der ÖNB werden keine Exemplare der Dissertation verwahrt. Die Arbeit ist registriert bei Brouček, Peball, Geschichte (wie Anm. 54) 213. – Zu Zatscheks Promotion siehe Abschnitt III. 245Heinz Zatschek, Moltke oder Schlieffen?, in: Militärwissenschaftliche und technische Mitteilungen 56 (1925) 337–345, 577–583. 246Siehe die Unterlagen in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 682; Vorbereitungsmaterial ebd. Nr. 687: ein Manuskript „Bis zur Marne 1914“, das am 20.01.1925 von der Schriftleitung der Militärwissenschaft lichen und technischen Mitteilungen an Edmund von Glaise-Horstenau zur Begutachtung übermittelt wurde; ebd. Nr. 691: Vortragsmanuskript „Die Schlacht an der Marne“; ebd. Nr. 770. Mit Studien über die Einleitungskämpfe des Jahres 1914 im Westen begann Zatschek im Frühjahr 1924. 247Vollständiges Manuskript mit dem Vermerk Eingelangt 7/6 23. Zugewiesen an Ottenthal 7/6 23 in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 685. Dass das Manuskript 1941/42 von Zatschek aus dem IÖG entwendet wurde, könnte möglich sein. 248Siehe MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 8: Die Urkunden Lothars III. und der Kaiserin Richenza, hg. v. Emil von Ottenthal, Hans Hirsch (Berlin 1927, ND 1993) Vorrede VII– XIV, hier VII und XIII; oder: NA 48 (1930) I–IX, Kehr, Bericht 1927, hier VII: „Im Herbst 1927 Heinz Zatschek (1901–1965) 737 1927 für die MGH-Edition der Konrad III.-Diplome zu arbeiten, die von Hirsch geleitet wurde, und erhielt schließlich auch einen offiziellen Auftrag, innerhalb der Regesta Imperii die Urkunden Kaiser Friedrichs I. zu bearbeiten249. Zatscheks Korrespondenz mit Hirsch bezeugt, dass er bei seinen MGH-Arbeiten früh selbstständig Verantwortung übernahm, Hirsch auf etliche Probleme hinwies und bald über einen gewöhnlichen „Hilfsarbeiter“ hinauswuchs250. Später wurde daraus eine Partnerschaft auf gleichem Niveau, wenn Hirsch bei diplomatischen Problemen Zatschek um Rat bat251. Bei seinen Forschungen zu Lothar III. und Konrad III. war Zatschek auf Person und Werk des Abtes Wibald von Stablo gestoßen, und 1929, da er als bezahlter Mitarbeiter bei den MGH ausschied, übernahm er seine wichtigste Arbeit für die MGH: die überaus schwierige kritische Neuedition der über 450 Schriftstücke Wibalds aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Diese Arbeit wollte er ebenso wie die Mitarbeit an der Edition der Urkunden Konrads III. in Prag fortführen, wobei ihn in Wien zunächst Robert Lacroix unterstützte252. Die MGH-Themen determinierten bereits Zatscheks Probevortrag innerhalb seines Habilitationsverfahrens im Februar 1928 „Die Gestalt Wibalds von Stablo auf Grund seiner Briefsammlung“ und seine im Oktober 1929 im Prager Klementinum gehaltene Antrittsvorlesung „Die Anfänge Friedrich I.“253. Sowohl die Arbeiten an Konrad III. als auch an Wibald hat Zatschek während seiner Zeit in Prag bis 1941 nicht wirklich entscheidend vorangebracht. Erst als er 1941 in Wien antrat, gedachte er wieder energischer an diese Editionen heranzugehen. Im Hintergrund stand die von ihm erbetene und verwirklichte offizielle Betrauung mit der MGH-Edition der Diplome Konrads III. und die Anwartschaft auf die Diplome Friedrichs I. und Heinrichs VI. So ausgestattet wurde er im Juli 1941 zum Leiter der Wiener Diplomata-Ausgabe der MGH befördert und erhielt einen kleinen Mitarbeiterstab254. Obschon er eifrigst bemüht gewesen war, die MGH-Edition an sich zu ziehen, begann er aber erst im Januar 1942 mit den Arbeiten an Konrad III. und erlebte dabei so manche Ernüchterung über Hirschs Vorarbeiten, was konnte endlich der VIII. Band mit den Urkunden K. Lothars III. ausgegeben werden. […] An der Herstellung der Texte und beim Namenregister hat Herr Privatdozent Dr. Zatschek in Wien einen rühmlichen Anteil gehabt.“ Überzogene Kritik an dem Register kam von Otto von Dungern, siehe Stoy, Institut (wie Anm. 13) 79f. 249Beispielsweise NA 48 (1930) I–IX, Kehr, Bericht 1927, hier VII, und *I–*XIII. 250AAVČR, Of HeZ, Nr. 188; IÖG, Archiv NL HH. Zur Tätigkeit Hirschs bei den MGH vgl. PferschyMaleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 417–437; Heinrich Fichtenau, Diplomatiker und Urkundenforscher, in: MIÖG 100 (1992) 9–49, hier 46–49. 251Siehe etwa den Briefwechsel 21., 24. und 28.09., 03., 13. und 25.10.1935, 13. und 19.02.1936. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188; IÖG, Archiv NL HH. Zur wissenschaftlichen Einordnung Hirschs, dessen Linie Zatschek übernahm, siehe den Beitrag zu Hirsch in diesem Band und Kolář, Fachkontroverse (wie Anm. 75) 113–117. 252Berichts Zatscheks vom 21.04.1931. MGH, Archiv 338/51 Nr. 166f. 253Probevortrag am 06.02.1928. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 6420, Bericht vom 29.02.1928. Antrittsvorlesung in Prag am 25.10.1929. AAVČR, Of HeZ, Nr. 786. 254Siehe dazu den Druck in Abschnitt VII, Nr. 9. Als wissenschaftliche Hilfskraft konnte Zatschek Dr. Maria Habacher anstellen, die aber nach kurzer Zeit für die Arbeit am Institut eingesetzt wurde, siehe Stengels Briefe vom 19. und 29.07.1941. AAVČR, Of HeZ, Nr. 599. 738 Karel Hruza seinem Selbstbewusstsein zusätzlichen Antrieb gab255. Aber als er im Sommer 1942 wieder nach Prag verzog, legte er alle (!) Arbeiten für die MGH nieder: weder die Konrad III.-Urkunden noch die Wibald-Briefe hat er herausbringen können256. Seiner Ansicht nach waren äußere Umstände an seinem Scheitern mit Wibald Schuld: Wenn etwas dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass die Ausgabe der Wibaldbriefe noch nicht vorliegt, so sind das Kehr, die Sudetenkrise 1938 und der mehrfache Wechsel in der Leitung der Monumenta257. Mayers Wunsch, Zatschek 1944 doch noch zur Weiterarbeit an der Wibald-Edition bewegen zu können258, scheiterte mit dem Kriegsende ebenso wie die Beauftragung Fichtenaus mit der Konrad III.-Edition im August 1944, die er in Einvernehmen mit Santifaller und Zatschek erarbeiten sollte und die er nicht mehr wesentlich befördern konnte259. Um Zatschek zu überzeugen, hatte Mayer nicht mit Komplimenten gegeizt: Sie gehören nun einmal, ob Ihnen das lieb ist oder nicht, zu den allerbesten Pferden im Monumentastall und über die lasse ich nichts kommen260. 255Am 14.01.1941 schrieb er Hilde: Montag habe ich nun mit der Arbeit an den Konraddiplomen begonnen und kann Dir nur sagen, dass mich ein furchtbares Grausen überfallen hat. Das erste Diplom, das Hirsch bereits 1932 als druckfertig bezeichnet hat, habe ich heute noch nicht druckfertig. Schon die Abschrift war nicht fehlerfrei, an Stelle von 7 Anmerkungen Hirschs stehen jetzt 16 da und auch in der Vorbemerkung war allerhand einzufügen. Es war also doch sehr notwendig, dass ich die angeblich druckfertigen Stücke nochmals überprüfe […] Und wenn ich auch schon sehr herausgekommen bin, so glaube ich doch, dass es im Augenblick in Deutschland keinen gibt, der es besser könnte, als ich. Am 19.01.: Mein Zorn auf Hirsch steigt stündlich. Die Konraddiplome sind in einem Zustand, dass man weinen könnte. Und was das schlimmste ist, ich habe nicht einen Pfennig, muss alles von Stengel erbitten und so weiss der dann genau, was eben geschieht. Da ist nicht einmal eine Abschrift vorhanden, dort wieder nur diese, aber keine Photographie. Und dass Hirschs Abschriften nicht fehlerfrei sind, habe ich ja auch schon heraussen. In einer Woche zwei Diplome restlos fertig und das dritte nahezu, das ist nicht gerade viel. AAVČR, Of HiZ, K. 3 Nr. 26. 256Über den Stand der Arbeiten an Konrad III. und Wibald informieren insgesamt: NA 49 (1932) I– XII, Kehr, Bericht 1929, hier XI; *I–*XV, Kehr, Bericht 1930, hier *XIIIf.; NA 50 (1935) *I– *XIII, Kehr, Bericht 1931, hier *IXf., I–XI, Kehr, Bericht 1932, hier IX–XII; DA 1 (1937) 267– 277, Kehr, Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde (Monumenta Germaniae Historica) Jahresbericht 1934, hier 274f.; 277–279, Kehr, Jahresbericht 1935 (ohne Erwähnung Zatscheks); 582–591, Wilhelm Engel, Jahresbericht 1936, hier 590; DA 2 (1938) VII–XX, Edmund E. Stengel, Jahresbericht 1937, hier XVI; DA 3 (1939) VII–XXII, Stengel, Jahresbericht 1938, hier XVIII; DA 4 (1941) VII–XXV, Stengel, Jahresbericht 1939, hier XVIIIf.; DA 5 (1942) VII–XXII, Stengel, Jahresbericht 1940, hier XVIII; XXIII–XLII, Stengel, Jahresbericht 1941, hier XXXVI; DA 6 (1943) IX–XVI, Theodor Mayer, Jahresbericht 1942, hier XIVf. Im „Bericht für die Jahre 1943–1948“ von Friedrich Baethgen in: DA 8 (1951) 1–25, wird Zatschek nicht mehr erwähnt. Siehe auch MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 9: Die Urkunden Konrads III. und seines Sohnes Heinrich, bearb. v. Friedrich Hausmann (Wien/Köln/Graz 1969) Vorrede VII–XVIII, hier VIIIf. und XI: „Als Anteil am bisher gesammelten Material […] ergab sich im einzelnen, dass Emil von Ottenthal für 10 Nummern die Originale oder Urschriften und für 13 Stücke kopiale Überlieferungen abgeschieben hatte, Hans Hirsch dagegen für 81 bzw. 39 Urkunden, Vinzenz Samanek für 22 bzw. 1 Diplome und Heinz Zatschek für 20 bzw. 17 Nummern.“ Wie hierbei das von Zatschek nachbearbeitete Hirsch-Material verteilt wurde, ist nicht erkenntlich. 257Das teilte er am 05.10.1944 Mayer mit. MGH, Archiv B 704/II, 2–3. 258Siehe die Korrespondenz Mayer-Zatschek vom 20.09., 05., 12., 24. und 28.10.1944, AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. 259Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 442. 260Mayer am 28.10.1944 an Zatschek. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Heinz Zatschek (1901–1965) 739 Die zahlreichen, auch seine Habilitationsschrift enthaltenden Arbeiten, die Zatschek in Zusammenhang mit seiner frühen MGH-Tätigkeit innerhalb von fünf Jahren publizierte, begründeten seinen Ruf als produktiver Urkundenforscher der Wiener Schule und zählen zu dem Besten, was er als Historiker hinterlassen hat261. Zudem zeigte er sich früh als sehr kritischer und auch streitbarer Historiker, wie etwa seine Rezensionen der Bücher Max Buchners, Otto von Dungerns und Bernhard Schmeidlers beweisen262. Zatscheks Belesenheit und Kritikfähigkeit fand ihren Ausdruck in den heute noch wertvollen sieben „Berichten über die Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Urkundenlehre“, die er zwischen 1929 und 1942 in den MÖIG veröffentlichte und welche die Berichtsjahre 1925–1940 abdeckten263. 1934 äußerte Zatschek sogar den Wunsch, die gesamten Rezensionsangelegenheiten der MÖIG im Bereich der Diplomatik zu übernehmen, was ihm Brunner jedoch nicht zugestehen konnte264. Nachdem Zatschek 1929 nach Prag verzogen war, wandte er sich rasch der Geschichte Böhmens und Mährens zu und konnte bald erste Forschungsergebnisse vorlegen. Mayer nahm das mit einer gewissen Bewunderung zur Kenntnis: Übrigens Zatschek ist wirklich ein Teufelskerl, kaum hat er eine Arbeit fertig, will er sich schon den Druck für die nächste sichern, er will nämlich jetzt die böhmische Diplomatik umschmeißen und neuaufbauen und kriegt sehr viel heraus. Man muß den Mann bewundern265. Seine Arbeiten lenkte Zatschek in den folgenden Jahren im Wesentlichen in drei Richtungen: 1. Adaption der „Wiener“ Urkundenforschung in der (deutschen) böhmischen Geschichtsforschung. 2. Orientierung am und Übernahme des Paradigmas der „Volksforschung“. 3. Hinwendung zu Themen einer politischen Geschichte 261Heinz Zatschek, Über Formularbehelfe in der Kanzlei der älteren Staufer, in: MÖIG 41 (1926) 93– 107; ders., Zu Petrus Diaconus. Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Registers, der Fortsetzung der Chronik und der Besitzbestätigung Lothars III. für Monte Cassino, in: NA 47 (1927) 174–224; ders., Die Benutzung der Formulae Marculfi und anderer Formularsammlungen in den Privaturkunden des 8. bis 10. Jahrhunderts, in: MÖIG 42 (1927) 165–267; die Habilitationsschrift: ders., Wibald von Stablo. Studien zur Geschichte der Reichskanzlei und Reichspolitik unter den älteren Staufern, in: MÖIG Erg.-Bd. 10 (Innsbruck 1928) 237–495; ders., Beiträge zur Kanzleigeschichte Lothars III., in: MÖIG Erg.-Bd. 11 Oswald Redlich zugeeignet anläßlich der Feier seines siebzigsten Geburtstages (Innsbruck 1929) 169–178; ders., Studien zur mittelalterlichen Urkundenlehre. Konzept, Register und Briefsammlung (Schriften der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag 4, Brünn u. a. 1929) 150 S.; ders., Beiträge zur Geschichte des Konstanzer Vertrages vom Jahre 1153, in: SB Wien 210 (Wien/Leipzig 1930) 3–51; ders., Nochmals die Entstehung des Codex Udalrici, in: MÖIG 44 (1930) 392–398. 262Zatscheks Rezension zu Buchner und Diskussion in: MÖIG 42 (1927) 311f. und 430–435. Zu Dungern in: HZ 146 (1932) 107–109. Zu Schmeidler siehe Heinz Zatschek, Ein neues Buch über Kaiser Heinrich IV., in: MÖIG 43 (1929) 20–45 (!). 263Heinz Zatschek, Bericht über die Neuerscheinungen auf dem Gebiete der Urkundenlehre 1925– 1927, in: MÖIG 43 (1929) 405–453; ders., Bericht […] 1928–1929, in: ebd. 44 (1930) 457–515; ders., Bericht […] 1930, in: ebd. 46 (1932) 477–495; ders., Bericht […] 1931, in: ebd. 47 (1933) 318–353; ders., Bericht […] 1932–1933, in: ebd. 48 (1934) 463–499; ders., Bericht […] 1934–1935, in: ebd. 50 (1936) 394–426; ders., Die Urkundenforschung in den Jahren 1936–1940, in: MÖIG 54 (1942) 435–520. 264Siehe den Brief Brunners vom 17.12.1934. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. 265Brief an Bauer vom 20.11.1929. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Mayers Meinung über Zatschek änderte sich damals freilich recht häufig, siehe seine auch abschätzigen Aussagen 1929/30 in Anm. 94. 740 Karel Hruza des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters, die sich fallweise an Erfordernissen seiner Gegenwart orientierten. Diese „Richtungen“ verwirklichte Zatschek zum einen (und logischerweise) nicht streng getrennt voneinander, sondern in einem miteinander verbundenen Prozess, indem er beispielsweise Ideen der „Volksforschung“ zusammen mit Methoden der „Wiener“ Urkundenforschung und Editionsschule an böhmischem Material anwandte, zum anderen aber auch reine Arbeiten der „Volksforschung“ oder der politischen Geschichte vorlegte. Bei anderen seiner Publikationen ist wiederum eine strengere Zuordnung zu einer dieser Richtungen nicht möglich, u. a. weil Bereiche der „Volksforschung“ a priori politisch determiniert waren. In den ersten Bereich gehören etwa seit 1931 seine Arbeiten zur „Diplomatik der mährischen Immunitätsurkunden“, zur „Diplomatik der Přemyslidenurkunden“, „Siegelstudien“, zur „Bedeutung der Deutschen in der Kanzlei der Přemysliden“, zur „Entstehung des Namens Preßburg“, zu „Johannes von Neumarkt“, „Ein deutsches Vorbild für die mährische Urkundenschrift“, „Die völkische Zusammensetzung der böhmischen Hofkapelle“ und „Zur Geschichte der böhmischen Hofkapelle“266. Dieses Feld hat er auch programmatisch abzustecken versucht267. In den Bereich der „Volksforschung“, der sich Zatschek erst nach ihrer Durchsetzung als vorherrschendes Paradigma in der Geschichtsforschung im Dritten Reich zuwandte268, 266Zatschek, Beiträge zur Diplomatik (wie Anm. 27); ders., Ein Kapitel aus der Diplomatik der Přemyslidenurkunden, in: Jb. des VGDB 3 (1932) 372–393; ders. (zusammen mit Wilhelm Turnwald), Siegelstudien, in: MVGDB 71 (1933) 185–201; ders., Die Bedeutung der Deutschen in der Kanzlei der Přemysliden, in: Germanoslavica 2 (1934) 196–221; ders., Die Entstehung des Namens Preßburg, in: Zs. für slavische Philologie 12 (1935) 78–94; ders., Karolinische Studien I. Zu Johannes von Neumarkt, in: MVGDB 73 (1935) 1–19; ders., Ein deutsches Vorbild für die mährische Urkundenschrift, in: ZSG 2 (1938) 176–182; ders. (zusammen mit E. Hanke-Hajek und M. Wieden), Die völkische Zusammensetzung der böhmischen Hofkapelle, in: ZSG 4 (1940) 25–81, 113–168; ders., Zur Geschichte der böhmischen Hofkapelle bis 1306 (1 Karte, 1 Tafel), in: ZSG 5 (1941/2) 30–50. 267Heinz Zatschek, Aufgaben der sudetendeutschen Urkundenforschung, in: Forschungen und Fortschritte 8 (Berlin 1932) 355f.; ders., Urkundenforschung und Volksforschung, in: DALV 5 (1941) 570–579. – Eine überzeugende Einordnung der volkgeschichtlichen und politisierten Schriften Zatscheks unternahm Ursula Wolf, Litteris et Patriae. Das Janusgesicht der Historie (Frankfurter Historische Abhandlungen 37, Stuttgart 1996), siehe die Nennungen Zatschek im Register. 268Zur (deutschen und österreichischen) „Volkforschung“ siehe grundlegend Willi Oberkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918–1945 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 101, Göttingen 1993); ders., Entwicklungen und Varianten der deutschen Volksgeschichte (1900–1960), in: Volksgeschichten im Europa der Zwischenkriegszeit, hg. v. Manfred Hettling (Göttingen 2003) 65–95; Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 191–196, mit Nennung Zatscheks. Unverzichtbar ist zudem: Peter Schöttler, Die intellektuelle Rheingrenze. Wie lassen sich französische Annales und die NSVolksgeschichte vergleichen?, in: Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen Vergleich, hg. v. Christoph Conrad, Sebastian Conrad (Göttingen 2002) 271–295. – Für Zatscheks eher spätes Kennenlernen der „Volksforschung“ spricht auch, dass er nicht zu den Autoren des mehrbändigen, unvollendet gebliebenen „Handwörterbuch(s) des Grenz- und Auslanddeutschtums“, hg. v. Carl Petersen u. a., gehörte, dessen erster Band 1931 in Breslau erschien. Freilich war er bei dessen Konzeption wohl noch zu jung, um unter die Autoren aufgenommen zu werden. Zum Handwörterbuch vgl. Willi Oberkrome, Geschichte, Volk und Theorie. Das Handwörterbuch des Heinz Zatschek (1901–1965) 741 sind seit 1936 etliche seiner Arbeiten zu verorten269, wie er auch mit programmatischen Schriften zu dieser Forschungsrichtung hervortrat270. Der 1933 von Zatschek und Wostry unternommene Versuch, an der Deutschen Universität in Prag ein wirtschafts- und siedlungsgeschichtliches Seminar zu errichten, hätte zweifellos eine Institutionalisierung „volksgeschichtlicher“ Forschungen, zuvorderst unter Pfitzner, bedeutet. Nicht nur dieser Versuch und Zatscheks Publikationen, sondern auch seine Lehre zeigen, dass er sich rasch der „Volksforschung“ geradezu verschrieben hatte. So berichtete er durchdrungen von missionarischem Eifer und gleichzeitig verbittert über die Wiener Verhältnisse am 8. Mai 1941 seiner Frau nach Prag271: Du kannst Dir vermutlich meine Enttäuschung vorstellen, als ich gestern mit der deutschen Volksgeschichte vor einem nahezu leeren Hörsaal begann, in dem rund 20 Menschen sassen. Ich war so niedergedrückt, dass ich am liebsten nach Prag zurückgekehrt wäre. Nie noch ist eine solche Vorlesung in Wien gehalten worden, gerade deshalb habe ich sie als erste genommen – und nun diese Leere. Weit mehr Erfolg hatte Zatschek mit seinem 1936 erschienenen „volksgeschichtlichen“ Buch „Das Volksbewußtsein“ erzielen können272. Das Buch traf damals wohl „den Nerv der Zeit“, wovon die vielen Anzeigen und Rezensionen in Organen aus der ČSR, Deutschland, Österreich und anderen Ländern künden, die Zatschek fein säuberlich geordnet und aufbewahrt hat273. Von Interesse sind beispielsweise die gegensätzlichen Bewertungen Wilhelm Engels und Herbert Grundmanns274 in Fachzeitschriften oder Grenz- und Auslanddeutschtums, in: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft (wie Anm. 131) 104–127. 269Siehe etwa: Heinz Zatschek, Das Volksbewußtsein. Sein Werden im Spiegel der Geschichtsschreibung (Brünn u. a. 1936); ders., Die Witigonen und die Besiedlung Südböhmens, in: DALV 1 (1937) 110–130; ders., Zur Erforschung der Volkszugehörigkeit nach Stadtbüchern und Urbaren des Spätmittelalters, in: ZSG 1 (1937) 249–255; ders., Die Namengebung der Brünner Bürger nach den Losungsbüchern 1343–1365, in: ebd. 256–268; ders., Tschechentum und Hussitenzeit, in: Ostland. Halbmonatsschrift für Ostpolitik 20 (1939) 577–579; ders., Namensänderungen und Doppelnamen in Böhmen und Mähren im hohen Mittelalter, in: ZSG 3 (1939) 1–11; Studien zur Geschichte der Prager Universität bis 1409 (mit 7 Tafeln), hg. v. dems., in: ZSG 3 (1939) 81–128, bzw. MVGDB 77 (1939) 1–48 (als Separatum erschienen mit dem Titel: Die Reichsuniversität in Prag); ders., Das Werden des deutschen Volkstums in Böhmen und Mähren, in: ZSG 4 (1940) 241–257, bzw. MVGDB 78 (1940/1) 1–17; ders., Die Deutsche Karlsuniversität in Prag in Vergangenheit und Gegenwart, in: Böhmen und Mähren 2 (1941) 47–51; ders., Karl Valentin Müller, Das biologische Schicksal der Přemysliden. Ein Beispiel für die aufartende Wirkung deutscher Erblinien in fremdvölkischen Blutskreisen, in: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie 35 (1941) 136–152; ders., Germanische Raumerfassung und Staatenbildung in Mitteleuropa, in: HZ 168 (1943) 27–56. 270Heinz Zatschek, Volksgeschichtliche Aufgaben für die ältere sudetendeutsche Geschichte, in: ZSG 1 (1937) 42–55, bzw. MVGDB 75 (1937) 16–29; ders., Volksforschung und Volksgeschichte in den Sudetenländern, in: Deutsche Volksforschung in Böhmen und Mähren 1 (1939) 17–29. 271AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. 272Zatschek, Volksbewußtsein (wie Anm. 269). Vor der Drucklegung hatte er es von Hirsch und Pirchan gegenlesen lassen und deren Rat eingeholt. Siehe die Briefe Zatscheks an Hirsch vom 18.08. und 14.10.1936. IÖG, Archiv NL HH. Hirschs Antwort vom 02.11.1936. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. 273AAVČR, Of HeZ, Nr. 806. 274Engel in: DA 2 (1938) 247: „Die oft erörterte Frage nach Entstehung und Entwicklung eines 742 Karel Hruza Meinungen in der Tagespresse, unter deren Organen sogar der „Völkische Beobachter“ dem schmalen Buch einen Artikel widmete275. Der Sudetendeutsche Eugen Lemberg schrieb im Sinn eines „Volkstumskampfes“: „Heinz Zatschek […] ist einer jener Historiker, die die grundsätzlich neuen Aufgaben der heutigen Geschichtswissenschaft erkannt haben.“276 Hier kann angeschlossen werden, dass Zatschek für das SS 1938 die Lehrveranstaltung „Grundfragen einer deutschen Volksgeschichte im Mittelalter“ ankündigte277. Innerhalb des Paradigmas der „Volksforschung“ eröffneten sich für dessen Protagonisten genügend Möglichkeiten für politische, biologistische, sozialdarwinistische und rassistische Aussagen. Unter dem Verlust seiner Wissenschaftlichkeit trat Zatschek hier exponiert hervor. Beispielhaft demonstriert dies sein kurzer Aufsatz über „Das Werden des deutschen Volkstums in Böhmen und Mähren“ von 1940. Darin skizzierte Zatschek unter Anwendung eines „neuen“ Begriffsapparates die Geschichte der böhmischen Germanen bzw. Deutschen vom 6. Jahrhundert bis zum Jahr 1938 Volksbewußtseins erfährt durch diese Arbeit neue Anregung und willkommene Förderung; […] In drei Doppelgruppen: Romanen (Italiener, Franzosen), Slawen (Tschechen, Polen), Germanen (Engländer, Deutsche) führt Z. eine große Zahl mittelalterlicher Äußerungen vor, aus denen sich Urteile über eine eigene Volksart und die Andersart fremder Völker (und Staaten!) ergeben. Die Fülle der von Z. erbrachten Belege – hie und da freilich mehr Urteil des einzelnen Autors als Stimme des Volkes – läßt immerhin sehr deutlich erkennen, wie die verschiedenen Temperamente und Rassen schon im Mittelalter zum Bewußtsein der Verschiedenheit und damit der Eigenart geführt haben. Sehr eindeutig ist der Beweis, daß im Osten auch nach der Christianisierung Deutsche und Slawen durch Volkstum und Sprache getrennt erscheinen. Während im Osten der Widerstand gegen volkliche Fremdherrschaft das Volksbewußtsein erregt, schafft im Westen schon der politische Druck ein deutsches Volksbewußtsein. Für Deutschland muß wohl die Feststellung gelten, daß das Volksbewußtsein an den Grenzen entstanden ist und erst allmählich das Ganze und die Einheit des Volkes erfaßt hat.“ Grundmann in: HZ 158 (1938) 403: „Zatschek […] gibt einen Überblick – ‚keine abschließenden Ergebnisse‛ – über die gegenseitige Beurteilung der europäischen Völker im Mittelalter. Dankenswert ist besonders die Einbeziehung von Böhmen und Polen, während die deutschen Urteile über andere, heidnische Slavenvölker wohl zu Unrecht als nur religiös, nicht völkisch bedingt ausgeschlossen werden. Das ‚Volksbewußtsein‛ spiegelt sich freilich in der Geschichtsschreibung nur unzulänglich, läßt sich auch schwerlich nur an Urteilen der Völker übereinander ablesen, und mit einer Aneinanderreihung solcher Äußerungen ist noch wenig getan. Immerhin bereichert der Vf. die bekannten Zeugnisse der mittelalterlichen ‚Nationalgefühle‛ durch manche neuen Lesefrüchte und vermittelt eine gut lesbare, klare Übersicht.“ 275Im „Völkischen Beobachter“, Ausgabe München 13.11.1937, äußerte sich Quirin Endgasser in seinem Artikel „Die Entstehung eines deutschen Nationalgefühls. Ein neues Werk zur volksbewußten Geschichtsschreibung“ u. a.: „Die deutsche Geschichtsschreibung [im Mittelalter] hatte es nicht nötig, den deutschen Staat und das deutsche Wesen auf chauvinistische Weise zu rühmen, da die Tatsache des Übergewichtes deutscher Geltung im Mittelalter des Hervorhebens nicht bedurfte. Nationale Empfindlichkeit setzt das Gefühl minderer Bedeutung voraus, und dieses Gefühl eben, nicht aber das Volksbewußtsein, war dem deutschen Mittelalter fremd.“ 276Eugen Lemberg, Zur Geschichte des Volksbewußtseins, in: Volk und Glaube 2 (1937) 234–236, hier 234, mit dem Schlusssatz: „Für die Geschichte des Volksbewußtseins der heutigen Nationen in früherer Zeit aber ist Zatscheks Arbeit die erste sichere, quellenmäßige und systematische, mit moderner Fragestellung und seinem, auf Prager Boden geschärftem Gefühl für völkische Eigenart und Lebensbedingungen geschaffene Grundlage. Auf ihr werden die kommenden und von Jahr zu Jahr notwendigeren Darstellungen zur Geschichte des Nationalbewußtseins in Europa weiterbauen können.“ 277UAP, DU Phil.Fak. Inv.-Nr. 918 Sign. F XII. Heinz Zatschek (1901–1965) 743 in einem steten nationalen Ringen zwischen „Deutschtum“ und „Tschechentum“, um am Ende die Errichtung des Protektorats historisch zu legitimieren. Zu deutsch-tschechischen Mischehen im Spätmittealter wusste er zu berichten: „Es kam somit […] zu einem Einströmen deutschen Blutes in den tschechischen Volkskörper, von dessen Ausmaß wir allerdings noch keine rechte Vorstellung haben. Zu diesem Schrumpfen des Deutschtums in Böhmen und Mähren auf friedlichem Weg durch Umvolkung traten die Verluste der Hussitenzeit.“278 Der nationale Kampf der Sudetendeutschen im 19. und 20. Jahrhundert wurde gemäß Zatschek von Juden unterlaufen, die eben nicht zu den Deutschen zu zählen waren. „1882 gab es […] noch 5 deutsche Stadtverordnete in Prag; vier von ihnen waren Juden. 1930 lebten in Prag 41.700 Deutsche. Ein Fünftel von ihnen ist zu streichen, weil wir die mehr als 8000 deutschsprechenden Juden nicht zu den Deutschen zählen. […] Wir haben die Nationale der Studenten [der Deutschen Universität Prag] für die Jahre 1918–1938 untersuchen lassen. Dabei hat sich ergeben, daß an der philosophischen Fakultät, deren Hörer immer zu den Ärmsten gezählt haben und die daher noch als verhältnismäßig judenrein zu gelten hat, bis zum Studienjahr 1922/23 die jüdischen Studenten mehr als ein Drittel gestellt haben. Im Sommersemester 1920 ist mit 150 Juden und 240 Ariern das Höchstausmaß an Verjudung erreicht […]. Man kann sich unschwer vorstellen, wie es an der juridischen und medizinischen Fakultät ausgesehen haben mag. Diese Beispiele werfen helle Schlaglichter auf die besondere Bedrohlichkeit der Judenfrage in Böhmen und Mähren und fordern gebieterisch ihre planmäßige Bearbeitung unter besonderer Berücksichtigung der jüdischen Störung im Kampf um die deutsche Selbstbehauptung.