Leitlinien-orientierte chirurgische Therapie des Pankreaskarzinoms Joachim Jähne, Max Bröse Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie Schwerpunkt für endokrine und onkologische Chirurgie Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH Neoplasien des Pankreas Intraductale papillär-mucinöse Neoplasie (IPMN): - Benigne - Borderline - maligne nicht-invasiv/invasiv WHO, eds. Hamilton and Aaltonen, 2000 Weltweite Inzidenz des Pankreaskarzinoms WHO, eds. Hamilton and Aaltonen, 2000 Geschichte der Pankreaschirurgie Schnelldorfer et al, 2008 Pankreaskarzinom Moment of truth "It took me approximately 15 years to become discouraged with radical operations for cancer of the head of the pancreas." George Crile, Surg. Gynecol. Obstet. 130, 1049, 1970 Pankreaskarzinom Chirurgische Betrachtung des Problems (nach Trede, Br. J. Surg. 74, 79, 1987) Nihilismus: Palliativeingriffe selbst bei resektablen Tumoren wegen hoher perioperativer Letalität und schlechter Prognose Realismus: Kurative Resektion als subtotale oder totale Pankreatektomie bei offensichtlich resektablen Tumoren, nicht jedoch in Situationen, die eine multiviscerale Resektion, z.T. mit Gefäßresektion, erfordern Aktivismus: Multiviscerale Resektionen mit Gefäßersatz bei fortge schrittenen Tumoren oder regionale Pankreatektomie selbst in frühen Tumorstadien Pankreaskarzinom Entwicklungen der letzten Jahre in der chirurgischen Therapie Zunahme der Resektionsrate Zunahme der R0-Resektionen Abnahme von Morbidität und Letalität Verbesserung der Überlebensraten bei befriedigenden funktionellen Langzeitergebnissen Eingriffshäufigkeit und Mortalität Einfluß der Fallzahl (Hospital volume) auf die postoperative Mortalität nach Pankreato-Duodenektomie Ho und Heslin, Ann Surg 237, 2003 Einfluß von Chirurg und Klinik auf die Mortalität S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Diagnostik zur Detektion des Pankreaskarzinoms: - Oberbauchsonographie - Endosonographie - Multidetektor-CT-Untersuchung - die MRT in Kombination mit der MRCP • Bürstenzytologie aus dem Gallengang bei V.a. ein Pankreaskarzinom: niedrige Sensitivität • Bürstenzytologie aus dem Pankreasgang: nicht empfohlen • Deswegen ist eine ERCP zur Gewebediagnostik des Pankreaskarzinoms nicht indiziert. Stichwort: ERCP Methode durchgeführt (n) Diagnose: Ca Sensitivität (%) ERCP-histologisch 28 12 42,9 ERCP-zytologisch 14 4 28,6 Feinnadelpunktion 25 14 56,0 S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Zur präoperativen Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung bzw. zur Beurteilung der Resektabilität sind die CT und die Endosonographie zu bevorzugen. • Die Staging-Laparoskopie ist fakultativ einzusetzen. Obere Reihe Li: Raumforderung zwischen Magenhinterwand und Tumor; LK-Filia (weiße Pfeile)? Mitte: Oberrand des Tumors, Umwachsen der A.lienalis (weiße Pfeile) Re: Umwachsen der A.lienalis (weiße Pfeile), thrombosierte V.lienalis (roter Pfeil) Untere Reihe Li: Tumorzentrum (weiße Pfeile), V.a. Tumorinfiltrate im Fettgewebe am Milzhilus (rote Sterne), Tumorwachstum entlang verschlossener Milzvene in Richtung Confluens (Kreis) Mitte: unterer Tumoranteil (weiße Pfeile), Tumorinfiltration Retroperitoneum (rote Pfeile) Rechts: Tumorinfiltration Retroperitoneum (rote Pfeile) ** S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Bei Vorliegen einer potenziell resektablen, karzinomverdächtigen Raumforderung im Pankreas sollte primär die Resektion erfolgen. • Das Alter sollte kein Kriterium sein, einen Patienten von der Resektion eines Pankreaskarzinoms auszuschließen. • Komorbidität kann ein Kriterium sein, bei einem Patienten auf eine Resektion zu verzichten. S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Trotz einer Infiltration von Nachbarorganen kann ein Pankreaskarzinom im Gesunden resektabel sein. • Die Infiltration des Truncus coeliacus und der Arteria mesenterica superior erlaubt fast nie eine Resektion im Gesunden. • Die Infiltration der Pfortader sollte kein Ausschluss für eine Resektion sein. Die Infiltration der V. mes. sup. läßt seltener als diejenige der Pfortader eine Resektion im Gesunden zu. Pankreasschwanzkarzinom mit Infiltration der V. lieanlis und der V. portae Rekonstruktion des mesenterico-portalen Venenstammes durch E/E-Anastomosierung S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Bei präoperativ bekannten Fernmetastasen eines duktalen Pankreaskarzinoms (Organmetastasen, Peritonealkarzinose, als Fernmetastasen geltende Lymphknotenmetastasen): - keine Resektion des Primärtumors • Bei erst intraoperativ nachweisbaren Fernmetastasen: - keine Resektion trotz gegebener Resektabilität Multiviscerale Palliativresektion beim metastasierten Pankreasschwanzkarzinom zur Symptomlinderung S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Eine präoperative Galleableitung mittels Stent sollte nicht regelhaft erfolgen, sondern nur, wenn eine Cholangitis vorliegt oder die