Karel Hruza (Hg.) Österreichische Historiker 1900–1945

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Karel Hruza (Hg.)
Österreichische Historiker 1900–1945
Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in
wissenschaftsgeschichtlichen Porträts
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar
2008
ISBN 978-3-205-77813-4
Abkürzungsverzeichnis
AAVČR
Archiv Akademie věd České republiky [Archiv der Akademie der
Wissenschaften der Tschechischen Republik] (Praha)
ABBAW
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
(Berlin)
Abh.
Abhandlungen
Abh. (und Ortsname) Abhandlungen der jeweiligen Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische oder entsprechende Klasse
AKG
Archiv für Kulturgeschichte
AMVČR
Archiv ministerstva vnitra České republiky [Archiv des
Innenministeriums der Tschechischen Republik] (Praha)
AÖG
Archiv für österreichische Geschichte
BAB
Bundesarchiv Berlin
R
Abt. Deutsches Reich
BDC
Berlin Document Center
BAK
Bundesarchiv Koblenz
bes.
besonders
BG
Bezirksgericht
BMF
Bundesministerium für Finanzen (Wien)
BMI
Bundesministerium für Inneres (Wien)
BMU
Bundesministerium für Unterricht (Wien)
DA
Deutsches Archiv für Erforschung (1937–1944: Geschichte) des
Mittelalters
DALV
Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung
DHI
Deutsches Historisches Institut
DÖW
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Wien)
DU
Deutsche Universität (1939–1945: Deutsche Karls-Universität) Prag
ERR
Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
FS
Festschrift
FRA
Fontes Rerum Austriacarum
GG
Geschichte und Gesellschaft
HHStA
Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien), siehe ÖSTA
HJb
Historisches Jahrbuch
HZ
Historische Zeitschrift
IÖG
Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1923–1942:
Österreichisches Institut für Geschichtsforschung; 1942–1945: Institut
für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien) (Wien)
Jb.
Jahrbuch
JbLKNÖ
Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich
K.
Karton
Kap.
Kapitel
MGH
Monumenta Germaniae Historica (1935–1945: Reichsinstitut für ältere
deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae Historica])
MIÖG
Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
(1923–1942: MÖIG = Mitteilungen des österreichischen Instituts für
Geschichtsforschung; 1944: Mitteilungen des Instituts für
Geschichtsforschung und Archivwissenschaft)
MÖIG
siehe MIÖG
MOÖLA
Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs
MÖSTA
Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs
MVGDB
NA
ND
NDB
NF
NL
NÖB
NOFG
OEFG
OÖLA
ÖAW
IMF
ÖBL
ÖNB
ÖStA
AdR
AVA
HHStA
KA
NPA
ÖZG
PA
REM
RMI
RM
S
SB (und Ortsname)
SD
SODFG
StLA
SÚA
TLA
UAB
UAG
UAI
UAP
UAW
UB
Veröff.
Veröff. MPIG
VFG
VKGÖ
VuF
VSWG
Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen
Národní archiv (ehemals SÚA) Praha,
oder: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche
Geschichtskunde
Neudruck
Neue Deutsche Biographie
Neue Folge
Nachlass
Neue Österreichische Biographie
Nordostdeutsche Forschungsgemeinschaft
Osteuropäische Forschungsgemeinschaft
Oberösterreichisches Landesarchiv (Linz)
Österreichische Akademie der Wissenschaften (Wien) (1847–1921:
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften; 1921–1946: Akademie der
Wissenschaften in Wien)
Institut für Mittelalterforschung
Österreichisches Biographisches Lexikon
Österreichische Nationalbibliothek (Wien)
Österreichisches Staatsarchiv (Wien)
Archiv der Republik
Allgemeines Verwaltungsarchiv
Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Kriegsarchiv
Neues politisches Archiv
Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften
Personalakt(e)
Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
(Berlin)
Reichsministerium des Innern
Reichsmark
Schilling
Sitzungsberichte der jeweiligen Akademie der Wissenschaften,
philosophisch-historische oder entsprechende Klasse,
oder: Sonderbestände
Sicherheitsdienst der SS
Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft
Steiermärkisches Landesarchiv (Graz)
Státní ústřední archiv (Praha) (siehe NA)
Tiroler Landesarchiv (Innsbruck)
Humboldt-Universität zu Berlin, Archiv
Karl-Franzens-Universität Graz, Archiv
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Archiv
Karlsuniversität Prag, Archiv
Universität Wien, Archiv
Universitätsbibliothek
Veröffentlichungen
Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte
Volksdeutsche Forschungsgemeinschaft
Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs
Vorträge und Forschungen
Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
WFG
WStLA
ZBLG
ZfO
ZGORh
ZGS
ZHF
ZHVSt
ZRG
GA
KA
Zs.
ZSG
Westdeutsche Forschungsgemeinschaft
Wiener Stadt- und Landesarchiv
Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung
Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins
Zeitschrift für Geschichte der Sudetenländer
Zeitschrift für Historische Forschung
Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte
Germanistische Abteilung
Kanonistische Abteilung
Zeitschrift
Zeitschrift für sudetendeutsche Geschichte
Abbildungsnachweis
Johann Loserth Abb. 1: ÖAW, Archiv
Emil von Ottenthal Abb. 2, 4: UAI; Abb. 3 Privatsammlung Horst Schober
Anton Mell Abb. 5, 6: StLA
Raimund F. Kaindl Abb. 7: Die Geschichtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Sigfried
Steinberg (Leipzig 1925)
Alfons Dopsch Abb. 8: Die Geschichtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Sigfried
Steinberg (Leipzig 1925)
Harold Steinacker Abb. 9: Deutschtum im Ausland 21 (Juli 1938); Abb. 10, 11: UAI
Hans Pirchegger Abb. 12, 13: UAG
Wilhelm Bauer Abb. 14: ÖAW, Archiv
Ludwig Bittner Abb. 15, 16: ÖStA
Hans Hirsch Abb. 17, 18, 19, 21: Privatbesitz; Abb. 20: AAVČR
Otto Stolz Abb. 22: TLA
Mathilde Uhlirz Abb. 23: UAG; Abb. 24: Österreichische Geschichtswissenschaft der
Gegenwart in Selbstdarstellungen 2, hg. v. Nikolaus Grass (Innsbruck 1951)
Theodor Mayer Abb. 25, 27: ZGS 7 (1944); Abb. 26: ÖAW, Archiv
Richard Heuberger Abb. 28: Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in
Selbstdarstellungen 1, hg. v. Nikolaus Grass (Innsbruck 1950); Abb. 29, 30: UAI
Paul Heigl Abb. 31: Privatbesitz; Abb. 32: ÖNB, Bildarchiv
Leo Santifaller Abb. 33: Teresa Kulak, Mieczysław Pater, Wojciech Wrzesiński, Historia
Uniwersytetu Wrocławskiego 1702–2002 (Wrocław 2002); Abb. 34: UAI; Abb. 35:
Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen 2, hg. v.
Nikolaus Grass (Innsbruck 1951)
Eduard Winter Abb. 36, 37: NA; Abb. 38: Privatsammlung
Heinz Zatschek Abb. 39, 40, 42, 43: AAVČR; Abb. 41: ÖAW, Archiv; Abb. 44: Dějiny
univerzity Karlovy 4 1918–1990, hg. v. Jan Havránek, Zdeněk Pousta (Praha 1998) Abb. 150
Heinz Zatschek (1901–1965)
„Radikales Ordnungsdenken“ und „gründliche,
zielgesteuerte Forschungsarbeit“
von Karel Hruza
Helmut Maurer zum 3. Mai 2006
Abb. 39: Heinz Zatschek zu Beginn der 1930er Jahre
I. „Aus dem Reich der Hatschek kam Volksgenosse Zatschek“
Am vierten Adventssonntag 1962, einen Tag vor Heiligabend, kam für Heinz Zatschek
jener Moment, vor dem sich ehemalige Nationalsozialisten insgeheim fürchten: Die
öffentliche Anklage. Die österreichische kommunistische „Volksstimme“ publizierte
den von „Dr. F. L.“ verfassten Artikel „Das Heeresgeschichtliche Museum und sein
‚Führer‛.“ F. L. wusste Interessantes zu berichten und war anscheinend bestens informiert, da er sein Wissen aus eigenem Erleben und aus von ihm in Prag angeforderten
Dokumenten schöpfte. Und er befand sich in der Laune, die eine oder andere Polemik
Volksstimme. Zentralorgan der Kommunistischen Partei Österreichs. Ausgabe für Niederösterreich
Nr. 296, 23.12.1962, S. 3. Ein Zeitungsausschnitt (ohne Namen der Zeitung) befindet sich im ÖStA,
KA, B 1200:0 NL Heinz Zatschek.
Der Artikel korrespondiert in wesentlichen Aussagen mit einer im AMVČR verwahrten Akte über
Zatschek (10-P-75), die nach einer Anfrage österreichischer antifaschistischer Widerstandskämpfer
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Karel Hruza
einfließen zu lassen und schrieb: Bei einem Besuch im Wiener Heeresgeschichtlichen
Museum habe er bei Lektüre des Museumsführers von 1960 den Namen des Direktors
erfahren: Heinz Zatschek. „Da las ich ‚Der Wunsch nach einem Führer wird immer
lauter […]‛ Das hatte ich doch schon wo gehört? Der Stil kam mir bekannt vor. Ich
übersah, daß der Direktor 1960 nicht nach ‚Führer’, sondern nach einem Museumsführer verlangte. Doch kamen mir merkwürdige Assoziationen: Führer, Zatschek?
Es ist doch nicht möglich, daß derselbe Zatschek, den ich aus dem Jahre 1941 in so
schrecklicher Erinnerung habe […] Direktor des Heeresmuseums sein könnte.“ Zatschek sei 1941 als Professor für Geschichte an die Universität Wien gekommen und
habe die „nazistischen Auslassungen“ seiner Kollegen weit „in den Schatten“ gestellt:
Der Hauptfeind Deutschlands sei im Westen zu finden. „Besonders auf England hatte er
es scharf. Die traditionelle Feindschaft gegen England begann […] im 11. Jahrhundert.
Richard Löwenherz wurde von ihm zum Reichsfeind gestempelt, englische Könige
würden durch Geld von Juden gewählt. Die Hussitenkriege und die damit verbundene
‚Entrechtung des Deutschtums‛ wären Folgen der Schriften des englischen Reformators
Wycliffe.“ Ähnlich abwertend fuhr Zatschek chronologisch bis zum 2. Weltkrieg fort,
an dessen Ausbruch den Engländern die Schuld zukäme. Die Engländer wären „Diener
des Judentums geworden, einer Gedankenwelt, die ihr höchstes Ziel in der Zerstörung
jedes gesunden Volkstums erblickt“. Wer nicht glauben wolle, dass Zatschek sich so
geäußert hätte, der solle dessen Buch „England und das Reich“ lesen.
F. L. fuhr mit einer Passage fort, die heutigen wissenschaftsgeschichtlichen
Diskussionen entstammen könnte: „Natürlich wurde Zatscheks üble Völkerverhetzung
von vielen ernst genommen und stiftete geistiges Unheil. Manchmal, wenn ich von
den Greueltaten der SS lese, wundere ich mich, wie überhaupt Menschen zu derartigen Verbrechen fähig sind. Das geistige Rüstzeug zu diesen unmenschlichen Taten
wurde aber von ‚Professoren‛ wie Zatschek verbreitet.“ Eine weitere Passage offenbart eine „Identität“ Zatscheks: „Als Zatschek […] davon sprach, daß nach dem
Endsieg alle Slawen in den Ural und nach Sibirien ausgesiedelt würden, bemerkte ein
österreichischer Wissenschafter: ‚Aber was geschieht dann mit uns?‛ Zatschek war
erstaunt, worauf der andere auf seinen und Zatscheks slawischen Namen hinwies. Aber
Zatschek hatte wenig Sinn für Humor, und er war wütend, als er hörte, daß man in
Studentenkreisen davon sprach: ‚Aus dem Reich der Hatschek kam der Volksgenosse
Zatschek‛.“ Abschließend gab F. L. preis, was er aus Prag erfahren hatte: „In Wien
fühlte er sich nicht wohl. In Prag war er Leiter der NSDAP beim deutschen Amt für
Wissenschaften und Mitglied der NSDAP mit Nr. 7077889. Vorher war er […] Mitglied
der Sudetendeutschen Partei Henleins. Adolf Hitler verlieh ihm am 12. September
vom 15.05.1962 zusammengestellt wurde, nachdem diese erfahren hatten, dass Zatschek angeblich
wieder zum Ordinarius in Wien ernannt werden sollte. – Die Identität des Autors dieses Artikels
konnte trotz intensiver Recherchen nicht in Erfahrung gebracht werden. Der Zeitpunkt seines
Studiums, sein Artikel und die Anfrage in Prag weisen auf einen zu Beginn der 1920er Jahre geborenen Österreicher hin, der dem Widerstand gegen das NS-Regime angehört und vermutlich der KPÖ
nahegestanden haben dürfte.
An den studentischen Spottvers über Zatschek erinnerte sich die damalige Wiener Studentin Frau Dr.
Maria Bechina noch 2007, siehe Anm. 8.
Heinz Zatschek (1901–1965)
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1941 und am 1. September 1944 persönlich [!] Auszeichnungen. Eine davon war das
‚Kriegsverdienstkreuz II. Klasse‛, obwohl er nie an der Front war. Dafür hat er im
Hinterland fleißig den Prager Dienststellen des Sicherheitsdienstes […] Nachrichten
mit Denunziationen katholischer Kreise übermittelt.“ Am Schluss blieb dem verblüfften F. L. nur zu konstatieren: „Bekanntlich ist dieses Museum dem Ministerium für
Landesverteidigung unterstellt, und es erhebt sich die Frage, wer eigentlich Zatschek
auf seinen Posten befördert hat. Im Professorenkollegium der Wiener Universität
hält man vom Ansehen der österreichischen Wissenschaft mehr, denn dort wurde der
Versuch Zatscheks, wieder eine Lehrtätigkeit zu erhalten, abgelehnt.“ Soweit F. L.,
der vorläufig anonym bleiben muss.
Der Artikel wurde Zatschek von einem mit ihm befreundeten Mitglied des österreichischen Nationalrats zugesandt, und vermutlich zog Zatschek, auch bedingt durch
seine Arbeitsbelastung, seine sich verschlechternde Gesundheit und seinen andauernden Unmut über die Universität Wien, eine Konsequenz aus dessen Kenntnis: 1963
legte er seine Lehrtätigkeit an der Wiener Alma mater nieder, die ihm seit 1955 wieder
gewährt worden war. Vermutlich entschied er sich auch deshalb zu diesem Schritt,
um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen. Einen öffentlichen Skandal heraufzubeschwören und auszukosten, wie es später Zatscheks Kollege aus gemeinsamen
Prager Zeiten, der Historiker Taras Borodajkewycz, tat, lag Zatschek völlig fern.
II Zatschek: Ein tschechischer Name, deutsch geschrieben
Zur Person Heinz Zatscheks liegt lediglich ein kurzer Aufsatz in tschechischer Sprache vor, der durch Lexikonartikel und Nachrufe ergänzt werden kann. Wichtige
In diesem Punkt irrte sich der Autor F. L.
Vgl. Einer im Vordergrund: Taras Borodajkewycz. Eine Dokumentation, hg. v. Heinz Fischer (Wien/
Frankfurt/M. 1966); Gerard Kasemir, Spätes Ende für „wissenschaftlich“ vorgetragenen Rassismus.
Die Borodajkewycz-Affäre 1965, in: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling
bis Waldheim, hg. v. Michael Gehler, Hubert Sickinger (Thaur 1995) 486–501.
Eva Doležalová, Poznámky k dílu Heinze Zatschka [Anmerkungen zum Werk Heinz Zatscheks],
in: Německá medievistika v českých zemích do roku 1945 [Die deutsche Mediävistik in den böhmischen Ländern bis zum Jahr 1945], hg. v. Pavel Soukup, František Šmahel (Práce z dějin vědy
18, Praha 2004) 353–362, ohne Kontextualisierung von Werk und Person. Insgesamt inhaltsreicher
ist Annemarie Steidl, Heinz Zatschek – wissenschaftliche Biographie eines Wiener Historikers im
20. Jahrhundert (unpubliziertes Manuskript von 35 S., Wien 2000; der Autorin danke ich für eine
Kopie). Eine kurze kritische Einordnung bei František Kutnar, Jaroslav Marek, Přehledné dějiny
českého a slovenského dějepisectví. Od počátku národní kultury až do sklonku třicátích let 20. století [Geschichte der tschechischen und slowakischen Geschichtsschreibung im Überblick. Vom
Anfang der Nationalkultur bis zum Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts] (Praha 1997) 954f. zu
Zatschek und der ZSG, 962f. zu Zatschek und dessen Werken. Lexika: Robert Teichl, Österreicher
der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen (Wien 1951) 347; Wolfgang
Weber, Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft in Deutschland, Österreich und der
Schweiz. Die Lehrstuhlinhaber für Geschichte von den Anfängen des Faches bis 1970 (Frankfurt/
M. u. a. 1984) 678f.; Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien in 5 Bänden 5 (Wien 1997) 688;
Deutsche biographische Enzyklopädie 10, hg. v. Walther Killy (†), Rudolf Vierhaus (München
680
Karel Hruza
Einzelaspekte wurden zuletzt in neuen tschechischen Arbeiten zur Universität Prag
beigesteuert. Eine Auseinandersetzung mit Zatschek und seiner wissenschaftlichen
Arbeit muss daher in großem Maß systematisch auf unpubliziertes Aktenmaterial
und seine Nachlässe und Schriften zurückgreifen. Diese sind glücklicherweise in
1999) 622; Personenlexikon Österreich, hg. v. Ernst Bruckmüller (Wien 2001) 549; Ernst Klee,
Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 (Frankfurt/M. 2003) 691;
Fritz Fellner, Doris A. Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein
biographisch-bibliographisches Lexikon (VKGÖ 99, Wien 2006) 469; Karel Hruza, Heinz Zatschek,
in: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme
– Stiftungen, hg. v. Ingo Haar, Michael Fahlbusch, Matthias Berg (München 2008) 783–786;
Biogramme der Mitglieder der Historischen Kommission der Sudetenländer im Gründungsjahr
1954, bearb. v. K. Erik Franzen, Helena Peřinová, in: Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“
1918–1960. Zur Vorgeschichte und Gründung der Historischen Kommission der Sudetenländer, hg.
v. Stefan Albrecht, Jiří Malíř, Ralph Melville (Veröff. des Collegium Carolinum 114, München
2008) 219–276, hier 275f.; vgl. noch Erich Cermak, Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers
der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zwischen 1938 und 1945 (masch. phil. Diss.
Wien 1983) mit unkritischer Kurzbiografie Zatscheks 361–363. Nur wenige dieser Schriften sind
frei von Fehlern. Nachrufe: Johann Christoph Allmeyer-Beck, Univ.Prof. Dr. Heinz Zatschek †, in:
Mitteilungsblatt der Museen Österreichs 14 (1965) 64–67; ders., Univ.Prof. Dr. Heinz Zatschek †,
in: Österreichischer Soldatenkalender 1966 84f.; Max Kratochwill, Heinz Zatschek †, in: Wiener
Geschichtsblätter 20 (1965) 498–500; Friedrich Walter, Heinz Zatschek †, in: HZ 202 (1966) 263f.;
Otto Brunner, Heinz Zatschek †, in: MIÖG 74 (1966) 249–251; Die Presse 28.05.1965; Sudetenpost
08.06.1965; Sudetendeutsche Zeitung München 25.06.1965; Prager Nachrichten Jg. 16, 1965, Nr. 10.
Hier sind vor allem die unten zitierten Arbeiten von Alena Míšková und Pavel Kolář zu nennen.
Folgende Aktenbestände wurden eingesehen: AAVČR: Osobní fond (= Of) Jan Rypka; Of Wilhelm
Weizsäcker; Of Wilhelm Wostry; Of Heinz Zatschek (= HeZ); Of Hilde Zatschek (= HiZ).
AMVČR: 10-P-75; 52-1-363. BAB: R 31/708 HeZ; R 4901; (ehem. BDC) PK; REM; RFR; RKK;
WI. Heeresgeschichtliches Museum (= HGM) Wien: PA HeZ. IÖG, Archiv: Institutsakten 33.
Ausbildungskurs 1921–23; NL Hans Hirsch (= NL HH); NL Emil v. Ottenthal. Konstanz, Stadtarchiv
(= StadtA Konstanz), NL Theodor Mayer (= NL ThM). MGH München, Archiv: 338/20; 338/31;
338/51; 338/181; 338/191; A 69; A 241; B 704/II. NA Praha, Úřad říšského protektora – státní tajemník u říšského protektora (ÚŘP-ST) 109-4-1403; 109-12-22; Německé státní ministerstvo pro Čechy
a Moravu (= NSM) 110-4-529; 110-12-4; NSDAP na území Čech a Moravy 123-748-6. OÖLA: NL
Wilhelm Bauer (= NL WB). ÖAW Archiv: NL Wilhelm Bauer (= NL WB). ÖAW IMF Regesta
Imperii: Akten. ÖNB, Archiv: 1093. ÖStA: AdR 6124A; 02/PA 3090/47; 03/BMU PA 264 Otto
Brunner; PA 281 HeZ; KA B 1200 NL HeZ; B 1251 NL Taras Borodajkewycz; UAP: DU, Rektorat;
Phil. Fak. Inv.-Nr. 541 Sign. PI/14 PA HeZ; Inv.-Nr. 827, 833, 891, 897. UAW: Rektoratsakten Nr.
1310, 1937/38 Akad. Senat Evidenzhaltung der aus der Tschechoslowakei geflüchteten deutschen
Hochschullehrer; Phil. Fak. PA HeZ (unvollständig und der wichtigsten Dokumente beraubt!); Phil.
Fak. PA Heinrich Fichtenau; Dissertationen; Dekanatsakten der Phil. Fak.; Sitzungsprotokolle des
Professorenkollegiums der Phil. Fak. 1925/26–1928/29. WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung;
Melderegister; NL HeZ A1. Herangezogen wurden auch die relevanten Bände von: Lehmann’s
Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k.k. Reichs-Hauptund Residenzstadt Wien 1894ff. (Wien 1894ff.). Für ihre Hilfe bin ich gerne zu Dank verpflichtet allen Archivaren der von mir aufgesuchten Archive, namentlich Ivana Čornejová (UAP), Paul Herold
(IÖG), Hana Keller (ÖStA), Michaela Laichmann (WStLA), Jana Ratajová (UAP), Arno MentzelReuters (MGH), Johannes Seidl (UAW), Stefan Sienell (ÖAW), Alena Míšková, Martina Šumová
(AAVČR), Vojtěch Šustek (Archiv hl. m. Prahy), sowie den Freunden und Diskussionspartnern Petr
Elbel, Barbara Haider-Wilson, Christina Köstner, Anne-Katrin Kunde, Andreas Zajic und vor allem Jiří Němec. Einen besonders herzlichen Dank möchte ich jedoch Frau Dr. Maria Habacher,
Absolventin des 42. Kurses am IÖG 1939–1941 und dortige Assistentin 1941–1944, ausdrücken,
Heinz Zatschek (1901–1965)
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überraschend großer Anzahl in Bibliotheken und Archiven Österreichs, Deutschlands
und der Tschechischen Republik vorhanden, so dass sie im Rahmen dieser begrenzten
Studie nicht in extenso ausgelegt werden können. Dessen ungeachtet erlauben sie es,
ein verhältnismäßig schlüssiges Bild des Mediävisten Zatschek vorzustellen und dabei sein wissenschaftliches und politisches Wirken einer Würdigung und einer Kritik
zu unterziehen. Im Folgenden wird ein „familiärer“ Lebenslauf Zatscheks geboten
und die wissenschaftliche Laufbahn gesondert im dritten Abschnitt behandelt. Der
vierte Abschnitt ist dem wissenschaftlichen Werk gewidmet, während im fünften die
politischen Ansichten und Tätigkeiten Zatschek beleuchtet werden. In allen diesen
Abschnitten wird auch Zatscheks Zeit nach 1945 einbezogen, freilich in geringerem
Maß als die vorangehenden Jahrzehnte. Dem sechsten Abschnitt (Resümee) folgt ein
Anhang mit der Edition bisher nicht ausgewerteter Dokumente.
Heinz (Heinrich) Eugen Arthur Zatschek wurde am 27. Juni 1901 in Wien geboren.
Sowohl die väterliche als auch die mütterliche Seite seines Vaters Arthur Zatschek
waren teilweise oder überwiegend tschechischen Ursprungs, ein Tatbestand, über
den Heinz Zatschek spätestens seit 1938 bestens Bescheid wusste. Sein Großvater
Johann Zatschek war 1895 mit seiner Familie aus der Grenzstadt Ungarisch Hradisch
(Uherské Hradiště) in die Metropole an der Donau gezogen. Von 1895 bis zu seiner Pensionierung 1905 amtierte er hier als Hofrat des k.k. obersten Gerichts- und
Kassationshofes10. Hochbetagt starb er im Januar 1920. Auch Heinz Zatscheks eigener
Vater Arthur gelangte als Marinekommissär der Reserve und als niederösterreichischer
Landesrechnungsrat zu beruflichem Ansehen. Arthur heiratete die am 14. Juli 1878
in Stockerau geborene Flora Hiller, deren Vater Eugen als Rechtsanwalt an ihrem
Geburtsort tätig war. Die Familie wohnte ab 1906 in einer Wohnung einer Mietvilla
im 13. Wiener Gemeindebezirk, Leopold-Müller-Gasse 2/4 (heute Stoesslgasse).
Heinz Zatschek besuchte 1907–1911 die Volks- und Mittelschule im 1. und im
13. Wiener Bezirk und danach das dortige „K.K. Staats-Gymnasium“, wo er im Juli
1919 die Reifeprüfung mit Auszeichnung ablegte. Einen wesentlichen und prägenden Abschnitt seiner Jugend und seiner Schulzeit hat Zatschek während des Ersten
Weltkrieges erlebt: Er wurde in gewisser Weise zu einem Angehörigen der „Kriegs­
jugendgeneration“, durchlebte jedoch einen anderen Karriereverlauf als die meisten
die mir im August und Oktober 2006 über ihre Begegnungen mit Heinz Zatschek berichtet hat, ebenso
danke ich Frau Dr. Maria Bechina, Absolventin des 43. Kurses am IÖG 1943–1945, die mir im Juni
2007 in einem Telefongepräch ihre Eindrücke über Heinz Zatschek mitgeteilt hat, und Herrn Dr. Peter
Brouček, der 1961 bei Heinz Zatschek promoviert wurde und mir im Mai 2007 darüber erzählt hat.
Der in Prag lebende Heinz Zatschek ließ für die Ausstellung eines Ahnenpasses seit dem Frühjahr
1938 (!) nach seinen und seiner Frau Vorfahren und deren Nationalität suchen; dabei half ihm auch
sein in Brünn (Brno) lebender Cousin Hans, der die gemeinsamen mährischen Vorfahren erkundete,
siehe den Brief Hans Zatscheks vom 29.06.1938 an Heinz. AAVČR, Of HeZ, Nr. 47, und ebd. Nr.
2: Zatscheks NS-Ahnenpass von 1940 (?) und zugehörige Dokumente. Obwohl frühere („tschechische“) Familienmitglieder zu eruieren waren, gab Zatschek im Pass seine Vorfahren väterlicherseits
nur bis zum Urgroßvater an, vermutlich um den tschechischen Familienanteil zu verschweigen.
10 Siehe Niederösterreichischer Amts-Kalender für das Jahr 1895, 30. Jg. (Wien 1895) 125, und zuletzt
ebd. 1905, 45. Jg. (Wien 1905) 142.
682
Karel Hruza
seiner Historikerkollegen derselben Generation11. Damals entwickelte er, angeregt
vom kriegsbejahenden „Zeitgeist“ und wohl auch durch den Beruf des Vaters, einen
Hang zum Militärischen, der in seinen Arbeiten und in seinem zuletzt ausgeübten Beruf
deutlich zum Vorschein treten sollte. Die Niederlage der Mittelmächte und der Zerfall
des österreichischen Kaiserreiches evozierten im damaligen deutschösterreichischen
soziokulturellen Milieu der Wiener Oberschicht eine verstärkte Hinwendung zum
Deutschnationalismus, der sich mit dem „üblichen“, in Wien jedoch besonders ausgeprägten Antisemitismus paarte12. Der junge Zatschek wurde bei dieser Ausrichtung
zu keiner Ausnahme. Zu vermerken ist ebenso, dass er als getaufter Katholik zu seiner Religion keine tiefere innere Verbindung entwickelt hat. Später hat ihn Hans
Hirsch als einen nicht gläubigen Menschen charakterisiert13. Dank der wohl gehobenen
Verhältnisse, in denen die Familie Zatschek leben konnte, dürfte der Krieg den jungen
Heinz materiell weniger getroffen haben als den Großteil der Wiener Bevölkerung.
Vom WS 1919/20 bis zum SS 1923 absolvierte er ein Studium der Geschichte,
Kunstgeschichte und Geografie an der Universität Wien. Das Interesse an diesen
Fächern dürfte ihm sein Großvater mütterlicherseits vermittelt haben, der eine umfängliche Bibliothek mit vielen Geschichtswerken sein Eigen nannte. Der ehrgeizige
Student wurde Ende 1923 zum Dr. phil. promoviert und beendete im selben Jahr
auch den 33. Ausbildungskurs des Wiener IÖG14. Die Bereitschaft für den Kurs und
die damit genommene Hinwendung zum Mittelalter dürften wiederum von einem
Verwandten mütterlicherseits beeinflusst worden sein, nämlich von seinem Onkel
und außerordentlichen IÖG-Mitglied und Realschul-, später Gymnasiallehrer Albert
Hiller15.
Schon 1921 war bei Zatschek Diabetes mellitus diagnostiziert worden – eine
Krankheit, an der er wohl schon seit der Geburt litt und die er seit 1924 mit injiziertem Insulin und Diätkost bekämpfte. Die Krankheit hat Zatschek später zwar einen
11 Siehe dazu Abschnitt VI.
12 Die österreichischen Wurzeln des Nationalsozialismus analysiert Michael Wladika, Hitlers
Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k.u.k. Monarchie (Wien/Köln/
Weimar 2005), die politische, aber auch soziale und kulturelle Situation in Wien vom Ausgang
des 19. Jahrhunderts bis 1913/14 beschreibt etwa Brigitte Hamann, Hitlers Wien. Lehrjahre eines
Diktators (München 1998), hier Kap. 7–10.
13 IÖG, Archiv, NL HH, Brief vom 31.03.1938 an Edmund E. Stengel: Auf Deine Anfrage teile ich Dir
sogleich mit, dass Zatschek und [Karl] Pivec katholisch sind, was in beiden Fällen soviel heisst, dass
sie einen katholischen Taufschein besitzen, Praktizierende Katholiken, wie Ihr das nennt, sind sie
beide bestimmt nicht. Zu Hirsch siehe den Beitrag in diesem Band und mit apologetischem Unterton
die Ausführungen bei Manfred Stoy, Das Österreichische Institut für Geschichtsforschung 1929–
1945 (MIÖG Erg.-Bd. 50, Wien/München 2007). Diese Arbeit konnte für vorliegenden Beitrag nicht
mehr vollständig rezipiert werden.
14 Siehe ausführlich Abschnitt III.
15 Zu ihm Leo Santifaller, Das Institut für österreichische Geschichtsforschung. Festgabe zur Feier
des zweihundertjährigen Bestandes des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Veröff. des IÖG 11,
Wien 1950) 133; Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung
1854–1954 (MIÖG Erg.-Bd. 17, Graz/Köln 1954) 353 und 357. Hiller nahm am 28. Kurs 1909–
1911 teil, seine Kurskollegen waren u. a. Paul Heigl, Richard Heuberger, Oswald Menghin und Otto
Stowasser. Zu den ersten beiden vgl. die Beiträge in diesem Band.
Heinz Zatschek (1901–1965)
683
Militärdienst erspart, ihn aber sein Leben lang belastet16, ihn zu Kuren und mehrmals
zu längeren Krankenhausaufenthalten gezwungen und vermutlich auch zu seinem
verhältnismäßig frühen Tod beigetragen. Zatschek hat es zudem strikt verweigert,
sich zu schonen und bürdete sich stets erhebliche Strapazen auf, vielleicht auch, um
seine Diabeteserkrankung zu verdrängen.
Beruflich ging es für den jungen strebsamen Historiker trotzdem voran17: Im
Dezember 1923 trat er als Volontär in die Universitätsbibliothek Wien ein und arbeitete
seit 1924 zusätzlich am IÖG an einer Urkundenedition der MGH. Der Beginn bei den
MGH war zunächst von einem längeren, sicher auch durch sein vorangegangenes riesiges Arbeitspensum bedingten Krankenhausaufenthalt gebremst, der Zatschek sehr peinlich zu sein schien: Wegen seiner Diabetes hatte er – wie Vorgänge 1931 noch zeigen
sollten – auch berechtigterweise Angst um seine berufliche Karriere18. Bei den MGH
kam er in Kontakt zum damals in Prag lehrenden Hans Hirsch, der für Zatscheks weitere berufliche Laufbahn von entscheidender Bedeutung werden sollte19. Mit Ehrgeiz
stürzte sich Zatschek in die Arbeit und gewann schnell Anerkennung. 1926 publizierte
er seinen ersten mediävistischen Aufsatz und konnte einen ersten großen Schritt seiner
universitären Karriere vollziehen: Hirsch ebnete dem gerade 25-jährigen Zatschek den
Weg zu einem Lehrauftrag in Prag. Mit großem Fleiß und Verantwortungsbewusstsein
ging dieser seine Lehrtätigkeit an. Damals dürfte er kaum geahnt haben, dass er fast 20
Jahre in der Stadt leben, lehren und eine breite Forschungstätigkeit entfalten würde, die
ihm zuletzt fast die Würde eines Prorektors einbringen sollte. Im Sommer 1927 kehrte
Zatschek zunächst aber wieder aus Prag nach Wien zurück und setzte seine Tätigkeit
an der dortigen Universität und im IÖG fort. Schnell erklomm er weitere Sprossen
16 1934 beanspruchten allein die Insulin-Kosten mehr als 10% seines Gehalts, siehe den Brief Hilde
Zatscheks vom 27.10.1934. AAVČR, Of HiZ, Nr. 18.
17 Siehe ausführlich Abschnitt III.
18 Am 30.03.1924 schrieb Zatschek an Emil von Ottenthal: Hoch verehrter Herr Hofrat! Da seiner
Zeit Herr Hofrat die Liebenswürdigkeit hatten, sich nach meinem Befinden zu erkundigen, erlaube
ich mir, Herrn Hofrat von meinem Zustand zu benachrichtigen, möchte aber gleichzeitig bitten, von
dieser Mitteilung keinen Gebrauch zu machen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass ich zuckerkrank bin; um einen entsprechenden Heilungserfolg zu erzielen, ist es notwendig, dass ich noch einige Zeit im Spital bleibe, so dass ich vor 1. Mai kaum meinen Dienst werde antreten können. Da ich
bei Verlassen des Spitals ziemlich ausgeheilt sein werde, lege ich grössten Wert darauf, dass meine
Krankheit nicht bekannt wird. Es könnte doch bei der Anstellungsfrage dieses Moment unliebsam
in Erwägung gezogen werden, obwohl ich hoffe, trotz meines schlechten Gesundheitszustandes vor
meinem Eintritt ins Spital hinsichtlich meiner Arbeit zu keinerlei Klagen Ursache gegeben zu haben.
[…]. IÖG, Archiv, NL Emil von Ottenthal. Siehe auch Abschnitt III.
19 Einen wertvollen Fundus für vorliegende Arbeit und für die tschechisch-österreichisch-deutsche
Wissenschaftsgeschichte allgemein bildet die Korrespondenz zwischen Zatschek und Hirsch 1924–
1940, die besonders in den Jahren 1926–1932 intensiv geführt wurde und im IÖG, Archiv, NL
HH, und im AAVČR, Of HeZ, Nr. 188, verwahrt ist. Dabei ist der Wiener Bestand von ca. 100
Briefen Zatscheks an Hirsch unvollständig, da zumindest Zatschek 1941/42 aus ihm Briefe entnommen hat, siehe dazu Abschnitt III. Zatschek fungierte zeitweise fast als Privatsekretär Hirschs, bat
diesen oft um Rat und Unterstützung und Durchsicht seiner Beiträge und eröffnete diesem auch
private Angelegenheiten. Vor allem später bewahrte sich Hirsch, der Zatschek immer wieder zu
Besonnenheit und Ruhe aufrief, jedoch einen durchaus kritischen Abstand zu diesem.
684
Karel Hruza
auf der Karriereleiter: 1928 habilitierte er sich in Historischen Hilfswissenschaften
und wurde im Frühjahr 1929 als außerordentlicher Professor nach Prag berufen. Zu
diesem beruflichen Erfolg gesellte sich privates Glück, als Zatschek am 15. Juli 1929
in Wien Hilde(gard) (rk), geborene Wlček (oder Wlczek), heiratete20.
Abb. 40: Hilde und Heinz Zatschek um 1929
Hilde Wlček kam am 8. August 1902 in St. Pölten zur Welt, und wie ihr Gatte trug sie
einen tschechischen Namen. Sie besuchte 1908–1912 die Volksschule im 20. Wiener
Bezirk und 1913–1917 die „öffentliche Bürgerschule für Mädchen“ im 13. Bezirk21.
Danach übersiedelte ihre Familie im Frühjahr 1919 nach Brünn, wo Hilde noch im
selben Jahr eine Ausbildung an der „Zweijährigen Fortbildungsschule für Mädchen
des Frauenerwerb-Vereines“ begann. Zu ihren Fächern zählte auch die „čechische
Sprache“. 1921–1923 besuchte sie das „Deutsche Städtische Mädchen-Reformgymnasium“ in derselben Stadt, das sie wieder mit „vorzüglichem Erfolg“ beenden konn20 Am 07.06.1929 schrieb Zatschek aus Prag an Wilhelm Bauer u. a.: […] betrachte mich vielmehr als
Günstling des Schicksals und Liebling des Glückes […] die Verlobung aber ist vollzogen und steht
unter dem Sternbild des Hirsches, womit angedeutet ist, dass durch die von Prof. Hirsch inaugurierte Supplentur 1926 das Unheil angerichtet wurde und es ist der Fluch der bösen Tat usw. Ich habe
mich also tatsächlich mit einer Prager Studentin, heute schon längst würdige Frau Doktor, verlobt,
wir werden im Juli heiraten, eine Wohnung hier ist schon besorgt, eine möblierte vorläufig, da es ja
noch nicht feststeht, wie lange hier meines Bleibens ist. ÖAW Archiv, NL WB K. 8.
21 Hilde und ihre Eltern schrieben sich Wlček. Zatschek schrieb sie auf Postkarten als Wlczek an, diese
Schreibweise stand auch in der Heiratsanzeige von 1929 und später oftmals bzw. durchgehend in den
Dokumenten.
Heinz Zatschek (1901–1965)
685
te. Als Fremdsprachen lernte sie Französisch und Latein. Die junge Frau ging ihren
Weg zielstrebig weiter: Sie immatrikulierte sich zum WS 1923/24 an der Deutschen
Universität in Prag und gehörte zu den Frauen, die damals in die alte Männerdomäne
„Universität“ einbrachen22. Das ist umso mehr zu veranschlagen, als ihre Eltern nunmehr im mährischen Marktflecken Unter Themenau (Poštorná) in eher bescheidenen
Verhältnissen lebten: Der Vater Wilhelm Wlček arbeitete als Vorsteher der dortigen
Eisenbahnstation und hatte insgesamt sechs Kinder zu versorgen.
Hilde Wlček studierte Geschichte und besuchte Lehrveranstaltungen bei den
damals in Prag lehrenden, hoch angesehenen Professoren Hans Hirsch, Theodor
Mayer, Samuel Steinherz und Wilhelm Wostry. Auch bei den Germanisten August
Sauer sowie Erich Gierach und bei den Slawisten Franz Spina und Eugen Rippl belegte sie Lehrveranstaltungen und erbrachte an der Universität insgesamt sehr gute
Leistungen. Die wissenschaftliche und politische Stellung ihrer Professoren zeigt
insgesamt an, dass ihr eine deutschnationalzentrierte, auf Identitätsstiftung abzielende Geschichtsauffassung vermittelt wurde23. Ihr Fleiß und ihre Mühe, die vielleicht
noch aus dem Elternhaus mitgebrachten Tschechischkenntnisse zu perfektionieren,
beweisen, dass Hilde der tschechischen Kultur und dem tschechischen „Leben“ nicht
ablehnend gegenüberstand. Rippl attestierte ihr 1928 in einem Zeugnis, dass sie die
tschechische Sprache voll und ganz beherrscht. Hildes Berufsziel war Lehrerin an
einer Mittelschule (Gymnasium): Nach Ablegung der benötigten Prüfungen 1928
unterrichtete sie im südmährischen Mährisch Budwitz (Moravské Budějovice) am
tschechischen (!) Realgymnasium.
Hilde besuchte als 24-jährige Studentin im WS 1926/27 die DiplomatikLehrveranstaltung des 25-jährigen Dr. Zatschek und nahm im SS 1927 an seinem
Privatkolleg teil. Als Zatschek im Juli 1927 wieder nach Wien zurückkehrte, besuchten sie sich gegenseitig und standen in Briefkontakt. Im Studienjahr 1927/28
wurde Hilde bei Mayer an der Deutschen Universität zum Dr. phil. promoviert24.
Ihre Dissertation „Beiträge zur Geschichte der Hochgerichtsbarkeit in Böhmen und
22 Während der Studienzeit Hildes 1923–1928 wuchs der Anteil der ordentlichen Hörerinnen an der
Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität von ca. 25% auf ca. 50%, siehe: Dějiny univerzity Karlovy 4: 1918–1990 [Geschichte der Karlsuniversität 4: 1918–1990], hg. v. Jan Havránek,
Zdeněk Pousta (Praha 1998) 610f.
23 Zu Hirsch und Mayer siehe die Beiträge in diesem Band; des Weiteren siehe Daniel Kraft, Eugen
Rippl (1888–1945) Slawist, in: Prager Professoren 1938–1948. Zwischen Wissenschaft und Politik,
hg. v. Alena Míšková, Monika Glettler (Veröff. zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa 17,
Essen 2001) 323–349; Peter Arlt, Samuel Steinherz (1857–1942) Historiker. Ein Rektor zwischen
den Fronten, in: ebd. 71–101; dort auch zahlreiche Erwähnungen Spinas gemäß Register; Karel
Hruza, „Wissenschaftliches Rüstzeug für aktuelle politische Fragen.“ Kritische Anmerkungen zu
Werk und Wirken der Historiker Wilhelm Weizsäcker und Wilhelm Wostry, in: ZfO 54 (2005) 475–
526; ders., Wilhelm Wostry, in: Handbuch der völkischen Wissenschaften (wie Anm. 6) 772–776.
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem überzeugten Nationalsozialisten Gierach steht noch aus,
siehe jetzt Ingo Haar, Erich Gierach, in: ebd. 193–198.
24 Disertace pražské university 1882–1945 II. Německá universita [Die Dissertationen der Prager
Universität 1882–1945 II. Die Deutsche Universität], bearb. v. Milena Výborná (Praha 1965) 69.
Als Koreferent waltete Wostry.
686
Karel Hruza
Mähren bis zur Maiestas Carolina“ wurde von Hirsch, der das Thema beeinflusst hatte,
gegengelesen und sollte eine spätere Studie ihres Gatten anregen25. Zu einer eigenen
Forschungstätigkeit ist sie nach ihrer Heirat nicht mehr zurückgekehrt, dürfte aber
ihrem Gatten in etlichen Bereichen geholfen haben.
Als das Paar im Sommer 1929 heiratete, war Zatschek noch in Wien in seinem
Elternhaus ansässig, wohin sich auch Hilde, die ihren Beruf aufgab, polizeilich anmeldete26. Da Zatschek jedoch in Prag eine außerordentliche Professur erhalten hatte, siedelte das Paar in die ČSR und bezog im Oktober 1929 in Prag-Smíchov eine
Wohnung als Untermieter. Zatschek hoffte die nachfolgenden zwei Jahre hindurch, eine
Professur in Wien zu erhalten und blieb „auf dem Sprung“ dorthin. Dennoch nahm er im
Dezember 1930 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft an und scheint sich in der
ČSR wohl gefühlt zu haben: Irgendwie fühle ich mich in Prag daheim, hatte er bereits
1928 Hirsch eröffnet27. Im Winter 1930/31 und im Frühjahr erkrankte Zatschek in Prag
an einer Magenuntersäuerung, was dazu führte, dass sein Gesundheitszustand zu einem
Faktor innerhalb der Berufungsverhandlungen in Wien wurde. Nach dem Scheitern der
Wiener Pläne Mitte des Jahres schritten die Zatscheks zur eigenen Hausstandsgründung
in Prag und bezogen Ende Dezember 1931 eine Wohnung im Stadtteil Vinohrady in
der Budečská 21. Die Sesshaftwerdung hat sich günstig auf Zatscheks Gesundheit und
Stimmung ausgewirkt28. Des Weiteren trat mit seiner Ernennung zum ordentlichen
Professor im Juli 1934 eine finanzielle Besserung ein.
Das Ehepaar pflegte rege Kontakte zu seinen Angehörigen in Österreich und in
der ČSR. In den Briefen zwischen Heinz und Hilde herrschte ein zärtlicher respektvoller Tonfall, sie scheinen eine innige Ehe geführt zu haben, die allerdings kinderlos
blieb. Das gegenseitige Verständnis mag ihr gleiches Bildungsniveau und sicher das
Interesse beider an der Geschichtsforschung gefördert haben. Die Umzüge in Prag
lassen zugleich einen stetigen Aufstieg erkennen. 1936 siedelten die Zatscheks in
einen Neubau in der Apolinářská 14 [später 6] (445). Die Wohnung bot gegen Süden
25 Zatschek, Diplomatik (wie Anm. 27) VIII.
26 Wie arbeitsam, pflichtbewusst, sensibel und auch ängstlich Zatschek war, geht aus seinem Brief vom
11.05.1929 an Hirsch hervor: Ich hoffe, dass bei Herrn Professor keine Verstimmung Platz gegriffen
hat, weil ich von meiner Verlobung nicht früher sprach. Meine Braut musste zuerst Doktorat und
Lehramtsprüfung hinter sich haben, ehe die Sache weiteren Kreisen bekannt wurde. Geschenkt ist
ihr nichts worden. Dass das niemals wird behauptet werden können, ist mir ihretwegen recht. Sie
musste auch von ihren Kolleginnen und Kollegen einen gewissen Abstand gewinnen, ehe sie als meine Frau nach Prag zurückkehren kann. Vor allem aber wollte ich es zu etwas gebracht haben, ehe
ich von der Verlobung sprach, wollte mehr sein als ein Nichts und ein Niemand. Ich beabsichtige,
bald nach meiner Ernennung [zum a.o. Prof.] hier und in Wien meine Verlobung bekannt zu geben
und im Sommer zu einem Zeitpunkt zu heiraten, der sich nach meiner Reise [MGH-Archivreise nach
Deutschland] richten wird. Herr Professor wissen, dass ich wegen der technischen Schwierigkeiten,
die mit meinem Leiden verbunden sind, keine Geselligkeit suchen kann. Die Abende allein in den vier
Wänden, die Vor- und Nachmittage, auch Sonn- und Feiertage, im Seminar, das ist so trostlos, dass
ich nicht mehr allein nach Prag zurückkehren will. Bei allem Entgegenkommen, das ich hier bei den
Professoren finde, habe ich doch immer das Gefühl der Unterordnung, und solange das bleibt, bin
ich eben doch innerlich allein. Darunter leide ich ganz ausserordentlich. IÖG, Archiv, NL HH.
27 Schreiben vom 09.11.1928. IÖG, Archiv, NL HH.
28 Das berichtete Hirsch am 31.03.1932 an Gerhard Gesemann (Prag). IÖG, Archiv, NL HH.
Heinz Zatschek (1901–1965)
687
eine großartige Aussicht auf den Vyšehrad. Zu dieser Zeit vollzog Zatschek wie viele
Sudetendeutsche eine politische Radikalisierung. 1938 trat er der SdP bei und wurde
ein Jahr später in die NSDAP überführt. Während der „Sudetenkrise“ im September
1938 verließ er die ČSR und „flüchtete“ ins Deutsche Reich nach Wien29, wo er
als ein führender Parteigänger Hitlers auftrat, bis er schließlich im November nach
Prag zurückkehrte. Seine „große“ Zeit als Historiker und vor allem Administrator begann nach der militärischen Okkupation der ČSR und der Errichtung des Protektorats
Böhmen und Mähren im März 193930. Zatschek, der als Protektorats-Deutscher im
Oktober 1939 Staatsbürger des Deutschen Reiches wurde, engagierte sich bei der
„Gleichschaltung“ der Prager Deutschen Universität und bei der kommissarischen
Verwaltung tschechischer Bibliotheken und Institute der geschlossenen (tschechischen)
Karlsuniversität31. Seine Hoffnungen, dass an der „Reichsuniversität“ Prag ihm und
anderen sudetendeutschen Professoren erheblicher Freiraum zur Verwirklichung ihrer
Interessen eingeräumt würde, erfüllten sich jedoch nicht in erwünschtem Maß. Als sich
in Wien die Möglichkeit bot, Nachfolger seines 1940 verstorbenen Lehrers Hirsch zu
werden, kehrte er Prag den Rücken.
Die Unzufriedenheit mit den Prager Verhältnissen veranlasste auch den
Rechtshistoriker Wilhelm Weizsäcker, mit dem der 15 Jahre jüngere Zatschek spätestens seit den gemeinsamen Tagen, die beide als „Flüchtlinge“ 1938 in Wien verbrachten, freundschaftlich und ideologisch verbunden war, einer Berufung nach Wien
zu folgen32. Beide begannen im SS 1941 ihre Lehrveranstaltungen in Wien und waren wegen der Schnelligkeit der Berufungen verhältnismäßig unvorbereitet am neuen
Wirkungsort angekommen, wo sich die Wohnungssuche für Zatschek problematisch
gestalten sollte. Während Weizsäcker mit Hilfe des berüchtigten NS-Verbrechers Alois
Brunner im Sommer die Räumung der von ihm ausgesuchten und „arisierten“ Wohnung
erreichen konnte33, scheiterte Zatschek bei der Wohnungssuche. Als er am 19. Juli
29 Siehe Abschnitt V.
30 Siehe Abschnitte IV und V.
31 Siehe Abschnitte III und V, dazu vgl. Alena Míšková, Německá univerzita za 2. světové války
[Die Deutsche Universität während des Zweiten Weltkrieges], in: Dějiny univerzity Karlovy 4 (wie
Anm. 22) 213–231, hier 215–222; dies., Německá (Karlova) univerzita od Mnichova k 9. květnu
1945 (Vedení univerzity a obměna profesorského sboru) (Praha 2002) 63–99; die deutsche ergänzte
Ausgabe: Die Deutsche (Karls-) Universität vom Münchener Abkommen bis zum Ende des Zweiten
Weltkrieges (Universitätsleitung und Wandel des Professorenkollegiums) (Praha 2007), konnte nicht
mehr rezipiert werden. Wertvoll ist zudem die Arbeit: Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus
und die Universität Prag. Dokumente eingeleitet und hg. v. Gerd Simon (http://tobias-lib.ub.unituebingen.de/volltexte/2001/217/pdf/gift002_komplett.pdf). – Zur Staatsbürgerschaft siehe Acta
Occupationis Bohemiae et Moraviae [II]. Dokumenty z historie československé politiky 1939–1943
[Dokumente aus der Geschichte der tschechoslowakischen Politik 1939–1943], bearb. v. Libuše
Otáhalová, Milada Červinková (Praha 1966) Nr. 343 vom 15.03.1939 „Artikel 2. (1) Die volksdeutschen Bewohner des Protektorates werden deutsche Staatsangehörige und nach den Vorschriften
des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I.S. 1146) Reichsbürger.“
32 Zu Weizsäcker vgl. Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 485f.; zu Zatscheks
Berufung nach Wien siehe Abschnitt III. – Eine engere persönliche Freundschaft lag zwischen den
beiden Männern jedoch nicht vor, wie ihre in 3. Person geführte Korrespondenz ausweist.
33 Vgl. Hruza, Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 486 Anm. 39.
688
Karel Hruza
1942 seinen Urlaub antrat und nach Prag fuhr, war er von den Wiener Verhältnissen
enttäuscht.
Abb. 41: Hilde und Heinz Zatschek, im Hintergrund Otto Brunner 1941/42
(Fotografie Wilhelm Bauers mit dessen Kommentar)
Doch Zatschek konnte auf eine Alternative zurückgreifen: Der seit Mai 1942 amtierende Rektor Alfred Buntru wollte Zatschek nach Prag zurückholen, um ihn in einer
SS-eigenen Stiftung zu beschäftigen34. Zatschek nahm das Angebot an und kehrte
zum WS 1942/43 nach Prag zurück. Wie wichtig Zatschek die Wohnsituation war,
zeigt sein Bemühen, bei seiner Rückkehr seine Wohnung in der Apollinarisgasse um
ein Zimmer einer freigewordenen Judenwohnung zu erweitern und die Kosten für die
damit verbundenen Baumaßnahmen erstattet zu bekommen35. Wie Weizsäcker zeigte
Zatschek keine Bedenken, von der Vertreibung jüdischer Mitbürger als „Ariseur“
Profit zu ziehen36.
34 Siehe Abschnitt III.
35 Der Bitte Zatscheks wurde zunächst nicht entsprochen, und er bat den Prager Kurator am 18.01.1943
um Ersatz aus irgend einem Fond. Eine etwas geringere Summe wurde ihm dann ausbezahlt. BAB,
R31/708 HeZ.
36 1945, als sich Zatschek als Mitglied der NSDAP in Wien registrieren lassen musste, bat er um
Nachsicht von der Registrierung und schloss sein Gesuch mit den Worten: Ich habe weder jüdischen
Besitz an mich gebracht noch mir 1941/42 in Wien eine Wohnung dadurch verschafft, dass ich aus
ihr Juden verdrängte. (Schreiben Zatscheks an den Magistrat der Gemeinde Wien vom 27.07.1945.
Heinz Zatschek (1901–1965)
689
In Prag warteten auf Zatschek „große“ Aufgaben und durchaus einzigartige
Karrierechancen, die er an der Deutschen Universität und innerhalb der ReinhardHeydrich-Stiftung verwirklichen wollte und die mit einem eifrigen wissenschaftlichen, administrativen und politischen Engagement einhergingen. An ihrem Ende sollte
eine Amtsperiode Zatscheks als Rektor der Prager Universität stehen, und zwar im
Studienjahr der großen 600-Jahrfeier 1948. Mit geradezu blindem Eifer widmete er
sich seiner Arbeit, freilich auch ahnend, dass mit der sich rapide verschlechternden
militärischen Lage der Deutschen der Aufenthalt in Prag für ihn, den überzeugten
Nationalsozialisten, ein abruptes Ende finden musste. Der Krieg erreichte die Zatscheks
erst am 14. Februar 1945, als sie einen Bombenangriff auf Prag erleben und eine
Nacht außerhalb ihrer Wohnung verbringen mussten37. Zu spät streckte Zatschek
Fühler aus, um ein geeignetes neues Obdach zu finden: Der auf Schloss Weißenstein
bei Pommersfelden residierende Mayer unterbreitete ihm das Angebot, ihm dort
Unterschlupf zu gewähren38.
So arbeitete Zatschek bis zuletzt für die „Reichsuniversität“ Prag und suchte
Zuflucht in der wissenschaftlichen Forschung, auch als er den vollen Ernst seiner
Lage langsam erkannte. Nicht zuletzt wegen seiner Abhängigkeit von der Verfügbarkeit
von Insulin kamen für ihn bestimmte Fluchtbewegungen nicht in Frage, und er verfiel
zumindest zeitweise in Todesängste39. An seinen von Wien nach Linz geflüchteten
WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768.) Siehe auch Abschnitt V. – Weizsäcker gelang
bei seiner Rückkehr ein weitaus größerer „Fang“ als Zatschek: er konnte eine große „arisierte“
Villa beziehen, siehe Joachim Bahlcke, Wissenschaft im sudetendeutschen Volkstumskampf. Zur
hochschulpolitischen Tätigkeit des Prager Rechtshistorikers Wilhelm Weizsäcker in der Zeit vom
Münchener Abkommen 1938 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Wissenschaft in den böhmischen Ländern 1939–1945, hg. v. Antonín Kostlán (Praha 2004) 118–135, hier 129.
37 Am 27.02.1945 schrieb Zatschek an Mayer u. a.: […] ist Prag zum ersten Mal angegriffen worden.
Kenner behaupten, es sei ein leichter Angriff gewesen, uns hat es genügt, obzwar wir wie durch
ein Wunder ohne Schaden davon gekommen sind. Aus meinem Fenster sehe ich auf ausgebrannte
Mauern […] Wir waren eine Nacht evakuiert und haben im historischen Seminar geschlafen. StadtA
Konstanz, NL ThM, Fasz. 14 Nr. 139. Siehe auch den Brief Zatscheks an Mayer vom 24.03.1945.
MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Es handelte sich um den Tagangriff vom 14.02.1945, der am schwersten
die Wohngegend Zatscheks traf, siehe Jan Gebhart, Jan Kuklík, Velké dějiny zemí koruny České
XV.b 1938–1945 [Große Geschichte der Böhmischen Länder XV.b 1938–1945] (Praha/Litomyšl
2007) 511f.
38 Am 12.03.1945 schrieb Mayer an Zatschek: […] für den Fall, daß Sie von Prag weg müssen, […]
wäre es möglich, Sie hier in Pommersfelden unterzubringen […] Das Schloß ist nach wie vor leer
und im Winter nicht bewohnbar, die Gräfin [Ernestina von Schönborn-Wiesentheid] hat mir aber
immer wieder versichert, daß sie gern Räume im Schloß für Prager Professoren zur Verfügung stellen würde. Das kann natürlich nicht für alle Geltung haben, aber für Sie würde schon Platz sein.
Am 15.03. nahm er dieses Angebot zurück, um es am 31.03. zu erneuern, siehe die Briefe Mayers
in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 599; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Druck der letzten beiden Briefe bei
Karel Hruza, Der deutsche Insignien- und Archivalienraub aus der Prager Universität 1945. Mit
einem Briefwechsel zwischen dem Universitätsarchivar Heinz Zatschek und dem Präsidenten der
Monumenta Germaniae Historica Theodor Mayer (erscheint in: Bohemia. Zs. für Geschichte und
Kultur der böhmischen Länder 48 [2008]).
39 Siehe seinen Brief an Mayer vom 24.03.1945. MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Druck bei Hruza,
Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38).
690
Karel Hruza
Kollegen Wilhelm Bauer schrieb er am 22. April 1945 aus dem noch „freien“ Prag
unter Verzicht auf das bis dahin stets obligatorische Grußwort „Heil Hitler“, schilderte
die niedergedrückte familiäre wie auch universitäre Situation und schloss mit den
resignierenden Worten: Ihnen wünsche ich für die Zukunft alles Gute und bitte um
einen nicht allzu unfreundlichen Nachruf in den Mitteilungen [MIÖG]40.
Der in Prag ausharrende Zatschek schätze diejenigen seiner NS-Gesinnungsgenossen
gering, die vor den anrückenden Armeen der Alliierten und wohl auch aus Angst
vor der tschechischen Bevölkerung befehlswidrig die Flucht ergriffen hatten. Diese
Bevölkerung setzte Zatscheks Prager Wirken schließlich ein rasches Ende: Während
des seit dem Morgen des 5. Mai 1945 andauernden Aufstands wurden er und seine
Frau wahrscheinlich noch am Abend dieses Tages festgenommen und vom 6. Mai
bis 15. Juni interniert41, hatten aber insgesamt viel Glück im Unglück: Vermutlich
konnten sie in ihrer Wohnung bleiben (unter Aufsicht?) oder zumindest kurzzeitig
dorthin zurückkehren, denn Zatschek hatte Zugriff auf seine Korrespondenz, und als
„Österreicher“, also als ehemalige österreichische Staatsangehörige – hierzu bekannten
sich die Zatscheks ganz opportun –, wurde das ehedem überzeugt nationalsozialistisch
gesinnte Paar mit dem tschechischen Namen enthaftet und durfte das Land verlassen,
die guten Tschechischkenntnisse der beiden durften dabei für sie von Wert gewesen
sein42. Gemäß der seit dem 10. Juli eingetretenen rechtlichen Lage waren die Zatscheks
freilich keine österreichischen Staatsbürger; in einem für sie „günstigen“ Moment der
Wirrnisse und eines rechtlichen „Vakuums“ war ihnen nach allem „legal“ die Ausreise
geglückt43. Freilich war die Internierung und Abschiebung so schnell vonstatten gegangen, dass das Paar nicht nur den gesamten Hausstand samt Bibliothek, sondern auch
40 OÖLA, NL WB.
41 Diese Angabe machte er bei der Auflistung seiner „Ruhegenußvordienstzeiten“ für die
Pensionsberechnung 1962/3, HGM Wien, PA HeZ. Am 16.09.1945 schrieb er an Leo Santifaller und
erwähnte, noch am Nachmittag des 05.05.1945 in Prag mit Wilhelm Hanisch telefoniert zu haben,
ÖAW, IMF, Regesta Imperii, Akten. Zum Aufstand siehe Stanislav Kokoška, Praha v květnu 1945.
Historie jednoho povstání [Prag im Mai 1945. Geschichte eines Aufstands] (Praha 2005), hier 113–
217; Gebhart, Kuklík, Velké dějiny zemí koruny České XV.b (wie Anm. 37) 569–610.
42 Zu den Internierungen während des Aufstandes in Prag vgl. Tomáš Staněk, Odsun Němců z
Československa 1945–1947 [Die Abschiebung der Deutschen aus der Tschechoslowakei 1945–
1947] (Praha 1991) 66f., und zu den Österreichern 161f.; aus deutscher Sicht: Dokumentation der
Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa IV/1–2: Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung
aus der Tschechoslowakei, bearb. v. Theodor Schieder u. a. (Bonn 1957), hier 1 60–64 und 2 107–
156 (Augenzeugenberichte). Die Mehrzahl der internierten Deutschen wurde aus ihren Wohnungen/
Arbeitsstätten geholt und ohne Möglichkeit, notwendigste Sachen mitzunehmen, zunächst in „Kinos,
Schulen und Kasernen“ festgesetzt, um nach wenigen Tagen in große Sammellager überführt zu werden.
43 Die „Überleitung in“ und der „Erwerb und Verlust“ der österreichischen Staatsbürgerschaft wurde
gesetzlich am 10.07.1945 von der Provisorischen Staatsregierung geregelt, siehe Staatsgesetzblatt für
die Republik Österreich Nr. 59f./1945. Gemäß Nr. 59 § 4 galt Zatschek als ausgebürgerte Person (da
er 1930 Staatsbürger der ČSR wurde) und konnte den Widerruf seiner Ausbürgerung erlangen, wenn
er aus der erworbenen ausländischen Staatsangehörigkeit (seit 1939 war er „Reichsdeutscher“) ausscheide bzw. „aus dem bisherigen Staatsverband entlassen“ werde. Wegen seiner NS-Tätigkeit war
Zatschek gemäß tschechoslowakischer Bestimmungen seiner (ehemaligen) tschechoslowakischen
Staatsbürgerschaft verlustig gegangen.
Heinz Zatschek (1901–1965)
691
fast alle privaten und beruflichen Papiere zurücklassen musste44. Das „Archiv“ der
Zatscheks, der schriftlich und bildlich festgehaltene Teil ihrer Vergangenheit, ging für
sie verloren. Zatschek unternahm 1947 von Österreich aus Versuche, über Vermittlung
Jan Rypkas seine Bibliothek zurück zu bekommen, was zunächst scheiterte und mit
der Etablierung des stalinistischen Regimes in der ČSR letztlich unmöglich wurde.
Er gab dabei an, dass seine Bibliothek und ungedruckten Arbeiten sowie die Bücher
seiner Frau 1945 in das Historische Institut der Karlsuniversität gebracht wurden45.
Die Zatscheks begaben sich nach Wien, wo sie am 16. Juni ankamen und
schnell eine Unterkunft finden konnten: am 21. Juni meldeten sie sich im 7. Bezirk
in der Schottenfeldgasse 60/III/21 an. Einen Monat später ging Zatschek den für
ihn unerfreulichen Weg, sich als ehemaliges NSDAP-Mitglied registrieren und als
„Minderbelasteter“ einstufen zu lassen, was er 1947 wiederholen musste46. 1949 wurden dann nach Erlass der Minderbelastetenamnestie von 1948 über 92% der in Wien
registrierten Personen aus den Listen gestrichen. Zatscheks Weg zu einem legal in
Wien lebenden Österreicher war wieder frei.
Über die – sicher auch traumatischen – Ereignisse der Flucht hat Zatschek am 4.
Oktober 1945 Bauer nach Linz berichtet: Die Eröffnung des Postverkehrs möchte ich
benützen, Ihnen ein Lebenszeichen zu schicken. Nachdem wir in Prag in 2 Lagern
gewesen waren, sind wir als Österreicher freigekommen und sind am 16. Juni zum Teil
im Fussmarsch in Wien eingelangt. […] Wie es uns geht, fragen Sie lieber nicht, ich
bin ein Bettler geworden und harre sehnsüchtig des Augenblicks, in dem es mir erlaubt
wird, irgendwo als Hilfsarbeiter zu beginnen. Wostry ist, etwa 10 Tage vor dem 5. Mai,
nach Saaz, [Josef] Pfitzners Schicksal haben Sie wohl aus der Zeitung entnommen,
Borodajkewicz soll tot sein, hörte ich gestern, der arme [Gustav] Pirchan ist vor den
Augen seiner Frau auf der Prager Polizeidirektion schwer blutig geschlagen worden.