“279 In den 1930er Jahren sollen die „Sudetendeutschen“ durch tschechischen und jüdischen Druck schließlich in eine existentiell bedrohliche Situation geraten sein: „Die Tschechen zählten dabei auf das ständige Sinken der Geburtenziffern bei den Deutschen, von dem sie übrigens selbst genau so betroffen wurden. Zu dieser durch Klimaschwankungen bedingten Geburtenabnahme hat die steigende Arbeitslosigkeit und die Hungersnot in den nordwestböhmischen Industriegebieten viel beigetragen; es wäre aber falsch, wenn man die Einwirkungen des Judentums und der jüdischen Abtreibungsspezialisten übersehen wollte.“280 Die Rettung aus dieser Misere brachte nach Zatschek die SdP unter Henlein und schließlich das Eingreifen Hitlers. In „interdisziplinärer“ Zusammenarbeit mit dem Sozialanthropologen (bzw. Sozialbiologen) K.V. Müller wollte Zatschek die Tragkraft einer rassistisch untermauerten Sozialbiologie (gegenüber Sozial- und Kulturgeschichte) am Beispiel des mittelalterlichen böhmischen Fürstengeschlechts der Přemysliden aufzeigen281. Dazu suchten beide nach „Leistungsträgern“ in der Genealogie der Přemysliden, und es 278Zatschek, Das Werden des deutschen Volkstums (wie Anm. 269) 247. 279Ebd. 254. 280Ebd. 256. 281Müller, Zatschek, Das biologische Schicksal (wie Anm. 269), etwa 136f. Zu Müller siehe Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 63–67; Eduard Kubů, „Die Bedeutung des deutschen Blutes im Tschechentum“. Der wissenschaftspädagogische Beitrag des Soziologen Karl Valentin Müller zur Lösung des Problems der Germanisierung Mitteleuropas, in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 45 (2004) 93–114. 744 Karel Hruza überrascht kaum, daß sie „Leistungsträger“ unter eingeheirateten Deutschen und unter Přemysliden mit deutscher Verwandschaft fanden, während anderen Ethnien eben solche „Leistungsträger“ nicht zugeschrieben wurden282. Mit diesen und anderen Arbeiten erwarb sich Zatschek das traurige Prädikat, zu den wenigen damaligen Historikern gehört zu haben, die sich „engagierter für eine rassische Geschichtsauslegung“, die in die „Kulturträgertheorie“ integriert wurde, eingesetzt haben283. Anklang fanden auch Zatscheks Publikationen und Vorlesungen innerhalb einer politischen Geschichte, seinem dritten Arbeitsgebiet seit ungefähr 1930. Zu nennen sind zum einen Titel, die zu einer „gewöhnlichen“ Geschichte des Mittelalters gehören284, zum anderen aber solche Schriften, die deutlich ihre Abhängigkeit von damaligen politischen Ansichten und Diskussionen – je nach Entstehungszeit – in Deutschland, Österreich und ČSR verraten285. Dass Zatschek seiner politischen Überzeugung bis 282Müller, Zatschek, Das biologische Schicksal (wie Anm. 269) 143. Allerdings muss hierzu bemerkt werden, dass die biologistischen Grundlinien des Beitrags mehrheitlich von Müller herrühren dürften. 283So Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 245. Zur „Kulturträgertheorie“ siehe etwa Hans-Erich Volkmann, Deutsche Historiker im Banne des Nationalsozialismus, in: Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, hg. v. Wilfried Loth, Bernd-A. Rusinek (Frankfurt/M. 1998) 285–311, hier 295–300. 284Heinz Zatschek, Ein neues Buch über Kaiser Heinrich IV., in: MÖIG 43 (1929) 20–45; ders., Beiträge zur Geschichte des Konstanzer Vertrages vom Jahre 1153, in: SB Wien 210,3 (1930) 3–51. 285Heinz Zatschek, Die Reichsteilungen unter Kaiser Ludwig dem Frommen. Studien zur Entstehung des ostfränkischen Reiches, in: MÖIG 49 (1935) 186–224 (separater ND Darmstadt 1969); ders., Die Ostpolitik des Mittelalters, in: Vergangenheit und Gegenwart. Zs. für Geschichtsunterricht und politische Erziehung Jg. 25, Heft 2 (1935) 75–93; ders., Karl der Große in neuer Beleuchtung, in: Stimmen der Jugend 3, Heft 7–8 (Mai 1935) 108–110; ders., Geschichte und Stellung Böhmens in der Staatenwelt des Mittelalters, in: Das Sudetendeutschtum. Sein Wesen und Werden im Wandel der Jahrhunderte. FS zur Fünfundsiebzigjahrfeier des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1: Mittelalter, hg. v. dems., Gustav Pirchan, Wilhelm Weizsäcker (Brünn/Prag/Wien/ Leipzig 1937) 39–84; Heinz Zatschek, Schicksalsjahre der deutschen Geschichte. Das mittelalterliche Imperium zwischen Süd- und Ostpolitik, in: Volk und Führung. Unabhängige sudetendeutsche Monatshefte für Politik und Erziehung 3. Jg., Heft 1 (Januar 1937) 10–14; ders., Die deutsche Staatsführung im 9. und 10. Jahrhundert. Ein Vorschlag zu einer gesamtdeutschen Betrachtung, in: MÖIG Erg.-Bd. 14 = Hans Hirsch dargebracht als Festgabe zu seinem 60. Geburtstag von seinen Kollegen, Mitarbeitern und Schülern (Innsbruck 1939) 53–70; ders., Baiern und Böhmen im Mittelalter, in: ZBLG 12 (1939) 1–36; ders., Die Deutsche Karlsuniversität in Prag in Vergangenheit und Gegenwart, in: Böhmen und Mähren Jg. 2, Heft 2 (1941) 47–51; ders., England und das Reich (Brünn/München/Wien 1942, 21943); ders., Gedanken zur Reichsteilung von Verdun im Jahre 843, in: ZGS 6 (1943) 129–137; ders., Versuche slawischer Staatsbildungen, in: Das Böhmen und MährenBuch. Volkskampf und Reichsraum, hg. v. Friedrich Heiss (Prag 1943) 140–145; Heinz Zatschek, Das europäische Gleichgewicht (Abh. Prag Heft 9, 1943); ders., Die Erwähnungen Ludwigs des Deutschen als Imperator, in: DA 6 (1943) 374–378; ders., Ludwig der Deutsche, in: Der Vertrag von Verdun 843. Neun Aufsätze zur Begründung der europäischen Völker- und Staatenwelt, hg. v. Theodor Mayer (Leipzig 1943) 31–65; Zatschek, Deutsche Geschichte (wie Anm. 172); ders., Mähren in der Reichsgeschichte, in: Böhmen und Mähren Jg. 5, Heft 11/12 (1944) 228–231; ders., Beiträge zur Beurteilung Heinrichs V. I. Die Verhandlungen des Jahres 1119, in: DA 7 Heft 1 (1944) 48–78 (die Teile: II. Die Gefangennahme Papst Paschals II. und das „Pravileg“, und: III. Die Gefangennahme und Absetzung Heinrichs, blieben ungedruckt); ders., Die Reichsidee, in: Der Erzieher in Böhmen und Mähren (Sonderfolge Jänner 1945) 36–42, des Weiteren auch ders., Kaiser Karl IV., in: Gestalter Deutscher Vergangenheit, hg. v. Peter Richard Rohden (Potsdam/Berlin) 1937 Heinz Zatschek (1901–1965) 745 zuletzt treu blieb, beweist geradezu signifikant sein letzter Aufsatz mit dem Titel „Die Reichsidee“, der noch im Dritten Reich 1945 erscheinen konnte. Für viele seiner politisch ausgerichteten Beiträge wählte Zatschek Publikationsorgane, die auf einen größeren, nicht rein fachlichen Leserkreis zielten und auch von deutschen Protektoratsbehörden oder deren Vertretern herausgegeben wurden. Ein zentrales Arbeitsgebiet fand Zatschek in der Geschichte der Deutschen in Böhmen und Mähren, in der Erforschung des dortigen deutschen „Volkstums“ oder des „Deutschtums“. Rasch wurde er zu einem der vordersten „sudetendeutschen“ Lehrenden, der die sudetendeutschen Ansprüche historisch zu untermauern half. Dementsprechend war Zatschek Mitglied im VGDB und ergriff so manche Initiative. Pfitzner berichtete im Frühjahr 1935 Hirsch, Pirchan hätte ihm erzählt, Zatschek habe die Idee geäußert, Wostry 1937 aus Anlass dessen 60. Geburtstages eine Festschrift zukommen zu lassen286, die nachfolgend jedoch, u. a. von Zatschek herausgegeben, als Festschrift zum 75jährigen Bestehen des VGDB verwirklicht wurde. Bei der 75-Jahr-Feier des VGDB vom 16.–18. Oktober 1937 in Prag hielt Zatschek den Vortrag „Volksgeschichtliche Aufgaben für die ältere sudetendeutsche Geschichte“287. An der Festschrift für den Vereinsvorsitzenden Wostry „Heimat und Volk“ war Zatschek jedoch nicht beteiligt288. Wie der überwiegende Teil seiner sudetendeutschen und österreichischen Kollegen hatte er keine Berührungsängste gegenüber dem Dritten Reich. So nahm er am 19. Deutschen Historikertag im Juli 1937 in Erfurt teil289, nicht aber am „VIII. Internationalen Kongress für Geschichtswissenschaft“ in Zürich 1938 oder am ersten Tschechoslowakischen Historikertag desselben Jahres. Dass er ebenso nicht an der großen Festschrift für Srbik beteiligt war, ist hingegen angesichts des Herausgeberund Beiträgerkreises auffallend290. 172–185; Heinz Zatschek, Kaiser Sigismund, in: ebd. 201–214; ders., Die Geschichte der Prager Universität, in: Ostland. Halbmonatsschrift für Ostpolitik Jg. 21 (1940) 70–72; ders., Böhmen – ein Teil Deutschlands, in: ebd. 338–341; ders., Das Deutschtum Prags, in: Hochschulführer für das Protektorat Böhmen und Mähren 1940; ders., Deutschlands Weg zur Führung Europas im Mittelalter, in: Forschungen und Fortschritte Jg. 18, Nr. 3–4 (1942) 31f.; ders., Das Reich als Schutzmacht für Böhmen und Mähren, in: Böhmen und Mähren Jg. 4, Heft 11/12 (1943) 166–168. 286Brief vom 12.04.1935. IÖG, Archiv, NL HH. Zur Festschrift Wostry siehe Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 56. 287Siehe das Tagungsprogramm in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 798, dazu auch Antonín Kostlán, Die „Mitteilungen des Vereines für Geschichte des Deutschen in Böhmen“ in der Tschechoslowakischen Republik (1918–1938), in: Die böhmischen Länder in der deutschen Geschichtsschreibung seit dem Jahre 1848 1, hg. v. Michael Neumüller u. a. (Ústí nad Labem 1996) 103–113, hier 109–113. Die Vereinsfeier stand bereits auch im „Zeichen“ eines offenen Antisemisitmus, siehe Luft, Deutsche und Tschechen (wie Anm. 243) 384f. 288Heimat und Volk – Forschungsbeiträge zur sudetendeutschen Geschichte. FS für Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Wostry zum 60. Geburtstage, dargebracht von seinen Schülern, hg. v. Anton Ernstberger (Brünn/Prag/Leipzig/Wien 1937). 289Die Einladung nach Erfurt und das Tagungsprogramm hat Zatschek aufbewahrt. Aus Prag kamen keine Referenten, aus Wien jedoch Brunner und Srbik. AAVČR, Of HeZ, Nr. 599. Hermann Heimpel schrieb am 12.11.1937 an Zatschek u. a.: Leider haben wir uns in Erfurt nicht kennen gelernt. Doch das lässt sich nachholen. Ebd., Nr. 468. 290Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag, hg. 746 Karel Hruza Bei der Betrachtung von Zatscheks Arbeitsthemen und angesichts seiner engen Kontakte zu Hirsch überrascht es nicht, ihn auch in die SODFG eingebunden zu sehen. Zatschek gehörte mehrmals zu den Teilnehmern der „Fahrten“ und Tagungen der SODFG, hielt Vorträge und gab auch Anstoß zu bestimmten Arbeiten. So lud ihn Hirsch, Leiter der SODFG, 1936 zu einem Vortrag nach Linz ein, und Zatschek sagte mit einem Thema zur südböhmischen Geschichte zu291. Im Februar 1939 erhielt Zatschek die Einladung zu einer gemeinsamen Tagung der SODFG und des Deutschen Ausland-Instituts in Stuttgart am 18./19. März in Preßburg (Bratislava), der er vermutlich nachkam292. Unter Teilnahme von politischer „Prominenz“ wie Franz Karmasin und Vojtech Tuka sollten auf dieser Tagung Fragen der Slowakei und der Karpathenukraine diskutiert werden. Dagegen ist seine Mitwirkung an der geheimen Tagung aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der SODFG am 17. und 18. März 1941 in Wien nicht nachzuweisen293. Noch Hirsch persönlich forderte Zatschek nach der Errichtung des Protektorats im März 1939 auf, die Bearbeitung der Deutschen Inschriften Böhmens und Mährens zu übernehmen, sobald die nötigen Vorkehrungen erledigt wären. Zatschek wollte sich dieser Aufgabe nicht entziehen und zumindest helfend beistehen294. Zatscheks Sternstunde als „sudetendeutscher“ Historiker kam zu derselben Zeit, als er sich führend an der Legitimation der deutschen Okkupation der ČSR durch das NS-Regime beteiligte. Dazu schrieb er weit gefasste, auch essayistische Aufsätze, etwa mit Titeln wie „Böhmen – ein Teil Deutschlands“ (1940) oder „Das Reich als Schutzmacht für Böhmen und Mähren“ (1943). Zusätzlich betrieb er Studien zu eng begrenzten Themen. Sein wichtigstes Arbeitsgebiet sah er in der Geschichte der Prager Karlsuniversität, der für ihn ältesten „deutschen Reichsuniversität“, der er immerhin sieben Publikationen widmen konnte295. In die geplante Darstellung der Universitätsgeschichte für das Jubiläumsjahr 1948 war er führend involviert und sollte v. Wilhelm Bauer, Ludwig Bittner, Taras von Borodajkewycz, Otto Brunner, Wilhelm Deutsch, Lothar Gross, Hans Hirsch, Reinhold Lorenz (Wien 1938). Alle Herausgeber waren auch Beiträger, dazu u. a. auch Dopsch, Ernstberger, Mayer, Redlich, Uebersberger, Winter und Wostry. 291AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Vgl. allgemein Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931–1945 (BadenBaden 1999), und 278 und 291 kurz zur Mühlviertel-Südböhmenfahrt vom 26.–29.09.1936; ders., Die „Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft“. Politische Beratung und NS-Volkstumspolitik, in: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle (Frankfurt/M. 1999) 241–264; Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 99–101. 292Einladungsschreiben Hirschs (für die SODFG) und Dr. Richard Csakis (Leiter des Stuttgarter Instituts) vom 23.02.1939. Da der rückzusendende Anmeldeabschnitt der Einladung fehlt, hat sich Zatschek vermutlich zumindest angemeldet. AAVČR, Of HeZ, Nr. 520. 293Aktenvermerk ohne Nennung der Teilnehmer. ÖStA, AdR Reichsstatthalter in Wien K. 58/299. 294Hirsch an Zatschek am 22.04.1939. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Zatschek antwortete am 27.04.1939. IÖG, Archiv, NL HH. Einen Bearbeiter konnte Zatschek noch nicht nennen. 295Auffällig ist, dass er bei dem propagandistisch ausgerichteten sudetendeutschen Buch: Unsere Alma Mater. Die sudetendeutschen Hochschulen, hg. v. Kurt Brass u. a. (Böhmisch Leipa 1938), an dem etwa Weizsäcker und Wostry mitgearbeitet hatten, noch nicht beteiligt war. Seine erste Arbeit zur Universitätsgeschichte erschien 1939. Heinz Zatschek (1901–1965) 747 den Abschnitt von der Universitätsgründung bis zum Jahr 1409 verfassen296, zu dem er bereits Vorarbeiten geleistet hatte. Eine Sitzung der Autoren am 13. Mai 1943 offenbarte jedoch erhebliche Schwierigkeiten wegen der unzureichenden Ordnung des Universitätsarchivs und der Editionslage der Quellen, so dass mit einem raschen Fortschreiten der Arbeiten nicht zu rechnen war. Freilich verabsäumte es Zatschek nicht, auch auf diesem Forschungsfeld als durchaus stolzer „Volksforscher“ antisemitische Momente einfließen zu lassen. Als eine Studentengruppe unter seiner Leitung bestimmte Aspekte der Universitätsgeschichte zu bearbeiten hatte, schrieb er 1939 an Hirsch: Immerhin stehen mir von der Studentenschaft zwei Arbeitskreise zur Verfügung. Ein männlicher bearbeitet die Zeugenreihen bis 1306 vom Gesichtspunkt der Volkszugehörigkeit, ein weiblicher die Nationale unserer Universität von 1918–1938, unter besonderer Betonung des Judentums und seines Umsichgreifens. Im Seminar sitzen wir über den Anfängen unserer Universität, vor allem über den Matrikeln. Die Ergebnisse werden als Gemeinschaftsarbeit erscheinen, in der Form, dass jeder Student für den von ihm gelieferten Text verantwortlich zeichnet. Wenn die genannten drei Probleme gelöst und eine Veröffentlichung der Arbeiten erfolgt sein wird, dann dürfte ich vielleicht sagen, dass ich meinen Anteil an der Volksforschung geleistet habe297. Besonderen Wert legte Zatschek auf das populärwissenschaftliche Büchlein „England und das Reich“, das 1942 in einer hohen Auflage herauskam und bereits zu Beginn des nachfolgenden Jahres vergriffen war, was eine zweite Auflage erforderlich machte298. Zatschek unternahm darin den Versuch, in einer Art Meistererzählung aufzuzeigen, dass sich England, das „in der Vorstellung lebte, von Gott zur Weltherrschaft berufen zu sein“, bereits seit dem Mittelalter in einer historischen „Gegnerschaft“ zum Reich befand, seine Könige oftmals „Reichsfeinde“ waren – so besonders Richard Löwenherz – und England letztlich als der große „Erbfeind“ der Deutschen zu gelten habe, der beständig versuchte und versucht, die deutsche „Führung“ in Europa zu verhindern. So habe England als der Hauptschuldige am Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu gelten, mit dem die von Bismarck wiedererrichtete deutsche „Führung“ in Mitteleuropa beseitigt werden sollte. Kategorien und Begriffe seiner Gegenwart übertrug Zatschek bedenkenlos ins Mittelalter oder in die Frühe Neuzeit, wie auch 296Siehe insgesamt Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 70; Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 15; dies., Universität im Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 130) 177. Siehe auch das Schreiben des Obmanns des Ausschusses, Wostry, an Weizsäcker vom 31.01.1941, Abb. 6 bei Joachim Bahlcke, Mit den Waffen der Wissenschaft. Der sudetendeutsche Jurist und Rechtshistoriker Wilhelm Weizsäcker (1886–1961). Biographisch-bibliographische Anmerkungen, in: Berichte und Forschungen. Jb. des Bundesinstitutes für ostdeutsche Kultur und Geschichte 6 (1998) 175–210, hier 210. Andere geplante Autoren waren Ernstberger, Pfitzner, K. M. Swoboda, Weizsäcker, Winter und Wostry. Auch Blaschka, Josef Bergel und Josef Hemmerle gehörten vermutlich zu diesem Kreis; ihre Beiträge erschienen später in: Studien zur Geschichte der Karls-Universität zu Prag, hg. v. Rudolf Schreiber (Forschungen zur Geschichte und Landeskunde der Sudetenländer 2, Freilassing – Salzburg 1954). 297Brief an Hirsch vom 27.04.1939. IÖG, Archiv, NL HH. Die Publikation: Studien zur Geschichte der Prager Universität (wie Anm. 269). 298Siehe Zatschek an Mayer am 06.02.1943. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 191. Ähnlich an Bauer am 30.01.1943. ÖAW Archiv, NL WB K. 8. 748 Karel Hruza wieder sein Antisemitismus Platz gewann. Die Schlussworte mögen die Richtung verdeutlichen: „Wenn die Ziele so hochgespannt sind und es keine Verständigung gibt, dann müssen die Waffen entscheiden. All unser Glauben an das Reich der Deutschen begleitet unsere stolze Wehrmacht in ihrem harten Kampf. All unsere Hoffnung gilt dem Sieg, der verhindern soll, daß England ein viertes Mal gegen die Führung Europas durch Deutschland anstürmt.“299 Im Gegensatz zu den meisten deutschen und vielen österreichischen Historikern erblickte Zatschek demnach die historischen „Erbfeinde“ Deutschlands nicht in Frankreich und Polen, wie er als Österreicher in seiner BismarckVerehrung zurückhaltend war300. Zu derselben Zeit arbeitete Zatschek an einer „Deutschen Geschichte“, die aus seiner Wiener Vorlesungstätigkeit 1941/42 hervorging und 1943/44 in zwei Teilen erschien301. Das kleine Buch aus 541 engbedruckten Seiten ohne Apparat erweckte sogleich das Interesse des Majors Dr. Hartmann, der beim „Generalinspekteur für den Führernachwuchs des Heeres“ (beim Oberkommando des Heeres) für die weltanschauliche Schulung des Offizier- und Unteroffiziernachwuchses und deren notwendige geschichtliche Untermauerung zuständig war: Ich finde in diesem Werke das, was ich schon lange suchte, eine Geschichtsbetrachtung, die frei ist von jeder einseitigen Einstellung sowohl nach der preussisch-hohenzollerischen als auch nach der habsburgischen Seite302. Das Buch stellt die Synthese der Geschichtsauffassung Zatscheks dar, beginnt mit der „Vorgeschichte“ und sieht die Erfüllung der deutschen Geschichte im Aufkommen des Dritten Reiches, als dessen angebliche Hauptfeinde erneut England und die Juden erkannt werden. Ähnlich wie im England-Buch gleichen die letzten Kapitel 22 und 23 („Einkreisung und Zusammenbruch“ und „Das Werden des Großdeutschen Reiches“) einer offiziösen nationalsozialistischen deutschen Geschichte: „Es war einmalig in der Geschichte, wie ein Mann aus dem Nichts heraus eine Bewegung geschaffen hatte, die trotz dem großen Fehlschlag im Jahr 1923 unter beispiellosen Opfern bis 1933 weite Teile des deutschen Volkes erfaßt und gestaltet und von innen heraus mit unblutigen Mitteln den Staat erobert hatte. Es wird ewig denkwürdig bleiben, wie ein Mann den Kampf gegen den erbittertsten Feind eines gesunden Volkstums, den gegen das Judentum und die jüdische Weltwirtschaft aufgenommen hat.“303 Die Grundzüge dieser Gedanken wiederholte er mehrmals, so auch in seinem Prager Akademievortrag von 1943 „Das europäische Gleichgewicht“, in einem „Feldpostbrief“ desselben Jahres oder in seiner letzten Prager Publikation vom Januar 1945 „Die Reichsidee“304. In 299Zatschek, England (wie Anm. 285) 89. 300Siehe zu diesen Themen etwa Volkmann, Historiker (wie Anm. 283). 301Das Buch erschien als Privatdruck. Möglicherweise hat Zatschek versucht, das Werk innerhalb der MÖIG erscheinen zu lassen, denn am 30.01.1943 schrieb er Bauer: Ich darf zwar nicht sagen, ich sei „sehr ungehalten“, dass Sie die deutsche Geschichte nicht herausgeben wollen. ÖAW Archiv, NL WB K. 8. 302Der Brief Hartmanns vom 19.05.1944 in AAVČR, Of HeZ, Nr. 577, mit der Bitte um Mitteilung, ob und wie ein Exemplar zu erwerben sei. 303Zatschek, Deutsche Geschichte (wie Anm. 172) 525 und 541. 304Zatschek, Gleichgewicht (wie Anm. 285); ders., Unser Bild vom deutschen Mittelalter, in: Heinz Zatschek (1901–1965) 749 diesem deutschzentrierten und biologistischen Geschichtsbild hatte aber auch die katholische Kirche keinen Platz als positive konstruktive Kraft. Vielmehr waren es die Päpste, die in Mittelalter und Neuzeit nach der Weltherrschaft gestrebt und damit immer wieder den ordnenden deutschen Führungsanspruch in Europas Mitte sabotiert hatten. Zieht man in Betracht, dass Zatschek aus demselben Geist seine Vorlesungen an der Verwaltungsakademie Wien (und vermutlich auch andere Vorlesungen an den Universitäten Wien und Prag) gehalten hat, dann überrascht seine spätere Einschätzung durch den Hörer F. L. kaum. Zatscheks zunächst eher distanziertes Verhältnis zu Mayer erfuhr während des Zweiten Weltkrieges eine wesentliche Verbesserung, wohl auch auf der Basis, dass beide zu den Protagonisten einer Instrumentalisierung der deutschen Geschichtswissenschaft für das kriegführende Dritte Reich zählten. Mayer zog dementsprechend Zatschek für den „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ heran305. Im Herbst 1940 informierte er diesen über seine Vorhaben innerhalb der Aktion zum Einsatz der Geisteswissenschaften im Krieg. Zatschek bat er schließlich, für eine große germanische Geschichte […], die vor allem die Leistung der Germanen in Europa und im besonderen die führende Stellung des deutschen Volkes herausarbeiten sollte, einen Beitrag zur Karolingerzeit zu liefern306. Zatschek nahm auf Einladung Mayers als Vortragender an der Arbeitsbesprechung der Mittelalterlichen [sic!] Historiker und der Rechtshistoriker in Weimar 4./5. Mai 1942 teil, die innerhalb des Einsatzes der Geisteswissenschaften im Krieg stattfand307. In Weimar kam er mit einigen bekannten Kollegen zusammen, so etwa mit Aubin, Herbert Jankuhn, Erich Maschke, Heinrich Mitteis und Klebel. Sein Referat Germanische Raumerfassung und Staatenbildung in Mitteleuropa veröffentlichte Zatschek immerhin in der renommierten HZ308. Im zugehörigen dreiseitigen Vortragsprotokoll sind mit „Führung“ oder „Führer“ gebildete Worte wie Führerschicht oder Führerkorps 14 mal zu finden, und jenen Germanenstämmen, die in ihren Erbanlagen möglichst unverändert geblieben waren, spricht Zatschek die besten Führungsqualitäten zu, wie er überhaupt kurz vor dem Sommer 1942, als die Deutsche Wehrmacht die größte geografische Ausdehnung bei ihren Eroberungsfeldzügen erreichen sollte, die Frage aufwarf, wie die Franken im Frühmittelalter ihre riesigen Reiche beherrschen konnFeldpostbriefe für Studierende der Geisteswissenschaften, hg. v. der Philosophischen Fakultät der Deutschen Karls-Universität in Prag, Heft 1 (Dezember 1943) 14–18, mit dem Schlusssätzen: „Heute kämpft das deutsche Volk darum, das wieder zu werden, was wir schon einmal waren: das Volk, das Europa vor den Einbrüchen fremder Rassen bewahrt und nicht nur für sich allein, sondern für den ganzen Erdteil gelebt und gelitten hat.“ ders., Die Reichsidee (wie Anm. 285). Erstere Arbeit thematisiert Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 123–148. 305Siehe hierzu allgemein Frank-Rutger Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940–1945) (Schriften zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 1, Dresden/München 1998), und den Beitrag zu Mayer in diesem Band. 306Brief Mayers vom 30.09.1940. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292. 307Siehe das Verhandlungsprotokoll bzw. Manuskript nur zum eigenen Gebrauch! Ebd. 1–3 Protokoll des Zatscheks-Vortrags. AAVČR, Of HeZ, Nr. 797. Siehe auch Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 192f. 308Zatschek, Germanische Raumerfassung (wie Anm. 269). 750 Karel Hruza ten309. In der politischen Ordnung des Frühmittelalters erblickte Zatschek geradezu eine Spiegelung seiner eigenen Gegenwart: „Die Führung Europas von der Mitte aus mußte demnach künftig in anderen Formen erfolgen als das im Zeitalter Karls des Großen noch möglich gewesen war. Man beließ den Fürsten, deren Herrschaftsgebiet dem Reich zugeordnet wurde, ihre Stellung, machte sie aber zu Vasallen und nötigte sie zur Ablegung eines Treueides. Vielleicht ist es nicht zu gewagt, einzelne dieser Formen mit dem Protektorat Böhmen und Mähren zu vergleichen, andere wieder mit der Stellung, in der sich heute die Slowakei zum Reich befindet.“310 1943 lieferte Zatschek für einen von Mayer herausgegebenen Sammelband, der aus Anlass des Jubiläums des Vertrags von Verdun 843 erscheinen sollte, einen Aufsatz über Ludwig den Deutschen. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls geplante Kriegseinsatz-Tagung, auf der die Beiträge dieses für die Entstehung des deutschen Volkes und Reiches angeblich wesentlichen Ereignisses präsentiert werden sollten, konnte wegen der Kriegsereignisse jedoch nicht durchgeführt werden311. Im April 1944 versammelte Mayer aber erneut Historiker zu einer großen KriegseinsatzArbeitsbesprechung in Erlangen, doch dieses Mal musste Zatschek absagen312. Ebenso erging es ihm bei der letzten, am 16. und 17. Januar 1945 in Hitlers Geburtsstadt Braunau erneut von Mayer trotz aller kriegsbedingter Widerstände veranstalteten vertraulichen wissenschaftlichen Besprechung innerhalb des „Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften“. Ausdrücklich von Mayer eingeladen, musste Zatschek wohl wegen der sich stets verschlechternden Reisemöglichkeiten und auch aus Abneigung gegen einige andere Teilnehmer fernbleiben313. 