Evolution Formenvielfalt: ca. 1 Million Tierarten, ca. 0,5 Millionen Pflanzenarten Frage nach der Entstehung dieser Arten: Schöpfungslehre: Unveränderlichkeit (Konstanz) der Arten, bis Ende des 18. Jahrhunderts. Abstammungslehre: Arten sind veränderlich und haben sich im Laufe der Evolution gebildet. Evolutionstheorien: Versuche die Ursachen für den Ablauf des Artenwandels zu ergründen Evolution: Weiterentwicklung der Lebewesen von einfacheren, wenig spezialisierten Grundformen zu differenzierten und an unterschiedliche Umwelteinflüsse bestens angepasste Lebewesen. bzw. Evolution ist ein Prozess, der dazu führt, dass im Laufe der Generationsfolge die ARTEN (Spezies) abwandeln, d.h. andere und neue ARTEN entstehen. Die ARTBILDUNG ist ein ZENTRALER VORGANG im EVOLUTIONSGESCHEHEN ART Jäger und Sammler der Frühkulturen mussten jagdbare Tiere, nahrungspflanzen und Heilpflanzen kennen und von anderen unterscheiden können. Die Charakterisierung der Arten erfolgte an Hand von Merkmalskombinationen von ähnlich aussehenden und ähnlich gebauten Individuen (morphologische Kriterien). - morphologischer Artbegriff: Die Arten werden durch übereinstimmende sichtbare Merkmale charakterisiert. Eine Art ist die Gesamtheit aller Individuen, die in allen wesentlichen Merkmalen untereinander und mit ihren Nachkommen übereinstimmen Klassifizierungsschema: (SKOFGAR) Stamm: Wirbeltiere Klasse: Säugetiere Ordnung: Fleischfresser Familie: Katzenartige Gattung: Katze Art: Hauskatze: Felis domestica (binäre Nomenklatur) ABER: Geschlechtsdimorphismus (z.B. marine Ringelwürmer /Vögel), Generationswechsel: unterschiedliche aussehende Generationen (Moose / Farne) - biologischer (genetischer) Artbegriff: „Alles was sich paart und schart, gehört zu einer Art“!! Eine Art ist eine potentielle Fortpflanzungsgemeinschaft; die Nachkommen müssen ebenfalls fruchtbar sein! (Esel x Pferd = Maulesel / Maultier unfruchtbar verschiedene Arten) Esel Pferd Maulesel Bei der Klassifizierung der Arten fällt auf, dass auch bei unterschiedlichen Arten übereinstimmende Merkmale auftreten. Abstammungslehre Seite 293 © Florian Zeller 08 / 09 POPULATION Gesamtheit der Individuen einer Art in einem bestimmten Gebiet. Genpool: gemeinsames genetisches System; jede Art besitzt einen einheitlichen Genpool, jedes Individuum davon einen Bruchteil! Aus einer Population können neue RASSEN hervorgehen. Lebewesen mit ähnlichen, stabilen Genkombinationen, die sich deutlich von anderen Rassen unterscheiden, sich mit diesen aber kreuzen können und dabei fruchtbare Nachkommen erzeugen. z.B. bei geographischer Trennung von Populationen Übergänge ART RASSE fließend! Homologie – Analogie Festlegung von Verwandtschaft durch „Ähnlichkeiten“ Problemstellung: 1. Analogien = Anpassungsähnlichkeiten Maulwurfsgrille Maulwurf Analog sind Strukturen gleicher Funktion, aber mit verschiedenem Grundbauplan. Analoge Strukturen/Organe entstehen durch konvergente Entwicklung = Konvergenz: Anpassung verschiedener Lebewesen (nicht verwandt) an gleichartige Umweltbedingungen (Lebensraum) ANALOGIEN GEBEN KEINEN HINWEIS AUF STAMMESVERWANDSCHAFT !!! Beispiele: 2. - Grabbein Maulwurf / Maulwurfsgrille (siehe oben) Vogelflügel / Insektenflügel Lunge er Wirbeltiere / Tracheen der Insekten Stromlinienförmiger Körper Kameraauge Tintenfische / Wirbeltiere Spross-Sukkulenz Kakteen (Amerika) Homologien = Bauplanähnlichkeiten Homolog sind Strukturen, die den gleichen Bauplan aufweisen (Folge gemeinsamer genetischer Information aufgrund von Stammesverwandtschaft). Dieser Gruppenbauplan bleibt erkennbar, auch wenn ein Gestaltwechsel oder Funktionswechsel (in Anpassung an versch. Umwelt) stattgefunden hat. HOMOLOGIEN GEBEN HINWEISE AUF STAMESVERWANDTSCHAFT !!! Beispiele: - Vorderextremitäten aller Wirbeltiere Beine aller Insekten … Seite 294 © Florian Zeller 08 / 09 Homologie, Analogie, Konvergenz A B C D Homologie, Blattmetamorphosen. A Laubblatt (Fingerkraut); B Blattdorn (Sauerdorn); C Insektenfalle (Sonnentau); D Kronenblätter, Staubblätter (Wiesenschaumkraut) Euphorbie (Afrika) Säulenkaktus (Mittelamerika) Moriga ovalifolia (Südafrika) Extremitäten von Wirbeltieren Seite 295 © Florian Zeller 08 / 09 Homologie und Analogie Konvergenz bei Vögeln Seite 296 © Florian Zeller 08 / 09 Homologiekriterien zur Festlegung der Verwandtschaft a) Kriterium der Lage Homologie von Vorderextremitäten der Wirbeltiere Homologie von Mundwerkzeugen der Insekten Weiteres Beispiel: Homologie der Insektenbeine (Grabbein, Fangbein ect.) Organe sind homolog, wenn sie die gleiche Lage in einem vergleichbaren Gefügesystem einnehmen (oder nach Zahl und Anordnung einem gemeinsamen Bauplan zugeordnet werden können!) b) Kriterium der Kontinuität Beispiel: Umwandlung der Kiefergelenkknochen der Fische zu den Gehörknöchelchen der Säuger als Beispiel des Funktionswechsels homologer Knochen Quadratum und Articulare der niederen Wirbeltiere homolog Amboß und Hammer der Säugetiere Körperteile oder Organe sind trotz verschiedener Lage im Bauplan und unterschiedlicher Gestalt homolog, wenn sie sich durch Zwischenformen verbinden lassen, die untereinander mit Hilfe des Kriteriums der Lage homologisierbar sind. Die Zwischenformen - können im Laufe der Embryonalentwicklung auftreten - als Fossilfunde vorliegen - bei nah verwandten rezenten Lebewesen nachweisbar sein Seite 297 © Florian Zeller 08 / 09 c) Kriterium der Spezifischen Qualität und Struktur Komplex gebaute Organe sind auch unabhängig von ihrer Lage homolog, wenn sie sich aus vergleichbaren Einzelstrukturen zusammensetzen und damit im Grundbauplan übereinstimmen. Wichtig, da fossil oft nur Einzelteile losgelöst vom Organismus gefunden werden. Zusammenfassung: - homologe Organe können einander sehr ähnlich sein und gleiche Funktionen aufweisen - unterschiedliches Aussehen und unterschiedliche Funktion z.B. durch Funktionswechsel Analogie ähnliches Aussehen verschiedener Bauplan Homologie verschiedenes Aussehen gleiches Aussehen gleicher Bauplan Belege für die stammesgeschichtliche Entwicklung Kriterien für Verwandtschaft bzw. Nichtverwandtschaft Homologie Organe oder Strukturen, die sich auf gemeinsame Grundformen zurückführen lassen, sind homolog. Sie können sich dabei in Ihrer Funktion stark unterscheiden. Homologe Organe sind ein Beweis für Verwandtschaft. (z.B. Vordergliedmaßen der Wirbeltiere) Homologiekriterien Kriterien der Lage Zwei Organe oder Strukturen sind homolog, wenn sie im vergleichbaren Gefügesystem die gleiche Lage haben. (Beispiel: Vordergliedmaßen der Wirbeltiere, Blätter von Blütenpflanzen) Kriterien der spezifischen Qualität Sind Organe aus vielen Einzelbausteinen aufgebaut, so sind sie auch ohne Lagegleichheit homolog, wenn sie in vielen Einzelheiten