Das Ehepaar wurde getrennt, von ihm weiss man nichts […] [Anton] Ernstberger war
in Mies, [Eduard] Winter ist in Wien. Das sind die Schicksale der Prager Historiker, die
reichsdeutschen Kollegen, Dekan [Hans Joachim Beyer] an der Spitze, sind natürlich
rechtzeitig getürmt. Haben Sie Nachricht von Prof. Mayer? Ich habe versucht, mit
ihm Verbindung zu bekommen, vielleicht weiss er etwas für mich47. Als ehemaliger
Mitarbeiter der MGH hoffte Zatschek demnach, dass ihm der seit September 1945
44 Diese bilden heute die zwei Bestände AAVČR, Of HeZ; Of HiZ. Der Verbleib der Privatbibliothek
Zatscheks wäre noch zu eruieren.
45 Zumindest von März bis August 1947 korrespondierte Zatschek mit Rypka über diese Angelegenheit.
AAVČR, Of Jan Rypka, K. 12. Zatschek äußerte später mehrfach, dass seine private Bibliothek und
sein „Archiv“ verloren bzw. sogar vernichtet wären, so auch gegenüber Frau Dr. Maria Habacher. Dr.
Peter Brouček berichtete, Zatschek hätte ihm erzählt, er sei „nur mit einem Hemd“ aus Prag geflüchtet. Dass sich auch ein nach Mai 1945 an Zatschek unter dessen Prager Wohnadresse gesendeteter
Brief im Zatscheks NL findet, spricht für eine ziemlich ordnungsgemäße Übergabe der Dokumente
Zatscheks an die neuen „Besitzer“, wohl auch dafür, dass Zatschek während seiner Internierung
Zugang zu seiner Wohnung hatte.
46 Siehe Abschnitt V.
47 OÖLA, NL WB. Von den genannten Personen starb Pirchan 1945 in der Internierung in Theresienstadt
(Terezín), Pfitzner wurde am 06.09.1945 hingerichtet, die anderen überlebten die Flucht.
692
Karel Hruza
inhaftierte Präsident der MGH Mayer eine Tätigkeit als Mediävist beschaffen könnte. Mayer, zu dem Zatschek 1946 Kontakt aufnehmen konnte, sagte Hilfe zu, beide
erwogen auch einen Umzug Zatscheks nach Deutschland, der sich aber wegen einer
fehlenden Arbeitsstelle und Zatscheks „Staatenlosigkeit“ sowie Mitgliedschaft in der
NSDAP nicht ohne weiteres verwirklichen ließ. Als Mayer 1947 nicht wieder zum
Präsidenten der MGH gewählt wurde, fanden Zatschek Hoffnungen endgültig ihr
Ende48. In Zatscheks Briefen jener Zeit fällt auf, dass er einen pauschalen Gegensatz
in der Treue zu Deutschland zwischen „reichsdeutschen“ und sudetendeutschen/österreichischen Historikern postuliert und Erstere der Feigheit beschuldigt, ein Urteil,
das in der Unzufriedenheit der Sudetendeutschen und Österreicher mit der angeblichen Bevorzugung der „Reichsdeutschen“ nach 1938/39 wurzelte und des Öfteren bei
Zatschek auftauchte. Worte über die Verbrechen der Nationalsozialisten oder sogar ein
selbstreflektiertes Schuldeingeständnis sind in Zatscheks Nachkriegskorrespondenz
nicht zu finden. Als „Opfer“, als das er sich durchaus ansah, hat er die Ereignisse des
Jahres 1945 nie überwunden49.
In Wien durchlebte Zatschek zunächst eine für ihn bittere Zeit und vermied es, als
ehemals exponierter Nationalsozialist „öffentlich“ aufzutreten. Auch war es anscheinend nicht gerade opportun, zu ihm in Kontakt zu treten: er wurde „geschnitten“50.
Zatschek, der sich im Kollegenkreis von Anfang an nicht großer Beliebtheit erfreute,
musste nun erfahren, dass seine Einbindung in Netzwerke und „communities“ der deutschen und österreichischen Wissenschaft zwar vorhanden, aber nicht so zugfest ausgebildet war, um ihm den erwünschten wissenschaftlichen und beruflichen „Neubeginn“
zu ermöglichen. Seine Beziehungen funktionierten wenigstens noch in dem Maß, dass
er bereits 1945 freiberuflich im Wiener Stadt- und Landesarchiv als Historiker arbeiten
konnte51. Langsam ging es für Zatschek wieder „aufwärts“. Nachdem sein Wiener
Aufenthalt legalisiert worden war, wurde er im November 1949 in der Kammer der
gewerblichen Wirtschaft für Wien angestellt. Freilich registrierte er verbittert, dass
etliche ehemalige Kollegen und NSDAP-Mitglieder einen Ruf an eine Universität
erhielten, während er nicht beachtet wurde52. Am 19. Juli 1950 „bescheinigte“ ihm
die Stadt Wien, dass er Kraft Verleihung […] die österreichische Staatsbürgerschaft
48 Zu Mayer nach 1945 siehe den Beitrag von Helmut Maurer in diesem Band, Kap. VI.
49 Das bestätigte auch Frau Dr. Maria Habacher.
50 Davon zeugt ein Briefwechsel Zatscheks mit Bauer von 1952 (!): Zatschek hatte mehrmals um persönlichen Kontakt mit Bauer gebeten, den letzterer zeitweise vermieden hatte. OÖLA, NL WB.
51 Den Weg in das Wiener Stadtarchiv ebnete ihm der 1945 zum Direktor eingesetzte Archivar und
Wirtschaftshistoriker Rudolf Geyer, Absolvent des 33. Kurses 1919–1921 am IÖG, zu ihm siehe
Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 139; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 365;
Fellner, Corradini, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 6) 139. Den Hinweis auf Geyer verdanke
ich Frau Dr. Maria Habacher.
52 Am 15.12.1949 schrieb er an Mayer: […] die letzten Monate waren mit Sorgen und Enttäuschungen
reichlich erfüllt […] Aus Bamberg/Regensburg ist nichts geworden. Dort wird [Hans?] Dachs die
Kanzel bekommen. Und hier blüht […] auf dem Gebiet für mich kein Weizen. StadtA Konstanz, NL
ThM, Fasz. 17 Nr. 139. Ähnlich am 16.05.1950 fast schon verzweifelt an Mayer u. a.: Muss es denn
immer Leute geben, die ständig auf die Butterseite fallen und für die Ausnahmen gemacht werden?
Was für innere Qualitäten sind dazu erforderlich? Ebd. Nr. 135. Siehe auch Abschnitt III.
Heinz Zatschek (1901–1965)
693
besitzt, um die er allerdings bereits im Juli 1945 angesucht hatte53. Die Jahre des
stillen „Überwinterns“ waren vorbei. Seine Lage besserte sich zudem 1952 mit dem
Bezug einer repräsentativen Wohnung im 13. Wiener Bezirk, Wattmanngasse 7/13.
Schließlich zahlte sich die Zugehörigkeit zum Netzwerk der IÖG-Mitglieder doch noch
aus: Auf Antrag des Direktors Rudolf Pühringer, Absolvent des 34. Kurses am IÖG
1923–1925 (während dieser Zeit arbeitete Zatschek im Institut), wurde Zatschek mit 1.
Juni 1955 zum Stellvertreter des Direktors Kustos I. Klasse im Heeresgeschichtlichen
Museum bestellt und pragmatisiert54. In seinem Bewerbungsbogen vom Dezember
1954 unterließ es Zatschek, unter der Rubrik 17 „Verhältnis zur NSDAP“ einen
Eintrag vorzunehmen. Pühringer, der am 31. Dezember 1956 in Pension ging, war
mit der Arbeit Zatscheks so zufrieden, dass er ihn unter Lobeshymnen als seinen
Nachfolger durchsetzen konnte: Mit 1. Januar 1957 amtierte Zatschek als Direktor des
Museums, organisierte nachfolgend publikumswirksame Ausstellungen und konnte
den Wiederaufbau des Museums zu einem Abschluss bringen.
Zwischenzeitlich hatte Zatschek im Frühjahr 1955 an der Universität Wien erfolgreich um das Wiederaufleben seiner erloschenen venia legendi und um deren
Erweiterung auf Wirtschaftsgeschichte angesucht und begann im WS 1955/56 wieder mit der Lehre, die er bis zum WS 1962/63 beibehielt55. Zatschek, der bereits
im September 1959 mit dem Titel „Hofrat“ ausgezeichnet worden war, bekam an
Weihnachten 1964 das „Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik
Österreich“ verliehen. Damit war er im Zenit seiner Nachkriegskarriere angekommen.
Doch war ihm keine Zeit mehr vergönnt, den Aufstieg zu genießen. 1963 wurde er von
Herz-Kreislaufbeschwerden heimgesucht und trat ein Jahr später aus Krankheitsgründen
aus dem Collegium Carolinum aus. Ende April 1965 stellte er den Antrag auf einen
Urlaub: Er wollte am 8. Mai eine Reise zur Narzissenblüte nach Montreux unternehmen und auf der Rückfahrt einige Tage in Friedrichshafen bleiben56. Am 23. Mai
1965 starb er vermutlich an einem Herzinfarkt in der Friedrichshafen benachbarten
Stadt Tettnang57. Sein nach Wien überführter Leichnam wurde im Familiengrab auf
dem Friedhof in Hietzing bestattet. Dort fand auch die am 3. Januar 1977 verstorbene
Hilde Zatschek ihre letzte Ruhestätte.
53 Zu 1950: HGM Wien, PA HeZ; zu 1945: StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr. 215 und Nr. 217.
54 HGM Wien, PA HeZ. Pühringer (1891–1969), Offizier, Maler, Kunsthistoriker, arbeitete 1938–
1945 in Berlin bei der Dienststelle des Chefs der Heeresmuseen oder war an der Front. 1950 wurde
er Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, siehe Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 143;
Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 371; Johann Christoph Allmayer-Beck, Rudolf
Pühringer †, in: MIÖG 79 (1971) 293f.; Peter Brouček, Kurt Peball, Geschichte der österreichischen
Militärhistoriographie (Köln/Weimar/Wien 2000) 554f.; Fellner, Corradini, Geschichtswissenschaft
(wie Anm. 6) 330.
55 Siehe Abschnitt III.
56 HGM Wien, PA HeZ.
57 Die am 24.05.1965 in Tettnang ausgestellte Sterbeurkunde nennt keine Todesursache. HGM Wien,
PA HeZ.
694
Karel Hruza
III. Zwischen Wien und Prag: Die wissenschaftliche Laufbahn
Heinz Zatschek begann sein Geschichts-, Kunstgeschichts- und Geografiestudium im
WS 1919/20 mit vollem Elan: Im ersten Semester belegte er 14 Lehrveranstaltungen
mit 29 Wochenstunden. In seinen acht Studiensemestern besuchte er insgesamt 73
Lehrveranstaltungen mit 178 Wochenstunden und konnte dabei zumeist sehr gute
Noten verbuchen58. Seine zwei wichtigsten Lehrer wurden Oswald Redlich und Alphons Dopsch. Daneben hörte er Vorlesungen bei den damals großen Wiener Namen:
Wilhelm Bauer, August Fournier, Lothar Groß, Ludo Moritz Hartmann, Emil von
Ottenthal, Alfred Francis Přibram, Heinrich von Srbik, Otto Stowasser, Hans von
Voltelini, Julius von Schlosser, Moritz Schlick, Robert Reininger, Eduard Brückner
und Eugen Oberhummer. Der im Fach Geschichte abgedeckte Zeitrahmen erstreckte
sich von der Antike bis ins 19. Jahrhundert mit politik-, verwaltungs- und wirtschaftsgeschichtlichen und hilfswissenschaftlichen Themen. Das Studium beendete Zatschek
im November 1923 mit dem Rigorosum („mit Auszeichnung“). Am 7. Dezember
1923 wurde er promoviert59. Die Anregung zu seiner Dissertation zu den napoleonischen Kriegen hatte er bereits im ersten Semester in einer Lehrveranstaltung Fourniers
(†1920) erhalten. Die Arbeit beurteilte der Erstgutachter Redlich als „gute Leistung“,
der Zweitgutachter Dopsch schloss sich diesem Votum an60.
Wegweisend wurde für Zatschek jedoch die sein Studium begleitende Teilnahme
am 33. Ausbildungskurs des IÖG61, dem er nach Besuch des Vorbereitungsjahres seit
Juli 1921 als ordentliches Mitglied – und damit als Stipendiat – angehörte. Hier erhielt
er den „Schliff“ zum Hilfswissenschaftler und Urkundenforscher. Bei den im Sommer
1923 abgehaltenen Abschlussprüfungen glänzte Zatschek mit dem Prädikat „vorzüglich“. Lediglich Otto Brunner konnte ihn mit einem „ausgezeichnet“ übertrumpfen.
Zatscheks Hausarbeit am IÖG-Kurs „Rechtsgeschichtliche und diplomatische Beiträge
zur Geschichte der älteren Staufer“ erhielt von Ottenthal das Prädikat „vorzüglich“. Da
Zatschek zudem die Arbeiten an diesem Thema fortzusetzen gedachte, sah Ottenthal
sich veranlasst, den Verfasser für die MGH Diplomata Abteilung (saeculi XII) am IÖG
zu engagieren. Im Sommer 1923 erhielt er dazu einen offiziellen Arbeitsauftrag62.
58 Siehe Zatscheks universitäres „Meldungsbuch“ und die Zeugnisse etlicher Lehrveranstaltungen.
AAVČR, Of HeZ, Nr. 12f.
59 UAW, Phil. Fak. Dissertationen, HeZ; HGM Wien, PA HeZ. Siehe auch Abschnitt IV.
60 Siehe auch Abschnitt IV. – Fournier wurde als Verfasser einer dreibändigen Biografie Napoleons bekannt, vgl. zu ihm Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 141f. Zu Dopsch vgl. den Beitrag
in diesem Band, zu Redlich Leo Santifaller, Oswald Redlich. Ein Nachruf, zugleich ein Beitrag zur
Geschichte der Geschichtswissenschaft, in: MIÖG 56 (1948) 1–238.
61 Siehe Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 141; Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15)
368f.; IÖG, Archiv, Institutsakten 33. Ausbildungskurs 1921–23.
62 Wenige Wochen nach Abschluss des Institutskurses stellte Ottenthal am 14.07.1923 Zatschek ein
Empfehlungsschreiben aus, um ihm den Zugang zu Quellensammlungen zu erleichtern. AAVČR, Of
HeZ, Nr. 1. Die Arbeiten mündeten auch in Zatscheks Habilitationsschrift über Wibald von Stablo
von 1928. Siehe auch Abschnitt IV.
Heinz Zatschek (1901–1965)
695
Zur gleichen Zeit versuchte Ottenthal, Zatschek in der Funktion des Institutsassistenten
als Nachfolger Paul Heigls zu installieren, wofür Zatscheks Anstellung bei der UB nötig
gewesen wäre63. Der Plan scheiterte, jedoch konnte Zatschek seit dem 1. Mai 1924
bei den MGH als angestellter „Hilfsarbeiter“ gegen ein geringes Gehalt beschäftigt
werden, während er in der UB seit dem 13. Dezember 1923 nur als Volontär untergekommen war. Dort führte er im Laufe der Jahre die Referate Hilfswissenschaften,
Kriegswissenschaften, Geschichte der Neuzeit und Deutsche Geschichte. Ottenthal
lobte Zatscheks Mitarbeit ausdrücklich64. Hirsch, der seit Ende 1925 mit einer Berufung
nach Wien rechnen konnte, war mit Zatschek in dem Maß zufrieden, dass er ihn als
Vertreter seines mit dem WS 1926/27 vakanten Lehrstuhls an der Deutschen Universität
in Prag empfahl. Nicht zuletzt ging es Hirsch um den Erhalt der von ihm mitetablierten strengen hilfswissenschaftlichen Lehre an der Prager Deutschen Universität, was
nochmals Zatscheks Können aufzeigt: „Das kurze Wirken Harold Steinackers [1917]
und Hans Hirschs [1918–1926] bedeutete eine Etablierung der modernen Diplomatik
und ihre Anbindung an Verfassungs- und Rechtsgeschichte, was von Heinz Zatschek
fortgesetzt wurde.“65
Die am 20. Mai 1926 eingesetzte Kommission zur Beratung betr. die Nachfolge
nach Prof. Hirsch aus den Professoren Heinrich Swoboda, Ottokar Weber, Steinherz,
Mayer, Wostry und Hirsch beschloss am 10. Juni eine Vertretung an Zatschek zu vergeben66, da über den endgültigen Fortgang Hirschs noch nicht entschieden war. Der
Kommissionsvorsitzende Swoboda schrieb unter Verwendung eines Konzepts Hirschs
63 Vgl. Bettina Pferschy-Maleczek, Die Diplomata-Edition der Monumenta Germaniae Historica am
Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1875–1990), in: MIÖG 112 (2004) 412–467, hier
433f. Detaillierten Einblick über Zatscheks Arbeit für die MGH gewährt zuvorderst seine ausführliche, 1924 einsetzende Korrespondenz mit Hirsch und Ottenthal. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188, Nr. 311;
IÖG, Archiv, NL HH und NL Emil v. Ottenthal.
64 Siehe Ottenthals Bericht bei P(aul) Kehr, Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae
Historica 1924, in: NA 46 (1926) I–XI, hier IX, und Kap. IV. [Herbert Grundmann], Monumenta
Germaniae Historica 1819–1969 (München 1969) 33, als „angestellter Mitarbeiter“ von 1924–1929
und bis 1942 als „nebenamtlicher Mitarbeiter“; Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm.
63) 429f., die Zatscheks Tätigkeit als „typische Anfängerdienste“ bezeichnet und angibt, er hätte am
01.05.1924 bei den MGH begonnen. In einem frühen Lebenslauf gab Zatschek den 01.01.1924 an.
ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 6420, 1928; AAVČR, Of HeZ, Nr. 14 (siehe dazu Anm. 18). Ebd.
auch der Beginn an der UB zum 13.12.1923, der später immer zum 01.01.1924 angegeben wurde. Um
die Bestätigung des Beginndatums 01.01.1924 bei den MGH bat Zatschek Hirsch etwa am 09.11.1928
wegen Pensionsvorzeiten bzw. um bei seinen Berufungsverhandlungen in Prag Ende 1928 eine fünfjährige Arbeitszeit bei den MGH zu erreichen. IÖG, Archiv, NL HH; siehe auch unten.
65 So Pavel Kolář, Die Geschichtswissenschaft an der Deutschen Universität Prag 1882–1938:
Entwicklung der Lehrkanzeln und Institutionalisierung unter zwei Regimen, in: Universitäten in
nationaler Konkurrenz. Zur Geschichte der Prager Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert, hg.
v. Hans Lemberg (Veröff. des Collegium Carolinum 86, München 2003) 85–114, hier 113; Pavel
Kolář, Eine Brutstätte der Volksgeschichte? Überlegungen zur Geschichte der Prager deutschen
Historiographie 1918–1938 im Gesamtkontext der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft, in:
Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern im 20. Jahrhundert. Wissenschaftstraditionen –
Institutionen – Diskurse, hg. v. Christiane Brenner, K. Erik Franzen, Peter Haslinger, Robert Luft
(Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 28, München 2006) 109–135, hier 112–118.
66 UAP, DU PA HeZ, dazu auch AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; Nr. 800f. Siehe auch Kolář,
696
Karel Hruza
an Zatschek: Da es sich um einen in Anbetracht Ihres jugendlichen Alters sehr ehrenvollen Antrag handelt, beglückwünsche ich Sie hiezu, bitte Sie aber, Ihre Entscheidung
erst nach reiflicher Erwägung mit Ihren Angehörigen und Ihrem wissenschaftlichen
Arbeitschef treffen zu wollen67. Ausdrücklich wurde von der Kommission festgehalten,
dass Zatschek nach Ablauf seines zeitlich begrenzten Lehrauftrags keine weiteren
Ansprüche erwachsen und der Besetzungsvorschlag für den hilfswissenschaftlichen
Lehrstuhl erst nach Hirschs definitivem Abgang ausgearbeitet und vorgelegt werden
wird68. Hirschs Entscheidung war im September getroffen69, und im Oktober begann
der von Hirsch und Ottenthal ermutigte Zatschek noch ohne Habilitation mit seiner
Lehrtätigkeit: Lateinische Paläografie, Urkundenlehre, Chronologie und Siegel- und
Wappenkunde standen gemäß Fakultätswunsch auf seinem Lehrplan des Studienjahres
1926/27. Mit der Prager Situation war Zatschek sehr zufrieden, nicht zuletzt wegen des
Glücks, endlich eine „richtige“ Anstellung erlangt zu haben, auch wenn ihn weiterhin
Zukunftssorgen plagten: Kaum war er in Prag, stand zur Diskussion, wie lange er
denn wirklich würde verbleiben können. Der 69-jährige Prager Ordinarius Steinherz
zeigte sich ihm bald sehr wohlwollend gegenüber, und schließlich zog Zatschek auf
dessen Anregung hin sogar eine Habilitation in Prag in Betracht70. Nach einem Zeugnis
Mayers hinterließ Zatschek in Prag einen positiven Eindruck71.
Mit Ablauf des SS 1927 kehrte er nach Wien zurück und setzte seine auch während der Prager Zeit andauernde Arbeit bei den MGH fort. Im März 1929 wurde er
endlich zu deren „Vollassistent“ ernannt72, während er als Bibliotheksvolontär seine
seit 1. August 1926 andauernde Beurlaubung um ein weiteres Jahr verlängerte. Eine
Habilitation in Prag hatte nicht mehr stattgefunden, aber die Fortschritte bei Zatscheks
Habilitationsschrift gestalteten sich derart, dass er im November 1927 einen Antrag um
Erteilung der venia legendi für Historische Hilfswissenschaften an der Philosophischen
Fakultät in Wien stellen konnte. Nach absolviertem Habilitations-Kolloquium und
Probevortrag und einstimmiger Annahme der entsprechenden Kommissionsanträge
67
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71
72
Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 110–112; anzumerken ist zu 110, dass Zatschek bei seinem
Antritt noch kein Privatdozent war.
Durchschlag eines Schreibens vom 12.06.1926. UAP, DU PA HeZ. In einem handschriftlichen
Notizbuch Hirschs findet sich derselbe Text mit Korrekturen und ohne Datum, dazu auch weitere
Texte der Kommissionsverhandlung. IÖG, Archiv NL HH K. 21. Das bezeugt zu genüge Hirschs
Einfluss bei der Entscheidung zugunsten Zatscheks. Ob Swoboda den Brief von 12.06. unterzeichnet
und expediert hat, ist ungewiss, denn er starb am 13.06.1926.
In einem Dankschreiben vom 16.06.1926 an Hirsch hatte Zatschek ausdrücklich gebeten, in einem
allfälligen Dekret den Nachdruck darauf zu legen, dass meine Aufgabe nur eine zeitlich befristete
ist, damit nicht bei meiner Rückkehr aus Prag Stimmen laut werden, ich sei unfähig gewesen. IÖG,
Archiv, NL HH.
Brief Hirschs an Ottenthal, Prag 10.06.1926. AAVČR, Of HeZ, Nr. 800: Und nun Zatschek! Er geht
bewegten Zeiten entgegen. Aber ich kann ihm nicht helfen. Aller akademischer Anfang ist schwer.
IÖG, Archiv, NL HH; NL Emil v. Ottenthal. Hirsch gab Zatschek am 14.02.1927 u. a. den Rat, mit
seinen Habilitationsplänen nicht diejenigen Pfitzners zu stören. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188.
Mayer an Hirsch am 06.05.1929. IÖG, Archiv, NL HH.
MGH, Archiv 338/191, Jahresrechnung der Zentraldirektion für 1929, in der Zatschek mit einem
Honorar von 900 RM verzeichnet ist.
Heinz Zatschek (1901–1965)
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erhielt Zatschek im Mai 1928 vom BMU die Zulassung als Privatdozent73. Für das
WS 1928/29 kündigte er eine „Einführung in die Urkundenforschung“ an. Seine für
das SS 1929 geplante Fortsetzung dieser Lehrveranstaltung musste er jedoch absagen,
da er in Prag wiederum mit der Vertretung bis zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum
ausserordentlichen Professor an der genannten Fakultät betraut wurde und die Lehre
am 22. April aufnahm.
In Prag waren zwischenzeitlich Entscheidungen zu seinen Gunsten gefallen: Bei
den zu Beginn 1927 einsetzenden Verhandlungen wegen der Nachfolge Hirsch stellte
die Berufungskommission die zwei IÖG-Mitglieder Lothar Groß und Otto Stowasser
aequo loco in Vorschlag. Da beide unter den gegebenen Umständen absagten, wurden
im Mai 1928 in einem neuem Berufungsantrag primo et aequo loco Zatschek und
der Berliner Walther Holtzmann gesetzt, Zatschek wegen seiner erfolgten Vertretung
jedoch Vorrang eingeräumt74. Und noch eine Tür öffnete sich im Frühjahr 1929 für
Zatschek: In Wien begannen Beratungen über die Wiederbesetzung der Lehrkanzel für
Geschichte und historische Hilfswissenschaften nach Professor Dr. Oswald Redlich.
Schon in der ersten Sitzung der Berufungskommission traten jedoch erhebliche Mei­
nungsverschiedenheiten zwischen einer Gruppe um Redlich und einer um Hirsch auf,
die auch nicht in zwei weiteren Sitzungen einvernehmlich bereinigt werden konnten75.
73 ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 6420, 1928; UAW, Phil. Fak. Sitzungsprotokolle des
Professorenkollegiums Nr. 239, 1927/28. Der zuständigen Kommission gehörten an: Hirsch, Srbik,
Dopsch, Redlich, Hans Uebersberger, Schlosser, Bauer u. a. Bei den Abstimmungen über die „persönliche Eignung“ und die „wissenschaftliche Eignung“ vor dem Professorenkollegium erhielt
Zatschek 49 Ja, 1 Nein, 2 Enthaltungen bzw. 53 Ja und 1 Nein. Der Kommissionsbericht über die
persönliche Eignung Zatscheks befindet sich als Konzept auch in einem handschriftlichen Notizbuch
Hirschs. IÖG, Archiv NL HH K. 21.
74 Vgl. Kolář, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 110f. Ein längerfristiger Verbleib Zatscheks in
Prag wurde bereits im Frühjahr 1927 von einigen seiner Prager Professorenkollegen in Betracht gezogen, etwa von Mayer, siehe Brief Zatscheks an Hirsch vom 21.03.1927. IÖG, Archiv, NL HH. Bei
den Diskussionen (und wohl auch Intrigen?) wirkte Zatschek mehr oder weniger mit und bat Hirsch
immer wieder um Ratschläge und Informationen. Im Namenkarussell fielen verschiedenste Namen,
so auch Percy E. Schramm und Leo Santifaller, siehe Zatschek an Hirsch am 10.05.1927 ebd. Zur
zweiten Prager Supplentur siehe die Schreiben des Professorenkollegiums und der Fakultät vom
02.03. und 12.03.1929 und weitere Schreiben 30.03.–29.04.1929. UAP, DU PA HeZ; AAVČR, Of
HeZ, Nr. 1.
75 Der Berufungskommission gehörten an: Redlich, Dopsch, Hirsch, Srbik, Příbram, Oberhummer,
Uebersberger, Carl Patsch, Adolf Wilhelm, Dietrich Kralik, Rudolf Much, Emil Reisch, Richard
Wettstein, Josef Wilhelm Kubitschek, Friedrich Kraelitz und Richard Meister. Die Protokolle der
drei Sitzungen vom 19. und 23.02. und 11.03.1929 sind ebenso wie die Berichte Redlichs und
Hirschs erhalten. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929; UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr.
595, 1928/29. – Aus einem anderen Blickwinkel widmete sich der Nachfolge Redlich Pavel Kolář,
Fachkontroverse und institutionelles Umfeld in der Geschichtswissenschaft. Die Debatte um die
Nachfolge Oswald Redlichs an der Wiener Universität 1929–1931 und die Reorientierung der historischen Hilfswissenschaften, in: Magister noster. Sborník statí věnovaních in memoriam prof. PhDr.
Janu Havránkovi, CSc. FS in memoriam Prof. PhDr. Jan Havránek, CSc., hg. v. Michal Svatoš,
Luboš Velek, Alice Velková (Praha 2005) 107–124, der jedoch nicht näher auf Zatschek und dessen
Verhandlungen eingeht. Zuletzt siehe mit anderen Akzenten Stoy, Institut (wie Anm. 13) 34–44 und
56–62.
698
Karel Hruza
In einem späteren Bericht fasste Redlich die Vorgänge zusammen76: Die freiwerdende
Kanzel ist ein Ordinariat. Es ist der selbstverständliche Vorgang, dieses Ordinariat der
Fakultät zu erhalten […]. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend legte der Referent
[Redlich] einen Vorschlag vor, welcher österreichische Forscher enthielt, nämlich 1.
Harold Steinacker, Innsbruck, 2. ex equo Lothar Gross in Wien, Richard Heuberger
in Innsbruck, Otto Stowasser in Wien77. Gegen diesen Vorschlag wurden von den
Professoren Dopsch und Hirsch Einwendungen erhoben und Professor Dopsch stellte
am Schluss der ersten Kommissionssitzung [19. Februar] den Antrag, dass die freiwerdende Lehrkanzel von Prof. Hirsch übernommen werden möge78. Mit diesem Antrag
erklärte sich in der nächsten Kommissions-Sitzung [23. Februar] der Referent einverstanden, aber er führte des nähern aus, dass damit ja nur ein Teil der Frage gelöst sei.
[…] Es müsse an den zwei ordentlichen Lehrkanzeln festgehalten werden, besonders
auch im Hinblick auf die eigenartigen und in ihrer Bedeutung allgemein anerkannten
Aufgaben des IÖG, die voll gewahrt werden müssen. Der Referent beharrte daher auf
seinen Vorschlag79. Da die Kommission überwiegend der Meinung war, dass unter
solchen Umständen die Ermächtigung der Fakultät eingeholt werden solle, über die
Besetzung der 2. Lehrkanzel zu beraten, wurde in der letzten Fakultätssitzung diese
Ermächtigung eingeholt und die Kommission hielt dann ihre dritte Sitzung [11. März].
In dieser Sitzung erhoben die Professoren Hirsch und Dopsch neuerdings Einwände
speziell gegen den Vorschlag Steinackers und Professor Hirsch stellte den Antrag,
dass die zweite Lehrkanzel zunächst mit einem Extraordinarius zu besetzen sei und
schlug hiefür vor 1. Lothar Gross in Wien 2. Heinz Zatschek […]. Der Referent nahm
76 Siehe Anm. 81 und vgl. auch Kolář, Fachkontroverse (wie Anm. 75) 120–122. – Hervorhebungen,
wie auch im Folgenden in diesem Beitrag, nach der Vorlage.
77 Hirsch meinte demgegenüber: Einem Vorschlag, der reichsdeutsche Kräfte ausschließt, kann ich
nicht zustimmen und brachte die Namen Edmund E. Stengel, Fedor Schneider, Friedrich Baethgen,
Santifaller, Pfitzner und Zatschek in die Diskussion ein; letztlich sprach er sich für Groß und Zatschek
(als Extraordinarius) aus und sagte über letzteren: [Albert] Brackmann schätzt Z(at)sch(ek) sehr,
ebenso Kehr. Hirsch verlas einen Brief Kehrs an Zatschek, der sehr anerkennend ist. Wenn man
Z(at)sch(ek) ziehen lässt, kann f(ür) Österreich eine sehr schwierige Situation entstehen. Sitzung
vom 19.02.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29.
78 Dopsch kritisierte Steinacker: Doch f(ür) eine Prof(essur) f(ür) Geschichte kommt er nicht in 1. Linie
in Frage. Er ist zuerst Hilfswissenschaftler. Seine Arbeiten gehen langsam vorwärts. Seit 20 Jahren
in bemerkenswerter Sterilität. Ist nirgends führend außer vielleicht in der antiken Urkundenlehre.
Man darf auch die Hilfswissenschaften nicht überschätzen, und unterbreitete den Vorschlag: Es ist
die beste Lösung, Hirsch zum Nachfolger Redlichs zu ernennen. Er ist der beste Schüler R(edlich)s.
Nachdem ihm schon die Dir(ektion) d(es) Inst(ituts) zugesichert ist und er teilw(eise) auch Seminar
und Vorlesungen hält, so liegt es ganz nahe, ihm die ganze Lehrkanzel zu übergeben. Dem schloss
er einen entsprechenden formalen Antrag an, jedoch wurde die Sitzung auf Antrag Hirschs vertagt.
Sitzung vom 19.02.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29.
79 Redlich konnte sich den damals 27-jährigen Zatschek nicht als Ordinarius vorstellen: Dr. Zatschek
ist eine vielversprechende Kraft. Man kann ihn aber jetzt noch nicht als Ord(inarius) vorschlagen.
Srbik meinte: Ich halte die Übertragung der Lehrkanzel R(edlich) auf Hirsch für sehr wertvoll. […]
Meine Ansicht […] läuft darauf hinaus, daß ich die Ansicht R(edlich)s teile. […] Aber es ist doch
etwas anderes, ob man eine Lehrkanzel mit einem jungen vielversprechenden Mann oder mit einem
alterfahrenen Lehrer besetzt. Das ist eine Prestigesache. Sitzungsprotokoll 23.02.1929. UAW, Phil.
Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29.
Heinz Zatschek (1901–1965)
699
in seinen Vorschlag an 1. Stelle neben Steinacker noch den Reichsdeutschen Edmund
Stengel in Marburg auf. Die Kommission schritt hierauf zunächst zur Abstimmung
über die Frage, ob das zweite Ordinariat schon jetzt durchaus festgehalten werden solle. Die Abstimmung ergab 7 ja, 5 nein, 2 Stimmenthaltungen. Bei den weiteren Abstimmungen erhielt weder der Antrag Hirsch, noch der des Referenten eine
Majorität80. Der Referent und Professor Hirsch wurden beauftragt über ihre Anträge
[in einer Fakultätssitzung am 11. Mai] Bericht zu erstatten81, die Entscheidung liegt
bei der Fakultät.
In der Fakultätssitzung vom 11. Mai beantragte Redlich in seinem Bericht die
Besetzung der durch den Wechsel Hirschs auf Redlichs Kanzel vakanten ordentliche(n)
Lehrkanzel, nämlich für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften,
in der Reihung: 1. Steinacker, Stengel; 2. Gross, Heuberger, Stowasser. Die Aufnahme
Stengels in den Vorschlag bedeutete ein Entgegenkommen Redlichs an Hirsch, doch
auch diesmal scheiterte Redlich. Hirsch beantragte dann als Nachfolger für H(errn)
Hofrat Redlich [sic!] an erster Stelle […] Gross, an zweiter Privatdozent Dr. Heinz
Zatschek zur Ernennung zum a.o. Professor der Geschichte des Mittelalters und der
historischen Hilfswissenschaften in Vorschlag zu bringen. Im Fall einer Ernennung
Zatscheks sollte Groß einen 2 stündigen Lehrauftrag für Archivkunde, Archivalische
Aktenkunde, Genealogie, Spragistik und Heraldik erhalten82. Letztendlich erzielte
Zatschek ein beachtliches Abstimmungsergebnis, nämlich die meisten abgegebenen
Ja-Stimmen, jedoch kam es auch in der Fakultät nicht zu einer einstimmigen oder eindeutigen Lösung. Im Endergebnis wurde beschlossen, dass Hirsch Redlichs Lehrkanzel
übernehmen soll, während seine dadurch vakante Lehrkanzel mit einem außerordentlichen Professor besetzt werden sollte, wofür zuerst Groß und nach ihm Zatschek angeführt wurden83. Steinacker wurde damit geschickt ausgeschaltet, denn als Ordinarius
80 Redlich brachte den Antrag zur Abstimmung: 1° Steinacker, Stengel. 2° Groß, Heuberger, Stowasser.
Steinacker erzielte 6 Ja-, 7 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung, Stengel 6, 6, 2. Sitzungsprotokoll
11.03.1929. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29.
81 Am 09.05.1929 wurden die für die Fakultätssitzung vom 11.05. erstellten Berichte von den
Kommissionsmitgliedern unterzeichnet. Redlichs Bericht unterzeichneten: Redlich, Wettstein,
Oberhummer, Příbram, Wilhelm, Srbik, Reisch; Hirschs Bericht unterzeichneten: Dopsch,
Uebersberger, Much, Meister, Kraelitz. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929; UAW, Phil.
Fak. Dekanatsakten Nr. 595, 1928/29.
82 Ebd. Bericht Hirsch. Er führte u. a. an, dass die Zahl der Anwärter, die als ordentliche Professoren für
die Nachfolge […] Redlich in Betracht kommen, […] nicht groß ist und als einziger Stengel wirklich in
Frage kommt, wogegen als außerordentliche Professoren eben Groß und Zatschek geeignet sind.
83 Bericht des Dekans Oswald Menghin an das BMU vom 27.05.: In der Fakultätssitzung vom 11. Mai
1929 ist über die beiden Referate über die Nachfolge Professor Redlich beraten und zur Abstimmung
geschritten worden. Zuerst wurde über die Anträge des Referates Redlich abgestimmt. Die Ergebnisse
waren folgende: (Name, Ja-, Nein-Stimmen, Enthaltungen) Steinacker 30, 25, 10. Stengel 28, 16,
16. Groß 27 (im handschriftlichen Konzept: 22), 19, 16. Heuberger 16, 24, 17. Stowasser 16, 20,
20. Da alle Anträge als gefallen zu betrachten waren, wurde zunächst darüber abgestimmt, ob die
Fakultät der Voraussetzung des Referates Hirsch, dass Prof. Hirsch die Lehrkanzel Redlich übernehme, genehmigt. Das Ergebnis waren 36 Ja, 14 Nein, 9 Enthaltungen. Daraufhin wurde über die
im Referate Hirsch vorgeschlagenen Kandidaten für ein Extraordinariat abgestimmt. Das Ergebnis
war: Groß 31, 15, 15. Zatschek 33, 17, 9. Professor Redlich hat seinen Antrag als Minoritätsvotum
700
Karel Hruza
kam er dafür nicht in Frage84. Zatschek wurde als ein Vertreter der Urkundenlehre
bezeichnet, der neben Hirsch, der vorwiegend die Urkundenforschung vertritt, und
Groß helfen sollte, dass die hervorragende Stellung, derer sich das IÖG als deutsche
école des chartes seit den Zeiten Sickels und Mühlbachers rühmen kann, erhalten
und ausgebaut wird85. Das BMU stimmte im Sommer 1929 dem Fakultätsansuchen
und Hirschs Wünschen zu, allerdings mit einer für Zatschek entscheidenden Klausel,
die eine sofortige Berufung verhinderte, da nämlich die Ressourcen des ehemaligen
Hirsch-Ordinariats einem zu schaffenden Lehrstuhl Alte Geschichte vorbehalten bleiben sollten86.
eingegeben. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929; UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 595,
1928/29. Ähnlich in ebd. Sitzungsprotokolle des Professorenkollegiums 1928/29 mit der Bemerkung
zur Abstimmung Referat Redlich: […] womit alle Personen abgelehnt erscheinen [!]. Hirsch schrieb
noch am 11.05.1929 an Zatschek: Die Fakultät hat nach hartem Kampfe, der für uns [!] wenig aussichtsvoll erschien, beschlossen, dass 1.) ich den Lehrstuhl von Hofrat Redlich übernehme 2.) an
erster Stelle Gross, an zweiter Sie zum a. o. Prof. in Vorschlag gebracht werden. Hofrat Redlich
fiel mit allen 5 Kandidaten durch. Hofrat Dopsch hat sich Ihrer sehr warm angenommen und es hat
tiefen Eindruck gemacht, als er erzählte, was ihm drei Tage vorher [Luigi] Schiaparelli in Venedig
von Ihren Arbeiten berichtet hat. […] Hirsch muss sich in der Sitzung mit ganzer Kraft für Zatschek
(und gegen Redlichs Kandidaten Steinacker) eingesetzt haben, denn am 08.06.1929 schrieb er diesem nach einer Wiener Akademiesitzung: Mich haben die Herren unter dem Eindruck des 11. Mai
so feindselig behandelt, dass Ärger zur Bezeichnung meiner Stimmung zu gering ist […]. AAVČR,
Of HeZ, Nr. 188.
84 Dieser lieferte Jahrzehnte später einen interessanten Bericht: […] Als im nächsten Jahr O. Redlich
die Altersgrenze erreichte und sein Ordinariat zu besetzen war, stellte sich zu seiner [Redlichs]
Überraschung bei den Kommissionsberatungen heraus, daß Hirsch bei seiner Berufung [1926] die
Bedingung gestellt und durchgesetzt hatte, daß nach dem bevorstehenden Abgange Redlichs er zur
Vorstandschaft des Instituts auch die mittelalterliche Abteilung des Historischen Seminars erhalten
und das Ordinariat Redlichs in ein Extraordinariat verwandelt werden sollte. Dafür holte der Dekan
die Zustimmung aller Kommissionsmitglieder ein, ausgenommen die von Redlich, der von dieser
Vorentscheidung über seine Nachfolge nicht verständigt wurde. Damit war meiner Berufung, wie
sie Redlich vorschwebte, vorgebeugt […]. ÖAW Archiv, PA Harold Steinacker, Selbstbiographische
Aufzeichnungen 6; siehe auch den Beitrag zu Steinacker in diesem Band, dessen Autorin Renate
Spreitzer ich für den Hinweis zu Dank verpflichtet bin. Steinackers Aussage zu 1926 dürfte nicht zutreffen, zumindest finden sich in den Akten (siehe Anm. 83) keine bejahenden Hinweise. Zu Hirschs
Berufung nach Wien siehe auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 22–30, der 28 darauf hinweist, dass
Hirsch aber bei den Verhandlungen die Redlich-Nachfolge „in Aussicht genommen“ worden sei.
85 So im Bericht des BMU in Anlehnung an Hirschs Bericht vom 11.05. Ebd. legte Hirsch dar: […] es
müßte die Zweiheit von Urkundenforschung und Urkundenlehre den Gesichtspunkt abgeben, nach
dem, da Professor Hirsch Urkundenforscher ist, jetzt ein Vertreter der Urkundenlehre zu berufen
wäre. Jener […] Disziplin der Urkundenforschung, die jede einzelne Urkunde als Quelle historischer Erkenntnis zu werten hat, durch Herausgabe von Urkundeneditionen für ganze Zeiträume die
urkundlichen Grundlagen geschichtlicher Darstellung schafft und diese selbst nicht nur vorbereitet,
sondern mindestens teilweise auch erstehen läßt – jener Urkundenforschung also wäre der andere
Zweig der Urkundenwissenschaft, die Urkundenlehre, hinzu zu fügen, in der die Organisationen,
aus denen die Urkunden hervorgehen, die Urkundenarten und die Grundbegriffe des gesamten
Wissensgebietes vorgeführt und in ihrer Bedeutung beschrieben werden. ÖStA, AdR BMU PA 281
HeZ, 17941, 1929.
86 II. Lehrkanzel nach Hirsch. […] Aus den Ausführungen des Referates des Prof. Hirsch sowie aus den
mündlichen Ergänzungen desselben, die er dem gef.Abt.-Vorstand anläßlich seiner Vorsprache gemacht hat [!], geht hervor, daß es als die günstigste Lösung anzusehen wäre, wenn Gross einen 2 stün-
Heinz Zatschek (1901–1965)
701
Hirsch hatte sich demnach im Wesentlichen durchgesetzt. Bei der Diskussion um
die Kandidaten spielten ihre wissenschaftliche Leistung und Ausrichtung, die Tradition
der Lehrkanzel, wissenschaftspolitische und wohl auch politische Momente wie auch
das Alter der Kandidaten eine Rolle. Hirsch riskierte in den Sitzungen jedoch eine
tiefgehende Verstimmung und Parteienbildung innerhalb der Fakultät und vor allem
des IÖG und zog vehemente Kritik auf sich, die 1930 vermutlich auch seine Wahl in
die Akademie der Wissenschaften in Wien verhinderte87. Der Wiener Erfolg Zatscheks
führte immerhin dazu, dass man sich in Prag, wo er etwa im November 1928 persönlich
verhandelt hatte und seine Ernennung im Frühjahr 1929 noch ausstand, Sorgen machte,
ob er überhaupt nach Prag kommen würde, und die Sache beschleunigte, auch wenn
zuerst lediglich eine Supplentur erreicht werden konnte88. Am 16. Mai 1929 schließdigen Lehrauftrag […] erhielte, hingegen Zatschek, von dem trotz seiner Jugend (geb. 1901) gesagt
werden kann, daß in ihm ein führender Vertreter der Urkundenlehre von erstaunlicher Arbeitskraft
heranwächst, zum a.o. Prof. der Geschichte des Mittelalters und der histor. Hilfswissenschaften ernannt würde. […] Hinsichtlich des Termins der Berufung Zatscheks wird jedoch zu Erwägen sein,
dass das BMU mit Prof. Adalbert Prey (Astronomie) von der Universität Prag in Verhandlungen
wegen der Nachfolge Samuel Oppenheim in Wien steht und Verhandlungen mit dem Prager Prof.
Camillo Praschniker (Archäologie) wegen einer 1930 freiwerdenden Wiener Professur aufzunehmen beabsichtigt. Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen, mit der Berufung Zatscheks
einstweilen noch zuzuwarten, da es gewiss nicht im Interesse des Nachbarstaates und seiner deutschen Minorität gelegen sein dürfte, wenn von der deutschen Univ. in Prag gleichzeitig mehrere
bedeutende Gelehrte nach Wien abberufen werden. Mit Rücksicht auf diese Erwägungen wäre die
Berufung Zatscheks erst zum 1. Oktober 1930 in Aussicht zu nehmen und mit der Einleitung von
Berufungsverhandlungen vorläufig noch etwa bis zum Beginne des Studienjahres 1929/30 zuzuwarten. III. Präliminarmaßnahmen. […] Das BMU […] vermag […] nicht, das Ordinariat, das […]
nach Hirsch frei wird, im Dienstpostenplane in ein Extraordinariat umzuwandeln, wenngleich die
Verköstigung des künftigen a.o. Prof. [Zatschek] […] zunächst aus diesem Ordinariate in Aussicht genommen ist. Das BMU beabsichtigt nämlich, im Zeitpunkte der allfälligen Ersparung eines anderen
Extraordinariates, das jetzt frei gewordene Ordinariat für die alte Geschichte zu widmen und das betreffende, dermalen noch nicht näher bestimmbare, allenfalls entbehrlich werdende Extraordinariat
für die Geschichte des Mittelalters zu widmen. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 17941, 1929.
87 Siehe die stark persönlich gefärbten und respektlosen, dennoch sehr aufschlussreichen Lage-Berichte
Paul Heigls an Zatschek in Abschnitt VII, Nr. 2 und 3. Die beiden kannten sich spätestens seit sie
am IÖG zusammen in einem Zimmer gearbeitet haben: Die Zeiten, in denen ich mit Dr. Heigl und
anderen in einem Zimmer gearbeitet habe, liegen so weit hinter mir, dass ich mir konzentrierte
Arbeit in einem Raum mit anderen zusammen überhaupt nicht mehr vorstellen kann, besonders wenn
auch die Schreibmaschinen zu sprechen beginnen, schrieb Zatschek am 18.03.1933 an Hirsch. IÖG,
Archiv, NL HH. Während Zatscheks Abwesenheit in Wien wurden seine Postangelegenheiten von
Heigl erledigt, zur politischen Richtung der beiden auch Abschnitt V., zu Heigl auch den Beitrag in
diesem Band. Die Wiener Ereignisse wurden selbstverständlich kolportiert. Am 13.11.1929 schrieb
Bernhard Seuffert aus Graz an Srbik u. a.: Redlich muß sich freuen. U(nd) das gönn ich ihm doppelt,
weil er nach hier umlaufenden Gerüchten in der Frage seiner Nachfolge von der Fakultät schlecht
behandelt worden sein soll. Siehe Heinrich Ritter von Srbik. Die wissenschaftliche Korrespondenz
des Historikers 1912–1945, hg. v. Jürgen Kämmerer (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20.
Jahrhunderts 55, Boppard a. Rh. 1988) Nr. 200. Zur Akademie und Hirsch siehe Stoy, Institut (wie
Anm. 13) 42 und 52; ebd. 25f. zu bereits länger anhaltenden Differenzen zwischen Hirsch und
Redlich.
88 Akten von 09.11.1928; 02.03.; 12.03.; 30.03.; 16.04.; 19.04.; 23.04.; 20.06.1929. UAP, DU PA HeZ;
24.10.1928 und 15.04.1929. AAVČR, Of HeZ, Nr. 563; 16.04.; 19.04. und 13.05.1929. Ebd. Nr. 584.
702
Karel Hruza
lich wurde Zatschek von Staatspräsident Tomáš G. Masaryk zum Extraordinarius an
der Prager Deutschen Universität ernannt und gleichzeitig zum Direktor des neuen
Historischen Proseminars bestellt; nach dem Weggang Mayers 1930 wurde zudem
seine Lehrverpflichtung auf die Geschichte des späten Mittelalters unter besonderer
Berücksichtigung der politischen Geschichte erweitert und er mit der Abhaltung der
seminaristischen Uebungen in mittelalterlicher Geschichte betraut89.
Vor seinem Antritt in Prag unternahm Zatschek im August und September 1929
noch eine fünfwöchige Archivreise für die MGH, um danach seine dortige (bezahlte)
Stelle, nicht jedoch seine Mitarbeit, aufzugeben90. Getrieben von dem Wunsch zunächst
als Wiener (Extra-) Ordinarius im IÖG und bei den MGH zu wirken, verharrte Zatschek
für ganze zwei Jahre in einer ungewissen, mit einem Auf und Ab und auch Gerüchten
erfüllten Warteposition in Prag: Die Angelegenheit der Redlich-Nachfolge wurde in
Wien zwar weitergeführt, aber nur zögerlich, mit Unterbrechungen und den (üblichen) Gerüchten. Einfluss für Hirschs Wünsche nahm zudem auch Richard Meister,
der an einem Verbleib Hirschs in Wien interessiert war91. Hirsch stand weiterhin mit
seiner anscheinend beträchtlichen Machtfülle vehement an Zatscheks Seite, führte für
ihn zeitweise persönlich die Verhandlungen mit den Wiener Ministerialbeamten und
hielt sogar Ausschau nach einer freien Wohnung in Wien, wie auch Zatscheks Vater
Nach diesen wurde u. a. zunächst mit einer Ernennung in Prag bereits noch Ende 1928 gerechnet.
– Zatschek an Hirsch am 10.04.1929 u. a.: Ich konnte seinem Schreiben [Wostry] entnehmen, dass
die Gerüchte über die Redlichnachfolge bis nach Prag gedrungen sind. Er äussert Besorgnisse, ob
ich überhaupt nach Prag kommen würde und beabsichtigt nach seiner Rückkehr […] sofort [Franz]
Spina zu mobilisieren. Weitere Details in einem Brief an denselben 23.04.1929. IÖG, Archiv, NL
HH. Ebd. auch Briefe Mayers, die belegen, dass Hirsch von diesem über die Angelegenheit Zatschek
in Prag direkt informiert wurde.
89 Schreiben des Ministeriums für Schulwesen und Volksaufklärung vom 25.05.1929 an Zatschek:
Der Präsident der Republik hat Sie mit Entscheidung vom 16. Mai 1929 zum ausserordentlichen
Professor für historische Hilfswissenschaften […] mit Rechtswirksamkeit vom Tage des tatsächlichen Dienstantrittes [22.04.] an ernannt. Schreiben des Dekanats vom 19.12.1930. AAVČR, Of
HeZ, Nr. 1.Vgl. auch Kolář, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 110f., und Zatschek an Hirsch
23.04.; 11.05.; 24.05. und 25.05.1929; 17.11.1930; 10.01.1931. IÖG, Archiv, NL HH. Der geschäftsführende Direktor des Historischen Seminars blieb bis 1943 Wostry. Zatschek wurde 1930 nicht
– wie oftmals und zuletzt von Stoy, Institut (wie Anm. 13) 224, behauptet – Lehrstuhlnachfolger
von Mayer; der Lehrstuhl, für den auch Brunner im Gespräch war (AAVČR, Of HeZ, Nr. 90 vom
28.03.1930), ging 1933 an Gustav Pirchan.
90 Die Reise führte ihn nach Amsterdam, Utrecht, Köln, Wiesbaden, Ringelheim, Goslar, Münster,
Wolfenbüttel, Mühlhausen, Weimar, Naumburg, Schulpforte, Zeitz und Dresden, siehe seinen Bericht
vom 14.03.1930 an die MGH in: MGH, Archiv 338/51 Nr. 111; die Postkarten an seine Frau in:
AAVČR, Of HiZ, Nr. 26, und auch Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 430,
die angibt, Zatschek hätte auch nach seinem „Ausscheiden“ 1929 „ausgedehnte Archivreisen“ für
die MGH unternommen. Aus dem MGH-Bericht für 1929 Paul Kehrs in: NA 49 (1932) I–XII, hier
IX, und der Korrespondenz Zatscheks ist aber zu erfahren, dass als große MGH-Reise nur diejenige
vom Sommer 1929 stattfand; 1927 war Zatschek nach Berlin gereist, siehe Bericht Kehrs in: NA 48
(1930) VII. Eine Reise im September 1930 in der ČSR stand zuvorderst in Zusammenhang mit seinen
Forschungen zu Přemysliden-Urkunden, auch wenn er dabei Ergebnisse für ein Konrad III.-Diplom
mitbrachte, siehe seinen Bericht an die MGH vom 21.04.1931 in: MGH, Archiv 338/51 Nr. 166f.
91 Siehe Stoy, Institut (wie Anm. 13) 43f., zu Hirschs Möglichkeit, nach Berlin berufen zu werden
31–34.
Heinz Zatschek (1901–1965)
703
in die Berufungsangelegenheit involviert war92. Zatschek ließ sich auch von seinem
mit ihm befreundeten, 14 Jahre älteren IÖG-Kollegen (und Kurs-Kollegen seines
Onkels Albert Hiller) Paul Heigl vertraulich über Wiener Interna informieren und
war neugierig auf Institutstratsch93. Während der ganzen Zeit der parallel laufenden
Bemühungen sowohl in Prag als auch in Wien versuchte Zatschek deutlich, für sich
vor allem in finanziellen Belangen das Beste zu erreichen und dabei in Wien bis zum
Äußersten zu gehen. Die Nervosität wegen der Verhandlungen 1929 und 1930 führte bei Zatschek zu erheblichen, auch sein Verhalten und vermutlich ebenfalls seine
Gesundheit beeinflussenden Anspannungen, was Mayer mehrmals gegenüber Hirsch
brieflich zur Sprache brachte94.
Zatscheks bereits damals erlangtes hohes Ansehen als Wissenschaftler spiegelt
sich auch darin wider, dass er 1929 zusätzlich in Breslau in eine Berufungsliste für
den dortigen Mittelalterlehrstuhl aufgenommen wurde95. Als feststand, dass Mayer
von Prag nach Giessen gehen würde, kamen in Wien Befürchtungen auf, Zatschek
könnte Mayers Nachfolger in Prag werden und für Wien verloren gehen. Der seit
Oktober 1929 als Minister im BMU amtierende Srbik nahm das zum Anlass, Zatscheks
Angelegenheit, wohl auch nach Intervention Meisters für Zatschek, zu beschleunigen.
Dem trat jedoch das BMF zunächst entgegen. Deshalb nahm Srbik mit den zuständigen
Bearbeitern einen klärenden Briefverkehr auf und hob hierbei sowohl die internationale
92 In der Korrespondenz Zatschek-Hirsch 1929–1932 war die Berufung allgegenwärtig, siehe den
Briefwechsel in AAVČR, Of HeZ, Nr. 188; IÖG, Archiv, NL HH.
93 Heigl schrieb ihm mehrmals ausführliche Lage-Berichte, siehe Anm. 87 und Abschnitt VII, Nr. 2 und
3. Auch mit Brunner – für den sich Hirsch 1929 ebenfalls in den Ministerien einsetzte – korrespondierte Zatschek (in sehr sachlicher Weise).
94 Am 08.05.1929: Zatschek befindet sich in einer Psychose und redet sich noch mehr hinein. Er sieht
in jedem einen versteckten Gegner und kombiniert selbst die Argumente, die gegen ihn ausgenützt
werden könnte[n]. […] Wenn er ernannt sein wird, wird dieser Zustand sofort vorbei sein. […]
Also wie gesagt Zatschek ist augenblicklich übernervös und fühlt sich verfolgt, schalte also eine
kleine Korrektur bei der Lektüre seiner Briefe ein, im übrigen werde ich mich schon bekümmern.
Am 07.10.1929: […] neugierig bin ich, was mit Zatschek sein wird. Freilich sollte man wissen,
wie seine gesundheitlichen Aussichten stehen. Ich habe mit Ärzten ohne Namensnennung gesprochen [!], die wissen aber alle zusammen nichts. An und für sich ist er gewiß schwer krank, das sagen alle Ärzte, über die Wirkungen des Insulin haben sie aber noch nicht genügende Erfahrung,
d.h. sie glauben nicht an eine wirkliche Heilung und wissen auch nicht, wie lange das Insulin die
Krankheitserscheinungen paralysieren kann. Seine Gewichtsabnahme im Sommersemester hat in erster Linie gezeigt, daß er eben eine ganz genaue Diät und Pflege braucht. Wie er jetzt aussieht, weiß
ich nicht. Was sein „hochfahrendes Wesen“ anlangt, muß ich sagen, daß ihm dieser Vorwurf meines
Wissens in Prag nicht gemacht wird. Am 22.06.1930: […] Zatscheks Verhalten kann ich nur noch
als krankhaft bezeichnen. IÖG, Archiv, NL HH.
95 Vgl. etwa das Schreiben Hirschs aus Berlin vom 10.08.1929 an Zatschek: Der Breslauer Vorschlag
lautet 1. [Anton] Eitel 2 [Gerhard] Kallen und pari passu Zatschek 3 Santifaller. AAVČR, Of HeZ,
Nr. 188. – Die Breslauer ordentliche Professur wurde schließlich mit Santifaller besetzt, was Mayer
am 20.11.1929 Bauer mitteilte: Also Santifaller ist doch nach Breslau gekommen. Zatschek war doch
sehr peinlich berührt, wenn er auch vorher immer mit dem Gedanken einer Ablehnung gespielt hat.
ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Siehe auch Teresa Kulak, Mieczysław Pater, Wojciech Wrzesiński,
Historia Uniwersytetu Wrocławskiego 1702–2002 [Geschichte der Universität Breslau 1702–2002]
(Wrocław 2002), die 138–152 im relevanten Kapitel nicht genauer auf die Besetzungsvorgänge eingehen; Stoy, Institut (wie Anm. 13) 53.
704
Karel Hruza
Bedeutung des IÖG und seines mit Zatschek gewährleisteten Lehrbetriebes hervor,
wie er auch die Kompetenzen seines Ministeriums in Berufungsfragen unterstrich und
die Dringlichkeit eines Ordinariats für Alte Geschichte zurückstellte. Als Ergebnis
wurden im Juni 1930 die Verhandlungen des BMU mit Zatschek aufgenommen und
dieser reiste selbst zu Konsultationen nach Wien96. Zatscheks präzise ausgearbeiteten
finanziellen Forderungen vom Herbst, die eine Erhöhung seines Nettoeinkommens um
30% verfolgten und wegen der erheblich höheren Lebenshaltungskosten in Wien eine
Beibehaltung seines Prager Realeinkommens bedeutet hätten, stießen aber im BMU
wie im BMF auf Widerstand97. Im Dezember 1930 erhielt Zatschek den Ruf nach
Wien, wobei die Modalitäten hinter Zatscheks Wünschen zurückblieben98. Dennoch
dachte sich Zatschek im Frühjahr 1931 trotz Misstrauens und bestimmter Sorgen,
etwa Dopsch stünde gegen ihn, fast am Ziel99. Er ging schon so weit, dass er – noch
vor seiner Zusage für Wien am 18. März100 – in Prag die Wahl einer Kommission
96 Verweis auf die Prager Situation und Entwurf eines Berufungsschreibens an Zatschek mit Antritt
Studienjahr 1930/31 vom 03.1930, gezeichnet von Srbik, Ministerialrat Dr. Alfred Majer u. a.;
Schreiben des BMF vom 31.03.1930 mit Erinnerung an die in Anm. 86 dargelegte Reservierung des
ehemaligen Hirsch-Ordinariats für die Alte Geschichte usw.; Am 16.05. ersuchte das BMU (Srbik)
das BMF, die Zustimmung zur Einleitung von Verhandlungen mit Zatschek erteilen zu wollen, was
am 04.06. geschah. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 8107, 1930. Zum Beginn der Verhandlungen und
eben diesen ebd., 22014, 1930; 28785, 1930.
97 Zatschek forderte mündlich im Sommer und in einem Brief vom 07.10.1930 und gemäß einem entsprechenden Aktenvermerk des BMU: 1.) Bezüge, die ihm seine bisherige Lebensführung gewährleisten
[…] 2.) 10.000 S für die Erlangung einer [Dreizimmer-] Wohnung. 3.) Anrechnung einer Dienstzeit
seit 1. Jänner 1924 für die Bemessung des Ruhegenusses, 4.) Ersatz der Uebersiedlungskosten für
ihn und seine Frau. Die […] Wünsche erscheinen […] durchaus gerechtfertigt und maßvoll. Dazu
aber der handschriftliche Vermerk: Ich habe gelegentlich einer Unterredung mit Zatschek diesem
gesagt, dass seine Wünsche zu hoch gespannt seien u(nd) ich sie nicht für realisierbar halte, worauf
er besonders auf die billigeren Lebensverhältnisse in Prag verwies. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ,
33193, 1930.
98 Am 24.12.1930 teilte Majer Zatschek mit, daß die österr. Unterrichtsverwaltung in Aussicht nimmt,
im Falle Ihrer endgiltigen Zusage Ihre Ernennung […] unter folgenden Modalitäten zu erwirken
[ohne Angabe des Antrittstermins]: Ein Monatsbezug von 656 S netto (3. Gehaltsstufe anstatt der geforderten 6.; was für Zatschek eine deutliche Einbuße im Realeinkommen bedeutet hätte); Zuschuß zu
den Uebersiedlungskosten […] höchstens […] von 10.000 S.; Anrechnung der Zeit vom 01.01.1924
in einfacher Zählung für die Pension. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 33193, 1930. Zatschek antwortete am 04.01.1931 zunächst mit weiteren Fragen und schloss: […] erbitte ich mir noch eine Angabe,
für welchen Termin das Ministerium meine Ernennung in Aussicht nehmen würde. Wollen Sie noch
die Versicherung entgegennehmen, dass ich nach dem Einlangen Ihrer Antwort Ihnen, so rasch es
mir möglich sein wird, meinen endgültigen Entschluss mitteilen werde. AAVČR, Of HeZ, Nr. 634;
Das BMU nannte ihm den 01.04.1931 als Termin der Ernennung sobald Ihre endgiltige Zusage vorliegt und Ihre Entlassung aus dem tschechoslov. Staatsverband sichergestellt ist. Diese unterblieb
jedoch, da Zatschek noch am 27.03.1931 – wie Dr. Havelka aus Prag Majer mitteilte – nicht um die
Entlassung aus dem Dienste der ČSR ersucht hat; also auch Staatsbürger der ČSR blieb. ÖStA, AdR
BMU PA 281 HeZ, 398, 1931; 11924, 1931.
99 Siehe Zatscheks Brief an Bauer vom 10.01.1931. ÖAW Archiv, NL WB K. 8; und seine Briefe an
Hirsch vom 17.11. und 14.12.1930 und 10.01.1931. IÖG, Archiv, NL HH; sowie Hirschs Antwort
vom 19.01.1931. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188.
100ÖStA, AdR BMU PA 264 Otto Brunner (sic! Für den Hinweis danke ich Reinhard Blänkner). Revers:
AAVČR, Of HeZ, Nr. 468.
Heinz Zatschek (1901–1965)
705
für seine Nachfolge beantragte, die tatsächlich auch eingesetzt wurde101. Schließlich
musste er aber im Frühsommer – längere Zeit von einer Krankheit geplagt, die ihm
keine größere Bewegungsfreiheit erlaubte und über die Hirsch Auskunft erbat – zur
Kenntnis nehmen, dass seine Forderungen, nämlich den Wechsel möglichst ohne
finanziellen Verlust und zu dem von ihm auch aus Krankheitsgründen gewünschten
1. Oktober 1931 zu vollziehen, von den zuständigen Ministerien nicht erfüllt werden
würden und auch Hirsch letztlich mit seiner Geduld am Ende war102. Dass seine, von
ihm bewusst verschwiegene Diabeteserkrankung wie seine Krankheit vom Frühjahr
zu einem entscheidenden Faktor wurden, hat ihn offensichtlich gekränkt. Am 22. Juni
1931 hat er schließlich seine Zusage vom 18. März verbittert zurückgenommen103. Die
ganze Angelegenheit hatte zuletzt auch eine in der Korrespondenz erkennbare, freilich
nur kurzzeitige Entfremdung zwischen Zatschek und Hirsch zur Folge, da letzterer
sich – wohl zu Recht – von Zatschek ausgenutzt fühlte, für den er ein erhebliches
Risiko eingegangen war104.
Die folgenden zehn Jahre fand Zatscheks Karriere an der Deutschen Universität
in Prag statt, wo er noch 1930 vom Ministerium zum Mitglied der „Deutschen wissenschaftlichen Prüfungskommission für das Lehramt an Mittelschulen“ für das Fach
Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften ernannt und in die
„Universitäts-Archivkommission“ in Nachfolge Mayers zugewählt wurde105. Im folgenden Jahr versuchte er gemeinsam mit Wostry, ein Seminar für Wirtschafts- und
Siedlungsgeschichte an der Universität zu installieren, als dessen Leiter Josef Pfitzner
vorgesehen war. Das Vorhaben scheiterte jedoch aus Mangel an finanziellen Mitteln106.
Am 31. Juli 1934 entschied der Präsident der ČSR, Zatschek rückwirkend zum 1.