309Bemerkenswert ist, dass in der Diskussion gemäß Protokoll (wie Anm. 307) 12, Aubin die Ausführungen Zatscheks abzuschwächen versuchte, die auf Herausstellung der Bedeutung von „Rasse“ zielten: Die interessante Perspektive, die Herr Zatschek gegeben hat, ging aus von dem Gedanken der Wirkung des germanischen Elements innerhalb des fränkischen Reiches, des germanischen Elements, wie es sich in den Mitteln der Ausnutzung der menschlichen Kräfte, der Persönlichkeiten zur Verfügung stellt. Wenn man schon so weit geht und den Versuch unternimmt zu fragen, woher die Möglichkeit zur Beherrschung eines so grossen Raumes gekommen ist, wird man ein Problem anschneiden müssen, die Frage, wie die Institutionen gehandhabt worden sind, welche aus dem Germanischen erhalten wurden, welche aus dem Römischen übernommen oder neu geformt worden sind, um sich zum Herrn eines so grossen Gebietes zu machen. Daneben steht die Frage, wie zur Wiederbelebung des römischen Erbes die Mittel ausgenutzt sind, die der römische Staat schon besessen hat. Die Frage der geistigen Mittel, der Bildung, mit denen das Reich beherrscht werden konnte, die Möglichkeit des schriftlichen Verkehrs, des Urkundengebrauchs, die Möglichkeit Menschen zu erziehen, die die Perspektiven für so grosse Aufgaben besassen, all das gehört dazu, wenn wir verstehen wollen, wie die Beherrschung eines solchen Riesenraumes durch die Germanen möglich gewesen ist. 310Zatschek, Germanische Raumerfassung (wie Anm. 269) 53. Ähnlich in Zatschek, Deutsche Geschichte (wie Anm. 172) 538. 311Zatschek, Ludwig der Deutsche (wie Anm. 285). Fast alle Autoren des Bandes schlossen ihre Aufsätze mit Bezügen zur aktuellen Situation 1943 ab. Zur geplanten Tagung siehe Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 196. 312Schreiben Zatscheks an Mayer vom 07.03.1944. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 11 Nr. 106. Die Tagung fand am 18.–19. April 1944 statt, siehe Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 196–198. 313Schreiben Mayers an Zatschek vom 26.12.1944, AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; vom 08.01.1945 (und Heinz Zatschek (1901–1965) 751 Im Gegenzug für seine Kriegseinsatz-Tagungsteilnahmen sorgte Zatschek dafür, dass Mayer am 20. Juli 1944 in der RHS in Prag mit einem Vortrag auftreten konnte314. Bis in den April 1945 hinein haben die beiden Historiker ihren Kontakt brieflich aufrechterhalten und fachlich vor allem über Angelegenheiten der Edition der WibaldBriefe, Zatscheks Heinrich V.-Trilogie und einer Edition der Přemysliden-Urkunden diskutiert315, die Zatschek als „Beauftragter des Reichsprotektors für die Herausgabe der historischen Quellen in Böhmen und Mähren“ zu beaufsichtigen hatte. Diese Edition wollte Joachim Prochno weiterhin vom „Böhmischen Landesarchiv in Prag“ herausgeben lassen und bat Mayer um eine Klärung des Verhältnisses zu der Edition von Dynastenurkunden innerhalb der MGH, die auch gefunden werden konnte316. Aus persönlichem Interesse und wohl auch im Auftrag entstanden 1944 zwei wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten Zatscheks, die verhältnismäßig sachlich gehalten und auch heute noch nicht überholt sind. Sie sind seinem ureigensten Arbeitsfeld, den Historischen Hilfswissenschaften gewidmet317. Zatscheks trotz des Kriegsverlaufs ungebrochener Arbeitseifer unter Beibehaltung der völkischen Themenausrichtung zeugt sowohl von einer politischen Verblendung als auch von einer Negierung damaliger Realitäten. Die Umstände seiner Flucht aus Prag und seines wissenschaftlichen Neubeginns in Wien ließen eine Reihe seiner Vorhaben unvollendet: So zwei Teile seiner Heinrich V.-Trilogie, die er später vereinigt als Buch veröffentlichen wollte, und ein offizielles NS-Lehrbuch für Studenten „Mittlere Geschichte“, das er fast abgeschlossen hatte318. an Brunner vom 04.12.1944), StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 11 Nr. 14, und vom 12.01.1945, AAVČR ebd.; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Nach Braunau eingeladen waren u. a. Brunner, Klebel, Karl Bosl, Dungern, Erich von Guttenberg, Max Spindler und Otto Stolz. Siehe Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 199f. 314MGH, Archiv B 704/II, 2–3; AAVČR, Of HeZ, Nr. 292. 315Am 12.03.1945 bedankte sich Mayer u. a. bei Zatschek für dessen Beitrag in der ihm, Mayer, gewidmeten „Prager Festgabe“: Heinz Zatschek, Die Anfänge der Lehrkanzel für historische Hilfswissenschaften an der Universität Prag, in: ZGS 7 (1944, ND als Prager Festgabe für Theodor Mayer, neu hg. v. Rudolf Schreiber [Forschungen zur Geschichte und Landeskunde der Sudetenländer 1, Freilassing/Salzburg 1953]) 254–288. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; ebd. Nr. 599; MGH, Archiv B 704/II, 2–3; WstLA, NL HeZ A1, K. 3, Mappe 2. 316Prochno, damals Leiter des Böhmischen Landesarchivs und Bearbeiter des Codex diplomaticus et epistolarius Bohemiae, hatte auf Anraten Zatscheks wegen der Abgrenzung seiner Editionsarbeit gegenüber den MGH am 28.02.1945 an Mayer geschrieben, woraufhin Mayer am 10.03. antwortete: Ich stehe grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß der Druck der Fürsten-und Dynastenurkunden nicht Aufgabe des Reichsinstituts, sondern der Historischen Kommissionen oder ähnlicher Einrichtungen ist […], endete aber mit dem salomonischen Spruch: Ich möchte Sie also bitten, die Edition gleichsam als eine Aufgabe der Monumenta Germaniae, – wenn man sagen will, daß diese die gesamtdeutschen Quelleneditionen repräsentieren, – durchzuführen. MGH, Archiv B 704/II, 2–3. – Vermutlich auch diese „Anbindung“ an die MGH führte Prochno zum Plan, wenig später ca. 400 PřemyslidenUrkunden aus Prag abtransportieren zu lassen, siehe Abschnitt III und Hruza, Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38). 317Zatschek, Die Anfänge der Lehrkanzel (wie Anm. 315); ders., Das Wiener Institut für Geschichtsforschung und die Entwicklung der historischen Hilfswissenschaften in den Sudetenländern (Abh. Prag Heft 14, Prag 1944). 318Das „Unvollendete“ beschäftigte Zatschek über 1945 hinaus. Am 16.08.1946 schrieb er an Mayer u. a.: 752 Karel Hruza Im Zeitraum der Studienjahre 1930/31 bis 1944/45 betreute Zatschek 65 Dissertationen in Prag, davon 44 als Doktorvater319. Zunächst begann er als Zweitgutachter in Zusammenarbeit mit Wostry. In dieser Konstellation wurden bei ihnen bis in das Studienjahr 1940/41 zwölf Dissertationen verfasst, wobei der Großteil bis in die Mitte der 1930er Jahre entstand. Als Doktorvater trat Zatschek erstmals im Studienjahr 1931/32 auf und betreute eine Arbeit aus seinem damals engsten Forschungsgebiet: „Die Urkunden der Markgrafen von Mähren in den Jahren 1197–1251 in Diktat und Schrift“ von Herbert Hudez. Als Zweitgutachter fungierte Wostry. In dieser Konstellation promovierten sie bis in das Studienjahr 1940/41 insgesamt 26 Kandidaten. Damit war Wostry Zatscheks wichtigster Partner bei Promotionen. Elf Dissertationen entstanden im Zeitraum 1933/34 bis 1944/45 bei Zatschek mit dem Zweitgutachter Pirchan, sechs zwischen 1935/36 bis 1940/41 mit dem Zweitgutachter Ernstberger, während Zatschek diesem im selben Zeitraum bei ebenfalls sechs Promotionen als Zweitgutachter zur Seite stand. Andere Lehrende, mit denen Zatschek Promotionen vollzog, treten quantitativ völlig in den Hintergrund320. Der überwiegende Teil der bei Zatschek verfassten Dissertationen entstand bis zum Studienjahr 1940/41. Als er 1942 von Wien wieder zurück nach Prag kam, konnte er nur noch bei vier Promotionen mitwirken. Die heute bekanntesten Namen unter seinen Prager Promovenden sind vermutlich Wilhelm Hanisch (1939/40), den er als seinen Assistenten in Prag für die Regesta Imperii (Urkunden König Wenzels) heranziehen konnte, und Artur Zechel (1935/36)321. Bei den Dissertationsthemen lässt sich deutlich der Einfluss der Zeitumstände erkennen. Behandelten Zatscheks Promovenden bis zum Ausgang der 1930er Jahre fast ausschließlich „gewöhnliche“ Themen der Geschichtsforschung, so fand parallel zur politischen Radikalisierung Zatscheks und der Studentenschaft eine augenscheinliche Hinwendung zu volksgeschichtlichen und im Sinne des NS-Regimes politisierten Arbeiten statt. Folgende Beispiele mögen das untermauern. Zu den „gewöhnlichen“ Wird eigentlich das „Deutsche Archiv“ wieder erscheinen und besteht dann Aussicht, dass meine Beiträge zur Geschichte Heinrichs V. gedruckt werden? StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr. 217. Am 20.11.1948 fragte er Mayer, welches Schicksal die Manuskripte des zweiten und dritten Teiles des Heinrich V. erlitten hätten, woraufhin Mayer am 03.12. antwortete: […] sie sind hier [in Pommersfelden] und stehen ihnen jederzeit zur Verfügung. Die Abhandlung Nr. 2 ist bereits gesetzt und es findet sich hier ein Korrekturexemplar. Nr. 3 liegt im Manuskript hier. Entscheiden Sie also, was mit den Schriften geschehen soll. Ebd., Fasz. 19 Nr. 121a und Nr. 122. 319Siehe wie auch im Folgenden Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 76–139, und die Skizze von Hans-Joachim Härtel, Die beiden philosophischen Fakultäten in Prag im Spiegel ihrer Dissertationen 1882–1939/45, in: Die Teilung der Prager Universität 1882 und die intellektuelle Desintegration in den böhmischen Ländern, hg. v. Ferdinand Seibt (München 1984) 81–94, hier 91–93. 320Einmal mit Willy Hüttl 1938/39, einmal mit K. V. Müller 1944/45, zweimal mit Josef März 1944/45. 321Zu Hanisch siehe unten. Die Arbeit Zechels wurde mit einer Einführung Zatscheks gedruckt: Artur Zechel, Studien über Kaspar Schlick. Anfänge – Erstes Kanzleramt – Fälschungen. Ein Beitrag zur Geschichte und Diplomatik des 15. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 15, Prag 1939). Heinz Zatschek (1901–1965) 753 Themen sind gemäß ihrer Titel die Arbeiten zu zählen: „Kaiser Heinrich IV. im Urteile der mittelalterlichen deutschen Geschichtsschreibung“, „Das älteste Mähr. Trübauer Stadtbuch 1373–1554“, „Staatsverträge fränkisch-deutscher Herrscher des Mittelalters von 843–1250“, „Die Güterpolitik der ersten Karolinger“, „Daniel, Bischof von Prag“, „Die Schlacht bei Marengo“, „Das Gottesurteil und Gottes Eingreifen in das Leben des mittelalterlichen Menschen“, „Die amtliche Propaganda in der Staatskunst Kaiser Friedrichs I.“, „Eger und das Reich in den Hussitenwirren von 1420 bis 1427“, „Ludolf, Otto d. Gr. Sohn“, „Geschichte der Beziehungen zwischen Ungarn und den böhm. Ländern bis 1250“, „Das Gegenkönigtum in der deutsch-mittelalterlichen Geschichte“ usw.322 „Volksgeschichtlich“ ausgerichtet sind dem Titel nach: „Das Volksbewusstsein im Elsass in seiner Abwehrstellung gegen Frankreich“, „Volkszugehörigkeit und Namengebung der Liechtensteinischen Hintersassen nach dem Nikolsburger Urbar vom Jahre 1414“, „Die Einwohnerschaft von Rokotnitz 1636–1939. Eine volksgeschichtliche Untersuchung“ (Hanisch), „Theoderich d. Grosse in volksgeschichtlicher Schau“, „Das Nationalitätenverhältnis Böhmens in vorhussitischer Zeit“, „Das Volksbewusstsein der Ungarn im Mittelalter“ und „Deutsche Beurkundungszeugen der böhmischen Herrscherurkunden bis Wenzel I. (1236)“323. Einige der Themen korrespondierten durchaus eng mit Zatscheks eigenen Arbeitsfeldern. Sichtbar ist das auch bei den politisch ausgerichteten Dissertationen: „Deutschland und England 1898–1901. Ein Ausschnitt aus der Geschichte des Weltstaatensystems“, „Das deutsche Reich im Kampf gegen die Zwei- und Mehrfrontengefahr von 843 bis 1056“, „Richard Löwenherz in Sizilien. Ein Beitrag zur Geschichte der englischen Politik in der 2. Hälfte des 12. Jhd.“ und „Die Rückenbedrohung des Reiches als Grundzug der Deutschlandpolitik Frankreichs von 843–1914“. Hinzu kommt noch „Englischer Auserwähltheitsglaube und Selbstkritik“, eine Dissertation bei Ernstberger mit Zatschek als Zweitgutachter324. Manche Themen weisen also auf Zatscheks Buch „England und das Reich“ voraus, und es stellt sich die Frage, ob Zatschek bei seinen englischen Themen nicht von Ernstberger beeinflusst wurde, der einen Studienaufenthalt in England absolviert hatte und selbst über Themen englischer Geschichte prüfte325. Mit Ernstberger als Zweitgutachter vollbrachte Zatschek auch das „Kunststück“, die Dissertation Wilhelm Gerlichs über „Die Geschichte der Familie Henlein“ im Studienjahr 1938/39 zu approbieren326. Interessanter erscheint freilich die 1932/33 bei Zatschek abgeschlossene Arbeit „Das halachische Werk des Isaak Or Sarua ergänzt durch die Oxforder Handschrift 844 322Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 87 Nr. 203, 89 Nr. 222f., 93 Nr. 287, 96 Nr. 330, 102 Nr. 415, 102 Nr. 420 (orientiert an Otto Vehse, Die amtliche Propaganda in der Staatskunst Kaiser Friedrichs II. [München1929], 104 Nr. 440, 112 Nr. 556, 116 Nr. 613, 119 Nr. 39, aus den Studienjahren 1933/34 bis 1940/41. 323Ebd. 104 Nr. 439, 112 Nr. 554, 113 Nr. 564, 119 Nr. 40–42, 120 Nr. 58, aus den Studienjahren 1937/38 bis 1940/41. 324Ebd. 87 Nr. 202, 99 Nr. 378, 100 Nr. 391, 120 Nr. 49, 121 Nr. 72, aus den Studienjahren 1933/34 bis 1940/41. 325Ebd. 97 Nr. 342, 98 Nr. 355, 100 Nr. 391, 115 Nr. 596, 121, Nr. 72. 326Ebd. 108 Nr. 506. 754 Karel Hruza (Neub.) als historische Quelle“ von Isak Farkas Kahan aus dem damals tschechoslowakischen Mukačevo (Mukatschewe), der über einen wichtigen jüdischen Gelehrten des Mittelalters promovierte und seinem Namen nach jüdischer Abstammung war327. Die bedeutendste von Zatschek begutachtete Habilitationsschrift war zweifelsohne diejenige Fichtenaus. Er wurde im Frühjahr 1942 mit einer paläografisch-kulturhistorischen Arbeit habilitiert328, die bereits vor Zatscheks Antritt in Wien unter Einfluss Hirschs konzipiert worden war und von Brunner und Zatschek eine sehr gute Beurteilung erhielt. Unter seinen Studenten genoss Zatschek den Ruf eines strengen, aber auch verlässlichen Ziehvaters. In seinen Seminaren verlangte er Leistung und Aufmerksamkeit, mit dem Ergebnis, dass er den Studenten viel Wissen und Methodik vermittelte329. Dass seinen Lehrveranstaltungen gerade während der Kriegszeit auch eine bewusste politische Komponente im Sinn des NS-Regimes innewohnte, war eine andere Seite, die von den Studenten registriert wurde. Wiener Studenten verpassten ihm 1941/42 daher den Spottvers über den Volksgenossen, der aus „dem Reich der Hatschek“ kam. Das Jahr 1945 bedeutete für Zatschek sowohl in seiner Berufslaufbahn als auch in seiner wissenschaftlichen Produktion und Ausrichtung einen tiefen Einschnitt. Er „entdeckte“ aber nicht wie viele seiner österreichischen Kollegen plötzlich eine „österreichische“ oder eine europäische Geschichte – unter letztere hatte er ja bereits die deutsche „Führung“ Europas subsumiert –, sondern wandte sich in der Folgezeit, bedingt durch die Aufgaben bzw. die Erwartung seiner Arbeitgeber, der Wirtschaftsgeschichte und hier insbesondere der Handwerksgeschichte zu. Leicht ist ihm diese Änderung nicht gefallen, und richtig verwunden hat er sie nie330. Seine ersten Nachkriegsarbeiten galten 327Ebd. 84 Nr. 153. Auf der Dissertation beruht: I(sak) Kahan, Or Sarua als Geschichtsquelle, in: Jb. der Gesellschaft fur Geschichte der Juden in der Čechoslovakischen Republik 9 (1938) 43–100. 328Fichtenau stellte an die Fakultät das Ansuchen um Zulassung zum Habilitationsverfahren aus dem Fache „Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften“, woraufhin Zatschek und Brunner am 14.02.1942 vom Dekan um das Gutachten über die Habilitationsschrift und die Publikationen Fichtenaus gebeten wurden. AAVČR, Of HeZ, Nr. 586. Am 07.03. wurde Fichtenau zum Dr. phil habil. ernannt, seine Probevorlesung „Grundlagen mittelalterlichen Staatsdenkens“ vom 09.03. beurteilten Zatschek und Brunner am 14.03. (nicht uneingeschränkt) positiv. Am 30.05. wurde Fichtenau vom zuständigen Reichsminister wie damals üblich Im Namen des Führers zum Privatdozenten ernannt. Phil. Fak. PA Heinrich Fichtenau. Siehe auch Heinrich Fichtenau, Autobiographie, in: Recht und Geschichte (wie Anm. 222) 43–58. In der gedruckten Fassung der Habilitationsschrift Heinrich Fichtenau, Mensch und Schrift im Mittelalter (Veröff. des IÖG 5, Wien 1946) Vorwort V, wird Zatschek nicht genannt. Zur Habilitation Fichtenaus siehe den Beitrag zu Hirsch in diesem Band und auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 264–267. 329Frau Dr. Maria Habacher erinnerte sich an Zatschek als sehr strengen und anspruchsvollen, viel Lernstoff vermittelnden Lehrer, dessen Seminare gut organisiert waren. Zu Zatscheks Lehre in Wien siehe auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 274f. mit weiteren Zeitzeugen. Die ebd. gegebene, auf der Wertung Brunners basierende Einschätzung der Werke Zatscheks ist größtenteils überholt. 330Am 16.08.1946 schrieb er an Mayer u. a.: Ich hatte gehofft, zu meinen Anfängen wieder zurückkehren zu können, zu den historischen Hilfswissenschaften, für die ich inzwischen einiges dazugelernt habe. […] Mir würde eine Beschäftigung bei den Diplomata mehr zusagen – Heinrich V. z. B. hätte mich brennend interessiert, gerade auch im Zusammenhang mit meinen drei Studien zur Geschichte des letzten Saliers – als eine bei den Epistolae [für die er die Briefe Wibalds bearbeitet hatte]. Aber in der Heinz Zatschek (1901–1965) 755 zunächst Wiener Geschichtsquellen331, dann folgten handwerksgeschichtliche Studien; im Jahr 1949 eine erste Monografie332. Beim Wiederbeginn seiner Universitätslehre 1955 konnte er bereits auf eine beachtliche „neue“ Publikationsliste verweisen333. Die wohl wichtigste personelle Verbindung Zatscheks zu seinem alten Fach Mediävistik bildete Mayer. Ständig informierten sich die beiden gegenseitig über Vorgänge in der Wissenschaftswelt, auch vereint in dem Glauben, von anderen um die Früchte ihrer Arbeit betrogen worden zu sein. Mayer, der sich seit Beginn der 1950er Jahre in Konstanz als Wissenschaftsorganisator zu etablieren begann und ungeachtet jeglicher politischer Momente eine von ihm penibel ausgesuchte alte und neue „Garde“ von Mediävisten um sich versammelte334, lud Zatschek – auch als Vortragenden – zu den Tagungen am Bodensee ein. Mehrmals musste Zatschek jedoch aus beruflichen Gründen absagen335. Bezeugt ist seine Anwesenheit jedoch beispielsweise auf der (letzten) Mainau-Tagung „Die Anfänge des Städtewesens in Westeuropa“ im September 1955336 oder auf den Reichenau-Tagungen „Probleme des 12. Jahrhunderts I–II“ im März und im Oktober 1960337; auf letzterer hielt der damals international noch wenig bekannte Georges Duby einen seiner seltenen Vorträge in Deutschland. Es war wiederum Mayer, der Zatschek zu der von ihm geleiteten großen Tagung der Südostdeutschen Historischen Kommission im Herbst 1960 nach Graz einlud, auf der Zatschek auf die alte Garde österreichischer Historiker, aber auch auf eine neue österreichische Historikergeneration traf338. Ihre letzte Zusammenarbeit verwirklichten Zatschek und Mayer mit der Herausgabe von 17 Aufsätzen Hirschs, die sie beide gemeinsam aus Lage, in der ich mich befinde, kommt es auf Vorliebe für bestimmte Materien nicht an […]. Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr. 217. 331An Mayer schrieb er am 12.12.1946 u. a.: Nun habe ich in einjähriger Arbeit das nachgelassene Manuskript für den 5. Band der 2. Abteilung der „Quellen zur Geschichte der Stadt Wien“ druckfertig gemacht und für den 6. Band die gesamte abschriftliche Überlieferung gesammelt […]. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr. 222. Daneben verfasste er den Aufsatz Heinz Zatschek, Zur Ausgabe der Urkunden des Wiener Bürgerspitals, in: Jb. des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 5/6 (1946/47) 124–148. 332Heinz Zatschek, Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859 (Wien 1949). 333Sie umfasste für den Zeitraum 1946–1955 eine Monografie, 16 Aufsätze und neun kleinere Beiträge. 334Siehe den Beitrag zu Mayer in diesem Band und Traute Endemann, Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises. Entwicklung und Strukturen 1951–2001 (Veröff. des Konstanzer Arbeitskreises für Mittelalterliche Geschichte aus Anlaß seines fünfzigjährigen Bestehens 1951–2001 1, Stuttgart 2001) 104–106, 187–191. 335So für die Frühjahrs- und Herbsttagung 1961 und für die Frühjahrstagung 1962, siehe seine Schreiben an Mayer vom 29.03., 28.08. und 28.09.1961 und 07.04.1962. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 40 Nr. 152; Fasz. 1 Nr. 148; Fasz. 41 Nr. 107; Fasz. 42 Nr. 150. 336Zur Tagung siehe Endemann, Geschichte (wie Anm. 334) 204f. Zatschek war auf der Mainau in einen großen Teilnehmerkreis eingebunden und traf dort auf alte Bekannte wie Brunner und Klebel; das Protokoll verzeichnet weder ein Referat noch eine Wortmeldung seinerseits. 337In den Protokollen der Tagungen vom 28.–31.03. und vom 03.–06.10.1960 ist Zatschek als Anwesender, jedoch ebenfalls ohne Referat und Wortmeldung verzeichnet (freundliche Auskunft von Prof. Dr. Helmut Maurer). Siehe auch Endemann, Geschichte (wie Anm. 336) 208f. 338Siehe die Teilnehmerliste, u. a. Hans Pirchegger, Balduin Saria, Appelt, Hans (Joachim) Bayer (= 756 Karel Hruza dem Gesamtwerk getroffen und schon während des Krieges in Planung genommen hatten339. V. Im Einsatz für eine Geschichte in neuem Sinn Heinz Zatschek war ein politischer Mensch, der zeitlebens politische Verhältnisse beobachtete, wertete und seine Schlüsse in etlichen wissenschaftlichen Schriften anklingen ließ oder offen darlegte. Die Hochphase fiel hierbei in die Zeit der deutschen Okkupation der ČSR 1939–1945. Es überrascht jedoch nicht, dass sein 1938 „ausbrechendes“ politisches Bewusstsein bereits früher vereinzelt erkennbar wird. Im Folgenden wird nach Zatscheks politischen Ansichten und Tätigkeiten gefragt, die außerhalb seines oben besprochenen wissenschaftlichen Werkes zu finden sind. Diese Ansichten und Tätigkeiten festzustellen ist durchaus problematisch340. Die frühesten Hinweise auf eine „gesellschaftspolitsche“ Orientierung des jungen Zatschek ergeben sich aus seiner Teilnahme an der Jugendbewegung seiner Zeit. Er lässt sich als Mitglied im 1911 als „Bund für deutsches Jugendwandern“ gegründeten „Österreichischen Wandervogel“ feststellen: Mit dem Alpinisten Fritz Kutschera († 1914), der an dem Gymnasium in Hietzing als Lehrer wirkte, das Zatschek besuchte, und dort etwa Jugendspiele und Skikurse organisierte, ging er „auf Fahrt“ und erlebte Rituale eines Männerbundes mit Liedern, Fahnen und Symbolen und wohl auch mit einem „Führer“ einer Erlebnisgemeinschaft341. Hierbei dürfte Zatschek seine Vorliebe für Sport und Natur, aber auch für eine „Volksgemeinschaft“ und für völkisches Gedankengut entdeckt haben, denn Kutschera brachte bewusst auch politische Momente in seine Jugendarbeit ein342. Dass Zatschek über den „Österreichischen Wandervogel“ noch 1961 Kontakte zu Karl Thums, dessen damaligem stellvertretenden „Bundesführer“ unterhielt, ist deswegen von Interesse, weil Thums, der bereits 1931 der NSDAP beitrat, von 1940 bis 1945 als Professor dem „Institut für Erb- und Rassenhygiene“ an der Medizinischen Fakultät der Deutschen Karls-Universität in Beyer) (!), Dungern, Huter, Steinacker, Uhlirz, Friedrich Walter, Erika Weinzierl und Hermann Wiesflecker. StadtA Konstanz, NL ThM, Varia 12. 339Hans Hirsch, Aufsätze zur mittelalterlichen Urkundenforschung. Mit einem Vorwort hg. v. Theodor Mayer (Köln/Graz 1965), hier XV zu Zatschek. 340Beispielsweise ist der Faszikel AAVČR, Of HeZ, Nr. 778 (1937–1944), der Material zu Zatscheks politischer Aktivität enthalten soll, ebenso wie Nr. 780 seit 1995 dem Bestand entnommen und nicht einsehbar. Einen „Gauakt“ Zatscheks zu seiner NSDAP-Mitgliedschaft habe ich nicht auffinden können. – Zu den „mentalen Dispositionen“ der Politisierung sudetendeutscher Historiker siehe Kolář, Brutstätte (wie Anm. 65) 124–129. 341Siehe etwa den Brief Karl Thums’ an Zatschek vom 19.11.1961 betreffs Kutschera. WStLA, NL HeZ A1 K. 6. – Zur Jugendbewegung bzw. zum Wandervogel allgemein vgl. Michael Mitterauer, Sozialgeschichte der Jugend (Frankfurt/M. 1986) 223–230. – Fotos aus dem Prager NL Zatscheks zeigen einen jungen unbeschwerten Heinz Zatschek bei Zeltlager, Indianerspiel, FKK-Baden und Schlammschlacht an einem Flussufer (Donau?), also vermutlich Aufnahmen von einer „Fahrt“. 342Siehe [Karl] Thums, Art. Kutschera Fritz, in: ÖBL 4 (Wien/Köln/Graz 1969) 374f., siehe auch Weger, „Völkische“ Wissenschaft (wie Anm. 174) 179. Heinz Zatschek (1901–1965) 757 Prag vorstand und zu den extremsten „Wissenschaftlern“ dieses „Faches“ im Sinne des NS-Gedankengutes zu gelten hat343. Abb. 43: Der junge Historiker Otto Brunner Unmittelbar nach Studienbeginn im Herbst 1919 muss Zatschek dem „Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien“ beigetreten sein. Bereits im Herbst 1920 amtete er als dessen 2. Schriftwart, Stellvertreter des Obmanns war damals Brunner. Der deutschnational ausgerichtete Verein ließ nur „arische“ Mitglieder zu, so dass Zatschek auf die von ihm von Hand gefertigten Vereinseinladungen schrieb: Deutscharische Gäste willkommen344. Bestimmt hat Zatschek auch von den Kundgebungen Wiener Studenten im November 1922 erfahren, die in Solidarität zum Prager Studentenstreik abgehalten wurden, um die Einsetzung des deutschjüdischen Historikers Steinherz als Rektor zu verhindern und einen Numerus clausus für jüdische Studierende und Lehrende durchzusetzen345. 1926 sollte er 343Zu Thums siehe Michal Šimůnek, Ein neues Fach. Die Erb- und Rassenhygiene an der Medizinischen Fakultät der Deutschen Karls-Universität Prag 1939–1945, in: Wissenschaft in den böhmischen Ländern (wie Anm. 36) 190–316, hier 204–213, 286–289 und Foto Thums’ 307; Michael Grüttner, Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik (Studien zur Wissenschaftsund Universitätsgeschichte 6, Heidelberg 2004) 174f. 344Der Text einer Einladung 19.11.1920 in Abschnitt VI. Weitere Einladungen in AAVČR, Of HeZ, Nr. 860. Der Verein wurde 1889 gegründet und bestand zumindest bis 1939. 345Siehe Helge Zoitl, „Student kommt von Studieren!“ Zur Geschichte der sozialdemokratischen Studentenbewegung in Wien (Wien/Zürich 1992) 320–327; Arlt, Steinherz (wie Anm. 23) 73–97; Alena Míšková, Die Lage der Juden an der Prager Deutschen Universität, in: Judenemanzipation – Antisemitismus – Verfolgung in Deutschland, Österreich-Ungarn, den Böhmischen Ländern und 758 Karel Hruza Steinherz persönlich begegnen und schätzen lernen346. Zur gleichen Zeit wurde er jedoch mit antisemitischen Tendenzen konfrontiert, wie er in seinem Brief an Hirsch vom 15. Januar 1927 festhielt: Im Namen unseres Vereins [VGDB?] gestatte ich mir nun eine Anfrage. Durch eine Reihe von Vorfallenheiten ist die Frage akut geworden [!], ob wir einen eigenen Arier § einführen sollen. Nach § 4 können nur Deutsche Mitglieder werden. In Wien ganz unmissverständlich lässt hier der Paragraph die Auslegung zu, dass Jude = Deutscher sei. Die Absicht, in einer ausführlichen Besprechung in ausserordentlicher Vollversammlung sich auf arische Grundlage festzulegen, habe ich entgegengehalten, man solle nicht den Prorektor, also Steinherz, und [Arthur] Stein vor den Kopf stossen, ohne sich von berufener Seite Rat geholt zu haben! Ich darf Herrn Professor wohl bitten, dem Verein mit einem Rat helfen zu wollen347. Hirsch warnte Zatschek und riet zur Mäßigung: Die von Ihnen angeregte Frage des Historiker-Vereines ist derart delikat, dass ich Sie in Ihrem Interesse dringend bitten möchte, die Hand davon zu lassen. Sie sind ein Mann des Todes, wenn aufkommt, dass Sie dazu irgend einen Rat beigesteuert haben. Meine persönliche Ansicht geht dahin, dass, solange Steinherz noch aktiv ist, an diesen Dingen nicht gerührt werden soll und nachher auch dann nur, wenn gleichzeitig auch andere Fach-Vereine eine solche Richtung einschlagen348. Zatschek und Hirsch verstanden sich damals nicht etwa als prinzipielle Gegner eines antijüdischen Vorgehens, sondern waren zuvorderst aus kollegialen Momenten gegenüber einer Einzelperson bemüht, antisemitische Maßnahmen nicht voranzutreiben. Noch 1932 zeigte sich Zatschek in einem Brief an Hirsch keinesfalls als aktiver Antisemit, wenn er über die Chancen einer Berufung Swobodas an die Deutsche Universität Prag berichtete und auf starke antisemitische Kräfte in der Fakultät hinwies, die Anstoß an Swobodas Gattin Kamilla, die jüdischer Abstammung war, nahmen349. Im WS 1935/36 wurden erneut wütende studentische antisemitische Proteste organisiert, dieses Mal gegen den aus Hitlerdeutschland vertriebenen, nach Prag berufenen Juristen Hans Kelsen350. In dieser erregten Zeit positionierte sich Zatschek eindeutig: Als er im Oktober 1935 an Hirsch schrieb, teilte er mit, dass er trotz seines Konfliktes mit Pfitzner gedenke, in der Fakultät mit dem arischen Flügel zu stimmen, und ihn die verschärfte Lage nicht hindern wird, dort zu stehen, wo er seiner inneren Einstellung in der Slowakei, hg. v. Jörg K. Hoensch u. a. (Essen 1999) 117–129, hier 121–123; aus nationalsozialistischer Perspektive Wolfram von Wolmar, Prag (wie Anm. 135) 556–566. 