gleich gebaut sind. (Beispiel: Hautzähne des Hais – Wirbeltierzahn) Kriterium der Kontinuität Einander unähnliche Organe sind dann homolog, wenn sie durch eine Reihe von Zwischenformen verbunden sind. (Beispiel: Kiefergelenk der Reptilien Gehörknöchelchen der Säuger, Schwimmblase der Knochenfische Lunge) Seite 298 © Florian Zeller 08 / 09 Analogie Organe und Strukturen, die die gleiche Funktion ausüben, aber unterschiedliche Grundbaupläne aufweisen sind analog. Analogie ist kein Verwandtschaftsbeweis. (Beispiel: Grabbein des Maulwurfs und Grabschaufel der Maulwurfsgrille, Flügel des Vogels und Flügel eines Insekts, Blattranken und Sprossranken von Pflanzen) Konvergenz Die Anpassung von Lebewesen an die gleichen Umweltbedingungen führt zur Bildung weitgehend übereinstimmender Strukturen (konvergente Entwicklung) unabhängig von der Verwandtschaft der Organismen. (Beispiel: Grabbein des Maulwurfs und Grabschaufel der Maulwurfsgrille, Flügel des Vogels und Flügel eines Insekts, Blattranken und Sprossranken von Pflanzen, Speichergewebe und Form von Sukkulenten wie Kandelaber-Euphorbien und Kaktus, aber auch Anpassung der Gestalt [Stromlinienform] an das Leben im Wasser.) Homologie a) aus der vergleichenden Anatomie - Lungentypen bei Wirbeltieren Gehirntypen bei Wirbeltieren b) aus der vergleichenden Embryologie - Embryonalentwicklung des Vogelflügels: schrittweise Entwicklung der spezialisierten Struktur aus dem Grundbauplan „fünfstrahlige Extremität“ Hinweis, dass Vögel von Wirbeltieren mit fünfstrahligen Vorderextremitäten abstammen - Entwicklungsstadien verschiedener Wirbeltiere Die Embryonen von Organismen eines Verwandtschaftskreises (z.B. der Wirbeltiere) gleichen sich auf frühen Stufen der Entwicklung auch dann weitgehend, wenn die adulten Formen sehr unterschiedlich ausgebildet sind! Wirbeltier-Embryonen ventralwärts gekrümmt Chorda stützt Rücken, wird später von knorpeliger, dann knöcherner Wirbelsäule ersetzt dorsales Nervensystem Ursache: gemeinsamer Genbestand Seite 299 © Florian Zeller 08 / 09 - menschlicher Embryo Das häufig zu beobachtende Auftreten von Organisationsmerkmalen erdgeschichtlich älterer Lebewesen in embryonalen Stadien rezenter Tiere und Pflanzen lässt sich nur erklären, wenn man eine stammesgeschichtliche Abstammung der Lebewesen voneinander annimmt! Aus diesen Tatsachen glaubte Ernst von Haeckel ein allgemeingültiges Gesetz ableiten zu können: 1866 E. von Haeckel: Biogenetische Grundregel: Die Ontogenese eines Organismus stellt die kurze, schnelle Rekapitulation seiner Phylogenese dar !!! In dieser verallgemeinerten Form – bezogen auf den Ontogenesenverlauf des gesamten Organismus – lässt sich diese Aussage heut nicht immer halten: 1. Embryonen legen auch solche Strukturen an, die für die augenblickliche Lebensweise erforderlich sind, sog. Eigenanpassungen des Keimes, z.B. Verschluss der Augenlider vor der Geburt bei blindgeborenen Nesthockern! Das weist nicht auf blinde Ahnenformen hin! 2. Oft entwickeln Embryonen nur Anlagen von einzelnen Organen, die dem adulten Organismus fehlen! So z.B. zeigen Rinderembryonen Anlagen der oberen Schneidezähne, die aber nicht mehr ausgebildet werden! Deshalb formuliert man heute die biogenetische Grundregel besser so: Während der Ontogenese werden häufig Merkmale der stammesgeschichtlichen Vorfahren ausgebildet, die dem Adultstadium fehlen. Rekapitulationsentwicklung oder Umwegentwicklung !!!! Beispiel: für Umwegentwicklung: - Die Kiemenbögen der Fischembryonen entwickeln sich zum Kiemenapparat, bei landlebenden Wirbeltieren werden sie zu Teilen des Kehlkopfes Schluss aus dieser Umwegentwicklung: die Evolution der Wirbeltiere ging von aquatischen Formen mit Kiemenapparat aus! - Lanugo-Haarkleid des menschlichen Embryos - Embryonen von Bartenwalen zeigen Zahnanlagen, die aber nie durchbrechen und später resorbiert werden. Die Zähne des Kiefers sind beim adulten Bartenwal durch einen Reusenapparat ersetzt. Schluss aus dieser Umwegentwicklung: Bartenwale stammen von Vorfahren ab, die Zähne Besaßen, wie die heute noch lebenden Zahnwale z.B. Delphine) Die biogenetische Grundregel lässt sich noch weiterführen: Auch in postembryonalen Entwicklungsstadien, z.B. Larvenformen können noch ursprüngliche Organisationszüge enthalten sein! Es ist also gelegentlich möglich, von larvenformen aus verschiedenen systematischen Großgruppen auf deren stammesgeschichtlichen Zusammenhang zu schließen. Seite 300 © Florian Zeller 08 / 09 Beispiel: Marine Ringelwürmer, Muscheln und auch einige Meeresschnecken entwickeln sich aus freischwimmenden Larven, die einen typischen Wimpernkranz tragen = Trochophoralarve. Auch die innere Organisation der Larven ist sehr ähnlich. Diese auffälligen Übereinstimmungen weisen auf die Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren hin! Beispiel: Scholle, ein sog. Plattfisch Larve zunächst bilateral symmetrisch wie „normaler Fisch“ Späte Larve und Adultstadium asymmetrisch Rudimentäre Organe „Überbleibsel von unseren Ahnen! Organe, die funktionslos geworden sind und sich während der Phylogenie teilweise oder ganz zurückgebildet haben. Phylogenie/Phylogenese = stammesgeschichtliche Entwicklung Ontogenie/Ontogenese = Individualentwicklung Beispiele: Reste des Beckengürtels beim Wahl Vollständiger Schultergürtel und Reste des Beckengürtels bei der Blindschleiche Griffelbeine beim Pferd (zurückgebildete Mittelhandknochen) Seite 301 © Florian Zeller 08 / 09 Steißbein beim Menschen (zurückgebildete Schwanzwirbelsäule) Reste der Körperbehaarung (rudimentäres Fell) beim Menschen Reste von Muskeln zur Bewegung der Ohren Atavismen In seltenen Fällen treten rudimentäre Organe wieder in einer stärker ausgeprägten Form zu Tage. Beispiele: Verlängerte Griffelbeine mit Zehengliedern und Hufen beim Pferd Ausbildung eines Schwanzes, bewegliche Ohren, überzählige Brustwarzen, starke Behaarung am ganzen Körper beim Menschen Erklärung: Regulation des genetischen Materials: Gene, die normalerweise „abgeschaltet“ sind, werden wieder exprimiert. An der Ausbildung der betreffenden Merkmale sind mehrere Gene beteiligt. Ein oder mehrere Gene wurden im Laufe der Phylogenie getrennt und die Merkmale konnten nicht mehr oder nur teilweise realisiert werden. Durch Neukombination dieser Gene tauchen die Merkmale wieder auf. Seite 302 © Florian Zeller 08 / 09 Archaeopterix c) Vergleichende Biochemie, z.B. Serum-Präzipitintest Serologische Bestimmung von Eiweißähnlichkeiten (Präzipitinreaktion) Seite 303 © Florian Zeller 08 / 09 Man misst die ausgefällte menge Serumprotein nach Zusatz des gegen die menschlichen Proteine empfindlich gemachten Serums eines Kaninchens (=Antiserum). Fügt man z.B. dem Antiserum gegen menschliche Proteine das