Operation nicht sofort erfolgen kann. Stenteinlage Morbidität post-OP n % n % ja 23 54,8 7 30,4 nein 19 45,2 6 31,6 S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Ziel der Resektion beim Pankreaskarzinom: R0-Resektion mit systematischer, aber nicht erweiterter Lymphadenektomie • Pankreaskopfkarzinom: partielle Duodenopankreatektomie mit oder ohne Pyloruserhalt, ggfs. auch totale Pankreatektomie bzw. multiviscerale Resektion • Klassischer Whipple versus pp-Whipple: bzgl. der postoperativen Morbidität und Letalität sowie der onkologischen Langzeitergebnisse gleichwertig • Karzinom des Pankreasschwanzes: Pankreaslinksresektion, ggfs. multivisceral • Pankreaskorpuskarzinom: subtotale Pankreaslinksresektion, ggfs. totale Duodenopankreatektomie Resektate eines Pankreaskopfkarzinoms Rekonstruktion des Pankreas durch Roux-Y Schlinge Im eigenen Vorgehen bevorzugt: E/S Pankreato-Gastrostomie S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Die Reduktion der pankreasspezifischen Komplikationen durch eine perioperative Somatostatinprophylaxe ist durch eine Metaanalyse randomisierter Studien belegt. • Es liegen keine gesicherten Daten zum notwendigen Sicherheitsabstand bei der Resektion eines Pankreaskarzinoms vor. • makroskopisch eingeschätzte Resektionsgrenzen zur Erzielung einer R0-Resektion: - am Pankreasgewebe: 10 mm - bei den Gallengängen: 10 mm - am Magen/Pylorus: 10 mm • Im Bereich des Retroperitoneums lassen sich aus anatomischen Gründen hierzu keinerlei Zielsetzungen über die Resektion im Gesunden hinaus vorgeben. S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Laparoskopisches Tumorstaging: Ja! • Laparoskopische Chirurgie beim Pankreaskarzinom: Nein! • Schnellschnitte: - Diagnose von Fernmetastasen - Pankreasabsetzungs- ,ggfs. Gallengangsabsetzungsrand - putative Lebermetastasen und eine evtl. Peritonealkarzinose • Kein Schnellschnitt: Lymphknoten und retroperitonealer Absetzungsrand • Intraoperative Nadel- oder Inzisionsbiopsien des Primärtumors im Pankreas zur Diagnosesicherung bezüglich ihrer Dignität unklarer Pankreasläsionen sollten unterbleiben. S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Kriterien der R0-Resektion: - tumorfreie Absetzungsrand am Ductus hepaticus, an der Pankreasresektionsfläche sowie zirkumferentiell inklusive retroperitonealer Präparaterand. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass keine Fernmetastasen (Organe, Peritoneum, Lymphknoten) belassen werden. n Resektionsrate n % Kopf 80 32 40 Körper 14 9 64,3 Schwanz 4 1 25 Resektionsrate gesamt: R0-Resektion: 42,9% 83,3% Perioperative Daten zur Frage: Whipple vs. pyloruserhaltend Friess et al, Chirurg 74, 2003 LK-Stationen beim Pankreaskarzinom LK-Metastasen im eigenen Kollektiv: 69% aller Resektionen Fernmetastasen intraoperativ: 4,8% Pedrazzoli et al., 1999 Bedeutung des Ausmaßes der Lymphknotendissektion beim Pankreaskarzinom Friess et al, Chirurg 74, 2003 Morbidität Morbidität OP-Art n n % Resektion 42 13 31,0 palliativ nicht-resezierend 41 11 26,8 Exploration 15 2 13,3 Operative Revisionen rev.-pflichtige Komplikationen OP-Art n n % Resektion 42 3 7,1 palliativ nicht-resezierend 41 2 4,9 Exploration 15 1 6,7 alle OPs 98 6 6,1 Krankenhausverweildauer und Letalität Krankenhausliegedauer (Tage) OP-Art n median Bereich Resektion 42 17,5 10-90 palliativ nicht resezierend 41 11 7-52 Exploration 15 8 5-17 n Resektion 42 Letalität n % 1 2,4 Postoperative Mortalität nach Pankreasresektionen aus: Friess et al, Chirurg 74, 2003 Survival – Eigenes Kollektiv Überleben R0 vs. nicht-resezierend: p=0,04 Überleben R0 vs. R1/2: p=0,271 Überleben R1/2 vs. nicht-resezierend: p=0,697 Cameron et al, Surg. Clinics N Am 1995 Raut et al, Ann Surg 246, 2007 Stellenwert der totalen Duodenopankreatektomie Müller et al, Ann Surg 246, 2007 S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Nach R0-Resektion eines Pankreaskarzinoms besteht im UICCStadium I-III eine Indikation zur adjuvanten Chemotherapie. p=0,02 Oettle et al, JAMA 297, 2007 S3 Leitlinie Pankreaskarzinom (Adler et al, Z Gastroenterol 45, 487-523, 2007) • Operative Strategie bei IPMT / zystischen Pankreastumoren - Empfehlung: Alle potentiell malignen Tumorentitäten werden primär in gleicher Zielsetzung und bezüglich des Pankreas mit gleichem Resektionsausmaß operiert wie das duktale Pankreaskarzinom. Pankreaskarzinom Chirurgische Therapie - Zusammenfassung Diagnosestellung in frühen Tumorstadien ! Aufgrund einer vertretbaren Morbidität und niedrigen Letalität ist ein therapeutischer Nihilismus nicht mehr angebracht ! Ziel der Operation ist die R0-Resektion ! Aufgrund von weiterhin unbefriedigenden Überlebensraten selbst nach R0-Resektionen sind Verbesserungen nur durch eine Optimierung neoadjuvanter und/oder adjuvanter Therapiemodalitäten zu erwarten ! Die Behandlung des Pankreaskarzinoms ist interdisziplinär! Stadiengerechte Tumorbehandlung durch Kooperation verschiedener Fachdisziplinen!