346Siehe Abschnitt III. 347IÖG, Archiv, NL HH. 348Hirsch an Zatschek am 29.01.1927. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Am 19.02.1927 war Zatschek mit Mayer bei Steinherz zu einer entspannten Jause eingeladen, wie er Hirsch brieflich am 22.02. mitteilte. IÖG, Archiv, NL HH. 349Am 11.01.1932 schrieb er zu einer Besetzungfrage u. a.: Ich persönlich halte nach meiner Erfahrung [Karl Maria] Swoboda für den besten Lehrer, den Wien in seinem Fach aufweisen kann […] dass bei der Zusammensetzung der Fakultät mir Swobodas Frau sehr schwere Bedenken macht, darf ich Ihnen allerdings nicht verhehlen, bin aber überzeugt, dass sie bei Ihnen gut aufgehoben sind. IÖG, Archiv, NL HH. Swoboda wurde 1934 nach Prag berufen, während seine Frau in Wien verblieb, siehe auch Anm. 128. 350Wolfram von Wolmar, Prag (wie Anm. 135) 652. Heinz Zatschek (1901–1965) 759 nach stehen muss351. Von Zatscheks Hand stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit ein deutlich antisemitisches Positionspapier vom Frühjahr 1938, in dem die Berufung eines deutschjüdischen Wissenschaftlers als Gefahr gewertet wird352. Die dargebrachten Quellen dokumentieren, dass sich Zatscheks Antisemitismus innerhalb weniger Jahre gesteigert hat, eine Entwicklung, die sich auch an seinen Schriften ablesen lässt. Zatscheks Antisemitismus führt zu der Frage, zu welchem politischen Lager er seit wann Sympathien bekundete353. Einen gewichtigen Hinweis geben zwei Briefe Heigls an Zatschek vom Mai 1929354. Sie offenbaren Zatscheks Affinität zum völkischen Lager: Für diese spricht das in den Briefen ausgedrückte Einvernehmen des politisch als „Völkischer“ aktiven Heigl mit Zatschek355, die vollzogene Differenzierung der „Parteien“ in Klerikale, Juden, Nationale und Katholen und die durchscheinende Bereitschaft der beiden, Althergekommenes respektlos und radikal, auch gegen die eigenen Lehrer, beiseite zu schieben. Bezeichnend ist auch die Erwähnung eines anonymen homo nostris aus Deutschland, der für zwei Semester Gast am IÖG war und hinter dem sich vermutlich Konrad Josef Heilig verbirgt356. Die Wendung „einer der unseren“ kann sich nur auf eine politische Richtung, in diesem Fall die „Völkischen“ bzw. Nationalsozialisten, beziehen. In demselben Tenor empfahl Zatschek seine Prager Hörerin Irmgard Jung an Hirsch und Bauer nach Wien, indem er anmerkte, dass ihr Vater ein nationalsozialistischer Abgeordneter ist 357. Besagte Irmgard Jung war die 1912 geborene Tochter Rudolf Jungs (1882–1945), des Vorsitzenden der „Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei“ (DNSAP), auch „Hakenkreuzler“ genannt, und Abgeordneten des tschechoslowakischen Parlaments. Im Frühjahr 1932 gingen die tschechischen Behörden gegen die DNSAP vor, die im November 1933 aufgelöst wurde. Rudolf Jung hatte 1932 eine Verhaftung zu befürchten, seine Immunität wurde schließlich aufgehoben und er 1934 in Haft genommen358. 351Zatschek an Hirsch am 28./29.10.1935. IÖG, Archiv, NL HH. Siehe auch Anm. 364. 352Siehe die Dekanatspapiere im Zatschek-NL AAVČR, Of HeZ, K. 17 Nr. 783. Der Prager Historiker und Archivar Václav Vojtíšek berichtete 1966, schon in der Mitte der 1930er Jahre von einem Betroffenen über Zatscheks Antisemitismus informiert worden zu sein: Nach einger Zeit erfuhr ich, dass H.Z. ein Antisemit war. Als ungefähr im Jahr 1935 der außerordentlich gebildete und erfahrene Antiquar Walter Taussig zu ihm kam und ihm für das Seminar der historischen Hilfswissenschaften der Deutschen Universität wertvolle Publikationen zum Kauf anbot, benahm sich H.Z. dermaßen, dass Walter Taussig, der die Welt und die Menschen kannte, zu mir kam und sein Entsetzen über seine [Zatscheks] Sitten ausdrückte. (W.T. kam während der Okkupation in ein Konzentrationslager und wurde bei der Liquidierung der Juden ermordet). AAVČR, Ústřední archiv ČSAV 63/74, Vojtíšek an Gerda Blaschej 25.03.1966, 16. 353Bei dieser Frage gehe ich davon aus, dass beim damaligen Verbreitungsgrad des Antisemitismus entsprechende Äußerungen nicht per se einem politischen Lager zuzuordnen sind. 354Siehe den Druck in Abschnitt VII, Nr. 2 und 3. 355Siehe dazu ausführlich den Beitrag zu Heigl in diesem Band. 356Der homo nostris soll gemäß Heigl aus Freiburg i.Br. gekommen sein, wo Heilig vor seinem Wiener IÖG-Aufenthalt studiert hat. Ausschlaggebend ist auch, dass Heilig 1934 den österreichischen Behörden als Nationalsozialist auffällig wurde; Hirsch hat ihn nachfolgend protegiert, siehe undeutlich Stoy, Institut (wie Anm. 13) 102 und 320. 357Brief Zatscheks vom 10.06. an Hirsch und dessen Antwort vom 19.06.1932. IÖG, Archiv, NL HH. Ähnlich Zatschek an Bauer. ÖAW Archiv, NL WB K. 8. 358Zu ihm und seinem Einfluss auf die Entstehung nationalsozialistischen Gedankengutes siehe Wladika, 760 Karel Hruza Möglicherweise wollte er seine Tochter wegen der für ihn „gefährlichen“ Situation in das sichere Österreich bringen. Irmgard Jung nahm jedenfalls am 38. IÖG-Kurs 1931–1933 teil, ohne jedoch die Abschlussprüfung zu absolvieren und IÖG-Mitglied zu werden359. Sie ehelichte ihren Kurskollegen Walter Wache aus Wien und promovierte im April 1935 in Prag bei Zatschek und Wostry360. Die im Grunde belanglose und im akademischen Leben alltägliche Bitte um Unterstützung eines Schülers hat in diesem Fall einen für Zatschek und Hirsch bezeichnenden Aspekt: Beide wussten 1932 ganz genau, um wen es sich bei Irmgard Jung gehandelt hat, da ihr Vater als Nationalsozialist der ersten Stunde in der ČSR und auch in Österreich den entsprechenden Ruf genoss. Für beide gab es keine Berührungsängste, sondern sogar die politische und moralische „Notwendigkeit“, die Tochter eines solchen Nationalsozialisten zu unterstützen, die zudem anscheinend zu denselben politischen Ansichten neigte. In diesen Bereich gehört auch Zatscheks problematisches Verhältnis zum sudetendeutschen Historiker Pfitzner, den ebenfalls eine Vertrautheit mit Hirsch verband, bei dem dieser 1923/24 promoviert hatte. Früher als Zatschek radikalisierte sich Pfitzner politisch und trug rassistische Elemente in seine Arbeiten hinein361. Zatschek schloss Vätergeneration (wie Anm. 12) 516–624, 633–634 (Kurzbiografie); dazu auch Andreas Luh, Die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei im Sudetenland: völkische Arbeiterpartei und faschistische Bewegung, in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 32 (1991) 23–38, und Antonín Klimek, Velké dějiny zemí Koruny české 14 1929–1938 [Große Geschichte der Böhmischen Länder 14 1929–1938] (Praha/Litomyšl 2002) 155–158, 210–214, 262–269, 432f., 155 Fotografie Rudolf Jungs beim Hitlergruß in Uniform bei einem Aufmarsch in Falkenau a. d. Eger (Falknov/Sokolov) 1930. 1935 gelang Jung die Flucht nach Deutschland, wo er – als alter „Duzfreund“ Hitlers von diesem befördert und ausgezeichnet – zunächst als Dozent und Professor in Berlin tätig war. Von Hitler persönlich wurde er 1939 als Rektor der Prager Universität ins Spiel gebracht, kehrte aber erst 1944 nach Prag zurück, wo er gemäß Pfitzner für eine Leitungsfunktion in der RHS im Gespräch war, dazu siehe Míšková, Šustek, Pfitzner (wie Anm. 201)135 und 222. 359Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 149, der sie als Mitglied anführt; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 387. 360Ihr Thema war „Die Meerengenfrage 1908–1914“. Siehe Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 92. Wache, der 1933 bei Hirsch promoviert hatte, wandte sich der Neuzeit zu und verzog, um in Österreich Repressalien als Nationalsozialist zu entgehen, nach Prag, das er wegen seiner politischen Gesinnung ebenfalls verlassen musste. Er ist Verfasser der vulgär-antisemitischen Hetzschrift: Walter Wache, Judenfibel. Was jeder vom Weltjudentum wissen muß! (Leipzig 1936). 1938 wurde er in Köln habilitiert, wo er 1943 zum außerplanmäßigen Professor für Neuere Geschichte ernannt werden sollte, wofür Zatschek um ein entsprechendes Gutachten gebeten wurde. Schreiben der Universität Köln an Zatschek vom 08.03.1943. AAVČR, Of HeZ, Nr. 583. Mit Wache verband Hirsch zudem „ein besonders herzliches Verhältnis“, wie Appelt, Kurskollege des Ehepaares Wache, bemerkte, siehe Heinrich Appelt, Walter Wache †, in: MIÖG 60 (1952) 507f. Zu Wache siehe auch Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 149; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 387; Fellner, Corradini, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 6) 433. Verharmlosend sind die Ausführungen zu Wache bei Stoy, Institut (wie Anm. 13), siehe die Nennungen gemäß Register. 361Sehr ausgeprägt etwa in dem Hirsch in gesamtdeutscher Verbundenheit dankbarst gewidmeten Buch: Josef Pfitzner, Kaiser Karl IV. (Potsdam 1938). Zu Pfitzner siehe den völlig apologetischen Nachruf: Emil Franzel, Josef Pfitzner (1901–1945), in: ZfO 4 (1955) 106–108, sowie Weber, Lexikon (wie Anm. 6) 438f; Frank Hadler, Vojtěch Šustek, Josef Pfitzner (1901–1945) Historiker. Heinz Zatschek (1901–1965) 761 1926 in Prag mit Pfitzner Freundschaft, die jedoch nach wenigen Monaten zerbrach und in Feindseligkeit mündete362. Die eigentliche Ursache dürfte der ungestüme Karrierismus beider und daraus erwachsene Konkurrenz gewesen sein363. Dabei gingen wohl beide recht massiv gegeneinander vor. Genügend Anlass boten 1929/30 die Besetzungen der Lehrstühle Redlich in Wien und Mayer in Prag sowie die Anwartschaft Pfitzners auf einen dortigen Osteuropalehrstuhl. Als Ratgeber und Schiedsrichter wurde von beiden Kontrahenten der gemeinsame Lehrer Hirsch angerufen, der stets um Ausgleich bemüht war, ohne den Konflikt wirklich bereinigen zu können, und auch Gierach wurde involviert364. Erst als Pfitzner 1938/39 in die Politik wechselte, konnten sich die beiden Geschichtsprofessor und Geschichtspolitiker, in: Prager Professoren 1938–1948 (wie Anm. 23) 105–135; Míšková, Šustek, Pfitzner (wie Anm. 201) 8–38, zu Pfitzner-Zatschek jetzt auch Kolář, Brutstätte (wie Anm. 65) 121f., nicht überzeugend ist Stoy, Institut (wie Anm. 13) 223–227. 362Am 11.11.1926 schrieb Pfitzner an Hirsch u. a.: Gottlob haben Sie in weiser Voraussicht in Zatschek einen Menschen nach Prag gesetzt, mit dem man wahrlich auskommen kann. Wir sind in der Zwischenzeit, so kurz sie auch war, doch dicke Freunde und Duzbrüder geworden, die sich durch das gemeinsame geistige Vaterhaupt fest verbunden fühlen. Schon manche schöne Stunde haben wir in lauschigen, feuchtfröhlichen Ecken und Winkeln Prags verbracht und, hätten wir nicht beide so Hochbetrieb, dann wäre uns sauwohl. IÖG, Archiv, NL HH (freundlicher Hinweis von Andreas Zajic). Am 01.11.1926 hatte Zatschek Hirsch u. a. mitgeteilt: Was schliesslich die Befürchtung betrifft, ich könnte mich mit Pfitzner nicht vertragen, so darf ich auch hier berichten, dass wir bereits Freundschaft geschlossen haben. […] Ich habe Zeit, ich habe Geld und einen Freund [Pfitzner?], mit dem ich zusammen dem Leben auch die heitere Seite abzugewinnen versuche. Ebd. Bald darauf muss es zum Bruch gekommen sein, denn am 25.04.1927 bot Pfitzner Zatschek brieflich die Versöhnung an und erwähnte, über Zatscheks Verbitterung von Hirsch erfahren zu haben. AAVČR, Of HeZ, Nr. 323. 363Pfitzner über Zatschek an Hirsch am 16.06.1929: Die Ernennung [zum Extraordinarius] hat ihn so stolz gemacht, dass er mit Dozenten, auch wenn sie 15 jahre älter sind als er, nur von oben herab spricht. IÖG, Archiv, NL HH. 364Pfitzner an Hirsch am 30.09.1935: Die Versöhnung mit Zatschek liegt mir natürlich sehr am Herzen. Er schreibt mir, dass es ihm nun bedeutend besser geht […]. Umso leichter wird mit ihm zu verhandeln sein. Zatschek an Hirsch am 13.10.: Das unbedingte Vertrauen, das ich im Hinblick auf eine gütliche Regelung bei Ihnen gehabt hätte, geht mir bei Prof. Gierach vollkommen ab. Ich hoffe aber, dass die Dinge in Bälde bereinigt sein werden, im Interesse der sudetendeutschen Forschung wäre es jedenfalls hoch an der Zeit. IÖG, Archiv, NL HH. Hirsch an Zatschek am 25.10.: Die Versöhnung mit Pfitzner betreffend und zu den Bemühungen Gierachs möchte ich sagen, dass Sie möglichstes Entgegenkommen zeigen sollten. Es besteht sonst wirklich die Gefahr, dass der arisch-deutsche Flügel der Fakultät uneins wird und den Gegnern keine siegreiche Schlacht mehr liefern kann. Dass die Angelegenheit nicht ganz leicht ist im Hinblick auf Pfitzner, gebe ich gerne zu […]. Ebd. und AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Wohl mit einigen Intrigen wollte Pfitzner erreichen, dass Zatschek in der Lehre eingeschränkt werde. Die Seminarabhaltung wurde Zatschek, zumindest zeitweise, im Herbst 1935 tatsächlich abgenommen, wie Zatschek am 28.10. Hirsch berichtete: Obwohl Pfitzner schon im Mai gewusst haben muss, dass ich zu einer Aussöhnung bereit sei, hat ihn das gar nicht gehindert, alles in Bewegung zu setzen, um mir die Leitung des Proseminars und eines Seminars unmöglich zu machen, da er, wie auch Prof. Gierach zugegeben hat, nicht verträgt, dass ich etwas habe, was er nicht hat. […] Inzwischen hat [Friedrich] Slottys Wühlen am Ministerium den Erfolg gehabt, dass mir mein mittelalterliches Seminar überhaupt weggenommen wurde […]. Ob das Seminar in irgend einer Form zu retten sein wird, weiss ich nicht. Wie die Dinge augenblicklich stehen, verliere ich Jahr für Jahr 4000 Kč und alle Dissertanten, da ich ja nur die Anfänger ausbilden soll. […] Pfitzner hat mit seinem hemmungslosen Egoismus erreicht, dass ein deutscher Kollege auf das schwerste geschädigt wurde, hat die Fakultät um ein Seminar gebracht […]. Pfitzner hat wieder einmal bewiesen, dass ihm jedes Gefühl für das mögliche und erreichbare vollkommen abgeht. Ich 762 Karel Hruza vermehrt aus dem Weg gehen. 1937 charakterisierte Hirsch die beiden Streithähne und die Situation in Prag wohl recht treffend und deutete auch die politische Dimension des „privaten“ Konflikts an, der ihn zudem zu einer kritischeren Meinung über Zatschek bewegte365. Als „Sieger“ aus dem Streit unter den völkisch-gesinnten Historikern Pfitzner und Zatschek ging zunächst dessen Kurskollege Oberdorffer hervor. Zatscheks wachsendes politisches Engagement schlug sich auch in seiner Sicht auf die strenge Wissenschaft nieder. Als er 1936 Hirsch über seine Auslastung an der Universität und über seine zeitraubenden Ausbildungskurse für Lehrer berichtete, fügte er hinzu: Angeblich verfüge ich über eine pädagogische Ader und bin aus dem Grund herangezogen worden. […] Bei 17 Wochenstunden müssen die Monumenta eben zurücktreten. [Wilhelm] Engel wird einsehen müssen, dass vor einer nationalen Aufgabe alles andere zurückzustehen hat366. So überrascht es auch nicht, dass Zatschek im Zuge der Radikalisierung der Sudetendeutschen im April 1938 in Konrad Henleins bereits auf NSDAP-Kurs agierende SdP eintrat (Nr. 1329947), oder dass er im Mai dieses Jahres von der studentischen „Deutschen Jungmannschaft Prag“ gebeten stelle fest, dass durch sein Vorgehen […] eine Bereinigung der Spannungen unmöglich geworden ist, dass die Schuld daran einseitig Pfitzner trifft und dass meine Geduld, mit der ich durch Jahre sein Benehmen gegen mich ertragen habe, erschöpft ist. IÖG, Archiv, NL HH. Hirsch an Zatschek am 07.11.: Ich habe schon während meiner Prager Wirksamkeit immer den Standpunkt vertreten, dass die Historiker zu viel Seminar halten. Tatsächlich wird an Seminaren in Prag soviel geboten, wie in Wien, was angesichts der verschiedenen Hörerzahl sehr zu beachten ist. Natürlich heisst das nicht, dass man Ihnen das Seminar mit Recht wegnehmen sollte und andrerseits verstehe ich auch, dass Sie das Proseminar nicht aus der Hand geben wollen. Sie sind nach meiner Beobachtung derzeit die stärkste Lehrkraft auf dem Gebiet der mittleren und neueren Geschichte und dürfen verlangen, dass man diesen Tatbestand respektiert. Der Weg, der gewählt wurde, um Ihnen das Seminar zu nehmen, war keinesfalls der richtige. Es kann sich nur darum handeln, dass die Herren über einen Turnus sich beraten, innerhalb dessen sie der Reihe nach drankommen […]. Dass man einfach von Ihnen dieses Opfer verlangt, während die Uebrigen alle Seminar haben, ist nicht recht. Ich bedaure, dass dadurch die guten Absichten Anderer, nun endlich Frieden zu stiften, für einige Zeit vereitelt wurden. Ebd. und AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Schließlich Zatschek an Hirsch am 16.02.1938: Dass Pfitzner und ich nicht mehr mit geschwungenen Keulen aufeinander losgehen, werde Sie vermutlich schon erfahren haben. IÖG, Archiv, NL HH. 365Hirsch am 11.05.1937 an Gierach: Überhaupt sind durch Dein Scheiden aus Prag in Prag Verhältnisse herrschend geworden, die es unserer F.G. [SODFG] sehr schwer machen, die Zusammenarbeit jeweils zu sichern. Pfitzner, wenig beliebt, und mit allen möglichen anderen Dingen beschäftigt, nicht immer wählerisch in der Wahl seiner Mittel, auf der anderen Seite Zatschek, immer auf seinen Vorteil lauernd und auch nicht immer erfreulich, Schwarz überhaupt unmöglich und Swoboda unmöglich gemacht, da Schwarz in Berlin über seine Frau herumgeredet hat, so bleibt also eigentlich nur Weizsäcker übrig, den ich am wenigsten kenne. Unter diesen Verhältnissen ist nun tatsächlich das Unglaubliche möglich geworden, daß nämlich Oberdorffer eigentlich einen größeren Einfluß hat und als Verbindungsmann mit Berlin auch viel mehr eingeschätzt wird als alle Prager zusammen. Am 17.03.1938 erwähnte Hirsch gegenüber Stengel die Spannung, die zwischen ihm selbst und Zatschek bestanden hat und: Der Grund für die Wiederherstellung der guten Beziehungen [HirschZatschek] ist die Versöhnung zwischen den zwei feindlichen Brüdern Z. und Pfitzner, die wir alle, die wir mit den sudetendeutschen Gelehrten zu arbeiten haben, als ein nicht geringes Hemmnis empfinden mussten. IÖG, Archiv, NL HH. Zu Oberdorffers politischer „Führung“ 1938 siehe auch Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 507. 366Brief vom 06.11.1936. IÖG, Archiv, NL HH. Heinz Zatschek (1901–1965) 763 wurde, in deren Arbeits-und Schulungslager im Juli über Die geistigen Grundlagen unserer Weltanschauung vorzutragen367. Eine Bewährungsprobe für seine politische Standfestigkeit trat im Zuge der von Hitler und Henlein erzwungenen „Sudetenkrise“ im Herbst 1938 ein. Zusammen mit anderen deutschen Professoren verweigerte er als Beamter eine Loyalitätserklärung gegenüber der ČSR und „flüchtete“ am 20. September nach Wien. Als Institutsmitglied „arbeitete“ er im IÖG und bat Hirsch, dem gleichfalls „geflüchteten“ Weizsäcker einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen368. Zatschek und Weizsäcker waren unermüdlich im Sinn der SdP als (auch disziplinierende) Organisatoren der böhmischen „Flüchtlinge“ tätig und hielten Kontakt zu Gesinnungsgenossen in Prag, zu nationalsozialistischen Stellen im „Altreich“ und zum Rektorat der gleichgeschalteten Universität Wien. Neben der aktuellen internationalen politischen Entwicklung, die schließlich im Diktat von München vom 30. September gipfelte, wurde von Zatschek und Weizsäcker eine Frage eingehend und „heiß“ diskutiert: Die Zukunft der Deutschen Universität in Prag und deren mögliche Verlegung ins „Sudetenland“ nach Reichenberg. Darüber formulierten sie am 27. September 1938 eine Anschauung über die Zukunft der Universität und forderten die Verlegung der ältesten deutschen Universität nach Reichenberg369. Die Prager Lehrenden, die gemäß dem Diktat in der ČSR verbleiben sollten, während das „Sudetenland“ an das Dritte Reich abzutreten war, wurden von der Sorge erfasst, im überwiegend tschechischen Prag nicht nur von ihrem Hinterland getrennt zu werden, sondern vor allem nicht „Heim ins Reich“ gelangen zu können. Wenn das Reich nicht zu ihnen kam, so wollten sie eben zum Reich kommen. 367Zur SdP-Mitgliedschaft, die auch Hilde Zatschek bekleidete, siehe AMVČR, 10-P-75. Zu den Vorträgen den Brief der Jungmannschaft an Zatschek vom 30. Wonnemond 1938 u. a.: Durch die Ereignisse der letzten Tage auf Hochschulboden ist unsere Gemeinschaft so gewachsen, dass eine Erfassung aller Kräfte, sowie ein voller Einsatz im Wintersemester, nur durch das Erlebnis und die straffe Zucht dieses Lagers gewährleistet ist. Wir sind uns bewusst, dass neben der mannschaftlichen Erziehung vor allem die geistige Ausrichtung stehen muss. Wir haben in unserem Schulungslager auch das Thema: „Die geistigen Grundlagen unserer Weltanschauung“, vorgesehen, und erlauben uns mit der Bitte an Sie heranzutreten, zu uns über dieses Gebiet zu sprechen. […] Mit deutschem Gruss […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 508. 368Zur Absetzbewegung der sudetendeutschen Professoren siehe grundlegend Věra Vomáčková, Německá universita v Praze mezi Mnichovem a 15. březnem 1939 [Die Deutsche Universiät in Prag zwischen München und dem 15. März 1939], in: Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis 15/1 (1963) 3–19; zuletzt Alena Míšková, Deutsche Professoren aus den böhmischen Ländern. „Flüchtlinge“ in der Zeit vor und nach den Münchner Verhandlungen, in: Prager Professoren (wie Anm. 23) 27–43, allein nach UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat. Einige dieser Akten aus Weizsäckers Prager Aufenthalt 1938 und andere befinden sich (auch) in AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker, Nr. 131. Aus einem ebd. enthaltenen Verzeichnis der am 4. Oktober 1938 anwesenden bzw. abwesenden Professoren in Prag geht hervor, dass als einzige die Professoren der Philosophischen Fakultät mehrheitlich „geflohen“ waren, darunter Becking, Herbert Cysarz, Ernstberger, Gesemann, Grohmann, Pirchan, Schneeweis, Schwarz, Swoboda und Wostry. Zatschek teilte am 26.09.1938 dem Wiener Universitätsrektor seinen Fluchttermin und seine Verweigerung der Unterzeichnung mit, siehe UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat, Nr. 3. Ebd, Nr. 77 vom 09.11.1938 zu Weizsäckers Aufenthalt am IÖG. 369Míšková, Professoren (wie Anm. 368) 30. Neben Zatschek und Weizsäcker waren beteiligt: Arnulf Perger, Erich Spengler und Swoboda. 764 Karel Hruza Von Wien aus fuhr Zatschek Anfang Oktober nach München, um andere „Flüchtlinge“ wie den Theaterwissenschaftler Arnulf Perger, oder die Mediziner Otto Grosser und Karl Amersbach zu treffen370. Kaum war Zatschek wieder abgereist, schrieb ihm Perger am 6. Oktober u. a.: […] unsere gestern geäusserten Wünsche wurden heute in konkrete Durchführungsplanung gefasst. Dozentenführer versprach einerseits durch einen Mittelsmann Verbindung mit dem Stellvertreter des Führers [Rudolf Heß] anzubahnen und hat hiezu bereits Schritte unternommen […]371. Am 7. Oktober berichtete Perger aus München und tags darauf aus Berlin wieder über neueste Ereignisse: Es schien, als konnten und wollten die „Flüchtlinge“ in der hohen Politik mitspielen und dass das Vorhaben in Reichenberg verwirklicht werden könnte372. Am 6. Oktober hatte der „Flüchtling“ Laufke im Auftrage des Kulturbeauftragten der Sudetendeutschen Partei Zatschek aus Berlin mitgeteilt, dass ein Dienstantritt in Prag, wie vom dortigen Rektor gefordert, verboten sei373. In Wien kam Zatschek sogleich am 8. Oktober mit seinen „Fluchtkollegen“, dem Wiener Rektor Fritz Knoll und dem Gaudozentenbundsführer Marchet zu einer Sitzung zusammen. Am 13. Oktober arbeitete er gemeinsam mit Weizsäcker einen Fragenkatalog zu einer Rückkehr nach Prag schriftlich aus, der an Knoll weitergeleitet wurde. Der Text offenbart Menschenverachtung und Antisemitismus374. Zatschek unterhielt auch Kontakte direkt zu Berliner NSDAP-Stellen und sollte am 5. November in die Reichshauptstadt fahren, ein Vorhaben das nicht mehr verwirklicht wurde375. 370Zatschek an seine Frau am 05.10.1938. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. 371AAVČR, Of HeZ, Nr. 584, und Abschrift in: UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat, Nr. 30. 372Perger schrieb am 07.10.1938 an den Dekan Zatschek: […] Losung: Nicht mehr in Prag amtieren! Neue Universität wird möglicherweise am 1. Dez(ember) prov(isorsch) in Reichenberg eröffnet werden. Ein Verzeichnis der deutschen Universitätsinstitute wird nächstens zusammengestellt. Unsere Forderungen, auch betreffs der Universitätsbibliothek, werden der in Berlin tagenden Internationalen Kommission überreicht. […] Abschriften in: AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker, Nr. 131; UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38, Akad. Senat, Nr. 35. Die Planungen für die Universitätsverlegung wären eine eigene Studie wert. 373Brief Laufkes vom 06.10.1938 an Zatschek. UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38, Akad. Senat, Nr. 29. Siehe auch Míšková, Professoren (wie Anm. 368) 35. 374Ebd. 38. Ausgearbeitet wurde ein Konzept über Fragen zu Verhaltensgrundsätzen der sudetendeutschen Professoren, UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat, Nr. 43, handschriftlicher Text von Weizsäcker, von diesem und Zatschek unterschrieben: [Nachträgliche Überschrift von anderer Hand, evt. Knoll?:] Forderungen für eine allfällige Rückkehr ins tschechische Gebiet [:] 1. Schriftliche Weisung über Rückkehr. 2. Ist von der tschechischen Universitätsverwaltung Gehalt entgegenzunehmen und Amtseid zu erneuern? 3. Kehren wir als tschechoslow(akische) oder als Reichsangehörige zurück? 4. Wenn wir tschechoslow(akische) Staatsbürger bleiben, wie wird uns die Möglichkeit, gegebenenfalls ins Reich zurückzukehren, gesichert? 5. Welche Sicherungen bestehen dagegen, dass die militärpflichtigen Hochschullehrer wegen Desertion verfolgt werden? Wie steht es insbes(ondere) mit denen, die aktiven Dienst im [sudetendeutschen] Freikorps geleistet haben? 6. Wie hat man sich gegenüber den vielen Juden und Demokraten zu verhalten, die noch als „Kollegen“ an der deutschen Universität sind? 7. Wie verhält es sich mit denjenigen Assistenten, Dozenten usw., die durch die Besetzung der sudetend(eutschen) Gebiete die Reichsangehörigkeit erlangt haben? Sollen auch diese antreten? Wien, 13/10 1938[,] W. Weizsäcker H. Zatschek [Aktenvermerk Knolls:] Ist überholt! 