Blutserum eines Schimpansen hinzu, so werden die Serumproteine des Schimpansen zu 85 % ausgefällt. Die Werte sind ein Maß für die Übereinstimmung zwischen Eiweißstoffen verschiedener Lebewesen und damit ein Maß für den Verwandtschaftsgrad. Mit solchen serologischen Tests kann man Verwandtschaftsverhältnisse im Tierreich klären, die durch anatomische Homologien nicht sicher belegbar sind. Eine weitere biochemische Möglichkeit zur Bestimmung der Verwandtschaft ist die Sequenzanalyse von Proteinen z.B. von Enzymen die den gleichen Stoffwechselschritt katalysieren. Proteine sind die direkten Genprodukte. Jede Abweichung der Aminosäuresequenz bedeutet eine Mutation im Erbmaterial, die im Laufe der Evolution stattgefunden hat. Je weniger Unterschiede in der Aminosäuresequenz, desto näher verwandt! Beispiel: Insulin 54 Aminosäuren Schaf / Rind: 1 andere Aminosäure Schaf / Wal: 3 andere Aminosäuren Beispiel: Atmungsenzym Cytochrom C 104 Aminosäuren Mensch / Rhesusaffe: 1 andere Aminosäure Mensch / Hund: 5 andere Aminosäuren Mensch / Pferd: 12 andere Aminosäuren Mensch / Motte: 31 andere Aminosäuren Vergleich der Aminosäuresequenzen von Proteinen Die Stoffwechselvorgänge bei der aeroben ATP-Bildung (Glycolyse, oxidative Decarboxylierung, Citratcyclus und Atmungskette) laufen in allen Lebewesen gleich ab. Mutation bei Gene, die für Enzyme des Energiestoffwechsels codieren sind selten, weil auf diesen Genen ein hoher Selektionsdruck lastet. Durch die Bestimmung der Unterschiede in der Aminosäuresequenz des Atmungskettenenzyms Cytochrom C (ca. 100 Aminosäuren) bei verschiedenen Organismen, lässt sich ein Stammbaumschema entwickeln. Seite 304 © Florian Zeller 08 / 09 Die Länge, der von einem Verzweigungspunkt ausgehenden Strecke ist proportional zur Zahl der Abweichungen in der Aminosäuresequenz. Dieser Stammbaum berücksichtigt keine anderen Kriterien! Analyse der DNA-Nucleotidsequenz Der direkte Vergleich der Nucleotidsequenz bzw. der Basensequenz der DNA ist natürlich die unmittelbarste Bestimmung des Verwandtschaftsgrades zwischen Lebewesen. Problem: Das Verfahren ist technisch sehr aufwendig! Vergleich der Basensequenz der DNA Die genaueste Bestimmung des Verwandtschaftsgrades zwischen Lebewesen erfolgt durch den direkten Vergleich der Basensequenz der DNA. Methoden: Hybridisierung markierter Einzelstrang-DNA (z.B. Mensch-Rhesusaffe 85 %) Genelektrophorese (z.B. Mensch-Schimpanse 98 %) Anmerkung: Biochemische Homologie betrifft auch - die Universalität des genetischen Codes - die Universalität der Proteinbiosynthese - ATP als universellen Energiespender! d) Vergleichende Ethologie = Verhaltensbiologie (Ethologie) - Angeborene Verhaltensweisen sind im genetischen Material verankert. Homologe Verhaltensweisen beruhen auf einer gemeinsamen genetischen Information Eine Homologie kann angenommen werden, wenn der Ablauf einer Verhaltensweise bei verschiedenen Tierarten in möglichst vielen Einzelmerkmalen übereinstimmt und/oder auf eine gemeinsame Grundform zurückgeführt werden kann. Beispiel: Handgreifreflex bei Mensch-Affe-Eichhörnchen Hinweis auf baumbewohnende Vorfahren Beispiel: Verlassenheitsruf der Küken bei Entenvögeln Hinweis auf gemeinsame Vorfahren Seite 305 © Florian Zeller 08 / 09 e) Beispiel: Die Erpel verschiedener Entenarten führen sehr ähnliche Balzbewegungen aus. Das „Scheinputzen“ als ritualisiertes Einfetten des Gefieders fällt besonders auf. Vergleichende Parasitologie Parasiten sind sehr stark an ihren Wirt angepasst. Beispiel: Menschenläuse findet man sonst nur bei Schimpansen Beispiel: Robben besitzen Parasiten landlebender Raubtiere, z.B. von Bären! Paläobiologie Zeitlicher Verlauf der Evolution Seite 306 © Florian Zeller 08 / 09 Stammbaum der Wirbeltiere Seite 307 © Florian Zeller 08 / 09 Fossilien Fossilien sind die Überreste oder Abdrücke von Lebewesen, die in der Vergangenheit lebten. Sie liefern den unmittelbaren Beweis für die frühere Existenz und die allmähliche Veränderung bestimmter Lebensformen. Fossilien finden sich meist in Sedimentgesteinen (Sandstein, Schiefer), die durch Ablagerung von Sand oder Schlamm entstanden sind. Die Belege durch Fossilien sind aber lückenhaft, da für eine Fossilisation günstige Bedingungen herrschen müssen, die Fossilien nicht durch geologische Prozesse zerstört werden dürfen und sie schließlich noch gefunden werden müssen. Formen der Fossilisation Erhaltung von hartteilen Eingeweide zersetzen sich meist rasch, nur die harten mineralreichen Teile wie Zähne, Knochen, Schalen und Panzer bleiben erhalten. Versteinerung (Petrifikation) In Wasser gelöste Mineralien sickern in das Gewebe abgestorbener Lebewesen ein, ersetzen das organische Material und kristallisieren aus. Abdrücke Im verfestigten Sedimentgestein sind die Umrisse und die Oberflächenbeschaffenheit der Lebewesen erkennbar. Steinkern Abgestorbene Lebewesen hinterlassen nach der Zersetzung ein Hohlraum, der später durch Sand, Schlamm oder Kalk gefüllt wird. Inkohlung Bei pflanzlichen Stoffen, die in sauerstoffarmen Sümpfen versanken, reichert sich durch anaeroben Abbau Kohlenstoff an. Mumifizierung Die Konservierung von hart und Weichteilen erfolgt durch Dauerfrost, Trocknung, Säuren oder Einbettung in Harz. Absolute Altersbestimmung In Fossilien oder dem umgebenden Gestein befinden sich natürliche radioaktive Elemente. Die instabilen radioaktiven Elemente wandeln sich unter Aussendung von Strahlung in stabile Elemente um. Beispiel 𝜷-Strahlung: Ein Neutron n0 im Kern wandelt sich durch Aussendung eines Elektrons e- in ein Proton p+ um die Kernladungszahl erhöht sich dadurch um 1 Das radioaktive Kohlenstoffisotop 𝟏𝟒𝟔𝑪 wandelt sich in das stabile Stickstoffisotop 𝟏𝟒𝟕𝑵 um. 𝟏𝟒 𝟔𝑪 -𝛽 𝟏𝟒 𝟕𝑵 Der zeitliche Verlauf des radioaktiven Zerfalls ist unabhängig von äußeren Einflüssen. In gleichen Zeitintervallen zerfällt immer der gleiche Bruchteil an radioaktiven Isotopen. Seite 308 © Florian Zeller 08 / 09 Die Halbwertszeit T1/2 gibt den Zeitraum an, in dem die Hälfte des radioaktiven Materials zerfallen ist. T1/2 (14 𝐶 ) = 5,76 × 103 Jahre Radiocarbon-Methode - Das CO2 der Atmosphäre enthält die beiden Kohlenstoffisotopen 12 𝐶 und 14 𝐶 in einem Mengenverhältnis von 12 𝐶 : 14 𝐶 = 1012 = 1 - Pflanzen bauen CO2 in ihren Körper ein und dadurch gelangt es auch in Tiere. - Nach dem Absterben wird kein CO2 mehr in den Organismus eingebaut. - Durch den radioaktiven Zerfall verringert sich die Konzentration von 14 𝐶 , d.h. das Verhältnis von 12 𝐶 : 14 𝐶 verändert sich. - Auf Grund der Halbwertszeit von 14 𝐶 = 5750 Jahren ist diese Methode nur für Objekte mit einem Alter von ca. 500 bis 50.000 Jahren geeignet. Für ältere Funde eignet sich z.B. die Kalium-Argon-Methode. T1/2 (K) = 1,27 × 109 Jahre. Relative