Juli zum ordentlichen Professor für historische Hilfswissenschaften und allgemeine
Geschichte des Mittelalters zu ernennen107; den Antrag dazu hatte die Philosophische
Fakultät bereits im Mai 1930 an das zuständige Ministerium gestellt, um den Ausfall
101Siehe Tagesordnung der V. Sitzung des Professorenkollegiums der philosophischen Fakultät der
Deutschen Universität in Prag vom 05.03.1931. AAVČR, Of HeZ, Nr. 787. In der Sitzung wurde die
Kommission aus Wostry, Gierach, Alois Grünwald, Arthur Stein und Pfitzner eingesetzt, siehe die
Einberufungsaufforderung vom 24.03.1931. UAP, DU PA HeZ.
102Schreiben Hirschs an Zatschek vom 25.02.1931. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188.
103ÖStA, AdR BMU PA 264 Otto Brunner; AAVČR, Of HeZ, Nr. 468.
104Hirsch an Zatschek am 25.06.1931: Ich kann Ihre endgültige Ablehnung tief bedauern, aber nicht
mehr ändern. Auch ich stehe nun am Ende meiner Nervenkraft und die zwei Besuche im Ministerium
waren durchaus nicht erfreulich. Doch möchte ich Ihnen vom ganzen Herzen wünschen, dass die
Besorgnisse wegen Ihrer Gesundheit nicht zutreffend sind, dann werden Sie den Ausfall der Wiener
Berufung auch nicht zu beklagen haben. Darüberhinaus versprach er, die Form der Ablehnung [durch
Zatschek] so [zu] regeln […], dass nicht auch für die Zukunft ein Stein des Anstosses übrig bleibt.
AAVČR, Of HeZ, Nr. 188.
105AAVČR, Of HeZ, Nr. 1. Siehe zu Zatscheks Ämtern und Aufgaben auch: Personalstand der
Deutschen Universität in Prag zu Anfang des Studienjahres 1937–1938, hg. v. Akademischen Senate
(Prag [1937]) 4, 34, 67, 83. – Ab dem 1. Juli 1932 erfreute ihn zudem eine Gehaltserhöhung.
106UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 827 Sign. J6 Historisches Seminar, Akten vom 02.03. (Zatscheks und
Wostrys Antrag) und 12.04.1933 (Ministerium an Dekan) und weiteres Material.
107Schreiben vom 19.09. und 05.10. und 06.10.1934 an Zatschek. AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; UAP, DU
PA HeZ.
706
Karel Hruza
Mayers auszugleichen108. Weitere Pflichten und Ämter, die mit einer akademischen
Laufbahn verbunden sind, folgten109: Mitglied im „Kulturverband“, 1933 Mitglied im
Ausschuss des VGDB110; 1935 Mitglied der „Reifeprüfungskommission“ und Lehrer
für Methodik der Geschichte und Bürgerkunde (1936 noch: Vaterlandskunde und
Staatsbürgerliche Erziehung); 1936 dann Mitglied des Lehrkörpers (Fach Geschichte)
an der „staatlichen pädagogischen Akademie mit deutscher Unterrichtssprache in Prag“;
1936 wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Abteilung der „Deutschen
Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik“
(seit 1941: Deutsche Akademie der Wissenschaften in Prag) und deren „Historischer
Kommission“111; 1940 Mitglied der „Historischen Kommission“ der „Sudetendeutschen
Anstalt für Landes- und Volksforschung“ in Reichenberg (Liberec)112. Zumindest 1937
saß Zatschek auch im von Wostry geleiteten universitären „Ausschuß für volkstümliche
Hochschulkurse“113.
Als Professor war Zatschek in Promotions- und Habilitationsverfahren involviert,
die allgemein als Indikatoren für bestimmte politisch-gesellschaftliche Strömungen
gelesen werden können. Ein Beispiel sei angeführt: 1931/2 unternahm die 1898 geborene Historikerin Käthe Spiegel, Tochter des bekannten Prager Juristen Ludwig
Spiegel, den Anlauf zu einer Habilitation114. Sie hatte in Prag seit dem WS 1917 bei
Steinherz, Stein, Heinrich Swoboda, Weber und Emil Werunsky Lehrveranstaltungen
besucht und ihre hilfwissenschaftliche Ausbildung bei Steinacker und vor allem bei
Hirsch erhalten und wurde 1921 bei Steinherz und Weber promoviert115. Spiegel unternahm weitere Studien in Wien und Genf und forschte 1927–1929 als Fellow der
Rockefeller-Foundation in den USA. Das daraus resultierende, als Beheift der HZ
gedruckte Werk reichte sie als Habilitationsschrift im Oktober 1931 in Prag ein116,
wobei ihr Habilitationsverfahren gleichzeitig mit jenem Anton Ernstbergers durchgeführt wurde. Da im Dezember 1932 sowohl das Gutachten über ihre Studie als
auch der Antrag der zuständigen Kommission (Wostry als Referent, Pfitzner, Stein,
108Schreiben vom 30.11.1935. UAP, DU PA HeZ.
109Siehe: BAB, R 4901/13281 Hochschullehrerkartei, Karteikarte HeZ.
110MVGDB 71 (1933) 159–164 Bericht über die Tätigkeit des Vereines im 70. Vereinsjahre (1932), hier
164 Neuwahlen des Vereinsvorstands und -ausschusses am 26.06.1933.
111AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; Ebd. Of Wilhelm Wostry, Nr. 445 (Antrag auf Wahl Pirchans und Zatscheks
zu außerordentlichen [!] Mitgliedern vom 27.11.1932).
112Siehe Ota Konrád, Die Sudetendeutsche Anstalt für Landes- und Volksforschung 1940–1945.
„Wissenschaftliche Gründlichkeit und völkische Verpflichtung“, in: Die „sudetendeutsche
Geschichtsschreibung“ 1918–1960 (wie Anm. 6) 71–95, hier 77. Anscheinend hinterließ Zatschek
keine Spuren einer Tätigkeit innerhalb der Kommission.
113Personalstand 1937–1938 (wie Anm. 105) 4.
114Zu ihrer Biografie siehe wie auch im Folgenden grundlegend Gerhard Oberkofler, Käthe Spiegel.
Aus dem Leben einer altösterreichischen Historikerin und Frauenrechtlerin in Prag (Innsbruck/Wien/
Bozen 2005), hier Kap. III und VIIIf. und die Dokumente 112–129. – Zu von Zatschek betreuten
Dissertationen siehe Abschnitt IV.
115Ihre Dissertation über die Prager Universität wurde von Wostry in die MVGDB aufgenommen:
Käthe Spiegel, Die Prager Universitätsunion (1618–1654), in: MVGDB 62 (1924) 5–94.
116Käthe Spiegel, Kulturgeschichtliche Grundlagen der amerikanischen Revolution (HZ Beiheft 21,
München/Berlin 1931).
Heinz Zatschek (1901–1965)
707
Zatschek und Viktor Ehrenberg) positiv ausfielen, konnte sie mit einer Fortsetzung
ihrer Habilitation rechnen. Während jedoch Ernstberger 1933 habilitiert wurde, beschloss die Fakultät unter Dekan Ernst Otto, den Antrag der Kommission, Spiegel zu
den weiteren Stadien der Habilitation zuzulassen, abzulehnen117.
Spiegel versuchte 1936 noch einmal, sich zu habilitieren. Ihr neues Werk über
Wilhelm Egon von Fürstenberg wurde in NS-Deutschland von Max Braubach und
Franz Steinbach zum Druck gebracht und von ihr als Habilitationsschrift in Prag
vorgelegt118. Zatschek gehörte erneut der im Juni 1936 eingesetzten Kommission an,
neben ihm Pfitzner, Pirchan, Wostry und als Referent Spiegels „Kollege“ Ernstberger.
Dieser wollte in seinem Gutachten, für das er selbst umfangreiche Studien betrieben
haben muss, eine wissenschaftliche „Hinrichtung“ Spiegels exerzieren. Es bleibt die
Feststellung, dass es das offensichtliche Streben Ernstbergers war, in durchaus bösartiger Absicht auf Fehlersuche zu gehen, um Spiegel für immer aus der akademischen Prager Gemeinschaft auszuschließen, da er vehement an den Grundfesten ihrer
Wissenschaftlichkeit rüttelte119.
Im November 1936 lehnte das Professorenkollegium Spiegels Ansuchen um
Habilitation erneut ab. Treffend resümiert Gerhard Oberkofler: „Die akademische
Laufbahn, die der begabten Käthe Spiegel in den zwanziger Jahren noch offen gestanden war, blieb ihr jetzt durch die Niedertracht der zur Naziideologie übergelaufenen Professoren verschlossen. Aber es sollte für Käthe Spiegel noch weit
schlimmer kommen.“120 Nachdem sie im Januar 1939 an ihrer Arbeitsstelle in der
Universitätsbibliothek zeitweise beurlaubt wurde, verlor sie ein Jahr später endgültig
ihren Arbeitplatz. Als Leiter der Bibliothek amtete damals Zatschek. Im Oktober 1941
wurde Käthe Spiegel wegen ihrer jüdischen Abstammung aus „rassischen“ Gründen
nach Polen deportiert und dort ermordet121. Es war für die immer mehr völkisch
und nationalsozialistisch gesinnten Kommissionsmitglieder noch nicht 1932, aber
dann 1936 unannehmbar, einer Frau, zudem jüdischer Abstammung, die sich darüber
hinaus für Rechte der Frauen eingesetzt hat, die venia legendi zu erteilen und sie
zur „Kollegin“ im Lehrkörper zu erheben. Zatschek hat, davon kann wegen seiner
117Siehe Oberkofler, Spiegel (wie Anm. 114) 69, 112–119 die zwei Gutachten vom Dezember 1932.
118Käthe Spiegel, Wilhelm Egon von Fürstenberg’s Gefangenschaft und ihre Bedeutung für die
Friedensfrage 1674–1679 (Rheinisches Archiv 29, Bonn 1936).
119Druck des Gutachtens bei Oberkofler, Spiegel (wie Anm. 114) 119–129. – Ergänzend zu Oberkofler
sei angeführt, dass sich der 1894 geborene sudetendeutsche Ernstberger nach einem Jura-Studium in
Prag und Wien und einer zweijährigen Tätigkeit bei Gericht dem Geschichtsstudium zuwandte und
1926 bei Mayer zu Wallenstein promoviert wurde. Anschließend ging er als Stipendiat nach Wien und
London (1930/31 Rockefeller-Stipendium). Später trat er der SdP und der NSDAP bei, siehe gänzlich
apologetisch Walter Fuchs, Anton Ernstberger 1894–1966, in: Jb. für fränkische Landesforschung 27
(1967) 1–14; Hans Liermann, Anton Ernstberger 22.11.1894–15.10.1966, in: Bayerische Akademie
der Wissenschaften Jb. 1967, 185–191; Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen
Länder 1: A–H, hg. v. Heribert Sturm (Müchen/Wien 1979) 317f.
120Oberkofler, Spiegel (wie Anm. 114) 88.
121Karel Hruza, Ein vergeblicher Hilferuf: Der Brief Käthe Spiegels an den Rektor der Deutschen
Karls-Universität in Prag vom 11. Oktober 1941 (erscheint in: Bohemia. Zs. für Geschichte und
Kultur der böhmischen Länder 48 [2008]).
708
Karel Hruza
politischen Gesinnung ausgegangen werden, die jeweiligen Beschlüsse mit seiner
Unterschrift nicht nur ermöglicht, sondern auch inhaltlich mitgetragen. Aber auch
„arische“ Frauen hatten im konservativen männerbündlerischen Milieu der deutschen
Prager Hochschullehrer immer noch den Stand der nur im Hintergrund zu verbleibenden „gnädigen Frau“, der am Ende eines Briefes „Handküsse“ übersandt wurden122.
Nicht zuletzt konnte selbst eine Professorengattin zur Angriffsfläche werden, wenn
es galt, dem Herrn Professor „eins auszuwischen“, wie es auch unversehens dem
Ehepaar Zatschek geschah123. Die abschätzigen Bemerkungen blieben den Zatscheks
höchstwahrscheinlich verborgen, und Zatschek fiel es anscheinend nicht schwer, später
selbst über andere Professorengattinnen beleidigende Worte zu verlieren124.
Im Studienjahr 1937/38 übernahm Zatschek bei Herabsetzung seiner
Lehrverpflichtung das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät125, weil der
Althistoriker Ehrenberg wegen seiner jüdischen Abstammung auf das Amt verzichtet
hatte, um Proteste völkischer Professoren (und Studenten) zu vermeiden126. Zatscheks
Funktionsperiode wurde bereits von politischen Ereignissen durchkreuzt und bestimmt,
und das nachfolgende Studienjahr 1938/39 fand wegen der Aggressionspolitik sowohl
des Dritten Reiches als auch der Sudetendeutschen unter massiven Veränderungen
statt, so dass ein ruhiger geregelter Studienbetrieb nicht möglich war127, wie auch die
Amtsübergabe an den auf Zatschek folgenden Dekan Karl Maria Swoboda außerordentlich verlief, da Zatschek während der „Sudetenkrise“ nach Wien „flüchtete“ und
sich auch Swoboda in der Stadt befand128.
122Siehe Kolář, Brutstätte (wie Anm. 65) 123: „Für die überwiegend konservativ gesinnte
Prager Professorenschaft scheint die Trennung der Geschlechter im rein männlich dominierten
Universitätsbetrieb grundlegend gewesen zu sein, was auch anhand der Tatsache deutlich wird, dass
sich nicht nur im Fach Geschichte, sondern in der Philosophischen Fakultät der Prager deutschen
Universität keine einzige Frau habilitierte.“ An der tschechischen Universität gab es dagegen 1928
die erste Habilitation einer Frau. Siehe zu diesem Thema auch den Beitrag zu Mathilde Uhlirz in diesem Band.
123Mayer ließ sich mehrmals über die Zatscheks aus, so gegenüber Hirsch am 22.06.1930: Schade ist
[es] um Zatschek, aber wie gesagt, man muß ihn als Kranken nehmen. Daneben wirkt wohl auch der,
wie ich jetzt glaube, nicht geringe Einfluß seiner Frau, für die ich wieder zu unserem ersten Urteil zurückkehren möchte, nämlich, daß sie strohdumm ist. IÖG, NL HH. Gegenüber Bauer am 15.06.1930
über Hilde Zatschek: Hirschens Urteil über sie lautete zuerst auf: Dumme Nocken. Mein Urteil war
ähnlich. ÖAW Archiv, NL WB K. 4.
124Siehe Abschnitt V.
125Schreiben vom 19.07. und 22.09.1937. AAVČR, Of HeZ, Nr. 1; Nr. 563, dazu und Nr. 783.
04.09.1937. UAP, DU PA HeZ. Siehe auch: Dějiny univerzity Karlovy 4 (wie Anm. 31) 590. Siehe
auch Personalstand 1937–1938 (wie Anm. 105) 2, 29.
126Am 19.07.1937 schrieb Zatschek an Hirsch: […] Sie [Wahl zum Dekan] kam verfrüht und überraschend; ich wäre am allerwenigsten auf den Gedanken gekommen, dass Ehrenberg für dieses Jahr
verzichten würde, damit nicht 3 Fakultäten jüdische Dekane bekommen. IÖG, Archiv, NL HH. Zu
Ehrenberg vgl. Kolář, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 65) 94–96.
127Siehe grundlegend Míšková, Německá univerzita (wie Anm. 31) 213–215, und dies., Německá
(Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 28–56.
128Siehe dazu Abschnitt V. Zatschek schrieb am 24.09.1938 an die Prager Universitätsleitung: Ich habe
in Wien mit dem künftigen Dekan, Herrn Professor Swoboda, ausgemacht, dass wir die Uebergabe
der Dekanatsgeschäfte um einige Tage verspätet vornehmen, da er hier mit der Auflösung sei-
Heinz Zatschek (1901–1965)
709
Zatschek exponierte sich seit 1938 als nationalsozialistisch politisierter Professor
und engagierte sich maßgeblich bei der in der ČSR zunächst noch freiwillig, später „offiziell“ vollzogenen „(Selbst-) Gleichschaltung“ der Universität und der fast reibungslosen Integration der Lehrenden in den NS-Machtapparat129. Alsbald wirkte er auch als
„Referent des Amtes für Wissenschaft“ und als „kommissarischer Leiter der Hauptstelle
für Presse und Kultur“ des NSD-Dozentenbundes in Prag. Anscheinend bestanden
keine Skrupel, diejenigen Lehrstühle sogleich neu zu besetzen, die durch die schnelle
Flucht vereinzelter Professoren „frei“ geworden waren, da diese Wissenschaftler wegen
ihrer jüdischen Abstammung oder politischen Orientierung Repressalien zu erwarten
hatten130. Im Gegenteil: Von der Errichtung der NS-Diktatur und des Protektorates
Böhmen und Mähren versprach sich Zatschek große Vorteile sowohl für seine eigene „wissenschaftliche“ Arbeit und Karriere als auch für die Philosophische Fakultät
der Deutschen Universität, die er in anständiger Weise einem Umbau unterzog und
beispielsweise versuchte, eine Professur für Volksforschung einrichten zu lassen131.
ner Wohnung noch zu tun hat und die Dekanatgeschäfte zur Zeit unbedeutend sein werden. UAP,
DU PA HeZ. Zu Swoboda siehe Sigrid Canz, Karl Maria Swoboda (1889–1977) Kunsthistoriker.
Wissenschaftler zwischen Wien und Prag, in: Prager Professoren (wie Anm. 23) 175–190.
129Davon zeugt etwa eine Verhandlungsschrift über eine Besprechung der Mitglieder der Philosophischen
Fakultät der Deutschen Karlsuniversität, Prag, vom 09.02.1939 (!), in der u. a. festgehalten wurde:
Der Dekan [Swoboda] kennzeichnet die einzelnen neuen Aufgaben, die unserer Hochschule aus ihrer inneren Umgestaltung erwachsen. In der Frage der Südostausrichtung unseres Lehrbetriebes
betont der Referent des Amtes für Wissenschaft und des NSD-Dozentbundes Prof. Zatschek, dass damit keine Einengung, sondern eine wesentliche Erweiterung unserer Lehr- und Forschungsaufgaben
gegeben sei; überdies mögen alle Fachgruppen grundsätzlich die Bedeutung des Volkstums und der
Volksgeschichte berücksichtigen […]. Prof. Zatschek erörtert weiter die Grundlinien einer planvollen grosszügigen Ausgestaltung des gesamten Vorlesungsbetriebes; dabei gilt es […] Themen
für Einzelvorlesungen und für Vorlesungsreihen über Gegenwartsfragen für Hörer aller Fakultäten
festzulegen. Der Referent selbst schlägt dann für jedes einzelne Fach eine Reihe von Themen vor
[…]. Für das nächste Wintersemester ist eine Gemeinschaftsvorlesung der in Betracht kommenden Fachprofessoren über die Rolle des Judentums vorgesehen; ebenso ist eine Vorlesung über die
Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung in Aussicht genommen. […] Prof. Zatschek
erörtert die Frage der Ergänzung der Dozentenschaft nach der persönlichen und sachlichen Seite
hin und gibt eine eingehende Uebersicht über die erforderlichen Besetzungsvorschläge für die freigewordenen dreizehn Lehrkanzeln. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 891. Siehe zur Gleichschaltung
auch Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 37–82; dies., Die Deutsche Universität
im Zweiten Weltkrieg, in: Universitäten in nationaler Konkurrenz (wie Anm. 65) 177–193, hier 180–
184, dies., Die „Arisierung“ an der Deutschen Universität Prag, in: Wissenschaft in den böhmischen
Ländern (wie Anm. 36) 97–106.
130U. a. aus einer Sitzung vom 09.02.1939 ging ein Bericht über die Personalerfordernisse der philos. Fakultät der Deutschen Universität in Prag hervor, den Dekan Swoboda am 23.03. an das zwischenzeitlich zuständige REM nach Berlin sandte. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 891–897; BAB, R
4901/13487. – Zu Zatscheks Ämtern siehe seinen Lebenslauf von 1940 in seinen Berufungsunterlagen
für Wien. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A (Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien).
131Unter den geforderten Professuren vom 09.02.1939 waren auch die Fächer Rassenkunde und
Volksforschung, letztere sollte Hans Joachim Beyer erhalten. Dieser war im Frühjahr 1939 wegen politischer Intrigen im Deutschen Ausland-Institut Stuttgart entlassen worden; sein Habilitationsverfahren
kam Ende des Jahres zum Abschluss, siehe Karl Heinz Roth, Heydrichs Professor. Historiographie des
„Volkstums“ und der Massenvernichtungen. Der Fall Hans Joachim Beyer, in: Geschichtsschreibung
710
Karel Hruza
Zusätzliche Bewegung in Zatscheks ereignisreiches Jahr 1939 brachten ein Ruf nach
Marburg an der Lahn (Professur für Mittlere und Neuere Geschichte) und ein Ruf nach
Graz (Professur für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften)132.
Bei der Feier aus Anlass des 60. Geburtstages seines Lehrers Hirsch am 19. Januar
1939 in Wien durfte Zatschek, der als Prodekan zusammen mit Pfitzner offiziell von
der Prager Universität entsandt worden war, als dritter Redner nach dem Wiener Dekan
und Rektor und vor dem eigentlichen Festredner Mayer auftreten133.
Der im Sommer 1939 durch den Prager Gau-Dozentenbundsführer Konrad
Bernhauer gehegte Plan für eine linientreue nationalsozialistische Universitätsleitung
mit einem Prorektor Zatschek konnte nicht umgesetzt werden. Dieser Plan wie auch
der Wunsch Zatscheks, das Amt des Dekans zu übernehmen, scheiterte an den
Vorbehalten des amtierenden Rektors Ernst Otto134. Als am 4. November im Prager
Ständetheater im Beisein u. a. des Reichsministers Bernhard Rust, des Reichsprotektors
Konstantin von Neurath und des Staatssekretärs Karl Hermann Frank eine Feier aus
Anlass der am 1. September erfolgten Übernahme der Deutschen Universität in die
Verwaltung des Deutschen Reiches abgehalten wurde, saß Zatschek in den vorderen
Reihen des Publikums135. Nach Schließung der tschechischen Hochschulen durch den
Reichsprotektor am 17. November 1939 wurde Zatschek von diesem am 22. Dezember
mit der Aufsicht über die Institute der Philosophischen Fakultät der tschech(ischen)
Universität in Prag beauftragt136. In dieser politischen Funktion als kommissarischer
Verwalter verhielt sich Zatschek zwar kontrollierend, ließ eine Inventarisierung durchführen und von den Instituten der – von Hitler noch im November in „Deutsche KarlsUniversität“ umbenannten – Deutschen Universität angeforderte Bücher ausfolgen,
als Legitimationswissenschaft 1918–1945, hg. v. Peter Schöttler (Frankfurt/M. 1997) 262–342, hier
280–285.
132Siehe Zatscheks Lebenslauf von 1940 in seinen Berufungsunterlagen für Wien. UAW, Phil. Fak.
Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A; BAB, (ehem. BDC) REM, Karteikarte HeZ.
133Diese vorläufige Rednerfolge teilte ihm Brunner am 09.01.1939 mit. Als weitere Redner waren
Srbik, Hans Sedlmayr, Pfitzner und Pivec vorgesehen. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Siehe auch Stoy,
Institut (wie Anm. 13) 186–188.
134Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 65f. Insgesamt sind die internen Vorgänge
und Gruppierungen an der deutschen Prager Universität und insbesondere ihrer Philosophischen
Fakultät 1939–1941 nicht ganz durchschaubar und bedürfen einer eingehenden Untersuchung.
135Er ist zu sehen in der zweiten Reihe im Parkett sitzend auf der Fotografie „Feierliche Übernahme der
ältesten deutschen Universität […] am 4. November 1939. Blick von der Bühne in den Zuschauerraum“
in: Wolfgang Wolfram von Wolmar, Prag und das Reich. 600 Jahre Kampf deutscher Studenten
(Dresden 1943) Bilderanhang; ebd. 666f. und 669 zur Feier. Siehe auch: Feier der Übernahme der beiden deutschen Hochschulen zu Prag in die Verwaltung des Großdeutschen Reiches am 4. November
1939 (Brünn/Prag/Leipzig 1940), mit den gehaltenen Reden; Helmut Heiber, Universität unterm
Hakenkreuz II: Die Kapitulation der hohen Schulen. Das Jahr 1933 und seine Themen 2 (München
u. a. 1994) 104. – Am 03.11.1939 hatte Zatschek ein Exemplar seiner gerade rechtzeitig für den
Festakt erschienenen „Reichsuniversität in Prag“ (Studien zur Geschichte der Prager Universität bis
1409 [mit 7 Tafeln], hg. v. Heinz Zatschek, in: ZSG 3 [1939] 81–128; als Separatum erschienen mit
dem Obertitel: Die Reichsuniversität in Prag) an Frank gesandt und erhielt wenige Tage später ein
Dankschreiben aus dessen Kanzlei. Der Briefwechsel vom 03. und 06.11.1939 in NA Praha, ÚŘP-ST
109-12-22.
136AAVČR, Of HeZ, Nr. 603.
Heinz Zatschek (1901–1965)
711
griff aber anscheinend nicht in größerem Ausmaß auf das Eigentum der Institute zu und
erlaubte den tschechischen Wissenschaftlern, ihre Arbeitsunterlagen abzutransportieren. Der vor der Universitätsschließung im begonnenen WS 1939/40 amtierende Dekan
der tschechischen Philosophischen Fakultät, der Orientalist Jan Rypka, der Zatschek
als Ansprechpartner diente, dankte diesem 1940 schriftlich für dieses Vorgehen137.
Dementsprechend erinnerte sich auch Zdeněk Kalista an eine „faire“ Behandlung bei
seinem „Rausschmiss“ aus der Fakultät zu Beginn des Jahres 1940138, und sogar der
den deutschen Professoren wenig zugetane Václav Vojtíšek gab später eine ähnliche
Einschätzung139.
Die im November 1939 von deutschem Militär und Polizei besetzte Prager
Universitätsbibliothek im Klementinum nahm im Dezember den Betrieb wieder auf.
Die Aufsicht über die Bibliothek wie auch über diejenige der Prager Technischen
Hochschulen wurde dem im Bibliothekswesen erfahrenen Zatschek als kommissarischem Leiter anvertraut, der dem Reichsprotektor unterstand, also direkte Anweisungen
der deutschen Protektoratsstellen erhielt und diese mit dem Ziel umsetzen sollte, „die
deutsche Einflussnahme auf den Betrieb“ zu fördern140. In dieser Funktion der zentralen Schnittstelle zwischen Reichsprotektor und der weiter bestehenden tschechischen Bibliotheksverwaltung erhielt Zatschek Informationen über alle entscheidenden
137Siehe zum Brief Rypkas Abschnitte V und VII, Nr. 5 (Druck).
138Zdeněk Kalista, Po proudu života [Im Strom des Lebens] 2 (Brno 1996) 486.
139H.Z. wurde zum Kommissar der tschechischen philosophischen Fakultät ernannt und beteiligte sich
an der Inventarisierung ihres Eigentums und ihrer Einrichtungen […]. Damals verwaltete ich das
Seminar für historische Hilfswissenschaften. H.Z. und ich benahmen uns zurückhaltend, er fast passiv. So soll er sich auch in den anderen Instituten benommen haben, und ich weiß, dass der Dekan
der tschechischen philosophischen Fakultät Prof. Dr. Jan Rypka es für angebracht hielt, ihm schriftlich zu danken. AAVČR, Ústřední archiv ČSAV 63/74, Vojtíšek an Gerda Blaschej 25.03.1966,
16. Zatscheks Freundlichkeit gegenüber den tschechischen Kollegen sollte nicht überbewertet werden. Am 17.11.1942 bat er etwa den deutschen Dekan Erich Hofmann bei Herrn Dekan R i p k a
die Uebergabe des hilfswissenschaftlichen Apparats Prof.Dr. Vojtišeks erwirken zu wollen. Die in
Eisenschränken aufbewahrte Sammlung ist nicht mit dem Büchereigentum des ehemaligen tschechischen historischen Seminars in unseren Besitz übergegangen; wo sie sich jetzt befindet, ist unbekannt. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 833. Das paläographische Material aus dem Seminar der historischen Hilfswissenschaften war in einem Hause in der Trojangasse untergebacht, wie Hofmanm
und Zatschek aus einem Schreiben vom 02.12.1942 erfuhren. AAVČR, Of HeZ, Inv.-Nr. 584.
140Vgl. Robert Luft, Das Bibliothekswesen in Böhmen und Mähren während der nationalsozialistischen Herrschaft 1938–1945, in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 30
(1989) 295–342, hier 328f., und das Schreiben des Reichsprotektors an Zatschek vom 10.01.1940:
AAVČR, Of HeZ, Nr. 603. Im November 1940 wurde Josef Becker zum „deutschen Kommissar
der National- und Universitätsbibliothek und der Bibliothek der Technischen Hochschulen in Prag“
eingesetzt, einige Agenden wurden aber trotzdem von Zatschek weitergeführt. – An Hirsch schrieb
Zatschek am 12.01.1940: […] ich bin Kommissar der tschechischen philosophischen Fakultät und
die Universitätsbibliothek sowie die der technischen Hochschulen sind mir unterstellt. Nach etlichen
Besprechungen habe ich heute übernommen und werde bestrebt sein, die Schäden gutzumachen, die
das Deutschtum erlitten hat, und zu verhindern, dass Beamte aus dem Altreich mit Riesengehältern
hergesetzt werden und die armen deutschen Beamten, die am Hungertuch nagen, wieder in zweite
Reihe gedrängt werden. Es mag genügen, dass dieser unerträgliche Zustand an den Hochschulen
eingeführt worden ist. […] ich komme zweifellos mit den Kräften des Protektorats und Sudetengaues
aus. IÖG, Archiv, NL HH.
712
Karel Hruza
Angelegenheiten141. In der Bibliothek ließ Zatschek im Frühjahr 1940 in verhältnismäßig problemloser Zusammenarbeit mit dem verbliebenen tschechischen Generaldirektor
Jindřich Hrozný eine „erfolgreiche“ Generalrevision aller Abteilungen durchführen und
mittels einer Generalreklamation ausgeliehene und wegen der Bibliotheksschließung
noch nicht zurückgestellte Bücher zurückfordern sowie akribisch nach unauffindbaren
Büchern fahnden. Ebenso wurde eine Reorganisation der Bibliothek vollzogen142. Die
Generalrevision diente freilich zuvorderst politischen und Zensurzwecken: Zatschek
schuf die Abteilung „Unter Verschluß“ für „verbotene Werke“, die vom Wiener Franz
Stuchlik geführt wurde, der sich als fleißiger Informant des SD entpuppen sollte. Die
Abteilung übernahm und verzeichnete „unerwünschtes und schädliches Schrifttum“
der Bibliothek und schloss im Februar 1941 ihre Tätigkeit ab143.
Die Bibliothek war für Tschechen seit dem Januar 1940 „zugänglich“: Sie mussten bei Zatschek persönlich Passierscheine beantragen, die nach Prüfung von ihm
ausgestellt wurden. Bei bestimmten „Problemen“ mit verbotener Literatur holte sich
Zatschek Rat von seinem Wiener Freund und „Kollegen“ Heigl, der zwischenzeitlich
zum Generaldirektor der dortigen Nationalbibliothek ernannt worden war und ihm nahe
legte, lieber schärfer als milder vorzugehen144. Klage führte Zatschek über das sich in
141Er war informiert über: Zwangspensionierung jüdischer Mitarbeiter, Beibringung der Abstammungs­
erklä­rungen aller Mitarbeiter, Vernichtung von Bildern, Büsten u.ä. von Persönlichkeiten, die an
dem Auf­bau der ehem. Tschechoslovakei beteiligt waren, und andere Maßnahmen des deutschen
Besatzungs­regimes. AAVČR, Of HeZ, Nr. 789.
142Vom 11.01. bis zum 30.03.1940 wurde unter Hrozný die „Generalrevision“ durchgeführt und der
achtseitige Schlussbericht vom 24.05. auch an Zatschek gesandt. Die Initiative ging von deutschen
Protektoratsstellen aus. AAVČR, Of HeZ, Nr. 789.
143Siehe den Schriftverkehr: AAVČR, Of HeZ, Nr. 789, und vgl. Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 98 und 120, Anm. 63–65. Am 15.07.1940 schrieb SS-Sturmbannführer Martin Wolf
vom SD-Leitabschnitt Prag an Zatschek u. a.: SS-Gruppenführer Frank brachte […] zum Ausdruck,
daß eine Wiedereröffnung der Bibliothek für die Öffentlichkeit erst dann erfolgen darf, wenn der
gesamte Buchbestand der Bibliothek von deutschfeindlichem Schrifttum gesäubert ist. Eventuellen
Argumenten, mit denen Oberdirektor Hrozný eine Sonderabteilung (z. B. Nationalbibliothek) von
der Säuberung ausnehmen will, ist nicht stattzugeben. […] Ich bitte Sie, […] unverzüglich dem
Oberdirektor Hrozný die Anordnung zu geben, […] sofort mit der Säuberung des ihnen unterstehenden Buchbestandes zu beginnen. Die Abteilungsleiter scheiden […] das deutschfeindliche Schrifttum
[…] aus und legen es täglich dem Pg. Stuchlik zum endgültigen Entscheid vor. […] Auszuscheiden
ist: 1./ Das gesamte marxistische Schrifttum, 2./ sämtliche Schriften von und über Beneš, 3./ das gesamte Legionärsschrifttum, 4./ jüdisches und zersetzendes Schrifttum […], 5./ die gesamte reichsund deutschfeindliche Literatur. AAVČR wie oben.
144Am 26.09.1940 schrieb Zatschek an Heigl u. a.: Vermutlich ist die Kunde an Ihr Ohr gedrungen, dass
mir seit Jahresbeginn die National- und Universitätsbibliothek und die Bibliothek der technischen
Hochschulen in Prag als Kommissar unterstellt sind. Und in dieser Eigenschaft bitte ich Sie um eine
Auskunft. Es haben auch alle wissenschaftlichen Büchereien im Protektorat die Weisung erhalten,
das französische und britische (sic!) schöngeistige Schrifttum auf Kriegsdauer unter Verschluss zu
stellen [Schreiben des Reichsprotektors vom 21.08.1940, am 02.09. vom tschechischen Ministerium
als Erlass publiziert. AAVČR, Of HeZ, Nr. 789; vgl. auch Luft, Bibliothekswesen (wie Anm. 140)
314.]. Ich möchte nun gerne wissen, wie Sie die Grenze zwischen dem freigegebenen klassischen und
dem schöngeistigen Schrifttum gezogen haben. Hier äussert so ziemlich jeder eine andere Auffassung
und ich möchte gerne, dass die Dinge hier genau so geregelt werden wie in den grossen deutschen
Büchereien. Ich könnte nicht sagen, dass mich dieses Kommissariat mit grosser Begeisterung erfüllt
Heinz Zatschek (1901–1965)
713
großer Mehrheit befindende tschechische Personal, dem er grundsätzlich misstraute und
das schließlich Deutschkurse zu absolvieren hatte. An der Ausbildung der Bibliothekare
wollte er persönlich mit zwei Veranstaltungen teilnehmen145. Zatschek wird allerdings kaum geahnt haben, dass sein Mitarbeiter und Mitglied der NSDAP Stuchlik
als Pg. St. dem SD ausführliche Berichte über die angeblich untragbaren Zustände
in der Bibliothek überbrachte, in denen Zatscheks Durchsetzungsfähigkeit gegenüber
dem tschech(ischen) Chauvinistenklüngel als sehr schwach charakterisiert wurde146.
Stuchliks Wertungen vermochten freilich nicht Zatscheks guten Ruf beim Prager SD
zu ruinieren147. In welchem Maß Zatschek in die Enteignung von Bibliotheken aus
jüdischem Eigentum involviert war, muss vorläufig offen bleiben148.
hätte, ich habe die Universitätsbibliothek mit 150 tschechischen und 5 deutschen Angestellten übernommen […] Bei Jahresschluss hoffe ich in dem Verhältnis der Konzeptsbeamten eine entschiedene
Stärkung des deutschen Anteils durchgeführt zu haben, deutsche Diener zu bekommen, ist aussichtslos. Wer hätte gedacht, dass ich noch einmal meine Erfahrungen in Wien [als Volontär der dortigen UB] würde verwerten können. Heigl antwortete am 03.10.1940 u. a.: […] Nun zu Ihrer Frage!
Da wir derartige Weisungen bisher nicht erhielten, nehme ich an, dass der Tschechen wegen im
Protektorate Verschärfungen eingesetzt haben. Ich gebe englisches und französisches, schöngeistiges Schrifttum, das seit 1933 erschienen ist, nicht aus, ausser zu amtlichen Zwecken. […] Natürlich
sind von dieser Sperre alle jene Werke ausgeschlossen, die […] im Reich erschienen sind. Frei sind
alle Ausgaben der französischen und englischen Klassiker mit Ausnahme jener, die von Juden besorgt wurden oder die, seit 1933 erschienen, allenfalls in den Einleitungen eine Kritik des Reiches
enthalten. Im übrigen sind ja auch in der vom Reichspropagandaministerium herausgebrachten
„Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ […] Namen von Franzosen vor allem aufgeführt, deren Werke […] unter Sperre zu halten sind. […] Diese Liste ist vor allem deshalb wichtig,
weil in ihr auch die zu sperrenden vor 1933 erschienenen Werke der französischen oder englischen
Ma[r]xisten und Juden aufgeführt sind. Damit hoffe ich, Ihnen aus unserer Praxis einige Hinweise
gegeben zu haben, die Ihnen genügen. Ich glaube nur, dass Sie lieber schärfer als milder vorgehen
sollen – den tschechischen Benützern gegenüber. ÖNB Archiv, 1093/1940 (für den Hinweis auf diesen Briefwechsel danke ich Christina Köstner).
145Mit den Fächern Bücherkunde und Quellen zur deutschen Geschichte und Schriftkunde. AAVČR, Of
HeZ, Nr. 790.
146Siehe den sechsseitigen anonymen, höchstwahrscheinlich von Stuchlik (da es größtenteils um dessen
Amtseinführung geht) verfassten Bericht an den SD-Leitabschnitt Prag, z.H. SS-Sturmbannführer
Wolf vom 05.06.1940. Der Verfasser gab an, weitere Berichte abliefern zu wollen. NA Praha, ÚŘPST 109-4-1403.
147Einem am 15.07.1940 erstellten Protokoll einer Besprechung zwischen Frank und weiteren
Mitgliedern der SS bzw. des SD vom 29.06. ist u. a. zu entnehmen: Von hier aus [SD] wurde festgestellt, dass die kommissarische Leitung auch sonst bestimmte deutschfeindliche Zustände in der
Universitätsbibliothek bisher nicht beseitigen konnte. Dr. Reinhold meinte, dass dieses nicht auf
Schwäche, sondern auf starke Belastung des kommissarischen Leiters Prof. Dr. Zatschek zurückgehe. NA Praha, ÚŘP-ST 109-4-1403.
148Von Interesse ist etwa ein Schreiben Dr. Reinholds vom Büro des Reichsprotektors an Zatschek vom
15.07.1940: In der Anlage übersende ich Ihnen […] eine Aufzeichnung über die Bibliothek der jüdischen Kultusgemeinde in Prag […] und möchte hierzu folgendes mitteilen: Die genannte Bibliothek
ist im vorigen Jahre von der Geh. Staatspolizei geschlossen und versiegelt worden; sie befindet sich
aber noch im jüdischen Rathaus in der Maiselova. Eine Entscheidung über die künftige Verwendung
[…] ist bisher nicht getroffen worden. Ich halte es aber für dringend notwendig, baldigst die Frage
zu prüfen, ob sich die Erwerbung dieser Bibliothek für die N(ational-) u(nd) U(niversitäts-) Bibl.
oder für ein Institut der Deutschen Karls-Universität empfiehlt und möchte hierbei zugleich der
Überzeugung Ausdruck geben, dass diese Bibliothek nach Möglichkeit in Prag verbleiben sollte. Es
714
Karel Hruza
Ende Juli 1940 unterbreitete Rektor Wilhelm Saure, Mitglied der SS, Staatssekretär
K. H. Frank den Vorschlag zu einer geschichtlich-politischen Tagung über die deutschtschechische Frage, die zwischen dem 28. und 30. September 1940 in der Schulungsburg
Podiebrad stattfinden sollte. Zatschek bat er, über Das Werden des deutschen Volkstums
in Böhmen und Mähren, und zwar bis zur Gegenwart, zu referieren. Als Teilnehmer
für die in den Oktober verlegte Tagung hatten sich sowohl Reichsprotektor Neurath als
auch sein Staatssekretär angesagt149. Eine „nationalpolitische Tätigkeit“ als Historiker
entfaltete Zatschek zudem als Mitglied der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft
(SODFG)150.
Abb. 42: Heinz Zatschek (rechts) am 30.11.1940 bei einer Promotion
in der kleinen Spiegelkapelle des Klementinums in Prag
Mitten während seines Sommerurlaubs in Eisenstrass (Hojsova Stráž) im Böhmerwald erhielt Zatschek die Kunde vom plötzlichen Tod Hirschs am 20. August 1940 in
Wien151. Damit schien Zatscheks alter Wunsch erneut am Horizont auf, in der Nachfolge
handelt sich um eine rein wissenschaftliche Bibliothek. […] Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Ihre
Stellungnahme […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 790.
149Saure an Zatschek am 01.08.1940. AAVČR, Of HeZ, Nr. 511. Vgl. Stanislav Šisler, Vznik a formování nacistického „slovanského bádání“ v Praze v letech 1940–1943 [Entstehung und Formierung
der nazistischen „slawischen Forschung“ in Prag in den Jahren 1940–1943], in: Český Lid 78 (1991)
261–271, hier 261. – Zatscheks Vortrag wurde gedruckt in: ZSG 4 (1940) 241–257.
150Siehe Abschnitt IV.
151Brunner informierte am 21.08.1940 Zatschek in einem Telegramm (das dieser am 22.08. erhielt):
Prof. Hirsch gestorben Beisetzung Freitag [23.08.] 10h Wien. Gleichzeitig schrieb Brunner am
22.08. in einem Brief u. a. Wie du weißt, trifft uns Hirschens Tod im Moment einer Existenzkrise
des Instituts, denn die „Reichsunmittelbarkeit“ ist leerer Schall, wenn uns die Prüfungsbefugnis ge-
Heinz Zatschek (1901–1965)
715
Hirsch als Historiker in seiner Heimatstadt Wien arbeiten zu können152. Weil Zatschek
zudem in Prag in Konflikte mit Rektor Otto geraten war und sich auch von dessen seit
Januar 1940 amtierenden Nachfolger Saure nicht hoch genug geschätzt fühlte, ergriff
er gern die Gelegenheit zu einer Rückkehr nach Wien. Die ganze Berufungsangelegenheit sollte – wie zu erwarten war – von etlichen Gerüchten, Verdächtigungen und
Missverständnissen begleitet werden. In dem von der Wiener Philosophischen Fakultät
eingesetzten Berufungsausschuss, der die Vorschlagsliste für die Professur nach Hirsch
und für die IÖG-Direktion auszuarbeiten hatte, herrschte wohl Einigkeit, dass für die
Neubesetzung der Hirsch-Professur wegen deren Ausrichtung nur ein renommierter
Mediävist und Hilfswissenschaftler bzw. Editor in Betracht kommen konnte, so dass
sich Zatschek als enger Mitarbeiter Hirschs und der MGH – und im Übrigen auch als
überzeugter Nationalsozialist – berechtigte Hoffnungen auf die Übernahme machen
durfte. Die Stelle des Institutsdirektors jedoch sollte, vor allem gemäß der Forderung
Srbiks, Präsident der ÖAW, und Ludwig Bittners, Direktor des HHStA, mit einer
Person besetzt werden, die wegen des Charakters des Instituts als Archivschule über
dementsprechende Erfahrung verfügte, so dass später im Bericht des Dekans an den
Berliner Reichsminister zu lesen war: Sein [IÖG] Zweck, als Archivschule zu dienen,
erfordert einen im Archivwesen erfahrenen Leiter, daneben muss am Institut auch ein
Gelehrter tätig sein, der im Stande ist, die Mitarbeit an den „Monumenta Germaniae“
weiterzuführen. Diesen doppelten Aufgaben würde am besten eine Lösung gerecht werden, die den gegenwärtigen ao. Prof. Dr. Otto Brunner unter Ernennung zum o.Prof.
mit der Leitung des Instituts betraut […]153. Im Hintergrund dieses Vorschlags stand
sicher auch der Wunsch, Brunner eine ordentliche Professur und die Institutsleitung
zu verschaffen. Auch deswegen dürfte sich innerhalb des Ausschusses beträchtlicher
nommen u(nd) der Kurs so eingeschränkt wird, daß eine volle wissenschaftliche Ausbildung nicht
mehr möglich ist. Wie wird sich schließlich das Verhältnis zu den Monumenten gestalten? […] Du
weißt, wie sehr ich stets mit Dir gerechnet habe u(nd) auch Hirsch hat in Dir seinen Nachfolger [in
der Professur für Historische Hilfswissenschaften] gesehen. Das sagte er mir noch in unserm letzten
Gespräch mit Hinweis auf Dein neues Buch. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Zatschek konnte nicht mehr
zur Beerdigung nach Wien kommen und entschuldigte sich noch am 22.08. beim Wiener Rektor.
Ebd., Nr. 468; UAW, PA Hans Hirsch. Seinem Lehrer widmete Zatschek einen Nachruf und zwei
Porträts: Heinz Zatschek, Hans Hirsch – Der Gelehrte und sein Werk, in: ZSG 4 (1940) 213–216;
ders., Hans Hirsch (1878–1940), in: Große Österreicher 12 (Neue Österreichische Biographie ab
1815, Zürich/Leipzig/Wien 1957) 194–204; ders., Hans Hirsch, in: NDB 9 (Berlin 1972) 214f.
152Schon am 30.11.1939 hatte ihm Brunner geschrieben: Deinen Wunsch, hierher zurückzukehren, verstehe ich sehr gut. Schließlich ist es ja auch nicht mehr allzu lange hin, bis in Wien erhebliche
Veränderungen eintreten. Wenn die Hirsch-Nachfolge einmal akut wird, bis[t] ja doch Du der einzige in Frage kommende Mann. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Zur Hirsch-Nachfolge siehe auch – mit
anderen Akzenten – Stoy, Institut (wie Anm. 13) 242–254.
153Bericht des Dekans Viktor Christian an Reichsminister Bernhard Rust vom 17.12.1940. UAW, Phil.
Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA, AdR 6124A. – Zum IÖG und den MGH siehe PferschyMaleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 436f.; zur damaligen Situation auch Gernot Heiss, Von
Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichtswissenschaft
und der Nationalsozialismus, in: Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945, hg. v.
dems., Siegfried Mattl, Sebastian Meissl, Edith Saurer, Karl Stuhlpfarrer (Österreichische Texte
zur Gesellschaftskritik 43, Wien 1989) 39–76, hier 50–54.
716
Karel Hruza
Widerstand dagegen formiert haben, Zatschek die Machtfülle eines Lehrstuhlinhabers
und eines Institutsdirektors zuzuweisen154.
Hinzu kam, dass Zatschek nicht mehr als vorderster Kandidat Hirschs für die
Institutsdirektion gelten konnte: Mayer berichtete mehrmals, Hirsch hätte ihm kurz vor
seinem Tod anvertraut, er würde Brunner vor Zatschek den Vorzug als sein Nachfolger
am Institut geben155, und auch Zatschek selbst teilte Srbik mit, Brunner sei Hirschs
erste Wahl156. Interne Entscheidungen in Wien dürften sehr schnell, vermutlich noch
im September 1940, getroffen worden sein mit dem Wunsch nach zwei ordentlichen
Professuren (Brunner und Zatschek), einer außerordentlichen (Karl Pivec) und dem
Bestreben im Hintergrund, das IÖG weiterhin als selbständige Archivschule zu erhalten157. Hierbei spielte der Ausschussvorsitzende Srbik eine entscheidende Rolle,
der mit den Kandidaten korrespondierte, diesen einen durchdachten Plan vorlegte
und um Zustimmung warb, bevor in der Fakultät offiziell verhandelt wurde. Zatschek
wurde so in bestimmten Bereichen vor vollendete Tatsachen gestellt und stimmte
ungewöhnlich devot zu158.
In zwei Sitzungen am 30. November und am 14. Dezember 1940 tagte der
Berufungsausschuss und legte, dem Berichterstatter Srbik folgend, seine Vorschlagsliste
vor. Am 3. Januar 1941 übermittelte der Rektor die Wiener Wünsche, die auch von
politischer Seite, nämlich vom Dozentenbundsführer Arthur Marchet wärmstens befürwortet wurden, an das REM159: Zatschek wurde primo et aequo loco neben Santifaller
gereiht und letztlich „nur“ als Lehrstuhlvertreter berufen und stand plangemäß auch der
MGH-Diplomata-Abteilung am IÖG vor160. Mit der kommissarischen Direktion des
154Wertvolle „Insider-Informationen“ zur Nachfolge Hirsch enthält der Briefwechsel des AusschussMitglieds Bauer mit Mayer von 1940, der hier jedoch aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden
kann. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Siehe dazu auch Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie
Anm. 63) 437f.
155Theodor Mayer, Probleme der österreichischen Geschichtswissenschaft, in: Alteuropa und die moderne Gesellschaft. FS für Otto Brunner (Göttingen 1963) 346–363, hier 357, und ÖAW Archiv, NL
WB K. 4. Siehe dazu jedoch die Aussage Brunners vom 22.08.1940 in Anm. 151.
156Brief vom 12.10.1940, siehe Abschnitt VII, Nr. 7.
157Siehe die Korrespondenz in Abschnitt VII, Nr. 6–8. Zur gefährdeten, letztlich bewahrten
Selbstständigkeit des IÖG siehe Othmar Hageneder, Eine Existenzkrise des Österreichischen
Instituts für Geschichtsforschung im Jahre 1940?, in: MIÖG 112 (2004) 399–411.
158Siehe Srbiks aufschlussreichen Brief an Zatschek vom 10.10.1940 und Zatscheks Antwort vom
12.10. in Abschnitt VII, Nr. 6f.
159Dem Ausschuss gehörten an: Bauer, Bittner, Fritz Knoll (Rektor), Marchet, Srbik. Siehe Srbiks
Bericht im Ausschuss vom 30.11.1940 in Abschnitt VII, Nr. 8, über den nochmals am 14.12. beraten wurde, sowie den am 03.01.1941 vom Rektor Knoll abgeschickten Bericht des Dekans an
Reichsminister Rust vom 17.12.1940. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40; ÖStA,
AdR 6124A.
160Dass Zatschek nach Wien wechseln würde und dort die MGH Diplomata-Abteilung leiten würde,
war am 18.12.1940, also nur vier Tage nach der Fakultätssitzung vom 14.12., bekannt, da Heinrich
Fichtenau an Zatschek schrieb: Hochgeehrter Herr Professor, da es mir nicht vergönnt war, Sie
bei der Trauerfeier für Prof. Hirsch sprechen zu können, möchte ich Ihnen als meinen künftigen
Chef und Lehrer schriftlich sagen, wie sehr ich mich auf eine künftige Zusammenarbeit unter Ihrer
Leitung freue. Der frische Zug wird ja wohl besonders der Konradausgabe zugute kommen [folgt
Bericht über Stand der Arbeiten an den Konrad III.-Diplomen]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 122. Siehe
Heinz Zatschek (1901–1965)
717
IÖG war freilich bereits im September Brunner beauftragt worden, der als jahrelanger
Mitarbeiter des HHStA entsprechende Berufserfahrung vorweisen konnte, aber erst
im April 1942 zum (ordentlichen) Direktor ernannt werden sollte161.
Insgesamt durchaus überraschend erscheinen bei diesen Angelegenheiten nicht
nur das schnelle Handeln, sondern auch die Kompetenz und die Unabhängigkeit der
Wiener Fakultät bzw. ihres Ausschusses bei der Entscheidungsfindung. Man wollte
vor möglichen Eingriffen von außen (Berlin) die Sache in Wien selbst regeln und alle
(?) eigenen Kandidaten (Brunner und Pivec) im Vorschlag unterbringen, bevor die
„offiziellen“ Verhandlungen beginnen würden. Da der Dozentenbundsführer vor Ort,
Marchet, dieses Vorgehen unterstützte, konnte es auch gelingen. Aus den Akten ergeben sich zwar die Namen der Ausschussmitglieder, die gegen eine zu große Machtfülle
Zatscheks auftraten, so etwa Bittner und Srbik, seine Befürworter jedoch bleiben im
Dunklen162. Wahrscheinlich wurde er zuerst im Wiener Ausschuss motu proprio in
Aussicht genommen und kaum von äußeren politischen Stellen nominiert. Die definitive Entscheidung jedoch wurde in Berlin getroffen, wohin Zatschek zu einem Gespräch
eingeladen wurde163, um daraufhin nach Wien „berufen“ zu werden: In Verfolg der
in meinem Auftrage mit Ihnen geführten Verhandlungen ersuche ich Sie, vom 1. April
1941 ab den durch das Ausscheiden des Professors Hirsch in der Philosophischen
Fakultät der Universität Wien freigewordenen Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters
und für Hilfswissenschaften bis zur endgültigen Berufung vertretungsweise wahrzuauch Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 438. Santifaller dagegen war vermutlich schlecht informiert, denn noch am 22.06.1941 schrieb er an Zatschek: Aus der Absenderadresse
[Zatscheks] auf dem Umschlage ersehe ich, dass Du in Wien bist; ich habe bisher darüber nichts
gelesen – es muss mir wohl entgangen sein. AAVČR, Of HeZ, Nr. 359.
161Siehe Jütte, Ständestaat (wie Anm. 73) 246f., der aber indirekt meint, Brunner sei auch Hirschs
Nachfolger in der Professur geworden. Wie Zatschek wurde Brunner 1941 zum ordentlichen
Professor ernannt.
162Falsch ist wohl die Aussage bei Lhotsky, Geschichte des Instituts (wie Anm. 15) 383: „Brunner hat für
Hirsch als Vertreter der hilfswissenschaftlichen Fächer noch 1941 Heinz Zatschek gewonnen […].“
Zu fragen wäre bei der Berufung beispielsweise nach dem Einfluss des NSD-Dozentenbundsführers
Marchet. Zatschek selbst gab später den Hinweis, ein Eingreifen Stengels mit der Drohung, bei einer
Missachtung Zatscheks die Wiener Diplomata-Abteilung nach Berlin zu transferieren, sei das entscheidende Moment bei seiner Berufung gewesen, siehe Anm. 193. – Ein interessantes Detail berichtet Srbik in seinem Brief vom 22.01.1941 an Bauer, über dessen Verhalten er wegen Außerachtlassung
der kollegialen und freundschaftlichen Rücksicht […] irritiert war: Im vergangenen Jahr hast Du,
ohne mich als Referenten zu verständigen, den Herrn Dekan um Verschiebung der Nachfolgefrage
nach Hirsch mit Rücksicht auf Brunner gebeten, – ein Verfahren, das sich nachträglich als nutzlos
und nur als Verzögerung der Besetzung […] herausgestellt hat. Siehe Srbik, Korrespondenz (wie
Anm. 87) Nr. 337.
163Der zuständige Referent im REM, Prof. Dr. Heinrich Harmjanz, schrieb am 22. Januar 1941 an Zatschek:
Ich beabsichtige, Sie meinem Herrn Minister [Rust] auf den Lehrstuhl für Geschichte des Mittelalters
an der Universität in Wien zum 1.4.41 zu berufen. Ich bitte Sie daher, zu Berufungsverhandlungen
am 12.II.41, vormittags 11 Uhr zu mir ins Ministerium zu kommen. AAVČR, Of HeZ, Nr. 602. Über
die Einladung informierte Zatschek am 30.01. Srbik. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754,
1939/40. In Berlin konnte Zatschek nicht alle Belange vollständig klären, wie er Brunner am 15.02.
mitteilte. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Danach verhandelte Zatschek mit der Wiener Fakultät und stellte
Forderungen. Schreiben des Dekans vom 20.02.1941. Ebd., Nr. 586.
718
Karel Hruza
nehmen164. Dass Zatschek dem Reichsministerium auch aus politischen Gründen als
der beste und daher einzusetzende Kandidat für Wien galt, ist sehr wahrscheinlich. Er
wäre somit vom Wiener Berufungsausschuss nicht zu umgehen gewesen, wobei das
Bild durchscheint, dass er in diesem nicht als erster Wunsch-, sondern lediglich als
ein hinzunehmender, weil kaum zu umgehender Kompromisskandidat galt.
Zatschek korrespondierte im Herbst 1940 auch mit dem Präsidenten des
Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde (MGH) Stengel und konnte diesem sein neues Buch „Wie das erste Reich der Deutschen entstand“ zusenden; ein
persönliches Gespräch wurde für die „Gedächtnisfeier“ für Hirsch im Dezember vereinbart und kam auch zustande165. Die Modalitäten der Mitarbeit Zatscheks an den
MGH-Editionen wurden schließlich im Sommer 1941 schriftlich vereinbart166. Aber
nicht nur bei den MGH, auch bei den Regesta Imperii, dem anderen ehrwürdigen
(damals nur in Wien ansässigen) Editionsunternehmen für mittelalterliche Quellen,
zog Zatschek eine Führungsposition an sich. Obwohl Srbik nominell Vorsitzender
des Regestenausschusses, also der 1931/39 eingerichteten „Kommission für die
Neubearbeitung der Regesta Imperii“ der ÖAW, blieb, bekam Zatschek als Nachfolger
auf der Lehrkanzel Hirsch […] die tatsächliche Leitung der Regesta Imperii übertragen167. Er unterstützte nachfolgend die schließlich erfolgreichen Bemühungen seiner
Wiener Kollegen, die Versuche Stengels, seinen Einfluss auf die Regesta Imperii auszuweiten, zu vereiteln und nahm an den organisatorischen Aufgaben regen Anteil168.
164So am 11.03.1941 Harmjanz an Zatschek. AAVČR, Of HeZ, Nr. 601.
165Schreiben Stengels an Zatschek vom 14. und 26.11.1940. AAVČR, Of HeZ, Nr. 599. Stengel, der mit
Zatschek seit Jahren korrespondierte, machte keine Bemerkungen zur Hirsch-Nachfolge, doch schien
ihm Zatschek als Hirsch-Nachfolger festzustehen.
166Siehe Abschnitt IV.
167Schreiben Srbiks an Paul Kehr vom 13.03.1942. ÖAW, IMF, Regesta Imperii, Akten. Am
26.04.1941 hatte Srbik an Zatschek geschrieben: Ich bitte Sie sehr angelegentlich im Namen des
Regestenausschusses der Akademie, die Leitung der Regesta Imperii, soweit sie Sache der Akademie
ist, zu übernehmen […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 406. In die Regesten-Kommission wurde Zatschek
am 11.06.1941 in einer Sitzung der philosophisch-historischen Klasse der Akademie berufen und zu
Kommissionssitzungen eingeladen. Schreiben des Sekretärs an Zatschek vom 12.06. und entsprechende Einladungsschreiben. Ebd., Nr. 1.
168Zatschek schrieb am 18. [richtig 19.] 06.1941 an seine Frau in Prag u. a.: Gestern [18.06.] war
im Institut [IÖG] eine sehr heitere Sitzung der Kommission für die Neubearbeitung der Regesta
imperii. (Redlich, Dopsch, Srbik, Brunner, kurze Zeit auch Bauer, und ich). Behalte es für Dich,
aber Stengel wollte Obmann der Kommission werden und die ganze Sache sichtlich in seine Hände
bringen. Er hat einen 8–9 Punkte umfassenden Entwurf an Srbik und Redlich geschickt, und der
stand also gestern zur Debatte. Alles völlig unannehmbar, und der alte Redlich hat einige herzerfreuende Worte über diese an sich ja nicht vereinzelte Art des Vorgehens gefunden. Ich habe mich,
als der Entwurf verlesen war, zunächst einmal sehr geärgert, denn seine Bedenklichkeit war mir
sofort klar, bei der Durchsprache habe ich mich dann reichlich gemeldet, auch dort, wo die anderen unbedenklich waren, ich möchte fast sagen, mit einem gewissen Geschick, das sogar Srbik
ein gewisses Schmunzeln herauslockte, und was übrig geblieben ist, erscheint mir harmlos. Zum
Präsidenten ist einstweilen Srbik bestellt worden, die Geschäftsführung liegt in meinen Händen, und
wenn sich Stengel beruhigt hat und ich ordentliches Mitglied der hiesigen Akademie bin [!], dann
fällt diese Stelle unzweifelhaft in meine Hände. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. Der Versuch Stengels,
die damals wenig produktive Regesten-Kommission zu übernehmen, gab (u. a.?) Anstoß, einen
Heinz Zatschek (1901–1965)
719
In Wien stellte sich Zatschek am 6. Mai 1941 mit einer stark politisierten und
antisemitischen Vorlesung vor, die sein im Entstehen begriffenes Buch „England und
das Reich“ reflektierte und bei etlichen Zuhörern auf verblüfftes Unverständnis, bei
anderen wiederum auf Zustimmung stieß169. Er wollte kämpferisch und „aufklärend“
im Sinne des NS-Regimes wirken, wie er auch dachte, dass bei der IÖG-Direktion ein
Wechsel schon sehr hoch an der Zeit gewesen war170. 1962 hat sich eingangs erwähnter
„Dr. F. L.“ in seinem Artikel genau an diesen politisierten Vortrag Zatscheks erinnert,
dessen Inhalt die damalige Zuhörerin Maria Habacher ebenfalls bestätigt hat171.
Zatschek las im WS 1941/42 zudem an der Verwaltungs-Akademie Wien
über Deutsche Geschichte einschließlich der Geschichte der [nationalsozialistischen] Bewegung. Der Geschäftsführer der Akademie ließ Zatschek nach Ende der
Vorlesungen wissen, dass diese eine allgemeine Begeisterung unserer Hörer für den
höchst geschätzten Lehrer bewirkt hat. Das aus den Vorträgen entstandene Buch
„Deutsche Geschichte“ ist vollkommen aus einer nationalsozialistischen Auffassung
heraus verfasst und bezeugt eindringlich, wie politisiert Zatschek seine damalige Lehre
gestaltet hat172. Erwähnenswert ist weiterhin, dass Zatschek sich mit dem zu seiner
Unterstützung in den Hilfswissenschaften vorgesehenen, seit 1939 als außerordentlicher Professor in Leipzig lehrenden Pivec – entgegen seiner freudigen Zustimmung im
neuen Arbeitsplan zu erarbeiten und sowohl beim REM als auch beim Kaiser-Wilhelm-Institut
für Geschichte in Berlin um finanzielle Unterstützung anzufragen. Gemäß einem von Zatschek
erstellten Bericht über einen Kommissionsbeschluss vom 24.01.1942 waren folgende Bearbeiter
vorgesehen: Fichtenau für Konrad III., der Assistent am historischen Seminar der deutschen
Karlsuniversität in Prag Dr. Wilhelm Hanisch für Wenzel, Mathilde Uhlirz für Otto III. und danach
Otto II. Die Regesten Friedrichs I. und Heinrichs VI. sollten auf keinen Fall dem Reichsinstitut
für ältere deutsche Geschichtskunde […] überlassen werden. Noch nach seinem Fortgang von
Wien versuchte Zatschek zu erreichen, dass Hans-Walter Klewitz sowohl die Regesten als auch
die MGH-Urkundenedition Friedrichs I. übertragen bekäme. ÖAW, IMF, Regesta Imperii, Akten;
StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 185f.
169Eine richtige Antrittsvorlesung hielt Zatschek nicht. An seine Frau schrieb er am 08.05.1941 u. a.: An
Kollegen waren Dopsch (!) mit [Erna] Patzelt, Srbik, Brunner, Bauer, Gross, die beiden Althistoriker,
unser Kunsthistoriker, [Anton] Pfalz, und die Dozenten [anwesend]. […] Beifall war allerdings keiner. Was der Vortrag wert war, ersah ich vor allem aus dem völligen Schweigen von Brunner. Bauer
hat sich mir gegenüber sehr anerkennend ausgesprochen, das Urteil der Patzelt hörte ich von Pfalz,
der sich einem grösseren Kreis gegenüber lobend ausliess, die Patzelt sagte mir dann gestern als
Urteil Dopschs, die Sache solle sofort und ohne jegliche Aenderung gedruckt werden. AAVČR, Of
HiZ, Nr. 26. Bauer schrieb am 26.11.1942 an Zatschek u. a.: Von dem Inhalte Ihres Buches habe
ich Bruchstücke schon bei Ihrer Wiener Antrittsvorlesung vernommen und auch damals meine mediaevale Ignoranz zu fühlen bekommen […]. Und auch jetzt sagte mir der erste Blick […] wie viel
mir Unbekanntes darin beschlossen liegt. AAVČR, Of HeZ, Nr. 64.
170So am 09.05.1941 an seine Frau. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26.
171Zum Artikel siehe Abschnitt I. Frau Dr. Maria Habacher erinnerte sich, über die Vorlesung sehr überrascht gewesen zu sein: Eine dermaßen politisierte Vorlesung über das Mittelalter (Thema war die
Feindschaft Englands gegenüber dem Reich) hatte sie bis dahin in Wien nicht gehört. Des Weiteren
berichtete Frau Dr. Maria Bechina, dass Zatschek etwa im Gegensatz zu Brunner als politisiert bekannt war.
172Heinz Zatschek, Deutsche Geschichte. Nach Vorträgen an der Verwaltungs-Akademie Wien im
Wintersemester 1941/42 2 Teile [Wien 1943/44], dazu auch Abschnitt IV. Zur Vorlesungstätigkeit
siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 652.
720
Karel Hruza
Brief an Srbik – doch nicht abfinden und gegen diesen Heinrich Fichtenau aufbauen
wollte: Mit Zatscheks Unterstützung habilitierte sich Fichtenau im Frühjahr 1942
und übernahm (weiterhin) Arbeiten bei den MGH und den Regesta Imperii173. Bis
Zatschek im September 1941 von Hitler (gemäß einer Vorschlagsliste der Universität
Prag vom Juni 1940) zum ordentlichen Professor im Reichsdienst ernannt und im Mai
1942 in Wien auf Hitler vereidigt wurde, gelang es Zatschek außer bei den MGH zunächst jedoch nicht, in die wahren Spitzenpositionen einzurücken174. Als schließlich
Brunner zum 13. April 1942 zum Kriegsdienst einberufen wurde, vertrat ihn Zatschek
als Direktor des IÖG175. Srbik unterbreitete Zatschek sogleich nach dessen Beginn in
Wien den Gedanken, ihn zum Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften zu
wählen. Diese Wahl hat jedoch nie stattgefunden.