14. X. 38 Kn(oll). 375Schreiben der NSDAP-Reichsleitung, Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP, Amt Wissenschaft, vom 31.10.1938 an Zatschek. AAVČR, Heinz Zatschek (1901–1965) 765 Nach mehreren Wochen „Exil“ in Wien kehrte Zatschek – nachdem der Reichsdozentenbund in München seine Erlaubnis mitgeteilt hatte – wie viele der anderen „Flüchtlinge“ am 3. November nach Prag an seinen Arbeitsplatz zurück. Dort wurden die Reichenberg-Aktivitäten freilich weitergeführt: Vermutlich unter führender Teilnahme Weizsäckers wurde Mitte November eine Denkschrift verfasst, mit der Lehrende und Angestellte der Deutschen Universität Prag erklärten, dass sie freudig bereit sind, für Führer und Volk alle ihre Kräfte einzusetzen und zugleich die Verlegung der sudetendeutschen Hochschulen in das Deutsche Reich, in das abgetretene „Sudetenland“ forderten. 49 Lehrende – unter ihnen fehlt Zatschek – haben die Erklärung unterschrieben376. Auch wenn der Text aus taktischen Gründen besonders direkt und auch überzogen formuliert wurde, demonstriert er doch eindringlich, mit welcher Energie die Lehrenden sich Hitlerdeutschland anschließen wollten und welchen tiefen, geradezu unüberbrückbaren Graben sie zwischen sich und der tschechischen Bevölkerung zogen. Er gehört aber ebenfalls zu den frühesten unzweifelhaften und traurigen Belegen für eine Geisteshaltung, welche die Schritt für Schritt mit erheblicher Selbstmobilisierung vollzogene Gleichschaltung der Prager Deutschen Universität noch vor dem März 1939 bestimmte. Die Reichenberger-Prager Karls-Universität kam jedoch über einige vorschnelle Planungen auf dem Papier nicht hinaus: Ihr „Dasein“ endete abrupt, als Hitler am 14. November „entschied“, dass die Deutsche Universität Prag an ihrem nunmehr in der „Resttschechei“ liegenden Stammort belassen werden soll377. Zatscheks Auftritt in Wien hatte aber manifestiert, dass er sich zu einem überzeugten aktiven Nationalsozialisten gewandelt hatte, der vorbehaltlos der Linie der SdP und NSDAP folgte und zu „vorauseilendem Gehorsam“ bereit war. Seinem Lehrer Hirsch kann das nicht entgangen sein. Einen Tag nach seinem 60. Geburtstag schrieb er im Dezember 1938 an den ehemaligen Schüler: Ihnen aber wünsche ich, dass Ihre Arbeiten, die Sie hocherfreulicherweise auf die Bedürfnisse des deutschen Landes, dem Sie jetzt angehören, eingestellt haben, weiter wie bisher gedeihen und Sie Ihre Schüler heranbilden, wie Sie das im Wiener Institut gesehen haben. […] Of HeZ, Nr. 567. – Zu den Lehrenden der beiden Prager Universitäten, die vertrieben, eingesperrt und auch ermordert wurden siehe Rudolf M. Wlaschek, Die Opfer des Nationalsozialismus unter den Professoren der Prager Universitäten, in: Universitäten in nationaler Konkurrenz (wie Anm. 65) 195–205. 376Siehe die vermutlich am 14. November 1938 verfasste Denkschrift in Abschnitt VII, Nr. 4. Das Fehlen von Zatscheks Unterschrift könnte mit dem Umstand erklärt werden, dass das Papier, bevor er unterschreiben wollte/sollte, durch Hitlers überraschende Entscheidung plötzlich überflüssig wurde. Allerdings gelangte eine Abschrift (ohne die Unterschriftenliste) bis in die Berliner NSDAPKanzlei. 377Míšková, Professoren (wie Anm. 368) 42f., und UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat, Nr. 83, interne Kundmachung Knolls vom 18.11.1938 gemäß eines an ihn ergangenen Telegramms vom 17.11.: […] dass der Führer und Reichskanzler am 14.11.1938 entschieden hat, dass keine Verlegung der deutschen Hochschulen im Tschechoslowakischen Staat erfolgt. Simon, Wissenschaftspolitik (wie Anm. 31) 31f. Dokument 7, druckt einen dahin lautenden Brief Walther Schultzes an Hans Heinrich Lammers vom 19.11.1938 ab. Der „Optimist“ Weizsäcker hatte bereits zum 01.12.1938 eine Wohnung in Reichenberg gemietet, wie er am 09.11.1938 Knoll mitteilte, siehe ebd. Nr. 77. 766 Karel Hruza Einstweilen mag Ihnen der Gedanke, der grauen Generation angehören zu dürfen, die die altehrwürdige Hochschule in einem bedeutungsvollen Stadium ihres Bestandes zu vertreten hat, Stolz und Freude bereiten378. Die Sorgen der deutschen Lehrenden in Prag um ihre „Heimkehr“ ins Reich dauerten nur bis zum März 1939. Dann rückte die deutsche Wehrmacht in die noch unbesetzten Teile Böhmens und Mährens ein und das gleichnamige Protektorat wurde errichtet. Die Anpassung an die neuen und erwünschten Verhältnisse geschah schnell: Als SdP-Mitglied wurde der neue Reichsbürger Zatschek am 1. April 1939 zunächst als Parteianwärter in die NSDAP überführt (Nr. 7077889), ein Weg, den auch seine Frau Hilde einschlug (NSDAP-Nr. 7077890)379. Im Juni 1940 wurde er schließlich vollwertiges Parteimitglied380. Wie andere Reichsdeutsche beendete Zatschek nunmehr seine Briefe fast durchgehend mit „Heil Hitler!“ und militarisierte dem offiziellen Trend folgend seine Sprache, vor allem nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges381. Doch er entwickelte auch weitergehende Aktivitäten, die über eine gewollte oder ungewollte Pflichterfüllung hinausgingen382. Abb. 44: Heinz Zatschek bei seiner Rede am 04.12.1940 378Brief Hirschs vom 28.12.1938. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. 379BAB, (ehem. BCD), PK HeZ. Als sein Fachgebiet gab Zatschek im Fragebogen der NSDAP an: Mittlere Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Volkstumsforschung in Böhmen und Mähren. Ähnlich ebd. R 31/708 HeZ, Personalkarte. Dort auch der Eintrag, dass Zatschek Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e.V. war. Siehe auch AMVČR, 10-P-75. 380WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. Er gehörte der NSDAP-Ortsgruppe Nr. 1054 Prager Neustadt an. 381An Hirsch schrieb er etwa am 12.01.1940 u. a.: Jetzt ist es ja Pflicht, dass man im Hinterland alle Kräfte einsetzt, wenn man nicht an die Front kommt. IÖG, Archiv, NL HH. 382Siehe dazu auch Abschnitt III. Heinz Zatschek (1901–1965) 767 Am 4. Dezember 1940 hielt Zatschek aus Anlass der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Universitätsbund Prag an K. H. Frank im großen Hörsaal des „Hauses der deutschen Hochschulen“ unter einem von zwei mächtigen Hakenkreuzflaggen flankierten Porträt Hitlers den Vortrag Die deutsche Karls-Universität in der Vergangenheit und in der Gegenwart383. Das Thema wiederholte er bei einem „Festvortrag“ im Februar 1941, als der „Prager Universitätsbund im Sudetengau seine Tätigkeit“ in Reichenberg aufnahm, wobei dem anwesenden Gauleiter Henlein die Ehrenmitgliedschaft verliehen wurde384. Zatschek dürfte als Historiker und begabter Redner im Sinn des NS-Regimes eine gewisse Bekanntheit erlangt haben, denn noch im gleichen Monat erhielt er eine Anfrage von Ekkehart Staritz vom Hauptschulungsamt der NSDAP in München: dieser hatte beim Gauschulungsamt der Gauleitung Sudetenland nach Parteigenossen angefragt, die als Nationalsozialisten und Wissenschaftler in der Lage sind, erforderlichenfalls dem Hauptschulungsamt als ehrenamtliche Berater oder Vortragende zur Verfügung zu stehen. Der angefragte Vertreter der Gauleitung schlug Zatschek vor, und nachfolgend fragte Staritz diesen um die Bekanntgabe seiner Bereitwilligkeit, nötigenfalls zur Verfügung zu stehen385. Ein beliebter Redner war Zatschek 1939 auch bei den „Parole-Abenden“ der von der „Deutschen Arbeitsfront – NS Gemeinschaft Kraft durch Freude“ getragenen „Volksbildungsstätte Dresden“. Dort trug er zum Thema Deutsche Sendung und deutscher Kampf in den Ländern Böhmen und Mähren vor. Bei der „Deutschen Volksbildungsstätte Prag“ saß er im Beirat, Vortrags-Anfragen kamen ebenfalls aus dem Vogtland oder aus dem „Sudetengau“386. Seit dem Juli 1940 war Zatschek bei der deutschen Luftwaffe im Bereich „Wehrbetreuung – Vortragsdienst“ als „Luftgau-Redner“ angemeldet. Eine einmonatige Vortragsreise zum „Luftgau Westfrankreich“ im November/Dezember kam nicht zustande, dafür aber eine Vortragsreihe für das „Luftgaukommando XVII, Wien“, vom 18. bis zum 24. Januar 1941, die Zatschek nach Wien, Brünn, Wischau (Vyškov), Olmütz (Olomouc) und Mährisch-Ostrau (Ostrava) führte, wo er über Englische Geschichte, Deutsche Geschichte und Ostfragen referierte387. Über den Tenor seiner Vorträge bemerkte er: Ich zeigte, unter welchen Umständen schon früher einmal Deutschland die Führerstellung [!] in Europa erlangt hatte und wie diese unter tätigem 383Siehe das Schreiben des Rektors Saure vom 30.11.1940 an die Lehrenden. AAVČR, Of HeZ, Nr. 511. Im Einladungsschreiben des Universitätsbundes vom 13.11.1940 war für den gleichlautenden Festvortrag Wostry vorgesehen, der möglicherweise aus Krankheitsgründen abgesagt haben könnte. Ebd. Nr. 633. Das „Haus der deutschen Hochschulen“ befand sich in Prag I, Smetanaplatz 2. 384Nach einem ausgeschnittenen Zeitungsartikel „Universität und Volkstumskampf. Arbeitsbeginn des Universitätsbundes Prag im Sudetengau“ vom 05.(?)02.1941, in: ÖStA, KA, B 1200:4, ohne Nennung der Zeitung. Vor Zatschek sprachen Rektor Saure und Henlein. 385Siehe die Abbildung des Briefes vom 16.12.1940 bei Míšková, „Arisierung“ (wie Anm. 130) 101. Im ebd. angegebenen Archivbestand „AAVČR, Of HeZ“ ist der Brief nicht mehr vorhanden (vermutlich ehedem in Nr. 567), ebenso fehlt die ebd. 99 reproduzierte Fotografie Zatscheks mit Parteiabzeichen. 386Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 498–501. 387Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 572 und Nr. 795, und Zatscheks Briefe und Postkarten an seine Frau vom 18.–25.01.1941. Ebd., Of HiZ, Nr. 26. 768 Karel Hruza Anteil Englands verloren ging388. Im September und Oktober 1941 war Zatschek 31 Tage für das „Luftgaukommando Norwegen“ unterwegs und hielt 24 Vorträge vor Wehrmachtsangehörigen. In seinem Bericht konnte er melden: Die Kommandanten wünschten aber fast ausnahmslos den Vortrag „England und das Reich“ zu hören. Seinen Zuhörern hatte er unter anderem postuliert, dass es in diesem Krieg darum geht, zu verhindern, dass England […] den Versuch unternimmt, das Reich um die Führung in Europa zu bringen389. Im Januar 1942 wurde angefragt, ob er für das „Luftgaukommando Rostow“ im Februar und März eine drei- bis vierwöchige Vortragsreise über Ostfragen übernehmen wolle. Zatschek sagte ab390, begab sich jedoch im Oktober und November zu zwölf Vorträgen nach Schlesien bzw. ins Generalgouvernement zum „Luftgaukommando VIII, Krakau“. Dort sprach er, der geografischen Ausrichtung entsprechend, über Ostlandfragen und konnte zwischen den Themen Die Sendung der Deutschen im Osten, Die Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarstaaten im Osten oder Überblick über die russische Geschichte wählen391. Vom „Beauftragten für das militärische Vortragswesen beim Wehrmachtbevollmächtigten beim Reichsprotektor und Befehlshaber im Wehrkreis Böhmen und Mähren“ wurden 1942–1944 weitere Vorträge für Zatschek organisiert, etwa zu Themen wie Der böhmisch-mährische Raum im großdeutschen Lebensraum, Die deutsche Sendung im Osten oder Eine Darlegung über den Sinn des gegenwärtigen Krieges392. Zatschek nahm diese Vorträge als Einsatz sehr ernst und erhielt lobende Dankesworte393. Eine schon organisierte Vortragreise nach Westfrankreich sagte Zatschek im Mai 1943 kurzfristig ab, sehr zum Missfallen 388Undatierter, vermutlich von 01.1941 stammender Bericht Zatscheks in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 795. 389Bericht Zatscheks vom 31.10.1941. Ebd. Zur Reise auch BAB, R31/708 HeZ. 390Am 23.01.1942 schrieb er an seine Frau: Höre und staune. Eben finde ich auf meinem Schreibtisch eine Anfrage des Führungsstabes des Oberbefehlshabers der Luftwaffe vom 19.d.M. vor, ob ich ab 10. Februar für etwa 3–4 Wochen zum Luftgaukommando Rostow gehen und dort über Ostfragen sprechen könnte. Dieses Thema werde gewünscht. Nun würde es mir gar nichts ausmachen, dass die Gegend doch etwas gefährlicher wäre als der Luftgau Wien und Norwegen. Die Gegend am Schwarzen Meer kennen zu lernen könnte mich schon ganz verdammt reizen. Aber einmal habe ich einfach nicht die Kleider, um mich dieser Bärenkälte auszusetzen, und dann bin ich mit Arbeiten ohnehin so sehr überlastet, dass ich überhaupt nicht wüsste, wie fertig werden, wenn ich dieser Aufforderung entsprechen wollte. So bleibt mir zu meinem Bedauern nichts übrig als abzulehnen. Am 28.01.1942 an dieselbe: Willy hat natürlich recht, dass die Russen Rostow haben. Der Luftgau heisst halt so, wie er vor dem Abzug der deutschen Truppen hiess. Nach Rostow wäre daher auch ich nie gefahren. Wie dringlich man mich gebraucht hätte, zeigt Dir das Telegramm [nochmalige Nachfrage der Luftwaffe]. Und wenn ich den Eindruck gehabt hätte, dass ich leisten kann, was man von mir verlangt, wäre ich gefahren. Aber was verstehe ich von russischer Geschichte? AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. 391Schreiben des Luftgaukommandos VIII Krakau vom 14.10.1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 795. – Diese ganzen Tätigkeiten wurden als Einsatz deklariert, bei dem Zatschek jedoch 50 RM Honorar pro Vortragstag verdiente und beispielsweise für die Norwegenreise 1.415 RM an Honorar und Tagegeld in Rechnung stellte. Siehe dazu insgesamt AAVČR, Of HeZ, Nr. 572 und Nr. 795. 392Noch am 08. und 09.12.1944 hielt er in Eger (Cheb) und Marienbad (Marianské Lázně) Vorträge vor NS-Führungsoffizieren. BAB, R31/708 HeZ, Schreiben Zatscheks vom 04.12.1944. 393Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 479 und Nr. 657. Heinz Zatschek (1901–1965) 769 des zuständigen Referenten im Berliner Luftfahrtministerium394. Zatschek ergriff auch bei verschiedenen städtischen Kulturveranstaltungen das Wort, wie im Januar 1943 in Olmütz zum Thema Das nationale Erwachen in Böhmen und Mähren, und konnte sogar im Rundfunk der Öffentlichkeit seine geschichtliche Sichtweise präsentieren, so im selben Jahr, als er für die Sendegruppe Böhmen-Mähren des Reichs-Rundfunks Berlin den Beitrag Die Bedeutung Karls IV. für das Reich und den böhmisch-mährischen Raum bearbeitet hat395. Im Sommer 1944 trug Zatschek innerhalb eines „Schulungslehrgangs“ für tschechische „Hilfslehrer“ vor und resümierte seine politischen Vorstellungen einer historischen „Reichsidee“396. Den traurigen Höhepunkt der politischen Vortragstätigkeit Zatscheks stellt seine Rede „Die Judenfrage“ dar, die er Ende November 1944 vor Oberfähnrichen der Wehrmacht in der in Milowitz (Milovice) bei Prag angesiedelten Fahnenjunkerschule hielt und die von einigen Zuhörern schriftlich kommentiert werden musste, so dass sie trotz Fehlens des Vortragstextes rekonstruiert werden kann. Den Mitschriften der Zuhörer nach, konnte Zatschek sein Ziel anscheinend mit Erfolg erreichen, nämlich die Vermittlung vulgär-antisemitischer Feindbilder ganz im Sinn der NS-Propaganda, die als Ergebnisse der Wissenschaft verkauft wurden, um höchstes Überzeugungspotential zu beanspruchen397. Bezeichnend ist Zatscheks Skrupellosigkeit, in den letzten Kriegsmonaten noch junge Soldaten mit rassistischem NS-Gedankengut indoktrinieren zu wollen. In Anbetracht dieser gesamten außeruniversitären „linientreuen“ Anstrengungen Zatscheks mag es nicht verwundern, dass von hohen Protektoratsstellen Anfragen an Zatschek herangetragen wurden, seine schriftlichen Arbeiten an offizielle Stellen zu übergeben398. Die Beliebtheit des „politischen“ Historikers Zatschek im Protektorat und im Sudetengau spiegelt sich beispielsweise in den Willkommens-Adressen wider, die ihm aus Anlass seiner Rückkehr 1942 dargebracht wurden399. Zur gleichen Zeit wurde dem resignierten Rektor Saure nachträglich vorgeworfen, es nicht verhindert zu haben, dass die „besten und raumerfahrensten Hochschullehrer (Zatschek, Weizsäcker, 394Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 600. 395Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 573 und 594. Ob er selbst im Rundfunk gesprochen hat, geht aus den Quellen nicht hervor. 396Veröffentlicht als: Zatschek, Die Reichsidee (wie Anm. 285). Andere Vortragende waren Hopfner, Rippl, Ernst Schwarz und Wostry. 397Siehe die Stellungnahmen der Oberfähnriche Edwin Grether, Rudi Schmidt und Heinz Waack vom 25./26.11.1944, die als die drei besten am 01.12.1944 Zatschek übersandt wurden. AAVČR, Of HeZ, Nr. 813. Waacks Text ist gedruckt in Abschnitt VII, Nr. 11. Zu den Vorträgen anderer Prager Historiker vor Wehrmacht und SS siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 164f. 398Am 08.01.1941 erbat Curt von Burgsdorff zwei Arbeiten, am 29.01.1941 K. H. Frank fünf Arbeiten: Diese Arbeiten sind einerseits für das Archiv des Herrn Staatssekretärs und andererseits für die im Aufbau begriffene Bücherei des Herrn Reichsprotektors bestimmt. Am 15.01.1941 erbat die NSDAPKreisleitung Prag Zatscheks Schriften. AAVČR, Of HeZ, Nr. 566 und 568. 399Brief Pirchans an Zatschek vom 8. Juni 1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 327; Brief Anton Altrichters an dens. vom 09.08.1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 52. 770 Karel Hruza Swoboda) in innerer Verbitterung Prag den Rücken kehrten und an andere Hochschulen (vor allem nach Wien)“ verzogen wären400. Problematisch gestaltet sich eine Antwort auf die Frage, in welchem Maß Zatschek für den SD-Leitabschnitt Prag als Mitarbeiter tätig war. In einem handschriftlichen Verzeichnis von SD-Informanten (aus dem Jahr 1944?) ist der Eintrag zu finden: Zatschek, Prof. Dr., Karlsuniversität Prag, lose Verbindung mit SD-Leitabschnitt Prag-SS-Hauptsturmführer Hübig, Einzelheiten sind mir nicht bekannt, war verschiedentlich in der Dienststelle des SD-Leitabschnittes bis 1944 bei Hptstuf. Hübig401. Zatschek dürfte jedenfalls auch in denunziatorischer Weise gewirkt haben402. Der Prager SD-Chef Walter Jacobi hatte an Zatscheks „politischem“ Wirken zumindest kaum etwas auszusetzen. In seinem Bericht rechnete er Zatschek zu den bedeutenden, positiv hervorgehobenen Vertretern einer volkspolitischen Richtung, neben Beyer, Ernstberger, Hanika, Hippius, K. V. Müller oder Weizsäcker. Weiter bildete für Jacobi die RHS den Rahmen für die aktivistischen, nationalsozialistisch fest fundierten und volkspolitisch klar ausgerichteten und aufgeschlossenen Professoren. Von diesen sollen fast alle bemerkenswerten Impulse ausgegangen sein, um der Universität Prag ein wissenschaftlich-politisches Niveau und ein politisches Gewicht zu verleihen403. Die Protagonisten dieser Richtung, also Wissenschaftler, die sich auf dem Gebiet der kriegswichtigen Forschung besonders verdient gemacht haben, erhielten den Dank des Regimes auch in der Form von Auszeichnungen: Zatschek wurde so auf Vorschlag der Prager Universitätsleitung am 1. September 1944 von Hitler das Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse verliehen. Im Vordergrund standen seine „Verdienste“ als Redner des militärischen Vortragswesens404. Dass mit Zatschek in politischen und nationalen Angelegenheiten „nicht zu spaßen“ war, belegt eine schriftliche Aussage der tschechischen Editorin Milena Linhartová von 1947. Sie bescheinigte dem bereits in Halle a.d. Saale wirkenden Winter zu dessen Entlastung, dass Dr. Eduard Winter im Jahr 1943 zu mir kam, um mich persönlich vor Dr. H. Zatschek zu warnen, dem damaligen ‚Leiter‛ des [tschechischen] Historischen Instituts, und gab mir den Rat, jegliche Spuren einer antinazistischen Tätigkeit zu 400Zitat aus einem Schreiben Jacobis an Robert Gies vom 24.07.1942 nach Wiedemann, ReinhardHeydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 29. 401AMVČR, 52-1-363/30. 402Aus einem SD-Bericht Stimmung und Haltung der Hochschullehrer Jacobis vom Frühjahr 1944 an K. H. Frank geht etwa hervor, dass Zatschek die Gattin des nationalsozialistisch gesinnten Prager Altphilologen Hopfner ob ihrer äußeren Erscheinung abqualifizierte und auch andere Damen von Zatschek nicht verschont blieben, die vermutlich äußerlich nicht seinem streng „sittlichen“ nationalsozialistischen Vorbild der deutschen Frau entsprachen. Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 162 und 173 Anm. 51, nach dem SD Bericht „Stimmung und Haltung der Hochschullehrer“ NA Praha, NSM 110-4-529. 403Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 158–163; Wiedemann, ReinhardHeydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 90f., nach NA Praha, NSM 110-4-529. 404Siehe die entsprechenden Dokumente in NA Praha, NSM 110-12-4, vom 03.–05.1944, und das Original der Verleihungsurkunde vom 01.09.1944 mit Begleitschreiben des „Reichsbeauftragten für das militärische Vortragswesen bei der Reichspropagandaleitung der NSDAP und dem Oberkommando der Wehrmacht“ in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 5. Heinz Zatschek (1901–1965) 771 verwischen, antideutsche Literatur zu verstecken und mich sowohl im Institut als auch in der Wohnung auf eine mögliche Durchsuchung durch die Gestapo vorzubereiten405. Während manche Personen also Angst haben mussten, von Zatschek „erwischt“ und zurechtgewiesen oder sogar an NS-Stellen weiter gemeldet zu werden, war er für andere der „führende“ Lehrer und Vertraute. Mit einigen seiner Studenten hat er nach deren Einberufung zur Wehrmacht lange und auch ausführlich korrespondiert. Manche Studenten fühlten sich ihm „weltanschaulich“ eng verbunden. Willy Fischer, den Zatschek an Hirsch empfohlen hatte und der in Wien promoviert wurde, schrieb ihm am 1. Oktober 1944: Was die politisch-militärische Lage betrifft, so hoffe ich, dass wir den Tiefpunkt bald hinter uns haben. Denn ich kann nicht glauben, dass das Reich im Chaos versinkt; die Geschichte hätte ihren Sinn verloren. Mit Heil Hitler! verbleibe ich Ihr dankbarer Schüler Willy Fischer406. Es mag da kaum überraschen, dass sein Lehrer Zatschek für das SS 1945 die Lehrveranstaltung „Reich und Reichsfeinde im frühen und hohen Mittelalter“ ankündigte407. Die dargebotenen „politischen“ Fälle aus Zatscheks Schriften, Lehre und Vorträgen zeigen anschaulich, dass er im Dritten Reich für sich die Grenzen zwischen Politik, Wissenschaft und Ideologie weitgehend aufgehoben hatte und definieren ihn als einen freiwillig politikberatenden Historiker „im Einsatz“. Während seiner Internierung hatte Zatschek das große Glück, dass seine Verwicklung und Mitwisserschaft bei dem Archivalien- und Insignienraub, der nur wenige Wochen zurücklag, anscheinend noch keiner der für Zatschek „verantwortlichen“ Personen auf tschechischer Seite bekannt war. Bezeugt ist Zatscheks Kontakt zum wieder amtierenden Dekan der tschechischen Philosophischen Fakultät Rypka, mit dem er zumindest am 21. Mai 1945 persönlich zusammentraf. Rypka teilte Zatschek mit, ihm werde vorgeworfen, das Stempeln der Bücher der Universitätsbibliothek (wohl mit deutschen, mit einem Hakenkreuz versehenen Stempeln) und das Löschen tschechoslowakischer Stempel veranlasst zu haben, worauf Zatschek brieflich antwortete, nur eine Anordnung der tschechischen Protektoratsregierung ausgeführt zu haben408. Über andere Anklagen gegen Zatschek ist nichts bekannt. Nach 1945 wurde Zatschek mehrere Male von seiner politischen Vergangenheit eingeholt. Gemäß dem österreichischen „Verbotsgesetz“ vom 8. Mai 1945 war Zatschek verpflichtet, sich als ehemaliges NSDAP-Mitglied an seinem Wohnort registrieren zu 405ABBAW NL Eduard Winter, W510 vom 02.02.1947 (freundlicher Hinweis von Jiří Němec). 406AAVČR, Of HeZ, Nr. 126. Zu Willibald Fischer siehe Stoy, Institut (wie Anm. 13) 380f. 407UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 920 und 923; ebd., DU PA HeZ. 408Am 22.05.1945 schrieb Zatschek an Rypka: Sie bemerkten gestern mir gegenüber, man habe mir in der Universitätsbibliothek besonders verübelt, dass in den Büchern die Stempel aus der Zeit nach 1918 überstempelt und durch neue ersetzt worden seien. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur mit Erlass vom 6. VIII. 1940, Z: 101.061/40III/1 verfügt hat, dass „die Abdrücke der anstössigen Stempel aus der früheren Zeit mit schwarzen Strichen zu überdrucken und mit den vorgeschriebenen neuen Stempeln zu versehen sind. Sie sehen, dass mir hier eine Anordnung zu Last gelegt wird, die auf ein Ministerium des Protektorates selbst zurückgeht […]. AAVČR, Of Jan Rypka, K. 12. 772 Karel Hruza lassen409. Dem kam er bereits am 27. Juli nach, nicht ohne gleichzeitig ein Gesuch um Nachsicht, also Streichung aus der Registrierungsliste, zu stellen, dem aber nicht stattgegeben wurde410. Im Gesuch gab er unter anderem an, dass wegen der volkspolitischen Lage in der ČSR seine spätere Zugehörigkeit zur NSDAP im Protektorat einer anderen Wertung bedarf, als wenn [er] sie im Reich oder in Österreich erworben hätte. Und er legte die Abschrift eines Briefes bei, den der Dekan der tschechischen philosophischen Fakultät im Jahre 1940 [Jan Rypka] an [ihn] in [seiner] Eigenschaft als Kommissar der gesperrten tschechischen Fakultät gerichtet hat. Das Datum des Briefes liegt so weit zurück, dass der Verdacht nicht aufkommen kann, er sei zu „Entlastungszwecken“ von [ihm] bestellt worden411. 1947 musste sich Zatschek gemäß der Verbotsgesetznovelle erneut registrieren lassen und erhob im Juli 1947 wieder gegen seine Verzeichnung in der Registrierungsliste als minderbelastet die Beschwerde gemäss § 7 des Verb.Ges. 1947, um seine Repatriierung und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu erreichen412. Nicht nur, dass er die Rubriken der nunmehr detaillierten Erfassung zu Mitgliedschaften im NS-Dozentenbund und in der NS-Volkswohlfahrt unausgefüllt ließ, sondern er verstieg sich zudem dazu, in eindeutigem Gegensatz zu seiner Angabe von 1945 und in einer nur allzu offensichtlichen verlogenen Konstruktion zu behaupten, als für die Nationalsozialisten unzuverlässiger Volksdeutscher aus politischen Gründen als 409Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 13/1945, 08.05.1945, §§ 4–6, und Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 25/1947, Verbotsgesetznovelle 06.02.1947, §§ 4–6. Siehe ausführlich Bernd Vogel, NS-Registrierung in Wien, in: Entnazifizierung im regionalen Vergleich, hg. v. Walter Schuster, Wolfgang Weber (Historisches Jb. der Stadt Linz, Linz 2004) 337–361. 410WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. Er gab an: Mitglied der NSDAP von 27. Juni 1940 bis zum Schluss. Parteianwärter der NSDAP von Sommer 1939 bis 27. Juni 1940. (rosa Karte, Nr. über 7000000). Dazu erwähnte er seine Aufnahme in die NSDAP und zwar Ende Juni 1940 in einer Ortsgruppenvereinigung und seine Parteizugehörigkeit. Zatscheks Ansuchen um Nachsicht wurde am 18.01.1946 von der zuständigen Kommission abgelehnt. 