Altersbestimmung - Die relative Altersbestimmung erfolgt durch geologische Schichten (Gesteinsschichten, Straten), die sich im Laufe der Zeit gebildet haben. Liegen Schichten ungestört übereinander, sind die unteren Schichten älter als die oberen. Anhand von Fossilien, die in bestimmten Schichten gehäuft auftreten (Leitfossilien), lassen sich diese Schichten charakterisieren und identifizieren. z.B. Trilobiten (Krebse) - Erdaltertum (EA) z.B. Ammoniten (Kopffüßer) - Erdaltertum (EA) / Erdmittelalter (EM) Findet man in diesen Schichten dann noch andere Fossilien, lässt sich deren Alter „relativ“ zuordnen. Seite 309 © Florian Zeller 08 / 09 Die vergleichend-anatomischen Untersuchungen der Fossilien, insbesondere der Brückentiere, und ihre zeitliche Einordnung schaffen nunmehr die Voraussetzungen für die Rekonstruktion eines einfachen Wirbeltierstammbaumes: Seite 310 © Florian Zeller 08 / 09 Paläogeographische und geologische Situation Die Lage von Land und Meer war in früheren geologischen Perioden ganz anders verteilt als in der Gegenwart. Deutschland lag in den Tropen und war größtenteils vom Meer bedeckt. Der Bereich der südlichen Frankenalb bestand während des oberen Jura aus ausgedehnten Schwamm- und Korallenriffgürtel mit zwischengelagerten Lagunen. Dort lagerte sich über Jahrmillionen sehr feiner Kalkschlamm ab, der heute noch als bis zu 90 Meter mächtige Schichten erhalten ist. Durch das lebensfeindliche Milieu wurden eingeschwemmte Organismen nicht zersetzt, dadurch bestand eine äußerst günstige Voraussetzung für eine fossile Überlieferung. Dieser Umstand machte die Fossilien aus den Plattenkalkwannen weltberühmt. Geologische Zeitalter Seite 311 © Florian Zeller 08 / 09 Vor- und Nachfahren der Urvögel Das es weder von den Vorfahren noch von den direkten Nachfahren Fossilfunde gibt, liegt die Herkunft und die weitere Evolution noch im Dunkeln. Auf Grund vieler Hinweise wird von vielen Wissenschaftlern die Theorie angenommen, dass die Urvögel von kleinen, bodenbewohnenden Dinosauriern abstammten, die auf unebenem Gelände sich laufend und springend fortbewegten und dabei durch eine Verlängerung der Schuppen zu Federn begünstigt wurden. So kam es bei der Kombination von Flügelschlag und Ausnutzung der Schwerkraft zum aktiven Kraftflug. Die nächsten Vögel der Erdgeschichte erscheinen erst wieder 10 Millionen Jahre nach Archaeopteryx in der Unterkreide. Die Vogelmerkmale traten dabei immer mehr in den Vordergrund. Fossile und Lebende Brückentiere Definition Brückentiere Brückentiere (connecting links) sind Übergangsformen, die Merkmale zweier unterschiedlicher Organismengruppen aufweisen. Sie liefern Indizien für die Existenz gemeinsamer Ahnen. Fossilien Bei Fossilien (von lat. „fossa“ = Knochen) handelt es sich hauptsächlich um Knochen oder Schalen, die durch den Vorgang der Fossilisation („Fossilwerdung“) mineralisiert wurden und so für die nachwelt erhalten blieben. Dieser Vorgang dauert nur wenige zehntausend Jahre. Fossilien befinden sich in Erd- und Gesteinsschichten und sind meist gut im Schiefer oder anderen vulkanischen Sedimenten anzutreffen. Seite 312 © Florian Zeller 08 / 09 Archaeoperix, Übergangsform zwischen Reptil und Vogel (Jura) Eusthenopteron (Quastenflosser, Übergansstadium Fisch Amphibium) Lebende Fossilien sind Dauergattungen, die aufgrund geringer Veränderungen ihrer Umwelt bis heute weitgehend unverändert blieben. Latimeria (Quastenflosser) Das in Australien lebende Schnabeltier weist als lebendes Brückentier neben einigen Säugetiermerkmalen noch urtümliche Merkmale von Reptilien auf: - nicht wechselwarm, besitzt aber auch keine ständig konstante Körpertemperatur - es besitzt ein Fell und säugt seine Jungen - andererseits legt es Eier wie die Reptilien Seite 313 © Florian Zeller 08 / 09 Vom Fisch - Schwanzflosse - Seitenlinienorgan Vom Lurch - Schleimhaut - 5 gliedrige Extremität Lebende Fossilien sind Dauergattungen, die aufgrund geringer Veränderungen ihrer Umwelt bis heute weitgehend unverändert blieben. Ginko (Übergangsstadium Nadel Blatt) Latimeria (Quastenflosser) Nautilus (Kopffüßler) Pfeilschwanzkrebs (Spinnenartige) Seite 314 © Florian Zeller 08 / 09 Brückentiere (connectin links) sind Übergangsformen, die Merkmale zweier unterschiedlicher Organismengruppen aufweisen. Sie liefern Indizien für die Existenz gemeinsamer Ahnen. Archaeopterix, Übergangsform zwischen Reptil und Vogel (Jura) Eustenopteron (Quastenflosser, Übergangsstadium Fisch Amphibium) Ichthyostega (Uramphibium) Lebende Fossilien Nautilus Schnabeltier Wichtige Erkenntnisse aus der Paläobiologie 1. Die meisten fossilen Formen lassen sich – selbst wenn sie schon ausgestorben sind – zwangslos in das System der heute lebenden Organismen einordnen. Saurier: Reptilien Trilobiten: Krebse Ammoniten: Kopffüßler 2. Die ersten Lebewesen bewohnten nur das Meer, erst später erfolge der Übergang zum Landleben. 3. Im Laufe der Erdgeschichte traten zunächst einfache, dann zunehmend komplexere Organismen auf. Einzeller Vielzeller Abwandlungsreihe der Ferdeartigen Seite 315 © Florian Zeller 08 / 09 4. Brückentiere (connecting links) sind Übergangsformen, die Merkmale zweier unterschiedlicher Organismengruppen aufweisen. Sie liefern Indizien für die Existenz gemeinsamer Ahnen. Archaeopterix, Übergangsform zwischen Reptil und Vogel (Jura) Eustenopteron (Quastenflosser), Übergangsstadium Fisch Amphibium Ichthyostega (Uramphibium) 5. Lebende Fossilien sind Dauergattungen, die auf Grund geringer Veränderungen ihrer Umwelt bis heute weitgehend unverändert blieben. Ginko (Übergangsstadium Nadel Blatt) Latimeria (Quastenflosser) Nautilus (Kopffüßler) Pfeilschwanzkrebs (Spinnenartige) 6. Die morphologischen Untersuchungen und die zeitliche Einordnung von Fossilien (einschließlich der Erkenntnisse aus anderen Bereichen der Homologieforschung) schaffen die Voraussetzung für die Aufstellung von Stammbäumen. (Beispiel: Stammbaum der Wirbeltiere) Pferdeentwicklung Die Entwicklung der Pferdeartigen (Equiden) ist beinahe lückenlos durch Fossilien belegt. Sie vollzog sich hauptsächlich in Nordamerika, obwohl immer wieder Tiere nach Europa ausgewandert sind. Seite 316 © Florian Zeller 08 / 09 Evolutionstheorien Charles Darwin (1809 – 1882) : SELEKTIONSTHEORIE Darwins Grundtheorie: Dir Konkurrenzkampf der Lebewesen ums Dasein (struggle for life) sei die Ursache des Artenwandels ! Darwins Vorstellung über die Ursache des Evolutionsgeschehens: 1. Überproduktion von Nachkommen Jeder Organismus produziert weit mehr Nachkommen, als für die Erhaltung der Art zunächst notwendig sind und als schließlich überleben. 2. Variabilität (genetische Variation) Die Nachkommen eines Elternpaares (sowie die Angehörigen einer Art) sind niemals völlig gleich, sondern variieren in ihren Merkmalen (Erbmerkmale). 