Im IÖG hatte Zatschek Zugriff auf die hinterlassenen Briefe und Materialien
Hirschs, die er wegen seiner Tätigkeit für die MGH und die Regesta Imperii und wegen des Vorhabens durchsah, nachgelassene Schriften Hirschs zu publizieren – freilich
nicht ohne neugierige Blicke in Briefe zu werfen, die ihn selbst und seinen Umkreis
tangierten. Seiner Frau Hilde berichtete er im Januar 1942 mehrmals über die dabei
vorgefundenen Überraschungen176. Unumwunden gab er dabei zu, aus dem Nachlass
einiges Material entwendet zu haben177.
Es sollte für Zatschek lediglich ein dreisemestriges und zudem nicht sehr glückliches Gastspiel in Wien werden. War er anfangs noch überzeugt, in Wien zu verbleiben178, litt er bald unter der Trennung von seiner Frau und unter offensichtlichen
173Bedenken gegen Pivec wegen dessen fachlicher Ausrichtung (der Hals über Kopf von den
Hilfswissenschaften wegstrebt) teilte Zatschek am 04.11.1941 Brunner mit und favorisierte Fichtenau.
AAVČR, Of HeZ, Nr. 90. Siehe auch Abschnitt IV.
174Original der vom REM ausgestellten Ernennungsurkunde: AAVČR, Of HeZ, Nr. 1. Siehe auch
BAB, R 31/708 HeZ, u. a. Niederschrift über die Vereidigung mit Eidesformel vom 27.05.1942.
– Zur Vorschlagsliste vom 24.06.1940 siehe Tobias Weger, „Völkische“ Wissenschaft zwischen
Prag, Eger und München. Das Beispiel Josef Hanika, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen
Ländern (wie Anm. 65) 177–208, hier 190.
175Schreiben des Dekans der Wiener Philosophischen Fakultät vom 17.04.1942 und nachträgliche
Genehmigung der Vertretung durch das REM vom 09.06.1942. UAW, Phil. Fak. PA HeZ.
176AAVČR, Of HiZ, Nr. 26.
177Am 14.01.1942 schrieb er an seine Frau: Sonntag bin ich mit der Durchsicht des Hirschnachlasses
fertig geworden und habe manches gefunden, was mich selbst angeht und was ich zu mir genommen
habe, so mein Schreiben von 1926, in dem ich mich bereit erkläre, die Supplentur anzutreten, und das
Gutachten für mich 1929 für Wien. Neben anderem, das ich nicht aufzähle, auch einen Vortrag von
Hirsch über Richard Wagner und das Mittelalter, der glänzend ist und als verloren galt, und noch
einen ungedruckten Vortrag. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26. Im Prager NL Zatscheks befinden sich etwa
zwei Briefe Hirschs an Stengel von 1939 (Durchschlag bzw. Konzept), ebd., Of HeZ, Nr. 412, und
12 Vortragsmanuskripte (ohne Wagner) ebd. 21 Nr. 847–858. – Hirschs Wagner-Vortrag erschien,
von Richard Meister besorgt, als Hans Hirsch, Richard Wagner und das deutsche Mittelalter (Wiener
wissenschaftliche Voträge und Reden 4, Brünn u. a. 1944).
178Am 03.04.1941 schrieb er an seine Frau: Dass ich in Prag bleibe, glaube ich nicht recht. Und zwar
ist es nicht etwa der lokale Einfluss, den ich im übrigen ja nicht ableugne. Die Not nach mir ist hier
bestimmt grösser als in Prag, wo man nicht wissen wird, dass Ernstberger primo loco in Jena vorgeschlagen ist, so dass unter Umständen Prag fast Historikerfrei wird. Auch die weitere politische
Entwicklung könnte für Wien sprechen. Aber lassen wird das. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26.
Heinz Zatschek (1901–1965)
721
Zurücksetzungen; er erfreute sich an der Universität und am IÖG anscheinend weder
bei den anderen Lehrenden noch bei den Studenten besonderer Beliebtheit, zumal
er auch als strenger Lehrer galt179. Dennoch engagierte er sich fleißig, so etwa als
Mitherausgeber der MÖIG, in deren Band von 1942 er viele, auch umfangreiche
Rezensionen und seinen letzten Bericht zur Urkundenforschung einbrachte, den er
sich gut bezahlen ließ, oder indem er an einer neuen Institutssatzung mitarbeitete. In
seinem Ordnungssinn ließ er für das IÖG zudem einen neuen „korrekten“ Stempel
anfertigen180.
Im Frühling 1942 änderten sich Zatscheks Karrieremöglichkeiten jedoch drastisch:
Mitte Mai 1942 erhielt der immer noch wohnungslose Zatschek in seiner Wiener
Pension vom Berliner REM einen Brief mit gewichtigem Inhalt: Sehr geehrter Herr
Professor! Der Herr Reichsprotektor hat mich auf Vorschlag der Universität Prag
gebeten, Ihre Rückversetzung von Wien nach Prag in die Wege zu leiten181. Der neue,
seit dem 1. Mai 1942 amtierende kommissarische Rektor der Prager Universität
Buntru182, Mitglied der SS, hatte sich nämlich energisch um eine Rückkehr Zatscheks
und Weizsäckers aus Wien bemüht183. Ausschlaggebend und beschleunigend war sicher
auch ein Fernschreiben, das Reinhard Heydrich von Paris aus nach Berlin schickte,
179So schrieb er am 13.06.1941 an seine Frau: Ansonsten kann ich Dir nur beistimmen, nach dem letzten
Wiedersehen trägt sich die Trennung viel, viel schwerer als vorher […] Aber ich fühle mich in meiner Arbeitskraft derartig gehemmt und beeinträchtigt, und es geht seit meiner Rückkehr – von zwei
Tagen abgesehen – alles so fürchterlich langsam weiter, dass ich alle Lust verloren habe und meinen Entschluss, nach Wien zu gehen, jetzt schon bitter bereue. Dabei kein Mensch, mit dem man reden kann, und beabsichtigte oder nicht beabsichtigte Zurücksetzungen. […] Von 21 Kandidaten zur
Staatsprüfung hat sich bis jetzt eine bei mir vorgestellt und den Termin ausgehandelt. Die anderen 20
prüft offenbar Brunner in Mittelalter. Dabei gewinnt er nichts, denn er würde sonst österreichische
Geschichte prüfen, die nun Bauer prüfen muss. Ob der etwa dahinter steckt? AAVČR, Of HiZ, Nr.
26. – Stoy, Institut (wie Anm. 13) 269, führt auf Basis von Zeitzeugen an, dass Zatschek „in Wien
nicht akzeptiert“ wurde und als „schwierig“ galt, zudem „versuchte [er] zu politisieren“. Frau Dr.
Maria Habacher erinnerte sich dem gegenüber an einen ruhigen, zuvorkommenden und hilfsbereiten
Zatschek.
180Der neue Stempel des IÖG trug die Umschrift mit dem neuen Namen „Institut für Geschichtsforschung
und Archivwissenschaft in Wien“ und eliminierte aus seinem Vorgänger „Österreichisches Institut
für Geschichtsforschung der Universität Wien“ signifikante Worte, siehe die Abbildungen bei Stoy,
Institut (wie Anm. 13) vor dem Titelblatt und dazu 259f. Ebd. 255–258 zur Institutssatzung und 294
die Angabe, dass Zatschek für seinen Urkunden-Beitrag vom IÖG 200 RM erhielt.
181AAVČR, Of HeZ, Nr. 601. Die bei Stoy, Institut (wie Anm. 13) 269, gemäß einer Erinnerung
Fichtenaus vertretene Ansicht, „daß Zatschek 1942 nach Prag zurückgekehrt ist, weil er von Walter
Frank, dem Präsidenten des Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschland mit der
Durchführung der Vorarbeiten zum Jubiläum der Prager Universität (1948) beauftragt wurde“, beruht auf der falschen Zuordnung des Namens Frank, hinter dem sich nur K. H. Frank und dessen
Wünsche zur Reinhard-Heydrich-Stiftung verbergen können.
182Zu ihm vgl. die Nennungen bei Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31), und
Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik [Deutschland]. Staat, Wirtschaft,
Armee, Verwaltung, Justiz, Wissenschaft, ([Ost-]Berlin 1965) 302–304. Der Dienstantritt zum
01.05.1942 in: UAP, DU Rektorat A 6.
183Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 130; zu Weizsäckers Rückkehr Hruza,
Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 487f.
722
Karel Hruza
um u. a. die aus seiner Sicht sich verschleppende Berufung Zatscheks anzumahnen184.
Die Berufung nach Prag zum 1. Oktober 1942 wurde schließlich von Reichsminister
Rust am 30. Juni in Gemeinschaft mit dem Reichsprotektor in Böhmen und Mähren
vollzogen: Ich verleihe Ihnen in der Philosophischen Fakultät dieser Universität [Prag]
die planmäßige Professur für Mittelalterliche Geschichte [!]185. Buntru hatte freilich
nicht nur Zatscheks Wirken an der Universität im Blick, sondern war – zusammen
mit Beyer – an den personellen Vorbereitungen einer SS-eigenen „Denkfabrik“ anwendungsorientierter und politikberatender Geisteswissenschaft beteiligt: hoch qualifizierte und nationalsozialistisch standfeste jüngere „Wissenschaftler“ sollten in einer
geschichtlichen, vom SD kontrollierten SS-Stiftung zusammengezogen werden.
Die Stiftung, deren erste Planungen bis 1940 zurückreichten, wurde als „Reichs­
stiftung für deutsch-slawische Forschung“ zu einem Lieblingsprojekt des stellvertretenden Reichsprotektors in Böhmen und Mähren, SS-Obergruppenführer
Reinhard Heydrich, und später ihm zu Ehren „Reinhard-Heydrich-Stiftung,
Reichsstiftung für wissenschaftliche Forschung in Prag“ (RHS) benannt, nachdem
er am 4. Juni 1942 an den Folgen eines von tschechischen Widerstandskämpfern
verübten Anschlags gestorben war186. Gemäß Heydrich sollte die Stiftung unter
anderem dafür sorgen, dass ein „Geschichtsbild herausgestellt wird, das die deutsche Führung in diesem Raum begründet“187. Die schließlich eingerichtete Stiftung
fungierte als Dachorganisation für acht, später neun Institute. Als Direktor stand
Buntru vor, die eigentliche Aufbauarbeit hatte jedoch Beyer, „Sonderbeauftragter
für die slawischen wissenschaftlichen Einrichtungen“ in Prag, geleistet, der noch
von Heydrich auserwählt und im Februar 1942 beauftragt worden war und später
184In dem an SS-Oberführer Rudolf Mentzel gerichteten Schreiben heißt es u. a.: Lieber Mentzel!
Leider muß ich Sie darauf hinweisen, daß ein Teil Ihrer Mitarbeiter offenbar nicht bereit ist, die
Prager Hochschulangelegenheiten in dem von uns besprochenen Sinne und mit der notwendigen
Aufmerksamkeit zu erledigen. Das bestätigt den Ihnen szt. übermittelten Eindruck. Ich möchte nicht
in die Lage kommen, dem Führer die Dinge melden zu müssen. Ich darf Sie bitten, sich unmittelbar der folgenden Angelegenheiten anzunehmen: […] 3.) Die für die Philosophische Fakultät vorgesehenen Veränderungen kommen offenbar nicht vom Fleck. Ich bitte zu verhindern, daß in den
Fällen Pfitzner und Zatschek durch Abwesenheit des Sachbearbeiters und andere Umstände weitere
Verzögerungen entstehen. […] UAP, DU Rektorat A 6/3.
185BAB, R 31/708 HeZ, Schreiben des Reichsministers vom 30.06.1942.
186Zum Interesse Heydrichs an der böhmisch-mährischen Geschichte und ihrer Instrumentalisierung
für die NS-Herrschaft vgl. Günther Deschner, Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht
(Esslingen am Neckar 1977) 244–251; Reinhard Heydrich, Die Wenzelstradition, in: ders., Ein Leben
der Tat (Prag 1944) 37–39. Zu Heydrichs rassistischen Plänen einer „Germanisierung“ Böhmens
und Mährens siehe Andreas Wiedemann, Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (1942–1945)
(Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung. Berichte und Studien 28, Dresden 2000) 30–
35; ders., Die Reinhard-Heydrich-Stiftung als Beispiel nationalsozialistischer Wissenschaftspolitik
im Protektorat, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern (wie Anm. 65) 157–176, hier
158–161. Siehe auch Anm. 197.
187Aus einem Schreiben Heydrichs an Alfred Rosenberg vom 29.01.1942, zitiert nach Ota Konrád,
Geisteswissenschaften an der Deutschen Universität in Prag (1938/39–1945), in: Universitäten und
Hochschulen im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit, hg. v. Karen Bayer, Frank
Sparing, Wolfgang Woelk (Stuttgart 2004) 219–248, hier 238. Siehe auch Roth, Heydrichs Professor
(wie Anm. 131) 297f.
Heinz Zatschek (1901–1965)
723
als Generalbevollmächtigter K. H. Franks fungierte. Beyer oblag später zudem die
wissenschaftliche Leitung, während als Verwaltungsdirektor Weizsäcker amtierte188. Zum überzeugten Nationalsozialisten Beyer, der offen seine antisemitischen
volkstumspolitischen Vorstellungen proklamierte, hatte Zatschek nachweislich erst
seit März 1942 brieflichen Kontakt wegen des Vorhabens, jedoch muss zumindest
kurze Zeit vorher eine Fühlungnahme geschehen sein, die es Zatschek ermöglichte,
sich von Beyer über Interna des Berliner REM informieren zu lassen189. Zatschek
versuchte demgemäß, möglichst genau die Lage und seine Aussichten in Prag zu
erkunden. Mit Beyer vereinbarte er sowohl eine Zusammenkunft in Prag für Mitte
März als auch telefonische Unterredungen.
Im Jahr 1942 begegneten sie sich beide als NS-Gesinnungsgenossen und erzielten
in bestimmten Angelegenheiten der Prager Wissenschaftspolitik ziemliche Einigkeit
– sicherlich maßgeblich zu Zatscheks Vorteil. Beyer erwies sich nämlich als ein
entscheidender kompromissloser Organisator im Hintergrund, der – obwohl (noch)
nicht Mitglied des Prager Lehrkörpers – in die Struktur und Besetzungspolitik an der
Prager Universität eingreifen konnte mit dem Ziel, eine verstärkte volksgeschichtliche und rassistische Ausrichtung im Sinne der SS durchzuführen. Die „Reform“
der Universität sollte als Voraussetzung für die Errichtung der RHS dienen190. Für
diese Planungen war Beyer, dessen Lehrstuhl, den er erst seit Januar 1942 innehatte,
erst noch von Posen (Poznań) nach Prag verlegt werden sollte, auf die Mitarbeit und
das Insiderwissen von Kennern der Prager „Szene“ angewiesen, die zudem politisch
188Eine ausführliche Darstellung der RHS steht noch aus. Grundlegend sind Karel Fremund, Heydrichova
nadace – důležitý nástroj nacistické vyhlazovází politiky (Výběr dokumentů), in: Sborník archivních
prácí 14/1 (1964) 3–38, bzw. ders., Die Reinhard-Heydrich-Stiftung – ein wichtiges Instrument der
faschistischen Ausrottungspolitik in der Tschechoslowakei 1942–1945, in: Informationen über die
imperialistische Ostforschung 3 (1965) 1–48, und Šisler, Vznik (wie Anm. 149). Vgl. des Weiteren
Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) [ohne Register!], mit wissenschaftspolitischer Einordnung der RHS, aber ohne auf Zatscheks Mitarbeit näher einzugehen, und 111 das
Resümee: „Die Akteure der Stiftung lieferten durch ihre Grundlagenforschung Ergebnisse, die bei
der geplanten endgültigen Eindeutschung des als ‚geeignet‛ erscheinenden Teils der tschechischen
Bevölkerung und der Aussiedlung des anderen Teils zum Tragen kommen sollten.“ Alena Míšková,
Rassenforschung und Oststudien an der Deutschen (Karls-) Universität in Prag, in: Erzwungene
Trennung. Vertreibung und Aussiedlung in und aus der Tschechoslowakei 1938–1947 im Vergleich
mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Detlef Brandes u. a. (Veröff. der Deutsch-Tschechischen
und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission 8, Essen 1999) 39–53; dies., Německá univerzita
(wie Anm. 31) 222f.; dies., Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 133–135; Roth, Heydrichs
Professor (wie Anm. 131).
189Siehe etwa das Schreiben Beyers an Zatschek vom 28.02.1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 69. Der erste Kontakt zwischen Beyer und Zatschek ist für 1937 nachweisbar, siehe den Brief Beyers vom
02.11.1937. AAVČR, Of HeZ, K.7 Nr. 584. Ein engerer Kontakt oder sogar Freundschaft zwischen
beiden dürfte dagegen – so der Ton der Korrespondenz – bis 1942 nicht geherrscht haben.
190Siehe Roth, Heydrichs Professor (wie Anm. 131) 294–303, etwa 298: „Der stellvertretende Reichsprotektor und sein Berater [Beyer] einigten sich [im Frühjahr 1942] darauf, die […]
Übernahme des Projekts ‚Reichsstiftung für deutsch-slawische Forschung‛ solange zurückzustellen,
bis die Deutsche Karls-Universität personalpolitisch den Kriterien einer interdisziplinär arbeitenden
‚Volkstumsforschung‛ entsprach und von einem SD-loyalen Kader von Hochschullehrern beherrscht
wurde.“
724
Karel Hruza
konform mit den Planungen der SS gingen. Zatschek erschien hierfür anscheinend als
einer der richtigen Männer und war deswegen seit dem März 1942 wesentlich in die
ersten konkreten Planungen für die Stiftung eingebunden; er gehörte so von Anbeginn
an zum Führungskern der späteren RHS um Beyer und dürfte eigene Vorstellungen
eingebracht haben191. Das alles bedeutete für Zatschek aber, dass er die eigene wissenschaftliche Infrastruktur in Prag längerfristig mitgestalten konnte und nicht wie in
Wien vor vollendeten Tatsachen stand.
Zatschek erhörte also einen „kurzen Appell“ Heydrichs192, brach im Juli seine Zelte
in Wien rigoros ab und folgte dem Ruf nach Prag. In Wien machte er noch seinen
Einfluss in seiner eigenen Nachfolgefrage geltend193. Mayer fand für Zatscheks Abgang
eher pessimistische Worte: Wie nun die Berufung auch gehen mag, vom Standpunkt
des Wiener Instituts aus bedauere ich Ihren Weggang sehr. Ich weiss nicht, wie die
191Siehe den Brief Beyers an Zatschek vom 05.03.1942 in Abschnitt VII, Nr. 10. Aufschlussreich ist
in Beyers eigenem Vorschlag für neue Prager Professuren die deutlich volkgeschichtlich und rassistisch ausgerichtete Zielsetzung, zudem aber auch das Extraordinariat für Mährische Geschichte
oder die Umwandlung des Extraordinariats Mittelalterliche Geschichte und Hilfswissenschaften in
ein Ordinariat. Zatscheks erbetene Antwort dürfte mündlich erteilt worden sein. Die Ergebnisse dieser Kontakte könnten in das von Beyer spätestens Ende April 1942 vorgelegte, nicht erhaltene erste
Konzept der Stiftung eingeflossen sein, siehe Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 264.
192Walter Jacobi schrieb an K. H. Frank, dass „… ein durch den Hochschulbeauftragten von SSObergruppenführer Heydrich den bewährten Professoren Zatschek und Weizsäcker in Wien übermittelter kurzer Appell genügte, beide zur freudigen Rückkehr nach Prag zu veranlassen.“ Zitiert
nach Konrád, Geisteswissenschaften (wie Anm. 187) 244.
193Zatschek konnte als Berichterstatter im zuständigen Fakultätsausschuss die Nachfolge mitbestimmen. Sein auch vom Wiener NSD-Dozentenbundsführer Marchet befürworteter Wunschkandidat
war Klewitz (kein Mitglied des IÖG), der im Vorschlag an erster und gleicher Stelle wie Santifaller
gereiht wurde, an zweiter Stelle folgte Karl Jordan. Nur bei Klewitz konnten eine Mitgliedschaft in
der NSDAP und in der SA angeführt werden. UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 322, 1942/43.
Klewitz starb im März 1943. In einem Brief an Mayer vom 01.08.1942 aus Prag hatte Zatschek frustriert resümiert: Um die Regelung meiner Nachfolge habe ich mich nicht sonderlich bekümmern
müssen, das hat Brunner von selbst besorgt, da er gerade 14 Tage Urlaub hatte. Den Dekan hat
er für Klewitz ohne weiteres gewonnen, Bauer […] hatte nichts gegen Klewitz einzuwenden, Srbik
dürfte mehr Widerstand geleistet haben und so wie mir gegenüber mehrfach vermerkt haben, Hirsch
würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass jemand von der Göttinger „Konkurrenz“ berufen werden soll. Mich hat es gerissen, Srbik zu fragen, ob Hirsch bei P. Schramm, der ja auch aus
dieser Konkurrenz stammte, anders reagiert hätte – und Schramm war ja 1940 Srbiks Kandidat.
Das Staatsarchiv, Bittner vor allem, ist gegen Klewitz und jede nicht österreichische Lösung. Wie
sich die Gegensätze in der Kommissionssitzung ausgeglichen haben, weiss ich nicht, weil der Dekan
die Sitzung auf Viertel 12 angesetzt hatte, obzwar er von mir zweimal verständigt wurde, dass ich
von 10 bis 12 Kolleg habe. Als ich kam, waren die Herren bereits einig; Pivec ist überhaupt nicht
aufgenommen worden, was ich sachlich für richtig halte, Brunner hatte noch, ohne mir vorher ein
Wort zu sagen, [Hans] Weirich hineingebracht – dass er gefallen ist, haben wir erst einen Tag vor
der Sitzung erfahren. Der Vorschlag lautet primo loco Klewitz und Santifaller, secundo loco Jordan.
Die eingefleischten Oesterreicher werden gegen mich das Anathem schleudern – aber ich kann mich
trösten. Die Wiener Herren wissen scheinbar auch heute noch nicht, wie gut ich über die Vorgänge
1940 unterrichtet bin, wie nur eine Prestigefrage den Ausschlag für mich gegeben hat, oder genauer
Stengels Erklärung entweder ich nach Wien oder die [MGH-]Abteilung nach Berlin. Wie es damals
ohne mich gegangen wäre, wird es eben jetzt gehen und nach drei Wiener Semestern kann ich sagen:
besser, als wenn ich geblieben wäre. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 186.
Heinz Zatschek (1901–1965)
725
Zukunft des Instituts werden wird, ich fürchte nur, daß es seinen alten Rang nicht
beibehalten wird194. Zum Nachfolger Zatscheks wurde schließlich zum 1. April 1943
Santifaller berufen195. Im WS 1942/43 begann Zatschek wieder mit der Lehre in Prag
und wurde im November auf Vorschlag des dortigen Dekans als Nachfolger Wostrys
zum geschäftsführenden Direktor des Historischen Seminars der Universität bestellt196.
In Prag liefen die Vorbereitungen für die am 11. Juli 1942 vom Reichsprotektor und
seinem Stellvertreter gegründete RHS weiter, wobei Zatschek als Leiter eines historischen und philologischen (Slawistik) Instituts ausersehen war, zunächst aber „nur“
als Gruppenleiter für Geschichte und Philologie fungierte197.
Im August wurde er dann von Beyer als Leiter eines landesgeschichtlichen Institutes
vorgeschlagen; die offizielle Bestätigung erfolgte im Februar 1943 durch K. H. Frank,
der Zatschek mit der Leitung des neu einzurichtenden Landesgeschichtlichen Institutes
für Böhmen und Mähren im Rahmen der Reinhard Heydrich Stiftung beauftragte198.
Andere, in die RHS eingebundene Professoren waren etwa Gerhard Gesemann, Adolf
Grohmann, Josef Hanika, Rudolf Hippius, Franz Laufke, Karl Valentin Müller,
Eugen Rippl, Edmund Schneeweis, Arthur Winkler von Hermaden, Weizsäcker und
Winter, also fast das ganze geisteswissenschaftliche Who’s who der Prager Deutschen
Universität199. In die RHS, die im Herbst 1943 von der Amtsgruppe III B des Reichs­
sicherheitshauptamtes der neu gebildeten, von Wilfried Krallert als Geschäftsführer
geleiteten Amtsgruppe VI G zugewiesen wurde200, gliederte man schließlich auch
194Mayer an Zatschek am 05.08.1942. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 187.
195Santifaller war im Dezember berufen worden und hatte Mayer brieflich um Urteile über seine möglichen Nachfolger in Breslau gebeten (Heinrich Appelt, Fichtenau, Dietrich von Gladiß, Jordan).
StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 131.
196Schreiben des Kurators der deutschen wissenschaftlichen Hochschulen in Prag Gustav Ehrlicher
an Zatschek vom 10.11.1942. Die Bestellung galt bis zum 31.03.1944, Zatscheks Nachfolger wurde Pirchan. AAVČR, Of HeZ, Nr. 555. Bei der Rückberufung hatte man allerdings übersehen, im
Ernennungsdekret Zatscheks vollständige venia legendi anzugeben; erst im Sommer 1944 wurde diese in vollem Umfang offiziell wiederhergestellt und die Geschichte des Mittelalters um die
Historischen Hilfswissenschaften erweitert. Schreiben vom 11.03., 29.04., 26.06. und 08.07.1944.
BAB, R31/708 HeZ; UAP, DU PA HeZ.
197Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 3–7, 17–21, 30–32, insbesondere 20f. Nr. 3 (=
Verordnungsblatt des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren Jg. 1942, Prag, 211f. Nr. 30, vom
11.07.1942): „Verordnung über die Errichtung einer ‚Reinhard-Heydrich-Stiftung, Reichsstiftung
für wissenschaftliche Forschung in Prag‛“ zur „Erforschung der völkischen, kulturellen, politischen
und wirtschaftlichen Verhältnisse Böhmens und Mährens sowie der Völker im ost- und südosteuropäischen Raum“, was ebd. 24–27 Nr. 6 in einem Konzept der Eröffnungsrede K. H. Franks für die
RHS von 1943 genauer ausgeführt wird; Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 264; Wiedemann, ReinhardHeydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 48. – Vgl. auch Míšková, Universität im Zweiten Weltkrieg (wie
Anm. 130) 186–188, zu den „engsten Anhängern“ Beyers.
198AAVČR, Of HeZ, Nr. 603. Im selben Monat wurden etwa auch Weizsäcker und Franz Laufke mit
der Leitung des Instituts für Deutsches Recht im Osten der RHS von Frank beauftragt. Ebd., Of
Wilhelm Weizsäcker, Nr. 121. Dazu auch Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 265.
199Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 7, 13–17; Šisler, Vznik (wie Anm. 149) 265f.;
Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 54–73; Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 135; dies., Universität im Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 130) 185–189.
200Siehe Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshaupt
726
Karel Hruza
tschechische Institute der geschlossenen Universität und andere wissenschaftliche
Vereinigungen ein, die weiterhin von der tschechischen Protektoratsregierung zu unterhalten waren.
Die Verwirklichung des Stiftungsbetriebs zog sich aber länger hin als von den
Protagonisten gedacht, und erst am 4. Juni 1943 wurde die offizielle Eröffnung der
RHS zu Heydrichs einjährigem Todestag im Zuge der NS-Gedenkfeierlichkeiten vollzogen201. Sollte K. H. Frank hierbei eine Eröffnungsrede gemäß einem erhaltenen
Konzept gehalten haben, so hat er auch Zatschek namentlich erwähnt: Von Prof.
Zatschek erwarte ich eine besondere Initiative auf dem Gebiete der gesamten landesgeschichtlichen Forschung sowie der Universitätsgeschichte202. Das konnte Frank sich
auch deswegen wünschen, weil unterdessen Zatschek noch eine wesentliche wissenschaftspolitische Funktion an sich hatte ziehen können, die sicher seinen Wünschen
wie auch Fähigkeiten entsprach und eng mit der RHS verbunden werden sollte: Er
wurde vom Reichsprotektor zum „Beauftragten für geschichtliche Quellenveröffent
lichungen in Böhmen und Mähren“ ernannt, eine Aufgabe, die auch kulturpolitische
Momente in sich barg203. Zatscheks Ämterakkumulation war jedoch noch nicht an ihrem Endpunkt angelangt: Zum 1. August 1943 ernannte ihn Universitätsrektor Buntru
zum Verwalter des Universitätsarchivs. Von Buntrus Nachfolger Friedrich Klausing
amtes (Hamburg 2002) 409f.; zu Krallert siehe den Beitrag in diesem Band. – In der Amtsgruppe III
B war seit Dezember 1939 Beyer als Referent tätig, siehe Roth, Heydrichs Professor (wie Anm.
131) 285.
201Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 24–28 Nr. 6; Šisler, Vznik (wie Anm. 149)
266f. Falsch ist die Angabe bei Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 47. Als
Quelle für die „Eröffnung“ gilt ein Abschnitt eines langen Artikels über die Prager Feierlichkeiten aus
Anlass des ersten Todestages Heydrichs am 04.06.1943 in „Der Neue Tag. Tageszeitung für Böhmen
und Mähren“ Nr. 154 vom 05.06.1942, 2: „Staatssekretär SS-Gruppenführer K. H. Frank empfing
aus Anlaß der ersten Wiederkehr des Todestages von SS-Obergruppenführer Heydrich die leitenden Mitarbeiter der Reinhard-Heydrich-Stiftung und bestellte die Professoren Beyer, Gesemann,
Grohmann, Hanika, Hippius, Rippl, Schneeweis, Weizsäcker, Winter und Zatschek, sowie […]
Prof. Laufke zu Institutsdirektoren, die Professoren Beyer, Weizsäcker, Winkler von Hermaden
und Zatschek zu Gruppenleitern. Auf Grund der Satzung wurde der Rektor der Deutschen KarlsUniversität, Prof. Buntru, zum Vorstand der Reinhard-Heydrich-Stiftung ernannt. Zum stellvertretenden Leiter wurde kommissarisch Prof. Beyer und zum kommissarischen Verwaltungsdirektor Prof.
Weizsäcker bestimmt.“ Am 25.02.1943 hatte Beyer an Weizsäcker u. a. geschrieben: Ursprünglich
sollte die Eröffnung der RHS im formellen Rahmen einer Prager Hochschulwoche stattfinden. Diese
Hochschulwoche fällt jedoch aus. Es ist jetzt vorgesehen, dass der Staatssekretär in der Zeit zwischen
15. und 20. März die Gruppen- und Institutsleiter empfängt und in ihre Ämter einführt. Am 22.03.
bekam Weizsäcker die Mitteilung, dass die offizielle Uebergabe der RHS erst Anfang April möglich
sein wird […]. AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker Nr. 121. Auch dieser Termin wurde nicht eingehalten. – Ebenfalls am 4. Juni 1943 wurde erstmals die „Ehrengabe“ der nicht mit der RHS zu verwechselnden „Reinhard-Heydrich-Gedächtnisstiftung der Hauptstadt Prag“ durch Pfitzner verliehen,
siehe Siehe Alena Míšková, Vojtěch Šustek, Josef Pfitzner a protektorátní Praha v letech 1939–1945
1: Deník Josefa Pfitznera. Úřední korespondence Josefa Pfitznera s Karlem Hermannem Frankem
[Josef Pfitzner und Prag während des Protektorats 1939–1945 1: Das Tagebuch Josef Pfitzners. Die
Amtskorrespondenz Josef Pfitzners mit Karl Hermann Frank] (Documenta Pragensia Monographia
11/1, Praha 2000) 51–56 (Rede Pfitzners).
202Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) 24–28 Nr. 6, hier 27.
203Siehe Fremund, Heydrichova nadace (wie Anm. 188) Abb. [Nr. 3].
Heinz Zatschek (1901–1965)
727
wurde er am 25. Juli 1944 zum ständigen Stellvertreter des Rektors in der Leitung des
Ausschusses für Angelegenheiten der Landes- und Universitätsbibliothek ernannt204.
Am 29. November 1943 berief ihn Klausing in den akademischen Senat205. All das
zog sicher eine erhebliche Arbeitsbelastung nach sich, und vielleicht stand deswegen
seit 1944 Ernstberger als (zweiter?) Direktor an Zatscheks Seite in der Leitung des
landesgeschichtlichen Instituts der RHS, zumal diesem Institut die Vorbereitung der
großen Universitätsfeiern 1948 übertragen wurde206. Als Ende 1944 einige Institute
der RHS im Zuge des „totalen Kriegseinsatzes“ geschlossen wurden, bewertete man
Zatscheks Institut als so wichtig, dass es eingeschränkt weiterarbeiten konnte207.
Im Frühjahr 1943 war Zatschek von Beyer in Nachfolge Buntrus als Rektor der
Universität vorgeschlagen, von Buntru aber wegen seiner Konfliktfreudigkeit abgelehnt worden. Schließlich wurde nach längeren Verhandlungen zwischen dem REM,
dem Amt des Reichsprotektors, dem SD und anderen Stellen ein Besetzungsplan für
fünf Jahre ausgearbeitet: Klausing für zwei Studienjahre (WS 1943/44 bis SS 1945),
Kurt Albrecht für die folgenden zwei Studienjahre (bis SS 1947) – und nachfolgend
Zatschek bis in das Jubiläumsjahr 1948 hinein208. Der politische Aspekt von Zatscheks
Amtszeit wurde intern thematisiert: Dadurch, daß für das Jubiläumsjahr Prof. Dr.
Zatschek als Rektor vorgesehen ist, scheint es […] gewährleistet, daß das Gewicht
der Deutschen an der Karls-Universität zu ihrem Jubiläum trotz der kriegsbedingten
Schwierigkeiten noch klarer geworden ist als heute schon, sowohl in wissenschaftlicher
als auch in volkspolitisch-weltanschaulicher Hinsicht209.
Im Frühjahr 1945 war Zatschek schließlich führend in deutsche Evakuierungs­maß­
nahmen eingebunden. Von der Universitätsleitung wurde an der Wende Februar-März
beschlossen, wertvolle und umfängliche Bestände des Universitätsarchivs auszulagern210. Als Archivleiter oblag die Organisation des Unternehmens Zatschek, der sich
sogleich am 3. März an Mayer in Schloss Weißenstein bei Pommersfelden wandte,
wohin dieser von Berlin aus die umfängliche MGH-Bibliothek und weiteres Material
verfrachtet hatte. Mayer, der einen gewissen Anstoß zu dem Vorhaben gegeben hat211,
sagte am 15. März die Aufnahme in einem bei Oberköst (nahe Pommersfelden) ge204Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 511; UAP, DU PA HeZ.
205UAP, DU Rektorat Inv.-Nr. 244. Zatschek dürfte zunächst seit August 1944 vertretungsweise und
seit dem 29.11.1944 als ordentliches Mitglied des akademischen Senats amtiert haben.
206Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 46 und 49.
207Ebd. 93 ohne Quellenangabe. Mitte Oktober 1944 war die teilweise Stillegung der RHS noch nicht
genehmigt, siehe NA Praha, NSM 110-3-13.
208Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 149f. und 171 Anm. 1–3. Da Klausing
im August 1944 Selbstmord verübte (siehe Abschnitt V), folgte ihm Albrecht bereits im WS 1944/45
nach. Siehe Míšková, Šustek, Pfitzner (wie Anm. 201) 207.
209Brief des SD vom 27.04.1944. NA Praha, PA HeZ CH 307/25 B3, hier nach Steidl, Zatschek (wie
Anm 6) 11.
210Zu dieser Episode siehe ausführlich Hruza, Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38). –
Ähnliche Maßnahmen zum Abtransport hatte Mayer Santifaller in Wien empfohlen, siehe dessen
Brief an Mayer vom 14.02.1945. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 16 Nr. 7.
211Siehe Mayers Brief an Zatschek vom 28.10.1944. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; MGH, Archiv B 704/II,
2–3.
728
Karel Hruza
legenen Gebäude zu und bat um Geheimhaltung. Zatschek konnte ihm am 24. März
jedoch nur antworten, dass die Philosophische Fakultät in Prag bereits informiert
sei, da Dekan Beyer den Transport im Plenum zur Diskussion gestellt hatte, mit der
Folge, dass weitere Wissenschaftler ebenfalls Material mit dem geplanten Transport
wegschaffen lassen wollten212. Unter ihnen befanden sich der Altphilologe Theodor
Hopfner, der ein zweibändiges Manuskript über die Juden in Deutschland „retten“
wollte, das im Auftrag des „Amtes Rosenberg“ verfasst worden war, und Joachim
Prochno, der 400 Urkunden vermutlich der Přemyslidenzeit unter persönlicher Aufsicht
wegschaffen wollte213. Zatschek teilte noch mit, dass der Transport wegen der unsicheren Bahnfahrten mit Lastkraftwagen der SS erfolgen sollte, ein Vorhaben, dass bei
der damaligen absoluten Luftüberlegenheit der Alliierten ebenfalls als höchst riskant
zu gelten hatte.
Am 29. März offenbarte Mayer Zatschek, dass er sich über die damalige gesamte
Situation keine Illusionen mehr machte und dass er mit Vernunft und ausgesprochenem Realitätssinn die Angelegenheit lösen wolle. Zwei Tage später wiederholte er
ausführlich seine Meinung. Im Laufe weniger Tage waren ihm nämlich immer mehr
Zweifel am Sinn der von seinen Prager Kollegen betriebenen Aktion gekommen. Da
er richtigerweise annahm, in Pommersfelden bald unter US-amerikanische Besatzung
zu geraten, wollte er bei einer möglichen Untersuchung der dort eingelagerten Bücherund Archivbestände tunlichst verhindern, dass antisemitische Schriften des „Amtes
Rosenberg“ zu finden seien, welche die Verwahrung des gesamten Materials gefährden
könnten. Ebenso verhielt es sich mit dem Archivgut, das nach Provenienzprinzip der
Universität Prag im allgemeinen, also nicht nur der deutschen [Universität] gehörte.
Auch hier hätten Nachforschungen, etwa der wieder erstehenden ČSR, das bereits legal
in Pommersfelden lagernde Material gefährden können. Des Weiteren war sich Mayer
bewusst, dass in Prag etliche Akten zu verbrennen und/oder als kompromittierend zu
bewerten wären. Insgesamt wollte er das Prager Archivgut dort belassen, wo es historisch und gemäß einer neuen Rechtslage hingehörte, also in Prag. Mayers Antworten
waren jedoch bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung (fast) gegenstandslos geworden,
da Zatschek ebenfalls am 29. März hatte mitteilen müssen, dass die Auslagerung wegen
Transportschwierigkeiten nicht zu verwirklichen sei. Trotzdem blieb das Vorhaben
nicht ohne Folgen, denn im Archiv dürften die Vorbereitungen bereits angelaufen
gewesen sein, zumindest wurde eine beachtliche Menge Archivalien verpackt und
212Es handelt sich um die Fakultätssitzung vom 05.03.1945, in der gemäß Protokoll über die vom
Staatsminister angeordneten ARLZ-Maßnahmen beraten wurde (das erwähnt Zatschek in seinem
Brief vom 24.03.1945, siehe Hruza, Insignien- und Archivalienraub [wie Anm. 38]). Eine Diskussion
über die Archiv-Angelegenheit wurde nicht vermerkt. Verhandlungsschrift und Anwesenheitsliste
der Sitzung des Fakultätsausschusses, unterschrieben u. a. von Willi O. J. Czajka, Hippius, Hopfner,
Pirchan, Winter, Wostry und Zatschek. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 897.
213Hopfner hatte 1943 ein volksgeschichtlich motiviertes „Griechisch-lateinisch-deutsches
Quellenbuch zur Siedlung und Geschichte der Germanen im böhmisch-mährischen, schlesischen und
Karpathenraume“ und „Die Judenfrage bei Griechen und Römern“, eine antisemitsch durchdrungene
Arbeit, publiziert. Zu Prochno siehe Abschnitt IV.
Heinz Zatschek (1901–1965)
729
abtransportiert und gilt seitdem als vermisst214. Darunter befinden sich die mit einem
Goldsiegel beglaubigte Universitäts-Gründungsurkunde Karls IV. (1348) sowie die
Approbationsurkunde Papst Klemens’ VI. (1347)215. Vor allem wurden aber auch die
alten Universitätsinsignien weggebracht.
Welche Verantwortung Zatschek für diesen Raub zuzuschreiben ist, kann derzeit
nicht entschieden werden. Die Insignien und Urkunden dürften im Rektorat aufbewahrt
worden sein und standen so unter Aufsicht des Rektors und der dort Diensthabenden.
Zatschek dürfte als mit der Universitätsgeschichte befasster Historiker und als Zeuge
des „Insignienstreites“ von 1934 jedoch mehr um die „nationale“ und symbolische
Bedeutung der Insignien und Urkunden gewusst haben als der erst 1940 aus Berlin nach
Prag angereiste Rektor Albrecht. Bei der Wahl des abzutransportierenden Materials
darf in Zatschek doch die entscheidende Instanz gesehen werden, zumal er sich bereits mit der konkreten Zahl der Transportkisten an Mayer gewandt hatte. Solange die
eigentlichen Vorgänge um den Abtransport im Dunklen liegen, heißt das aber nicht
zugleich, dass er der wirklich Verantwortliche für diesen war.
Das SS 1945 der Deutschen Karlsuniversität Prag begann am 1. April, wobei der
Lehrbetrieb je nach Fach bis zum Ausbruch des Aufstands am Samstag, den 5. Mai,
fortgeführt wurde. Zatschek befand sich unter den Professoren seiner Fakultät, die noch
am 3. Mai, als der Tod Hitlers bereits bekannt war, zu einer Sitzung zusammenkamen216. Er selbst wollte erst am Dienstag, den 8. Mai, mit seinen Lehrveranstaltungen
beginnen, doch der Prager Aufstand brachte den Universitätsbetrieb in der zweiten
Woche des Mai schnell zum Erliegen. Eine letzte „Ehre“ verblieb Zatschek: Er hat
vermutlich die letzte Promotion an der Philosophischen Fakultät der Deutschen
Karlsuniversität vollzogen217. Und er stand noch 1945 auf einer Vorschlagsliste der
Universität München218.
Zatscheks Fall als Universitätslehrer war tief: Der ehemalige Lehrstuhlinhaber,
Dekan, Rektorsanwärter und Akademiemitglied konnte ab 1945 – im Alter von 44
Jahren – nur freiberuflich im Wiener Stadt- und Landesarchiv arbeiten219. Erst nach
vier Jahren konnte er einen Erfolg bei der institutionellen Verankerung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verbuchen: Seit November 1949 arbeitete er als angestellte
wissenschaftliche Fachkraft in der Kammer für gewerbliche Wirtschaft für Wien. Aber
214Siehe Hruza, Insignien- und Archivalienraub (wie Anm. 38).
215Das verlorene umfängliche Material listen auf: Václav Vojtíšek, O archivu university Karlovy a jeho
ztrátách, in: Archívní časopis 3 (1951) 86–93, hier 88–91; Karel Kučera, Miroslav Truc, Archiv
University Karlovy. Průvodce po archivních fondech (Praha 1961) 171–179.
216Siehe die Anwesenheitsliste der Sitzung des Fakultätsausschusses vom 03.05.1945. Anwesend waren u. a. noch Gustav Becking, Hanika, Hippius, Hopfner, Pirchan, Rippl, Adolf Rotter, Schneeweis,
Ernst Schwarz, K. M. Swoboda. UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 897.
217Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 139.
218BAB, (ehem. BDC) REM Karteikarte HeZ, letzter Eintrag zu 1945: Vorschlag München.
219HGM Wien, PA HeZ; ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ. Bei seinem Ansuchen um Anrechnung der
Vordienszeiten zur Pension von 1962 gab Zatschek an, seit dem 16.06.1945, also sofort nach seiner
Ankunft in Wien, in freiberuflicher Tätigkeit gearbeitet zu haben, was sicher nicht dem tatsächlichen
Beginn seiner Arbeiten im Wiener Stadt- und Landesarchiv entsprechen kann.
730
Karel Hruza
auch sein weiterer Aufstieg zum Kustos I. Klasse am Heeresgeschichtlichen Museum
seit Juni 1955 und schließlich zum Museumsdirektor seit Januar 1957 fand nicht an
einer akademischen Institution statt220. Als Museumsdirektor organisierte Zatschek
Ausstellungen, etwa die erfolgreiche Prinz Eugen-Ausstellung von 1963, begründete
die „Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums“ und konnte den Wiederaufbau des
im Krieg beschädigten Museums abschließen221. Der Historiker Friedrich Hausmann
folgte 1958 „einem Angebot des Direktors des Heeresgeschichtlichen Museums in
Wien, W. Hofrat Professor Heinz Zatschek, der sich um seine Nachfolge sorgte, unter
gewissen Bedingungen“ und wurde Vertragsbediensteter und schließlich 1960 Kustos
I. Klasse am Museum222. Er berichtet auch von einem unvorgesehenen Besuch und
einer Führung des Schahs von Iran, Reza Pahlawi, im Museum, als dort im Mai 1960
der 2. Kongress der Waffen- und Heeresgeschichtlichen Museen stattfand223. Für die
Führung bedankte sich der Schah bei Zatschek mit einer Auszeichnung224.
Als einige Jahre nach Ende des Weltkrieges das allgemeine Entsetzen über
die nationalsozialistischen Verbrechen abebbte und Fragen nach bestimmten
Vergangenheiten in herrschenden Kreisen nicht mehr angebracht schienen, sammelten sich in Westdeutschland die ehemaligen deutschen Eliten der hinter dem Eisernen
Vorhang verschwundenen Länder Ostmitteleuropas. Auch der einst zur Spitze der
einflussreichsten deutschen Historiker im Protektorat zählende Zatschek stand nicht im
Abseits. 1954 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission
der Sudetenländer und wurde im Juni 1959 als Mitglied in das Collegium Carolinum
in München aufgenommen, das die Tradition der bis 1945 in Prag an der Universität
betriebenen deutschen historischen Forschungen fortführen wollte225. Im Collegium
Carolinum sollte er auf alte Bekannte der RHS und der Prager oder Wiener Universität
stoßen, denn Buntru, Hanika, Ernst Klebel, Laufke, Mayer, Kurt Oberdorffer, Ernst
Schwarz, Weizsäcker und andere waren ebenfalls Mitglieder. Auch nicht institutionalisierte Netzwerke der Zeit vor 1945 funktionierten noch. Gemäß der Sonderdrucke,
220Ebd. 1954 hatte Zatschek den erfolglosen Versuch unternommen, als Bibliothekar im Staatsdienst
angestellt zu werden.
221In: Joh. Christoph Allmayer-Beck, Militär, Geschichte und politische Bildung, hg. v. Peter Brouček,
Erwin A. Schmidl (Wien/Köln/Weimar 2003) Abbildungen [Nr. 5], ist Zatschek bei einer Führung
durch das Museum zu sehen.
222Friedrich Hausmann, Autobiographie, in: Recht und Geschichte. Ein Beitrag zur österreichischen
Gesellschafts- und Geistesgeschichte unserer Zeit. Zwanzig Historiker und Juristen berichten aus ihrem Leben, hg. v. Hermann Baltl, Nikolaus Grass, Hans Constantin Faussner (Studien zur Rechts-,
Wirtschafts- und Kulturgeschichte 14, Sigmaringen 1990) 115–134, hier 127f.
223Ebd. 128.
224WStLA, NL HeZ A1, K. 1 Mappe 4. Humayun 3. Klasse verliehen am 16.05.1960 (Für eine
Übersetzung der persischen Verleihungsurkunde danke ich Mag. Sibylle Wentker).
225Rudolf Schreiber, Die Historische Kommission der Sudetenländer, in: Stifter-Jb. 3 (1953) 239–244;
25 Jahre Collegium Carolinum München 1956–1981 (München 1982) 60–62 (Mitgliederverzeichnis);
Stephan Dolezel, Einleitung: Zu den Anfängen der Historischen Kommission der Sudetenländer, in:
Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918–1960 (wie Anm. 6) 1–9. Als die Kommission und
das Collegium Carolinum 1962 die 1862 vollzogene Gründung des VGDB mit einer „Feierstunde“ in
München begingen, hielt Zatschek den Vortrag „Die deutsche Geschichtswissenschaft in den böhmischen Ländern seit 1862“. Einladungskarte im: WStLA, NL HeZ A1, K. 7.
Heinz Zatschek (1901–1965)
731
die sich in Zatscheks Wiener Nachlässen befinden, betrieb er intensiven Austausch mit
Anton Blaschka, Brunner, Fichtenau, Franz Huter, Herbert Klein, Alphons Lhotsky,
Stengel, Friedrich Walter und vor allem Mayer226. Eine regelrechte Freundschaft ergab sich mit Mayer, wie Zatschek ein „Exilant“, was den Wechsel des Wohnorts und
einen gewissen Ausschluss aus der community der Mediävisten betraf. Waren die
Kontakte der beiden trotz langer Bekanntschaft bis zum Beginn der 1940er Jahre eher
sporadischer und dienstlicher Natur, kamen sie seit 1946 als enttäuschte und frustrierte
Schicksalsgenossen zusammen. Beständig urteilten sie negativ und auch abschätzig
über die damalige neue Situation und alte wie neue Kollegen und gebrauchten Termini
der Zeit vor 1945. So war die Bundesrepublik Deutschland immer noch das „Reich“
oder das österreichische Bundesheer wurde zur „neuen Wehrmacht“227.
Obwohl Zatschek vermutlich schon Ende der 1940er Jahre Schritte unternahm, an
der Universität Wien eine Anstellung oder Lehrbefugnis zu erhalten228, suchte er erst
im März 1955 an der Universität Wien um das Wiederaufleben seiner venia legendi
und um deren Erweiterung auf Wirtschaftsgeschichte nach. In seinem Antrag verzichtete er darauf zu erklären, warum seine venia erloschen war, vergaß aber nicht, auf
seine ehemals furchtbare Lage nach 1945 und vor allem auf wohlmeinende Stimmen
aus der hohen Politik zu verweisen229. Zatscheks venia dürfte nach vier Semestern
ohne Abhalten von Vorlesungen erloschen sein; dahinter stand freilich, dass er als
Nationalsozialist wegen der österreichischen Verbotsgesetze nach Kriegsende nicht
ohne weiteres an einer Universität hätte lehren dürfen. Dieses politische Moment wurde
im gesamten (zumindest schriftlichen) Verfahren mit keinem Wort angeführt, dagegen die Wiederzulassung als Privatdozent Mitte Mai vom Professorenkollegium der
226Siehe die Separata in: ÖStA, KA, B 1200:0 NL HeZ; WStLA, NL HeZ A1, K. 5f.
227StadtA Konstanz, NL ThM. Auf Details dieser Korrespondenz möchte ich anderer Stelle zurückkommen.
228Am 16.05.1950 schrieb Zatschek an Mayer: Eben kommt von der Rektorenkonferenz die Aufforderung,
ein Schriftenverzeichnis zu schicken und über das Ergebnis der Entnazifizierungsverhandlung zu berichten. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 17 Nr. 135. Siehe auch Abschnitt II.
229Im Zatscheks Ansuchen vom 09.03.1955 steht u. a.: Er [Zatschek] bitte die Fakultät, sie möge dem
Wiederaufleben der Venia legendi ihre Zustimmung erteilen und diese nicht nur auf die Fächer erstrecken, die er zuletzt an der Universität vertreten hat, sondern auch auf Wirtschaftsgeschichte. Zur
Begründung dieser Bitte gestattet er sich anzuführen, daß er seit seiner Rückkehr aus Prag durch
seine gewerbegeschichtlichen Arbeiten und die dabei eingeschlagenen neuen methodischen Wege
der österreichischen Forschung auf diesem Gebiet einen weiten Vorsprung gesichert hat […]. Im
Begleitschreiben selben Datums zu den seinem Antrag beigelegten Publikationen teilt er mit: Am 15.
September vergangenen Jahres habe ich dem damaligen Unterrichtsminister, Herrn Dr. [Ernst] Kolb,
ein ähnliches Schriftenverzeichnis übergeben, der für die Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte grosses
Interesse zeigte und mir zusicherte, dass etwas für mich getan werden könne. […] Die Publikationen
werden doch nur dem Nachweis dienen können, dass ich ungeachtet der furchtbaren Lage, in die ich
nach 1945 geraten bin, weiterhin und mit Erfolg wissenschaftlich gearbeitet habe. UAW, Phil. Fak.
PA HeZ. Zu der Wiederverleihung siehe bereits Heiss, Von Österreichs deutscher Vergangenheit
(wie Anm 154) 59, und ders., Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive? Die mittlere, neuere und österreichische Geschichte, sowie die Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der
Universität Wien 1945–1955, in: Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955, hg. v.
dems., Margarete Grandner, Oliver Rathkolb (Querschnitte 19, Innsbruck u. a. 2005) 189–210, hier
201f. mit der Nennung anderer Wiederverleihungen an ehemalige Nationalsozialisten.
732
Karel Hruza
Philosophischen Fakultät bei 52 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen, nachdem die eingesetzte Fakultätskommission zu einem positiven Ergebnis gelangt war. Die
offizielle Erteilung geschah im Juni. Das Gutachten des zuständigen Berichterstatters
und Kommissionsvorsitzenden Santifaller lautete: Der Genannte gilt allgemein als bedeutender Gelehrter und hat trotz schwierigster äußerer Verhältnisse seit 1947 eine große Zahl bedeutender Arbeiten insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeschichte
veröffentlicht (17 Arbeiten). Aus diesem Grunde und mit Rücksicht darauf, daß der
Gen. bereits Ordinarius a.d. Deutschen Univ. in Prag gewesen ist, wurde gem. §
21 Pkt. 4 der Habil.Norm die Wiederverleihung der Lehrbefugnis für Geschichte
des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften, sowie die Erweiterung […] auf
Wirtschaftsgeschichte ohne weiteres Habil.Verfahren beschlossen230. Als Dekan amtete damals Karl Maria Swoboda, der 1930–1945 als Zatscheks Fakultätskollege in
Prag gelehrt hatte, und auch von den Mitgliedern der Kommission war vermutlich
kein entscheidender Widerstand gegen Zatscheks Ansuchen zu erwarten gewesen231.
Im zugehörigen Akt des BMU ist unter staatsbürgerliches Verhalten eingetragen: Lt.
vorgelegter Bescheinigung der Magistratsabteilung als Registrierungsbehörde vom
[Eintrag fehlt] ist der Genannte in den Registrierungslisten der Nationalsozialisten
nicht verzeichnet. Dieser Vermerk ist ebenso wie die nachfolgende Rubrik Gauakt
durchgestrichen232.
Die Gründe für die Wiederverleihung der venia legendi an Zatschek dürften in
dem damals herrschenden Bedarf an Lehrkräften, seiner traditionellen Bindung an
die Universität und vor allem an das IÖG als ein Schüler Hirschs ‚par excellence‛ und
seiner fachlichen Qualifikation zu sehen sein. Wäre diese Wiederverleihung aber unter
Hinweis auf Zatscheks politische Tätigkeit im Dritten Reich zu verhindern gewesen?
Juristisch gab es dafür seit 1948 keine Grundlage mehr, die Kommission hätte das
politische Argument demnach nur intern diskutieren können, doch wurde (zumindest gemäß Bericht) damaligem usus entsprechend darauf verzichtet, obwohl sich
unter den Kommissionsmitgliedern Personen befanden, denen keine Affinität zum
Nationalsozialismus nachgesagt werden kann.
Ein weiterer Karriereschritt an der Universität wurde Zatschek jedoch versagt. Erna
Patzelt, seit 1948 Leiterin des auf Dopsch zurückgehenden Seminars für Wirtschaftsund Kulturgeschichte der Universität Wien, beantragte im Januar 1957 bei der
Philosophischen Fakultät, Zatschek zu ihrem Mitdirektor zu ernennen, entsprechend
den Verhältnissen an anderen Universitätsinstituten233. Der von Fichtenau, Hantsch,
230ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ; UAW, Phil. Fak. PA HeZ. In seinem Vortrag vor der Kommission betreffend Wiedererlangung der erloschenen Lehrbefugnis […] an Dr. Heinz Zatschek am 04.05.1955
referierte Santifaller knapp über Zatscheks berufliche Laufbahn bis 1945 ohne Erwähnung politischer Momente und kam zum oben wiedergegebenen Schluss.
231Die Kommissionsmitglieder waren neben Santifaller Meister, der den entsprechenden Antrag einbrachte, Fichtenau, Hugo Hantsch, Lhotsky und vier weitere Personen. UAW, Phil. Fak. PA HeZ.
232ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ. – Zatschek hatte wohl das Glück, dass die Akten über seine NSDAPMitgliedschaft in Prag und Berlin (und evt. München) lagen. Dass er Parteimitglied gewesen war, dürfte an der Universität Wien 1955 dennoch bestens bekannt gewesen sein. Siehe auch Abschnitt V.
233Es heißt im Antrag vom 07.01.1957 des Weiteren: Professor Zatschek hat im Sommersemester 1956
Heinz Zatschek (1901–1965)
733
Lhotsky, Santifaller und anderen unterstützte Antrag zeigt deutlich, dass sich Zatschek
wieder an der Universität etablieren wollte, da nämlich die 62jährige Patzelt krankheitsbedingt kurz vor der Pensionierung stand und Zatschek hoffen durfte, als Mitdirektor
ihr Nachfolger zu werden. Schon vor der entscheidenden Kommissionssitzung im
März trat aber ein Meinungsumschwung ein, den der verhinderte Santifaller in seinem
Entschuldigungsschreiben an Dekan Hantsch lapidar ausdrückte: Im Sinne unserer
Besprechung stimme ich gegen den Antrag, obwohl ich zunächst denselben mitunterstützt habe. In der Sitzung wurde der Antrag, da aus formalen Gründen nicht durchführbar, abgelehnt und daher ebenso von der Fakultät im April verworfen234.
Im WS 1955/56 hatte Zatschek wieder mit der Lehre begonnen und las zunächst
ein Proseminar „Einführung in das Geschichtsstudium“ je Semester, betreute wieder
Doktoranden und durfte ab dem SS 1961 ein Seminar für mittelalterliche Geschichte
abhalten235. Im Januar 1963 legte Zatschek seinen Lehrauftrag ab dem SS 1963 jedoch zurück. Sogleich am Anfang seines Schreibens nannte er unmissverständlich
den Grund: Im Hinblick darauf, daß die Ernennung von Prof. [Heinrich] Appelt zum
Ordinarius wohl unmittelbar bevorsteht, halte ich es nicht mehr für notwendig, daß ich
ein Seminar für mittelalterliche Geschichte halte. Genau zwei Jahre später wiederum
bat er, seinen unterbrochenen, aber unbefristeten Lehrauftrag auch im SS 1965 nicht
wahrnehmen zu müssen, ohne dass seine venia legendi wegen des Überschreitens
von vier vorlesungsfreien Semestern erlösche. Das Professorenkollegium gab seinem
Ansuchen statt. Im WS 1965/66 plante er, die Lehre wieder fortzuführen236.
Das Abhalten von Lehrveranstaltungen als externer Privatdozent bedeutete für
Zatschek nur einen kleinen Trost. Beständig hegte er nach 1945 die Hoffnung, wieder eine Professur in Österreich oder Deutschland übernehmen zu können. Auch
während der Erkrankung der Unterfertigten das Seminar für Wirtschaftsgeschichte gehalten, wurde von dem damaligen Dekan, Herrn Prof. [Edmund] Hlawka, mit der vertretungsweisen Führung
der Direktionsgeschäfte betraut und hat während des einen Semesters zwei wirtschaftsgeschichtliche Dissertationen vergeben. So käme eine solche Ernennung dem Fache Wirtschaftsgeschichte zugute und böte Prof. Zatschek eine eigene Arbeitsstätte und einen Wirkungskreis an der Universität,
der ihm in anderer Form nicht zur Verfügung gestellt werden könnte und den er auch für die
Proseminarprüfungen dringend benötigt. UAW, Phil. Fak. PA HeZ.
234Ebd. Schreiben Santifallers vom 18.03.1957. Gemäß Protokoll der Kommissionssitzung vom
22.03.1957 führte Hantsch u. a. an: Institut [für Wirtschafts- und Kulturgeschichte] hat keinen Direktor [sondern Vorstand] und eine Zustimmung würde die Besetzung der Lehrkanzel für
Wirtschaftsgeschichte bereits eindeutig bestimmen. Swoboda bemerkte: [Es wäre] Den Dekanen
der nächsten 2 Jahre nahezulegen, Zatschek mit der Verwaltung zu betrauen. In der offiziellen
Begründung der Ablehnung heißt es in Klammern gesetzt: Hinweis auf einen von der Fakultät vor
einiger Zeit an das BMfU gerichteten Antrag auf Bestellung Prof. [Viktor] Matejkas zum Direktor
des Inst. f. Dolmetscherausbildung. Dieser Antrag wurde vom BMfU mit der Begründung abgelehnt,
dass rechtliche Voraussetzungen für die Ernennung zum Direktor nicht vorhanden sind – Laut HOG
gibt es nur Vorstände bzw. Mitvorstände (ordentl. bzw. außerordentl. Univ.Prof.). Zatschek war an
der Universität jedoch nur als Universitätsdozent tätig.
235Wie auch im Folgenden ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ; UAW, Phil. Fak. PA HeZ. Einer seiner
letzten Doktoranden mit einem handwerksgeschichtlichen Thema war Peter Brouček, siehe ders.,
Peball, Geschichte (wie Anm. 54) 310–326.
236Ebd. Schreiben vom 15.01.1963; 09.01. und 29.01.1965.
734
Karel Hruza
seine Museumskarriere hat diesen Wunsch nur dämpfen, aber nicht ersetzen können. Seine Enttäuschung, dass 1963 Appelt aus Graz und nicht er selbst auf einen
freien Mittelalterlehrstuhl in Wien berufen wurde, ist seinem Absagebrief mehr als
deutlich zu entnehmen. Für den im 62. Lebensjahr stehenden Zatschek war damit
die letzte Möglichkeit zerronnen, doch noch als ordentlicher Professor an seine alte
Heimatuniversität zurückzukehren. Es muss Zatschek überhaupt schmerzhaft berührt
haben, dass er bei den damals in Wien erfolgten Neubesetzungen von Lehrkanzeln
nicht in die Vorschlagslisten aufgenommen wurde237. 1962 wurde Santifaller emeritiert;
der Lehrstuhl Hirschs, den Zatschek 1941/42 innehatte, und die Vorstandschaft am
IÖG standen seit 1961 zur Vergabe, wobei wieder ein Hilfswissenschaftler und MGHMitarbeiter gewählt werden sollte. Das letzte Mal berührten sich die Karrierewege
Santifallers und Zatscheks, doch wurde dieser anscheinend überhaupt nicht für die
Professur in Betracht gezogen, nach seinen Angaben vielmehr von Santifaller abgemeuchelt238, und die Professur schließlich mit dem „Nicht-Monumentisten“ Fichtenau
besetzt, der auch die Leitung des IÖG übernahm. Dessen außerordentliches Ordinariat
für Geschichte des Mittelalters, zum ordentlichen aufgewertet und um Historische
Hilfswissenschaften erweitert, ging später an den MGH-Mitarbeiter Appelt. Als dessen Nachfolger in Graz wiederum wurde Zatschek ins Spiel gebracht – jedoch ohne
Erfolg239.
Dass Zatschek in diesen Fällen weitgehend missachtet wurde, kann nicht nur an
seinem Alter gelegen haben, denn die anderen Kandidaten dieser beiden Besetzungen
waren zum Teil nur unwesentlich jünger240; zudem wurde ihm sogar ein „Ehrenplatz“
auf den Vorschlagslisten verwehrt, mit welchem man ihm hätte demonstrieren können, dass seine Person und Arbeit geschätzt werden, er aber eben aus Altersgründen
nicht in die wirkliche Auswahl komme241. Das alles kann nur so interpretiert werden,
237Zur Santifaller- und Fichtenau-Nachfolge siehe zuletzt unter weitgehender Ausblendung kon­
textueller Momente Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 458–462, die in ihrer
auf Akteneinsicht beruhenden Darstellung Zatschek in diesem Zusammenhang nicht anführt.
238Am 28.08.1961 schrieb Zatschek an Mayer u. a.: Die [Berufungs-]Kommission hat es gefressen, daß
Santifaller gleich zu Beginn mich und Pivec abgemeuchelt hat, dafür aber dann Appelt ausgebo[o]tet,
und die 7 Stimmen, die für ein Minoritätsvotum nötig gewesen wären, konnte Santifaller nicht aufbringen. Der Endeffekt wird der sein, daß die Lehrkanzel im Herbst vakant ist und Santifaller, obzwar
emeritiert, weiter liest und die Direktion des Instituts behält. So etwas nennt man dann Förderung
des wissenschaftlichen Nachwuchses. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 1 Nr. 148.
239Appelts Nachfolger in Graz wurde schließlich (der von Zatschek geförderte) Friedrich Hausmann.
240Peter Acht *1911, Appelt *1910, Heinrich Büttner *1908, Fichtenau *1912, Theodor Schieffer
*1910, Erich Zöllner *1916.