411Ebd., Schreiben Zatscheks an den Magistrat der Gemeinde Wien vom 27.07.1945. Die – im Übrigen mehrmalige – Vorlage dieses Briefes Rypkas vom 4. Februar 1940 durch Zatschek ist durchaus bemerkenswert, denn dass Zatschek über den Brief verfügen konnte, beweist, dass er nach seiner Internierung Zugriff auf seine höchstwahrscheinlich in seiner Wohnung aufbewahrte Korrespondenz hatte und diesen für ihn plötzlich sehr wertvollen Brief zunächst zu seiner Entlastung in Prag verwendete und ihn mit nach Wien nahm. Die Briefabschrift ist erhalten in: WStLA, MA 119 A42 NSRegistrierung Nr. 5768, siehe den Text in Abschnitt VII, Nr. 5. Václav Vojtíšek berichtete 1966: Ich weiß auch, dass sich H.Z. und seine Frau im Mai 1945 auf diesen Brief beriefen und sich mit ihm auswiesen, und das auch in Wien, wohin sie als „österreichische Staatsbürger“ ohne Schwierigkeiten gelangten. AAVČR, Ústřední archiv ČSAV 63/74, Vojtíšek an Gerda Blaschej 25.03.1966, 16. Das Original des Briefes ist nicht auffindbar, an seiner Authentizität muss aber nicht gezweifelt werden, da die Abschrift sprachlich, formal und auch äußerlich mit den in: ebd., Of HeZ, Nr. 357, erhaltenen 13 Briefen Rypkas an Zatschek von 12.03.1940–09.04.1941 und mit denjenigen ebd., Of Jan Rypka, erhaltenen Auslaufkopien Rypkas übereinstimmt. Wohl denselben Brief verwendete Zatschek 1946 bei Bemühungen um seine Repatriierung, da ihm (sein Rechtsanwalt oder Notar) Ludwig Proske am 05.03.1946 schrieb: Betrifft: Staatsbürgerschaft. Das Schreiben des Dekans der Prager Universität ist mir zugegangen und wird Ihnen dieses nach Abfassung einer beglaubigten Abschrift im Original zurückgestellt. WStLA, NL HeZ A 1, K. 5. 412Ebd., MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768; ÖStA, AdR/02 PA 3090/47. Heinz Zatschek (1901–1965) 773 Parteianwärter nicht in NSDAP aufgenommen worden zu sein413. So verwundert es nicht, dass seine Beschwerde im Dezember 1948 von der zuständigen Kommission des BMI, die auch seine Registrierung von 1945 heranzog, abgewiesen wurde. Für Zatschek intervenierten seine damaligen Arbeitgeber in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien und der Staatssekretär im BMI und ÖVP-Politiker Ferdinand Graf, der später als Verteidigungsminister (1956–1961) Zatscheks Vorgesetzter werden sollte414. Nur kurze Zeit später erlöste die Minderbelastetenamnestie Zatschek von seinem formalen Makel als registrierter Nationalsozialist. Doch ruhte damit die Vergangenheit noch lange nicht: Als das demokratische Österreich und die kommunistische Tschechoslowakei vermögensrechtliche Ausgleichsverhandlungen führten, erhielt das österreichische Finanzministerium im September 1958 die Anfrage, wegen der seit Kriegsende verlorenen Archivalien und historischen Insignien der Karlsuniversität bei Zatschek nachzuforschen, von deren Verbleib er als damaliger Universitätsarchivar Bescheid wissen sollte415. Als vier Jahre später der Artikel des Dr. F. L. in der „Volksstimme“ erschien, vertraute sich Zatschek Mayer an: […] mir ist nur nicht recht klar, warum die Aktion gerade jetzt ins Rollen kommt. Wäre ich zwischen 1939 und 1945 ein Schwein gewesen, müßte ich mich abfinden, so quält mich die Sache an sich und die Frage nach den Hintergründen und lähmt meine Arbeitskraft416. VI. Resümee Heinz Zatschek zu charakterisieren ist keine leichte Aufgabe. Gemäß seinem Geburtsjahr 1901 fällt er gerade noch in die „Kriegsjugendgeneration“417. Er ist aber nicht 413Schreiben Zatscheks an das Magistratische Bezirksamt für den VII. Bezirk vom 31.07.1947. WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. 414Siehe den Akt der Beschwerdekommission von 1948 in: ÖStA, AdR/02 PA 3090/47. Von der Kommission wurde über das BMU auch Zatscheks PA von der Universität Wien angefordert. Die Philosophische Fakultät anwortete am 29.10.1048 äußerst knapp u. a. Ein Personalakt ist über Professor Zatschek ha. nicht vorhanden. Über sein Verhältnis zur NSDAP usw. finden sich ha. keine Unterlagen. Siehe ebd. und ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ. 415Das Bundesministerium für Finanzen hat mit Note vom 15.9.1958 […] [dem Verteidigungsministeri um] mitgeteilt, dass im Rahmen der vermögensrechtlichen Verhandlungen zwischen Österreich und der ČSR die tschechoslowakische Regierung Rückstellungsansprüche auf Insignien, Urkunden usw. der ehemaligen Deutschen Karls-Universität in Prag gestellt hat. Neben […] Dr. Gustav Ehrlicher […] Dr. Alfred Tomsa […] und Dr. Wilhelm Weizsäcker wird […] Dr. Heinz Zatschek von den tschechoslow. Behörden als derjenige genannt, der über den Aufenthaltsort und Verbleib der Insignien und des historischen Archivs der ehemaligen Karl-Universität […] Auskunft geben vermag. Eine Anfrage ging auch an das Unterrichtsministerium. Zatschek sollte wegen der Angelegenheit befragt werden und bis zum 05.10. Mitteilung erstattet werden. Da die Angelegenheit anscheinend vom Verteidigungsministerium verschleppt wurde, wiederholte das Finanzministerium seine Anfrage im 01.1959. Über eine Antwort Zatscheks sind keine Vermerke vorhanden. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 85952-1/58. 416Zatschek an Mayer am 05.01.1963. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 1 Nr. 158. 417Eine Auswertung deutscher Historiker dieser Generation unternimmt Anne Christine Nagel, Im 774 Karel Hruza nur wegen seines Alters kein typisches Beispiel für deren Angehörige, sondern auch wegen seiner sehr schnellen Karriere: Mit 26 Jahren war er habilitiert und Privatdozent, mit 27 Jahren Extraordinarius in Prag und mit 33 Jahren ebendort ordentlicher Professor. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, hatte der im 44. Lebensjahr stehende Zatschek bereits eine fast 20-jährige Laufbahn als Universitätslehrer hinter sich. Sein Kurskollege und beständiger Konkurrent Otto Brunner, Jahrgang 1898, seit 1929 Privatdozent, erlangte seine außerordentliche Professur 1931 und wurde erst zehn Jahre später zum ordentlichen Professor ernannt. Der 1890 geborene Leo Santifaller, der ebenfalls Zatscheks Wege kreuzte, kam erst 1928 zum Titel eines Privatdozenten, um ein Jahr später außerordentlicher, jedoch erst 1943 ordentlicher Professor zu werden. Und beide, Brunner 1931 und Santifaller 1942/43, haben von den Rückzügen des jüngeren Zatschek aus Wien profitiert. Der 1901 geborene Josef Pfitzner schließlich konnte, zumal ohne IÖG-Ausbildung, nicht mit Zatschek konkurrieren: 1923/24 promoviert, wurde er zwar bereits 1927 von Hirsch habilitiert, erlangte aber eine außerordentliche Professur 1930 und eine ordentliche 1935, ohne jemals als Historiker Arbeiten von wirklicher Qualität vorlegen zu können418. Zatschek stieg seit 1942 dank seiner Ämterakkumulation in der RHS, an der Universität Prag und seiner außer­ universitären politischen Tätigkeit zum wohl einflussreichsten „sudetendeutschen“ Historiker des Protektorats Böhmen und Mähren und des Sudetengaues auf, wenn in Betracht gezogen wird, dass sich Pfitzner als stellvertretender Primator Prags kaum noch als Historiker betätigte. Zatschek exponierte sich im Vergleich zu Brunner und Santifaller jedoch nicht nur mit seiner raschen Karriere, sondern auch am weitesten mit seinem politischen Engagement für den Nationalsozialismus. Gekoppelt mit den ihm entgegengebrachten Antipathien versagte ihm dies alles nach 1945 ein Anknüpfen an seine bisherige wissenschaftliche Laufbahn, während Santifaller und Brunner noch etliche Jahre als angesehene Lehrstuhlinhaber und Wissenschaftler wirken und die nach oben strebende „Kriegsjugendgeneration“ begleiten konnten. Trotz seiner Position als Museumsdirektor und Träger verschiedener Auszeichnungen schmerzte es Zatschek nach 1945 tief, nicht mehr als ordentlicher Universitätsprofessor lehren und forschen zu können. Zatschek verstand sich offen als politischer Mensch, der seine politische Einstellung und seine Ordnungsvorstellungen als wesentlich empfand. Wollte man diesen Aspekt seiner Person vernachlässigen, würde man ihm nicht gerecht werden. Die „mentale Schatten des Dritten Reichs. Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1970 (Formen der Erinnerung 24, Göttingen 2005), vor allem 13–23 und 299–305; eine ausführliche Biografie eines solchen Historikers bietet Eduard Mühle, Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung (Schriften des Bundesarchivs 65, Düsseldorf 2005); paradigmatisch bleibt Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989 (Bonn 1996). Siehe auch Wildt, Generation (wie Anm. 200) 23–29, 41–142. Zur aktuell diskutierten Frage der „Generationen“ oder „Generationalität“ vgl. zuletzt Ulrike Jureit, Generationenforschung (UTB 2856, Göttingen 206); Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter (Frankfurt/M. 42004) 330–344. 418Siehe Anm. 361. Die Angabe bei Stoy, Institut (wie Anm. 13) 223, Pfitzner wäre bereits 1923 habilitiert, beruht auf einem Irrtum. Heinz Zatschek (1901–1965) 775 Disposition“, die er bereits als junger Hochschullehrer bewies, ließ ihn extrem anfällig für völkische und schließlich nationalsozialistische Gedanken werden. Bei den politischen Ereignissen seiner Zeit wollte er nicht in der Rolle eines Zuschauers verharren. Als sich die Gelegenheit bot, griff er aktiv ins Geschehen ein. In seiner politischen Radikalität in Tat, Wort und Schrift kann Zatschek an die Seite anderer überzeugter Nationalsozialisten gestellt werden, die als „politische Historiker“ hervortraten. Zu nennen wären etwa Hans Joachim Beyer, Anton Ernstberger, Ernst Klebel, Josef Pfitzner, Harold Steinacker und Wilhelm Weizsäcker419. Unter ihnen dürfte Zatschek, vielleicht gemeinsam mit Steinacker, als der am besten ausgebildete Historiker herausragen, als ein unermüdlicher und tatkräftiger, bis an seine physischen Grenzen gehender Mensch, der sowohl in seinem Beruf als auch in seiner „Weltanschauung“ Perfektion und Ordnung zu erreichen suchte, auch wenn das für andere Menschen schlimmste negative Folgen zeitigen sollte. Letztlich gehörte der Mediävist Zatschek zur „Weltanschauungselite“ des Dritten Reiches, zur „Generation des Unbedingten“ und verwirklichte ein modernes sachliches „radikales Ordnungsdenken“420. Herbert hat Charakterisierungen der Angehörigen der „Kriegsjugendgeneration“ angeführt, die in ihren Grundzügen wohl auch für Zatschek Gültigkeit haben421. Da Zatschek bereits vor 1939 zum ordentlichen Professor aufgestiegen war, ist sein Handeln im Sinne des Regimes nicht auf ein reines Karriestreben zurückzuführen. Zatschek hat sich ihm eröffnende Handlungsspielräume im Dritten Reich aktiv und durchaus gänzlich ausgenutzt. Seine offensichtlichen Anpassungsstrategien haben ihm anscheinend weder Kopfzerbrechen bereitet noch ihn in moralische Krisen gestürzt. Seit 1933 konnte er von der ČSR aus die gewalttätige Etablierung der NSDiktatur mit den von ihr ausgelösten Flüchtlingsströmen beobachten, ohne auch nur im Geringsten abgeschreckt zu sein. Gemäß seinen erhaltenen Äußerungen empfand er das NS-Regime nicht als menschenunwürdige Diktatur, sondern als eine begrüßenswerte und richtige politische und gesellschaftliche Ordnung für das deutsche 419Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 90–92, zählt Zatschek, Bauer, Brunner, Hirsch, Mayer, Santifaller und Steinacker zu „politischen Historikern“. 420Zu dieser Begrifflichkeit siehe Herbert, Best (wie Anm. 417) 522–533, am Beispiel des 1903 geborenen Werner Best; Wildt, Generation (wie Anm. 200) 137–142; Lutz Raphael, Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totaler Herrschaft: Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NSRegime, in: Geschichte und Gesellschaft. Zs. für Historische Sozialwissenschaft 27 (2001) 5–40, hier etwa 33f., definiert die „generationsspezifische(n) Faktoren“ der Angehörigen der „Weimarer Studentengeneration“, die sich dem völkischen Lager zuwandten, mit: „elitäre(s) Selbstbewußtsein, Kult der Sachlichkeit, Bewunderung militärischer Ordnung und Bereitschaft zu gewaltsamen und radikalen Problemlösungen“. 421Herbert, Best (wie Anm. 417) 42–45. Joachim Fest, Speer. Eine Biographie (Berlin 21999) 33f., hat diese Stellen über die Angehörigen der „Kriegsjugendgeneration“ für den 1905 geborenen Albert Speer übernommen: „Über ihre neu sich bildenden Einstellungen, ihre Vorzugsbegriffe und ihren ‚Stil‛ ist damals viel geschrieben worden: Zu ihren hervortretenden Eigenschaften zähle ihre ‚Schlichtheit‛ und ihr ‚Ernst‛, ihre Fähigkeit, ‚die Sache über das Persönliche zu stellen‛, auch ihre ‚wortkarge Verschlossenheit und … manchmal schroffe Kälte‛, hieß es, nicht ohne ein Empfinden ‚fröstelnder Bewunderung‛, in einer dieser Abhandlungen. Der Schriftsteller […] Peter Suhrkamp hat 1932 in einem hellsichtigen Essay über die knapp Dreißigjährigen […] geschrieben: ‚Das Bezeichnende an ihnen ist ihr Mangel an Humanität, ihre Achtlosigkeit gegen das Menschliche‛.“ 776 Karel Hruza „Volk“. Schwere Zeiten durchlebte er allenfalls, weil Deutschland seiner Meinung nach berechtigterweise um seine Führungsrolle rang, die ihm andere Staaten nicht zugestehen wollten, aber nicht deswegen, weil er unter dem Regime der NSDAP zu leben hatte. In Zatscheks Briefen findet sich weder vor noch nach dem Jahr 1945 ein Wort der Reue oder Schuld über die schrecklichen Ereignisse, die Hitlers Diktatur über die Welt gebracht hat422. Dem steht nicht entgegen, dass Zatschek mit dem bürgerlichen Habitus (oder „Berufshabitus“) eines Hochschullehrers und „wichtigen“ Mannes auftrat, der, elegant in Kleidung und Erscheinung, ruhig und freundlich im gewöhnlichen Umgang, aber auch sehr den Formalitäten und seinen Aufgaben verpflichtet war. Dennoch wurden ihm nur wenige wahre Sympathien entgegen gebracht. Schon 1926 äußerte Bauer gegenüber Mayer: Zatschek halte ich für eine Präsidialistennatur, die jetzt sehr zurückhaltend sich gibt423. Und Hirsch meinte 1937 zu Gierach: Zatschek, immer auf seinen Vorteil lauernd und auch nicht immer erfreulich424. Als junger, zudem nicht einheimischer „Karrierist“ wurde Zatschek in Prag mitunter auch „geschnitten“, was er verständlicherweise nicht so leicht verwinden konnte425. Der für viele nicht einfache persönliche Umgang mit Zatschek war vermutlich auch ein Faktor, warum er seit 1945 von etlichen Kollegen „fallen gelassen“ wurde426. Zatscheks „völkische“ Überzeugung erlaubte es ihm, sich als neuer Tschechoslowake unter den Prager Deutschen verhältnismäßig schnell als „Sudetendeutscher“ zu assimilieren und dort auch gleichzeitig weiteren Anreiz für seine politische Radikalisierung zu empfangen. Als er 1941 nach Wien kam, schien er durch den „Volkstumskampf“ in Prag geprägt und deswegen politisch so radikal eingestellt gewesen zu sein. Sein Identitätshorizont war eindeutig „großdeutsch“ bzw. „gesamtdeutsch“ ausgelegt. Dabei muss zusätzlich in Betracht gezogen werden, dass der selbst tschechischstämmige Zatschek die Tschechen nicht als „rassische“ und nationale Feinde eingestuft hat, die etwa aus Böhmen und Mähren zu vertreiben wären. Unter Anerkennung ihrer kulturellen und wirtschaftlichen Leistung lag ihr Platz im Protektorat unter deutscher Führung und deutschem Schutz. Wie die historische Entwicklung angeblich gezeigt hatte, hätten die Tschechen ihren Aufstieg zu einem Kulturvolk zuvorderst dank deutscher Hilfe und dank der Auseinandersetzung mit den Deutschen erreicht. An seine Identität als „Österreicher“ erinnerte sich Zatschek – wie viele Österreicher auch – pünktlich 422Zu diesem Verhalten siehe Volkmann, Historiker (wie Anm. 283) 309: „Die Einsicht in die Schrecknisse und die Verbrechen, deren sich die NS-Machthaber schuldig und ihre wissenschaftlichen und moralischen Helfer mitschuldig gemacht hatten, blieben persönliches Geheimnis, womöglich eine innere Belastung und öffentlich undiskutiert.“ 423Schreiben Bauers vom 08.06.1926. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. 424Schreiben Hirschs vom 11.05.1937. IÖG, Archiv, NL HH. 425Siehe etwa den Brief Hirschs an Zatschek vom 24.03.1927. IÖG, Archiv, NL HH. 426Nagel, Im Schatten (wie Anm. 417) 171, äußert über das „Absägen“ Mayers nach 1945: „Der Mediävist wurde – so will es jedenfalls nach Aktenlage erscheinen – von seinen Kollegen [nicht wegen seines NS-Vergangenheit] vielmehr wegen erheblicher Defizite im persönlichen Umgang ins Abseits gestellt. So wie in diesem Fall bot der Zusammenbruch 1945 auch andernorts die Möglichkeit, sich des einen oder anderen persönlich unliebsamen Kollegen zu entledigen.“ Heinz Zatschek (1901–1965) 777 im Frühjahr 1945, als es darum ging, aus der Trennung zwischen Deutschland und Österreich Vorteile zu ziehen. Aber wie in seiner wissenschaftlichen Laufbahn kam Zatschek mit seinem „Wechseln“ der Identitäten (die sich freilich immer innerhalb des Rahmens Deutscher zu sein abspielten) nicht ungeschoren davon: Jahrelang blieb er in seiner Heimatstadt Wien ein Staatenloser. Dank seiner herausragenden professionellen Ausbildung am Wiener IÖG, der sich Zatschek stets bewusst war, konnte er sich schnell in verschiedene historische Themen einarbeiten und beachtliche Arbeitsergebnisse vorlegen. Zuvorderst gilt das für die Urkundenforschung zur Epoche der Staufer und der Přemysliden. Die wissenschaftliche Sozialisierung der Wiener Schule bewahrte ihn aber nicht vor Irrgängen427. Als er sich der politischen und der Volksgeschichte verschrieb, gelangte er unter Integration eines ausgeprägten Mediävalismus zu rassistischen bzw. biologistischen, geopolitischen und „kulturgeschichtlichen“ Synthesen, in denen sich das Dritte Reich widerspiegelte als moderne Wiederkehr des Alten Reiches, vor allem aber des mittelalterlichen römischdeutschen Reiches, das wegen seiner angeblichen „germanischen“ Führungsrolle eine gelegentlich auch emotionale Verehrung genoss428. In diesen „Meistererzählungen“ Zatscheks wurde das Dritte Reich als Erfüllung deutscher bzw. „germanischer“ Geschichte emporgehoben und ihm Zukunftsverherrlichung dargebracht. Heinz Zatscheks Biografie und vor allem seiner wissenschaftlichen Laufbahn wohnt ein trauriges, vielleicht sogar tragisches Moment inne. Der junge Zatschek begann eine hoffnungsvolle Wissenschaftlerlaufbahn und konnte sich sehr schnell innerhalb der Fachwelt einen Namen machen. Dabei hatte er lebenslang einer schweren Krankheit zu trotzen. Seit den 1930er Jahren zeigte er aus seiner inneren Überzeugung heraus keine Scheu, sich auch in der Wissenschaft als ein dem Dritten Reich zutiefst ergebener Nationalsozialist zu positionieren, und das bis zu dem für ihn bitteren Ende im Mai 1945. Dass für ihn bei dem folgenden Wieder- und Neuaufbau der Mittelalterforschung in Österreich und Deutschland trotz erheblicher Kontinuitäten zum Dritten Reich kein Platz vorhanden war, hätte ihn nicht überraschen sollen und hat es aber dennoch. Seine eigene Verwandte zeigte mehr Realitätssinn: Als Maria Zatschek, seines Cousins Hans Gattin, Erinnerungen an ihre Vertreibung aus Brünn und an die Fußmärsche im Mai/Juni 1945 zu Papier brachte, bemerkte sie auch: „Rechts und links wird viel auf das Hitlersystem geschimpft. Ich verschwendete keine Energien um Gespräche dieser Art, denn meine Gesinnung war immer gegen Zwang und Grausamkeiten gerichtet. […] Der Wankelmut vieler begeisterter Anhänger des Systems wunderte mich. Da gab es so verblendete Menschen, die noch in diesem Winter mit dem Sieg rechneten. Nie wollten sie die Fehler dieser rücksichtslosen Führung wahrhaben, denn sehen mussten sie sie. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder haben sich diese Menschen aus 427Zu diesem Problemkreis siehe Kolář, Brutstätte (wie Anm. 65) 127f. 428Zum damaligen „Mediävalismus“ vgl. grundlegend Karl Ferdinand Werner, Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft (Stuttgart 1967) 38–40; Karen Schönwälder, Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus (Historische Studien 9, Frankfurt/M./New York 1992) 223–229; Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 265–276, unter Anführung Zatscheks. 778 Karel Hruza praktischen Gründen blind und taub gestellt, oder sie hatten ein Brett vor dem Kopf. Scheinbar gab es vieler solcher Bretter.“429 VII. Anhang Vorbemerkung: Im Folgenden werden Briefe und Akten ediert, die für die Kenntnis der Berufungen Heinz Zatscheks nach Wien 1929 und 1940 und nach Prag 1942 von wesentlicher Bedeutung sind und zudem bisher nicht oder wenig bekannte Informationen zur damaligen Situation der Universitäten und Institute enthalten. Dazu kommen verschiedene, für die Biografie Zatscheks wichtige Schriftstücke. Der Abdruck der beiden Briefe Paul Heigls (Nr. 2 und 3) bedarf einer Erklärung. Heigl stand, obwohl man sich „siezte“, in so gutem Einvernehmen mit Zatschek, dass er diesem vermutlich völlig frei seine Meinung zu den internen Vorgängen und Stimmungen am IÖG mitteilte. Er scheute dabei nicht vor respektlosen und bösartigen Charakterisierungen und Einschätzungen zurück, die in ihrer Intensität innerhalb der damaligen „Gelehrtenkorrespondenz“ eine Seltenheit sind. Da der Informationsgehalt der Briefe für den heutigen Historiker dennoch sehr hoch ist und ungewohnte Einblicke in das Mit- und Gegeneinander am IÖG erlaubt, werden sie im Druck vorgelegt. Zur Edition: Hervorhebungen, Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden gemäß Vorlage belassen, nur eindeutige Versehen wurden emendiert, ebenso kleinere Fehler ohne Kennzeichnung ausgebessert und Korrekturen in der Vorlage ohne Kennzeichnung übernommen. Korrekturen und Zusätze des Editors stehen in eckigen Klammern. Hierbei wurden abgekürzte Namen aufgelöst und Vornamen zu den Nachnamen ergänzt, da nicht jedem Leser alle vorkommenden Personen geläufig sein werden. Nr. 1 19. November 1920, Wien. Heinz Zatschek und Otto Brunner laden im Namen des Akademischen Vereins deutscher Historiker in Wien zu einer Vollversammlung und einem Vortrag am 27. November ein. AAVČR, Of HeZ K. 21 Nr. 860. Handschriftlich von Zatscheks Hand mit Briefkopf des Vereins und eigenhändiger Unterschrift Brunners. Verso auf einer Seite eines handschriftlichen Referates über das Buch Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte von Hans Delbrück (seit 1900 in mehreren Auflagen erschienen) von 12 Seiten, höchstwahrscheinlich von Zatscheks Hand. Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien. Sitz: Universität, Hist. Seminar. Wien, 19.XI.1920 Einladung zu der am 27. November um ½ 5h stattfindenden Vollversammlung. Tagesordnung 1.) Bericht des abtretenden Ausschusses. 2.) Neuwahl des Ausschusses. 3.) Allfälliges. falls sich die nötige Mitgliederanzahl nicht einfindet, ist die zweite, nach einer halben Stunde stattfindende Vollversammlung in jedem Fall beschlussfähig. Anschließend um 6 h Vortrag des Universitäts Professors Dr. Viktor Bibl über „das kirchenpolitische Testament Franz I.“ Mitglieder Erscheinen Pflicht!! Deutscharische Gäste willkommen. Zatschek Otto Brunner 2. Schriftwart Obmannstellvertr(eter) 429Dokumentation der Vertreibung IV/2 (wie Anm. 42) 449. Heinz Zatschek (1901–1965) 779 Nr. 2 17. Mai 1929, Wien. Paul Heigl berichtet Heinz Zatschek über die wegen der Nachfolge Oswald Redlich am 11. Mai 1929 abgehaltene Sitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. AAVČR, Of HeZ K. 6 Nr. 468. Privatbrief ohne Briefkopf von der Hand Heigls. Wien, 17.5.29 Lieber Herr Doktor! Heute Früh fand ich Ihren Brief vor. Ich will ihn gleich beantworten und nicht warten, bis ich daheim wohl hinter der Maschine sitzen kann, aber durch allerlei anderes erst wieder behindert bin. Einen „Lage-Bericht“ wünschen Sie! Da kann ich allerdings allerlei berichten, weiß aber nicht recht, wo ich anfangen soll. Sie können sich ja wohl den Hexenkessel vorstellen! Und die – Schwühle im Institut. Ich tippte H’s. [Hans Hirsch] Vorschlag, hatte daher schon vorher eine lange Unterredung mit ihm. „Belehrung[g]schich[t]en“ z. T., z. T. sehr nettes Informieren. Bei der Gelegenheit fiel auch eine Bemerkung, die mich zwingt, Ihnen bereits jetzt aufs herzlichste meine Glückwünsche darzubringen. Ich habe, obwohl die Bemerkung über die von Ihnen beabsichtigte „Veränderung“ Ihres „Standes“ nicht mit dem Wörtchen vertraulich überschrieben wurde, doch nichts gesagt. Nach der Fakultätssitzung war [Wilhelm] Bauer mein erster – ausgiebiger Informator. Dann auch andere, sodaß ich, als Hirsch am 2. Tag darnach mit mir ausführlich sprach, bereits gut im Bilde war und ihm allerlei Andeutungen machen konnte. So auch über Quertreibereien [Ernst] Klebels, von denen ich hörte und die, wie gemeint wird, und Hirsch nun auch meint – auch ihm wurde derlei zugetragen – bewirkten, daß einige Herr[e]n gegen seinen Vorschlag stimmten, wie z. B. Prof. [Wilhelm] Czermak, mein spezieller Freund. Ich bin überzeugt, daß Klebel sich bei H. und [Alfons] Dopsch usf. kein Bilchen einlegte. Klerikale pro [Harold] Steinacker, Juden gegen ihn – Tohuwabohu und rein persönliche Motive bei sachlicher Arbeit! Ein herrliches Bild bot die Fakultät. Dann der Krach [Oswald] Redlich – Bauer, der offen zutage trat. Redlich ist deprimiert. Ich möchte sagen: Trauerweide mit leichtem Wutgezitter. Erste Niederlage! Peinlich und ohne Größe getragen. Nun geht aber natürlich wüstester Tratsch los, im K. – H. : St. – B. natürlich. H. sei schon beim Ministe[r] gewesen um ihn davon abzuhalten, mit [Lothar] Groß überhaupt zu verhandeln etc. Tischtücher sind en masse zerschnitten: Redlich – H, Redlich – Bauer, vor allem aber H. – [Heinrich von] Srbik. Da fielen auf Seite H’s. böseste Worte gegen den „Adeligen da droben“! Mein Gott, Sie wissen ja: im Nachthemd sah ich sie alle oft, diesmal aber hieng kaum mehr ein Spagatschnürl um die Lenden. Ich hoffe nur, daß – falls nicht gehorcht wurde – unter der Mitgliedschaft nicht allzu viel bekannt wurde. Ich habe diesmal mich nicht zurückhalten können und wischte Klebel noch einiges aus. Sie können sich denken, daß mir Prof. Czermaks Verhalten auch in den Kram paßt. Den lernte ich so gründlich kennen und andere auch, daß wir genug haben. Mit [Otto] Brunner hatte ich eine lange Unterredung. Sie diente in erster Linie dazu, ihn vor jeder unbesonnenen Äußerung zu warnen und die – von Hirsch in seinem Falle erhärtete Unversöh[n]lichkeit Srbiks ins Kalkül zu ziehen. Das ist ja eine recht traurige Sache an sich. Sr. scheint aber beinahe wortbrüchig H. gegenüber geworden zu sein. Die Wort[e] können Sie sich denken! Und bei Sr.: „ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht“ sagte er mir! Brunner hat das – sicher richtige – Gefühl, daß Srbik es ihm verübelt, daß er, Br., vor [Reinhold] Lorenz einreichte. Ich weiß noch nicht, ob für Br. und Klebel eine einzige Kommission gebildet ist. [Egon Caesar] Corti kam hinzu. Sr. wird mit [Alfred Francis] Pribram puncto Lorenz abgepackelt haben. Stärker scheint mir aber die Position Hirsch[s] als die Koalition Redlich – Srbik, zumal Dopsch sehr pro Hirsch und sehr geschickt arbeitete. Gestern war wieder große Konferenzsitzung statt heute: D. H. Bauer usf. Br. ist informiert und eindringlich gewarnt, ja nicht den einen oder anderen Tratsch weiterzugeben. Er muß heute wahnwitzig vorsichtig sein. Zudem gibt es eine Art Ehrenaffäre Srbik – [Josef Wilhelm] Kubi[t]schek. Genaueres, d. h. so Genaues, um darüber authentisch schreiben zu können, erfuhr ich noch nicht. Krache aber wohin man schaut! Br. hofft übrigens, daß seine Sache doch noch im Juni so weit erledigt wird, daß er im Herbste drankommt. Die [Hugo] Hantsche Sache scheint hier erledigt; H. hat nicht eingereicht; vielleicht zieht er gen Innsbruck ab. Drüben in der Bibliothek ist man nicht unterrichtet und will’s auch, soweit es von mir abhängt, nicht werden. Es ist gut, daß Sie das alles hier nicht mitmachten. Ich sprach mit [Oswald] Menghin u. a. Leuten und hab daher einen recht gründlichen Einblick bekommen. Interessant war mir, daß Hirsch offen mir gegenüber Front machte gegen die – wie er sagte – „Klerikalen“: Czermak, Klein [Herbert?] etc. deren Abstimmung 780 