3. Struggle for life Survival oft he fittest Natürliche Auslese oder Selektion Die Lebewesen stehen untereinander in ständigem Wettbewerb um - Günstige Lebensbedingungen, Lebensraum - Nahrung ständiger Kampf ums Dasein! - Geschlechtspartner Diejenigen Individuen, die durch ihre Eigenschaften für die Umweltbedingungen am besten geeignet sind, überleben und pflanzen sich fort (Überleben des Tauglichsten), während die weniger gut geeigneten Varianten im Laufe der Zeit aussterben (natürliche Selektion). 4. Vererbung Die genetische Information über die Merkmale der Überlebenden werden an deren Nachkommen weitergegeben. 5. Aktualitätsprinzip Diese Faktoren haben in der Vergangenheit in derselben Weise gewirkt wie in der Gegenwart. Kampf ums Dasein – DARWIN stellt klar „[…] da ich dank einer lang währenden Beobachtung […] wohl vorbereitet war, den Kampf ums Dasein zu würdigen, der überall stattfindet, kam mir sofort der Gedanke, dass unter solchen Umständen günstige Abänderungen dazu neigen erhalten zu bleiben und ungünstige dazu vernichtet zu werden. Das Ergebnis davon würde die Bildung neuer Arten sein. Hier hatte ich also endlich eine Theorie, mit der ich arbeiten konnte.“ aus der Autobiographie von CHARLES DARWIN „Es sei vorausgeschickt, dass ich die Bezeichnung „Kampf ums Dasein“ in einem weiten metaphorischen Sinne gebrauche, der die Abhängigkeit der Wesen voneinander, und was noch wichtiger ist, nicht nur das Leben des Individuums, sondern auch seine Fähigkeit Nachkommen zu hinterlassen, mit einschließt. Mit Recht kann man sagen, dass zwei hundeartige Raubtiere in Zeiten des Mangels um Nahrung und Dasein miteinander kämpfen; aber man kann auch sagen, eine Pflanze kämpfe am Rande der Wüste mit der Dürre ums Dasein, obwohl man das ebenso gut so ausdrücken könnte: Sie hängt von der Feuchtigkeit ab. Von einer Pflanze, die jährlich Tau- Seite 317 © Florian Zeller 08 / 09 sende von Samenkörnern erzeugt, von denen aber im Durchschnitt nur eines zur Entwicklung kommt, lässt sich mit noch viel größerem Rechte sagen, sie kämpfe ums Dasein mit jenen Pflanzen ihrer oder anderer Art, die bereits den Boden bedecken.“ aus CHARLES DARWINS: Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl Obwohl Darwin sich schon klar zum „Kampf ums Dasein“ geäußert hatte, wurde der Begriff von den Nationalsozialisten in unzulässiger Weise auf die Gesellschaft übertragen. Erklärung der Entstehung des langen Giraffenhalses nach LAMARCK und DARWIN (aus: Stebbins, Leydard: Evolutionsprozesse; Reihe Grundbegriffe der modernen Biologie, Bd. 2. Stuttgart: Fischer 1980, Seite 6) Seite 318 © Florian Zeller 08 / 09 Erweiterte / synthetische (= moderne) Evolutionstheorie Die bisher gefundenen Tatsachen aus den Gebieten der Morphologie, Embryologie, Biochemie und der Paläobiologie geben deutliche Hinweise auf einen Artwandel und eine evolutionäre Entwicklung der Lebewesen. Die heutige Erklärung für den Artwandel geht von einem Zusammenspiel verschiedener Evolutionsfaktoren aus. Populationsgenetische Überlegungen Population: Gruppe von Individuen einer Art, die zur gleichen zeit am gleichen Ort leben und eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden. Genpool: Die Gesamtheit aller in einer Population vorhandenen Gene bzw. Allele Phänotypische Variation / Variabilität: Die Individuen einer Population variieren in Körper- und Verhaltensmerkmalen. Die phänotypische Variation beruht auf 1. der genetischen Variation (Unterschiede im genetischen Material) 2. der modifikatorischen Variation / Modifikation (Umweltfaktoren wirken bei der Ausbildung der Merkmale modifizierend mit) Vererbt werden nur genetische Variationen. Albino gent. Variation ERBLICH ! Normalwuchs Zwergwuchs verschiedene Umweltbedingungen führen zu Modifikationen = Abwandlung des Phänotyps NICHT ERBLICH ! Evolutionsfaktoren = alle Einflüsse, die den Genpool einer Population verändern wie Mutation, Rekombination, Selektion, Isolation Variabilität ist die Voraussetzung jeder Evolution Die genetische Variabilität hat zwei Ursachen: Mutation Rekombination Mutationen Formen der Mutation: 1. Genmutation: Veränderung der Basensequenz der DNA neue Allele 2. Chromosomenstrukturmutation: Deletion, Inversion, Translokation Entstehung oder Verlust von Genen 3. Genommutation / Chromosomenzahlberration: Vervielfachung oder Verlust einzelner Chromosomen Trisomie / Monosomie Vervielfachung ganzer Chromosomensätze Polyploidisierung Seite 319 © Florian Zeller 08 / 09 - entstehen spontan (zufällig) oder durch Mutagene (zufällig) (spontane Mutationsrate pro Gen und Generation 10-4 bis 10-8 ; beim Menschen geschätzt: 10 – 40 % der Gameten einer Generation weisen ein neue mutiertes Gen auf.) Mutagene steigern die Mutationsrate zusätzlich ! - Wirkung von Genmutationen: Dominante Genmutation (aA) sofortige Auswirkung im Phänotyp Rezessive Genmutation (Aa) Auswirkung erst bei Homozygotie aa Beide Fälle sind für das betroffene Individuum meist letal !!! Bei heterozygoten Aa können sich rezessive Mutationen lange Zeit in einer Population in „Wartestellung“ halten und anreichern. Unter veränderten Umweltbedingungen können sie dann für Homozygote aa sogar von Vorteil werden. Solche zufälligen Anpassungen an zukünftige Umweltsituationen bezeichnet man als Präadaptationen (= Voranpassung): Beispiel: weiße Mutanten: in der Regel nachteilig (auffälliger für Feine, werden von Artgenossen abgelehnt), vorteilhaft aber bei Dauerschnee (Schneehuhn, Eisbär) Beispiel: Quastenflosser: stark ausgebildetes Flossenskelett präadaptiv für Ausbildung der VierfüßerExtremitäten: vorteilig in Gebieten mit Gewässern, die gelegentlich austrockneten, da das Tier dann über Land zu anderen Gewässern gelangen konnte. Mutationen erfolgen zufällig; sie stellen keine gezielte Antwort auf einen Umweltfaktor dar. Fluktuationstest Von einer Bakterienkultur werden gleiche Portionen auf viele kleine Kulturgläser verteilt und die Bakterien dort vermehrt. Dann gießt man den Inhalt auf Gelatineplatten, die ein Antibiotikum enthalten. Auf den Platten wachsen unterschiedlich viele Bakterienkolonien. Die Schwankungen (Fluktuationen) rühren daher, dass bereits in den Vermehrungskulturen unterschiedlich viele antibiotikaresistente Bakterien enthalten waren. Hätte das Antibiotikum die Entstehung der resistenten Mutanten ausgelöst, müssten auf allen Platten etwa gleich viele von ihnen aufgetreten sein. Es handelt sich also nicht um eine nachträgliche Anpassung an einen Umweltfaktor. Die meisten Mutationen haben negative Auswirkungen, denn sie sind zufällige Veränderungen eines funktionierenden, hoch komplexen Systems. Dennoch sind sie der Motor der