241Am 19.08.1961 schrieb Zatschek an Mayer u. a.: Was sich hier mit dem Vorschlag für die Nachfolge
nach Santifaller zugetragen hat, wissen Sie vermutlich bereits. Jetzt, wo der alte Löwe gehen muß, haben die anderen Helden Mut bekommen: Santifallers Kandidat Appelt ist nicht einmal im Vorschlag,
auch für ein Minoritätsvotum waren nicht genug Stimmen aufzutreiben! Primo loco stehen Fichtenau
und Schieffer, secundo loco Büttner und tertio loco Acht. Da es die Kommission verabsäumt hat, in
die Praeambel eine Erklärung zur Tatsache zu bringen, daß ich nicht aufgenommen wurde, habe ich
dem Minister [Heinrich Drimmel] gesagt, jetzt lange es mir, ich wünsche den Lehrauftrag und die
Venia legendi zurückzulegen. Leider hat er mich amtlich und persönlich gebeten, das nicht zu tun,
aber es steht mir immer noch frei, falls nicht Fichtenau ernannt wird, einmal das laut zu sagen, was
Heinz Zatschek (1901–1965)
735
dass an der Wiener Philosophischen Fakultät und insbesondere unter den dortigen
Historikern wie auch an der ÖAW und bei den MGH, die zeitweise in die Diskussion
eingebunden waren242, nicht das Interesse bestand, Zatschek die Türen weiter zu
öffnen, als es bisher geschehen war. 1957 und 1962/63 wurden ihm unumwunden
die Grenzen aufgezeigt: Weder als Institutsleiter noch als Lehrstuhlinhaber wollte
man ihn installieren, nur seine Tätigkeit als Privatdozent mit einer Lehrveranstaltung
pro Semester wurde akzeptiert. Aus welchen Gründen Zatschek ignoriert wurde, ist
nicht exakt auszumachen. Sein schwieriger, streitbarer Charakter und seine politische
Vergangenheit dürften dabei die wesentliche Rolle gespielt haben, weit mehr als die
Tatsache, dass er seit etlichen Jahren nicht mehr als Mediävist und Hilfswissenschaftler
an einer Universität gearbeitet hatte. Dazu gab es zu dieser Zeit bereits genügend bestens qualifizierte jüngere Kandidaten in Österreich wie in Deutschland, so dass auf
Personen wie Zatschek aus fachlichen und eben auch „anderen“ Gründen verzichtet
werden konnte. Für diese Interpretation spricht auch, dass die Fakultät oder einzelne
Historiker weit mehr für Zatschek hätten unternehmen können, wenn sie ihn wirklich
institutionell hätten integrieren wollen. Insgesamt zeigt der Fall Zatschek, dass ein
nationalsozialistisch schwer belasteter Historiker zwar an der Universität lehren durfte,
allerdings recht spät ab 1955243, dass ihm aber weitere Aufstiegsmöglichkeiten strikt
verweigert wurden. Der Weg Zatscheks steht weniger beispielhaft für die Frage „Wie
konnte es geschehen, dass ein ehemaliger Nationalsozialist wieder lehren durfte“, als
vielmehr richtungsweisend für die Antwort „So weit, und nicht weiter, konnte ein
ehemaliger überzeugter Nationalsozialist kommen“.
IV. Vom präzisen Wissenschaftler zum NS-Historiker:
Das wissenschaftliche Werk
Heinz Zatschek war zeitlebens ein fleißiger und produktiver Historiker. In seine Bibliografie lassen sich über 140 Titel einordnen (eingeschlossen kleinere Beiträge und
die derzeit eruierten Zeitungsartikel), darunter befinden sich elf Monografien. Seine
wissenschaftlichen Schriften lassen sich in mehrere Bereiche unterteilen: Militärgeschichte, Urkundenforschung und Editionen, Landesgeschichte und/oder Volksgeschichte, politische Geschichte und Handwerks- und Wirtschaftsgeschichte. Hinzu
schon längst hätte gesagt werden müssen, auf der Universität Schluß zu machen und dann endlich
einmal außerhalb der Dienstzeit das zu tun, was mir gerade Spaß macht […]. StadtA Konstanz, NL
ThM, Fasz. 1 Nr. 144.
242Siehe Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 459–461.
243Folgende Historiker etwa haben trotz nationalsozialistischer „Vorgeschichte“ wieder hohe
Positionen an Universitäten oder Archiven eingenommen: Aubin 1945/46, Beyer 1951, Brunner
1952, Ernstberger 1947, Hanika 1955, Oberdorffer 1953, Schreiber 1950, K. M. Swoboda 1946,
Weizsäcker 1950, Winter 1947, zu den „Sudetendeutschen“ siehe auch Robert Luft, Deutsche und
Tschechen in den Böhmischen Ländern. Traditionen und Wandlungen eines Teilgebiets der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft, in: Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern (wie Anm.
65) 367–431, hier 417f.
736
Karel Hruza
kamen „Nebenprodukte“ historischer Arbeit wie Lexikon- und Zeitungsartikel. Des
Weiteren sollen hier noch betrachtet werden: wissenschaftliche Projekte, besuchte Tagungen und Lehre (betreute Dissertationen und Habilitationen). Ausgeblendet bleiben
bis auf Ausnahmen die Themen seiner Vorlesungen und Seminare sowie die seiner
vielen Vorträge. Dabei kann wegen des Umfangs und der Themenbreite des Materials
keine vollständige Werksanalyse geboten werden; stattdessen werden signifikante
Beispiele vorgestellt.
Zatscheks in jahrelanger Arbeit entstandene Dissertation von 1923 galt dem militärgeschichtlichen Thema „Die Operationen Bonapartes in Italien gegen die österreichischen Erblande 1797“244. Die Arbeit blieb ungedruckt, bezeugt aber deutlich,
dass sich ihr Verfasser akribisch in die Details historischer Abläufe einarbeiten konnte.
Ganz der neuesten Militärgeschichte, nämlich dem Kriegsbeginn 1914 an der Westfront
gewidmet war Zatscheks erste Publikation von 1925, die er anscheinend völlig aus
privatem Interesse verfasst hat: „Moltke oder Schlieffen?“245 Der damals 24jährige
Zatschek hatte dazu ganz selbstbewusst mit militärischen „Größen“ wie etwa Erich
Ludendorff korrespondiert246.
Wegweisend gestalteten sich für Zatschek aber die Ausbildung am IÖG und seine
nachfolgende Arbeit für die MGH. Mit der IÖG-Hausarbeit „Rechtsgeschichtliche und
diplomatische Beiträge zur Geschichte der älteren Staufer“ von 184 Seiten Umfang
führte ihn Ottenthal in die Diplomatik und Editionstätigkeit ein247 und zog ihn für die
laufende MGH-Diplomata-Edition heran. Zatschek half mit großem Erfolg bei der
Drucklegung der von Ottenthal und Hirsch bearbeiteten Diplome Lothars III. und
erstellte die Register, wie das Inhaltsverzeichnis und die Vorrede des Bandes und die
lobenden Arbeitsberichte der Bearbeiter für die Jahre 1924–1927 ausweisen, die von
Paul Kehr publiziert wurden248. Mit Ende der Arbeiten an Lothar III. begann Zatschek
244Mit dem Untertitel „Der vierte Versuch zum Entsatz der Festung Mantua. Der Feldzug Bonapartes
vom Tagliamento bis Leoben.“ Ein handschriftliches korrigiertes Exemplar mit der Widmung Lilly
Zeininger in Liebe und Verehrung zugeeignet. Wien, 11. IX. 1921 [!] in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 684.
Ebd. Nr. 683f. auch die Vorarbeiten „Der Feldzug Bonapartes von Tagliamento bis Leoben 1797“
(Seminararbeit bei Fournier 1919/20) und „Über das Für und Wider zu dem Operationsplan des
Erzherzogs“. Im UAW und in der ÖNB werden keine Exemplare der Dissertation verwahrt. Die
Arbeit ist registriert bei Brouček, Peball, Geschichte (wie Anm. 54) 213. – Zu Zatscheks Promotion
siehe Abschnitt III.
245Heinz Zatschek, Moltke oder Schlieffen?, in: Militärwissenschaftliche und technische Mitteilungen
56 (1925) 337–345, 577–583.
246Siehe die Unterlagen in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 682; Vorbereitungsmaterial ebd. Nr. 687: ein
Manuskript „Bis zur Marne 1914“, das am 20.01.1925 von der Schriftleitung der Militärwissenschaft
lichen und technischen Mitteilungen an Edmund von Glaise-Horstenau zur Begutachtung übermittelt
wurde; ebd. Nr. 691: Vortragsmanuskript „Die Schlacht an der Marne“; ebd. Nr. 770. Mit Studien
über die Einleitungskämpfe des Jahres 1914 im Westen begann Zatschek im Frühjahr 1924.
247Vollständiges Manuskript mit dem Vermerk Eingelangt 7/6 23. Zugewiesen an Ottenthal 7/6 23 in:
AAVČR, Of HeZ, Nr. 685. Dass das Manuskript 1941/42 von Zatschek aus dem IÖG entwendet wurde, könnte möglich sein.
248Siehe MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 8: Die Urkunden Lothars III. und der
Kaiserin Richenza, hg. v. Emil von Ottenthal, Hans Hirsch (Berlin 1927, ND 1993) Vorrede VII–
XIV, hier VII und XIII; oder: NA 48 (1930) I–IX, Kehr, Bericht 1927, hier VII: „Im Herbst 1927
Heinz Zatschek (1901–1965)
737
1927 für die MGH-Edition der Konrad III.-Diplome zu arbeiten, die von Hirsch geleitet
wurde, und erhielt schließlich auch einen offiziellen Auftrag, innerhalb der Regesta
Imperii die Urkunden Kaiser Friedrichs I. zu bearbeiten249. Zatscheks Korrespondenz
mit Hirsch bezeugt, dass er bei seinen MGH-Arbeiten früh selbstständig Verantwortung
übernahm, Hirsch auf etliche Probleme hinwies und bald über einen gewöhnlichen
„Hilfsarbeiter“ hinauswuchs250. Später wurde daraus eine Partnerschaft auf gleichem
Niveau, wenn Hirsch bei diplomatischen Problemen Zatschek um Rat bat251. Bei seinen Forschungen zu Lothar III. und Konrad III. war Zatschek auf Person und Werk
des Abtes Wibald von Stablo gestoßen, und 1929, da er als bezahlter Mitarbeiter bei
den MGH ausschied, übernahm er seine wichtigste Arbeit für die MGH: die überaus
schwierige kritische Neuedition der über 450 Schriftstücke Wibalds aus der Mitte
des 12. Jahrhunderts. Diese Arbeit wollte er ebenso wie die Mitarbeit an der Edition
der Urkunden Konrads III. in Prag fortführen, wobei ihn in Wien zunächst Robert
Lacroix unterstützte252.
Die MGH-Themen determinierten bereits Zatscheks Probevortrag innerhalb seines
Habilitationsverfahrens im Februar 1928 „Die Gestalt Wibalds von Stablo auf Grund
seiner Briefsammlung“ und seine im Oktober 1929 im Prager Klementinum gehaltene
Antrittsvorlesung „Die Anfänge Friedrich I.“253. Sowohl die Arbeiten an Konrad III.
als auch an Wibald hat Zatschek während seiner Zeit in Prag bis 1941 nicht wirklich
entscheidend vorangebracht. Erst als er 1941 in Wien antrat, gedachte er wieder energischer an diese Editionen heranzugehen. Im Hintergrund stand die von ihm erbetene
und verwirklichte offizielle Betrauung mit der MGH-Edition der Diplome Konrads III.
und die Anwartschaft auf die Diplome Friedrichs I. und Heinrichs VI. So ausgestattet
wurde er im Juli 1941 zum Leiter der Wiener Diplomata-Ausgabe der MGH befördert
und erhielt einen kleinen Mitarbeiterstab254. Obschon er eifrigst bemüht gewesen war,
die MGH-Edition an sich zu ziehen, begann er aber erst im Januar 1942 mit den Arbeiten
an Konrad III. und erlebte dabei so manche Ernüchterung über Hirschs Vorarbeiten, was
konnte endlich der VIII. Band mit den Urkunden K. Lothars III. ausgegeben werden. […] An der
Herstellung der Texte und beim Namenregister hat Herr Privatdozent Dr. Zatschek in Wien einen
rühmlichen Anteil gehabt.“ Überzogene Kritik an dem Register kam von Otto von Dungern, siehe
Stoy, Institut (wie Anm. 13) 79f.
249Beispielsweise NA 48 (1930) I–IX, Kehr, Bericht 1927, hier VII, und *I–*XIII.
250AAVČR, Of HeZ, Nr. 188; IÖG, Archiv NL HH. Zur Tätigkeit Hirschs bei den MGH vgl. PferschyMaleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 417–437; Heinrich Fichtenau, Diplomatiker und
Urkundenforscher, in: MIÖG 100 (1992) 9–49, hier 46–49.
251Siehe etwa den Briefwechsel 21., 24. und 28.09., 03., 13. und 25.10.1935, 13. und 19.02.1936.
AAVČR, Of HeZ, Nr. 188; IÖG, Archiv NL HH. Zur wissenschaftlichen Einordnung Hirschs, dessen
Linie Zatschek übernahm, siehe den Beitrag zu Hirsch in diesem Band und Kolář, Fachkontroverse
(wie Anm. 75) 113–117.
252Berichts Zatscheks vom 21.04.1931. MGH, Archiv 338/51 Nr. 166f.
253Probevortrag am 06.02.1928. ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ, 6420, Bericht vom 29.02.1928.
Antrittsvorlesung in Prag am 25.10.1929. AAVČR, Of HeZ, Nr. 786.
254Siehe dazu den Druck in Abschnitt VII, Nr. 9. Als wissenschaftliche Hilfskraft konnte Zatschek Dr.
Maria Habacher anstellen, die aber nach kurzer Zeit für die Arbeit am Institut eingesetzt wurde, siehe
Stengels Briefe vom 19. und 29.07.1941. AAVČR, Of HeZ, Nr. 599.
738
Karel Hruza
seinem Selbstbewusstsein zusätzlichen Antrieb gab255. Aber als er im Sommer 1942
wieder nach Prag verzog, legte er alle (!) Arbeiten für die MGH nieder: weder die Konrad
III.-Urkunden noch die Wibald-Briefe hat er herausbringen können256. Seiner Ansicht
nach waren äußere Umstände an seinem Scheitern mit Wibald Schuld: Wenn etwas dafür
verantwortlich gemacht werden kann, dass die Ausgabe der Wibaldbriefe noch nicht
vorliegt, so sind das Kehr, die Sudetenkrise 1938 und der mehrfache Wechsel in der
Leitung der Monumenta257. Mayers Wunsch, Zatschek 1944 doch noch zur Weiterarbeit
an der Wibald-Edition bewegen zu können258, scheiterte mit dem Kriegsende ebenso
wie die Beauftragung Fichtenaus mit der Konrad III.-Edition im August 1944, die er
in Einvernehmen mit Santifaller und Zatschek erarbeiten sollte und die er nicht mehr
wesentlich befördern konnte259. Um Zatschek zu überzeugen, hatte Mayer nicht mit
Komplimenten gegeizt: Sie gehören nun einmal, ob Ihnen das lieb ist oder nicht, zu den
allerbesten Pferden im Monumentastall und über die lasse ich nichts kommen260.
255Am 14.01.1941 schrieb er Hilde: Montag habe ich nun mit der Arbeit an den Konraddiplomen
begonnen und kann Dir nur sagen, dass mich ein furchtbares Grausen überfallen hat. Das erste
Diplom, das Hirsch bereits 1932 als druckfertig bezeichnet hat, habe ich heute noch nicht druckfertig. Schon die Abschrift war nicht fehlerfrei, an Stelle von 7 Anmerkungen Hirschs stehen jetzt 16 da
und auch in der Vorbemerkung war allerhand einzufügen. Es war also doch sehr notwendig, dass ich
die angeblich druckfertigen Stücke nochmals überprüfe […] Und wenn ich auch schon sehr herausgekommen bin, so glaube ich doch, dass es im Augenblick in Deutschland keinen gibt, der es besser
könnte, als ich. Am 19.01.: Mein Zorn auf Hirsch steigt stündlich. Die Konraddiplome sind in einem
Zustand, dass man weinen könnte. Und was das schlimmste ist, ich habe nicht einen Pfennig, muss
alles von Stengel erbitten und so weiss der dann genau, was eben geschieht. Da ist nicht einmal eine
Abschrift vorhanden, dort wieder nur diese, aber keine Photographie. Und dass Hirschs Abschriften
nicht fehlerfrei sind, habe ich ja auch schon heraussen. In einer Woche zwei Diplome restlos fertig
und das dritte nahezu, das ist nicht gerade viel. AAVČR, Of HiZ, K. 3 Nr. 26.
256Über den Stand der Arbeiten an Konrad III. und Wibald informieren insgesamt: NA 49 (1932) I–
XII, Kehr, Bericht 1929, hier XI; *I–*XV, Kehr, Bericht 1930, hier *XIIIf.; NA 50 (1935) *I–
*XIII, Kehr, Bericht 1931, hier *IXf., I–XI, Kehr, Bericht 1932, hier IX–XII; DA 1 (1937) 267–
277, Kehr, Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde (Monumenta Germaniae Historica)
Jahresbericht 1934, hier 274f.; 277–279, Kehr, Jahresbericht 1935 (ohne Erwähnung Zatscheks);
582–591, Wilhelm Engel, Jahresbericht 1936, hier 590; DA 2 (1938) VII–XX, Edmund E. Stengel,
Jahresbericht 1937, hier XVI; DA 3 (1939) VII–XXII, Stengel, Jahresbericht 1938, hier XVIII; DA
4 (1941) VII–XXV, Stengel, Jahresbericht 1939, hier XVIIIf.; DA 5 (1942) VII–XXII, Stengel,
Jahresbericht 1940, hier XVIII; XXIII–XLII, Stengel, Jahresbericht 1941, hier XXXVI; DA 6 (1943)
IX–XVI, Theodor Mayer, Jahresbericht 1942, hier XIVf. Im „Bericht für die Jahre 1943–1948“ von
Friedrich Baethgen in: DA 8 (1951) 1–25, wird Zatschek nicht mehr erwähnt. Siehe auch MGH
Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 9: Die Urkunden Konrads III. und seines Sohnes
Heinrich, bearb. v. Friedrich Hausmann (Wien/Köln/Graz 1969) Vorrede VII–XVIII, hier VIIIf.
und XI: „Als Anteil am bisher gesammelten Material […] ergab sich im einzelnen, dass Emil von
Ottenthal für 10 Nummern die Originale oder Urschriften und für 13 Stücke kopiale Überlieferungen
abgeschieben hatte, Hans Hirsch dagegen für 81 bzw. 39 Urkunden, Vinzenz Samanek für 22 bzw. 1
Diplome und Heinz Zatschek für 20 bzw. 17 Nummern.“ Wie hierbei das von Zatschek nachbearbeitete Hirsch-Material verteilt wurde, ist nicht erkenntlich.
257Das teilte er am 05.10.1944 Mayer mit. MGH, Archiv B 704/II, 2–3.
258Siehe die Korrespondenz Mayer-Zatschek vom 20.09., 05., 12., 24. und 28.10.1944, AAVČR, Of
HeZ, Nr. 292; MGH, Archiv B 704/II, 2–3.
259Pferschy-Maleczek, Diplomata-Edition (wie Anm. 63) 442.
260Mayer am 28.10.1944 an Zatschek. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; MGH, Archiv B 704/II, 2–3.
Heinz Zatschek (1901–1965)
739
Die zahlreichen, auch seine Habilitationsschrift enthaltenden Arbeiten, die Zatschek
in Zusammenhang mit seiner frühen MGH-Tätigkeit innerhalb von fünf Jahren publizierte, begründeten seinen Ruf als produktiver Urkundenforscher der Wiener
Schule und zählen zu dem Besten, was er als Historiker hinterlassen hat261. Zudem
zeigte er sich früh als sehr kritischer und auch streitbarer Historiker, wie etwa seine
Rezensionen der Bücher Max Buchners, Otto von Dungerns und Bernhard Schmeidlers
beweisen262. Zatscheks Belesenheit und Kritikfähigkeit fand ihren Ausdruck in den
heute noch wertvollen sieben „Berichten über die Neuerscheinungen auf dem Gebiet
der Urkundenlehre“, die er zwischen 1929 und 1942 in den MÖIG veröffentlichte
und welche die Berichtsjahre 1925–1940 abdeckten263. 1934 äußerte Zatschek sogar
den Wunsch, die gesamten Rezensionsangelegenheiten der MÖIG im Bereich der
Diplomatik zu übernehmen, was ihm Brunner jedoch nicht zugestehen konnte264.
Nachdem Zatschek 1929 nach Prag verzogen war, wandte er sich rasch der
Geschichte Böhmens und Mährens zu und konnte bald erste Forschungsergebnisse
vorlegen. Mayer nahm das mit einer gewissen Bewunderung zur Kenntnis: Übrigens
Zatschek ist wirklich ein Teufelskerl, kaum hat er eine Arbeit fertig, will er sich schon
den Druck für die nächste sichern, er will nämlich jetzt die böhmische Diplomatik
umschmeißen und neuaufbauen und kriegt sehr viel heraus. Man muß den Mann bewundern265. Seine Arbeiten lenkte Zatschek in den folgenden Jahren im Wesentlichen
in drei Richtungen: 1. Adaption der „Wiener“ Urkundenforschung in der (deutschen)
böhmischen Geschichtsforschung. 2. Orientierung am und Übernahme des Paradigmas
der „Volksforschung“. 3. Hinwendung zu Themen einer politischen Geschichte
261Heinz Zatschek, Über Formularbehelfe in der Kanzlei der älteren Staufer, in: MÖIG 41 (1926) 93–
107; ders., Zu Petrus Diaconus. Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Registers, der Fortsetzung der
Chronik und der Besitzbestätigung Lothars III. für Monte Cassino, in: NA 47 (1927) 174–224; ders.,
Die Benutzung der Formulae Marculfi und anderer Formularsammlungen in den Privaturkunden des
8. bis 10. Jahrhunderts, in: MÖIG 42 (1927) 165–267; die Habilitationsschrift: ders., Wibald von
Stablo. Studien zur Geschichte der Reichskanzlei und Reichspolitik unter den älteren Staufern, in:
MÖIG Erg.-Bd. 10 (Innsbruck 1928) 237–495; ders., Beiträge zur Kanzleigeschichte Lothars III., in:
MÖIG Erg.-Bd. 11 Oswald Redlich zugeeignet anläßlich der Feier seines siebzigsten Geburtstages
(Innsbruck 1929) 169–178; ders., Studien zur mittelalterlichen Urkundenlehre. Konzept, Register
und Briefsammlung (Schriften der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität in Prag 4,
Brünn u. a. 1929) 150 S.; ders., Beiträge zur Geschichte des Konstanzer Vertrages vom Jahre 1153,
in: SB Wien 210 (Wien/Leipzig 1930) 3–51; ders., Nochmals die Entstehung des Codex Udalrici, in:
MÖIG 44 (1930) 392–398.
262Zatscheks Rezension zu Buchner und Diskussion in: MÖIG 42 (1927) 311f. und 430–435. Zu
Dungern in: HZ 146 (1932) 107–109. Zu Schmeidler siehe Heinz Zatschek, Ein neues Buch über
Kaiser Heinrich IV., in: MÖIG 43 (1929) 20–45 (!).
263Heinz Zatschek, Bericht über die Neuerscheinungen auf dem Gebiete der Urkundenlehre 1925–
1927, in: MÖIG 43 (1929) 405–453; ders., Bericht […] 1928–1929, in: ebd. 44 (1930) 457–515;
ders., Bericht […] 1930, in: ebd. 46 (1932) 477–495; ders., Bericht […] 1931, in: ebd. 47 (1933)
318–353; ders., Bericht […] 1932–1933, in: ebd. 48 (1934) 463–499; ders., Bericht […] 1934–1935,
in: ebd. 50 (1936) 394–426; ders., Die Urkundenforschung in den Jahren 1936–1940, in: MÖIG 54
(1942) 435–520.
264Siehe den Brief Brunners vom 17.12.1934. AAVČR, Of HeZ, Nr. 90.
265Brief an Bauer vom 20.11.1929. ÖAW Archiv, NL WB K. 4. Mayers Meinung über Zatschek änderte
sich damals freilich recht häufig, siehe seine auch abschätzigen Aussagen 1929/30 in Anm. 94.
740
Karel Hruza
des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters, die sich fallweise an Erfordernissen seiner
Gegenwart orientierten. Diese „Richtungen“ verwirklichte Zatschek zum einen (und
logischerweise) nicht streng getrennt voneinander, sondern in einem miteinander verbundenen Prozess, indem er beispielsweise Ideen der „Volksforschung“ zusammen
mit Methoden der „Wiener“ Urkundenforschung und Editionsschule an böhmischem
Material anwandte, zum anderen aber auch reine Arbeiten der „Volksforschung“ oder
der politischen Geschichte vorlegte. Bei anderen seiner Publikationen ist wiederum
eine strengere Zuordnung zu einer dieser Richtungen nicht möglich, u. a. weil Bereiche
der „Volksforschung“ a priori politisch determiniert waren.
In den ersten Bereich gehören etwa seit 1931 seine Arbeiten zur „Diplomatik
der mährischen Immunitätsurkunden“, zur „Diplomatik der Přemyslidenurkunden“,
„Siegelstudien“, zur „Bedeutung der Deutschen in der Kanzlei der Přemysliden“, zur
„Entstehung des Namens Preßburg“, zu „Johannes von Neumarkt“, „Ein deutsches
Vorbild für die mährische Urkundenschrift“, „Die völkische Zusammensetzung der
böhmischen Hofkapelle“ und „Zur Geschichte der böhmischen Hofkapelle“266. Dieses
Feld hat er auch programmatisch abzustecken versucht267.
In den Bereich der „Volksforschung“, der sich Zatschek erst nach ihrer Durchsetzung
als vorherrschendes Paradigma in der Geschichtsforschung im Dritten Reich zuwandte268,
266Zatschek, Beiträge zur Diplomatik (wie Anm. 27); ders., Ein Kapitel aus der Diplomatik der
Přemyslidenurkunden, in: Jb. des VGDB 3 (1932) 372–393; ders. (zusammen mit Wilhelm
Turnwald), Siegelstudien, in: MVGDB 71 (1933) 185–201; ders., Die Bedeutung der Deutschen
in der Kanzlei der Přemysliden, in: Germanoslavica 2 (1934) 196–221; ders., Die Entstehung des
Namens Preßburg, in: Zs. für slavische Philologie 12 (1935) 78–94; ders., Karolinische Studien
I. Zu Johannes von Neumarkt, in: MVGDB 73 (1935) 1–19; ders., Ein deutsches Vorbild für die
mährische Urkundenschrift, in: ZSG 2 (1938) 176–182; ders. (zusammen mit E. Hanke-Hajek und
M. Wieden), Die völkische Zusammensetzung der böhmischen Hofkapelle, in: ZSG 4 (1940) 25–81,
113–168; ders., Zur Geschichte der böhmischen Hofkapelle bis 1306 (1 Karte, 1 Tafel), in: ZSG 5
(1941/2) 30–50.
267Heinz Zatschek, Aufgaben der sudetendeutschen Urkundenforschung, in: Forschungen und
Fortschritte 8 (Berlin 1932) 355f.; ders., Urkundenforschung und Volksforschung, in: DALV 5
(1941) 570–579. – Eine überzeugende Einordnung der volkgeschichtlichen und politisierten Schriften
Zatscheks unternahm Ursula Wolf, Litteris et Patriae. Das Janusgesicht der Historie (Frankfurter
Historische Abhandlungen 37, Stuttgart 1996), siehe die Nennungen Zatschek im Register.
268Zur (deutschen und österreichischen) „Volkforschung“ siehe grundlegend Willi Oberkrome,
Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen
Geschichtswissenschaft 1918–1945 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 101, Göttingen
1993); ders., Entwicklungen und Varianten der deutschen Volksgeschichte (1900–1960), in:
Volksgeschichten im Europa der Zwischenkriegszeit, hg. v. Manfred Hettling (Göttingen 2003)
65–95; Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 191–196, mit Nennung Zatscheks. Unverzichtbar ist zudem:
Peter Schöttler, Die intellektuelle Rheingrenze. Wie lassen sich französische Annales und die NSVolksgeschichte vergleichen?, in: Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen
Vergleich, hg. v. Christoph Conrad, Sebastian Conrad (Göttingen 2002) 271–295. – Für Zatscheks
eher spätes Kennenlernen der „Volksforschung“ spricht auch, dass er nicht zu den Autoren des
mehrbändigen, unvollendet gebliebenen „Handwörterbuch(s) des Grenz- und Auslanddeutschtums“,
hg. v. Carl Petersen u. a., gehörte, dessen erster Band 1931 in Breslau erschien. Freilich war er
bei dessen Konzeption wohl noch zu jung, um unter die Autoren aufgenommen zu werden. Zum
Handwörterbuch vgl. Willi Oberkrome, Geschichte, Volk und Theorie. Das Handwörterbuch des
Heinz Zatschek (1901–1965)
741
sind seit 1936 etliche seiner Arbeiten zu verorten269, wie er auch mit programmatischen Schriften zu dieser Forschungsrichtung hervortrat270. Der 1933 von Zatschek
und Wostry unternommene Versuch, an der Deutschen Universität in Prag ein wirtschafts- und siedlungsgeschichtliches Seminar zu errichten, hätte zweifellos eine
Institutionalisierung „volksgeschichtlicher“ Forschungen, zuvorderst unter Pfitzner,
bedeutet. Nicht nur dieser Versuch und Zatscheks Publikationen, sondern auch seine
Lehre zeigen, dass er sich rasch der „Volksforschung“ geradezu verschrieben hatte.
So berichtete er durchdrungen von missionarischem Eifer und gleichzeitig verbittert
über die Wiener Verhältnisse am 8. Mai 1941 seiner Frau nach Prag271: Du kannst
Dir vermutlich meine Enttäuschung vorstellen, als ich gestern mit der deutschen
Volksgeschichte vor einem nahezu leeren Hörsaal begann, in dem rund 20 Menschen
sassen. Ich war so niedergedrückt, dass ich am liebsten nach Prag zurückgekehrt
wäre. Nie noch ist eine solche Vorlesung in Wien gehalten worden, gerade deshalb
habe ich sie als erste genommen – und nun diese Leere.
Weit mehr Erfolg hatte Zatschek mit seinem 1936 erschienenen „volksgeschichtlichen“ Buch „Das Volksbewußtsein“ erzielen können272. Das Buch traf damals wohl
„den Nerv der Zeit“, wovon die vielen Anzeigen und Rezensionen in Organen aus der
ČSR, Deutschland, Österreich und anderen Ländern künden, die Zatschek fein säuberlich
geordnet und aufbewahrt hat273. Von Interesse sind beispielsweise die gegensätzlichen
Bewertungen Wilhelm Engels und Herbert Grundmanns274 in Fachzeitschriften oder
Grenz- und Auslanddeutschtums, in: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft (wie
Anm. 131) 104–127.
269Siehe etwa: Heinz Zatschek, Das Volksbewußtsein. Sein Werden im Spiegel der Geschichtsschreibung
(Brünn u. a. 1936); ders., Die Witigonen und die Besiedlung Südböhmens, in: DALV 1 (1937)
110–130; ders., Zur Erforschung der Volkszugehörigkeit nach Stadtbüchern und Urbaren des
Spätmittelalters, in: ZSG 1 (1937) 249–255; ders., Die Namengebung der Brünner Bürger nach den
Losungsbüchern 1343–1365, in: ebd. 256–268; ders., Tschechentum und Hussitenzeit, in: Ostland.
Halbmonatsschrift für Ostpolitik 20 (1939) 577–579; ders., Namensänderungen und Doppelnamen
in Böhmen und Mähren im hohen Mittelalter, in: ZSG 3 (1939) 1–11; Studien zur Geschichte der
Prager Universität bis 1409 (mit 7 Tafeln), hg. v. dems., in: ZSG 3 (1939) 81–128, bzw. MVGDB
77 (1939) 1–48 (als Separatum erschienen mit dem Titel: Die Reichsuniversität in Prag); ders.,
Das Werden des deutschen Volkstums in Böhmen und Mähren, in: ZSG 4 (1940) 241–257, bzw.
MVGDB 78 (1940/1) 1–17; ders., Die Deutsche Karlsuniversität in Prag in Vergangenheit und
Gegenwart, in: Böhmen und Mähren 2 (1941) 47–51; ders., Karl Valentin Müller, Das biologische
Schicksal der Přemysliden. Ein Beispiel für die aufartende Wirkung deutscher Erblinien in fremdvölkischen Blutskreisen, in: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie 35 (1941) 136–152; ders.,
Germanische Raumerfassung und Staatenbildung in Mitteleuropa, in: HZ 168 (1943) 27–56.
270Heinz Zatschek, Volksgeschichtliche Aufgaben für die ältere sudetendeutsche Geschichte, in: ZSG
1 (1937) 42–55, bzw. MVGDB 75 (1937) 16–29; ders., Volksforschung und Volksgeschichte in den
Sudetenländern, in: Deutsche Volksforschung in Böhmen und Mähren 1 (1939) 17–29.
271AAVČR, Of HiZ, Nr. 26.
272Zatschek, Volksbewußtsein (wie Anm. 269). Vor der Drucklegung hatte er es von Hirsch und
Pirchan gegenlesen lassen und deren Rat eingeholt. Siehe die Briefe Zatscheks an Hirsch vom 18.08.
und 14.10.1936. IÖG, Archiv NL HH. Hirschs Antwort vom 02.11.1936. AAVČR, Of HeZ, Nr.
188.
273AAVČR, Of HeZ, Nr. 806.
274Engel in: DA 2 (1938) 247: „Die oft erörterte Frage nach Entstehung und Entwicklung eines
742
Karel Hruza
Meinungen in der Tagespresse, unter deren Organen sogar der „Völkische Beobachter“ dem
schmalen Buch einen Artikel widmete275. Der Sudetendeutsche Eugen Lemberg schrieb
im Sinn eines „Volkstumskampfes“: „Heinz Zatschek […] ist einer jener Historiker, die
die grundsätzlich neuen Aufgaben der heutigen Geschichtswissenschaft erkannt haben.“276
Hier kann angeschlossen werden, dass Zatschek für das SS 1938 die Lehrveranstaltung
„Grundfragen einer deutschen Volksgeschichte im Mittelalter“ ankündigte277.
Innerhalb des Paradigmas der „Volksforschung“ eröffneten sich für dessen
Protagonisten genügend Möglichkeiten für politische, biologistische, sozialdarwinistische und rassistische Aussagen. Unter dem Verlust seiner Wissenschaftlichkeit trat
Zatschek hier exponiert hervor. Beispielhaft demonstriert dies sein kurzer Aufsatz über
„Das Werden des deutschen Volkstums in Böhmen und Mähren“ von 1940. Darin
skizzierte Zatschek unter Anwendung eines „neuen“ Begriffsapparates die Geschichte
der böhmischen Germanen bzw. Deutschen vom 6. Jahrhundert bis zum Jahr 1938
Volksbewußtseins erfährt durch diese Arbeit neue Anregung und willkommene Förderung; […]
In drei Doppelgruppen: Romanen (Italiener, Franzosen), Slawen (Tschechen, Polen), Germanen
(Engländer, Deutsche) führt Z. eine große Zahl mittelalterlicher Äußerungen vor, aus denen sich
Urteile über eine eigene Volksart und die Andersart fremder Völker (und Staaten!) ergeben. Die
Fülle der von Z. erbrachten Belege – hie und da freilich mehr Urteil des einzelnen Autors als
Stimme des Volkes – läßt immerhin sehr deutlich erkennen, wie die verschiedenen Temperamente
und Rassen schon im Mittelalter zum Bewußtsein der Verschiedenheit und damit der Eigenart geführt haben. Sehr eindeutig ist der Beweis, daß im Osten auch nach der Christianisierung Deutsche
und Slawen durch Volkstum und Sprache getrennt erscheinen. Während im Osten der Widerstand
gegen volkliche Fremdherrschaft das Volksbewußtsein erregt, schafft im Westen schon der politische Druck ein deutsches Volksbewußtsein. Für Deutschland muß wohl die Feststellung gelten, daß das Volksbewußtsein an den Grenzen entstanden ist und erst allmählich das Ganze und
die Einheit des Volkes erfaßt hat.“ Grundmann in: HZ 158 (1938) 403: „Zatschek […] gibt einen
Überblick – ‚keine abschließenden Ergebnisse‛ – über die gegenseitige Beurteilung der europäischen
Völker im Mittelalter. Dankenswert ist besonders die Einbeziehung von Böhmen und Polen, während die deutschen Urteile über andere, heidnische Slavenvölker wohl zu Unrecht als nur religiös, nicht völkisch bedingt ausgeschlossen werden. Das ‚Volksbewußtsein‛ spiegelt sich freilich in
der Geschichtsschreibung nur unzulänglich, läßt sich auch schwerlich nur an Urteilen der Völker
übereinander ablesen, und mit einer Aneinanderreihung solcher Äußerungen ist noch wenig getan.
Immerhin bereichert der Vf. die bekannten Zeugnisse der mittelalterlichen ‚Nationalgefühle‛ durch
manche neuen Lesefrüchte und vermittelt eine gut lesbare, klare Übersicht.“
275Im „Völkischen Beobachter“, Ausgabe München 13.11.1937, äußerte sich Quirin Endgasser in seinem Artikel „Die Entstehung eines deutschen Nationalgefühls. Ein neues Werk zur volksbewußten Geschichtsschreibung“ u. a.: „Die deutsche Geschichtsschreibung [im Mittelalter] hatte es nicht
nötig, den deutschen Staat und das deutsche Wesen auf chauvinistische Weise zu rühmen, da die
Tatsache des Übergewichtes deutscher Geltung im Mittelalter des Hervorhebens nicht bedurfte.
Nationale Empfindlichkeit setzt das Gefühl minderer Bedeutung voraus, und dieses Gefühl eben,
nicht aber das Volksbewußtsein, war dem deutschen Mittelalter fremd.“
276Eugen Lemberg, Zur Geschichte des Volksbewußtseins, in: Volk und Glaube 2 (1937) 234–236,
hier 234, mit dem Schlusssatz: „Für die Geschichte des Volksbewußtseins der heutigen Nationen in
früherer Zeit aber ist Zatscheks Arbeit die erste sichere, quellenmäßige und systematische, mit moderner Fragestellung und seinem, auf Prager Boden geschärftem Gefühl für völkische Eigenart und
Lebensbedingungen geschaffene Grundlage. Auf ihr werden die kommenden und von Jahr zu Jahr
notwendigeren Darstellungen zur Geschichte des Nationalbewußtseins in Europa weiterbauen können.“
277UAP, DU Phil.Fak. Inv.-Nr. 918 Sign. F XII.
Heinz Zatschek (1901–1965)
743
in einem steten nationalen Ringen zwischen „Deutschtum“ und „Tschechentum“, um
am Ende die Errichtung des Protektorats historisch zu legitimieren. Zu deutsch-tschechischen Mischehen im Spätmittealter wusste er zu berichten: „Es kam somit […] zu
einem Einströmen deutschen Blutes in den tschechischen Volkskörper, von dessen
Ausmaß wir allerdings noch keine rechte Vorstellung haben. Zu diesem Schrumpfen
des Deutschtums in Böhmen und Mähren auf friedlichem Weg durch Umvolkung traten
die Verluste der Hussitenzeit.“278 Der nationale Kampf der Sudetendeutschen im 19.
und 20. Jahrhundert wurde gemäß Zatschek von Juden unterlaufen, die eben nicht zu
den Deutschen zu zählen waren. „1882 gab es […] noch 5 deutsche Stadtverordnete in
Prag; vier von ihnen waren Juden. 1930 lebten in Prag 41.700 Deutsche. Ein Fünftel
von ihnen ist zu streichen, weil wir die mehr als 8000 deutschsprechenden Juden nicht
zu den Deutschen zählen. […] Wir haben die Nationale der Studenten [der Deutschen
Universität Prag] für die Jahre 1918–1938 untersuchen lassen. Dabei hat sich ergeben,
daß an der philosophischen Fakultät, deren Hörer immer zu den Ärmsten gezählt haben
und die daher noch als verhältnismäßig judenrein zu gelten hat, bis zum Studienjahr
1922/23 die jüdischen Studenten mehr als ein Drittel gestellt haben. Im Sommersemester
1920 ist mit 150 Juden und 240 Ariern das Höchstausmaß an Verjudung erreicht […].
Man kann sich unschwer vorstellen, wie es an der juridischen und medizinischen
Fakultät ausgesehen haben mag. Diese Beispiele werfen helle Schlaglichter auf die
besondere Bedrohlichkeit der Judenfrage in Böhmen und Mähren und fordern gebieterisch ihre planmäßige Bearbeitung unter besonderer Berücksichtigung der jüdischen
Störung im Kampf um die deutsche Selbstbehauptung.“279 In den 1930er Jahren sollen die „Sudetendeutschen“ durch tschechischen und jüdischen Druck schließlich in
eine existentiell bedrohliche Situation geraten sein: „Die Tschechen zählten dabei auf
das ständige Sinken der Geburtenziffern bei den Deutschen, von dem sie übrigens
selbst genau so betroffen wurden. Zu dieser durch Klimaschwankungen bedingten
Geburtenabnahme hat die steigende Arbeitslosigkeit und die Hungersnot in den nordwestböhmischen Industriegebieten viel beigetragen; es wäre aber falsch, wenn man die
Einwirkungen des Judentums und der jüdischen Abtreibungsspezialisten übersehen
wollte.“280 Die Rettung aus dieser Misere brachte nach Zatschek die SdP unter Henlein
und schließlich das Eingreifen Hitlers.
In „interdisziplinärer“ Zusammenarbeit mit dem Sozialanthropologen (bzw.
Sozialbiologen) K.V. Müller wollte Zatschek die Tragkraft einer rassistisch untermauerten Sozialbiologie (gegenüber Sozial- und Kulturgeschichte) am Beispiel des
mittelalterlichen böhmischen Fürstengeschlechts der Přemysliden aufzeigen281. Dazu
suchten beide nach „Leistungsträgern“ in der Genealogie der Přemysliden, und es
278Zatschek, Das Werden des deutschen Volkstums (wie Anm. 269) 247.
279Ebd. 254.
280Ebd. 256.
281Müller, Zatschek, Das biologische Schicksal (wie Anm. 269), etwa 136f. Zu Müller siehe
Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 63–67; Eduard Kubů, „Die Bedeutung des
deutschen Blutes im Tschechentum“. Der wissenschaftspädagogische Beitrag des Soziologen Karl
Valentin Müller zur Lösung des Problems der Germanisierung Mitteleuropas, in: Bohemia. Zs. für
Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 45 (2004) 93–114.
744
Karel Hruza
überrascht kaum, daß sie „Leistungsträger“ unter eingeheirateten Deutschen und unter
Přemysliden mit deutscher Verwandschaft fanden, während anderen Ethnien eben solche „Leistungsträger“ nicht zugeschrieben wurden282. Mit diesen und anderen Arbeiten
erwarb sich Zatschek das traurige Prädikat, zu den wenigen damaligen Historikern
gehört zu haben, die sich „engagierter für eine rassische Geschichtsauslegung“, die
in die „Kulturträgertheorie“ integriert wurde, eingesetzt haben283.
Anklang fanden auch Zatscheks Publikationen und Vorlesungen innerhalb einer
politischen Geschichte, seinem dritten Arbeitsgebiet seit ungefähr 1930. Zu nennen sind
zum einen Titel, die zu einer „gewöhnlichen“ Geschichte des Mittelalters gehören284,
zum anderen aber solche Schriften, die deutlich ihre Abhängigkeit von damaligen
politischen Ansichten und Diskussionen – je nach Entstehungszeit – in Deutschland,
Österreich und ČSR verraten285. Dass Zatschek seiner politischen Überzeugung bis
282Müller, Zatschek, Das biologische Schicksal (wie Anm. 269) 143. Allerdings muss hierzu bemerkt
werden, dass die biologistischen Grundlinien des Beitrags mehrheitlich von Müller herrühren dürften.
283So Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 245. Zur „Kulturträgertheorie“ siehe etwa Hans-Erich Volkmann,
Deutsche Historiker im Banne des Nationalsozialismus, in: Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der
westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, hg. v. Wilfried Loth, Bernd-A. Rusinek (Frankfurt/M. 1998)
285–311, hier 295–300.
284Heinz Zatschek, Ein neues Buch über Kaiser Heinrich IV., in: MÖIG 43 (1929) 20–45; ders., Beiträge
zur Geschichte des Konstanzer Vertrages vom Jahre 1153, in: SB Wien 210,3 (1930) 3–51.
285Heinz Zatschek, Die Reichsteilungen unter Kaiser Ludwig dem Frommen. Studien zur Entstehung
des ostfränkischen Reiches, in: MÖIG 49 (1935) 186–224 (separater ND Darmstadt 1969); ders.,
Die Ostpolitik des Mittelalters, in: Vergangenheit und Gegenwart. Zs. für Geschichtsunterricht und
politische Erziehung Jg. 25, Heft 2 (1935) 75–93; ders., Karl der Große in neuer Beleuchtung, in:
Stimmen der Jugend 3, Heft 7–8 (Mai 1935) 108–110; ders., Geschichte und Stellung Böhmens in
der Staatenwelt des Mittelalters, in: Das Sudetendeutschtum. Sein Wesen und Werden im Wandel
der Jahrhunderte. FS zur Fünfundsiebzigjahrfeier des Vereines für Geschichte der Deutschen in
Böhmen 1: Mittelalter, hg. v. dems., Gustav Pirchan, Wilhelm Weizsäcker (Brünn/Prag/Wien/
Leipzig 1937) 39–84; Heinz Zatschek, Schicksalsjahre der deutschen Geschichte. Das mittelalterliche Imperium zwischen Süd- und Ostpolitik, in: Volk und Führung. Unabhängige sudetendeutsche Monatshefte für Politik und Erziehung 3. Jg., Heft 1 (Januar 1937) 10–14; ders., Die deutsche Staatsführung im 9. und 10. Jahrhundert. Ein Vorschlag zu einer gesamtdeutschen Betrachtung,
in: MÖIG Erg.-Bd. 14 = Hans Hirsch dargebracht als Festgabe zu seinem 60. Geburtstag von seinen Kollegen, Mitarbeitern und Schülern (Innsbruck 1939) 53–70; ders., Baiern und Böhmen im
Mittelalter, in: ZBLG 12 (1939) 1–36; ders., Die Deutsche Karlsuniversität in Prag in Vergangenheit
und Gegenwart, in: Böhmen und Mähren Jg. 2, Heft 2 (1941) 47–51; ders., England und das Reich
(Brünn/München/Wien 1942, 21943); ders., Gedanken zur Reichsteilung von Verdun im Jahre 843,
in: ZGS 6 (1943) 129–137; ders., Versuche slawischer Staatsbildungen, in: Das Böhmen und MährenBuch. Volkskampf und Reichsraum, hg. v. Friedrich Heiss (Prag 1943) 140–145; Heinz Zatschek,
Das europäische Gleichgewicht (Abh. Prag Heft 9, 1943); ders., Die Erwähnungen Ludwigs des
Deutschen als Imperator, in: DA 6 (1943) 374–378; ders., Ludwig der Deutsche, in: Der Vertrag
von Verdun 843. Neun Aufsätze zur Begründung der europäischen Völker- und Staatenwelt, hg.
v. Theodor Mayer (Leipzig 1943) 31–65; Zatschek, Deutsche Geschichte (wie Anm. 172); ders.,
Mähren in der Reichsgeschichte, in: Böhmen und Mähren Jg. 5, Heft 11/12 (1944) 228–231; ders.,
Beiträge zur Beurteilung Heinrichs V. I. Die Verhandlungen des Jahres 1119, in: DA 7 Heft 1
(1944) 48–78 (die Teile: II. Die Gefangennahme Papst Paschals II. und das „Pravileg“, und: III.
Die Gefangennahme und Absetzung Heinrichs, blieben ungedruckt); ders., Die Reichsidee, in: Der
Erzieher in Böhmen und Mähren (Sonderfolge Jänner 1945) 36–42, des Weiteren auch ders., Kaiser
Karl IV., in: Gestalter Deutscher Vergangenheit, hg. v. Peter Richard Rohden (Potsdam/Berlin) 1937
Heinz Zatschek (1901–1965)
745
zuletzt treu blieb, beweist geradezu signifikant sein letzter Aufsatz mit dem Titel „Die
Reichsidee“, der noch im Dritten Reich 1945 erscheinen konnte.
Für viele seiner politisch ausgerichteten Beiträge wählte Zatschek Publikationsorgane,
die auf einen größeren, nicht rein fachlichen Leserkreis zielten und auch von deutschen Protektoratsbehörden oder deren Vertretern herausgegeben wurden. Ein zentrales
Arbeitsgebiet fand Zatschek in der Geschichte der Deutschen in Böhmen und Mähren,
in der Erforschung des dortigen deutschen „Volkstums“ oder des „Deutschtums“.
Rasch wurde er zu einem der vordersten „sudetendeutschen“ Lehrenden, der die sudetendeutschen Ansprüche historisch zu untermauern half. Dementsprechend war
Zatschek Mitglied im VGDB und ergriff so manche Initiative. Pfitzner berichtete im
Frühjahr 1935 Hirsch, Pirchan hätte ihm erzählt, Zatschek habe die Idee geäußert,
Wostry 1937 aus Anlass dessen 60. Geburtstages eine Festschrift zukommen zu lassen286, die nachfolgend jedoch, u. a. von Zatschek herausgegeben, als Festschrift zum
75jährigen Bestehen des VGDB verwirklicht wurde. Bei der 75-Jahr-Feier des VGDB
vom 16.–18. Oktober 1937 in Prag hielt Zatschek den Vortrag „Volksgeschichtliche
Aufgaben für die ältere sudetendeutsche Geschichte“287. An der Festschrift für den
Vereinsvorsitzenden Wostry „Heimat und Volk“ war Zatschek jedoch nicht beteiligt288. Wie der überwiegende Teil seiner sudetendeutschen und österreichischen
Kollegen hatte er keine Berührungsängste gegenüber dem Dritten Reich. So nahm
er am 19. Deutschen Historikertag im Juli 1937 in Erfurt teil289, nicht aber am „VIII.
Internationalen Kongress für Geschichtswissenschaft“ in Zürich 1938 oder am ersten
Tschechoslowakischen Historikertag desselben Jahres. Dass er ebenso nicht an der
großen Festschrift für Srbik beteiligt war, ist hingegen angesichts des Herausgeberund Beiträgerkreises auffallend290.
172–185; Heinz Zatschek, Kaiser Sigismund, in: ebd. 201–214; ders., Die Geschichte der Prager
Universität, in: Ostland. Halbmonatsschrift für Ostpolitik Jg. 21 (1940) 70–72; ders., Böhmen –
ein Teil Deutschlands, in: ebd. 338–341; ders., Das Deutschtum Prags, in: Hochschulführer für das
Protektorat Böhmen und Mähren 1940; ders., Deutschlands Weg zur Führung Europas im Mittelalter,
in: Forschungen und Fortschritte Jg. 18, Nr. 3–4 (1942) 31f.; ders., Das Reich als Schutzmacht für
Böhmen und Mähren, in: Böhmen und Mähren Jg. 4, Heft 11/12 (1943) 166–168.
286Brief vom 12.04.1935. IÖG, Archiv, NL HH. Zur Festschrift Wostry siehe Hruza, Wissenschaftliches
Rüstzeug (wie Anm. 23) 56.
287Siehe das Tagungsprogramm in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 798, dazu auch Antonín Kostlán, Die
„Mitteilungen des Vereines für Geschichte des Deutschen in Böhmen“ in der Tschechoslowakischen
Republik (1918–1938), in: Die böhmischen Länder in der deutschen Geschichtsschreibung seit dem
Jahre 1848 1, hg. v. Michael Neumüller u. a. (Ústí nad Labem 1996) 103–113, hier 109–113. Die
Vereinsfeier stand bereits auch im „Zeichen“ eines offenen Antisemisitmus, siehe Luft, Deutsche
und Tschechen (wie Anm. 243) 384f.
288Heimat und Volk – Forschungsbeiträge zur sudetendeutschen Geschichte. FS für Universitätsprofessor
Dr. Wilhelm Wostry zum 60. Geburtstage, dargebracht von seinen Schülern, hg. v. Anton Ernstberger
(Brünn/Prag/Leipzig/Wien 1937).
289Die Einladung nach Erfurt und das Tagungsprogramm hat Zatschek aufbewahrt. Aus Prag kamen
keine Referenten, aus Wien jedoch Brunner und Srbik. AAVČR, Of HeZ, Nr. 599. Hermann Heimpel
schrieb am 12.11.1937 an Zatschek u. a.: Leider haben wir uns in Erfurt nicht kennen gelernt. Doch
das lässt sich nachholen. Ebd., Nr. 468.
290Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag, hg.
746
Karel Hruza
Bei der Betrachtung von Zatscheks Arbeitsthemen und angesichts seiner engen
Kontakte zu Hirsch überrascht es nicht, ihn auch in die SODFG eingebunden zu
sehen. Zatschek gehörte mehrmals zu den Teilnehmern der „Fahrten“ und Tagungen
der SODFG, hielt Vorträge und gab auch Anstoß zu bestimmten Arbeiten. So lud
ihn Hirsch, Leiter der SODFG, 1936 zu einem Vortrag nach Linz ein, und Zatschek
sagte mit einem Thema zur südböhmischen Geschichte zu291. Im Februar 1939 erhielt Zatschek die Einladung zu einer gemeinsamen Tagung der SODFG und des
Deutschen Ausland-Instituts in Stuttgart am 18./19. März in Preßburg (Bratislava), der
er vermutlich nachkam292. Unter Teilnahme von politischer „Prominenz“ wie Franz
Karmasin und Vojtech Tuka sollten auf dieser Tagung Fragen der Slowakei und der
Karpathenukraine diskutiert werden. Dagegen ist seine Mitwirkung an der geheimen
Tagung aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der SODFG am 17. und 18. März 1941
in Wien nicht nachzuweisen293.
Noch Hirsch persönlich forderte Zatschek nach der Errichtung des Protektorats im
März 1939 auf, die Bearbeitung der Deutschen Inschriften Böhmens und Mährens zu
übernehmen, sobald die nötigen Vorkehrungen erledigt wären. Zatschek wollte sich
dieser Aufgabe nicht entziehen und zumindest helfend beistehen294.
Zatscheks Sternstunde als „sudetendeutscher“ Historiker kam zu derselben Zeit,
als er sich führend an der Legitimation der deutschen Okkupation der ČSR durch das
NS-Regime beteiligte. Dazu schrieb er weit gefasste, auch essayistische Aufsätze,
etwa mit Titeln wie „Böhmen – ein Teil Deutschlands“ (1940) oder „Das Reich als
Schutzmacht für Böhmen und Mähren“ (1943). Zusätzlich betrieb er Studien zu eng
begrenzten Themen. Sein wichtigstes Arbeitsgebiet sah er in der Geschichte der
Prager Karlsuniversität, der für ihn ältesten „deutschen Reichsuniversität“, der er
immerhin sieben Publikationen widmen konnte295. In die geplante Darstellung der
Universitätsgeschichte für das Jubiläumsjahr 1948 war er führend involviert und sollte
v. Wilhelm Bauer, Ludwig Bittner, Taras von Borodajkewycz, Otto Brunner, Wilhelm Deutsch,
Lothar Gross, Hans Hirsch, Reinhold Lorenz (Wien 1938). Alle Herausgeber waren auch Beiträger,
dazu u. a. auch Dopsch, Ernstberger, Mayer, Redlich, Uebersberger, Winter und Wostry.
291AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Vgl. allgemein Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931–1945 (BadenBaden 1999), und 278 und 291 kurz zur Mühlviertel-Südböhmenfahrt vom 26.–29.09.1936; ders.,
Die „Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft“. Politische Beratung und NS-Volkstumspolitik,
in: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle
(Frankfurt/M. 1999) 241–264; Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 99–101.
292Einladungsschreiben Hirschs (für die SODFG) und Dr. Richard Csakis (Leiter des Stuttgarter
Instituts) vom 23.02.1939. Da der rückzusendende Anmeldeabschnitt der Einladung fehlt, hat sich
Zatschek vermutlich zumindest angemeldet. AAVČR, Of HeZ, Nr. 520.
293Aktenvermerk ohne Nennung der Teilnehmer. ÖStA, AdR Reichsstatthalter in Wien K. 58/299.
294Hirsch an Zatschek am 22.04.1939. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Zatschek antwortete am 27.04.1939.
IÖG, Archiv, NL HH. Einen Bearbeiter konnte Zatschek noch nicht nennen.
295Auffällig ist, dass er bei dem propagandistisch ausgerichteten sudetendeutschen Buch: Unsere Alma
Mater. Die sudetendeutschen Hochschulen, hg. v. Kurt Brass u. a. (Böhmisch Leipa 1938), an dem
etwa Weizsäcker und Wostry mitgearbeitet hatten, noch nicht beteiligt war. Seine erste Arbeit zur
Universitätsgeschichte erschien 1939.
Heinz Zatschek (1901–1965)
747
den Abschnitt von der Universitätsgründung bis zum Jahr 1409 verfassen296, zu dem
er bereits Vorarbeiten geleistet hatte. Eine Sitzung der Autoren am 13. Mai 1943
offenbarte jedoch erhebliche Schwierigkeiten wegen der unzureichenden Ordnung
des Universitätsarchivs und der Editionslage der Quellen, so dass mit einem raschen
Fortschreiten der Arbeiten nicht zu rechnen war. Freilich verabsäumte es Zatschek nicht,
auch auf diesem Forschungsfeld als durchaus stolzer „Volksforscher“ antisemitische
Momente einfließen zu lassen. Als eine Studentengruppe unter seiner Leitung bestimmte
Aspekte der Universitätsgeschichte zu bearbeiten hatte, schrieb er 1939 an Hirsch:
Immerhin stehen mir von der Studentenschaft zwei Arbeitskreise zur Verfügung. Ein männlicher bearbeitet die Zeugenreihen bis 1306 vom Gesichtspunkt der Volkszugehörigkeit,
ein weiblicher die Nationale unserer Universität von 1918–1938, unter besonderer
Betonung des Judentums und seines Umsichgreifens. Im Seminar sitzen wir über den
Anfängen unserer Universität, vor allem über den Matrikeln. Die Ergebnisse werden
als Gemeinschaftsarbeit erscheinen, in der Form, dass jeder Student für den von ihm
gelieferten Text verantwortlich zeichnet. Wenn die genannten drei Probleme gelöst
und eine Veröffentlichung der Arbeiten erfolgt sein wird, dann dürfte ich vielleicht
sagen, dass ich meinen Anteil an der Volksforschung geleistet habe297.
Besonderen Wert legte Zatschek auf das populärwissenschaftliche Büchlein
„England und das Reich“, das 1942 in einer hohen Auflage herauskam und bereits zu
Beginn des nachfolgenden Jahres vergriffen war, was eine zweite Auflage erforderlich
machte298. Zatschek unternahm darin den Versuch, in einer Art Meistererzählung aufzuzeigen, dass sich England, das „in der Vorstellung lebte, von Gott zur Weltherrschaft
berufen zu sein“, bereits seit dem Mittelalter in einer historischen „Gegnerschaft“ zum
Reich befand, seine Könige oftmals „Reichsfeinde“ waren – so besonders Richard
Löwenherz – und England letztlich als der große „Erbfeind“ der Deutschen zu gelten habe, der beständig versuchte und versucht, die deutsche „Führung“ in Europa
zu verhindern. So habe England als der Hauptschuldige am Ausbruch des Ersten
Weltkrieges zu gelten, mit dem die von Bismarck wiedererrichtete deutsche „Führung“
in Mitteleuropa beseitigt werden sollte. Kategorien und Begriffe seiner Gegenwart
übertrug Zatschek bedenkenlos ins Mittelalter oder in die Frühe Neuzeit, wie auch
296Siehe insgesamt Wiedemann, Reinhard-Heydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 70; Míšková, Německá
(Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 15; dies., Universität im Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 130) 177.
Siehe auch das Schreiben des Obmanns des Ausschusses, Wostry, an Weizsäcker vom 31.01.1941,
Abb. 6 bei Joachim Bahlcke, Mit den Waffen der Wissenschaft. Der sudetendeutsche Jurist und
Rechtshistoriker Wilhelm Weizsäcker (1886–1961). Biographisch-bibliographische Anmerkungen,
in: Berichte und Forschungen. Jb. des Bundesinstitutes für ostdeutsche Kultur und Geschichte 6
(1998) 175–210, hier 210. Andere geplante Autoren waren Ernstberger, Pfitzner, K. M. Swoboda,
Weizsäcker, Winter und Wostry. Auch Blaschka, Josef Bergel und Josef Hemmerle gehörten vermutlich zu diesem Kreis; ihre Beiträge erschienen später in: Studien zur Geschichte der Karls-Universität
zu Prag, hg. v. Rudolf Schreiber (Forschungen zur Geschichte und Landeskunde der Sudetenländer
2, Freilassing – Salzburg 1954).
297Brief an Hirsch vom 27.04.1939. IÖG, Archiv, NL HH. Die Publikation: Studien zur Geschichte der
Prager Universität (wie Anm. 269).
298Siehe Zatschek an Mayer am 06.02.1943. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 13 Nr. 191. Ähnlich an
Bauer am 30.01.1943. ÖAW Archiv, NL WB K. 8.
748
Karel Hruza
wieder sein Antisemitismus Platz gewann. Die Schlussworte mögen die Richtung
verdeutlichen: „Wenn die Ziele so hochgespannt sind und es keine Verständigung gibt,
dann müssen die Waffen entscheiden. All unser Glauben an das Reich der Deutschen
begleitet unsere stolze Wehrmacht in ihrem harten Kampf. All unsere Hoffnung gilt
dem Sieg, der verhindern soll, daß England ein viertes Mal gegen die Führung Europas
durch Deutschland anstürmt.“299 Im Gegensatz zu den meisten deutschen und vielen
österreichischen Historikern erblickte Zatschek demnach die historischen „Erbfeinde“
Deutschlands nicht in Frankreich und Polen, wie er als Österreicher in seiner BismarckVerehrung zurückhaltend war300.
Zu derselben Zeit arbeitete Zatschek an einer „Deutschen Geschichte“, die aus
seiner Wiener Vorlesungstätigkeit 1941/42 hervorging und 1943/44 in zwei Teilen
erschien301. Das kleine Buch aus 541 engbedruckten Seiten ohne Apparat erweckte
sogleich das Interesse des Majors Dr. Hartmann, der beim „Generalinspekteur für
den Führernachwuchs des Heeres“ (beim Oberkommando des Heeres) für die weltanschauliche Schulung des Offizier- und Unteroffiziernachwuchses und deren notwendige geschichtliche Untermauerung zuständig war: Ich finde in diesem Werke
das, was ich schon lange suchte, eine Geschichtsbetrachtung, die frei ist von jeder
einseitigen Einstellung sowohl nach der preussisch-hohenzollerischen als auch nach
der habsburgischen Seite302. Das Buch stellt die Synthese der Geschichtsauffassung
Zatscheks dar, beginnt mit der „Vorgeschichte“ und sieht die Erfüllung der deutschen
Geschichte im Aufkommen des Dritten Reiches, als dessen angebliche Hauptfeinde
erneut England und die Juden erkannt werden. Ähnlich wie im England-Buch gleichen die letzten Kapitel 22 und 23 („Einkreisung und Zusammenbruch“ und „Das
Werden des Großdeutschen Reiches“) einer offiziösen nationalsozialistischen deutschen Geschichte: „Es war einmalig in der Geschichte, wie ein Mann aus dem Nichts
heraus eine Bewegung geschaffen hatte, die trotz dem großen Fehlschlag im Jahr
1923 unter beispiellosen Opfern bis 1933 weite Teile des deutschen Volkes erfaßt
und gestaltet und von innen heraus mit unblutigen Mitteln den Staat erobert hatte.
Es wird ewig denkwürdig bleiben, wie ein Mann den Kampf gegen den
erbittertsten Feind eines gesunden Volkstums, den gegen das Judentum
und die jüdische Weltwirtschaft aufgenommen hat.“303 Die Grundzüge dieser
Gedanken wiederholte er mehrmals, so auch in seinem Prager Akademievortrag von
1943 „Das europäische Gleichgewicht“, in einem „Feldpostbrief“ desselben Jahres
oder in seiner letzten Prager Publikation vom Januar 1945 „Die Reichsidee“304. In
299Zatschek, England (wie Anm. 285) 89.
300Siehe zu diesen Themen etwa Volkmann, Historiker (wie Anm. 283).
301Das Buch erschien als Privatdruck. Möglicherweise hat Zatschek versucht, das Werk innerhalb der
MÖIG erscheinen zu lassen, denn am 30.01.1943 schrieb er Bauer: Ich darf zwar nicht sagen, ich sei
„sehr ungehalten“, dass Sie die deutsche Geschichte nicht herausgeben wollen. ÖAW Archiv, NL
WB K. 8.
302Der Brief Hartmanns vom 19.05.1944 in AAVČR, Of HeZ, Nr. 577, mit der Bitte um Mitteilung, ob
und wie ein Exemplar zu erwerben sei.
303Zatschek, Deutsche Geschichte (wie Anm. 172) 525 und 541.
304Zatschek, Gleichgewicht (wie Anm. 285); ders., Unser Bild vom deutschen Mittelalter, in:
Heinz Zatschek (1901–1965)
749
diesem deutschzentrierten und biologistischen Geschichtsbild hatte aber auch die katholische Kirche keinen Platz als positive konstruktive Kraft. Vielmehr waren es die
Päpste, die in Mittelalter und Neuzeit nach der Weltherrschaft gestrebt und damit
immer wieder den ordnenden deutschen Führungsanspruch in Europas Mitte sabotiert
hatten. Zieht man in Betracht, dass Zatschek aus demselben Geist seine Vorlesungen
an der Verwaltungsakademie Wien (und vermutlich auch andere Vorlesungen an den
Universitäten Wien und Prag) gehalten hat, dann überrascht seine spätere Einschätzung
durch den Hörer F. L. kaum.
Zatscheks zunächst eher distanziertes Verhältnis zu Mayer erfuhr während des
Zweiten Weltkrieges eine wesentliche Verbesserung, wohl auch auf der Basis, dass beide
zu den Protagonisten einer Instrumentalisierung der deutschen Geschichtswissenschaft
für das kriegführende Dritte Reich zählten. Mayer zog dementsprechend Zatschek für
den „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ heran305. Im Herbst 1940 informierte er
diesen über seine Vorhaben innerhalb der Aktion zum Einsatz der Geisteswissenschaften
im Krieg. Zatschek bat er schließlich, für eine große germanische Geschichte […],
die vor allem die Leistung der Germanen in Europa und im besonderen die führende
Stellung des deutschen Volkes herausarbeiten sollte, einen Beitrag zur Karolingerzeit
zu liefern306.