Karel Hruza ihn tief verstimmte. Menghin[,] Junker [Hermann] blieb ihm treu, sind also nicht „Klerikale“ nach seiner Wortbildung. Bauer wieder meinte mit Recht, „man“ werde in den klerikalen Haufen einmal gründlich hineinleuchten müssen! Ich habe das Gefühl als würden sich überhaupt – außerhalb wie innerhalb der Fakultät – neue Koalitionen abstecken: Nationale und Katholen gegen Klerikale. Wir leben wieder in sehr interessanter Zeit. Feines Durcheinander. Gottlob, denke ich mir oft, daß ich gerade Wege gieng und doch einige Menschenkenntnis erhielt im Laufe langer Kampfjahre. Daß es ungemütlicher wird, ist klar. [Emil von] Ottenthal will sehr bald nach Taufers. Ich hörte schon lange nichts. Der „Frühling“ kommt nicht mehr und ich fand keine Zeit, O. aufzusuchen, scheue mich auch, weil ich Fakultätsgespräche mit ihm fürchte. Er plauscht! Ihre vorübergehenden Schwierigkeiten finanzieller Art werden Sie hoffentlich nicht allzu missmutig machen. Sie sind doch im Großen nur zu beglückwünschen. Passen Sie nur auf Ihre Gesundheit auf! Nun noch eins: [es folgt Angelegenheit zu zwei angeblich von Zatschek aus der Wiener NB entliehenen Zeitschriftenheften]. Nun werden Sie genug haben an der Entzifferung dieser Epistel. Hoffentlich gelingt sie Ihnen ganz. Ich fühle meine Hand immer schwerer werden. Gibts Neues, für Sie Wichtiges, schreib[e] ich Ihnen. „Urteile“ werde ich schwerlich wichtige zu hören bekommen, weil man mir zutrauen wird, daß ich Sie Ihnen nicht verschweige. Redlich hüllt sich – mir gegenüber – völlig in Schweigen. Sein Zustand ist schwer zu beschreiben; er fuhr auch gleich am 13. vm. nach Berlin und kam am 15. vm. wieder ins Institut. Ich sprach ihn nur kurz und nur „dienstlich“. Srbik konferirte am 13. vm. lang mit ihm. Den Tratsch aus dem Staatsarchiv weiter zu tragen, lohnt sich nicht. [Hans] Übersberger (Pro-Hirsch) trägt ihn ohnehin herum. Bauer hatte doch [eine] scheints entscheidende Rol[l]e gespielt, ist stolz und gesprächig, dafür aber eben mit Redl. verkracht. Zur Redlich-Abschiedfeier wird er und Hirsch nicht kommen. Selbe ist noch nicht festgesetzt. Der Kurs steckt in der Schlußarbeit. Es raucht eben. Hirsch stellte eine Geldspende für ein Abgangsgeschenk an Redlich (vom Kurs zu überreichen) in Aussicht, bat aber anonymer Spender zu bleiben. Eigentlich schön von ihm. Bauer hat Überreichung der – noch lange nicht fertigen – Festschrift an R. abgelehnt. Also: Trümmer wohin man schaut. Ärger, Wut, Getuschel, getrennte Wege usf. Hirsch triumphiert mit einem leicht tränenden Auge und blickt unfroh in die Zukunft. Im Ministerium wird natürlich gearbeitet werden. Junke[r] soll sich noch vor Abstimmung geäußert haben: Stein. nutzt auch die Majorität nichts, das Minist. nimmt ihn nicht. So: nun ist der Brief in seinem Durcheinander und ohne Ordnung fertig. Lassen Sie sichs recht gut gehen, ärgern Sie sich über nichts, passen Sie auf sich selbst auf, überarbeiten Sie sich nicht. Nochmals meine Glückwünsche sowohl als auch. Hoffentlich höre ich bald wieder von Ihnen. Herzlichst Ihr Heigl Hirsch ist natürlich überzeugt, daß er zugunsten [Wilhelm] Erbens auf die Mitgliedschaft der Akademie f. W. verzichten wird müssen. Empfehlen Sie mich bei Prof. [Theodor] Mayer bestens! Nr. 3 23. Mai 1929, Wien. Paul Heigl berichtet Heinz Zatschek über die Situation an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien und am IÖG. AAVČR, Of HeZ K. 6 Nr. 468. Privatbrief ohne Briefkopf von der Hand Heigls. Wien, 23/5 29. Lieber Herr Doktor! Da ich nicht voraussehen kann, was mir in der nächsten Zeit dazwischen kommt, will ich Ihren Brief gleich beantworten. Zu Ihrem Leidwesen sicher habe ich die Maschine nicht zur Hand und muß Sie daher mit meiner Handschrift plagen. Vor allem nochmals herzlichste Glückwünsche zu der Ihrem gewöhnlichen Tempo angepassten so baldigen Vermählung. Ich verstehe völlig, daß Sie mit der Nachricht so lange als möglich nicht herausrückten. Heinz Zatschek (1901–1965) 781 Gemunkel war ja auch zu mir gedrungen. Nun – Sie wissen, wie ich über derlei denke und werden es daher glauben, daß meine Glückwünsche ganz aufrichtig gemeint sind. Hier scheinen – Ton auf scheinen – sich die Wogen etwas zu glätten. Wer weiß, ob Sie nicht in eitel Sonnenschein und in frisch gezogene Jasminlauben kommen werden, wenn Sie von Prag hierher rutschen. Man sagt, so etwas Ähnliches wie schlechtes Gewissen sei es gewesen, was Henricus, eques de [Srbik] auf den Gedanken brachte, eine umständliche Vermittlungs- und Gemüter-Beruhigungsaktion in die Hand zu nehmen. Es sollte – nach außen hin – ein wenig Eintracht und überhaupt ein modus vivendi geschaffen werden. Daher erst Konferenzen bei R., dann – 21.5. – bei Cervus, endlich bei Guilelmer. Dann Sitzung Cervus – Bawerlieben – und nun scheint dem Außenstehenden das gute Werk vollbracht. Wies innerlich aussieht? Schwarz tippt mühsam und mit Radiergummi an R’s. [Oswald Redlich] wie gestochen geschriebenem Vorschlag herum. Ich mache mir aber gar nicht die Mühe, die Loblieder auf Harald [sic!] de Innsbruck [Steinacker] zu lesen. Hirsch war wieder mit der Jugend beisammen, wie Sie wohl einer Karte aus Leoben entnehmen durften. Cervus in Kniehosen – nicht ganz nach Kniggerbocker – ist ein Anblick – eh schon wissen; dazu der Vetterkragen. Derzeit ist Conte [Egon Caesar] Corti bei Cers. Wird nicht ganz erwünscht sein, vermute ich. Der gute Mann gieng auch in H’s. Wohnung. Auch bei [Wilhelm] Bauer war er in der Wohnung. B. meint, es werde ihm, C., nicht leicht werden, in den Spuren Engel-J.s [Friedrich Engel-Janosi] durchzurutschen. Na: ich glaube, daß es längst abgepackelt ist. Institut hat er ebenso wenig wie Zwergnase. Letzterer ist aber – sic dicitur – derart von Henricus eques de „geschult“ worden, daß er kein Institut braucht. Ja so eine Seminarpraxis bei Henricus tut wunder. Corti stößt ab und an durch sein Aufdringlichkeit, die an Schneckenschleim erinnert. Hoch über allen anderen Aspirantes thront Remmer, was seine Aussichten anlangt, „Man“ ist, glaub ich, durchaus überzeugt von ihm. Die Akten kursieren aber noch nicht, d. [h.] so langsam, daß sich das Quadrupes bis in den Herbst hinein wird gedulden müssen. Der Karnute am Gang draußen grinst seinen „Leidensgenossen“ Corti höhnisch an und ist sch…freundlich ins Gesicht. Redlich und sein Trabant, „der Adelige von droben“ – letztere aus Gerontophil mit Richtung Graz ([Wilhelm] Erben) sind pro Kl. engagiert. Sonst wird ers – „persönlicher Eignung“ wegen nicht allzu leicht haben. Gott die „Gerechtigkeit“ wird siegen und der Fakultät ein Läuslein kärntnerischen Ursprungs in den Pelz setzen. Ein wenig geplauscht und geplätschert wird von Aussichten Jussuff M’s. [Josef Karl Mayr?] im St. – B. nach Graz, allwo Erben, der mit Jussuff per Du ist, ihn sehr protegiert. [Emil von] Ottenthal versendet an Akademiemitglieder die Aufforderung, für Cers einzutreten und die bekannten Berlin-Marburger Briefe zum Thema in der „Vorstehung des Instituts“ – ausgerechnet in R.’s Obhut einzusehen. Lustig! Mein Gott, wenn man all das hört und sieht, dann wird einem oft ganz spassig. So furchtbar klein, um nicht mehr zu sagen, ist alles! Cers ist geschäftig und guter Laune. Ich glaube Henrici Stim[m]ungsabsturz hat sowohl bei R. als auch bei Cers gemütserleichternd gewirkt und fröhlich gestimmt. Der Kurs raucht. Da wird fieberhaft gearbeitet und selbstredend in Pessimismus Sorge vor der Prüfung gemacht. Wie alle 2 Jahre. Ein homo nostris ist da für 2 Sem. In der Länge Kleinfeld ähnlich. Nett, aus dem Rheinland, sehr begütert, kommt von Freiburg, kennt [Felix] Wortmann, den er ab und zu zum Sprechen bringt. [Ernst] Klebel quatscht nach wie vor viel herum. Ich habe aber das Gefühl, „man“ habe ihn erkannt und schätze ihn und seine Kulissenarbeit richtig ein. Ich bin sehr neugierig, wies ihm ergehen wird. Für Corti geb ich, wollt ich wetten, weniger. Die Favoritsreihenfolge schätze ich so: Remmer, [Reinhold] Lorenz, Klebel, Corti. Letztrer will ja nur „westeuropäische Geschichte“ nehmen. Es heißt, daß [Alfred Francis] Prizbram [Přibram] darauf drängen wolle, daß sein Nachfolger speziell auf „westeurop.“ Gesch. geeicht sein soll. So ebnet er auch Cortis Zukunftswege. Nach C. sei aus Př. Laden noch [Margarethe von] Mezenseffy [Mecenseffy] zu erwarten. Glück auf! So de nuce konzentriert der ganze Institutstratsch. Sie werden alles in „gutem Einvernehmen“ antreffen schätze ich, falls nicht „Unvorgesehenes“ das Gesamte wieder durcheinander rüttelt. In der NB. werde ich bei Emil [Wallner] und Roberto Teichl aufklärend wirken. Daß Fritz Antonius’ (St.Anf.) Gattin zu Mittag tot vom Sessel fiel (Embolie) haben Sie wohl gehört. Ich hab auch 3 Todesfälle knapp hintereinander in der weiteren Familie gehabt, darunter auch eine ganz junge Frau. Sonst geht’s mir ganz gut. Heimweh ist Trumpf. [Karl] He[l]leiner arbeitet und steckt wohl hinter den Flugzetteln und Affichen der sozial. Stud. a. d. Technik, die mich persönlich herausfischen und angehen wegen meines Artikels im „Student“. Große Hetze, die uns, auch mir noch Spaß macht. Gott bessere es bald und gründlich! 782 Karel Hruza Genug für heute. Überarbeiten Sie sich nicht. Denken Sie an Ihre junge Ehe! Von meiner Frau herzliche Grüße und Wünsche. Der Brief ist natürlich vertraulich. Herzlichst Ihr erg. Heigl Empfehlung an [Theodor] Mayer! Nr. 4 [14.?] November 1938, Prag. 49 Lehrende der Deutschen Universität Prag fordern die Verlegung der sudetendeutschen Hochschulen in das Deutsche Reich. AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker K. 7 Nr. 131. Maschinenschriftliches Konzept auf mehreren unpaginierten Papierbögen mit handschriftlichen Korrekturen, teilweise stenografisch, mit Bleistift oder Tinte von Weizsäckers Hand, und Unterschriften der 49 Unterzeichnenden, diese jeweils auf mehreren Bögen, um einer mehrfachen Ausfertigung beigelegt werden zu können. Auf erstem Blatt recto links oben mit Bleistift WE /V (B1). BAB R 43 II 1324, fol. 90–93. Abschrift in den Akten der Kanzlei der NSDAP ohne Liste der Unterschriften (B2) (Angaben zu B2 nach: Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus und die Universität Prag. Dokumente eingeleitet und hg. v. Gerd Simon [http://tobias-lib.ub.uni-tuebingen. de/volltexte/2001/217/pdf/gift002_komplett.pdf] 29). Zum Druck gebracht wird B1 mit Ergänzungen aus B2 nach Simon. – Hervorhebungen nach Vorlage. Druck: Simon 29f. (= B2) mit Angabe des Datums 14. November 1938. Die unterzeichnetena deutscharischen Hochschullehrerb in Prag, die sich dabei mit der deutschen Angestelltenschaft derc Hochschulenc einig wissen, erklären feierlich, dass sie freudig bereit sind, für Führer und Volk alle ihre Kräfte einzusetzen, wo immer man ihrer zum Wohle des Ganzen bedarf. Sie erklären indessen zum erstenmal als geschlossene Gruppe, dass sie eine Sicherung der Zukunft der sudetendeutschen Hochschulen nur in deren baldigsterd Verlegung ins deutsche Volksgebiet zu erblicken vermögen, währende die Vertretung deutscher Wissenschaft und Forschung im Ostraum einem neu zu errichtenden Reichsinstitut mit Hochschulcharakter in Prag zu übertragen wäree. Es dürfte kaum von irgend einer Seite bestritten werden, dass die sudetendeutschen Hochschulen auch heute noch ihre volle Daseinsberechtigung besitzen. Ihre hauptsächlichstef Sendung bestand und besteht auch heute noch darin, dem Sudetendeutschtum die Früchte deutscher Wissenschaft zu vermitteln, sudetendeutscher wissenschaftlicher Arbeit als Pflanz- und Pflegestätte zu dienen und sie in das grosse Ganze gesamtdeutscher Wissenschaft mitten hineinzustellen. Wie sie für das Sudetendeutschtum wirkten und sorgten, so haben sie umgekehrt auch ihre Kraft aus dem Sudetendeutschtum geschöpft. Aus diesem floss ihnen die erdrückende Mehrzahl ihrer Hörer und ein grosser Teil ihrer Lehrer zu, die durch hervorragende Kräfte aus dem Reichsgebiet auf das glücklichste ergänzt und unterstützt wurden. Das Sudetendeutschtum seinerseits hat in seinen Hochschulen, wie die letzten zwanzig Kampfjahre beweisen, immer einen der teuersten Teile seines völkischen Besitzstandes erblickt und sich stets voll Stolz zu ihnen bekannt. Andererseitsg steht fest, daß die sudetendeutschen Hochschulen in ihren bisherigen Standorten es immer als eine ihrer wichtigsten Aufgaben betrachtet haben, deutsche Wissenschaft und Forschung im Auslande zu vertreten, und daß ihre Wirksamkeit sich bis weit in den europäischen Osten hinein erstreckt hat. Dieser hat gerade durch Vermittluung der sudetendeutschen Hochschulen deutsche Wissenschaft in weitestgehendem Masse kennengelerntg. Dass die sudetendeutschen Hochschulen in volksfremden Städten ihren Sitz hatten, wurde zum Quell ungezählter Übelständeh. Die jungen Sudetendeutschen, die als Hörer in die ihnen gefühlsmässig fremden Städte kamen, sahen sich in ihrem berechtigten Drange nach vollem volklichen Ausleben stärkstens gehemmt und verspürten auf Schritt und Tritt die feindselige Gesinnung des nationalen Gegners. Die Professoren hinwider sahen sich der Gefahr ausgesetzt, wegen der räumlichen Trennung [sich] dem tätigen Leben der sudetendeutschen Volksgruppe zu entfremden und damit auch den Zusammenhang mit dem Volksganzen bis zu einem gewissen Grade zu verlieren. Um die sudetendeutschen Hochschulen vor diesen lebensgefährdenden Anfechtungen eindeutig zu sichern, beschlossen sie schon 1919 in feierlichen Kundgebungen die Heimkehr ins sudetendeutsche Gebiet. Es war eine Folge des hemmungslosen tschechischen Imperialismus, dass ihnen dieser Weg verwehrt wurde. Denn die Tschechen wussten, Heinz Zatschek (1901–1965) 783 dass das Sudetendeutschtum und die Hochschulen durch die Verlegung eine ungeahnte Stärkung erleben würden. Die schon bisher unerträglichen Schwierigkeiten würden sich bei Belassung dieser Hochschulen in ihren jetzigen Standorten geradezu verdoppeln. Fehlt ihnen doch heute jener kräftespendende Hintergrund von dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen, deren politisches Schicksal sie bisher immer geteilt haben. Dieser Entgang kann durch keinen wie immer gearteten Ersatz wettgemacht werden, auch nicht durch die Verpflichtung von Hörern des Reichs, einen bestimmten Teil ihrer Studienzeit an den sudetendeutschen Hochschulen zuzubringen. Für eine fruchtbringende wissenschaftliche Tätigkeit, in deren Dienst die sudetendeutschen Hochschulen auch künftig stehen sollen und müssen, waren auch schon bisher die Voraussetzungen die denkbar ungünstigsten. Durch die völlige Loslösung vom Sudetendeutschtum würde aber eine der wichtigsten seelischen Grundlagen schöpferischer wissenschaftlicher Arbeit dahinschwinden. Die Gründe, die für ein Verbleiben der sudetendeutschen Hochschulen in ihren bisherigen Standorten vorgebracht werden, lassen sich bei genaueri Einsicht in die tatsächlichen Verhältnisse, die allerdings nur durch jahrelange Erfahrung erworben werden kann, leicht widerlegen. Der Grenz- und auslandsdeutschej Volkskampfj, der dem Sudetendeutschtum auch in derk Zukunft als Schicksalsaufgabel auferlegt bleibt, vermag vonm den sudetendeutschen Hochschulen nur vom geschlossenen deutschen Volksgebiete her mitgetragen zu werden.n Füro die Betreuung der zweiten Aufgabe, die bisher den sudetendeutschen Hochschulen zufiel, könnte durch Errichtung eines deutschen Reichsinstituts mit Hochschulcharakter in Prag vorgesorgt werden. Diesem Institut würde gegebenenfalls auch die Aufgabe zufallen, für die im Reststaate verbleibenden Insel- und Streudeutschen als Lehrinstitut wissenschaftliche Ausbildungsstätte zu sein. Es ist selbstverständlich, daß alle an diesem Institute hauptamtlich wirkenden Lehrkräfte Reichsangehörige sein müssteno. Die Meinung, dass die Verlegung der sudetendeutschen Hochschulen für die streudeutsche Bevölkerung den Auftakt zur Heimkehr ins Reich bedeuten könnte, übersieht, dass diese ohnedies stärkstens heimkehrbereit ist und eines weiteren Antriebesp gar nicht mehr bedarf. Denn die Reichssehnsucht ist bei allen deutschbewussten Angehörigen der sudetendeutschen Hochschulen wie bei allen Streudeutschen der Sudetenländer gleich übermächtig. Die unterzeichnetenq sudetendeutschen Hochschullehrer bleiben schliesslich der sicheren Überzeugungr, dass auch der heutige Reichsgau Sudetenland einen sicheren Anspruch auf seine Hochschulen, die sich gegenwärtig in Prag befinden, besitzts. Prag, im November 1938. [Otto]t Grosser, [Karl] Amersbach, [Adalbert] Liebus, [Richard] Zeynek, [Karl] Walko, [Hermann] Knaus, [Theodor] Hopfner, R(udolf) Bezecny, [Ernst] Waldschmidt-Leitz, [Emanuel] Trojan, [Friedrich] Lippich, [Johannes Paul] Fortneru, [Wilhelm] Wostry, R(udolf) Schmidt, Adolf Pascher, G(ustav) Jungbauer, K(arl) M(aria) Swoboda, A(dolf) Rotter, E(rich) Spengler, Eugen Rippl, Zd(enko) Stary, Hedwig Langecker, Erich Schmied, S[?] Wagmann [?], G(ustav) Pirchan, Dr. [Edgar Maria] Foltin, Dr. [Egon von] Weinzierl, [Hans] Waldmann, Ernst Schwarz, [Maximilian] Watzka, Alois Gotsmich, [Walter] Dick, [Heinrich] Hilgenreiner, [Edmund] Schneeweis, [Erhard] Preißig, [Josef] Gicklhorn, Dr. [Georg?] Herrmann, Dr. [Lothar] Zotz [?], Dr. [Anton] Garkisch, Dr. Anton Blaschka, [Franz] Scola, Dr. [Alois] Beutel, Rud(olf) Schreiber, Josef Pfitzner, Wilhelm Weizsäcker, Gustav Becking, C(arl) L(udwig) Wagner, E(duard) Winter, [?]. a) B1 handschriftlich nachgetragen; b) B1 folgt gestrichen der deutschen Universität und der deutschen technischen Hochschule; c–c) B1 handschriftlich nachgetragen; B2 Hochschule. d) B1 handschriftlich nachgetragen, stattdessen gestrichen tunlichst sofortiger; e–e) B1 stenografisch nachgetragen; stimmt mit dem Text in B2 überein; f) B2 hauptsächliche. g–g) B2; h) B1 Uibelstände; i) B2 genauerer; j–j) B1 stenografisch korrigiert aus Ostlandkampf, hier ergänzt nach B2; k) B2 fehlt; l) B2 Schicksalaufgabe; m) B1 maschinenschriftlich nachgetragen; n) B1 folgt gestrichen: Für eine Vermittlung deutschen Geistesgutes an die Tschechen, die von manchen auch bisher den sudetendeutschen Hochschulen als Aufgabe zugeschrieben wurde, fehlen alle menschlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, die sich auch in Zukunft nicht schaffen lassen. Denn der Volkstumskampf zwischen Tschechen und Deutschen geht weiter und verhindert jegliche fruchtbare Berührung zwischen deutschem und tschechischem Geistesleben. Hingegen gibt es für diese Vermittlungstätigkeit eine Fülle anderer Wege, z.* B. die Errichtung eines Kulturinstituts mit Hochschulcharakter oder eine deutsche Auslandsuniversität* (*–* handschriftlich nachgetragen anstatt dem gestrichenen: die nicht über die Hochschulen führen). Auch für die Verfolgung weiterreichender politischer Pläne erweisen sich erfahrungsgemäss Hochschulen als ungeeignete Mittel und Stützpunkte. o–o) B2; p) B2 784 Karel Hruza Antriebs; q) B1 handschriftlich nachgetragen; r) B1 steht Uiberzeugung; s) B1 folgt durchgestrichen: und dass das Werk der sudetendeutschen Erhebung und Befreiung unvollkommen bliebe, wenn den sudetendeutschen Hochschulen die von ihnen so heiss ersehnte Heimkehr ins Reich versagt würde; t) B1 die in Spalten stehenden Unterschriften wurden um Vornamen ergänzt und durch Kommata getrennt; u) In Frage kommen der Chemiker Paul Fortner (†1941) oder dessen Sohn, der Biologe Johannes Paul Fortner (†1940). Nr. 5 4. Februar 1940, Prag Jan Rypka dankt Heinz Zatschek für dessen wohlwollendes Verhalten bei dessen kommissarischer Verwaltung der Philosophischen Fakultät der geschlossenen tschechischen Karlsuniversität. WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. Maschinenschriftliche Abschrift, die Zatschek zu seiner Entlastung (Nachsicht von der Registrierung als Mitglied der NSDAP) am 27. Juli 1945 dem Magistrat der Stadt Wien vorgelegt hat. Abschrift Děkan filosofické fakulty university Karlovy v Praze Prag, den 4. II. 1940 Sehr verehrter Herr Professor, unter dem frischen Eindrucke der soeben vergangenen Wochen ist es mir eine angenehme Pflicht, Ihnen auch auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank zum Ausdrucke zu bringen. Mit aller Hingebung haben Sie sich der Ihnen anvertrauten, gewiss nicht leichten Aufgabe unterzogen. Man darf nicht von Stunden, sondern von Tagen und Wochen sprechen, die durch diese Mühewaltung Ihren sonstigen Pflichten entgingen. Ich masse mir das Recht an, die von Ihnen geleistete Arbeit besser als irgendjemand beurteilen zu können, wobei ich freilich die von Ihnen noch anderswo in unserem Interesse unternommenen Schritte nur ahnen kann. Dasselbe, was Sie dabei beseelte, beschirmte uns: Ihr volles Verständnis für uns. Und es wurden Bücherschätze, wertvolle Manuskripte, Früchte jahrzehntelanger gelehrter Arbeit – Sie kennen ja dies aus eigener Erfahrung am besten! – und sonstiges privates Eigentum unter Ihrer sichtbaren Anteilnahme für jeden unserer Kollegen ihrer gelehrten Benützung wieder zugeführt. Ihr wenngleich entschiedenes, so doch immer konziliantes Wesen wusste für jede Frage eine alle Teile befriedigende Lösung ausfindig zu machen. Natürlich verstanden Sie es unter diesen Umständen die Zusammenarbeit leicht und angenehm zu machen. Im Namen sämtlicher Kollegen, des Kanzlei- und Fakultätspersonals, nicht zuletzt aber in meinem eigenen danke ich Ihnen aufrichtigst für das gute Werk, das auf diese Art und Weise zustandegebracht worden ist, und bitte Sie inständigst in demselben edelgesinnten Geiste auch fürderhin für uns wirken, einstehen und uns ebenso tatkräftig beschirmen zu wollen, wie Sie es bisher getan haben – zum gemeinsamen Wohl und zum Fortschritte der Wissenschaft. Mit den ergebensten Handküssen an Gnädige Frau Gemahlin habe ich die Ehre, Sie, sehr verehrter Herr Professor, herzlichst zu begrüssen als Ihr dankbar ergebener J. Rypka Nr. 6 10. Oktober 1940, Wien. Heinrich von Srbik schreibt an Heinz Zatschek wegen dessen Berufung nach Wien. AAVČR, Of HeZ K. 17 Nr. 800. Privatbrief ohne Briefkopf von der Hand Srbiks. Wien, 10. X. 1940 Hoch geehrter Herr Kollege! Als Referent für den Vorschlag zur Wiederbesetzung der durch Hans Hirsch’ Ableben erledigten ord. Professur für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften bitte ich Sie, mir so bald als möglich bekannt zu geben, ob Sie einem eventuellen Ruf Folge leisten würden. Falls Sie diese Anfrage bejahen, ersuche ich auch um Zusendung eines Curriculum vitae und eines Verzeichnisses Ihrer Arbeiten. Soweit der offizielle Teil meiner Mission. Vertraulich füge ich folgendes hinzu: Gleichzeitig wird die Heinz Zatschek (1901–1965) 785 längst beantragte Ernennung Otto Brunners zum Ordinarius betrieben. An der Realisierung ist nicht zu zweifeln. Mit Rücksicht darauf, daß das Institut nach mancherlei Schwierigkeiten die Gleichstellung als Archivschule mit dem Dahlemer Institut bewahren wird, jedoch eine Anpassung an die Archivausbildung des Altreichs erfolgen muß, ist es notwendig, zum Vorstand des Instituts einen Herrn zu bestellen, der selbst Archivpraxis als Beamter erworben hat und dem „Reichsarchiv Wien“ nahesteht. Es ist demgemäß Brunner zum Vorstand des Instituts designiert. Selbstverständlich erwächst hieraus für den Nachfolger Hirsch’ keine Unterordnung unter Brunner, abgesehen von der Leitung des Instituts. Das Verhältnis beider Herren wäre ganz analog dem seiner Zeit zwischen [Emil von] Ottenthal und [Oswald] Redlich bestehenden. Wenn Sie annehmen, würden Sie die Vorstandschaft der mittelalterlichen Abteilung des historischen Seminars erhalten. Ferner habe ich mich anläßlich meines letzten Aufenthalts in Berlin [2. September] bei [Edmund E.] Steng[e]l vergewissert, daß die Diplomataabteilung am Institut belassen und Ihrer Leitung anvertraut werden würde. Da Sie neben Brunner auch die allgem. mittelalt. Geschichte zu versehen hätten, wäre zu Ihrer Entlastung die Versehung eines Teils der Hilfswissenschaften durch einen Lehrauftrag oder, wenn möglich, durch einen Extraord. nötig. Wir wollen hiefür [Karl] Pivec vorschlagen. Die Abgrenzung der Hilfwiss. bliebe Ihnen und Pivec überlassen. Sie würden an 1. Stelle vorgeschlagen werden; neben Ihnen nur noch ein Herr ([Leo] Santifaller). Mit Ihrer Ernennung wäre so gut wie sicher zu rechnen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Ihre Zusage erhielte. Bitte nur um möglichst schleunigen Bescheid, da am 26. Oktober Fakultätssitzung ist, in der womöglich der Vorschlag bereits erstattet werden soll. Mit freundlichen Grüßen Ihr ergebener H. v. Srbik Nr. 7 12. Oktober 1940, Prag Heinz Zatschek antwortet Heinrich von Srbik auf dessen Brief vom 10. Oktober 1940. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40. Maschinenschriftlicher Brief mit privatem Briefkopf Zatscheks und eigenhändiger Unterschrift; AAVČR, Of Heinz Zatschek, K. 6 Nr. 468. Durchschlag des Briefes ohne Unterschrift. Prag, 12. X. 1940 Sehr verehrter Herr Präsident! Ihr Schreiben vom 10. d. M., das ich heute erhielt, bedeutet für mich sehr viel, und ich erlaube mir, Ihnen und den Wiener Historikern aufrichtig dafür zu danken, dass Sie die stets von hervorragenden Gelehrten und Lehrern versehene Lehrkanzel nun mir anvertrauen wollen. Ich bin selbstverständlich und sehr gerne bereit, einem Ruf Folge zu leisten, der mich in meine Heimat zurückführt und mir Gelegenheit gibt, an einer Stätte zu wirken, die als hohe Schule mittelalterlicher und hilfswissenschaftlicher Forschung führend ist und an der Emil von Ottenthal und Hans Hirsch gewirkt haben, die beide auf meine wissenschaftliche Entwicklung einen tiefgehenden Einfluss ausgeübt haben. Im einzelnen darf ich zu Ihrem Schreiben bemerken, dass auch ich auf eine Ernennung [Otto] Brunners zum ordentlichen Professor grösstes Gewicht lege und dass es mir irgendwie ein unangenehmes Gefühl wäre, wenn er noch länger und neben mir Extraordinarius bliebe. Ich sehe keine Schwierigkeiten darin, dass er die Leitung des Instituts übernimmt. Das war schon der Wunsch Professor Hirschs, und ich bin mir auch darüber klar, dass die Leitung nicht jemand übernehmen sollte, der die Entwicklung der Lage seit 1929 nicht mehr kennt. Eine ausserordentlich angenehme Überraschung, für die ich Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, ganz besonders danken möchte, war für mich die Mitteilung, dass eine teilweise Entlastung von den Hilfswissenschaften vorgesehen ist. Ich darf ganz offen gestehen, dass mir bei dem Gedanken, in einem zweijährigen Turnus Palaeographie, Kaiser- und Papsturkunde je fünfstündig lesen zu müssen, etwas bange war. Kommt [Karl] Pivec, dann scheint mir überdies die Gewähr geboten, dass die Ausgabe der Stauferurkunden rascher erfolgen kann. Dass diese der österreichischen Wissenschaft verbleibt, scheint mir sehr, sehr wichtig. Zum Schluss möchte ich Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, noch ganz besonders für Ihre freundlichen Worte danken. Dass Sie mir schreiben, Sie würden meine Zusage begrüssen, ehrt mich doppelt und dreifach. In den mir von früher her wohl vertrauten Aufgabenkreis werde ich mich rasch einarbeiten und hoffe, dass ich noch dazu lernen kann, wenn ich vor weitere und neue Aufgaben gestellt werde, die ganz 786 Karel Hruza anders sein werden als die hier in Prag. Letzten Endes gilt meine ganze Arbeit einer gesamtdeutschen Geschichtsbetrachtung mit ständigem Blick auf das Werden des deutschen Volkes. Und gerade darin weiss ich mich mit Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, eins. Mit der Bitte, der verehrten Gnädigen Frau Handküsse auszurichten, und in vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener H. Zatschek Nr. 8 [30. November 1940, Wien] Heinrich von Srbik berichtet im Berufungsausschuss der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zur Nachfolge Hans Hirsch über die vorzuschlagenden Kandidaten. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40. 9 Seiten maschinenschriftlich. Die erwähnten Lebensläufe der Kandidaten und ihre Schriftenverzeichnisse liegen dem Akt bei. Der überaus schwere Verlust, den die deutsche Geschichtswissenschaft, die Wiener historische Schule und die Universität Wien durch den Tod von Hans Hirsch erlitten haben, versetzt die Fakultät in personaler und sachlicher Hinsicht in eine sehr schwierige Lage. Es handelt sich ja nicht lediglich darum, eine ordentliche Lehrkanzel der Geschichte des Mittelalters und der historischen Hilfswissenschaften, die durch eine führende wissenschaftliche Persönlichkeit verwaltet worden war, mit einem Mann zu besetzen, der auf diesem Forschungs- und Lehrgebiet Hirsch gleichkommt oder die Gewissheit bietet, an ihn später heranzureichen. Der Verblichene war auch der ausgezeichnete Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung, einer Forschungsstätte, der im grossdeutschen Reich keine zweite von solcher Eigenart und von so ruhmvoller methodischer Lehrtätigkeit und wissenschaftlicher Produktion zur Seite steht. Dieses Institut ist der Universität nicht eingegliedert, sondern angegliedert. Seine besondere Note verdankt es dem strengen und ausgedehnten Betrieb exakter Quellenforschung und der Hilfswissenschaften zur mittelalterlichen Geschichte. Das Institut hat sich als durchaus entwicklungsfähig erwiesen und hat zunächst seine Tätigkeit durch eine enge Verbindung mit der Kunstgeschichte und der österreichischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, der deutschen Landesgeschichte, der allgemeinen deutschen mittelalterlichen politischen und Geistesgeschichte, der deutschen und fremdnationalen Verfassungsgeschichte immer mehr ausgebreitet und intensiviert und zugleich seinen alten Ruf als Pflanzstätte der Hilfswissenschaften und ihrer Anwendung bewahrt. Das Institut hat endlich auch die Hilfsdisziplinen der neueren Geschichte unter der Leitung von Hans Hirsch in seine Lehrtätigkeit stärker einzubauen begonnen. Die Ursache des letzteren Bestrebens liegt namentlich in der zweiten Aufgabe, die dem Institut obliegt: die Heranbildung hochqualifizierter, für den Wissenschafts- und den Verwaltungsdienst in gleichem Mass befähigter Archivbeamter. Aber noch eine dritte Arbeitsleistung von hohem Wert ist für den Fortbestand des Instituts in der alten Blüte von grösster Bedeutung: die ständige Mitarbeit an dem grossen deutschen, auf den Freiherrn von [sic!] Stein zurückgehenden Unternehmen der Monumenta Germaniae. Die Mitarbeit des Instituts an der Abteilung Kaiser- und Königsurkunden der Monumenta ist von höchstem Wert nicht nur für das Fortschreiten und die Qualität der grossen gesamtdeutschen Aufgabe, sie ist auch noch heute und auf weite Sicht eine der besten Schulen zur Heranziehung eines hochstehenden akademischen Nachwuchses für die Geschichte des Mittelalters und die hilfswissenschaftliche Forschung. Aus all dem Gesagten ergibt sich die Notwendigkeit, in dem Vorschlag sowohl für eine bestmögliche Besetzung der Lehrkanzel, wie für die Direktion des Instituts im besonderen Hinblick auf seinen Charakter als Archivschule und endlich für die Bewahrung der „Diplomata-Abteilung“ beim Institut Vorsorge zu treffen. Hans Hirsch hat alle diese Aufgaben in seiner Person vereinigt und zu bewältigen verstanden. Diese Vereinigung kann nicht in der bisherigen Weise aufrechterhalten werden, da sich durch die Auflösung des Staates Österreich manche Voraussetzungen geändert haben und da heute kein auf der Höhe des Lebens stehender Historiker sämtlichen nötigen Anforderungen gerecht wird. Es ist eine Teilung der Pflichten vonnöten und es dürfen bei der Personenauswahl für die Lehrkanzel nicht die wissenschaftlichen Leistungen auf einem Gebiet allein, sei es die Geschichte des Mittelalters, seien es die historischen Hilfswissenschaften, berücksichtigt werden. Die Frage der Institutsvorstandschaft sei hier vorweggenommen. Sie steht im engsten Zusammenhang mit der Eigenschaft des Instituts als Bildungsanstalt für Archivbeamte und kann daher nur im Einvernehmen mit dem Wiener „Reichsarchiv“ gelöst werden. Als geeignetste Persönlichkeit erscheint allen beteiligten Heinz Zatschek (1901–1965) 787 Faktoren der planmässige a.ord. Professor der mittelalterlichen und österreichischen Geschichte Dr. Otto Brunner, der selbst Beamter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs gewesen ist, und in engster Fühlung mit den Bedürfnissen des Archivwesens steht. Die Ernennung dieses ausgezeichneten Gelehrten zum ord. Professor ist mit 1. Februar 1938 von der Fakultät beantragt worden. Ihre Vollziehung ist vom Reichsministerium sicher zugesagt worden und ist von äusserster Dringlichkeit. Die Ernennung Professor Brunners zum Vorstand des Instituts wird hiemit beantragt. Er wird seine Lehrtätigkeit wie bisher zum Teil der allgemeinen und deutschen mittelalterlichen Geschichte zuwenden. Da er aber auch das weitgespannte Gebiet der deutschen Landesgeschichte betreut, ist seine Kraft so sehr in Anspruch genommen, dass neben dem von ihm bekleideten Ordinariat eine ausgedehnte Versehung der Geschichte des Mittelalters und der historischen Hilfswissenschaften durch eine[n] zweiten Ordinarius eine unabweisbare Notwendigkeit ist. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass an allen grösseren deutschen Universitäten das Fach durch zwei ordentliche Professoren, in Berlin und Leipzig ausserdem noch durch einen planmässigen ausserordentlichen Professor vertreten ist. Auf einer intensiven Verbindung dieser beiden Forschungs- und Lehrgebiete beruht, wie bereits angedeutet wurde, die historische Grösse des Instituts; auf ihr soll sich auch die Zukunft des Instituts vor allem aufbauen, wenn sich auch interne Aenderungen des Lehrplanes in manchen Hinsichten als notwendig erweisen werden. Da somit der neben Professor Brunner zu ernennende ordentliche Professor eine zweifache ansehnliche Forschungs- und Lehrtätigkeit aufweisen muss, sind dem Vorschlag enge Grenzen vorgeschrieben. Hervorragende Vertreter der mittelalterlichen Geschichte allein, die den Hilfswissenschaften in produktiver Richtung ferne stehen, können schwerlich in Frage kommen. So die Professoren Percy Schramm in Göttingen, H[ermann] Heimpel in Leipzig, Th[eodor] Mayer in Marburg und G[erhard] Kallen in Köln. Andere wieder, die der Schule des Instituts gleich Professor Mayer entstammen und überaus hochzuschätzende Forscher in beiden genannten Bereichen sind, müssen aus anderen Gründen ausser Betracht bleiben: so Professor Harold Steinacker, zur Zeit Rektor der Universität Innsbruck, der das fünfundsechzigste Lebensjahr bereits überschritten hat, und Professor R[ichard] Heuberger derselben Universität, dessen geringe Sehkraft seine Tätigkeit an einer der grössten Hochschulen des Reichs unmöglich macht. Den nötigen Anforderungen dieses Ordinariates entsprechen nur zwei Persönlichkeiten, bei deren Reihung mit Rücksicht auf die örtlichen Bedürfnisse von der alphabetischen Anordnung abgewichen wird, Heinz Zatschek und Leo Santifaller. Heinz Zatschek wurde 1901 in Wien geboren, erwarb 1923 den Doktorgrad der Philosophie an der Wiener Universität und legte im selben Jahre die Staatsprüfung des Oesterreichischen Instituts für Geschichtsforschung mit vorzüglichem Erfolg ab. 1929 Privatdozent für historische Hilfswissenschaften in Wien, 1929 ausserordentlicher Professor dieses Fachs an der deutschen Universität in Prag, 1934 ord. Professor der allgemeinen Geschichte des Mittelalters und der Hilfswissenschaften ebenda, wurde Zatschek durch Vorschläge der Universitäten Breslau, Marburg a. d. Lahn und Graz ausgezeichnet. Eine Berufung als a.o. Professor an die Wiener Universität hatte 1930/31 zu keinem positiven Ergebnis geführt. Zatschek ist verheiratet, Mitglied der NSDAP und des NSD.-Dozentenbundes und seit 1940 Kommissar für die philosophische Fakultät der tschechischen Universität in Prag sowie für die öffentlichen Bibliotheken daselbst. Nähere Angaben über seinen Lebenslauf enthält das beiliegende Curriculum vitae. Leo Santifaller wurde 1890 in Kastelrut, Bezirk Bozen, geboren, studierte an den Universitäten Wien, Freiburg i. Br. und Innsbruck, erwarb nach mehrjähriger Kriegsdienstleistung, während deren er verwundet und wiederholt ausgezeichnet wurde, den Doktorgrad der Philosophie an der Wiener Universität und absolvierte 1921 als ord. Mitglied das Oesterr. Institut für Geschichtsforschung. Nach längerer Verwendung als Leiter des Staatsarchivs in Bozen, als Stipendiat am Preussischen Histor. Institut in Rom und in der Diplomataabteilung der Monumenta Germaniae zu Berlin habilitierte er sich 1928 für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Berlin und ist seit 1929 ordentlicher Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Breslau. Er ist verheiratet, und Mitglied des NS Lehrerbundes. Weitere Angaben enthält das beili[e]gende Curriculum vitae. Da, wie erwähnt, Professor Brunner nur einen Teil seiner Kraft der lehramtlichen Vertretung der allgemeinen mittelalterlichen Geschichte widmen kann und da der neben ihm zu ernennende ordentliche Professor als zukünftiger Vorstand der mittelalterlichen Abteilung des Historischen Seminars und durch einen Hauptteil der mittelalterlichen Vorlesungen sehr stark in Anspruch genommen sein wird, ist es eine Unmöglichkeit, die gesamte ausgedehnte und tiefgreifende Vertretung der historischen Hilfswissenschaften auf die Schultern dieses Professors allein zu legen. Es ist vielmehr eine unabweisbare Notwendigkeit, dass ausser den beiden genannten Ordinarien ein planmässiger a.o. Professor der historischen Hilfswissenschaften 788 Karel Hruza ernannt werde, wenn anders das Wiener Institut für Geschichtsforschung seinen vielfältigen Aufgaben gerecht werden soll. Für diese Professur wird Professor Karl Pivec in Vorschlag gebracht. Karl Pivec, geb. 1905 in Wien, studierte an der Universität in Wien, war 1927–1929 ord. Mitglied des Oesterr. Instituts für Geschichtsforschung, seit 1929 Mitarbeiter der Monumenta Germaniae historica, 1932 wissenschaftliche Hilfskraft, 1937 Assistent am genannten Institut. 1935 wurde er als Privatdozent für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften an der Wiener Universität zugelassen, 1938 nach Leipzig zur vertretungsweisen Wahrnehmung der ausserord. Professur für historische Hilfswissenschaften berufen, 1939 zum planm. ausserordentlichen Professor dieses Faches und Direktor des Seminars für historische Hilfswissenschaften an der Universität Leipzig ernannt. Curriculum vitae und Schriftenverzeichnis liegen bei. Der Vorschlag lautet sohin: Für die ordentliche Lehrkanzel für Geschichte des Mittelalters und der historischen Hilfswissenschaften Heinz Zatschek und Leo Santifaller. Professor Zatschek muss als der Gelehrte bezeichnet werden, der die Forschungs- und Lehraufgaben des Instituts am besten zu vertreten und weiter zu bilden geeignet wäre und dessen Ernennung besonders wünschenswert ist. Für die planm. a.o. Professur für historische Hilfswissenschaften wird Professor Pivec vorgeschlagen. Sämtliche drei Herren haben sich bereit erklärt, einer Berufung Folge zu leisten. Nr. 9 30. Juni/5. und 12. Juli 1941, Berlin Der Präsident der MGH Edmund E. Stengel schreibt Heinz Zatschek in Angelegenheit der Edition der Diplome Konrads III. (A) und sendet eine von beiden am 5. bzw. 12. Juli unterzeichnete Vereinbarung mit (B). AAVČR, Of HeZ K. 7 Nr. 599. Beide Dokumente maschinenschriftliche Briefe mit Briefkopf der MGH und eigenhändigen Unterschriften. A Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde (Monumenta Germaniae Historica) Der Präsident Herrn Berlin NW 7, den 30. Juni 1941 Charlottenstraße 41 Fernruf: 16 27 89 Nr. 337/41 ST/H Professor Dr. Zatschek Institut für Geschichtsforschung Wien I Universität Sehr verehrter Herr Kollege! Besten Dank für Ihren Brief vom 23.d.Mts. [D]ortigen [IÖG Wien] Verhältnissen dürfte die Honorierung von 50,- RM wohl nur für 3-stündige Arbeitszeit ausreichen. Ich bitte, die Hilfskraft [Maria Habacher] also auf diese Stundenzahl zu verpflichten. Bei längerer Bewährung und guter Leistung kann später dann eventuell eine Steigerung erfolgen. In der Fassung der Vereinbarung hoffe ich, Ihrem einen Änderungswunsch am besten dadurch zu entsprechen, daß die Bezugnahme auf Hirsch ganz wegfällt.1 Wenn ich unsere Vereinbarung zunächst und vorläufig nur auf Konrad III. bezogen habe, so darf ich dazu folgendes bemerken. Es ist Ihnen wohl bekannt, daß die sehr lange dauernde Editionsarbeit an Konrad III. im Laufe der Zeit eine recht kritische Stimmung in dem an den MGH interessierten Teil der Fachwelt ausgelöst hat. Diese Stimmung veranlaßte meinen kommissarischen Vorgänger Engel, ein Abkommen mit Hirsch zu schließen, nach welchem die archivalische Vorarbeit an den DDF I zum Teil von Berlin aus geleistet werden sollte. Hirsch hat damals eine Zeit lang sogar selbst davon gesprochen, daß auch die Bearbeitung vielleicht geteilt werden könne. Ich selbst bin mir von Anfang an darüber klar gewesen, daß das Abkommen 789 Heinz Zatschek (1901–1965) eine Quelle von Schwierigkeiten sein würde, und ich habe darum davon abgesehen, von ihm Gebrauch zu machen; ich war und bin der Meinung, daß alles geschehen müsse, um die Wiener Bearbeitung der Frühstaufer zu erhalten und zu aktivieren. Als Hirsch dann gestorben war, hat sich sofort an mehreren Stellen eine recht rege Propaganda erhoben, die darauf abzielte, die Frühstaufer von Wien wegzunehmen; mindestens eine von ihnen war bereit, das Erbe anzutreten. Ich habe diesen Stimmen nicht nachgegeben. Sie wissen, daß meine Stellungnahme zur Frage Nachfolge Hirsch ganz darauf abgestellt gewesen ist, dem Wiener Lehrstuhl und dem Wiener Institut ihre alte Bedeutung zu erhalten, sowohl inbezug auf die archivalische Ausbildung als auch inbezug auf die unentbehrliche Mitarbeit Wiens an den MG. Insbesondere ist es ja gelungen, mit Ihrer Berufung gerade den Mann an die Wiener Edition zurückzubringen, der die beste Eignung und die nächste Anwartschaft für sie hat. Daraus ergibt sich deutlich, worauf ich hinaus will. Aber auf der anderen Seite darf ich doch auch nicht die Verantwortung übersehen, die mir die Vorgeschichte der frühstaufischen Diplomata auferlegt und die ich vor der Gesamtheit unseres Faches und vor meinen künftigen Nachfolgern trage. Ich bitte Sie, verehrter Herr Kollege, diese meine Lage zu würdigen und es nicht als Mißtrauen aufzufassen, wenn ich für geboten halte, in dieser Sache zunächst einmal „kurz zu treten“. Es handelt sich dabei ja auch nicht um etwas Neues; ich habe mich bereits Ende vorigen Jahres Ihnen gegenüber im gleichen Sinne ausgesprochen. Bei der Arbeitsenergie, die wir aus Ihrer bisherigen Leistung kennen, ist es ja – abgesehen von der durch den Krieg geschaffenen Unsicherheit – ohnehin gewiß nur eine Frage kurzer Zeit, daß sich der Auftrag des Reichsinstituts auch ausdrücklich auf Friedrich I. und Heinrich VI. erstrecken wird, und der Apparat der Fortsetzung bleibt selbstverständlich da, wo er ist. Um Ihnen aber schon jetzt die Anwartschaft auch auf die Fortsetzung selbst zu geben, bin ich bereit, einen darauf bezüglichen Satz unserer Vereinbarung noch hinzuzufügen. Ich lege Ihnen die somit an zwei Stellen geänderte Fassung in 2 Exemplaren hier bei mit der Bitte, dieselben, wenn Sie einverstanden sind, unterfertigt zurückzusenden; das eine geht Ihnen mit meiner Unterschrift dann wieder zu. Mit der Bitte, mich Ihrer verehrten Gattin freundlichst zu empfehlen und kollegialen Grüßen an Sie selbst Heil Hitler! Ihr ergebener E[.] Stengel Anlagen. PS.a Was das von Ihnen erwähnte Gerücht betrifft, so weiß es offenbar mehr als ich selbst. Es beruhtb auf einer bereits weit zurückliegenden, ganz wagen Erwägung Münchener Ursprungs, die über dies Stadium nicht hinausgekommen ist. a) Das ganze Postscriptum handschriftlich nachgetragen; b) folgt gestrichen offenbar. 1 In dem Entwurf der Vereinbarung, den Stengel am 19.06.1941 an Zatschek sandte, stand: Herr Professor Zatschek übernimmt im Auftrage des Reichsinstituts zur Veröffentlichung im Rahmen der Kaiserurkundenausgabe der Monumenta Germaniae historica die Vollendung der von Prof. Dr. Hirsch unvollendet hinterlassenen Edition der Diplome Konrads III. […]. AAVČR, Of HeZ K. 7 Nr. 599. B Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde (Monumenta Germaniae Historica) Der Präsident Berlin NW 7, den Charlottenstraße 41 Fernruf: 16 27 89 Nr. 790 Karel Hruza Vereinbarung. Zwischen dem Präsidenten des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde, Herrn Professor Dr. Edmund E. Stengel in Berlin einerseits und Herrn Professor Dr. Heinz Zatschek in Wien ist folgende Vereinbarung getroffen worden. Herr Professor Zatschek übernimmt im Auftrage des Reichsinstituts zur Veröffentlichung im Rahmen der Kaiserurkundenausgabe der Monumenta Germaniae historica die Vollendung der Edition der Diplome Konrads III. Er wird in Gemeinschaft mit dem Mitarbeiter des Reichsinstituts Dr. Heinrich von Fichtenau arbeiten, der ihm unterstellt wird. Außerdem stellt ihm das Reichsinstitut noch eine Hilfskraft zur Erleichterung der Arbeiten zur Verfügung. Nach Abschluß des Druckes wird Herr Professor Zatschek vom Reichsinstitut als Vergütung ein noch festzusetzendes Bogenhonorar erhalten. Die Fürsorge für den ganzen im Wiener Institut für Geschichtsforschung befindlichen Apparat der Frühstaufer-Diplome wird Herrn Professor Zatschek anvertraut. Es wird in Aussicht genommen, daß Herr Professor Zatschek nach Vollendung der Edition der Diplome Konrads III. auch die Ausgabe der Diplome Friedrichs I. und Heinrichs VI. übertragen werde. Diese Vereinbarung kann beiderseits mit 6-wöchentlicher Frist gekündigt werden. Im Falle der Kündigung verbleiben sämtliche im Auftrage des Reichsinstituts entstandenen wissenschaftlichen Vorarbeiten und Ausarbeitungen Eigentum des Reichsinstituts; Herr Professor Zatschek erhält diesfalls eine seinem Arbeitsaufwand entsprechende Vergütung. Herr Professor Zatschek verpflichtet sich, über den Fortgang der Ausgabe jeweils zum 1.IV. des Jahres Bericht zu erstatten. Berlin, den 12. VII. 41 Wien, den 5. VII. 1941 E[.] Stengel H. Zatschek Nr. 10 5. März 1942, [Prag] Hans Joachim Beyer unterrichtet Heinz Zatschek über bestimmte Ereignisse und bittet ihn um einen Kommentar zu einem Etatplan für die Philosophische Fakultät der Deutschen Universität in Prag. AAVČR, Of HeZ K. 4 Nr. 69. Brief auf Briefpapier des Hotels Astoria (Prag) von der Hand Beyers. 5. III. 42 Sehr verehrter Herr Kollege, ich beeile mich, Ihnen vertraulich von einigen Vorgängen Kenntnis zu geben und bitte Sie, sich darüber Gedanken zu machen, sodaß ich Sie am Sonnabend, spätestens am Sonntag anrufen kann. Sie wissen, daß Prof. [Alfred] Buntru zur Zeit in Berlin ist, um kommissarisch den bekannten Auftrag zu übernehmen. Ich habe inzwischen hier veranlaßt, daß der Etat nicht abgeschlossen wird, damit schon für das beginnende Etatjahr möglichst viel erreicht wird. Am Freitag bin ich beim Staatssekretär [Karl Hermann Frank], nächste Woche kommt der O’Gruf. [Reinhard Heydrich] zurück. Anfang kommender Woche dürften die Veränderungen im Akademischen Senat [der Universität Prag] vor sich gehen, ich habe vorgeschlagen, sich zunächst mit der Ablösung von Be [Gustav Becking] (kommissarisch durch seinen bisherigen Vertreter H. [Erich Hofmann]) und des Pro-R. H [Herwig Hamperl] (durch [Viktor] Denk?) zu begnügen. Zum S..S. [sic! = Sommersemester?] müssen dann weitgehendst endgültige Verhältnisse geschaffen werden. Vor mir liegt nun der Etat. Ich teile Ihnen folgend Positionen mit der Bitte mit, mir doch bei meinem Anruf ganz knapp ja / nein zu sagen. Es wird nicht möglich sein, den Etat weiter hinauszuschieben, auf jeden Fall muß er zunächst bearbeitet werden. Anläßlich der Besprechung um den 18. III. herum wird noch Möglichkeit sein, im letzten Augenblick Ergänzungen vorzunehmen. Es ist bisher vorgeschlagen: Neue Ord. 1) byzantinische Philologie 2) Indolog. Philologie 3) Japanologie 4) Pol. Erziehungslehre. Umwandlung: Vgl. Sprachwissenschaft (a. o.) in Ord. Neue A. O.: 1) Balkanromanistik 2) Gesch. Südosteuropas 3) Kunde des vorderen Orients 4) Kunde des Alten Orients 5) Theaterwissenschaft. Ganz kurz dazu meine, im Einzelnen noch nicht erschöpfend überlegte Meinung (als Gesprächs-Ersatz): Die Vorschläge entsprechen mir sehr wenig den erörterten anderen Plänen. Ohne weiteres klar dürften gehen: Umwandlung vgl. Sprachwiss. ([Erich] Hofmann), da der Lehrstuhlinhaber ord. Professor ist. Ord. Byzant. Heinz Zatschek (1901–1965) 791 wird damit begründet, daß Prof. [Edmund] Weigand auf einem anderen Lehrstuhl sitzt, der wieder besetzt werden soll. Welcher Lehrstuhl ist das? An sich könnte man mit einem derartigen Ord. einverstanden sein. Fragwürdiger sind bereits die 4 „Asien-Lehrstühle“. Begründung meistens: Die Č. [Tschechen] hätten so etwas gehabt. Ich kann das als Argument nicht voll anerkennen. Auf jeden Fall halte ich für bedenklich die rein philologische oder archäologische Abhandlung. Wenn man Japankunde für notwendig hält, dann sollte sie ein Professor durchführen, der Staats-, Volks- u. Landeskunde des modernen Japan kennt. Daß ein č. [tschechisches] Keilschriftinstitut übernommen werden kann, rechtfertigt m. E. auch noch nicht ein neues A. O. für alten Orient, notfalls müßten die Bestände wandern. A. O. für neueren Orient ist als Ergänzung für indolog. Philologie, Balkanromanistik und Geschichte Südosteuropas gedacht; m. E. könnte man darüber reden, wenn an die Türkvölker, insbes. ihre nördlichen Stämme (Krimtataren usw.) gedacht wird. Meine Meinung geht dahin: Japankunde im obigen Sinne: ja, neuerer Orient (Turkologie): ja. Alter Orient: nein. Indologie: Nein. Das Ord. für pol. Erziehungslehre halte ich geradezu für bedenklich. Wie sollen „Pädagogik“ u. „pol. Erziehungslehre“ getrennt werden? In Berlin ist beides vertreten ([Eduard?] Spranger, [Alfred] Bäumler) ohne daß dadurch eine wesentliche Mehrfachung auf pädag. wiss. Gebiete erfolgt. M. E. genügt die Neubesetzung des pädag. Lehrstuhls mit einem ordentlichen Mann. Balkanromanistik: wäre nicht schlecht. Man müsste aber auch hier von der reinen Philologie fort. Etwa: Rumänische Sprach- und Volksforschung. Theaterwissenschaft: gehört diese Aufgabe nicht in den Bereich des Hochschulinstituts für Musik und darstellende Kunst? Gesch. Südosteuropas: Hier bin ich der Meinung, daß ein 2. Ord. für neuere Geschichte und unter bes. Berücksichtigung Südosteuropas zu schaffen wäre. Unter Berücksichtigung obiger Vorschläge würde mein Vorschlag, zu dem ich Ihre Äußerung erbitte, lauten: A. Umwandlungen 1. mittelalterl. Gesch. u. Hilfswissenschaften 2. vergl. Sprachwissenschaft. B. Neue Ord. 1) Japankunde 2) zweites Ordinariat für neuere Gesch. unter bes. Berücksichtigung SOE [Südosteuropas] 3) Byzantinistik 4) Volkslehre u. europäische Völkerkunde (Verlegung des Lehrstuhls Beyer – Posen nach Prag). C. Extraordinariate: 1) Sprachl. Volksforschung ([Herbert] Weinelt) 2) Turkologie (neuerer Orient) 3) Sprach- u. Völkerpsychologie 4) Rassenkunde Südosteuropas 5) Mährische Geschichte 6) Balkanromanistik (im volkswissensch. u. philol. Sinne). Dazu eine Honorarprofessur für Mittellatein ([Anton] Blaschka) 7) Wirtschaftsgeschichte Südosteuropas ([Erich?] Dittrich – Leipzig?) 8) Ukraine-Kunde. Heil Hitler! Ihr sehr ergebener Beyer Nr. 11 25. November 1944, Milovice Oberfähnrich Heinz Waack gibt eine Stellungnahme zu Heinz Zatscheks Vortrag „Die Judenfrage“. AAVČR, Of HeZ K. 17 Nr. 813. Handschriftlicher Privatbrief von drei Seiten. Waack Milowitz, d. 25.11.44 Ofnr. 12. Insp., 4. Abt. Stellungnahme zum Vortrag „Die Judenfrage“ von Professor Dr. Katschek [sic!]. Die Sprechweise des Vortragenden hätte im allgemeinen bei der Größe des Raumes noch etwas eindringender sein können, da man auf den hinteren Sitzreihen am Anfang des Vortrages äußerst aufmerksam sein mußte, um alles zu verstehen. Dies war zum Teil auch durch den ostmärkischen Dialekt bedingt. Das Thema war in straffer Logik entwickelt und wurde in einer inhaltreichen Form gebracht. Der Vortragende gab uns zu Beginn seiner Ausführungen einen Überblick über die Entstehung des Weltjudentums. Interessant war, dass auch die Juden ursprünglich ein Bauernvolk waren, genau wie die anderen Völker. Erst später durch die Verschleppung von Palästina nach Mesopotanien [sic!] und der Ausbreitung von da aus um das Mittelmeer, entstand ein Rassengemisch. Doch auch nach seiner 792 Karel Hruza weiteren Zerstreuung über die ganze Welt, hat das Judentum sich stets als Blutsgemeinschaft gefühlt und war entschlossen, in der ganzen Welt seine Rasse aufrechtzuerhalten. Die Geschichte des jüdischen Einflusses in Deutschland beginnt erst mit dem 19. Jahrhundert. Bis dahin hat das deutsche Volk die Juden als Fremde behandelt, sie wohnten daher in geschlossenen Gettos. Eine Blutsmischung war bis dahin aus dem natürlichen Rasseempfinden heraus so gut wie ganz unterblieben. Erst mit dem Einbruch der Französischen Revolution wurde es anders. Ihre geistigen Erben, am Anfang der Liberalismus und später auch der Marxismus, machten sich die Lehre von der „Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt“ zu eigen und traten für die völlige Gleichberechtigung der Juden ein. Seit diesem Zeitpunkt macht sich dann die Rassenmischung immer stärker bemerkbar. Wie überall voll Eigensucht und Genußgier, besonders da, wo er es mit einem Nichtjuden zu tun hat, ist der Jude auf geschlechtlichem Gebiete ohne sittliche Hemmungen. Es ist klar bewiesen, daß das jüdische Blut immer wieder zum Vorschein kommt. Je vermischter die Rassen sind, desto besser verbirgt sich der Jude. Er wünscht deshalb die Rassenmischung, die Undurchsichtigkeit, die Tarnung. Der Vortragende stellte dann ganz klar heraus, wie der Jude es geschickt verstanden hat nach und nach das ganze Wirtschaftsleben an sich zu reißen und mit welchen Mitteln. Doch auch auf kulturellem Gebiet drängte sich der artfremde Jude in den ureigensten, den seelischen Bereich unseres Volkes ein, er wollte den geistigen Besitz der Deutschen verwalten. Dies alles genügte dem Juden noch nicht. Um seine Weltherrschaftspläne 100%tig [sic!] zu verwirklichen, mußte er auch die politische Macht gewinnen. Unser Führer erkannte diese große Gefahr und hat diese Pläne endgültig zunichte gemacht. Ich bin mit den Ausführungen des Vortragenden durchaus einverstanden, sie waren so klar, daß sich jede Kritik erübrigt. Wir haben gesehen, wie ungeheuer wichtig die Rassenfrage für unser Volk ist. Der Zweck des Vortrags wurde in vollem Umfange erreicht. Die Ausführungen haben jedem Zuhörer sehr viel gegeben. Heinz Waack Oberfähnrich