Evolution. Mutation neue Allele entstehen !!! Seite 320 © Florian Zeller 08 / 09 Rekombination = Gesamtheit der Vorgänge, in deren Verlauf es zu neuen Genkombinationen kommt. Diese Vorgänge treten bei der geschlechtlichen Fortpflanzung (Sexualität) auf. - Meiose: zufällige Anordnung der homologen Chromosomen crossing over Befruchtung: zufällige Kombination der Gameten Rekombination führt nicht zur Entstehung neuer Allele, sondern zur Entstehung neuer Allelkombinationen und damit zu Individuen mit neuen Merkmalskombinationen, an denen dann die Selektionsfaktoren ansetzen können! indirekte Veränderung von Genhäufigkeiten Rekombination bereits vorhandene Allele werden neu kombiniert !!! Selektierende Wirkung abiotischer und biotischer Faktoren Die Selektion der Phänotypen = bei Darwin struggle for life, survival of the fittest (= natural selection) Umwelteinflüsse (abiotischer oder biotischer Art), die die Fortpflanzungsrate oder die Überlebenswahrscheinlichkeit verschiedener Phänotypen unterschiedlich beeinflussen, nennt man SELEKTIONSFAKTOREN Abiotische Selektionsfaktoren …Temperatur, Trockenheit, Feuchtigkeit, Licht, Dunkelheit, Sturm, Salzgehalt des Wassers und des Bodens, Gifte … Beispiel: Wind (sehr windig) Insekten mit Flügel werden auf offene Meer hinaus geweht! Beispiel: Temperatur Bergmann´sche Regel! (siehe Ökologie Seite 176) Seite 321 © Florian Zeller 08 / 09 Beispiel: Temperatur Allen´sche Regel! (siehe Ökologie Seite 175) Beispiel: Gifte Resistenzmutanten bei Bakterien (Zusammenwirken von Mutation und Selektion) Antibiotika und Pestizide verlieren um so mehr an Wirksamkeit, je länger sie angewendet werden. Dies ist nicht die Folge einer direkten Anpassung der Schädlinge an die Gifte, sonder: In allen Populationen, deren Individuen normalerweise durch das Gift abgetötet werden, sind zufällig und unabhängig von der Giftgabe einige zur Giftresistenz mutiert. Diese überleben den Giftangriff und gründen ohne Konkurrenz neue Populationen, deren Individuen alle resistent sind! Biotische Selektionsfaktoren 1. Artfremde Individuen (z.B. Fressfeinde, Parasiten) Zwischenartliche Selektionsfaktoren Artgenossen (Konkurrenz um Lebensraum, Nahrung, Geschlechtspartner) Innerartliche Selektionsfaktoren Tarnung durch Farbanpassung an den Lebensraum Schutz vor optisch orientierten Fressfeinden! Weniger gut angepasste Individuen werden viel öfters erbeutet! Beispiel: weiße Pelze von Tieren in Schneegebieten (Schneehase) Beispiel: Wüstentiere oft gelblich bis hellbraun wie der Sand Beispiel: Industriemelanismus (Manchester) - Birkenspanner Der Birkenspanner hebt sich mit seinen dunkel gefleckten, hellgrundigen Flügeln von der Rinde der Birken und anderen flechtenüberzogenen Baumstämmen kaum ab und wird deshalb von den Vögeln oft übersehen. 1848 trat erstmals eine schwärzliche Variante (Melanin!) auf, die sich von den Baumrinden deutlich abhob und daher von den Vögeln bald ausgemerzt wurde. Doch die Mutante entstand immer wieder von neuem. 1895 waren dort 95 % aller Birkenspanner dunkel gefärbt!!! Ursache für diese Verschiebung des Häufigkeitsverhältnisses? - Stirbt der Flechtenbewuchs ab - Stämme werden durch Verrußung dunkel! Normale, helle Färbung bietet keinen Schutz mehr. Die normal gefärbten Tiere werden ausselektiert. Die dunklen Mutanten, die besser angepasst sind, haben einen Selektionsvorteil, sie verdrängen die Ausgangsform fast völlig. Seite 322 © Florian Zeller 08 / 09 2. durch Gestaltauflösung = optische Zerlegung der Körperumrisse in scheinbar unzusammenhängende Teile Beispiel: südamerikanischer Laubfrsoch Beispiel: Zebra (gestreifte Fellzeichnung löst in einer mit Büschen durchsetzten Steppe den Körperumriss völlig auf) durch Gegenschattierung normal im Schatten liegende Körperpartien sind aufgehellt, beleuchtete dagegen dunkel gefärbt völlig unplastischer, körperloser Eindruck entsteht! Mimese = Tarnung durch Nachahmung bestimmter Gegenstände Beispiel: Blattschmetterling Kallima ahmt unverdächtiges Blatt nach Beispiel: Spannerraupen und –puppen trockene Ästchen Beispiel: Zikaden Pflanzenstacheln Beispiel: wandelndes Blatt (tropische Blattheuschrecke) Blattschmetterling 3. Spannerraupe Zikade Blattheuschrecke Mimikry Allgemein bringen auch Warntrachten Selektionsvorteile. Der Fressfeind prägt sich nach einer Begegnung mit einem wehrhaften, ungenießbaren oder giftigen Tier dessen Bild ein und lässt in Zukunft die Finger davon! Beispiel: Gelb-Schwarz-Warnfärbung bei Insekten, Amphibien Beispiel: plötzliches Zurschaustellen auffälliger Zeichnungen (Abendpfauenauge, Schmetterlingslarven) Besonderer Trick: Wehrlose Tiere ahmen ungenießbare oder wehrhafte Tiere nach = Scheinwarntracht = Mimikry Beispiel: harmlose Insekten wehrhafte Wespen (Hornissenschwärmen, Schwebefliegen) Beispiel: Putzfisch Schleimfisch Beispiel: Monarchfalter und sein Nachahmer Seite 323 © Florian Zeller 08 / 09 In all diesen Fällen nimmt man an: Diejenigen Varianten, die aufgrund von Mutation und Rekombination zufällig bessere Tarn- und Warnfärbungen ausprägen, überleben bevorzugt die Selektion der Fressfeinde und bringen die günstigsten Gene in die nächste Generation. Selektion durch Parasiten z.B. durch Pest und Choleraepidemien wurden in Asien und Europa Millionen von Menschen dahingerafft. Diese hatten weniger Widerstandskraft gegen die Erreger als die Überlebenden. Besonderes Beispiel: Sichelzellengen und Malaria Allgemein: Oft gehen dann die häufigsten Formen besonders stark zurück und Formen mit extremen Merkmalen werden vorherrschend! Verschiebung von Genhäufigkeiten !!! Selektion durch Nahrungskonkurrenz 1. Zwischenartlich (artverschiedene Konkurrenten) Beispiel: Dingo - Beutelwolf, Beutelteufel Der Dingo (vom Europa nach Australien gebrachter verwilderter Haushund) hat in Australien den Beutelwolf und Beutelteufel fast ganz ausgerottet. Der Dingo ist den anderen zwar körperlich unterlegen, ist aber der bessere Jäger! 