Zatschek nahm auf Einladung Mayers als Vortragender an der Arbeitsbesprechung
der Mittelalterlichen [sic!] Historiker und der Rechtshistoriker in Weimar 4./5. Mai
1942 teil, die innerhalb des Einsatzes der Geisteswissenschaften im Krieg stattfand307. In
Weimar kam er mit einigen bekannten Kollegen zusammen, so etwa mit Aubin, Herbert
Jankuhn, Erich Maschke, Heinrich Mitteis und Klebel. Sein Referat Germanische
Raumerfassung und Staatenbildung in Mitteleuropa veröffentlichte Zatschek immerhin in der renommierten HZ308. Im zugehörigen dreiseitigen Vortragsprotokoll sind
mit „Führung“ oder „Führer“ gebildete Worte wie Führerschicht oder Führerkorps
14 mal zu finden, und jenen Germanenstämmen, die in ihren Erbanlagen möglichst
unverändert geblieben waren, spricht Zatschek die besten Führungsqualitäten zu, wie
er überhaupt kurz vor dem Sommer 1942, als die Deutsche Wehrmacht die größte
geografische Ausdehnung bei ihren Eroberungsfeldzügen erreichen sollte, die Frage
aufwarf, wie die Franken im Frühmittelalter ihre riesigen Reiche beherrschen konnFeldpostbriefe für Studierende der Geisteswissenschaften, hg. v. der Philosophischen Fakultät der
Deutschen Karls-Universität in Prag, Heft 1 (Dezember 1943) 14–18, mit dem Schlusssätzen: „Heute
kämpft das deutsche Volk darum, das wieder zu werden, was wir schon einmal waren: das Volk, das
Europa vor den Einbrüchen fremder Rassen bewahrt und nicht nur für sich allein, sondern für den
ganzen Erdteil gelebt und gelitten hat.“ ders., Die Reichsidee (wie Anm. 285). Erstere Arbeit thematisiert Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 123–148.
305Siehe hierzu allgemein Frank-Rutger Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ im
Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940–1945) (Schriften zur Wissenschafts- und
Universitätsgeschichte 1, Dresden/München 1998), und den Beitrag zu Mayer in diesem Band.
306Brief Mayers vom 30.09.1940. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292.
307Siehe das Verhandlungsprotokoll bzw. Manuskript nur zum eigenen Gebrauch! Ebd. 1–3
Protokoll des Zatscheks-Vortrags. AAVČR, Of HeZ, Nr. 797. Siehe auch Hausmann, „Deutsche
Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 192f.
308Zatschek, Germanische Raumerfassung (wie Anm. 269).
750
Karel Hruza
ten309. In der politischen Ordnung des Frühmittelalters erblickte Zatschek geradezu
eine Spiegelung seiner eigenen Gegenwart: „Die Führung Europas von der Mitte aus
mußte demnach künftig in anderen Formen erfolgen als das im Zeitalter Karls des
Großen noch möglich gewesen war. Man beließ den Fürsten, deren Herrschaftsgebiet
dem Reich zugeordnet wurde, ihre Stellung, machte sie aber zu Vasallen und nötigte
sie zur Ablegung eines Treueides. Vielleicht ist es nicht zu gewagt, einzelne dieser
Formen mit dem Protektorat Böhmen und Mähren zu vergleichen, andere wieder mit
der Stellung, in der sich heute die Slowakei zum Reich befindet.“310
1943 lieferte Zatschek für einen von Mayer herausgegebenen Sammelband,
der aus Anlass des Jubiläums des Vertrags von Verdun 843 erscheinen sollte, einen Aufsatz über Ludwig den Deutschen. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls
geplante Kriegseinsatz-Tagung, auf der die Beiträge dieses für die Entstehung des
deutschen Volkes und Reiches angeblich wesentlichen Ereignisses präsentiert werden
sollten, konnte wegen der Kriegsereignisse jedoch nicht durchgeführt werden311. Im
April 1944 versammelte Mayer aber erneut Historiker zu einer großen KriegseinsatzArbeitsbesprechung in Erlangen, doch dieses Mal musste Zatschek absagen312. Ebenso
erging es ihm bei der letzten, am 16. und 17. Januar 1945 in Hitlers Geburtsstadt
Braunau erneut von Mayer trotz aller kriegsbedingter Widerstände veranstalteten
vertraulichen wissenschaftlichen Besprechung innerhalb des „Kriegseinsatzes der
Geisteswissenschaften“. Ausdrücklich von Mayer eingeladen, musste Zatschek wohl
wegen der sich stets verschlechternden Reisemöglichkeiten und auch aus Abneigung
gegen einige andere Teilnehmer fernbleiben313.
309Bemerkenswert ist, dass in der Diskussion gemäß Protokoll (wie Anm. 307) 12, Aubin die
Ausführungen Zatscheks abzuschwächen versuchte, die auf Herausstellung der Bedeutung von
„Rasse“ zielten: Die interessante Perspektive, die Herr Zatschek gegeben hat, ging aus von dem
Gedanken der Wirkung des germanischen Elements innerhalb des fränkischen Reiches, des germanischen Elements, wie es sich in den Mitteln der Ausnutzung der menschlichen Kräfte, der
Persönlichkeiten zur Verfügung stellt. Wenn man schon so weit geht und den Versuch unternimmt zu
fragen, woher die Möglichkeit zur Beherrschung eines so grossen Raumes gekommen ist, wird man
ein Problem anschneiden müssen, die Frage, wie die Institutionen gehandhabt worden sind, welche
aus dem Germanischen erhalten wurden, welche aus dem Römischen übernommen oder neu geformt
worden sind, um sich zum Herrn eines so grossen Gebietes zu machen. Daneben steht die Frage,
wie zur Wiederbelebung des römischen Erbes die Mittel ausgenutzt sind, die der römische Staat
schon besessen hat. Die Frage der geistigen Mittel, der Bildung, mit denen das Reich beherrscht
werden konnte, die Möglichkeit des schriftlichen Verkehrs, des Urkundengebrauchs, die Möglichkeit
Menschen zu erziehen, die die Perspektiven für so grosse Aufgaben besassen, all das gehört dazu,
wenn wir verstehen wollen, wie die Beherrschung eines solchen Riesenraumes durch die Germanen
möglich gewesen ist.
310Zatschek, Germanische Raumerfassung (wie Anm. 269) 53. Ähnlich in Zatschek, Deutsche
Geschichte (wie Anm. 172) 538.
311Zatschek, Ludwig der Deutsche (wie Anm. 285). Fast alle Autoren des Bandes schlossen ihre
Aufsätze mit Bezügen zur aktuellen Situation 1943 ab. Zur geplanten Tagung siehe Hausmann,
„Deutsche Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 196.
312Schreiben Zatscheks an Mayer vom 07.03.1944. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 11 Nr. 106. Die
Tagung fand am 18.–19. April 1944 statt, siehe Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ (wie
Anm. 305) 196–198.
313Schreiben Mayers an Zatschek vom 26.12.1944, AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; vom 08.01.1945 (und
Heinz Zatschek (1901–1965)
751
Im Gegenzug für seine Kriegseinsatz-Tagungsteilnahmen sorgte Zatschek dafür,
dass Mayer am 20. Juli 1944 in der RHS in Prag mit einem Vortrag auftreten konnte314. Bis in den April 1945 hinein haben die beiden Historiker ihren Kontakt brieflich
aufrechterhalten und fachlich vor allem über Angelegenheiten der Edition der WibaldBriefe, Zatscheks Heinrich V.-Trilogie und einer Edition der Přemysliden-Urkunden
diskutiert315, die Zatschek als „Beauftragter des Reichsprotektors für die Herausgabe
der historischen Quellen in Böhmen und Mähren“ zu beaufsichtigen hatte. Diese
Edition wollte Joachim Prochno weiterhin vom „Böhmischen Landesarchiv in Prag“
herausgeben lassen und bat Mayer um eine Klärung des Verhältnisses zu der Edition
von Dynastenurkunden innerhalb der MGH, die auch gefunden werden konnte316.
Aus persönlichem Interesse und wohl auch im Auftrag entstanden 1944 zwei wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten Zatscheks, die verhältnismäßig sachlich gehalten
und auch heute noch nicht überholt sind. Sie sind seinem ureigensten Arbeitsfeld, den
Historischen Hilfswissenschaften gewidmet317.
Zatscheks trotz des Kriegsverlaufs ungebrochener Arbeitseifer unter Beibehaltung
der völkischen Themenausrichtung zeugt sowohl von einer politischen Verblendung
als auch von einer Negierung damaliger Realitäten. Die Umstände seiner Flucht aus
Prag und seines wissenschaftlichen Neubeginns in Wien ließen eine Reihe seiner
Vorhaben unvollendet: So zwei Teile seiner Heinrich V.-Trilogie, die er später vereinigt als Buch veröffentlichen wollte, und ein offizielles NS-Lehrbuch für Studenten
„Mittlere Geschichte“, das er fast abgeschlossen hatte318.
an Brunner vom 04.12.1944), StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 11 Nr. 14, und vom 12.01.1945,
AAVČR ebd.; MGH, Archiv B 704/II, 2–3. Nach Braunau eingeladen waren u. a. Brunner, Klebel,
Karl Bosl, Dungern, Erich von Guttenberg, Max Spindler und Otto Stolz. Siehe Hausmann, „Deutsche
Geisteswissenschaft“ (wie Anm. 305) 199f.
314MGH, Archiv B 704/II, 2–3; AAVČR, Of HeZ, Nr. 292.
315Am 12.03.1945 bedankte sich Mayer u. a. bei Zatschek für dessen Beitrag in der ihm, Mayer,
gewidmeten „Prager Festgabe“: Heinz Zatschek, Die Anfänge der Lehrkanzel für historische
Hilfswissenschaften an der Universität Prag, in: ZGS 7 (1944, ND als Prager Festgabe für Theodor
Mayer, neu hg. v. Rudolf Schreiber [Forschungen zur Geschichte und Landeskunde der Sudetenländer
1, Freilassing/Salzburg 1953]) 254–288. AAVČR, Of HeZ, Nr. 292; ebd. Nr. 599; MGH, Archiv B
704/II, 2–3; WstLA, NL HeZ A1, K. 3, Mappe 2.
316Prochno, damals Leiter des Böhmischen Landesarchivs und Bearbeiter des Codex diplomaticus et
epistolarius Bohemiae, hatte auf Anraten Zatscheks wegen der Abgrenzung seiner Editionsarbeit gegenüber den MGH am 28.02.1945 an Mayer geschrieben, woraufhin Mayer am 10.03. antwortete:
Ich stehe grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß der Druck der Fürsten-und Dynastenurkunden nicht
Aufgabe des Reichsinstituts, sondern der Historischen Kommissionen oder ähnlicher Einrichtungen
ist […], endete aber mit dem salomonischen Spruch: Ich möchte Sie also bitten, die Edition gleichsam als eine Aufgabe der Monumenta Germaniae, – wenn man sagen will, daß diese die gesamtdeutschen Quelleneditionen repräsentieren, – durchzuführen. MGH, Archiv B 704/II, 2–3. – Vermutlich
auch diese „Anbindung“ an die MGH führte Prochno zum Plan, wenig später ca. 400 PřemyslidenUrkunden aus Prag abtransportieren zu lassen, siehe Abschnitt III und Hruza, Insignien- und
Archivalienraub (wie Anm. 38).
317Zatschek, Die Anfänge der Lehrkanzel (wie Anm. 315); ders., Das Wiener Institut für
Geschichtsforschung und die Entwicklung der historischen Hilfswissenschaften in den Sudetenländern
(Abh. Prag Heft 14, Prag 1944).
318Das „Unvollendete“ beschäftigte Zatschek über 1945 hinaus. Am 16.08.1946 schrieb er an Mayer u. a.:
752
Karel Hruza
Im Zeitraum der Studienjahre 1930/31 bis 1944/45 betreute Zatschek 65
Dissertationen in Prag, davon 44 als Doktorvater319. Zunächst begann er als
Zweitgutachter in Zusammenarbeit mit Wostry. In dieser Konstellation wurden
bei ihnen bis in das Studienjahr 1940/41 zwölf Dissertationen verfasst, wobei der
Großteil bis in die Mitte der 1930er Jahre entstand. Als Doktorvater trat Zatschek
erstmals im Studienjahr 1931/32 auf und betreute eine Arbeit aus seinem damals
engsten Forschungsgebiet: „Die Urkunden der Markgrafen von Mähren in den Jahren
1197–1251 in Diktat und Schrift“ von Herbert Hudez. Als Zweitgutachter fungierte Wostry. In dieser Konstellation promovierten sie bis in das Studienjahr 1940/41
insgesamt 26 Kandidaten. Damit war Wostry Zatscheks wichtigster Partner bei
Promotionen. Elf Dissertationen entstanden im Zeitraum 1933/34 bis 1944/45 bei
Zatschek mit dem Zweitgutachter Pirchan, sechs zwischen 1935/36 bis 1940/41 mit
dem Zweitgutachter Ernstberger, während Zatschek diesem im selben Zeitraum bei
ebenfalls sechs Promotionen als Zweitgutachter zur Seite stand. Andere Lehrende, mit
denen Zatschek Promotionen vollzog, treten quantitativ völlig in den Hintergrund320.
Der überwiegende Teil der bei Zatschek verfassten Dissertationen entstand bis zum
Studienjahr 1940/41. Als er 1942 von Wien wieder zurück nach Prag kam, konnte er
nur noch bei vier Promotionen mitwirken. Die heute bekanntesten Namen unter seinen
Prager Promovenden sind vermutlich Wilhelm Hanisch (1939/40), den er als seinen
Assistenten in Prag für die Regesta Imperii (Urkunden König Wenzels) heranziehen
konnte, und Artur Zechel (1935/36)321.
Bei den Dissertationsthemen lässt sich deutlich der Einfluss der Zeitumstände erkennen. Behandelten Zatscheks Promovenden bis zum Ausgang der 1930er Jahre fast
ausschließlich „gewöhnliche“ Themen der Geschichtsforschung, so fand parallel zur
politischen Radikalisierung Zatscheks und der Studentenschaft eine augenscheinliche
Hinwendung zu volksgeschichtlichen und im Sinne des NS-Regimes politisierten
Arbeiten statt. Folgende Beispiele mögen das untermauern. Zu den „gewöhnlichen“
Wird eigentlich das „Deutsche Archiv“ wieder erscheinen und besteht dann Aussicht, dass meine
Beiträge zur Geschichte Heinrichs V. gedruckt werden? StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr.
217. Am 20.11.1948 fragte er Mayer, welches Schicksal die Manuskripte des zweiten und dritten
Teiles des Heinrich V. erlitten hätten, woraufhin Mayer am 03.12. antwortete: […] sie sind hier [in
Pommersfelden] und stehen ihnen jederzeit zur Verfügung. Die Abhandlung Nr. 2 ist bereits gesetzt
und es findet sich hier ein Korrekturexemplar. Nr. 3 liegt im Manuskript hier. Entscheiden Sie also,
was mit den Schriften geschehen soll. Ebd., Fasz. 19 Nr. 121a und Nr. 122.
319Siehe wie auch im Folgenden Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 76–139, und
die Skizze von Hans-Joachim Härtel, Die beiden philosophischen Fakultäten in Prag im Spiegel
ihrer Dissertationen 1882–1939/45, in: Die Teilung der Prager Universität 1882 und die intellektuelle Desintegration in den böhmischen Ländern, hg. v. Ferdinand Seibt (München 1984) 81–94, hier
91–93.
320Einmal mit Willy Hüttl 1938/39, einmal mit K. V. Müller 1944/45, zweimal mit Josef März
1944/45.
321Zu Hanisch siehe unten. Die Arbeit Zechels wurde mit einer Einführung Zatscheks gedruckt: Artur
Zechel, Studien über Kaspar Schlick. Anfänge – Erstes Kanzleramt – Fälschungen. Ein Beitrag zur
Geschichte und Diplomatik des 15. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der
Geschichte 15, Prag 1939).
Heinz Zatschek (1901–1965)
753
Themen sind gemäß ihrer Titel die Arbeiten zu zählen: „Kaiser Heinrich IV. im Urteile
der mittelalterlichen deutschen Geschichtsschreibung“, „Das älteste Mähr. Trübauer
Stadtbuch 1373–1554“, „Staatsverträge fränkisch-deutscher Herrscher des Mittelalters
von 843–1250“, „Die Güterpolitik der ersten Karolinger“, „Daniel, Bischof von Prag“,
„Die Schlacht bei Marengo“, „Das Gottesurteil und Gottes Eingreifen in das Leben
des mittelalterlichen Menschen“, „Die amtliche Propaganda in der Staatskunst Kaiser
Friedrichs I.“, „Eger und das Reich in den Hussitenwirren von 1420 bis 1427“, „Ludolf,
Otto d. Gr. Sohn“, „Geschichte der Beziehungen zwischen Ungarn und den böhm.
Ländern bis 1250“, „Das Gegenkönigtum in der deutsch-mittelalterlichen Geschichte“
usw.322 „Volksgeschichtlich“ ausgerichtet sind dem Titel nach: „Das Volksbewusstsein
im Elsass in seiner Abwehrstellung gegen Frankreich“, „Volkszugehörigkeit und
Namengebung der Liechtensteinischen Hintersassen nach dem Nikolsburger Urbar
vom Jahre 1414“, „Die Einwohnerschaft von Rokotnitz 1636–1939. Eine volksgeschichtliche Untersuchung“ (Hanisch), „Theoderich d. Grosse in volksgeschichtlicher Schau“, „Das Nationalitätenverhältnis Böhmens in vorhussitischer Zeit“, „Das
Volksbewusstsein der Ungarn im Mittelalter“ und „Deutsche Beurkundungszeugen
der böhmischen Herrscherurkunden bis Wenzel I. (1236)“323.
Einige der Themen korrespondierten durchaus eng mit Zatscheks eigenen
Arbeitsfeldern. Sichtbar ist das auch bei den politisch ausgerichteten Dissertationen:
„Deutschland und England 1898–1901. Ein Ausschnitt aus der Geschichte des
Weltstaatensystems“, „Das deutsche Reich im Kampf gegen die Zwei- und
Mehrfrontengefahr von 843 bis 1056“, „Richard Löwenherz in Sizilien. Ein Beitrag
zur Geschichte der englischen Politik in der 2. Hälfte des 12. Jhd.“ und „Die
Rückenbedrohung des Reiches als Grundzug der Deutschlandpolitik Frankreichs von
843–1914“. Hinzu kommt noch „Englischer Auserwähltheitsglaube und Selbstkritik“,
eine Dissertation bei Ernstberger mit Zatschek als Zweitgutachter324. Manche Themen
weisen also auf Zatscheks Buch „England und das Reich“ voraus, und es stellt sich
die Frage, ob Zatschek bei seinen englischen Themen nicht von Ernstberger beeinflusst wurde, der einen Studienaufenthalt in England absolviert hatte und selbst über
Themen englischer Geschichte prüfte325. Mit Ernstberger als Zweitgutachter vollbrachte Zatschek auch das „Kunststück“, die Dissertation Wilhelm Gerlichs über
„Die Geschichte der Familie Henlein“ im Studienjahr 1938/39 zu approbieren326.
Interessanter erscheint freilich die 1932/33 bei Zatschek abgeschlossene Arbeit „Das
halachische Werk des Isaak Or Sarua ergänzt durch die Oxforder Handschrift 844
322Disertace pražské university 1882–1945 (wie Anm. 24) 87 Nr. 203, 89 Nr. 222f., 93 Nr. 287, 96 Nr.
330, 102 Nr. 415, 102 Nr. 420 (orientiert an Otto Vehse, Die amtliche Propaganda in der Staatskunst
Kaiser Friedrichs II. [München1929], 104 Nr. 440, 112 Nr. 556, 116 Nr. 613, 119 Nr. 39, aus den
Studienjahren 1933/34 bis 1940/41.
323Ebd. 104 Nr. 439, 112 Nr. 554, 113 Nr. 564, 119 Nr. 40–42, 120 Nr. 58, aus den Studienjahren
1937/38 bis 1940/41.
324Ebd. 87 Nr. 202, 99 Nr. 378, 100 Nr. 391, 120 Nr. 49, 121 Nr. 72, aus den Studienjahren 1933/34 bis
1940/41.
325Ebd. 97 Nr. 342, 98 Nr. 355, 100 Nr. 391, 115 Nr. 596, 121, Nr. 72.
326Ebd. 108 Nr. 506.
754
Karel Hruza
(Neub.) als historische Quelle“ von Isak Farkas Kahan aus dem damals tschechoslowakischen Mukačevo (Mukatschewe), der über einen wichtigen jüdischen Gelehrten des
Mittelalters promovierte und seinem Namen nach jüdischer Abstammung war327.
Die bedeutendste von Zatschek begutachtete Habilitationsschrift war zweifelsohne diejenige Fichtenaus. Er wurde im Frühjahr 1942 mit einer paläografisch-kulturhistorischen Arbeit habilitiert328, die bereits vor Zatscheks Antritt in Wien unter
Einfluss Hirschs konzipiert worden war und von Brunner und Zatschek eine sehr gute
Beurteilung erhielt.
Unter seinen Studenten genoss Zatschek den Ruf eines strengen, aber auch verlässlichen Ziehvaters. In seinen Seminaren verlangte er Leistung und Aufmerksamkeit,
mit dem Ergebnis, dass er den Studenten viel Wissen und Methodik vermittelte329. Dass
seinen Lehrveranstaltungen gerade während der Kriegszeit auch eine bewusste politische Komponente im Sinn des NS-Regimes innewohnte, war eine andere Seite, die
von den Studenten registriert wurde. Wiener Studenten verpassten ihm 1941/42 daher
den Spottvers über den Volksgenossen, der aus „dem Reich der Hatschek“ kam.
Das Jahr 1945 bedeutete für Zatschek sowohl in seiner Berufslaufbahn als auch in
seiner wissenschaftlichen Produktion und Ausrichtung einen tiefen Einschnitt. Er „entdeckte“ aber nicht wie viele seiner österreichischen Kollegen plötzlich eine „österreichische“ oder eine europäische Geschichte – unter letztere hatte er ja bereits die deutsche
„Führung“ Europas subsumiert –, sondern wandte sich in der Folgezeit, bedingt durch
die Aufgaben bzw. die Erwartung seiner Arbeitgeber, der Wirtschaftsgeschichte und
hier insbesondere der Handwerksgeschichte zu. Leicht ist ihm diese Änderung nicht
gefallen, und richtig verwunden hat er sie nie330. Seine ersten Nachkriegsarbeiten galten
327Ebd. 84 Nr. 153. Auf der Dissertation beruht: I(sak) Kahan, Or Sarua als Geschichtsquelle, in: Jb. der
Gesellschaft fur Geschichte der Juden in der Čechoslovakischen Republik 9 (1938) 43–100.
328Fichtenau stellte an die Fakultät das Ansuchen um Zulassung zum Habilitationsverfahren aus dem
Fache „Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften“, woraufhin Zatschek
und Brunner am 14.02.1942 vom Dekan um das Gutachten über die Habilitationsschrift und die
Publikationen Fichtenaus gebeten wurden. AAVČR, Of HeZ, Nr. 586. Am 07.03. wurde Fichtenau
zum Dr. phil habil. ernannt, seine Probevorlesung „Grundlagen mittelalterlichen Staatsdenkens“
vom 09.03. beurteilten Zatschek und Brunner am 14.03. (nicht uneingeschränkt) positiv. Am
30.05. wurde Fichtenau vom zuständigen Reichsminister wie damals üblich Im Namen des Führers
zum Privatdozenten ernannt. Phil. Fak. PA Heinrich Fichtenau. Siehe auch Heinrich Fichtenau,
Autobiographie, in: Recht und Geschichte (wie Anm. 222) 43–58. In der gedruckten Fassung der
Habilitationsschrift Heinrich Fichtenau, Mensch und Schrift im Mittelalter (Veröff. des IÖG 5, Wien
1946) Vorwort V, wird Zatschek nicht genannt. Zur Habilitation Fichtenaus siehe den Beitrag zu
Hirsch in diesem Band und auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 264–267.
329Frau Dr. Maria Habacher erinnerte sich an Zatschek als sehr strengen und anspruchsvollen, viel
Lernstoff vermittelnden Lehrer, dessen Seminare gut organisiert waren. Zu Zatscheks Lehre in Wien
siehe auch Stoy, Institut (wie Anm. 13) 274f. mit weiteren Zeitzeugen. Die ebd. gegebene, auf der
Wertung Brunners basierende Einschätzung der Werke Zatscheks ist größtenteils überholt.
330Am 16.08.1946 schrieb er an Mayer u. a.: Ich hatte gehofft, zu meinen Anfängen wieder zurückkehren
zu können, zu den historischen Hilfswissenschaften, für die ich inzwischen einiges dazugelernt habe.
[…] Mir würde eine Beschäftigung bei den Diplomata mehr zusagen – Heinrich V. z. B. hätte mich
brennend interessiert, gerade auch im Zusammenhang mit meinen drei Studien zur Geschichte des
letzten Saliers – als eine bei den Epistolae [für die er die Briefe Wibalds bearbeitet hatte]. Aber in der
Heinz Zatschek (1901–1965)
755
zunächst Wiener Geschichtsquellen331, dann folgten handwerksgeschichtliche Studien;
im Jahr 1949 eine erste Monografie332. Beim Wiederbeginn seiner Universitätslehre
1955 konnte er bereits auf eine beachtliche „neue“ Publikationsliste verweisen333.
Die wohl wichtigste personelle Verbindung Zatscheks zu seinem alten Fach
Mediävistik bildete Mayer. Ständig informierten sich die beiden gegenseitig über
Vorgänge in der Wissenschaftswelt, auch vereint in dem Glauben, von anderen um die
Früchte ihrer Arbeit betrogen worden zu sein. Mayer, der sich seit Beginn der 1950er
Jahre in Konstanz als Wissenschaftsorganisator zu etablieren begann und ungeachtet
jeglicher politischer Momente eine von ihm penibel ausgesuchte alte und neue „Garde“
von Mediävisten um sich versammelte334, lud Zatschek – auch als Vortragenden – zu
den Tagungen am Bodensee ein. Mehrmals musste Zatschek jedoch aus beruflichen
Gründen absagen335. Bezeugt ist seine Anwesenheit jedoch beispielsweise auf der (letzten) Mainau-Tagung „Die Anfänge des Städtewesens in Westeuropa“ im September
1955336 oder auf den Reichenau-Tagungen „Probleme des 12. Jahrhunderts I–II“ im
März und im Oktober 1960337; auf letzterer hielt der damals international noch wenig
bekannte Georges Duby einen seiner seltenen Vorträge in Deutschland. Es war wiederum Mayer, der Zatschek zu der von ihm geleiteten großen Tagung der Südostdeutschen
Historischen Kommission im Herbst 1960 nach Graz einlud, auf der Zatschek auf
die alte Garde österreichischer Historiker, aber auch auf eine neue österreichische
Historikergeneration traf338. Ihre letzte Zusammenarbeit verwirklichten Zatschek und
Mayer mit der Herausgabe von 17 Aufsätzen Hirschs, die sie beide gemeinsam aus
Lage, in der ich mich befinde, kommt es auf Vorliebe für bestimmte Materien nicht an […]. Konstanz,
NL ThM, Fasz. 15 Nr. 217.
331An Mayer schrieb er am 12.12.1946 u. a.: Nun habe ich in einjähriger Arbeit das nachgelassene
Manuskript für den 5. Band der 2. Abteilung der „Quellen zur Geschichte der Stadt Wien“ druckfertig gemacht und für den 6. Band die gesamte abschriftliche Überlieferung gesammelt […]. StadtA
Konstanz, NL ThM, Fasz. 15 Nr. 222. Daneben verfasste er den Aufsatz Heinz Zatschek, Zur
Ausgabe der Urkunden des Wiener Bürgerspitals, in: Jb. des Vereines für Geschichte der Stadt Wien
5/6 (1946/47) 124–148.
332Heinz Zatschek, Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der
Gewerbefreiheit im Jahre 1859 (Wien 1949).
333Sie umfasste für den Zeitraum 1946–1955 eine Monografie, 16 Aufsätze und neun kleinere
Beiträge.
334Siehe den Beitrag zu Mayer in diesem Band und Traute Endemann, Geschichte des Konstanzer
Arbeitskreises. Entwicklung und Strukturen 1951–2001 (Veröff. des Konstanzer Arbeitskreises
für Mittelalterliche Geschichte aus Anlaß seines fünfzigjährigen Bestehens 1951–2001 1, Stuttgart
2001) 104–106, 187–191.
335So für die Frühjahrs- und Herbsttagung 1961 und für die Frühjahrstagung 1962, siehe seine Schreiben
an Mayer vom 29.03., 28.08. und 28.09.1961 und 07.04.1962. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 40
Nr. 152; Fasz. 1 Nr. 148; Fasz. 41 Nr. 107; Fasz. 42 Nr. 150.
336Zur Tagung siehe Endemann, Geschichte (wie Anm. 334) 204f. Zatschek war auf der Mainau in einen großen Teilnehmerkreis eingebunden und traf dort auf alte Bekannte wie Brunner und Klebel;
das Protokoll verzeichnet weder ein Referat noch eine Wortmeldung seinerseits.
337In den Protokollen der Tagungen vom 28.–31.03. und vom 03.–06.10.1960 ist Zatschek als
Anwesender, jedoch ebenfalls ohne Referat und Wortmeldung verzeichnet (freundliche Auskunft
von Prof. Dr. Helmut Maurer). Siehe auch Endemann, Geschichte (wie Anm. 336) 208f.
338Siehe die Teilnehmerliste, u. a. Hans Pirchegger, Balduin Saria, Appelt, Hans (Joachim) Bayer (=
756
Karel Hruza
dem Gesamtwerk getroffen und schon während des Krieges in Planung genommen
hatten339.
V. Im Einsatz für eine Geschichte in neuem Sinn
Heinz Zatschek war ein politischer Mensch, der zeitlebens politische Verhältnisse
beobachtete, wertete und seine Schlüsse in etlichen wissenschaftlichen Schriften anklingen ließ oder offen darlegte. Die Hochphase fiel hierbei in die Zeit der deutschen
Okkupation der ČSR 1939–1945. Es überrascht jedoch nicht, dass sein 1938 „ausbrechendes“ politisches Bewusstsein bereits früher vereinzelt erkennbar wird. Im Folgenden wird nach Zatscheks politischen Ansichten und Tätigkeiten gefragt, die außerhalb
seines oben besprochenen wissenschaftlichen Werkes zu finden sind. Diese Ansichten
und Tätigkeiten festzustellen ist durchaus problematisch340.
Die frühesten Hinweise auf eine „gesellschaftspolitsche“ Orientierung des jungen
Zatschek ergeben sich aus seiner Teilnahme an der Jugendbewegung seiner Zeit. Er
lässt sich als Mitglied im 1911 als „Bund für deutsches Jugendwandern“ gegründeten
„Österreichischen Wandervogel“ feststellen: Mit dem Alpinisten Fritz Kutschera (†
1914), der an dem Gymnasium in Hietzing als Lehrer wirkte, das Zatschek besuchte, und dort etwa Jugendspiele und Skikurse organisierte, ging er „auf Fahrt“ und
erlebte Rituale eines Männerbundes mit Liedern, Fahnen und Symbolen und wohl
auch mit einem „Führer“ einer Erlebnisgemeinschaft341. Hierbei dürfte Zatschek seine
Vorliebe für Sport und Natur, aber auch für eine „Volksgemeinschaft“ und für völkisches Gedankengut entdeckt haben, denn Kutschera brachte bewusst auch politische
Momente in seine Jugendarbeit ein342. Dass Zatschek über den „Österreichischen
Wandervogel“ noch 1961 Kontakte zu Karl Thums, dessen damaligem stellvertretenden „Bundesführer“ unterhielt, ist deswegen von Interesse, weil Thums, der bereits
1931 der NSDAP beitrat, von 1940 bis 1945 als Professor dem „Institut für Erb- und
Rassenhygiene“ an der Medizinischen Fakultät der Deutschen Karls-Universität in
Beyer) (!), Dungern, Huter, Steinacker, Uhlirz, Friedrich Walter, Erika Weinzierl und Hermann
Wiesflecker. StadtA Konstanz, NL ThM, Varia 12.
339Hans Hirsch, Aufsätze zur mittelalterlichen Urkundenforschung. Mit einem Vorwort hg. v. Theodor
Mayer (Köln/Graz 1965), hier XV zu Zatschek.
340Beispielsweise ist der Faszikel AAVČR, Of HeZ, Nr. 778 (1937–1944), der Material zu Zatscheks
politischer Aktivität enthalten soll, ebenso wie Nr. 780 seit 1995 dem Bestand entnommen und nicht
einsehbar. Einen „Gauakt“ Zatscheks zu seiner NSDAP-Mitgliedschaft habe ich nicht auffinden können. – Zu den „mentalen Dispositionen“ der Politisierung sudetendeutscher Historiker siehe Kolář,
Brutstätte (wie Anm. 65) 124–129.
341Siehe etwa den Brief Karl Thums’ an Zatschek vom 19.11.1961 betreffs Kutschera. WStLA, NL
HeZ A1 K. 6. – Zur Jugendbewegung bzw. zum Wandervogel allgemein vgl. Michael Mitterauer,
Sozialgeschichte der Jugend (Frankfurt/M. 1986) 223–230. – Fotos aus dem Prager NL Zatscheks
zeigen einen jungen unbeschwerten Heinz Zatschek bei Zeltlager, Indianerspiel, FKK-Baden und
Schlammschlacht an einem Flussufer (Donau?), also vermutlich Aufnahmen von einer „Fahrt“.
342Siehe [Karl] Thums, Art. Kutschera Fritz, in: ÖBL 4 (Wien/Köln/Graz 1969) 374f., siehe auch
Weger, „Völkische“ Wissenschaft (wie Anm. 174) 179.
Heinz Zatschek (1901–1965)
757
Prag vorstand und zu den extremsten „Wissenschaftlern“ dieses „Faches“ im Sinne
des NS-Gedankengutes zu gelten hat343.
Abb. 43: Der junge Historiker Otto Brunner
Unmittelbar nach Studienbeginn im Herbst 1919 muss Zatschek dem „Akademischen
Verein deutscher Historiker in Wien“ beigetreten sein. Bereits im Herbst 1920 amtete er als
dessen 2. Schriftwart, Stellvertreter des Obmanns war damals Brunner. Der deutschnational
ausgerichtete Verein ließ nur „arische“ Mitglieder zu, so dass Zatschek auf die von ihm
von Hand gefertigten Vereinseinladungen schrieb: Deutscharische Gäste willkommen344.
Bestimmt hat Zatschek auch von den Kundgebungen Wiener Studenten im November
1922 erfahren, die in Solidarität zum Prager Studentenstreik abgehalten wurden, um die
Einsetzung des deutschjüdischen Historikers Steinherz als Rektor zu verhindern und einen
Numerus clausus für jüdische Studierende und Lehrende durchzusetzen345. 1926 sollte er
343Zu Thums siehe Michal Šimůnek, Ein neues Fach. Die Erb- und Rassenhygiene an der Medizinischen
Fakultät der Deutschen Karls-Universität Prag 1939–1945, in: Wissenschaft in den böhmischen
Ländern (wie Anm. 36) 190–316, hier 204–213, 286–289 und Foto Thums’ 307; Michael Grüttner,
Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik (Studien zur Wissenschaftsund Universitätsgeschichte 6, Heidelberg 2004) 174f.
344Der Text einer Einladung 19.11.1920 in Abschnitt VI. Weitere Einladungen in AAVČR, Of HeZ, Nr.
860. Der Verein wurde 1889 gegründet und bestand zumindest bis 1939.
345Siehe Helge Zoitl, „Student kommt von Studieren!“ Zur Geschichte der sozialdemokratischen
Studentenbewegung in Wien (Wien/Zürich 1992) 320–327; Arlt, Steinherz (wie Anm. 23) 73–97;
Alena Míšková, Die Lage der Juden an der Prager Deutschen Universität, in: Judenemanzipation
– Antisemitismus – Verfolgung in Deutschland, Österreich-Ungarn, den Böhmischen Ländern und
758
Karel Hruza
Steinherz persönlich begegnen und schätzen lernen346. Zur gleichen Zeit wurde er jedoch
mit antisemitischen Tendenzen konfrontiert, wie er in seinem Brief an Hirsch vom 15.
Januar 1927 festhielt: Im Namen unseres Vereins [VGDB?] gestatte ich mir nun eine
Anfrage. Durch eine Reihe von Vorfallenheiten ist die Frage akut geworden [!], ob wir
einen eigenen Arier § einführen sollen. Nach § 4 können nur Deutsche Mitglieder werden.
In Wien ganz unmissverständlich lässt hier der Paragraph die Auslegung zu, dass Jude
= Deutscher sei. Die Absicht, in einer ausführlichen Besprechung in ausserordentlicher
Vollversammlung sich auf arische Grundlage festzulegen, habe ich entgegengehalten,
man solle nicht den Prorektor, also Steinherz, und [Arthur] Stein vor den Kopf stossen,
ohne sich von berufener Seite Rat geholt zu haben! Ich darf Herrn Professor wohl bitten, dem Verein mit einem Rat helfen zu wollen347. Hirsch warnte Zatschek und riet zur
Mäßigung: Die von Ihnen angeregte Frage des Historiker-Vereines ist derart delikat,
dass ich Sie in Ihrem Interesse dringend bitten möchte, die Hand davon zu lassen. Sie
sind ein Mann des Todes, wenn aufkommt, dass Sie dazu irgend einen Rat beigesteuert
haben. Meine persönliche Ansicht geht dahin, dass, solange Steinherz noch aktiv ist, an
diesen Dingen nicht gerührt werden soll und nachher auch dann nur, wenn gleichzeitig
auch andere Fach-Vereine eine solche Richtung einschlagen348. Zatschek und Hirsch
verstanden sich damals nicht etwa als prinzipielle Gegner eines antijüdischen Vorgehens,
sondern waren zuvorderst aus kollegialen Momenten gegenüber einer Einzelperson bemüht, antisemitische Maßnahmen nicht voranzutreiben.
Noch 1932 zeigte sich Zatschek in einem Brief an Hirsch keinesfalls als aktiver
Antisemit, wenn er über die Chancen einer Berufung Swobodas an die Deutsche
Universität Prag berichtete und auf starke antisemitische Kräfte in der Fakultät hinwies,
die Anstoß an Swobodas Gattin Kamilla, die jüdischer Abstammung war, nahmen349.
Im WS 1935/36 wurden erneut wütende studentische antisemitische Proteste organisiert, dieses Mal gegen den aus Hitlerdeutschland vertriebenen, nach Prag berufenen
Juristen Hans Kelsen350. In dieser erregten Zeit positionierte sich Zatschek eindeutig:
Als er im Oktober 1935 an Hirsch schrieb, teilte er mit, dass er trotz seines Konfliktes
mit Pfitzner gedenke, in der Fakultät mit dem arischen Flügel zu stimmen, und ihn die
verschärfte Lage nicht hindern wird, dort zu stehen, wo er seiner inneren Einstellung
in der Slowakei, hg. v. Jörg K. Hoensch u. a. (Essen 1999) 117–129, hier 121–123; aus nationalsozialistischer Perspektive Wolfram von Wolmar, Prag (wie Anm. 135) 556–566.
346Siehe Abschnitt III.
347IÖG, Archiv, NL HH.
348Hirsch an Zatschek am 29.01.1927. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Am 19.02.1927 war Zatschek mit
Mayer bei Steinherz zu einer entspannten Jause eingeladen, wie er Hirsch brieflich am 22.02. mitteilte. IÖG, Archiv, NL HH.
349Am 11.01.1932 schrieb er zu einer Besetzungfrage u. a.: Ich persönlich halte nach meiner Erfahrung
[Karl Maria] Swoboda für den besten Lehrer, den Wien in seinem Fach aufweisen kann […] dass
bei der Zusammensetzung der Fakultät mir Swobodas Frau sehr schwere Bedenken macht, darf ich
Ihnen allerdings nicht verhehlen, bin aber überzeugt, dass sie bei Ihnen gut aufgehoben sind. IÖG,
Archiv, NL HH. Swoboda wurde 1934 nach Prag berufen, während seine Frau in Wien verblieb, siehe auch Anm. 128.
350Wolfram von Wolmar, Prag (wie Anm. 135) 652.
Heinz Zatschek (1901–1965)
759
nach stehen muss351. Von Zatscheks Hand stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit ein
deutlich antisemitisches Positionspapier vom Frühjahr 1938, in dem die Berufung eines
deutschjüdischen Wissenschaftlers als Gefahr gewertet wird352. Die dargebrachten
Quellen dokumentieren, dass sich Zatscheks Antisemitismus innerhalb weniger Jahre
gesteigert hat, eine Entwicklung, die sich auch an seinen Schriften ablesen lässt.
Zatscheks Antisemitismus führt zu der Frage, zu welchem politischen Lager er seit
wann Sympathien bekundete353. Einen gewichtigen Hinweis geben zwei Briefe Heigls
an Zatschek vom Mai 1929354. Sie offenbaren Zatscheks Affinität zum völkischen
Lager: Für diese spricht das in den Briefen ausgedrückte Einvernehmen des politisch als
„Völkischer“ aktiven Heigl mit Zatschek355, die vollzogene Differenzierung der „Parteien“
in Klerikale, Juden, Nationale und Katholen und die durchscheinende Bereitschaft der
beiden, Althergekommenes respektlos und radikal, auch gegen die eigenen Lehrer, beiseite zu schieben. Bezeichnend ist auch die Erwähnung eines anonymen homo nostris
aus Deutschland, der für zwei Semester Gast am IÖG war und hinter dem sich vermutlich Konrad Josef Heilig verbirgt356. Die Wendung „einer der unseren“ kann sich nur
auf eine politische Richtung, in diesem Fall die „Völkischen“ bzw. Nationalsozialisten,
beziehen. In demselben Tenor empfahl Zatschek seine Prager Hörerin Irmgard Jung an
Hirsch und Bauer nach Wien, indem er anmerkte, dass ihr Vater ein nationalsozialistischer
Abgeordneter ist 357. Besagte Irmgard Jung war die 1912 geborene Tochter Rudolf Jungs
(1882–1945), des Vorsitzenden der „Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei“
(DNSAP), auch „Hakenkreuzler“ genannt, und Abgeordneten des tschechoslowakischen
Parlaments. Im Frühjahr 1932 gingen die tschechischen Behörden gegen die DNSAP vor,
die im November 1933 aufgelöst wurde. Rudolf Jung hatte 1932 eine Verhaftung zu befürchten, seine Immunität wurde schließlich aufgehoben und er 1934 in Haft genommen358.
351Zatschek an Hirsch am 28./29.10.1935. IÖG, Archiv, NL HH. Siehe auch Anm. 364.
352Siehe die Dekanatspapiere im Zatschek-NL AAVČR, Of HeZ, K. 17 Nr. 783. Der Prager Historiker
und Archivar Václav Vojtíšek berichtete 1966, schon in der Mitte der 1930er Jahre von einem
Betroffenen über Zatscheks Antisemitismus informiert worden zu sein: Nach einger Zeit erfuhr ich,
dass H.Z. ein Antisemit war. Als ungefähr im Jahr 1935 der außerordentlich gebildete und erfahrene
Antiquar Walter Taussig zu ihm kam und ihm für das Seminar der historischen Hilfswissenschaften
der Deutschen Universität wertvolle Publikationen zum Kauf anbot, benahm sich H.Z. dermaßen,
dass Walter Taussig, der die Welt und die Menschen kannte, zu mir kam und sein Entsetzen über seine [Zatscheks] Sitten ausdrückte. (W.T. kam während der Okkupation in ein Konzentrationslager und
wurde bei der Liquidierung der Juden ermordet). AAVČR, Ústřední archiv ČSAV 63/74, Vojtíšek
an Gerda Blaschej 25.03.1966, 16.
353Bei dieser Frage gehe ich davon aus, dass beim damaligen Verbreitungsgrad des Antisemitismus entsprechende Äußerungen nicht per se einem politischen Lager zuzuordnen sind.
354Siehe den Druck in Abschnitt VII, Nr. 2 und 3.
355Siehe dazu ausführlich den Beitrag zu Heigl in diesem Band.
356Der homo nostris soll gemäß Heigl aus Freiburg i.Br. gekommen sein, wo Heilig vor seinem Wiener
IÖG-Aufenthalt studiert hat. Ausschlaggebend ist auch, dass Heilig 1934 den österreichischen
Behörden als Nationalsozialist auffällig wurde; Hirsch hat ihn nachfolgend protegiert, siehe undeutlich Stoy, Institut (wie Anm. 13) 102 und 320.
357Brief Zatscheks vom 10.06. an Hirsch und dessen Antwort vom 19.06.1932. IÖG, Archiv, NL HH.
Ähnlich Zatschek an Bauer. ÖAW Archiv, NL WB K. 8.
358Zu ihm und seinem Einfluss auf die Entstehung nationalsozialistischen Gedankengutes siehe Wladika,
760
Karel Hruza
Möglicherweise wollte er seine Tochter wegen der für ihn „gefährlichen“ Situation in das
sichere Österreich bringen. Irmgard Jung nahm jedenfalls am 38. IÖG-Kurs 1931–1933
teil, ohne jedoch die Abschlussprüfung zu absolvieren und IÖG-Mitglied zu werden359.
Sie ehelichte ihren Kurskollegen Walter Wache aus Wien und promovierte im April
1935 in Prag bei Zatschek und Wostry360.
Die im Grunde belanglose und im akademischen Leben alltägliche Bitte um
Unterstützung eines Schülers hat in diesem Fall einen für Zatschek und Hirsch bezeichnenden Aspekt: Beide wussten 1932 ganz genau, um wen es sich bei Irmgard Jung
gehandelt hat, da ihr Vater als Nationalsozialist der ersten Stunde in der ČSR und auch
in Österreich den entsprechenden Ruf genoss. Für beide gab es keine Berührungsängste,
sondern sogar die politische und moralische „Notwendigkeit“, die Tochter eines solchen Nationalsozialisten zu unterstützen, die zudem anscheinend zu denselben politischen Ansichten neigte.
In diesen Bereich gehört auch Zatscheks problematisches Verhältnis zum sudetendeutschen Historiker Pfitzner, den ebenfalls eine Vertrautheit mit Hirsch verband, bei
dem dieser 1923/24 promoviert hatte. Früher als Zatschek radikalisierte sich Pfitzner
politisch und trug rassistische Elemente in seine Arbeiten hinein361. Zatschek schloss
Vätergeneration (wie Anm. 12) 516–624, 633–634 (Kurzbiografie); dazu auch Andreas Luh, Die
Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei im Sudetenland: völkische Arbeiterpartei und faschistische Bewegung, in: Bohemia. Zs. für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 32 (1991)
23–38, und Antonín Klimek, Velké dějiny zemí Koruny české 14 1929–1938 [Große Geschichte
der Böhmischen Länder 14 1929–1938] (Praha/Litomyšl 2002) 155–158, 210–214, 262–269, 432f.,
155 Fotografie Rudolf Jungs beim Hitlergruß in Uniform bei einem Aufmarsch in Falkenau a. d.
Eger (Falknov/Sokolov) 1930. 1935 gelang Jung die Flucht nach Deutschland, wo er – als alter
„Duzfreund“ Hitlers von diesem befördert und ausgezeichnet – zunächst als Dozent und Professor
in Berlin tätig war. Von Hitler persönlich wurde er 1939 als Rektor der Prager Universität ins Spiel
gebracht, kehrte aber erst 1944 nach Prag zurück, wo er gemäß Pfitzner für eine Leitungsfunktion in
der RHS im Gespräch war, dazu siehe Míšková, Šustek, Pfitzner (wie Anm. 201)135 und 222.
359Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 149, der sie als Mitglied anführt; Lhotsky, Geschichte des
Instituts (wie Anm. 15) 387.
360Ihr Thema war „Die Meerengenfrage 1908–1914“. Siehe Disertace pražské university 1882–1945
(wie Anm. 24) 92. Wache, der 1933 bei Hirsch promoviert hatte, wandte sich der Neuzeit zu und
verzog, um in Österreich Repressalien als Nationalsozialist zu entgehen, nach Prag, das er wegen
seiner politischen Gesinnung ebenfalls verlassen musste. Er ist Verfasser der vulgär-antisemitischen Hetzschrift: Walter Wache, Judenfibel. Was jeder vom Weltjudentum wissen muß! (Leipzig
1936). 1938 wurde er in Köln habilitiert, wo er 1943 zum außerplanmäßigen Professor für Neuere
Geschichte ernannt werden sollte, wofür Zatschek um ein entsprechendes Gutachten gebeten wurde. Schreiben der Universität Köln an Zatschek vom 08.03.1943. AAVČR, Of HeZ, Nr. 583. Mit
Wache verband Hirsch zudem „ein besonders herzliches Verhältnis“, wie Appelt, Kurskollege des
Ehepaares Wache, bemerkte, siehe Heinrich Appelt, Walter Wache †, in: MIÖG 60 (1952) 507f.
Zu Wache siehe auch Santifaller, Institut (wie Anm. 15) 149; Lhotsky, Geschichte des Instituts
(wie Anm. 15) 387; Fellner, Corradini, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 6) 433. Verharmlosend
sind die Ausführungen zu Wache bei Stoy, Institut (wie Anm. 13), siehe die Nennungen gemäß
Register.
361Sehr ausgeprägt etwa in dem Hirsch in gesamtdeutscher Verbundenheit dankbarst gewidmeten
Buch: Josef Pfitzner, Kaiser Karl IV. (Potsdam 1938). Zu Pfitzner siehe den völlig apologetischen
Nachruf: Emil Franzel, Josef Pfitzner (1901–1945), in: ZfO 4 (1955) 106–108, sowie Weber,
Lexikon (wie Anm. 6) 438f; Frank Hadler, Vojtěch Šustek, Josef Pfitzner (1901–1945) Historiker.
Heinz Zatschek (1901–1965)
761
1926 in Prag mit Pfitzner Freundschaft, die jedoch nach wenigen Monaten zerbrach und
in Feindseligkeit mündete362. Die eigentliche Ursache dürfte der ungestüme Karrierismus
beider und daraus erwachsene Konkurrenz gewesen sein363. Dabei gingen wohl beide
recht massiv gegeneinander vor. Genügend Anlass boten 1929/30 die Besetzungen der
Lehrstühle Redlich in Wien und Mayer in Prag sowie die Anwartschaft Pfitzners auf
einen dortigen Osteuropalehrstuhl. Als Ratgeber und Schiedsrichter wurde von beiden
Kontrahenten der gemeinsame Lehrer Hirsch angerufen, der stets um Ausgleich bemüht war, ohne den Konflikt wirklich bereinigen zu können, und auch Gierach wurde
involviert364. Erst als Pfitzner 1938/39 in die Politik wechselte, konnten sich die beiden
Geschichtsprofessor und Geschichtspolitiker, in: Prager Professoren 1938–1948 (wie Anm. 23)
105–135; Míšková, Šustek, Pfitzner (wie Anm. 201) 8–38, zu Pfitzner-Zatschek jetzt auch Kolář,
Brutstätte (wie Anm. 65) 121f., nicht überzeugend ist Stoy, Institut (wie Anm. 13) 223–227.
362Am 11.11.1926 schrieb Pfitzner an Hirsch u. a.: Gottlob haben Sie in weiser Voraussicht in Zatschek einen Menschen nach Prag gesetzt, mit dem man wahrlich auskommen kann. Wir sind in der Zwischenzeit,
so kurz sie auch war, doch dicke Freunde und Duzbrüder geworden, die sich durch das gemeinsame geistige Vaterhaupt fest verbunden fühlen. Schon manche schöne Stunde haben wir in lauschigen,
feuchtfröhlichen Ecken und Winkeln Prags verbracht und, hätten wir nicht beide so Hochbetrieb, dann
wäre uns sauwohl. IÖG, Archiv, NL HH (freundlicher Hinweis von Andreas Zajic). Am 01.11.1926
hatte Zatschek Hirsch u. a. mitgeteilt: Was schliesslich die Befürchtung betrifft, ich könnte mich mit
Pfitzner nicht vertragen, so darf ich auch hier berichten, dass wir bereits Freundschaft geschlossen haben. […] Ich habe Zeit, ich habe Geld und einen Freund [Pfitzner?], mit dem ich zusammen dem Leben
auch die heitere Seite abzugewinnen versuche. Ebd. Bald darauf muss es zum Bruch gekommen sein,
denn am 25.04.1927 bot Pfitzner Zatschek brieflich die Versöhnung an und erwähnte, über Zatscheks
Verbitterung von Hirsch erfahren zu haben. AAVČR, Of HeZ, Nr. 323.
363Pfitzner über Zatschek an Hirsch am 16.06.1929: Die Ernennung [zum Extraordinarius] hat ihn so
stolz gemacht, dass er mit Dozenten, auch wenn sie 15 jahre älter sind als er, nur von oben herab
spricht. IÖG, Archiv, NL HH.
364Pfitzner an Hirsch am 30.09.1935: Die Versöhnung mit Zatschek liegt mir natürlich sehr am Herzen.
Er schreibt mir, dass es ihm nun bedeutend besser geht […]. Umso leichter wird mit ihm zu verhandeln sein. Zatschek an Hirsch am 13.10.: Das unbedingte Vertrauen, das ich im Hinblick auf eine
gütliche Regelung bei Ihnen gehabt hätte, geht mir bei Prof. Gierach vollkommen ab. Ich hoffe aber,
dass die Dinge in Bälde bereinigt sein werden, im Interesse der sudetendeutschen Forschung wäre
es jedenfalls hoch an der Zeit. IÖG, Archiv, NL HH. Hirsch an Zatschek am 25.10.: Die Versöhnung
mit Pfitzner betreffend und zu den Bemühungen Gierachs möchte ich sagen, dass Sie möglichstes
Entgegenkommen zeigen sollten. Es besteht sonst wirklich die Gefahr, dass der arisch-deutsche
Flügel der Fakultät uneins wird und den Gegnern keine siegreiche Schlacht mehr liefern kann. Dass
die Angelegenheit nicht ganz leicht ist im Hinblick auf Pfitzner, gebe ich gerne zu […]. Ebd. und
AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Wohl mit einigen Intrigen wollte Pfitzner erreichen, dass Zatschek in der
Lehre eingeschränkt werde. Die Seminarabhaltung wurde Zatschek, zumindest zeitweise, im Herbst
1935 tatsächlich abgenommen, wie Zatschek am 28.10. Hirsch berichtete: Obwohl Pfitzner schon
im Mai gewusst haben muss, dass ich zu einer Aussöhnung bereit sei, hat ihn das gar nicht gehindert, alles in Bewegung zu setzen, um mir die Leitung des Proseminars und eines Seminars unmöglich zu machen, da er, wie auch Prof. Gierach zugegeben hat, nicht verträgt, dass ich etwas habe,
was er nicht hat. […] Inzwischen hat [Friedrich] Slottys Wühlen am Ministerium den Erfolg gehabt,
dass mir mein mittelalterliches Seminar überhaupt weggenommen wurde […]. Ob das Seminar in
irgend einer Form zu retten sein wird, weiss ich nicht. Wie die Dinge augenblicklich stehen, verliere ich Jahr für Jahr 4000 Kč und alle Dissertanten, da ich ja nur die Anfänger ausbilden soll.
[…] Pfitzner hat mit seinem hemmungslosen Egoismus erreicht, dass ein deutscher Kollege auf das
schwerste geschädigt wurde, hat die Fakultät um ein Seminar gebracht […]. Pfitzner hat wieder
einmal bewiesen, dass ihm jedes Gefühl für das mögliche und erreichbare vollkommen abgeht. Ich
762
Karel Hruza
vermehrt aus dem Weg gehen. 1937 charakterisierte Hirsch die beiden Streithähne und
die Situation in Prag wohl recht treffend und deutete auch die politische Dimension des
„privaten“ Konflikts an, der ihn zudem zu einer kritischeren Meinung über Zatschek
bewegte365. Als „Sieger“ aus dem Streit unter den völkisch-gesinnten Historikern Pfitzner
und Zatschek ging zunächst dessen Kurskollege Oberdorffer hervor.
Zatscheks wachsendes politisches Engagement schlug sich auch in seiner Sicht
auf die strenge Wissenschaft nieder. Als er 1936 Hirsch über seine Auslastung an der
Universität und über seine zeitraubenden Ausbildungskurse für Lehrer berichtete,
fügte er hinzu: Angeblich verfüge ich über eine pädagogische Ader und bin aus dem
Grund herangezogen worden. […] Bei 17 Wochenstunden müssen die Monumenta
eben zurücktreten. [Wilhelm] Engel wird einsehen müssen, dass vor einer nationalen Aufgabe alles andere zurückzustehen hat366. So überrascht es auch nicht, dass
Zatschek im Zuge der Radikalisierung der Sudetendeutschen im April 1938 in Konrad
Henleins bereits auf NSDAP-Kurs agierende SdP eintrat (Nr. 1329947), oder dass er
im Mai dieses Jahres von der studentischen „Deutschen Jungmannschaft Prag“ gebeten
stelle fest, dass durch sein Vorgehen […] eine Bereinigung der Spannungen unmöglich geworden ist,
dass die Schuld daran einseitig Pfitzner trifft und dass meine Geduld, mit der ich durch Jahre sein
Benehmen gegen mich ertragen habe, erschöpft ist. IÖG, Archiv, NL HH. Hirsch an Zatschek am
07.11.: Ich habe schon während meiner Prager Wirksamkeit immer den Standpunkt vertreten, dass
die Historiker zu viel Seminar halten. Tatsächlich wird an Seminaren in Prag soviel geboten, wie in
Wien, was angesichts der verschiedenen Hörerzahl sehr zu beachten ist. Natürlich heisst das nicht,
dass man Ihnen das Seminar mit Recht wegnehmen sollte und andrerseits verstehe ich auch, dass
Sie das Proseminar nicht aus der Hand geben wollen. Sie sind nach meiner Beobachtung derzeit die
stärkste Lehrkraft auf dem Gebiet der mittleren und neueren Geschichte und dürfen verlangen, dass
man diesen Tatbestand respektiert. Der Weg, der gewählt wurde, um Ihnen das Seminar zu nehmen,
war keinesfalls der richtige. Es kann sich nur darum handeln, dass die Herren über einen Turnus
sich beraten, innerhalb dessen sie der Reihe nach drankommen […]. Dass man einfach von Ihnen
dieses Opfer verlangt, während die Uebrigen alle Seminar haben, ist nicht recht. Ich bedaure, dass
dadurch die guten Absichten Anderer, nun endlich Frieden zu stiften, für einige Zeit vereitelt wurden.
Ebd. und AAVČR, Of HeZ, Nr. 188. Schließlich Zatschek an Hirsch am 16.02.1938: Dass Pfitzner
und ich nicht mehr mit geschwungenen Keulen aufeinander losgehen, werde Sie vermutlich schon
erfahren haben. IÖG, Archiv, NL HH.
365Hirsch am 11.05.1937 an Gierach: Überhaupt sind durch Dein Scheiden aus Prag in Prag Verhältnisse
herrschend geworden, die es unserer F.G. [SODFG] sehr schwer machen, die Zusammenarbeit
jeweils zu sichern. Pfitzner, wenig beliebt, und mit allen möglichen anderen Dingen beschäftigt,
nicht immer wählerisch in der Wahl seiner Mittel, auf der anderen Seite Zatschek, immer auf seinen
Vorteil lauernd und auch nicht immer erfreulich, Schwarz überhaupt unmöglich und Swoboda unmöglich gemacht, da Schwarz in Berlin über seine Frau herumgeredet hat, so bleibt also eigentlich
nur Weizsäcker übrig, den ich am wenigsten kenne. Unter diesen Verhältnissen ist nun tatsächlich
das Unglaubliche möglich geworden, daß nämlich Oberdorffer eigentlich einen größeren Einfluß
hat und als Verbindungsmann mit Berlin auch viel mehr eingeschätzt wird als alle Prager zusammen. Am 17.03.1938 erwähnte Hirsch gegenüber Stengel die Spannung, die zwischen ihm selbst und
Zatschek bestanden hat und: Der Grund für die Wiederherstellung der guten Beziehungen [HirschZatschek] ist die Versöhnung zwischen den zwei feindlichen Brüdern Z. und Pfitzner, die wir alle, die
wir mit den sudetendeutschen Gelehrten zu arbeiten haben, als ein nicht geringes Hemmnis empfinden mussten. IÖG, Archiv, NL HH. Zu Oberdorffers politischer „Führung“ 1938 siehe auch Hruza,
Wissenschaftliches Rüstzeug (wie Anm. 23) 507.
366Brief vom 06.11.1936. IÖG, Archiv, NL HH.
Heinz Zatschek (1901–1965)
763
wurde, in deren Arbeits-und Schulungslager im Juli über Die geistigen Grundlagen
unserer Weltanschauung vorzutragen367. Eine Bewährungsprobe für seine politische
Standfestigkeit trat im Zuge der von Hitler und Henlein erzwungenen „Sudetenkrise“
im Herbst 1938 ein. Zusammen mit anderen deutschen Professoren verweigerte er
als Beamter eine Loyalitätserklärung gegenüber der ČSR und „flüchtete“ am 20.
September nach Wien. Als Institutsmitglied „arbeitete“ er im IÖG und bat Hirsch,
dem gleichfalls „geflüchteten“ Weizsäcker einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen368. Zatschek und Weizsäcker waren unermüdlich im Sinn der SdP als (auch disziplinierende) Organisatoren der böhmischen „Flüchtlinge“ tätig und hielten Kontakt zu
Gesinnungsgenossen in Prag, zu nationalsozialistischen Stellen im „Altreich“ und zum
Rektorat der gleichgeschalteten Universität Wien. Neben der aktuellen internationalen
politischen Entwicklung, die schließlich im Diktat von München vom 30. September
gipfelte, wurde von Zatschek und Weizsäcker eine Frage eingehend und „heiß“ diskutiert: Die Zukunft der Deutschen Universität in Prag und deren mögliche Verlegung
ins „Sudetenland“ nach Reichenberg. Darüber formulierten sie am 27. September
1938 eine Anschauung über die Zukunft der Universität und forderten die Verlegung
der ältesten deutschen Universität nach Reichenberg369. Die Prager Lehrenden, die
gemäß dem Diktat in der ČSR verbleiben sollten, während das „Sudetenland“ an das
Dritte Reich abzutreten war, wurden von der Sorge erfasst, im überwiegend tschechischen Prag nicht nur von ihrem Hinterland getrennt zu werden, sondern vor allem
nicht „Heim ins Reich“ gelangen zu können. Wenn das Reich nicht zu ihnen kam, so
wollten sie eben zum Reich kommen.
367Zur SdP-Mitgliedschaft, die auch Hilde Zatschek bekleidete, siehe AMVČR, 10-P-75. Zu den
Vorträgen den Brief der Jungmannschaft an Zatschek vom 30. Wonnemond 1938 u. a.: Durch die
Ereignisse der letzten Tage auf Hochschulboden ist unsere Gemeinschaft so gewachsen, dass eine
Erfassung aller Kräfte, sowie ein voller Einsatz im Wintersemester, nur durch das Erlebnis und die
straffe Zucht dieses Lagers gewährleistet ist. Wir sind uns bewusst, dass neben der mannschaftlichen
Erziehung vor allem die geistige Ausrichtung stehen muss. Wir haben in unserem Schulungslager
auch das Thema: „Die geistigen Grundlagen unserer Weltanschauung“, vorgesehen, und erlauben
uns mit der Bitte an Sie heranzutreten, zu uns über dieses Gebiet zu sprechen. […] Mit deutschem
Gruss […]. AAVČR, Of HeZ, Nr. 508.
368Zur Absetzbewegung der sudetendeutschen Professoren siehe grundlegend Věra Vomáčková,
Německá universita v Praze mezi Mnichovem a 15. březnem 1939 [Die Deutsche Universiät
in Prag zwischen München und dem 15. März 1939], in: Acta Universitatis Carolinae – Historia
Universitatis Carolinae Pragensis 15/1 (1963) 3–19; zuletzt Alena Míšková, Deutsche Professoren
aus den böhmischen Ländern. „Flüchtlinge“ in der Zeit vor und nach den Münchner Verhandlungen,
in: Prager Professoren (wie Anm. 23) 27–43, allein nach UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38
Akad. Senat. Einige dieser Akten aus Weizsäckers Prager Aufenthalt 1938 und andere befinden sich
(auch) in AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker, Nr. 131. Aus einem ebd. enthaltenen Verzeichnis der
am 4. Oktober 1938 anwesenden bzw. abwesenden Professoren in Prag geht hervor, dass als einzige die Professoren der Philosophischen Fakultät mehrheitlich „geflohen“ waren, darunter Becking,
Herbert Cysarz, Ernstberger, Gesemann, Grohmann, Pirchan, Schneeweis, Schwarz, Swoboda und
Wostry. Zatschek teilte am 26.09.1938 dem Wiener Universitätsrektor seinen Fluchttermin und seine
Verweigerung der Unterzeichnung mit, siehe UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat,
Nr. 3. Ebd, Nr. 77 vom 09.11.1938 zu Weizsäckers Aufenthalt am IÖG.
369Míšková, Professoren (wie Anm. 368) 30. Neben Zatschek und Weizsäcker waren beteiligt: Arnulf
Perger, Erich Spengler und Swoboda.