2. Innerartlich (artgleiche Konkurrenten) Beispiel: Wüstensträucher konkurrieren um Wasser. Deshalb ist jede Pflanze von der nächsten gleichartigen etwa gleich weit entfernt. Die Entfernung wird durch hormonartige Stoffe geregelt, die jede Pflanze in den Boden abgibt und die die Entwicklung weiterer Pflanzen in einem bestimmten Umkreis hemmen. Konkurrenz um Nahrung, Partner und Lebensraum führt oft zu Kämpfen (Kommentkämpfe keine Beschädigung oder Tod des Unterlegenen). Die Kämpfe entscheiden aber z.B. über die Teilnahme an der Fortpflanzung und damit über die Zusammensetzung des Genpools der Folgegeneration. Damit haben Kommentkämpfe populationsgenetisch dieselben Auswirkungen wie Kämpfe um Leben und Tod. Allgemein: Konkurrenzausschlussprinzip: Bereits wenige gemeinsame Ansprüche können dazu führen, dass die unterlegene Population sich einen anderen Lebensraum suchen muss, oder, wo das nicht möglich ist, ausstirbt. Selektion durch Geschlechtliche Zuchtwahl oder Konkurrenz um den Geschlechtspartner Sexualdimorphismus: Die Männchen weichen im Aussehen mehr oder weniger auffällig von den Weibchen ab (Geweihe, Mähnen, Prachtkleider). Diese Merkmale dienen - dem Imponierverhalten - als sexuelle Auslöser während der Balz (sexueller Signalcharakter) Die Weibchen bevorzugen meist Männchen mit bestimmten gut ausgeprägtem sexuellem Signalcharakter höhere Fortpflanzungschancen Solche Merkmale können von Generation zu Generation verstärkt werden und manchmal zu extremen Überbetonungen führen z.B. Pfau z.B. Männchen von Paradiesvogelarten z.B. eiszeitlicher Riesenhirsch (dieser hatte aber insgesamt gesehen eine geringere Überlebenschance ausgestorben!) Seite 324 © Florian Zeller 08 / 09 Künstliche Selektion (Auslese): Domestikation und Züchtung (Entstehung von Haustieren & Nutzpflanzen) Haustiere wurden aus der Wildform in relativ kurzer Zeit durch künstliche Auslese herangezüchtet. Beispiel: Hund (heute ca. 300 Rassen) Abstammung vom Wolf. Der Mensch wählte von Generation zu Generation immer diejenigen Varianten oder Mutanten aus, die ihm für bestimmte Zwecke am geeignetsten erschienen dieses Erbgut wurde weitergegeben und dann wurde wieder künstlich selektiert usw. Domestikationsmerkmale: verringerte Gehirnmasse (20 – 30 %); Paarung von der Jahreszeit unabhängig; Praktische Bedeutung der Haustiere/Nutzpflanzen allgemein: - Arbeitstiere - Freizeitgefährten - Nahrungsmittelproduktion (Milchleistung, Eiproduktion, Ertragssteigerung der Getreide, Steigerung des Zuckergehaltes der Zuckerrübe von 6 % auf 21 %) Wirkung der Selektion: Veränderung von Genhäufigkeiten Selektionsdruck: Einfluss, den die Umwelt durch ihre Selektionsfaktoren auf eine Population ausübt. Abwehr von Fressfeinen Seite 325 © Florian Zeller 08 / 09 Einfluss der Selektion auf die Veränderungen von Arten Die Selektion bevorzugt diejenigen Phänotypen, die an die abiotischen und biotischen Umwelt am besten angepasst sind. Dadurch kann sich der Genpool und damit die Häufigkeit verschiedener Phänotypen in einer Population verändern. Wirkungsweisen der Selektion Diese Fälle beschreiben die mögliche Veränderung einer Fischpopulation mit einer quantitativen Variabilität in der Färbung. Die Kurven zeigen, wie sich die Häufigkeiten von Individuen unterschiedlicher Dunkelheit mit der Zeit verändern. Die stabilisierende Selektion merzt extreme Varianten aus der Population aus; in diesem Fall eliminiert sie ungewöhnlich helle oder dunkle Individuen. Der Trend geht hin zu einer geringeren phänotypischen Variabilität und zur Erhaltung des Ist-Zustands. (Bei bereits gut angepassten Arten und konstanten Umweltbedingungen) Die transformierende Selektion verschiebt das gesamte Erscheinungsbild der Population, indem sie Varianten des einen Extrems begünstigt. In diesem Fall geht der Trend hin zu einer dunkleren Färbung. (Bei noch nicht optimal angepassten Arten nach einer Veränderung der Umweltbedingungen) Die disruptive Selektion (= aufspaltende Selektion) begünstigt Varianten entgegengesetzter Extreme gegenüber dazwischen liegenden Individuen. Hier haben sehr helle und ausgesprochen dunkle Fische ihre relative Häufigkeit erhöht. (Nach Änderung der Umwelt) Gendrift (= Allelendrift) Die wenigen Tiere aus einer ursprünglich großen Population bringen eine nicht statistische Genauswahl mit, die sehr rasch zur Rassen- oder Artbildung führen kann. Neben Mutation, Rekombination und Selektion stellen auch rein zufällige Schwankungen im Genpool kleiner Populationen einen Evolutionsfaktor dar. Die genetische Drift ist die Veränderung der Allelhäufigkeit, die man in kleinen Populationen aufgrund von Stichprobenfehlern oder Zufallsereignissen (Unwetter, Überschwemmung, Waldbrände, übermäßige Bejagung etc.) beobachtet. Wenn große Seite 326 © Florian Zeller 08 / 09 Teile einer Population durch Katastrophen vernichtet werden (Flaschenhalseffekt) oder wenn ein kleiner Teil einer Population einen neuen Lebensraum besiedelt (Gründereffekt), ist die neue, kleine Population genetisch wahrscheinlich nicht repräsentativ für die Ausgangspopulation. Die genetische Drift setzt sich fort, bis die Population wieder größer wird. Der Gründereffekt ist vermutlich auch für die relativ hohe Häufigkeit bestimmter Erbkrankheiten in solchen menschlichen Populationen verantwortlich, die aus einer kleinen Zahl von Siedlern hervorgingen. Im Jahre 1814 gründeten 15 Menschen eine britische Kolonie auf Tristan da Cunha, einer kleinen Inselgruppe im Südatlantik auf halbem Weg zwischen Afrika und Südamerika. Anscheinend trug einer der Siedler ein rezessives Allel für Retinitis pigmentosa, eine fortschreitende Form der Blindheit, von der homozygote Individuen betroffen sind. Von den 240 Abkömmlingen der Siedler, die in den sechziger Jahren im 20. Jahrhundert noch auf der Insel lebten, litten vier unter Retinitis pigmentose, und mindestens neun weitere waren Stammbaumanalysen zufolge nachweislich heterozygote Träger dieser Erkrankung. Die Häufigkeit dieses Allels ist auf Tristan da Cunha weitaus höher als in den Populationen, aus denen die Gründer stammen. Erbkrankheiten bei isolierten Kleinpopulationen sind besonders auffällige Folgen des Gründereffekts, doch diese Quelle genetischer Drift verändert die Frequenz zahlreicher Allele im Genpool, und meist sind wesentlich subtilere Merkmale betroffen. Gendrift nennt man die Veränderung von Genfrequenzen durch Zufallsereignisse. Diese kommen in allen realen (= endlichen) Populationen vor (z.B.: die Mendel´schen Spaltzahlen sind nur Wahrscheinlichkeiten, stimmen also auch in großen Populationen nie genau). Je kleiner die Population, umso größer ist also der Einfluss von Zufallsereignissen. D.h. die Gendrift kann nur in kleinen Populationen für die Evolution bedeutungsvoll werden. (Berechnungen haben ergeben, dass bei Populationen von weniger als 1.000 Individuen die Gendrift sehr stark wirkt und bei mehr als 100.000 zu vernachlässigen ist.) Die Gendrift kann in kleinen Populationen sogar zum zufälligen Verschwinden eines Allels führen. Je kleiner die Population, desto größer ist die Möglichkeit, dass sich zufällig Mutationen oder Genotypen durchsetzen, die keinen Selektionsvorteil haben. Kleine Populationen treten auf: 1. bei isolierten Populationen; z.B. in drei benachbarten Dörfern (mit gleichen Selektionsbedingungen) beträgt die Häufigkeit des Allels für Sichelzellenanämie jeweils 6,3 %, 16,9 % und 24,2 %. 2. Bei sogenannten Populationswellen, jeweils im „Wellental“ der Populationsentwicklung. 