764
Karel Hruza
Von Wien aus fuhr Zatschek Anfang Oktober nach München, um andere „Flüchtlinge“
wie den Theaterwissenschaftler Arnulf Perger, oder die Mediziner Otto Grosser und Karl
Amersbach zu treffen370. Kaum war Zatschek wieder abgereist, schrieb ihm Perger
am 6. Oktober u. a.: […] unsere gestern geäusserten Wünsche wurden heute in konkrete Durchführungsplanung gefasst. Dozentenführer versprach einerseits durch einen
Mittelsmann Verbindung mit dem Stellvertreter des Führers [Rudolf Heß] anzubahnen
und hat hiezu bereits Schritte unternommen […]371. Am 7. Oktober berichtete Perger aus
München und tags darauf aus Berlin wieder über neueste Ereignisse: Es schien, als konnten und wollten die „Flüchtlinge“ in der hohen Politik mitspielen und dass das Vorhaben
in Reichenberg verwirklicht werden könnte372. Am 6. Oktober hatte der „Flüchtling“
Laufke im Auftrage des Kulturbeauftragten der Sudetendeutschen Partei Zatschek aus
Berlin mitgeteilt, dass ein Dienstantritt in Prag, wie vom dortigen Rektor gefordert, verboten sei373. In Wien kam Zatschek sogleich am 8. Oktober mit seinen „Fluchtkollegen“,
dem Wiener Rektor Fritz Knoll und dem Gaudozentenbundsführer Marchet zu einer
Sitzung zusammen. Am 13. Oktober arbeitete er gemeinsam mit Weizsäcker einen
Fragenkatalog zu einer Rückkehr nach Prag schriftlich aus, der an Knoll weitergeleitet
wurde. Der Text offenbart Menschenverachtung und Antisemitismus374. Zatschek unterhielt auch Kontakte direkt zu Berliner NSDAP-Stellen und sollte am 5. November in
die Reichshauptstadt fahren, ein Vorhaben das nicht mehr verwirklicht wurde375.
370Zatschek an seine Frau am 05.10.1938. AAVČR, Of HiZ, Nr. 26.
371AAVČR, Of HeZ, Nr. 584, und Abschrift in: UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat,
Nr. 30.
372Perger schrieb am 07.10.1938 an den Dekan Zatschek: […] Losung: Nicht mehr in Prag amtieren!
Neue Universität wird möglicherweise am 1. Dez(ember) prov(isorsch) in Reichenberg eröffnet werden. Ein Verzeichnis der deutschen Universitätsinstitute wird nächstens zusammengestellt. Unsere
Forderungen, auch betreffs der Universitätsbibliothek, werden der in Berlin tagenden Internationalen
Kommission überreicht. […] Abschriften in: AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker, Nr. 131; UAW,
Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38, Akad. Senat, Nr. 35. Die Planungen für die Universitätsverlegung
wären eine eigene Studie wert.
373Brief Laufkes vom 06.10.1938 an Zatschek. UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38, Akad. Senat,
Nr. 29. Siehe auch Míšková, Professoren (wie Anm. 368) 35.
374Ebd. 38. Ausgearbeitet wurde ein Konzept über Fragen zu Verhaltensgrundsätzen der sudetendeutschen Professoren, UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad. Senat, Nr. 43, handschriftlicher
Text von Weizsäcker, von diesem und Zatschek unterschrieben: [Nachträgliche Überschrift von anderer Hand, evt. Knoll?:] Forderungen für eine allfällige Rückkehr ins tschechische Gebiet [:] 1.
Schriftliche Weisung über Rückkehr. 2. Ist von der tschechischen Universitätsverwaltung Gehalt
entgegenzunehmen und Amtseid zu erneuern? 3. Kehren wir als tschechoslow(akische) oder als
Reichsangehörige zurück? 4. Wenn wir tschechoslow(akische) Staatsbürger bleiben, wie wird uns die
Möglichkeit, gegebenenfalls ins Reich zurückzukehren, gesichert? 5. Welche Sicherungen bestehen
dagegen, dass die militärpflichtigen Hochschullehrer wegen Desertion verfolgt werden? Wie steht
es insbes(ondere) mit denen, die aktiven Dienst im [sudetendeutschen] Freikorps geleistet haben? 6.
Wie hat man sich gegenüber den vielen Juden und Demokraten zu verhalten, die noch als „Kollegen“
an der deutschen Universität sind? 7. Wie verhält es sich mit denjenigen Assistenten, Dozenten usw.,
die durch die Besetzung der sudetend(eutschen) Gebiete die Reichsangehörigkeit erlangt haben?
Sollen auch diese antreten? Wien, 13/10 1938[,] W. Weizsäcker H. Zatschek [Aktenvermerk Knolls:]
Ist überholt! 14. X. 38 Kn(oll).
375Schreiben der NSDAP-Reichsleitung, Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP, Amt Wissenschaft, vom 31.10.1938 an Zatschek. AAVČR,
Heinz Zatschek (1901–1965)
765
Nach mehreren Wochen „Exil“ in Wien kehrte Zatschek – nachdem der
Reichsdozentenbund in München seine Erlaubnis mitgeteilt hatte – wie viele der
anderen „Flüchtlinge“ am 3. November nach Prag an seinen Arbeitsplatz zurück.
Dort wurden die Reichenberg-Aktivitäten freilich weitergeführt: Vermutlich unter
führender Teilnahme Weizsäckers wurde Mitte November eine Denkschrift verfasst,
mit der Lehrende und Angestellte der Deutschen Universität Prag erklärten, dass sie
freudig bereit sind, für Führer und Volk alle ihre Kräfte einzusetzen und zugleich die
Verlegung der sudetendeutschen Hochschulen in das Deutsche Reich, in das abgetretene „Sudetenland“ forderten. 49 Lehrende – unter ihnen fehlt Zatschek – haben die
Erklärung unterschrieben376. Auch wenn der Text aus taktischen Gründen besonders
direkt und auch überzogen formuliert wurde, demonstriert er doch eindringlich, mit
welcher Energie die Lehrenden sich Hitlerdeutschland anschließen wollten und welchen
tiefen, geradezu unüberbrückbaren Graben sie zwischen sich und der tschechischen
Bevölkerung zogen. Er gehört aber ebenfalls zu den frühesten unzweifelhaften und
traurigen Belegen für eine Geisteshaltung, welche die Schritt für Schritt mit erheblicher
Selbstmobilisierung vollzogene Gleichschaltung der Prager Deutschen Universität
noch vor dem März 1939 bestimmte. Die Reichenberger-Prager Karls-Universität kam
jedoch über einige vorschnelle Planungen auf dem Papier nicht hinaus: Ihr „Dasein“
endete abrupt, als Hitler am 14. November „entschied“, dass die Deutsche Universität
Prag an ihrem nunmehr in der „Resttschechei“ liegenden Stammort belassen werden soll377. Zatscheks Auftritt in Wien hatte aber manifestiert, dass er sich zu einem
überzeugten aktiven Nationalsozialisten gewandelt hatte, der vorbehaltlos der Linie
der SdP und NSDAP folgte und zu „vorauseilendem Gehorsam“ bereit war. Seinem
Lehrer Hirsch kann das nicht entgangen sein. Einen Tag nach seinem 60. Geburtstag
schrieb er im Dezember 1938 an den ehemaligen Schüler: Ihnen aber wünsche ich,
dass Ihre Arbeiten, die Sie hocherfreulicherweise auf die Bedürfnisse des deutschen
Landes, dem Sie jetzt angehören, eingestellt haben, weiter wie bisher gedeihen und
Sie Ihre Schüler heranbilden, wie Sie das im Wiener Institut gesehen haben. […]
Of HeZ, Nr. 567. – Zu den Lehrenden der beiden Prager Universitäten, die vertrieben, eingesperrt
und auch ermordert wurden siehe Rudolf M. Wlaschek, Die Opfer des Nationalsozialismus unter
den Professoren der Prager Universitäten, in: Universitäten in nationaler Konkurrenz (wie Anm. 65)
195–205.
376Siehe die vermutlich am 14. November 1938 verfasste Denkschrift in Abschnitt VII, Nr. 4. Das
Fehlen von Zatscheks Unterschrift könnte mit dem Umstand erklärt werden, dass das Papier, bevor er unterschreiben wollte/sollte, durch Hitlers überraschende Entscheidung plötzlich überflüssig
wurde. Allerdings gelangte eine Abschrift (ohne die Unterschriftenliste) bis in die Berliner NSDAPKanzlei.
377Míšková, Professoren (wie Anm. 368) 42f., und UAW, Rektoratsakten Nr. 1310, 1937/38 Akad.
Senat, Nr. 83, interne Kundmachung Knolls vom 18.11.1938 gemäß eines an ihn ergangenen
Telegramms vom 17.11.: […] dass der Führer und Reichskanzler am 14.11.1938 entschieden hat,
dass keine Verlegung der deutschen Hochschulen im Tschechoslowakischen Staat erfolgt. Simon,
Wissenschaftspolitik (wie Anm. 31) 31f. Dokument 7, druckt einen dahin lautenden Brief Walther
Schultzes an Hans Heinrich Lammers vom 19.11.1938 ab. Der „Optimist“ Weizsäcker hatte bereits
zum 01.12.1938 eine Wohnung in Reichenberg gemietet, wie er am 09.11.1938 Knoll mitteilte, siehe
ebd. Nr. 77.
766
Karel Hruza
Einstweilen mag Ihnen der Gedanke, der grauen Generation angehören zu dürfen, die
die altehrwürdige Hochschule in einem bedeutungsvollen Stadium ihres Bestandes zu
vertreten hat, Stolz und Freude bereiten378.
Die Sorgen der deutschen Lehrenden in Prag um ihre „Heimkehr“ ins Reich dauerten nur bis zum März 1939. Dann rückte die deutsche Wehrmacht in die noch unbesetzten Teile Böhmens und Mährens ein und das gleichnamige Protektorat wurde
errichtet. Die Anpassung an die neuen und erwünschten Verhältnisse geschah schnell:
Als SdP-Mitglied wurde der neue Reichsbürger Zatschek am 1. April 1939 zunächst
als Parteianwärter in die NSDAP überführt (Nr. 7077889), ein Weg, den auch seine
Frau Hilde einschlug (NSDAP-Nr. 7077890)379. Im Juni 1940 wurde er schließlich
vollwertiges Parteimitglied380. Wie andere Reichsdeutsche beendete Zatschek nunmehr
seine Briefe fast durchgehend mit „Heil Hitler!“ und militarisierte dem offiziellen
Trend folgend seine Sprache, vor allem nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges381.
Doch er entwickelte auch weitergehende Aktivitäten, die über eine gewollte oder
ungewollte Pflichterfüllung hinausgingen382.
Abb. 44: Heinz Zatschek bei seiner Rede am 04.12.1940
378Brief Hirschs vom 28.12.1938. AAVČR, Of HeZ, Nr. 188.
379BAB, (ehem. BCD), PK HeZ. Als sein Fachgebiet gab Zatschek im Fragebogen der NSDAP an:
Mittlere Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Volkstumsforschung in Böhmen und Mähren.
Ähnlich ebd. R 31/708 HeZ, Personalkarte. Dort auch der Eintrag, dass Zatschek Mitglied der
Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt e.V. war. Siehe auch AMVČR, 10-P-75.
380WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. Er gehörte der NSDAP-Ortsgruppe Nr. 1054
Prager Neustadt an.
381An Hirsch schrieb er etwa am 12.01.1940 u. a.: Jetzt ist es ja Pflicht, dass man im Hinterland alle
Kräfte einsetzt, wenn man nicht an die Front kommt. IÖG, Archiv, NL HH.
382Siehe dazu auch Abschnitt III.
Heinz Zatschek (1901–1965)
767
Am 4. Dezember 1940 hielt Zatschek aus Anlass der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Universitätsbund Prag an K. H. Frank im großen Hörsaal des „Hauses der
deutschen Hochschulen“ unter einem von zwei mächtigen Hakenkreuzflaggen flankierten Porträt Hitlers den Vortrag Die deutsche Karls-Universität in der Vergangenheit und in der Gegenwart383. Das Thema wiederholte er bei einem „Festvortrag“
im Februar 1941, als der „Prager Universitätsbund im Sudetengau seine Tätigkeit“
in Reichenberg aufnahm, wobei dem anwesenden Gauleiter Henlein die Ehrenmitgliedschaft verliehen wurde384. Zatschek dürfte als Historiker und begabter Redner im
Sinn des NS-Regimes eine gewisse Bekanntheit erlangt haben, denn noch im gleichen
Monat erhielt er eine Anfrage von Ekkehart Staritz vom Hauptschulungsamt der NSDAP in München: dieser hatte beim Gauschulungsamt der Gauleitung Sudetenland
nach Parteigenossen angefragt, die als Nationalsozialisten und Wissenschaftler in
der Lage sind, erforderlichenfalls dem Hauptschulungsamt als ehrenamtliche Berater
oder Vortragende zur Verfügung zu stehen. Der angefragte Vertreter der Gauleitung
schlug Zatschek vor, und nachfolgend fragte Staritz diesen um die Bekanntgabe seiner
Bereitwilligkeit, nötigenfalls zur Verfügung zu stehen385. Ein beliebter Redner war
Zatschek 1939 auch bei den „Parole-Abenden“ der von der „Deutschen Arbeitsfront
– NS Gemeinschaft Kraft durch Freude“ getragenen „Volksbildungsstätte Dresden“.
Dort trug er zum Thema Deutsche Sendung und deutscher Kampf in den Ländern
Böhmen und Mähren vor. Bei der „Deutschen Volksbildungsstätte Prag“ saß er im
Beirat, Vortrags-Anfragen kamen ebenfalls aus dem Vogtland oder aus dem „Sudetengau“386.
Seit dem Juli 1940 war Zatschek bei der deutschen Luftwaffe im Bereich
„Wehrbetreuung – Vortragsdienst“ als „Luftgau-Redner“ angemeldet. Eine einmonatige Vortragsreise zum „Luftgau Westfrankreich“ im November/Dezember kam
nicht zustande, dafür aber eine Vortragsreihe für das „Luftgaukommando XVII, Wien“,
vom 18. bis zum 24. Januar 1941, die Zatschek nach Wien, Brünn, Wischau (Vyškov),
Olmütz (Olomouc) und Mährisch-Ostrau (Ostrava) führte, wo er über Englische
Geschichte, Deutsche Geschichte und Ostfragen referierte387. Über den Tenor seiner Vorträge bemerkte er: Ich zeigte, unter welchen Umständen schon früher einmal
Deutschland die Führerstellung [!] in Europa erlangt hatte und wie diese unter tätigem
383Siehe das Schreiben des Rektors Saure vom 30.11.1940 an die Lehrenden. AAVČR, Of HeZ, Nr.
511. Im Einladungsschreiben des Universitätsbundes vom 13.11.1940 war für den gleichlautenden
Festvortrag Wostry vorgesehen, der möglicherweise aus Krankheitsgründen abgesagt haben könnte.
Ebd. Nr. 633. Das „Haus der deutschen Hochschulen“ befand sich in Prag I, Smetanaplatz 2.
384Nach einem ausgeschnittenen Zeitungsartikel „Universität und Volkstumskampf. Arbeitsbeginn
des Universitätsbundes Prag im Sudetengau“ vom 05.(?)02.1941, in: ÖStA, KA, B 1200:4, ohne
Nennung der Zeitung. Vor Zatschek sprachen Rektor Saure und Henlein.
385Siehe die Abbildung des Briefes vom 16.12.1940 bei Míšková, „Arisierung“ (wie Anm. 130)
101. Im ebd. angegebenen Archivbestand „AAVČR, Of HeZ“ ist der Brief nicht mehr vorhanden
(vermutlich ehedem in Nr. 567), ebenso fehlt die ebd. 99 reproduzierte Fotografie Zatscheks mit
Parteiabzeichen.
386Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 498–501.
387Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 572 und Nr. 795, und Zatscheks Briefe und Postkarten an seine Frau
vom 18.–25.01.1941. Ebd., Of HiZ, Nr. 26.
768
Karel Hruza
Anteil Englands verloren ging388. Im September und Oktober 1941 war Zatschek 31
Tage für das „Luftgaukommando Norwegen“ unterwegs und hielt 24 Vorträge vor
Wehrmachtsangehörigen. In seinem Bericht konnte er melden: Die Kommandanten
wünschten aber fast ausnahmslos den Vortrag „England und das Reich“ zu hören.
Seinen Zuhörern hatte er unter anderem postuliert, dass es in diesem Krieg darum
geht, zu verhindern, dass England […] den Versuch unternimmt, das Reich um die
Führung in Europa zu bringen389.
Im Januar 1942 wurde angefragt, ob er für das „Luftgaukommando Rostow“ im
Februar und März eine drei- bis vierwöchige Vortragsreise über Ostfragen übernehmen
wolle. Zatschek sagte ab390, begab sich jedoch im Oktober und November zu zwölf
Vorträgen nach Schlesien bzw. ins Generalgouvernement zum „Luftgaukommando
VIII, Krakau“. Dort sprach er, der geografischen Ausrichtung entsprechend, über
Ostlandfragen und konnte zwischen den Themen Die Sendung der Deutschen im
Osten, Die Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarstaaten im Osten oder
Überblick über die russische Geschichte wählen391. Vom „Beauftragten für das militärische Vortragswesen beim Wehrmachtbevollmächtigten beim Reichsprotektor und
Befehlshaber im Wehrkreis Böhmen und Mähren“ wurden 1942–1944 weitere Vorträge
für Zatschek organisiert, etwa zu Themen wie Der böhmisch-mährische Raum im
großdeutschen Lebensraum, Die deutsche Sendung im Osten oder Eine Darlegung
über den Sinn des gegenwärtigen Krieges392. Zatschek nahm diese Vorträge als Einsatz
sehr ernst und erhielt lobende Dankesworte393. Eine schon organisierte Vortragreise
nach Westfrankreich sagte Zatschek im Mai 1943 kurzfristig ab, sehr zum Missfallen
388Undatierter, vermutlich von 01.1941 stammender Bericht Zatscheks in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 795.
389Bericht Zatscheks vom 31.10.1941. Ebd. Zur Reise auch BAB, R31/708 HeZ.
390Am 23.01.1942 schrieb er an seine Frau: Höre und staune. Eben finde ich auf meinem Schreibtisch
eine Anfrage des Führungsstabes des Oberbefehlshabers der Luftwaffe vom 19.d.M. vor, ob ich ab
10. Februar für etwa 3–4 Wochen zum Luftgaukommando Rostow gehen und dort über Ostfragen
sprechen könnte. Dieses Thema werde gewünscht. Nun würde es mir gar nichts ausmachen, dass
die Gegend doch etwas gefährlicher wäre als der Luftgau Wien und Norwegen. Die Gegend am
Schwarzen Meer kennen zu lernen könnte mich schon ganz verdammt reizen. Aber einmal habe ich
einfach nicht die Kleider, um mich dieser Bärenkälte auszusetzen, und dann bin ich mit Arbeiten
ohnehin so sehr überlastet, dass ich überhaupt nicht wüsste, wie fertig werden, wenn ich dieser
Aufforderung entsprechen wollte. So bleibt mir zu meinem Bedauern nichts übrig als abzulehnen.
Am 28.01.1942 an dieselbe: Willy hat natürlich recht, dass die Russen Rostow haben. Der Luftgau
heisst halt so, wie er vor dem Abzug der deutschen Truppen hiess. Nach Rostow wäre daher auch
ich nie gefahren. Wie dringlich man mich gebraucht hätte, zeigt Dir das Telegramm [nochmalige
Nachfrage der Luftwaffe]. Und wenn ich den Eindruck gehabt hätte, dass ich leisten kann, was man
von mir verlangt, wäre ich gefahren. Aber was verstehe ich von russischer Geschichte? AAVČR, Of
HiZ, Nr. 26.
391Schreiben des Luftgaukommandos VIII Krakau vom 14.10.1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 795. – Diese
ganzen Tätigkeiten wurden als Einsatz deklariert, bei dem Zatschek jedoch 50 RM Honorar pro
Vortragstag verdiente und beispielsweise für die Norwegenreise 1.415 RM an Honorar und Tagegeld
in Rechnung stellte. Siehe dazu insgesamt AAVČR, Of HeZ, Nr. 572 und Nr. 795.
392Noch am 08. und 09.12.1944 hielt er in Eger (Cheb) und Marienbad (Marianské Lázně) Vorträge vor
NS-Führungsoffizieren. BAB, R31/708 HeZ, Schreiben Zatscheks vom 04.12.1944.
393Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 479 und Nr. 657.
Heinz Zatschek (1901–1965)
769
des zuständigen Referenten im Berliner Luftfahrtministerium394. Zatschek ergriff auch
bei verschiedenen städtischen Kulturveranstaltungen das Wort, wie im Januar 1943 in
Olmütz zum Thema Das nationale Erwachen in Böhmen und Mähren, und konnte sogar
im Rundfunk der Öffentlichkeit seine geschichtliche Sichtweise präsentieren, so im selben Jahr, als er für die Sendegruppe Böhmen-Mähren des Reichs-Rundfunks Berlin den
Beitrag Die Bedeutung Karls IV. für das Reich und den böhmisch-mährischen Raum
bearbeitet hat395. Im Sommer 1944 trug Zatschek innerhalb eines „Schulungslehrgangs“
für tschechische „Hilfslehrer“ vor und resümierte seine politischen Vorstellungen einer
historischen „Reichsidee“396. Den traurigen Höhepunkt der politischen Vortragstätigkeit
Zatscheks stellt seine Rede „Die Judenfrage“ dar, die er Ende November 1944 vor
Oberfähnrichen der Wehrmacht in der in Milowitz (Milovice) bei Prag angesiedelten Fahnenjunkerschule hielt und die von einigen Zuhörern schriftlich kommentiert
werden musste, so dass sie trotz Fehlens des Vortragstextes rekonstruiert werden
kann. Den Mitschriften der Zuhörer nach, konnte Zatschek sein Ziel anscheinend mit
Erfolg erreichen, nämlich die Vermittlung vulgär-antisemitischer Feindbilder ganz
im Sinn der NS-Propaganda, die als Ergebnisse der Wissenschaft verkauft wurden,
um höchstes Überzeugungspotential zu beanspruchen397. Bezeichnend ist Zatscheks
Skrupellosigkeit, in den letzten Kriegsmonaten noch junge Soldaten mit rassistischem
NS-Gedankengut indoktrinieren zu wollen.
In Anbetracht dieser gesamten außeruniversitären „linientreuen“ Anstrengungen
Zatscheks mag es nicht verwundern, dass von hohen Protektoratsstellen Anfragen an
Zatschek herangetragen wurden, seine schriftlichen Arbeiten an offizielle Stellen zu
übergeben398. Die Beliebtheit des „politischen“ Historikers Zatschek im Protektorat
und im Sudetengau spiegelt sich beispielsweise in den Willkommens-Adressen wider,
die ihm aus Anlass seiner Rückkehr 1942 dargebracht wurden399. Zur gleichen Zeit
wurde dem resignierten Rektor Saure nachträglich vorgeworfen, es nicht verhindert zu
haben, dass die „besten und raumerfahrensten Hochschullehrer (Zatschek, Weizsäcker,
394Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 600.
395Siehe AAVČR, Of HeZ, Nr. 573 und 594. Ob er selbst im Rundfunk gesprochen hat, geht aus den
Quellen nicht hervor.
396Veröffentlicht als: Zatschek, Die Reichsidee (wie Anm. 285). Andere Vortragende waren Hopfner,
Rippl, Ernst Schwarz und Wostry.
397Siehe die Stellungnahmen der Oberfähnriche Edwin Grether, Rudi Schmidt und Heinz Waack vom
25./26.11.1944, die als die drei besten am 01.12.1944 Zatschek übersandt wurden. AAVČR, Of
HeZ, Nr. 813. Waacks Text ist gedruckt in Abschnitt VII, Nr. 11. Zu den Vorträgen anderer Prager
Historiker vor Wehrmacht und SS siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31)
164f.
398Am 08.01.1941 erbat Curt von Burgsdorff zwei Arbeiten, am 29.01.1941 K. H. Frank fünf Arbeiten:
Diese Arbeiten sind einerseits für das Archiv des Herrn Staatssekretärs und andererseits für die im
Aufbau begriffene Bücherei des Herrn Reichsprotektors bestimmt. Am 15.01.1941 erbat die NSDAPKreisleitung Prag Zatscheks Schriften. AAVČR, Of HeZ, Nr. 566 und 568.
399Brief Pirchans an Zatschek vom 8. Juni 1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 327; Brief Anton Altrichters an
dens. vom 09.08.1942. AAVČR, Of HeZ, Nr. 52.
770
Karel Hruza
Swoboda) in innerer Verbitterung Prag den Rücken kehrten und an andere Hochschulen
(vor allem nach Wien)“ verzogen wären400.
Problematisch gestaltet sich eine Antwort auf die Frage, in welchem Maß Zatschek
für den SD-Leitabschnitt Prag als Mitarbeiter tätig war. In einem handschriftlichen
Verzeichnis von SD-Informanten (aus dem Jahr 1944?) ist der Eintrag zu finden:
Zatschek, Prof. Dr., Karlsuniversität Prag, lose Verbindung mit SD-Leitabschnitt
Prag-SS-Hauptsturmführer Hübig, Einzelheiten sind mir nicht bekannt, war verschiedentlich in der Dienststelle des SD-Leitabschnittes bis 1944 bei Hptstuf. Hübig401.
Zatschek dürfte jedenfalls auch in denunziatorischer Weise gewirkt haben402. Der
Prager SD-Chef Walter Jacobi hatte an Zatscheks „politischem“ Wirken zumindest
kaum etwas auszusetzen. In seinem Bericht rechnete er Zatschek zu den bedeutenden,
positiv hervorgehobenen Vertretern einer volkspolitischen Richtung, neben Beyer,
Ernstberger, Hanika, Hippius, K. V. Müller oder Weizsäcker. Weiter bildete für Jacobi
die RHS den Rahmen für die aktivistischen, nationalsozialistisch fest fundierten und
volkspolitisch klar ausgerichteten und aufgeschlossenen Professoren. Von diesen
sollen fast alle bemerkenswerten Impulse ausgegangen sein, um der Universität Prag
ein wissenschaftlich-politisches Niveau und ein politisches Gewicht zu verleihen403.
Die Protagonisten dieser Richtung, also Wissenschaftler, die sich auf dem Gebiet der
kriegswichtigen Forschung besonders verdient gemacht haben, erhielten den Dank des
Regimes auch in der Form von Auszeichnungen: Zatschek wurde so auf Vorschlag der
Prager Universitätsleitung am 1. September 1944 von Hitler das Kriegsverdienstkreuzes
II. Klasse verliehen. Im Vordergrund standen seine „Verdienste“ als Redner des militärischen Vortragswesens404.
Dass mit Zatschek in politischen und nationalen Angelegenheiten „nicht zu spaßen“
war, belegt eine schriftliche Aussage der tschechischen Editorin Milena Linhartová
von 1947. Sie bescheinigte dem bereits in Halle a.d. Saale wirkenden Winter zu dessen
Entlastung, dass Dr. Eduard Winter im Jahr 1943 zu mir kam, um mich persönlich vor
Dr. H. Zatschek zu warnen, dem damaligen ‚Leiter‛ des [tschechischen] Historischen
Instituts, und gab mir den Rat, jegliche Spuren einer antinazistischen Tätigkeit zu
400Zitat aus einem Schreiben Jacobis an Robert Gies vom 24.07.1942 nach Wiedemann, ReinhardHeydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 29.
401AMVČR, 52-1-363/30.
402Aus einem SD-Bericht Stimmung und Haltung der Hochschullehrer Jacobis vom Frühjahr 1944 an
K. H. Frank geht etwa hervor, dass Zatschek die Gattin des nationalsozialistisch gesinnten Prager
Altphilologen Hopfner ob ihrer äußeren Erscheinung abqualifizierte und auch andere Damen von
Zatschek nicht verschont blieben, die vermutlich äußerlich nicht seinem streng „sittlichen“ nationalsozialistischen Vorbild der deutschen Frau entsprachen. Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 162 und 173 Anm. 51, nach dem SD Bericht „Stimmung und Haltung der
Hochschullehrer“ NA Praha, NSM 110-4-529.
403Siehe Míšková, Německá (Karlova) univerzita (wie Anm. 31) 158–163; Wiedemann, ReinhardHeydrich-Stiftung (wie Anm. 186) 90f., nach NA Praha, NSM 110-4-529.
404Siehe die entsprechenden Dokumente in NA Praha, NSM 110-12-4, vom 03.–05.1944, und das Original
der Verleihungsurkunde vom 01.09.1944 mit Begleitschreiben des „Reichsbeauftragten für das militärische Vortragswesen bei der Reichspropagandaleitung der NSDAP und dem Oberkommando der
Wehrmacht“ in: AAVČR, Of HeZ, Nr. 5.
Heinz Zatschek (1901–1965)
771
verwischen, antideutsche Literatur zu verstecken und mich sowohl im Institut als auch
in der Wohnung auf eine mögliche Durchsuchung durch die Gestapo vorzubereiten405.
Während manche Personen also Angst haben mussten, von Zatschek „erwischt“ und
zurechtgewiesen oder sogar an NS-Stellen weiter gemeldet zu werden, war er für
andere der „führende“ Lehrer und Vertraute. Mit einigen seiner Studenten hat er nach
deren Einberufung zur Wehrmacht lange und auch ausführlich korrespondiert. Manche
Studenten fühlten sich ihm „weltanschaulich“ eng verbunden. Willy Fischer, den
Zatschek an Hirsch empfohlen hatte und der in Wien promoviert wurde, schrieb ihm
am 1. Oktober 1944: Was die politisch-militärische Lage betrifft, so hoffe ich, dass wir
den Tiefpunkt bald hinter uns haben. Denn ich kann nicht glauben, dass das Reich im
Chaos versinkt; die Geschichte hätte ihren Sinn verloren. Mit Heil Hitler! verbleibe
ich Ihr dankbarer Schüler Willy Fischer406. Es mag da kaum überraschen, dass sein
Lehrer Zatschek für das SS 1945 die Lehrveranstaltung „Reich und Reichsfeinde im
frühen und hohen Mittelalter“ ankündigte407. Die dargebotenen „politischen“ Fälle
aus Zatscheks Schriften, Lehre und Vorträgen zeigen anschaulich, dass er im Dritten
Reich für sich die Grenzen zwischen Politik, Wissenschaft und Ideologie weitgehend
aufgehoben hatte und definieren ihn als einen freiwillig politikberatenden Historiker
„im Einsatz“.
Während seiner Internierung hatte Zatschek das große Glück, dass seine Verwicklung
und Mitwisserschaft bei dem Archivalien- und Insignienraub, der nur wenige Wochen
zurücklag, anscheinend noch keiner der für Zatschek „verantwortlichen“ Personen auf
tschechischer Seite bekannt war. Bezeugt ist Zatscheks Kontakt zum wieder amtierenden Dekan der tschechischen Philosophischen Fakultät Rypka, mit dem er zumindest
am 21. Mai 1945 persönlich zusammentraf. Rypka teilte Zatschek mit, ihm werde
vorgeworfen, das Stempeln der Bücher der Universitätsbibliothek (wohl mit deutschen,
mit einem Hakenkreuz versehenen Stempeln) und das Löschen tschechoslowakischer
Stempel veranlasst zu haben, worauf Zatschek brieflich antwortete, nur eine Anordnung
der tschechischen Protektoratsregierung ausgeführt zu haben408. Über andere Anklagen
gegen Zatschek ist nichts bekannt.
Nach 1945 wurde Zatschek mehrere Male von seiner politischen Vergangenheit eingeholt. Gemäß dem österreichischen „Verbotsgesetz“ vom 8. Mai 1945 war Zatschek
verpflichtet, sich als ehemaliges NSDAP-Mitglied an seinem Wohnort registrieren zu
405ABBAW NL Eduard Winter, W510 vom 02.02.1947 (freundlicher Hinweis von Jiří Němec).
406AAVČR, Of HeZ, Nr. 126. Zu Willibald Fischer siehe Stoy, Institut (wie Anm. 13) 380f.
407UAP, DU Phil. Fak. Inv.-Nr. 920 und 923; ebd., DU PA HeZ.
408Am 22.05.1945 schrieb Zatschek an Rypka: Sie bemerkten gestern mir gegenüber, man habe mir in
der Universitätsbibliothek besonders verübelt, dass in den Büchern die Stempel aus der Zeit nach
1918 überstempelt und durch neue ersetzt worden seien. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen,
dass das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur mit Erlass vom 6. VIII. 1940, Z: 101.061/40III/1 verfügt hat, dass „die Abdrücke der anstössigen Stempel aus der früheren Zeit mit schwarzen
Strichen zu überdrucken und mit den vorgeschriebenen neuen Stempeln zu versehen sind. Sie sehen,
dass mir hier eine Anordnung zu Last gelegt wird, die auf ein Ministerium des Protektorates selbst
zurückgeht […]. AAVČR, Of Jan Rypka, K. 12.
772
Karel Hruza
lassen409. Dem kam er bereits am 27. Juli nach, nicht ohne gleichzeitig ein Gesuch um
Nachsicht, also Streichung aus der Registrierungsliste, zu stellen, dem aber nicht stattgegeben wurde410. Im Gesuch gab er unter anderem an, dass wegen der volkspolitischen
Lage in der ČSR seine spätere Zugehörigkeit zur NSDAP im Protektorat einer anderen
Wertung bedarf, als wenn [er] sie im Reich oder in Österreich erworben hätte. Und er
legte die Abschrift eines Briefes bei, den der Dekan der tschechischen philosophischen
Fakultät im Jahre 1940 [Jan Rypka] an [ihn] in [seiner] Eigenschaft als Kommissar
der gesperrten tschechischen Fakultät gerichtet hat. Das Datum des Briefes liegt so
weit zurück, dass der Verdacht nicht aufkommen kann, er sei zu „Entlastungszwecken“
von [ihm] bestellt worden411.
1947 musste sich Zatschek gemäß der Verbotsgesetznovelle erneut registrieren lassen und erhob im Juli 1947 wieder gegen seine Verzeichnung in der Registrierungsliste
als minderbelastet die Beschwerde gemäss § 7 des Verb.Ges. 1947, um seine
Repatriierung und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu erreichen412. Nicht
nur, dass er die Rubriken der nunmehr detaillierten Erfassung zu Mitgliedschaften
im NS-Dozentenbund und in der NS-Volkswohlfahrt unausgefüllt ließ, sondern er
verstieg sich zudem dazu, in eindeutigem Gegensatz zu seiner Angabe von 1945 und
in einer nur allzu offensichtlichen verlogenen Konstruktion zu behaupten, als für
die Nationalsozialisten unzuverlässiger Volksdeutscher aus politischen Gründen als
409Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich Nr. 13/1945, 08.05.1945, §§ 4–6, und Bundesgesetzblatt
für die Republik Österreich Nr. 25/1947, Verbotsgesetznovelle 06.02.1947, §§ 4–6. Siehe ausführlich Bernd Vogel, NS-Registrierung in Wien, in: Entnazifizierung im regionalen Vergleich, hg. v.
Walter Schuster, Wolfgang Weber (Historisches Jb. der Stadt Linz, Linz 2004) 337–361.
410WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. Er gab an: Mitglied der NSDAP von 27. Juni
1940 bis zum Schluss. Parteianwärter der NSDAP von Sommer 1939 bis 27. Juni 1940. (rosa Karte,
Nr. über 7000000). Dazu erwähnte er seine Aufnahme in die NSDAP und zwar Ende Juni 1940 in
einer Ortsgruppenvereinigung und seine Parteizugehörigkeit. Zatscheks Ansuchen um Nachsicht
wurde am 18.01.1946 von der zuständigen Kommission abgelehnt.
411Ebd., Schreiben Zatscheks an den Magistrat der Gemeinde Wien vom 27.07.1945. Die – im Übrigen
mehrmalige – Vorlage dieses Briefes Rypkas vom 4. Februar 1940 durch Zatschek ist durchaus
bemerkenswert, denn dass Zatschek über den Brief verfügen konnte, beweist, dass er nach seiner
Internierung Zugriff auf seine höchstwahrscheinlich in seiner Wohnung aufbewahrte Korrespondenz
hatte und diesen für ihn plötzlich sehr wertvollen Brief zunächst zu seiner Entlastung in Prag verwendete und ihn mit nach Wien nahm. Die Briefabschrift ist erhalten in: WStLA, MA 119 A42 NSRegistrierung Nr. 5768, siehe den Text in Abschnitt VII, Nr. 5. Václav Vojtíšek berichtete 1966: Ich
weiß auch, dass sich H.Z. und seine Frau im Mai 1945 auf diesen Brief beriefen und sich mit ihm auswiesen, und das auch in Wien, wohin sie als „österreichische Staatsbürger“ ohne Schwierigkeiten
gelangten. AAVČR, Ústřední archiv ČSAV 63/74, Vojtíšek an Gerda Blaschej 25.03.1966, 16. Das
Original des Briefes ist nicht auffindbar, an seiner Authentizität muss aber nicht gezweifelt werden,
da die Abschrift sprachlich, formal und auch äußerlich mit den in: ebd., Of HeZ, Nr. 357, erhaltenen
13 Briefen Rypkas an Zatschek von 12.03.1940–09.04.1941 und mit denjenigen ebd., Of Jan Rypka,
erhaltenen Auslaufkopien Rypkas übereinstimmt. Wohl denselben Brief verwendete Zatschek 1946
bei Bemühungen um seine Repatriierung, da ihm (sein Rechtsanwalt oder Notar) Ludwig Proske am
05.03.1946 schrieb: Betrifft: Staatsbürgerschaft. Das Schreiben des Dekans der Prager Universität
ist mir zugegangen und wird Ihnen dieses nach Abfassung einer beglaubigten Abschrift im Original
zurückgestellt. WStLA, NL HeZ A 1, K. 5.
412Ebd., MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768; ÖStA, AdR/02 PA 3090/47.
Heinz Zatschek (1901–1965)
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Parteianwärter nicht in NSDAP aufgenommen worden zu sein413. So verwundert es
nicht, dass seine Beschwerde im Dezember 1948 von der zuständigen Kommission
des BMI, die auch seine Registrierung von 1945 heranzog, abgewiesen wurde. Für
Zatschek intervenierten seine damaligen Arbeitgeber in der Kammer der gewerblichen
Wirtschaft für Wien und der Staatssekretär im BMI und ÖVP-Politiker Ferdinand
Graf, der später als Verteidigungsminister (1956–1961) Zatscheks Vorgesetzter werden
sollte414. Nur kurze Zeit später erlöste die Minderbelastetenamnestie Zatschek von
seinem formalen Makel als registrierter Nationalsozialist.
Doch ruhte damit die Vergangenheit noch lange nicht: Als das demokratische Österreich und die kommunistische Tschechoslowakei vermögensrechtliche
Ausgleichsverhandlungen führten, erhielt das österreichische Finanzministerium im
September 1958 die Anfrage, wegen der seit Kriegsende verlorenen Archivalien und
historischen Insignien der Karlsuniversität bei Zatschek nachzuforschen, von deren
Verbleib er als damaliger Universitätsarchivar Bescheid wissen sollte415. Als vier
Jahre später der Artikel des Dr. F. L. in der „Volksstimme“ erschien, vertraute sich
Zatschek Mayer an: […] mir ist nur nicht recht klar, warum die Aktion gerade jetzt
ins Rollen kommt. Wäre ich zwischen 1939 und 1945 ein Schwein gewesen, müßte ich
mich abfinden, so quält mich die Sache an sich und die Frage nach den Hintergründen
und lähmt meine Arbeitskraft416.
VI. Resümee
Heinz Zatschek zu charakterisieren ist keine leichte Aufgabe. Gemäß seinem Geburtsjahr 1901 fällt er gerade noch in die „Kriegsjugendgeneration“417. Er ist aber nicht
413Schreiben Zatscheks an das Magistratische Bezirksamt für den VII. Bezirk vom 31.07.1947. WStLA,
MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768.
414Siehe den Akt der Beschwerdekommission von 1948 in: ÖStA, AdR/02 PA 3090/47. Von der
Kommission wurde über das BMU auch Zatscheks PA von der Universität Wien angefordert. Die
Philosophische Fakultät anwortete am 29.10.1048 äußerst knapp u. a. Ein Personalakt ist über
Professor Zatschek ha. nicht vorhanden. Über sein Verhältnis zur NSDAP usw. finden sich ha. keine
Unterlagen. Siehe ebd. und ÖStA, AdR BMU PA 281 HeZ.
415Das Bundesministerium für Finanzen hat mit Note vom 15.9.1958 […] [dem Verteidigungsministeri
um] mitgeteilt, dass im Rahmen der vermögensrechtlichen Verhandlungen zwischen Österreich und
der ČSR die tschechoslowakische Regierung Rückstellungsansprüche auf Insignien, Urkunden usw.
der ehemaligen Deutschen Karls-Universität in Prag gestellt hat. Neben […] Dr. Gustav Ehrlicher
[…] Dr. Alfred Tomsa […] und Dr. Wilhelm Weizsäcker wird […] Dr. Heinz Zatschek von den tschechoslow. Behörden als derjenige genannt, der über den Aufenthaltsort und Verbleib der Insignien
und des historischen Archivs der ehemaligen Karl-Universität […] Auskunft geben vermag. Eine
Anfrage ging auch an das Unterrichtsministerium. Zatschek sollte wegen der Angelegenheit befragt
werden und bis zum 05.10. Mitteilung erstattet werden. Da die Angelegenheit anscheinend vom
Verteidigungsministerium verschleppt wurde, wiederholte das Finanzministerium seine Anfrage im
01.1959. Über eine Antwort Zatscheks sind keine Vermerke vorhanden. ÖStA, AdR BMU PA 281
HeZ, 85952-1/58.
416Zatschek an Mayer am 05.01.1963. StadtA Konstanz, NL ThM, Fasz. 1 Nr. 158.
417Eine Auswertung deutscher Historiker dieser Generation unternimmt Anne Christine Nagel, Im
774
Karel Hruza
nur wegen seines Alters kein typisches Beispiel für deren Angehörige, sondern auch
wegen seiner sehr schnellen Karriere: Mit 26 Jahren war er habilitiert und Privatdozent,
mit 27 Jahren Extraordinarius in Prag und mit 33 Jahren ebendort ordentlicher Professor. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, hatte der im 44. Lebensjahr stehende
Zatschek bereits eine fast 20-jährige Laufbahn als Universitätslehrer hinter sich. Sein
Kurskollege und beständiger Konkurrent Otto Brunner, Jahrgang 1898, seit 1929
Privatdozent, erlangte seine außerordentliche Professur 1931 und wurde erst zehn
Jahre später zum ordentlichen Professor ernannt. Der 1890 geborene Leo Santifaller,
der ebenfalls Zatscheks Wege kreuzte, kam erst 1928 zum Titel eines Privatdozenten, um ein Jahr später außerordentlicher, jedoch erst 1943 ordentlicher Professor zu
werden. Und beide, Brunner 1931 und Santifaller 1942/43, haben von den Rückzügen
des jüngeren Zatschek aus Wien profitiert. Der 1901 geborene Josef Pfitzner schließlich konnte, zumal ohne IÖG-Ausbildung, nicht mit Zatschek konkurrieren: 1923/24
promoviert, wurde er zwar bereits 1927 von Hirsch habilitiert, erlangte aber eine
außerordentliche Professur 1930 und eine ordentliche 1935, ohne jemals als Historiker Arbeiten von wirklicher Qualität vorlegen zu können418. Zatschek stieg seit 1942
dank seiner Ämterakkumulation in der RHS, an der Universität Prag und seiner außer­
universitären politischen Tätigkeit zum wohl einflussreichsten „sudetendeutschen“
Historiker des Protektorats Böhmen und Mähren und des Sudetengaues auf, wenn in
Betracht gezogen wird, dass sich Pfitzner als stellvertretender Primator Prags kaum
noch als Historiker betätigte. Zatschek exponierte sich im Vergleich zu Brunner und
Santifaller jedoch nicht nur mit seiner raschen Karriere, sondern auch am weitesten
mit seinem politischen Engagement für den Nationalsozialismus. Gekoppelt mit den
ihm entgegengebrachten Antipathien versagte ihm dies alles nach 1945 ein Anknüpfen an seine bisherige wissenschaftliche Laufbahn, während Santifaller und Brunner
noch etliche Jahre als angesehene Lehrstuhlinhaber und Wissenschaftler wirken und
die nach oben strebende „Kriegsjugendgeneration“ begleiten konnten. Trotz seiner
Position als Museumsdirektor und Träger verschiedener Auszeichnungen schmerzte
es Zatschek nach 1945 tief, nicht mehr als ordentlicher Universitätsprofessor lehren
und forschen zu können.
Zatschek verstand sich offen als politischer Mensch, der seine politische Einstellung
und seine Ordnungsvorstellungen als wesentlich empfand. Wollte man diesen Aspekt
seiner Person vernachlässigen, würde man ihm nicht gerecht werden. Die „mentale
Schatten des Dritten Reichs. Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1970
(Formen der Erinnerung 24, Göttingen 2005), vor allem 13–23 und 299–305; eine ausführliche Biografie eines solchen Historikers bietet Eduard Mühle, Für Volk und deutschen Osten. Der
Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung (Schriften des Bundesarchivs 65, Düsseldorf
2005); paradigmatisch bleibt Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus,
Weltanschauung und Vernunft 1903–1989 (Bonn 1996). Siehe auch Wildt, Generation (wie Anm.
200) 23–29, 41–142. Zur aktuell diskutierten Frage der „Generationen“ oder „Generationalität“ vgl.
zuletzt Ulrike Jureit, Generationenforschung (UTB 2856, Göttingen 206); Ute Daniel, Kompendium
Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter (Frankfurt/M. 42004) 330–344.
418Siehe Anm. 361. Die Angabe bei Stoy, Institut (wie Anm. 13) 223, Pfitzner wäre bereits 1923 habilitiert, beruht auf einem Irrtum.
Heinz Zatschek (1901–1965)
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Disposition“, die er bereits als junger Hochschullehrer bewies, ließ ihn extrem anfällig
für völkische und schließlich nationalsozialistische Gedanken werden. Bei den politischen Ereignissen seiner Zeit wollte er nicht in der Rolle eines Zuschauers verharren.
Als sich die Gelegenheit bot, griff er aktiv ins Geschehen ein. In seiner politischen
Radikalität in Tat, Wort und Schrift kann Zatschek an die Seite anderer überzeugter Nationalsozialisten gestellt werden, die als „politische Historiker“ hervortraten.
Zu nennen wären etwa Hans Joachim Beyer, Anton Ernstberger, Ernst Klebel, Josef
Pfitzner, Harold Steinacker und Wilhelm Weizsäcker419. Unter ihnen dürfte Zatschek,
vielleicht gemeinsam mit Steinacker, als der am besten ausgebildete Historiker herausragen, als ein unermüdlicher und tatkräftiger, bis an seine physischen Grenzen
gehender Mensch, der sowohl in seinem Beruf als auch in seiner „Weltanschauung“
Perfektion und Ordnung zu erreichen suchte, auch wenn das für andere Menschen
schlimmste negative Folgen zeitigen sollte. Letztlich gehörte der Mediävist Zatschek
zur „Weltanschauungselite“ des Dritten Reiches, zur „Generation des Unbedingten“
und verwirklichte ein modernes sachliches „radikales Ordnungsdenken“420. Herbert
hat Charakterisierungen der Angehörigen der „Kriegsjugendgeneration“ angeführt,
die in ihren Grundzügen wohl auch für Zatschek Gültigkeit haben421.
Da Zatschek bereits vor 1939 zum ordentlichen Professor aufgestiegen war, ist
sein Handeln im Sinne des Regimes nicht auf ein reines Karriestreben zurückzuführen. Zatschek hat sich ihm eröffnende Handlungsspielräume im Dritten Reich aktiv
und durchaus gänzlich ausgenutzt. Seine offensichtlichen Anpassungsstrategien haben ihm anscheinend weder Kopfzerbrechen bereitet noch ihn in moralische Krisen
gestürzt. Seit 1933 konnte er von der ČSR aus die gewalttätige Etablierung der NSDiktatur mit den von ihr ausgelösten Flüchtlingsströmen beobachten, ohne auch nur
im Geringsten abgeschreckt zu sein. Gemäß seinen erhaltenen Äußerungen empfand
er das NS-Regime nicht als menschenunwürdige Diktatur, sondern als eine begrüßenswerte und richtige politische und gesellschaftliche Ordnung für das deutsche
419Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 90–92, zählt Zatschek, Bauer, Brunner, Hirsch, Mayer, Santifaller
und Steinacker zu „politischen Historikern“.
420Zu dieser Begrifflichkeit siehe Herbert, Best (wie Anm. 417) 522–533, am Beispiel des 1903 geborenen
Werner Best; Wildt, Generation (wie Anm. 200) 137–142; Lutz Raphael, Radikales Ordnungsdenken
und die Organisation totaler Herrschaft: Weltanschauungseliten und Humanwissenschaftler im NSRegime, in: Geschichte und Gesellschaft. Zs. für Historische Sozialwissenschaft 27 (2001) 5–40,
hier etwa 33f., definiert die „generationsspezifische(n) Faktoren“ der Angehörigen der „Weimarer
Studentengeneration“, die sich dem völkischen Lager zuwandten, mit: „elitäre(s) Selbstbewußtsein,
Kult der Sachlichkeit, Bewunderung militärischer Ordnung und Bereitschaft zu gewaltsamen und radikalen Problemlösungen“.
421Herbert, Best (wie Anm. 417) 42–45. Joachim Fest, Speer. Eine Biographie (Berlin 21999) 33f., hat
diese Stellen über die Angehörigen der „Kriegsjugendgeneration“ für den 1905 geborenen Albert
Speer übernommen: „Über ihre neu sich bildenden Einstellungen, ihre Vorzugsbegriffe und ihren ‚Stil‛ ist damals viel geschrieben worden: Zu ihren hervortretenden Eigenschaften zähle ihre
‚Schlichtheit‛ und ihr ‚Ernst‛, ihre Fähigkeit, ‚die Sache über das Persönliche zu stellen‛, auch ihre
‚wortkarge Verschlossenheit und … manchmal schroffe Kälte‛, hieß es, nicht ohne ein Empfinden
‚fröstelnder Bewunderung‛, in einer dieser Abhandlungen. Der Schriftsteller […] Peter Suhrkamp
hat 1932 in einem hellsichtigen Essay über die knapp Dreißigjährigen […] geschrieben: ‚Das
Bezeichnende an ihnen ist ihr Mangel an Humanität, ihre Achtlosigkeit gegen das Menschliche‛.“
776
Karel Hruza
„Volk“. Schwere Zeiten durchlebte er allenfalls, weil Deutschland seiner Meinung
nach berechtigterweise um seine Führungsrolle rang, die ihm andere Staaten nicht
zugestehen wollten, aber nicht deswegen, weil er unter dem Regime der NSDAP zu
leben hatte. In Zatscheks Briefen findet sich weder vor noch nach dem Jahr 1945 ein
Wort der Reue oder Schuld über die schrecklichen Ereignisse, die Hitlers Diktatur
über die Welt gebracht hat422.
Dem steht nicht entgegen, dass Zatschek mit dem bürgerlichen Habitus (oder
„Berufshabitus“) eines Hochschullehrers und „wichtigen“ Mannes auftrat, der, elegant in Kleidung und Erscheinung, ruhig und freundlich im gewöhnlichen Umgang,
aber auch sehr den Formalitäten und seinen Aufgaben verpflichtet war. Dennoch
wurden ihm nur wenige wahre Sympathien entgegen gebracht. Schon 1926 äußerte
Bauer gegenüber Mayer: Zatschek halte ich für eine Präsidialistennatur, die jetzt sehr
zurückhaltend sich gibt423. Und Hirsch meinte 1937 zu Gierach: Zatschek, immer auf
seinen Vorteil lauernd und auch nicht immer erfreulich424. Als junger, zudem nicht
einheimischer „Karrierist“ wurde Zatschek in Prag mitunter auch „geschnitten“, was
er verständlicherweise nicht so leicht verwinden konnte425. Der für viele nicht einfache
persönliche Umgang mit Zatschek war vermutlich auch ein Faktor, warum er seit 1945
von etlichen Kollegen „fallen gelassen“ wurde426.
Zatscheks „völkische“ Überzeugung erlaubte es ihm, sich als neuer Tschechoslowake
unter den Prager Deutschen verhältnismäßig schnell als „Sudetendeutscher“ zu assimilieren und dort auch gleichzeitig weiteren Anreiz für seine politische Radikalisierung
zu empfangen. Als er 1941 nach Wien kam, schien er durch den „Volkstumskampf“
in Prag geprägt und deswegen politisch so radikal eingestellt gewesen zu sein. Sein
Identitätshorizont war eindeutig „großdeutsch“ bzw. „gesamtdeutsch“ ausgelegt. Dabei
muss zusätzlich in Betracht gezogen werden, dass der selbst tschechischstämmige
Zatschek die Tschechen nicht als „rassische“ und nationale Feinde eingestuft hat, die
etwa aus Böhmen und Mähren zu vertreiben wären. Unter Anerkennung ihrer kulturellen und wirtschaftlichen Leistung lag ihr Platz im Protektorat unter deutscher Führung
und deutschem Schutz. Wie die historische Entwicklung angeblich gezeigt hatte, hätten die Tschechen ihren Aufstieg zu einem Kulturvolk zuvorderst dank deutscher
Hilfe und dank der Auseinandersetzung mit den Deutschen erreicht. An seine Identität
als „Österreicher“ erinnerte sich Zatschek – wie viele Österreicher auch – pünktlich
422Zu diesem Verhalten siehe Volkmann, Historiker (wie Anm. 283) 309: „Die Einsicht in die
Schrecknisse und die Verbrechen, deren sich die NS-Machthaber schuldig und ihre wissenschaftlichen und moralischen Helfer mitschuldig gemacht hatten, blieben persönliches Geheimnis, womöglich eine innere Belastung und öffentlich undiskutiert.“
423Schreiben Bauers vom 08.06.1926. ÖAW Archiv, NL WB K. 4.
424Schreiben Hirschs vom 11.05.1937. IÖG, Archiv, NL HH.
425Siehe etwa den Brief Hirschs an Zatschek vom 24.03.1927. IÖG, Archiv, NL HH.
426Nagel, Im Schatten (wie Anm. 417) 171, äußert über das „Absägen“ Mayers nach 1945: „Der
Mediävist wurde – so will es jedenfalls nach Aktenlage erscheinen – von seinen Kollegen [nicht
wegen seines NS-Vergangenheit] vielmehr wegen erheblicher Defizite im persönlichen Umgang ins
Abseits gestellt. So wie in diesem Fall bot der Zusammenbruch 1945 auch andernorts die Möglichkeit,
sich des einen oder anderen persönlich unliebsamen Kollegen zu entledigen.“
Heinz Zatschek (1901–1965)
777
im Frühjahr 1945, als es darum ging, aus der Trennung zwischen Deutschland und
Österreich Vorteile zu ziehen. Aber wie in seiner wissenschaftlichen Laufbahn kam
Zatschek mit seinem „Wechseln“ der Identitäten (die sich freilich immer innerhalb
des Rahmens Deutscher zu sein abspielten) nicht ungeschoren davon: Jahrelang blieb
er in seiner Heimatstadt Wien ein Staatenloser.
Dank seiner herausragenden professionellen Ausbildung am Wiener IÖG, der sich
Zatschek stets bewusst war, konnte er sich schnell in verschiedene historische Themen
einarbeiten und beachtliche Arbeitsergebnisse vorlegen. Zuvorderst gilt das für die
Urkundenforschung zur Epoche der Staufer und der Přemysliden. Die wissenschaftliche
Sozialisierung der Wiener Schule bewahrte ihn aber nicht vor Irrgängen427. Als er sich
der politischen und der Volksgeschichte verschrieb, gelangte er unter Integration eines
ausgeprägten Mediävalismus zu rassistischen bzw. biologistischen, geopolitischen und
„kulturgeschichtlichen“ Synthesen, in denen sich das Dritte Reich widerspiegelte als
moderne Wiederkehr des Alten Reiches, vor allem aber des mittelalterlichen römischdeutschen Reiches, das wegen seiner angeblichen „germanischen“ Führungsrolle eine
gelegentlich auch emotionale Verehrung genoss428. In diesen „Meistererzählungen“
Zatscheks wurde das Dritte Reich als Erfüllung deutscher bzw. „germanischer“
Geschichte emporgehoben und ihm Zukunftsverherrlichung dargebracht.
Heinz Zatscheks Biografie und vor allem seiner wissenschaftlichen Laufbahn wohnt
ein trauriges, vielleicht sogar tragisches Moment inne. Der junge Zatschek begann eine
hoffnungsvolle Wissenschaftlerlaufbahn und konnte sich sehr schnell innerhalb der
Fachwelt einen Namen machen. Dabei hatte er lebenslang einer schweren Krankheit
zu trotzen. Seit den 1930er Jahren zeigte er aus seiner inneren Überzeugung heraus
keine Scheu, sich auch in der Wissenschaft als ein dem Dritten Reich zutiefst ergebener
Nationalsozialist zu positionieren, und das bis zu dem für ihn bitteren Ende im Mai
1945. Dass für ihn bei dem folgenden Wieder- und Neuaufbau der Mittelalterforschung
in Österreich und Deutschland trotz erheblicher Kontinuitäten zum Dritten Reich kein
Platz vorhanden war, hätte ihn nicht überraschen sollen und hat es aber dennoch. Seine
eigene Verwandte zeigte mehr Realitätssinn: Als Maria Zatschek, seines Cousins
Hans Gattin, Erinnerungen an ihre Vertreibung aus Brünn und an die Fußmärsche im
Mai/Juni 1945 zu Papier brachte, bemerkte sie auch: „Rechts und links wird viel auf
das Hitlersystem geschimpft. Ich verschwendete keine Energien um Gespräche dieser
Art, denn meine Gesinnung war immer gegen Zwang und Grausamkeiten gerichtet.
[…] Der Wankelmut vieler begeisterter Anhänger des Systems wunderte mich. Da gab
es so verblendete Menschen, die noch in diesem Winter mit dem Sieg rechneten. Nie
wollten sie die Fehler dieser rücksichtslosen Führung wahrhaben, denn sehen mussten
sie sie. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen: Entweder haben sich diese Menschen aus
427Zu diesem Problemkreis siehe Kolář, Brutstätte (wie Anm. 65) 127f.
428Zum damaligen „Mediävalismus“ vgl. grundlegend Karl Ferdinand Werner, Das NS-Geschichtsbild
und die deutsche Geschichtswissenschaft (Stuttgart 1967) 38–40; Karen Schönwälder,
Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus (Historische Studien 9, Frankfurt/M./New York
1992) 223–229; Wolf, Litteris (wie Anm. 267) 265–276, unter Anführung Zatscheks.
778
Karel Hruza
praktischen Gründen blind und taub gestellt, oder sie hatten ein Brett vor dem Kopf.
Scheinbar gab es vieler solcher Bretter.“429
VII. Anhang
Vorbemerkung: Im Folgenden werden Briefe und Akten ediert, die für die Kenntnis der Berufungen
Heinz Zatscheks nach Wien 1929 und 1940 und nach Prag 1942 von wesentlicher Bedeutung sind und
zudem bisher nicht oder wenig bekannte Informationen zur damaligen Situation der Universitäten und
Institute enthalten. Dazu kommen verschiedene, für die Biografie Zatscheks wichtige Schriftstücke. Der
Abdruck der beiden Briefe Paul Heigls (Nr. 2 und 3) bedarf einer Erklärung. Heigl stand, obwohl man
sich „siezte“, in so gutem Einvernehmen mit Zatschek, dass er diesem vermutlich völlig frei seine Meinung
zu den internen Vorgängen und Stimmungen am IÖG mitteilte. Er scheute dabei nicht vor respektlosen
und bösartigen Charakterisierungen und Einschätzungen zurück, die in ihrer Intensität innerhalb der
damaligen „Gelehrtenkorrespondenz“ eine Seltenheit sind. Da der Informationsgehalt der Briefe für den
heutigen Historiker dennoch sehr hoch ist und ungewohnte Einblicke in das Mit- und Gegeneinander am
IÖG erlaubt, werden sie im Druck vorgelegt.
Zur Edition: Hervorhebungen, Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden gemäß Vorlage belassen, nur
eindeutige Versehen wurden emendiert, ebenso kleinere Fehler ohne Kennzeichnung ausgebessert und
Korrekturen in der Vorlage ohne Kennzeichnung übernommen. Korrekturen und Zusätze des Editors stehen
in eckigen Klammern. Hierbei wurden abgekürzte Namen aufgelöst und Vornamen zu den Nachnamen
ergänzt, da nicht jedem Leser alle vorkommenden Personen geläufig sein werden.
Nr. 1
19. November 1920, Wien.
Heinz Zatschek und Otto Brunner laden im Namen des Akademischen Vereins deutscher Historiker
in Wien zu einer Vollversammlung und einem Vortrag am 27. November ein.
AAVČR, Of HeZ K. 21 Nr. 860. Handschriftlich von Zatscheks Hand mit Briefkopf des Vereins und
eigenhändiger Unterschrift Brunners. Verso auf einer Seite eines handschriftlichen Referates über das
Buch Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte von Hans Delbrück (seit 1900
in mehreren Auflagen erschienen) von 12 Seiten, höchstwahrscheinlich von Zatscheks Hand.
Akademischer Verein deutscher Historiker in Wien.
Sitz: Universität, Hist. Seminar.
Wien, 19.XI.1920
Einladung
zu der am 27. November um ½ 5h stattfindenden Vollversammlung.
Tagesordnung
1.) Bericht des abtretenden Ausschusses.
2.) Neuwahl des Ausschusses.
3.) Allfälliges.
falls sich die nötige Mitgliederanzahl nicht einfindet, ist die zweite, nach einer halben Stunde stattfindende Vollversammlung in jedem Fall beschlussfähig.
Anschließend
um 6 h Vortrag des Universitäts Professors Dr. Viktor Bibl über
„das kirchenpolitische Testament Franz I.“
Mitglieder Erscheinen Pflicht!!
Deutscharische Gäste willkommen.
Zatschek
Otto Brunner
2. Schriftwart
Obmannstellvertr(eter)
429Dokumentation der Vertreibung IV/2 (wie Anm. 42) 449.
Heinz Zatschek (1901–1965)
779
Nr. 2
17. Mai 1929, Wien.
Paul Heigl berichtet Heinz Zatschek über die wegen der Nachfolge Oswald Redlich am 11. Mai 1929
abgehaltene Sitzung der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.
AAVČR, Of HeZ K. 6 Nr. 468. Privatbrief ohne Briefkopf von der Hand Heigls.
Wien, 17.5.29
Lieber Herr Doktor!
Heute Früh fand ich Ihren Brief vor. Ich will ihn gleich beantworten und nicht warten, bis ich daheim wohl
hinter der Maschine sitzen kann, aber durch allerlei anderes erst wieder behindert bin.
Einen „Lage-Bericht“ wünschen Sie! Da kann ich allerdings allerlei berichten, weiß aber nicht recht,
wo ich anfangen soll. Sie können sich ja wohl den Hexenkessel vorstellen! Und die – Schwühle im
Institut. Ich tippte H’s. [Hans Hirsch] Vorschlag, hatte daher schon vorher eine lange Unterredung mit
ihm. „Belehrung[g]schich[t]en“ z. T., z. T. sehr nettes Informieren. Bei der Gelegenheit fiel auch eine
Bemerkung, die mich zwingt, Ihnen bereits jetzt aufs herzlichste meine Glückwünsche darzubringen. Ich
habe, obwohl die Bemerkung über die von Ihnen beabsichtigte „Veränderung“ Ihres „Standes“ nicht mit
dem Wörtchen vertraulich überschrieben wurde, doch nichts gesagt.
Nach der Fakultätssitzung war [Wilhelm] Bauer mein erster – ausgiebiger Informator. Dann auch andere,
sodaß ich, als Hirsch am 2. Tag darnach mit mir ausführlich sprach, bereits gut im Bilde war und ihm
allerlei Andeutungen machen konnte.
So auch über Quertreibereien [Ernst] Klebels, von denen ich hörte und die, wie gemeint wird, und Hirsch
nun auch meint – auch ihm wurde derlei zugetragen – bewirkten, daß einige Herr[e]n gegen seinen
Vorschlag stimmten, wie z. B. Prof. [Wilhelm] Czermak, mein spezieller Freund. Ich bin überzeugt, daß
Klebel sich bei H. und [Alfons] Dopsch usf. kein Bilchen einlegte. Klerikale pro [Harold] Steinacker,
Juden gegen ihn – Tohuwabohu und rein persönliche Motive bei sachlicher Arbeit! Ein herrliches Bild bot
die Fakultät. Dann der Krach [Oswald] Redlich – Bauer, der offen zutage trat. Redlich ist deprimiert. Ich
möchte sagen: Trauerweide mit leichtem Wutgezitter. Erste Niederlage! Peinlich und ohne Größe getragen.
Nun geht aber natürlich wüstester Tratsch los, im K. – H. : St. – B. natürlich. H. sei schon beim Ministe[r]
gewesen um ihn davon abzuhalten, mit [Lothar] Groß überhaupt zu verhandeln etc.
Tischtücher sind en masse zerschnitten: Redlich – H, Redlich – Bauer, vor allem aber H. – [Heinrich von]
Srbik. Da fielen auf Seite H’s. böseste Worte gegen den „Adeligen da droben“! Mein Gott, Sie wissen
ja: im Nachthemd sah ich sie alle oft, diesmal aber hieng kaum mehr ein Spagatschnürl um die Lenden.
Ich hoffe nur, daß – falls nicht gehorcht wurde – unter der Mitgliedschaft nicht allzu viel bekannt wurde.
Ich habe diesmal mich nicht zurückhalten können und wischte Klebel noch einiges aus. Sie können sich
denken, daß mir Prof. Czermaks Verhalten auch in den Kram paßt. Den lernte ich so gründlich kennen
und andere auch, daß wir genug haben. Mit [Otto] Brunner hatte ich eine lange Unterredung. Sie diente
in erster Linie dazu, ihn vor jeder unbesonnenen Äußerung zu warnen und die – von Hirsch in seinem
Falle erhärtete Unversöh[n]lichkeit Srbiks ins Kalkül zu ziehen. Das ist ja eine recht traurige Sache an
sich. Sr. scheint aber beinahe wortbrüchig H. gegenüber geworden zu sein. Die Wort[e] können Sie sich
denken! Und bei Sr.: „ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht“ sagte er mir! Brunner hat das – sicher richtige
– Gefühl, daß Srbik es ihm verübelt, daß er, Br., vor [Reinhold] Lorenz einreichte. Ich weiß noch nicht,
ob für Br. und Klebel eine einzige Kommission gebildet ist. [Egon Caesar] Corti kam hinzu. Sr. wird mit
[Alfred Francis] Pribram puncto Lorenz abgepackelt haben. Stärker scheint mir aber die Position Hirsch[s]
als die Koalition Redlich – Srbik, zumal Dopsch sehr pro Hirsch und sehr geschickt arbeitete. Gestern war
wieder große Konferenzsitzung statt heute: D. H. Bauer usf. Br. ist informiert und eindringlich gewarnt, ja
nicht den einen oder anderen Tratsch weiterzugeben. Er muß heute wahnwitzig vorsichtig sein. Zudem gibt
es eine Art Ehrenaffäre Srbik – [Josef Wilhelm] Kubi[t]schek. Genaueres, d. h. so Genaues, um darüber
authentisch schreiben zu können, erfuhr ich noch nicht. Krache aber wohin man schaut! Br. hofft übrigens, daß seine Sache doch noch im Juni so weit erledigt wird, daß er im Herbste drankommt. Die [Hugo]
Hantsche Sache scheint hier erledigt; H. hat nicht eingereicht; vielleicht zieht er gen Innsbruck ab. Drüben
in der Bibliothek ist man nicht unterrichtet und will’s auch, soweit es von mir abhängt, nicht werden. Es
ist gut, daß Sie das alles hier nicht mitmachten. Ich sprach mit [Oswald] Menghin u. a. Leuten und hab
daher einen recht gründlichen Einblick bekommen. Interessant war mir, daß Hirsch offen mir gegenüber
Front machte gegen die – wie er sagte – „Klerikalen“: Czermak, Klein [Herbert?] etc. deren Abstimmung
780
Karel Hruza
ihn tief verstimmte. Menghin[,] Junker [Hermann] blieb ihm treu, sind also nicht „Klerikale“ nach seiner
Wortbildung. Bauer wieder meinte mit Recht, „man“ werde in den klerikalen Haufen einmal gründlich
hineinleuchten müssen! Ich habe das Gefühl als würden sich überhaupt – außerhalb wie innerhalb der
Fakultät – neue Koalitionen abstecken: Nationale und Katholen gegen Klerikale. Wir leben wieder in sehr
interessanter Zeit. Feines Durcheinander. Gottlob, denke ich mir oft, daß ich gerade Wege gieng und doch
einige Menschenkenntnis erhielt im Laufe langer Kampfjahre. Daß es ungemütlicher wird, ist klar.
[Emil von] Ottenthal will sehr bald nach Taufers. Ich hörte schon lange nichts. Der „Frühling“ kommt
nicht mehr und ich fand keine Zeit, O. aufzusuchen, scheue mich auch, weil ich Fakultätsgespräche mit
ihm fürchte. Er plauscht! Ihre vorübergehenden Schwierigkeiten finanzieller Art werden Sie hoffentlich
nicht allzu missmutig machen. Sie sind doch im Großen nur zu beglückwünschen. Passen Sie nur auf
Ihre Gesundheit auf!
Nun noch eins: [es folgt Angelegenheit zu zwei angeblich von Zatschek aus der Wiener NB entliehenen
Zeitschriftenheften].
Nun werden Sie genug haben an der Entzifferung dieser Epistel. Hoffentlich gelingt sie Ihnen ganz. Ich
fühle meine Hand immer schwerer werden. Gibts Neues, für Sie Wichtiges, schreib[e] ich Ihnen. „Urteile“
werde ich schwerlich wichtige zu hören bekommen, weil man mir zutrauen wird, daß ich Sie Ihnen
nicht verschweige. Redlich hüllt sich – mir gegenüber – völlig in Schweigen. Sein Zustand ist schwer
zu beschreiben; er fuhr auch gleich am 13. vm. nach Berlin und kam am 15. vm. wieder ins Institut. Ich
sprach ihn nur kurz und nur „dienstlich“. Srbik konferirte am 13. vm. lang mit ihm. Den Tratsch aus dem
Staatsarchiv weiter zu tragen, lohnt sich nicht. [Hans] Übersberger (Pro-Hirsch) trägt ihn ohnehin herum.
Bauer hatte doch [eine] scheints entscheidende Rol[l]e gespielt, ist stolz und gesprächig, dafür aber eben
mit Redl. verkracht. Zur Redlich-Abschiedfeier wird er und Hirsch nicht kommen. Selbe ist noch nicht
festgesetzt. Der Kurs steckt in der Schlußarbeit. Es raucht eben. Hirsch stellte eine Geldspende für ein
Abgangsgeschenk an Redlich (vom Kurs zu überreichen) in Aussicht, bat aber anonymer Spender zu
bleiben. Eigentlich schön von ihm. Bauer hat Überreichung der – noch lange nicht fertigen – Festschrift
an R. abgelehnt. Also: Trümmer wohin man schaut. Ärger, Wut, Getuschel, getrennte Wege usf. Hirsch
triumphiert mit einem leicht tränenden Auge und blickt unfroh in die Zukunft. Im Ministerium wird natürlich gearbeitet werden. Junke[r] soll sich noch vor Abstimmung geäußert haben: Stein. nutzt auch die
Majorität nichts, das Minist. nimmt ihn nicht.
So: nun ist der Brief in seinem Durcheinander und ohne Ordnung fertig. Lassen Sie sichs recht gut gehen,
ärgern Sie sich über nichts, passen Sie auf sich selbst auf, überarbeiten Sie sich nicht. Nochmals meine
Glückwünsche sowohl als auch.
Hoffentlich höre ich bald wieder von Ihnen.
Herzlichst Ihr
Heigl
Hirsch ist natürlich überzeugt, daß er zugunsten [Wilhelm] Erbens auf die Mitgliedschaft der Akademie
f. W. verzichten wird müssen.
Empfehlen Sie mich bei Prof. [Theodor] Mayer bestens!
Nr. 3
23. Mai 1929, Wien.
Paul Heigl berichtet Heinz Zatschek über die Situation an der Philosophischen Fakultät der Universität
Wien und am IÖG.
AAVČR, Of HeZ K. 6 Nr. 468. Privatbrief ohne Briefkopf von der Hand Heigls.
Wien, 23/5 29.
Lieber Herr Doktor!
Da ich nicht voraussehen kann, was mir in der nächsten Zeit dazwischen kommt, will ich Ihren Brief gleich
beantworten. Zu Ihrem Leidwesen sicher habe ich die Maschine nicht zur Hand und muß Sie daher mit
meiner Handschrift plagen.
Vor allem nochmals herzlichste Glückwünsche zu der Ihrem gewöhnlichen Tempo angepassten so baldigen Vermählung. Ich verstehe völlig, daß Sie mit der Nachricht so lange als möglich nicht herausrückten.
Heinz Zatschek (1901–1965)
781
Gemunkel war ja auch zu mir gedrungen. Nun – Sie wissen, wie ich über derlei denke und werden es
daher glauben, daß meine Glückwünsche ganz aufrichtig gemeint sind.
Hier scheinen – Ton auf scheinen – sich die Wogen etwas zu glätten. Wer weiß, ob Sie nicht in eitel
Sonnenschein und in frisch gezogene Jasminlauben kommen werden, wenn Sie von Prag hierher rutschen. Man sagt, so etwas Ähnliches wie schlechtes Gewissen sei es gewesen, was Henricus, eques de
[Srbik] auf den Gedanken brachte, eine umständliche Vermittlungs- und Gemüter-Beruhigungsaktion in
die Hand zu nehmen. Es sollte – nach außen hin – ein wenig Eintracht und überhaupt ein modus vivendi
geschaffen werden. Daher erst Konferenzen bei R., dann – 21.5. – bei Cervus, endlich bei Guilelmer. Dann
Sitzung Cervus – Bawerlieben – und nun scheint dem Außenstehenden das gute Werk vollbracht. Wies
innerlich aussieht? Schwarz tippt mühsam und mit Radiergummi an R’s. [Oswald Redlich] wie gestochen
geschriebenem Vorschlag herum. Ich mache mir aber gar nicht die Mühe, die Loblieder auf Harald [sic!]
de Innsbruck [Steinacker] zu lesen.
Hirsch war wieder mit der Jugend beisammen, wie Sie wohl einer Karte aus Leoben entnehmen durften.
Cervus in Kniehosen – nicht ganz nach Kniggerbocker – ist ein Anblick – eh schon wissen; dazu der
Vetterkragen.
Derzeit ist Conte [Egon Caesar] Corti bei Cers. Wird nicht ganz erwünscht sein, vermute ich. Der gute
Mann gieng auch in H’s. Wohnung. Auch bei [Wilhelm] Bauer war er in der Wohnung. B. meint, es
werde ihm, C., nicht leicht werden, in den Spuren Engel-J.s [Friedrich Engel-Janosi] durchzurutschen.
Na: ich glaube, daß es längst abgepackelt ist. Institut hat er ebenso wenig wie Zwergnase. Letzterer ist
aber – sic dicitur – derart von Henricus eques de „geschult“ worden, daß er kein Institut braucht. Ja so
eine Seminarpraxis bei Henricus tut wunder. Corti stößt ab und an durch sein Aufdringlichkeit, die an
Schneckenschleim erinnert. Hoch über allen anderen Aspirantes thront Remmer, was seine Aussichten
anlangt, „Man“ ist, glaub ich, durchaus überzeugt von ihm. Die Akten kursieren aber noch nicht, d. [h.] so
langsam, daß sich das Quadrupes bis in den Herbst hinein wird gedulden müssen. Der Karnute am Gang
draußen grinst seinen „Leidensgenossen“ Corti höhnisch an und ist sch…freundlich ins Gesicht. Redlich
und sein Trabant, „der Adelige von droben“ – letztere aus Gerontophil mit Richtung Graz ([Wilhelm]
Erben) sind pro Kl. engagiert. Sonst wird ers – „persönlicher Eignung“ wegen nicht allzu leicht haben.
Gott die „Gerechtigkeit“ wird siegen und der Fakultät ein Läuslein kärntnerischen Ursprungs in den Pelz
setzen. Ein wenig geplauscht und geplätschert wird von Aussichten Jussuff M’s. [Josef Karl Mayr?] im
St. – B. nach Graz, allwo Erben, der mit Jussuff per Du ist, ihn sehr protegiert.
[Emil von] Ottenthal versendet an Akademiemitglieder die Aufforderung, für Cers einzutreten und die
bekannten Berlin-Marburger Briefe zum Thema in der „Vorstehung des Instituts“ – ausgerechnet in R.’s
Obhut einzusehen. Lustig! Mein Gott, wenn man all das hört und sieht, dann wird einem oft ganz spassig.
So furchtbar klein, um nicht mehr zu sagen, ist alles! Cers ist geschäftig und guter Laune. Ich glaube
Henrici Stim[m]ungsabsturz hat sowohl bei R. als auch bei Cers gemütserleichternd gewirkt und fröhlich
gestimmt.
Der Kurs raucht. Da wird fieberhaft gearbeitet und selbstredend in Pessimismus Sorge vor der Prüfung
gemacht. Wie alle 2 Jahre. Ein homo nostris ist da für 2 Sem. In der Länge Kleinfeld ähnlich. Nett, aus dem
Rheinland, sehr begütert, kommt von Freiburg, kennt [Felix] Wortmann, den er ab und zu zum Sprechen
bringt. [Ernst] Klebel quatscht nach wie vor viel herum. Ich habe aber das Gefühl, „man“ habe ihn erkannt
und schätze ihn und seine Kulissenarbeit richtig ein. Ich bin sehr neugierig, wies ihm ergehen wird. Für
Corti geb ich, wollt ich wetten, weniger. Die Favoritsreihenfolge schätze ich so: Remmer, [Reinhold]
Lorenz, Klebel, Corti. Letztrer will ja nur „westeuropäische Geschichte“ nehmen. Es heißt, daß [Alfred
Francis] Prizbram [Přibram] darauf drängen wolle, daß sein Nachfolger speziell auf „westeurop.“ Gesch.
geeicht sein soll. So ebnet er auch Cortis Zukunftswege. Nach C. sei aus Př. Laden noch [Margarethe von]
Mezenseffy [Mecenseffy] zu erwarten. Glück auf!
So de nuce konzentriert der ganze Institutstratsch. Sie werden alles in „gutem Einvernehmen“ antreffen
schätze ich, falls nicht „Unvorgesehenes“ das Gesamte wieder durcheinander rüttelt.
In der NB. werde ich bei Emil [Wallner] und Roberto Teichl aufklärend wirken. Daß Fritz Antonius’ (St.Anf.) Gattin zu Mittag tot vom Sessel fiel (Embolie) haben Sie wohl gehört. Ich hab auch 3 Todesfälle knapp
hintereinander in der weiteren Familie gehabt, darunter auch eine ganz junge Frau. Sonst geht’s mir ganz
gut. Heimweh ist Trumpf. [Karl] He[l]leiner arbeitet und steckt wohl hinter den Flugzetteln und Affichen
der sozial. Stud. a. d. Technik, die mich persönlich herausfischen und angehen wegen meines Artikels im
„Student“. Große Hetze, die uns, auch mir noch Spaß macht. Gott bessere es bald und gründlich!
782
Karel Hruza
Genug für heute. Überarbeiten Sie sich nicht. Denken Sie an Ihre junge Ehe! Von meiner Frau herzliche
Grüße und Wünsche. Der Brief ist natürlich vertraulich.
Herzlichst Ihr erg. Heigl
Empfehlung an [Theodor] Mayer!
Nr. 4
[14.?] November 1938, Prag.
49 Lehrende der Deutschen Universität Prag fordern die Verlegung der sudetendeutschen Hochschulen
in das Deutsche Reich.
AAVČR, Of Wilhelm Weizsäcker K. 7 Nr. 131. Maschinenschriftliches Konzept auf mehreren unpaginierten Papierbögen mit handschriftlichen Korrekturen, teilweise stenografisch, mit Bleistift oder Tinte
von Weizsäckers Hand, und Unterschriften der 49 Unterzeichnenden, diese jeweils auf mehreren Bögen,
um einer mehrfachen Ausfertigung beigelegt werden zu können. Auf erstem Blatt recto links oben mit
Bleistift WE /V (B1). BAB R 43 II 1324, fol. 90–93. Abschrift in den Akten der Kanzlei der NSDAP ohne
Liste der Unterschriften (B2) (Angaben zu B2 nach: Wissenschaftspolitik im Nationalsozialismus und
die Universität Prag. Dokumente eingeleitet und hg. v. Gerd Simon [http://tobias-lib.ub.uni-tuebingen.
de/volltexte/2001/217/pdf/gift002_komplett.pdf] 29). Zum Druck gebracht wird B1 mit Ergänzungen aus
B2 nach Simon. – Hervorhebungen nach Vorlage.
Druck: Simon 29f. (= B2) mit Angabe des Datums 14. November 1938.
Die unterzeichnetena deutscharischen Hochschullehrerb in Prag, die sich dabei mit der deutschen
Angestelltenschaft derc Hochschulenc einig wissen, erklären feierlich, dass sie freudig bereit sind, für
Führer und Volk alle ihre Kräfte einzusetzen, wo immer man ihrer zum Wohle des
Ganzen bedarf.
Sie erklären indessen zum erstenmal als geschlossene Gruppe, dass sie eine Sicherung der Zukunft der
sudetendeutschen Hochschulen nur in deren baldigsterd Verlegung ins deutsche Volksgebiet zu erblicken
vermögen, währende die Vertretung deutscher Wissenschaft und Forschung im Ostraum einem neu zu
errichtenden Reichsinstitut mit Hochschulcharakter in Prag zu übertragen wäree.
Es dürfte kaum von irgend einer Seite bestritten werden, dass die sudetendeutschen Hochschulen auch
heute noch ihre volle Daseinsberechtigung besitzen. Ihre hauptsächlichstef Sendung bestand und besteht
auch heute noch darin, dem Sudetendeutschtum die Früchte deutscher Wissenschaft zu vermitteln, sudetendeutscher wissenschaftlicher Arbeit als Pflanz- und Pflegestätte zu dienen und sie in das grosse Ganze
gesamtdeutscher Wissenschaft mitten hineinzustellen. Wie sie für das Sudetendeutschtum wirkten und
sorgten, so haben sie umgekehrt auch ihre Kraft aus dem Sudetendeutschtum geschöpft. Aus diesem floss
ihnen die erdrückende Mehrzahl ihrer Hörer und ein grosser Teil ihrer Lehrer zu, die durch hervorragende
Kräfte aus dem Reichsgebiet auf das glücklichste ergänzt und unterstützt wurden. Das Sudetendeutschtum
seinerseits hat in seinen Hochschulen, wie die letzten zwanzig Kampfjahre beweisen, immer einen der
teuersten Teile seines völkischen Besitzstandes erblickt und sich stets voll Stolz zu ihnen bekannt.
Andererseitsg steht fest, daß die sudetendeutschen Hochschulen in ihren bisherigen Standorten es immer
als eine ihrer wichtigsten Aufgaben betrachtet haben, deutsche Wissenschaft und Forschung im Auslande
zu vertreten, und daß ihre Wirksamkeit sich bis weit in den europäischen Osten hinein erstreckt hat. Dieser
hat gerade durch Vermittluung der sudetendeutschen Hochschulen deutsche Wissenschaft in weitestgehendem Masse kennengelerntg.
Dass die sudetendeutschen Hochschulen in volksfremden Städten ihren Sitz hatten, wurde zum Quell
ungezählter Übelständeh. Die jungen Sudetendeutschen, die als Hörer in die ihnen gefühlsmässig fremden
Städte kamen, sahen sich in ihrem berechtigten Drange nach vollem volklichen Ausleben stärkstens
gehemmt und verspürten auf Schritt und Tritt die feindselige Gesinnung des nationalen Gegners. Die
Professoren hinwider sahen sich der Gefahr ausgesetzt, wegen der räumlichen Trennung [sich] dem
tätigen Leben der sudetendeutschen Volksgruppe zu entfremden und damit auch den Zusammenhang
mit dem Volksganzen bis zu einem gewissen Grade zu verlieren. Um die sudetendeutschen Hochschulen
vor diesen lebensgefährdenden Anfechtungen eindeutig zu sichern, beschlossen sie schon 1919 in feierlichen Kundgebungen die Heimkehr ins sudetendeutsche Gebiet. Es war eine Folge des hemmungslosen
tschechischen Imperialismus, dass ihnen dieser Weg verwehrt wurde. Denn die Tschechen wussten,
Heinz Zatschek (1901–1965)
783
dass das Sudetendeutschtum und die Hochschulen durch die Verlegung eine ungeahnte Stärkung erleben würden.
Die schon bisher unerträglichen Schwierigkeiten würden sich bei Belassung dieser Hochschulen in ihren jetzigen Standorten geradezu verdoppeln. Fehlt ihnen doch heute jener kräftespendende Hintergrund
von dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen, deren politisches Schicksal sie bisher immer geteilt haben.
Dieser Entgang kann durch keinen wie immer gearteten Ersatz wettgemacht werden, auch nicht durch
die Verpflichtung von Hörern des Reichs, einen bestimmten Teil ihrer Studienzeit an den sudetendeutschen Hochschulen zuzubringen. Für eine fruchtbringende wissenschaftliche Tätigkeit, in deren Dienst
die sudetendeutschen Hochschulen auch künftig stehen sollen und müssen, waren auch schon bisher die
Voraussetzungen die denkbar ungünstigsten. Durch die völlige Loslösung vom Sudetendeutschtum würde aber
eine der wichtigsten seelischen Grundlagen schöpferischer wissenschaftlicher Arbeit dahinschwinden.
Die Gründe, die für ein Verbleiben der sudetendeutschen Hochschulen in ihren bisherigen Standorten vorgebracht
werden, lassen sich bei genaueri Einsicht in die tatsächlichen Verhältnisse, die allerdings nur durch jahrelange
Erfahrung erworben werden kann, leicht widerlegen. Der Grenz- und auslandsdeutschej Volkskampfj, der
dem Sudetendeutschtum auch in derk Zukunft als Schicksalsaufgabel auferlegt bleibt, vermag vonm den sudetendeutschen Hochschulen nur vom geschlossenen deutschen Volksgebiete her mitgetragen zu werden.n
Füro die Betreuung der zweiten Aufgabe, die bisher den sudetendeutschen Hochschulen zufiel, könnte durch
Errichtung eines deutschen Reichsinstituts mit Hochschulcharakter in Prag vorgesorgt werden. Diesem
Institut würde gegebenenfalls auch die Aufgabe zufallen, für die im Reststaate verbleibenden Insel- und
Streudeutschen als Lehrinstitut wissenschaftliche Ausbildungsstätte zu sein. Es ist selbstverständlich, daß
alle an diesem Institute hauptamtlich wirkenden Lehrkräfte Reichsangehörige sein müssteno.
Die Meinung, dass die Verlegung der sudetendeutschen Hochschulen für die streudeutsche Bevölkerung
den Auftakt zur Heimkehr ins Reich bedeuten könnte, übersieht, dass diese ohnedies stärkstens heimkehrbereit ist und eines weiteren Antriebesp gar nicht mehr bedarf. Denn die Reichssehnsucht ist bei
allen deutschbewussten Angehörigen der sudetendeutschen Hochschulen wie bei allen Streudeutschen
der Sudetenländer gleich übermächtig.
Die unterzeichnetenq sudetendeutschen Hochschullehrer bleiben schliesslich der sicheren Überzeugungr,
dass auch der heutige Reichsgau Sudetenland einen sicheren Anspruch auf seine Hochschulen, die sich
gegenwärtig in Prag befinden, besitzts.
Prag, im November 1938.
[Otto]t Grosser, [Karl] Amersbach, [Adalbert] Liebus, [Richard] Zeynek, [Karl] Walko, [Hermann] Knaus,
[Theodor] Hopfner, R(udolf) Bezecny, [Ernst] Waldschmidt-Leitz, [Emanuel] Trojan, [Friedrich] Lippich,
[Johannes Paul] Fortneru, [Wilhelm] Wostry, R(udolf) Schmidt, Adolf Pascher, G(ustav) Jungbauer, K(arl)
M(aria) Swoboda, A(dolf) Rotter, E(rich) Spengler, Eugen Rippl, Zd(enko) Stary, Hedwig Langecker, Erich
Schmied, S[?] Wagmann [?], G(ustav) Pirchan, Dr. [Edgar Maria] Foltin, Dr. [Egon von] Weinzierl, [Hans]
Waldmann, Ernst Schwarz, [Maximilian] Watzka, Alois Gotsmich, [Walter] Dick, [Heinrich] Hilgenreiner,
[Edmund] Schneeweis, [Erhard] Preißig, [Josef] Gicklhorn, Dr. [Georg?] Herrmann, Dr. [Lothar] Zotz [?],
Dr. [Anton] Garkisch, Dr. Anton Blaschka, [Franz] Scola, Dr. [Alois] Beutel, Rud(olf) Schreiber, Josef
Pfitzner, Wilhelm Weizsäcker, Gustav Becking, C(arl) L(udwig) Wagner, E(duard) Winter, [?].
a) B1 handschriftlich nachgetragen; b) B1 folgt gestrichen der deutschen Universität und der deutschen
technischen Hochschule; c–c) B1 handschriftlich nachgetragen; B2 Hochschule. d) B1 handschriftlich
nachgetragen, stattdessen gestrichen tunlichst sofortiger; e–e) B1 stenografisch nachgetragen; stimmt
mit dem Text in B2 überein; f) B2 hauptsächliche. g–g) B2; h) B1 Uibelstände; i) B2 genauerer; j–j) B1
stenografisch korrigiert aus Ostlandkampf, hier ergänzt nach B2; k) B2 fehlt; l) B2 Schicksalaufgabe; m) B1
maschinenschriftlich nachgetragen; n) B1 folgt gestrichen: Für eine Vermittlung deutschen Geistesgutes an
die Tschechen, die von manchen auch bisher den sudetendeutschen Hochschulen als Aufgabe zugeschrieben wurde, fehlen alle menschlichen, persönlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, die sich auch in
Zukunft nicht schaffen lassen. Denn der Volkstumskampf zwischen Tschechen und Deutschen geht weiter
und verhindert jegliche fruchtbare Berührung zwischen deutschem und tschechischem Geistesleben. Hingegen
gibt es für diese Vermittlungstätigkeit eine Fülle anderer Wege, z.* B. die Errichtung eines Kulturinstituts mit
Hochschulcharakter oder eine deutsche Auslandsuniversität* (*–* handschriftlich nachgetragen anstatt dem
gestrichenen: die nicht über die Hochschulen führen). Auch für die Verfolgung weiterreichender politischer
Pläne erweisen sich erfahrungsgemäss Hochschulen als ungeeignete Mittel und Stützpunkte. o–o) B2; p) B2
784
Karel Hruza
Antriebs; q) B1 handschriftlich nachgetragen; r) B1 steht Uiberzeugung; s) B1 folgt durchgestrichen: und dass
das Werk der sudetendeutschen Erhebung und Befreiung unvollkommen bliebe, wenn den sudetendeutschen
Hochschulen die von ihnen so heiss ersehnte Heimkehr ins Reich versagt würde; t) B1 die in Spalten stehenden
Unterschriften wurden um Vornamen ergänzt und durch Kommata getrennt; u) In Frage kommen der Chemiker
Paul Fortner (†1941) oder dessen Sohn, der Biologe Johannes Paul Fortner (†1940).
Nr. 5
4. Februar 1940, Prag
Jan Rypka dankt Heinz Zatschek für dessen wohlwollendes Verhalten bei dessen kommissarischer
Verwaltung der Philosophischen Fakultät der geschlossenen tschechischen Karlsuniversität.
WStLA, MA 119 A42 NS-Registrierung Nr. 5768. Maschinenschriftliche Abschrift, die Zatschek zu seiner
Entlastung (Nachsicht von der Registrierung als Mitglied der NSDAP) am 27. Juli 1945 dem Magistrat
der Stadt Wien vorgelegt hat.
Abschrift
Děkan filosofické fakulty university Karlovy v Praze
Prag, den 4. II. 1940
Sehr verehrter Herr Professor,
unter dem frischen Eindrucke der soeben vergangenen Wochen ist es mir eine angenehme Pflicht, Ihnen
auch auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank zum Ausdrucke zu bringen. Mit aller Hingebung haben
Sie sich der Ihnen anvertrauten, gewiss nicht leichten Aufgabe unterzogen. Man darf nicht von Stunden,
sondern von Tagen und Wochen sprechen, die durch diese Mühewaltung Ihren sonstigen Pflichten entgingen.
Ich masse mir das Recht an, die von Ihnen geleistete Arbeit besser als irgendjemand beurteilen zu können,
wobei ich freilich die von Ihnen noch anderswo in unserem Interesse unternommenen Schritte nur ahnen
kann. Dasselbe, was Sie dabei beseelte, beschirmte uns: Ihr volles Verständnis für uns. Und es wurden
Bücherschätze, wertvolle Manuskripte, Früchte jahrzehntelanger gelehrter Arbeit – Sie kennen ja dies aus
eigener Erfahrung am besten! – und sonstiges privates Eigentum unter Ihrer sichtbaren Anteilnahme für jeden
unserer Kollegen ihrer gelehrten Benützung wieder zugeführt. Ihr wenngleich entschiedenes, so doch immer
konziliantes Wesen wusste für jede Frage eine alle Teile befriedigende Lösung ausfindig zu machen. Natürlich
verstanden Sie es unter diesen Umständen die Zusammenarbeit leicht und angenehm zu machen.
Im Namen sämtlicher Kollegen, des Kanzlei- und Fakultätspersonals, nicht zuletzt aber in meinem
eigenen danke ich Ihnen aufrichtigst für das gute Werk, das auf diese Art und Weise zustandegebracht
worden ist, und bitte Sie inständigst in demselben edelgesinnten Geiste auch fürderhin für uns wirken,
einstehen und uns ebenso tatkräftig beschirmen zu wollen, wie Sie es bisher getan haben – zum gemeinsamen Wohl und zum Fortschritte der Wissenschaft.
Mit den ergebensten Handküssen an Gnädige Frau Gemahlin habe ich die Ehre, Sie, sehr verehrter
Herr Professor, herzlichst zu begrüssen
als Ihr dankbar ergebener
J. Rypka
Nr. 6
10. Oktober 1940, Wien.
Heinrich von Srbik schreibt an Heinz Zatschek wegen dessen Berufung nach Wien.
AAVČR, Of HeZ K. 17 Nr. 800. Privatbrief ohne Briefkopf von der Hand Srbiks.
Wien, 10. X. 1940
Hoch geehrter Herr Kollege!
Als Referent für den Vorschlag zur Wiederbesetzung der durch Hans Hirsch’ Ableben erledigten ord.
Professur für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften bitte ich Sie, mir so bald als
möglich bekannt zu geben, ob Sie einem eventuellen Ruf Folge leisten würden. Falls Sie diese Anfrage bejahen, ersuche ich auch um Zusendung eines Curriculum vitae und eines Verzeichnisses Ihrer Arbeiten.
Soweit der offizielle Teil meiner Mission. Vertraulich füge ich folgendes hinzu: Gleichzeitig wird die
Heinz Zatschek (1901–1965)
785
längst beantragte Ernennung Otto Brunners zum Ordinarius betrieben. An der Realisierung ist nicht zu
zweifeln. Mit Rücksicht darauf, daß das Institut nach mancherlei Schwierigkeiten die Gleichstellung als
Archivschule mit dem Dahlemer Institut bewahren wird, jedoch eine Anpassung an die Archivausbildung
des Altreichs erfolgen muß, ist es notwendig, zum Vorstand des Instituts einen Herrn zu bestellen, der selbst
Archivpraxis als Beamter erworben hat und dem „Reichsarchiv Wien“ nahesteht. Es ist demgemäß Brunner
zum Vorstand des Instituts designiert. Selbstverständlich erwächst hieraus für den Nachfolger Hirsch’ keine
Unterordnung unter Brunner, abgesehen von der Leitung des Instituts. Das Verhältnis beider Herren wäre
ganz analog dem seiner Zeit zwischen [Emil von] Ottenthal und [Oswald] Redlich bestehenden. Wenn
Sie annehmen, würden Sie die Vorstandschaft der mittelalterlichen Abteilung des historischen Seminars
erhalten. Ferner habe ich mich anläßlich meines letzten Aufenthalts in Berlin [2. September] bei [Edmund
E.] Steng[e]l vergewissert, daß die Diplomataabteilung am Institut belassen und Ihrer Leitung anvertraut
werden würde. Da Sie neben Brunner auch die allgem. mittelalt. Geschichte zu versehen hätten, wäre zu
Ihrer Entlastung die Versehung eines Teils der Hilfswissenschaften durch einen Lehrauftrag oder, wenn
möglich, durch einen Extraord. nötig. Wir wollen hiefür [Karl] Pivec vorschlagen. Die Abgrenzung der
Hilfwiss. bliebe Ihnen und Pivec überlassen. Sie würden an 1. Stelle vorgeschlagen werden; neben Ihnen
nur noch ein Herr ([Leo] Santifaller). Mit Ihrer Ernennung wäre so gut wie sicher zu rechnen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Ihre Zusage erhielte. Bitte nur um möglichst schleunigen Bescheid,
da am 26. Oktober Fakultätssitzung ist, in der womöglich der Vorschlag bereits erstattet werden soll. Mit
freundlichen Grüßen Ihr ergebener
H. v. Srbik
Nr. 7
12. Oktober 1940, Prag
Heinz Zatschek antwortet Heinrich von Srbik auf dessen Brief vom 10. Oktober 1940.
UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40. Maschinenschriftlicher Brief mit privatem Briefkopf
Zatscheks und eigenhändiger Unterschrift; AAVČR, Of Heinz Zatschek, K. 6 Nr. 468. Durchschlag des
Briefes ohne Unterschrift.
Prag, 12. X. 1940
Sehr verehrter Herr Präsident!
Ihr Schreiben vom 10. d. M., das ich heute erhielt, bedeutet für mich sehr viel, und ich erlaube mir, Ihnen
und den Wiener Historikern aufrichtig dafür zu danken, dass Sie die stets von hervorragenden Gelehrten
und Lehrern versehene Lehrkanzel nun mir anvertrauen wollen. Ich bin selbstverständlich und sehr gerne
bereit, einem Ruf Folge zu leisten, der mich in meine Heimat zurückführt und mir Gelegenheit gibt, an
einer Stätte zu wirken, die als hohe Schule mittelalterlicher und hilfswissenschaftlicher Forschung führend
ist und an der Emil von Ottenthal und Hans Hirsch gewirkt haben, die beide auf meine wissenschaftliche
Entwicklung einen tiefgehenden Einfluss ausgeübt haben.
Im einzelnen darf ich zu Ihrem Schreiben bemerken, dass auch ich auf eine Ernennung [Otto] Brunners
zum ordentlichen Professor grösstes Gewicht lege und dass es mir irgendwie ein unangenehmes Gefühl
wäre, wenn er noch länger und neben mir Extraordinarius bliebe. Ich sehe keine Schwierigkeiten darin,
dass er die Leitung des Instituts übernimmt. Das war schon der Wunsch Professor Hirschs, und ich bin
mir auch darüber klar, dass die Leitung nicht jemand übernehmen sollte, der die Entwicklung der Lage
seit 1929 nicht mehr kennt.
Eine ausserordentlich angenehme Überraschung, für die ich Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, ganz besonders danken möchte, war für mich die Mitteilung, dass eine teilweise Entlastung von den Hilfswissenschaften
vorgesehen ist. Ich darf ganz offen gestehen, dass mir bei dem Gedanken, in einem zweijährigen Turnus
Palaeographie, Kaiser- und Papsturkunde je fünfstündig lesen zu müssen, etwas bange war. Kommt [Karl]
Pivec, dann scheint mir überdies die Gewähr geboten, dass die Ausgabe der Stauferurkunden rascher erfolgen
kann. Dass diese der österreichischen Wissenschaft verbleibt, scheint mir sehr, sehr wichtig.
Zum Schluss möchte ich Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, noch ganz besonders für Ihre freundlichen
Worte danken. Dass Sie mir schreiben, Sie würden meine Zusage begrüssen, ehrt mich doppelt und
dreifach. In den mir von früher her wohl vertrauten Aufgabenkreis werde ich mich rasch einarbeiten und
hoffe, dass ich noch dazu lernen kann, wenn ich vor weitere und neue Aufgaben gestellt werde, die ganz
786
Karel Hruza
anders sein werden als die hier in Prag. Letzten Endes gilt meine ganze Arbeit einer gesamtdeutschen
Geschichtsbetrachtung mit ständigem Blick auf das Werden des deutschen Volkes. Und gerade darin weiss
ich mich mit Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, eins.
Mit der Bitte, der verehrten Gnädigen Frau Handküsse auszurichten, und in vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener
H. Zatschek
Nr. 8
[30. November 1940, Wien]
Heinrich von Srbik berichtet im Berufungsausschuss der Philosophischen Fakultät der Universität
Wien zur Nachfolge Hans Hirsch über die vorzuschlagenden Kandidaten.
UAW, Phil. Fak. Dekanatsakten Nr. 1754, 1939/40. 9 Seiten maschinenschriftlich. Die erwähnten
Lebensläufe der Kandidaten und ihre Schriftenverzeichnisse liegen dem Akt bei.
Der überaus schwere Verlust, den die deutsche Geschichtswissenschaft, die Wiener historische Schule
und die Universität Wien durch den Tod von Hans Hirsch erlitten haben, versetzt die Fakultät in personaler
und sachlicher Hinsicht in eine sehr schwierige Lage. Es handelt sich ja nicht lediglich darum, eine ordentliche Lehrkanzel der Geschichte des Mittelalters und der historischen Hilfswissenschaften, die durch eine
führende wissenschaftliche Persönlichkeit verwaltet worden war, mit einem Mann zu besetzen, der auf
diesem Forschungs- und Lehrgebiet Hirsch gleichkommt oder die Gewissheit bietet, an ihn später heranzureichen. Der Verblichene war auch der ausgezeichnete Vorstand des Instituts für Geschichtsforschung,
einer Forschungsstätte, der im grossdeutschen Reich keine zweite von solcher Eigenart und von so ruhmvoller methodischer Lehrtätigkeit und wissenschaftlicher Produktion zur Seite steht. Dieses Institut ist
der Universität nicht eingegliedert, sondern angegliedert. Seine besondere Note verdankt es dem strengen und ausgedehnten Betrieb exakter Quellenforschung und der Hilfswissenschaften zur mittelalterlichen Geschichte. Das Institut hat sich als durchaus entwicklungsfähig erwiesen und hat zunächst seine
Tätigkeit durch eine enge Verbindung mit der Kunstgeschichte und der österreichischen Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte, der deutschen Landesgeschichte, der allgemeinen deutschen mittelalterlichen
politischen und Geistesgeschichte, der deutschen und fremdnationalen Verfassungsgeschichte immer mehr
ausgebreitet und intensiviert und zugleich seinen alten Ruf als Pflanzstätte der Hilfswissenschaften und
ihrer Anwendung bewahrt. Das Institut hat endlich auch die Hilfsdisziplinen der neueren Geschichte unter
der Leitung von Hans Hirsch in seine Lehrtätigkeit stärker einzubauen begonnen. Die Ursache des letzteren
Bestrebens liegt namentlich in der zweiten Aufgabe, die dem Institut obliegt: die Heranbildung hochqualifizierter, für den Wissenschafts- und den Verwaltungsdienst in gleichem Mass befähigter Archivbeamter.
Aber noch eine dritte Arbeitsleistung von hohem Wert ist für den Fortbestand des Instituts in der alten
Blüte von grösster Bedeutung: die ständige Mitarbeit an dem grossen deutschen, auf den Freiherrn von
[sic!] Stein zurückgehenden Unternehmen der Monumenta Germaniae. Die Mitarbeit des Instituts an
der Abteilung Kaiser- und Königsurkunden der Monumenta ist von höchstem Wert nicht nur für das
Fortschreiten und die Qualität der grossen gesamtdeutschen Aufgabe, sie ist auch noch heute und auf weite
Sicht eine der besten Schulen zur Heranziehung eines hochstehenden akademischen Nachwuchses für die
Geschichte des Mittelalters und die hilfswissenschaftliche Forschung. Aus all dem Gesagten ergibt sich
die Notwendigkeit, in dem Vorschlag sowohl für eine bestmögliche Besetzung der Lehrkanzel, wie für
die Direktion des Instituts im besonderen Hinblick auf seinen Charakter als Archivschule und endlich für
die Bewahrung der „Diplomata-Abteilung“ beim Institut Vorsorge zu treffen. Hans Hirsch hat alle diese
Aufgaben in seiner Person vereinigt und zu bewältigen verstanden. Diese Vereinigung kann nicht in der
bisherigen Weise aufrechterhalten werden, da sich durch die Auflösung des Staates Österreich manche
Voraussetzungen geändert haben und da heute kein auf der Höhe des Lebens stehender Historiker sämtlichen nötigen Anforderungen gerecht wird. Es ist eine Teilung der Pflichten vonnöten und es dürfen bei der
Personenauswahl für die Lehrkanzel nicht die wissenschaftlichen Leistungen auf einem Gebiet allein, sei
es die Geschichte des Mittelalters, seien es die historischen Hilfswissenschaften, berücksichtigt werden.
Die Frage der Institutsvorstandschaft sei hier vorweggenommen. Sie steht im engsten Zusammenhang
mit der Eigenschaft des Instituts als Bildungsanstalt für Archivbeamte und kann daher nur im Einvernehmen
mit dem Wiener „Reichsarchiv“ gelöst werden. Als geeignetste Persönlichkeit erscheint allen beteiligten
Heinz Zatschek (1901–1965)
787
Faktoren der planmässige a.ord. Professor der mittelalterlichen und österreichischen Geschichte Dr. Otto
Brunner, der selbst Beamter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs gewesen ist, und in engster Fühlung mit den
Bedürfnissen des Archivwesens steht. Die Ernennung dieses ausgezeichneten Gelehrten zum ord. Professor
ist mit 1. Februar 1938 von der Fakultät beantragt worden. Ihre Vollziehung ist vom Reichsministerium
sicher zugesagt worden und ist von äusserster Dringlichkeit. Die Ernennung Professor Brunners zum
Vorstand des Instituts wird hiemit beantragt. Er wird seine Lehrtätigkeit wie bisher zum Teil der allgemeinen und deutschen mittelalterlichen Geschichte zuwenden. Da er aber auch das weitgespannte Gebiet
der deutschen Landesgeschichte betreut, ist seine Kraft so sehr in Anspruch genommen, dass neben dem
von ihm bekleideten Ordinariat eine ausgedehnte Versehung der Geschichte des Mittelalters und der
historischen Hilfswissenschaften durch eine[n] zweiten Ordinarius eine unabweisbare Notwendigkeit ist.
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass an allen grösseren deutschen Universitäten das
Fach durch zwei ordentliche Professoren, in Berlin und Leipzig ausserdem noch durch einen planmässigen
ausserordentlichen Professor vertreten ist.
Auf einer intensiven Verbindung dieser beiden Forschungs- und Lehrgebiete beruht, wie bereits angedeutet wurde, die historische Grösse des Instituts; auf ihr soll sich auch die Zukunft des Instituts vor allem
aufbauen, wenn sich auch interne Aenderungen des Lehrplanes in manchen Hinsichten als notwendig erweisen
werden. Da somit der neben Professor Brunner zu ernennende ordentliche Professor eine zweifache ansehnliche Forschungs- und Lehrtätigkeit aufweisen muss, sind dem Vorschlag enge Grenzen vorgeschrieben.
Hervorragende Vertreter der mittelalterlichen Geschichte allein, die den Hilfswissenschaften in produktiver
Richtung ferne stehen, können schwerlich in Frage kommen. So die Professoren Percy Schramm in Göttingen,
H[ermann] Heimpel in Leipzig, Th[eodor] Mayer in Marburg und G[erhard] Kallen in Köln. Andere wieder,
die der Schule des Instituts gleich Professor Mayer entstammen und überaus hochzuschätzende Forscher
in beiden genannten Bereichen sind, müssen aus anderen Gründen ausser Betracht bleiben: so Professor
Harold Steinacker, zur Zeit Rektor der Universität Innsbruck, der das fünfundsechzigste Lebensjahr bereits
überschritten hat, und Professor R[ichard] Heuberger derselben Universität, dessen geringe Sehkraft seine
Tätigkeit an einer der grössten Hochschulen des Reichs unmöglich macht. Den nötigen Anforderungen dieses Ordinariates entsprechen nur zwei Persönlichkeiten, bei deren Reihung mit Rücksicht auf die örtlichen
Bedürfnisse von der alphabetischen Anordnung abgewichen wird, Heinz Zatschek und Leo Santifaller.
Heinz Zatschek wurde 1901 in Wien geboren, erwarb 1923 den Doktorgrad der Philosophie an
der Wiener Universität und legte im selben Jahre die Staatsprüfung des Oesterreichischen Instituts für
Geschichtsforschung mit vorzüglichem Erfolg ab. 1929 Privatdozent für historische Hilfswissenschaften
in Wien, 1929 ausserordentlicher Professor dieses Fachs an der deutschen Universität in Prag, 1934 ord.
Professor der allgemeinen Geschichte des Mittelalters und der Hilfswissenschaften ebenda, wurde Zatschek
durch Vorschläge der Universitäten Breslau, Marburg a. d. Lahn und Graz ausgezeichnet. Eine Berufung
als a.o. Professor an die Wiener Universität hatte 1930/31 zu keinem positiven Ergebnis geführt. Zatschek
ist verheiratet, Mitglied der NSDAP und des NSD.-Dozentenbundes und seit 1940 Kommissar für die
philosophische Fakultät der tschechischen Universität in Prag sowie für die öffentlichen Bibliotheken
daselbst. Nähere Angaben über seinen Lebenslauf enthält das beiliegende Curriculum vitae.
Leo Santifaller wurde 1890 in Kastelrut, Bezirk Bozen, geboren, studierte an den Universitäten Wien,
Freiburg i. Br. und Innsbruck, erwarb nach mehrjähriger Kriegsdienstleistung, während deren er verwundet
und wiederholt ausgezeichnet wurde, den Doktorgrad der Philosophie an der Wiener Universität und absolvierte 1921 als ord. Mitglied das Oesterr. Institut für Geschichtsforschung. Nach längerer Verwendung
als Leiter des Staatsarchivs in Bozen, als Stipendiat am Preussischen Histor. Institut in Rom und in der
Diplomataabteilung der Monumenta Germaniae zu Berlin habilitierte er sich 1928 für mittlere und neuere Geschichte an der Universität Berlin und ist seit 1929 ordentlicher Professor für mittlere und neuere
Geschichte an der Universität Breslau. Er ist verheiratet, und Mitglied des NS Lehrerbundes. Weitere
Angaben enthält das beili[e]gende Curriculum vitae.
Da, wie erwähnt, Professor Brunner nur einen Teil seiner Kraft der lehramtlichen Vertretung der
allgemeinen mittelalterlichen Geschichte widmen kann und da der neben ihm zu ernennende ordentliche
Professor als zukünftiger Vorstand der mittelalterlichen Abteilung des Historischen Seminars und durch
einen Hauptteil der mittelalterlichen Vorlesungen sehr stark in Anspruch genommen sein wird, ist es eine
Unmöglichkeit, die gesamte ausgedehnte und tiefgreifende Vertretung der historischen Hilfswissenschaften
auf die Schultern dieses Professors allein zu legen. Es ist vielmehr eine unabweisbare Notwendigkeit, dass
ausser den beiden genannten Ordinarien ein planmässiger a.o. Professor der historischen Hilfswissenschaften
788
Karel Hruza
ernannt werde, wenn anders das Wiener Institut für Geschichtsforschung seinen vielfältigen Aufgaben
gerecht werden soll. Für diese Professur wird Professor Karl Pivec in Vorschlag gebracht.
Karl Pivec, geb. 1905 in Wien, studierte an der Universität in Wien, war 1927–1929 ord. Mitglied
des Oesterr. Instituts für Geschichtsforschung, seit 1929 Mitarbeiter der Monumenta Germaniae historica,
1932 wissenschaftliche Hilfskraft, 1937 Assistent am genannten Institut. 1935 wurde er als Privatdozent
für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften an der Wiener Universität zugelassen, 1938 nach Leipzig zur vertretungsweisen Wahrnehmung der ausserord. Professur für historische
Hilfswissenschaften berufen, 1939 zum planm. ausserordentlichen Professor dieses Faches und Direktor
des Seminars für historische Hilfswissenschaften an der Universität Leipzig ernannt. Curriculum vitae
und Schriftenverzeichnis liegen bei.
Der Vorschlag lautet sohin: Für die ordentliche Lehrkanzel für Geschichte des Mittelalters und der
historischen Hilfswissenschaften Heinz Zatschek und Leo Santifaller. Professor Zatschek muss als der
Gelehrte bezeichnet werden, der die Forschungs- und Lehraufgaben des Instituts am besten zu vertreten
und weiter zu bilden geeignet wäre und dessen Ernennung besonders wünschenswert ist. Für die planm.
a.o. Professur für historische Hilfswissenschaften wird Professor Pivec vorgeschlagen. Sämtliche drei
Herren haben sich bereit erklärt, einer Berufung Folge zu leisten.
Nr. 9
30. Juni/5. und 12. Juli 1941, Berlin
Der Präsident der MGH Edmund E. Stengel schreibt Heinz Zatschek in Angelegenheit der Edition der
Diplome Konrads III. (A) und sendet eine von beiden am 5. bzw. 12. Juli unterzeichnete Vereinbarung
mit (B).
AAVČR, Of HeZ K. 7 Nr. 599. Beide Dokumente maschinenschriftliche Briefe mit Briefkopf der MGH
und eigenhändigen Unterschriften.
A
Reichsinstitut für ältere
deutsche Geschichtskunde
(Monumenta Germaniae Historica)
Der Präsident
Herrn
Berlin NW 7, den 30. Juni 1941
Charlottenstraße 41
Fernruf: 16 27 89
Nr. 337/41 ST/H
Professor Dr. Zatschek
Institut für Geschichtsforschung
Wien I
Universität
Sehr verehrter Herr Kollege!
Besten Dank für Ihren Brief vom 23.d.Mts.
[D]ortigen [IÖG Wien] Verhältnissen dürfte die Honorierung von 50,- RM wohl nur für 3-stündige
Arbeitszeit ausreichen. Ich bitte, die Hilfskraft [Maria Habacher] also auf diese Stundenzahl zu verpflichten.
Bei längerer Bewährung und guter Leistung kann später dann eventuell eine Steigerung erfolgen.
In der Fassung der Vereinbarung hoffe ich, Ihrem einen Änderungswunsch am besten dadurch zu
entsprechen, daß die Bezugnahme auf Hirsch ganz wegfällt.1
Wenn ich unsere Vereinbarung zunächst und vorläufig nur auf Konrad III. bezogen habe, so darf ich
dazu folgendes bemerken. Es ist Ihnen wohl bekannt, daß die sehr lange dauernde Editionsarbeit an Konrad
III. im Laufe der Zeit eine recht kritische Stimmung in dem an den MGH interessierten Teil der Fachwelt
ausgelöst hat. Diese Stimmung veranlaßte meinen kommissarischen Vorgänger Engel, ein Abkommen mit
Hirsch zu schließen, nach welchem die archivalische Vorarbeit an den DDF I zum Teil von Berlin aus geleistet
werden sollte. Hirsch hat damals eine Zeit lang sogar selbst davon gesprochen, daß auch die Bearbeitung
vielleicht geteilt werden könne. Ich selbst bin mir von Anfang an darüber klar gewesen, daß das Abkommen
789
Heinz Zatschek (1901–1965)
eine Quelle von Schwierigkeiten sein würde, und ich habe darum davon abgesehen, von ihm Gebrauch zu
machen; ich war und bin der Meinung, daß alles geschehen müsse, um die Wiener Bearbeitung der Frühstaufer
zu erhalten und zu aktivieren. Als Hirsch dann gestorben war, hat sich sofort an mehreren Stellen eine recht
rege Propaganda erhoben, die darauf abzielte, die Frühstaufer von Wien wegzunehmen; mindestens eine von
ihnen war bereit, das Erbe anzutreten. Ich habe diesen Stimmen nicht nachgegeben. Sie wissen, daß meine
Stellungnahme zur Frage Nachfolge Hirsch ganz darauf abgestellt gewesen ist, dem Wiener Lehrstuhl und
dem Wiener Institut ihre alte Bedeutung zu erhalten, sowohl inbezug auf die archivalische Ausbildung als
auch inbezug auf die unentbehrliche Mitarbeit Wiens an den MG. Insbesondere ist es ja gelungen, mit Ihrer
Berufung gerade den Mann an die Wiener Edition zurückzubringen, der die beste Eignung und die nächste
Anwartschaft für sie hat. Daraus ergibt sich deutlich, worauf ich hinaus will.
Aber auf der anderen Seite darf ich doch auch nicht die Verantwortung übersehen, die mir die
Vorgeschichte der frühstaufischen Diplomata auferlegt und die ich vor der Gesamtheit unseres Faches
und vor meinen künftigen Nachfolgern trage. Ich bitte Sie, verehrter Herr Kollege, diese meine Lage zu
würdigen und es nicht als Mißtrauen aufzufassen, wenn ich für geboten halte, in dieser Sache zunächst
einmal „kurz zu treten“. Es handelt sich dabei ja auch nicht um etwas Neues; ich habe mich bereits Ende
vorigen Jahres Ihnen gegenüber im gleichen Sinne ausgesprochen.
Bei der Arbeitsenergie, die wir aus Ihrer bisherigen Leistung kennen, ist es ja – abgesehen von der durch
den Krieg geschaffenen Unsicherheit – ohnehin gewiß nur eine Frage kurzer Zeit, daß sich der Auftrag
des Reichsinstituts auch ausdrücklich auf Friedrich I. und Heinrich VI. erstrecken wird, und der Apparat
der Fortsetzung bleibt selbstverständlich da, wo er ist. Um Ihnen aber schon jetzt die Anwartschaft auch
auf die Fortsetzung selbst zu geben, bin ich bereit, einen darauf bezüglichen Satz unserer Vereinbarung
noch hinzuzufügen.
Ich lege Ihnen die somit an zwei Stellen geänderte Fassung in 2 Exemplaren hier bei mit der Bitte,
dieselben, wenn Sie einverstanden sind, unterfertigt zurückzusenden; das eine geht Ihnen mit meiner
Unterschrift dann wieder zu.
Mit der Bitte, mich Ihrer verehrten Gattin freundlichst zu
empfehlen und kollegialen Grüßen an Sie selbst
Heil Hitler!
Ihr ergebener
E[.] Stengel
Anlagen.
PS.a
Was das von Ihnen erwähnte Gerücht betrifft, so weiß es offenbar mehr als ich selbst. Es beruhtb auf einer
bereits weit zurückliegenden, ganz wagen Erwägung Münchener Ursprungs, die über dies Stadium nicht
hinausgekommen ist.
a) Das ganze Postscriptum handschriftlich nachgetragen; b) folgt gestrichen offenbar.
1 In dem Entwurf der Vereinbarung, den Stengel am 19.06.1941 an Zatschek sandte, stand: Herr
Professor Zatschek übernimmt im Auftrage des Reichsinstituts zur Veröffentlichung im Rahmen der
Kaiserurkundenausgabe der Monumenta Germaniae historica die Vollendung der von Prof. Dr. Hirsch
unvollendet hinterlassenen Edition der Diplome Konrads III. […]. AAVČR, Of HeZ K. 7 Nr. 599.
B
Reichsinstitut für ältere
deutsche Geschichtskunde
(Monumenta Germaniae Historica)
Der Präsident
Berlin NW 7, den
Charlottenstraße 41
Fernruf: 16 27 89
Nr.
790
Karel Hruza
Vereinbarung.
Zwischen dem Präsidenten des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde, Herrn Professor
Dr. Edmund E. Stengel in Berlin einerseits und Herrn Professor Dr. Heinz Zatschek in Wien ist folgende
Vereinbarung getroffen worden.
Herr Professor Zatschek übernimmt im Auftrage des Reichsinstituts zur Veröffentlichung im
Rahmen der Kaiserurkundenausgabe der Monumenta Germaniae historica die Vollendung der Edition der
Diplome Konrads III. Er wird in Gemeinschaft mit dem Mitarbeiter des Reichsinstituts Dr. Heinrich von
Fichtenau arbeiten, der ihm unterstellt wird. Außerdem stellt ihm das Reichsinstitut noch eine Hilfskraft
zur Erleichterung der Arbeiten zur Verfügung. Nach Abschluß des Druckes wird Herr Professor Zatschek
vom Reichsinstitut als Vergütung ein noch festzusetzendes Bogenhonorar erhalten. Die Fürsorge für
den ganzen im Wiener Institut für Geschichtsforschung befindlichen Apparat der Frühstaufer-Diplome
wird Herrn Professor Zatschek anvertraut. Es wird in Aussicht genommen, daß Herr Professor Zatschek
nach Vollendung der Edition der Diplome Konrads III. auch die Ausgabe der Diplome Friedrichs I. und
Heinrichs VI. übertragen werde.
Diese Vereinbarung kann beiderseits mit 6-wöchentlicher Frist gekündigt werden.
Im Falle der Kündigung verbleiben sämtliche im Auftrage des Reichsinstituts entstandenen wissenschaftlichen Vorarbeiten und Ausarbeitungen Eigentum des Reichsinstituts; Herr Professor Zatschek erhält
diesfalls eine seinem Arbeitsaufwand entsprechende Vergütung.
Herr Professor Zatschek verpflichtet sich, über den Fortgang der Ausgabe jeweils zum 1.IV. des
Jahres Bericht zu erstatten.
Berlin, den 12. VII. 41
Wien, den 5. VII. 1941
E[.] Stengel
H. Zatschek
Nr. 10
5. März 1942, [Prag]
Hans Joachim Beyer unterrichtet Heinz Zatschek über bestimmte Ereignisse und bittet ihn um einen
Kommentar zu einem Etatplan für die Philosophische Fakultät der Deutschen Universität in Prag.
AAVČR, Of HeZ K. 4 Nr. 69. Brief auf Briefpapier des Hotels Astoria (Prag) von der Hand Beyers.
5. III. 42
Sehr verehrter Herr Kollege,
ich beeile mich, Ihnen vertraulich von
einigen Vorgängen Kenntnis zu geben und bitte Sie, sich darüber Gedanken zu machen, sodaß ich Sie
am Sonnabend, spätestens am Sonntag anrufen kann. Sie wissen, daß Prof. [Alfred] Buntru zur Zeit in
Berlin ist, um kommissarisch den bekannten Auftrag zu übernehmen. Ich habe inzwischen hier veranlaßt,
daß der Etat nicht abgeschlossen wird, damit schon für das beginnende Etatjahr möglichst viel erreicht
wird. Am Freitag bin ich beim Staatssekretär [Karl Hermann Frank], nächste Woche kommt der O’Gruf.
[Reinhard Heydrich] zurück. Anfang kommender Woche dürften die Veränderungen im Akademischen
Senat [der Universität Prag] vor sich gehen, ich habe vorgeschlagen, sich zunächst mit der Ablösung von
Be [Gustav Becking] (kommissarisch durch seinen bisherigen Vertreter H. [Erich Hofmann]) und des
Pro-R. H [Herwig Hamperl] (durch [Viktor] Denk?) zu begnügen. Zum S..S. [sic! = Sommersemester?]
müssen dann weitgehendst endgültige Verhältnisse geschaffen werden.
Vor mir liegt nun der Etat. Ich teile Ihnen folgend Positionen mit der Bitte mit, mir doch bei meinem
Anruf ganz knapp ja / nein zu sagen. Es wird nicht möglich sein, den Etat weiter hinauszuschieben, auf
jeden Fall muß er zunächst bearbeitet werden. Anläßlich der Besprechung um den 18. III. herum wird
noch Möglichkeit sein, im letzten Augenblick Ergänzungen vorzunehmen.
Es ist bisher vorgeschlagen: Neue Ord. 1) byzantinische Philologie 2) Indolog. Philologie 3) Japanologie
4) Pol. Erziehungslehre. Umwandlung: Vgl. Sprachwissenschaft (a. o.) in Ord. Neue A. O.: 1)
Balkanromanistik 2) Gesch. Südosteuropas 3) Kunde des vorderen Orients 4) Kunde des Alten Orients
5) Theaterwissenschaft.
Ganz kurz dazu meine, im Einzelnen noch nicht erschöpfend überlegte Meinung (als Gesprächs-Ersatz): Die
Vorschläge entsprechen mir sehr wenig den erörterten anderen Plänen. Ohne weiteres klar dürften gehen:
Umwandlung vgl. Sprachwiss. ([Erich] Hofmann), da der Lehrstuhlinhaber ord. Professor ist. Ord. Byzant.
Heinz Zatschek (1901–1965)
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wird damit begründet, daß Prof. [Edmund] Weigand auf einem anderen Lehrstuhl sitzt, der wieder besetzt
werden soll. Welcher Lehrstuhl ist das? An sich könnte man mit einem derartigen Ord. einverstanden
sein.
Fragwürdiger sind bereits die 4 „Asien-Lehrstühle“. Begründung meistens: Die Č. [Tschechen] hätten so
etwas gehabt. Ich kann das als Argument nicht voll anerkennen. Auf jeden Fall halte ich für bedenklich
die rein philologische oder archäologische Abhandlung. Wenn man Japankunde für notwendig hält, dann
sollte sie ein Professor durchführen, der Staats-, Volks- u. Landeskunde des modernen Japan kennt. Daß
ein č. [tschechisches] Keilschriftinstitut übernommen werden kann, rechtfertigt m. E. auch noch nicht
ein neues A. O. für alten Orient, notfalls müßten die Bestände wandern. A. O. für neueren Orient ist als
Ergänzung für indolog. Philologie, Balkanromanistik und Geschichte Südosteuropas gedacht; m. E. könnte
man darüber reden, wenn an die Türkvölker, insbes. ihre nördlichen Stämme (Krimtataren usw.) gedacht
wird. Meine Meinung geht dahin: Japankunde im obigen Sinne: ja, neuerer Orient (Turkologie): ja. Alter
Orient: nein. Indologie: Nein.
Das Ord. für pol. Erziehungslehre halte ich geradezu für bedenklich. Wie sollen „Pädagogik“ u. „pol.
Erziehungslehre“ getrennt werden? In Berlin ist beides vertreten ([Eduard?] Spranger, [Alfred] Bäumler)
ohne daß dadurch eine wesentliche Mehrfachung auf pädag. wiss. Gebiete erfolgt. M. E. genügt die
Neubesetzung des pädag. Lehrstuhls mit einem ordentlichen Mann.
Balkanromanistik: wäre nicht schlecht. Man müsste aber auch hier von der reinen Philologie fort. Etwa:
Rumänische Sprach- und Volksforschung.
Theaterwissenschaft: gehört diese Aufgabe nicht in den Bereich des Hochschulinstituts für Musik und
darstellende Kunst?
Gesch. Südosteuropas: Hier bin ich der Meinung, daß ein 2. Ord. für neuere Geschichte und unter bes.
Berücksichtigung Südosteuropas zu schaffen wäre.
Unter Berücksichtigung obiger Vorschläge würde mein Vorschlag, zu dem ich Ihre Äußerung erbitte,
lauten:
A. Umwandlungen 1. mittelalterl. Gesch. u. Hilfswissenschaften 2. vergl. Sprachwissenschaft. B. Neue Ord.
1) Japankunde 2) zweites Ordinariat für neuere Gesch. unter bes. Berücksichtigung SOE [Südosteuropas]
3) Byzantinistik 4) Volkslehre u. europäische Völkerkunde (Verlegung des Lehrstuhls Beyer – Posen nach
Prag). C. Extraordinariate: 1) Sprachl. Volksforschung ([Herbert] Weinelt) 2) Turkologie (neuerer Orient) 3)
Sprach- u. Völkerpsychologie 4) Rassenkunde Südosteuropas 5) Mährische Geschichte 6) Balkanromanistik
(im volkswissensch. u. philol. Sinne). Dazu eine Honorarprofessur für Mittellatein ([Anton] Blaschka) 7)
Wirtschaftsgeschichte Südosteuropas ([Erich?] Dittrich – Leipzig?) 8) Ukraine-Kunde.
Heil Hitler!
Ihr sehr ergebener
Beyer
Nr. 11
25. November 1944, Milovice
Oberfähnrich Heinz Waack gibt eine Stellungnahme zu Heinz Zatscheks Vortrag „Die Judenfrage“.
AAVČR, Of HeZ K. 17 Nr. 813. Handschriftlicher Privatbrief von drei Seiten.
Waack
Milowitz, d. 25.11.44
Ofnr.
12. Insp., 4. Abt.
Stellungnahme zum Vortrag „Die Judenfrage“ von Professor Dr. Katschek [sic!].
Die Sprechweise des Vortragenden hätte im allgemeinen bei der Größe des Raumes noch etwas eindringender sein können, da man auf den hinteren Sitzreihen am Anfang des Vortrages äußerst aufmerksam
sein mußte, um alles zu verstehen. Dies war zum Teil auch durch den ostmärkischen Dialekt bedingt.
Das Thema war in straffer Logik entwickelt und wurde in einer inhaltreichen Form gebracht.
Der Vortragende gab uns zu Beginn seiner Ausführungen einen Überblick über die Entstehung des
Weltjudentums. Interessant war, dass auch die Juden ursprünglich ein Bauernvolk waren, genau wie
die anderen Völker. Erst später durch die Verschleppung von Palästina nach Mesopotanien [sic!] und
der Ausbreitung von da aus um das Mittelmeer, entstand ein Rassengemisch. Doch auch nach seiner
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Karel Hruza
weiteren Zerstreuung über die ganze Welt, hat das Judentum sich stets als Blutsgemeinschaft gefühlt
und war entschlossen, in der ganzen Welt seine Rasse aufrechtzuerhalten. Die Geschichte des jüdischen
Einflusses in Deutschland beginnt erst mit dem 19. Jahrhundert. Bis dahin hat das deutsche Volk die
Juden als Fremde behandelt, sie wohnten daher in geschlossenen Gettos. Eine Blutsmischung war bis
dahin aus dem natürlichen Rasseempfinden heraus so gut wie ganz unterblieben. Erst mit dem Einbruch
der Französischen Revolution wurde es anders. Ihre geistigen Erben, am Anfang der Liberalismus und
später auch der Marxismus, machten sich die Lehre von der „Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz
trägt“ zu eigen und traten für die völlige Gleichberechtigung der Juden ein. Seit diesem Zeitpunkt macht
sich dann die Rassenmischung immer stärker bemerkbar. Wie überall voll Eigensucht und Genußgier,
besonders da, wo er es mit einem Nichtjuden zu tun hat, ist der Jude auf geschlechtlichem Gebiete ohne
sittliche Hemmungen. Es ist klar bewiesen, daß das jüdische Blut immer wieder zum Vorschein kommt. Je
vermischter die Rassen sind, desto besser verbirgt sich der Jude. Er wünscht deshalb die Rassenmischung,
die Undurchsichtigkeit, die Tarnung.
Der Vortragende stellte dann ganz klar heraus, wie der Jude es geschickt verstanden hat nach und
nach das ganze Wirtschaftsleben an sich zu reißen und mit welchen Mitteln. Doch auch auf kulturellem
Gebiet drängte sich der artfremde Jude in den ureigensten, den seelischen Bereich unseres Volkes ein, er
wollte den geistigen Besitz der Deutschen verwalten. Dies alles genügte dem Juden noch nicht. Um seine
Weltherrschaftspläne 100%tig [sic!] zu verwirklichen, mußte er auch die politische Macht gewinnen.
Unser Führer erkannte diese große Gefahr und hat diese Pläne endgültig zunichte gemacht.
Ich bin mit den Ausführungen des Vortragenden durchaus einverstanden, sie waren so klar, daß sich
jede Kritik erübrigt. Wir haben gesehen, wie ungeheuer wichtig die Rassenfrage für unser Volk ist.
Der Zweck des Vortrags wurde in vollem Umfange erreicht. Die Ausführungen haben jedem Zuhörer
sehr viel gegeben.
Heinz Waack
Oberfähnrich
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