3. Wenn wenige Individuen einer Population in einen neuen Lebensraum verschlagen werden, und diesen neu besiedeln (sog. „Gründereffekt); z.B. auf der Felseninsel Faraglioni bei Capri gibt es eine auffallend blau gefärbte Eidechsenpopulation. Derartige auffallende Farbmutationen können nur durch Gendrift erklärt werden, wenn man davon ausgeht, dass die Besiedelung dieser Gebiete durch nur wenige Einzeltiere erfolgt ist. So können sich auch Mutationen oder Genotypen zufällig durchsetzen, die keinen Selektionsvorteil haben. 4. Durch Naturkatastrophen können Populationen kurzfristig sehr klein werden. Seite 327 © Florian Zeller 08 / 09 Die Entstehung der Arten Art: Angehörige einer Art können sich untereinander kreuzen und fruchtbare Nachkommen produzieren. (Biologischer Artbegriff, Betonung der Reproduktion) Rasse: Verschiedene Formen einer Art, die sich in wenigstens einem reinerbigen Merkmal unterscheiden. (Meist unterscheiden sie sich aber in mehreren Merkmalen) Damit sich aus einer Art eine oder mehrere neue Arten bilden können, müssen sich der Genpool und die Variationen der Phänotypen so verändern, dass eine uneingeschränkte Fortpflanzung (Panmixie) innerhalb der Population unmöglich wird. Geografische Isolation Räumliche Trennung von Teilen der Population durch: - Klimaveränderungen (Vereisung, Versteppung) - geologische Veränderungen (Kontinentaldrift, Gebirgsauffaltungen, Entstehung von Seen, Aufbau oder Zusammenbruch von Landbrücken) - durch Auswanderung Der Genaustausch zwischen den verschiedenen Teilen der Population wird dadurch unterbunden, die Panmixie wird aufgehoben. Es kommt zur Aufspaltung (Separation) des Genpools der verschiedenen Teilpopulationen. (Allopatrische Artbildung) Gründe: Jede Teilpopulation hat einige Allele aus dem Genpool der ursprünglichen Population nur in geringer Häufigkeit oder gar nicht mitbekommen. In getrennten Gruppen treten unterschiedliche Mutationen auf. Die Selektionsfaktoren und der Selektionsdruck sind infolge ungleicher Umweltbedingungen unterschiedlich. Durch die Gendrift können sich in sehr kleinen Populationen auch ohne Selektionswirkung bestimmte Gene durchsetzen. Seite 328 © Florian Zeller 08 / 09 Große Entfernungen zwischen den Randgebieten eines zusammenhängenden Verbreitungsgebietes einer Art können bewirken, dass sich die Randpopulation (oder –rassen) getrennt und unabhängig voneinander durch - andere Gendrift - andere Mutationen - andere Selektionsfaktoren zu eigenen Arten verändern. Beispiel: Möwen aus dem Rassenkreis der HeringsSilbermöwen sind mit mehreren Rassen circumpolar verbreitet, zwischen den benachbarten Rassen finden Bastardierungen statt. Die beiden Endglieder der Rassenkette überschneiden sich heute in NordwestEuropa. Zwischen ihnen gibt es natürlicherweise keine Bastarde mehr. Sie waren offenbar lange genug räumlich getrennt, dass sie nun als echte Arten nebeneinander in derselben Gegend existieren können, ohne sich zu verpaaren. Rassen- und Artbildung bei Möwen Zusammenfassung: Getrennte Populationen zeigen mit der Zeit immer mehr Merkmalsunterschiede gegenüber der Ausgangspopulation, weil keine Vermischung mehr möglich ist und weil 1. Jede Teilpopulation etliche Gene der ursprünglichen Population nur in geringerer Häufigkeit oder gar nicht mitbekommen hat 2. In getrennten Gruppen unterschiedliche Mutationen auftreten 3. Die Selektion infolge ungleicher Umweltverhältnisse verschieden wirkt 4. Unterschiedliche Zufallswirkungen auftreten Geographische Isolation Seite 329 © Florian Zeller 08 / 09 Nach der Abtrennung Australiens von Gondwana durch Kontinentaldrift sind am Festland die meisten Beuteltiere ausgestorben. In Australien hingegen konnten sich viele neue Beuteltierarten entwickeln. vor 200 Jahren heute Seite 330 © Florian Zeller 08 / 09 Ökologische Isolation Wird in einem Territorium die intraspezifische oder die interspezifische Konkurrenz zu groß, kann es zur Aufspaltung einer Art durch Besetzung neuer ökologischer Nischen kommen. Die 14 Galapagosfinkenarten gehen alle auf eine körnerfressende Stammform zurück, von der vor 10 Mio. Jahren einige Exemplare vom amerikanischen Festland auf die durch Vulkantätigkeit entstandenen Galapagosinseln gelangten. Die Individuen der körnerfressenden Stammart vermehrten sich, bis Nahrungskonkurrenz um leicht zu öffnende Samen die Populationsgröße begrenzte. Varianten mit kräftigerem Schnabel, der sich auch zum Öffnen härterer und größerer Samen eignete, konnten dem Konkurrenzdruck ebenso ausweichen wie andere Varianten mit dünneren längeren Schnäbeln, mit denen sich kleinere und weichere Samen oder Insekten aufpicken ließen. (disruptive Selektionswirkung) Jede der divergierenden Varianten hatte gegenüber dem Haupttyp durch die Erschließung neuer Nahrungsnischen einen Selektionsvorteil. Die Evolution vieler unterschiedlich angepasster Arten aus gemeinsamen Vorfahren bezeichnet man al adaptive Radiation. Die Galapagosinseln liegen ca. 1.000 km westlich von Equador. Sie sind vulkanischen Ursprung und hatten nie Kontakt mit dem Festland. Es gibt dort nur Insekten, Vögel, Schildkröten und Echsen. Amphibien fehlen völlig; an Säugetieren gibt es nur Fledermäuse, zwei Robbenarten und einige Mäuse. Schon Darwin fiel auf, dass es 14 verschiedene Finkenarten gibt, die nur auf Galapagos vorkommen = endemisch sind. Erklärung: Vor ca. 10 Mio. Jahren (Tertiar) verschlug es einige Finkenexemplare auf die Insel (Gründerindividuen). Sie fanden ideale Bedingungen vor: viel Platz, genügend Futter, keine Konkurrenten… So vermehrten sie sich stark und machten sich untereinander Konkurrenz (Selektionsdruck). Viele Mutationen und Rekombinationen führten zu Variabilität und damit zur Möglichkeit der Einnischung. Die einen suchten ihre Nahrung am Boden, die anderen an Kakteen oder Mangroven, einige fraßen Insekten, andere Körner oder Insektenlarven. Dazu kommt noch, dass die Inseln so weit auseinanderliegen, dass kein häufiger Genaustausch zwischen den Bewohnern stattfindet. So konnten sich infolge von geographischer und reproduktiver Isolation zunächst Rassen und dann Arten bilden. Seite 331 © Florian Zeller 08 / 09 Adaptive Radiation bis zur Stufe von drei verschiedenen Ordnungen hat sich in der Unterklasse der BeutelSäugetiere in Australien seit dem Ende des Erdmittelalters vollzogen. Die aus Stammreptilien hervorgegangenen Urbeuteltiere haben sich in den verschiedensten Biotopen dieses Kontinents ohne Konkurrenz durch höhere Säugetiere zu den verschiedenen Typen wie Kängurus (Grasfresser), Koalas (Eukalyptuslaubfresser), Beutel“wölfe“, Beutel“marder“ (Raubtiere), Beutel“maulwürfe“ etc. entwickelt. Im Bereich des übrigen Festlandes sind dagegen aus unspeziallisierten Urbeuteltieren die ersten höheren plazentalen Säugetiere entstanden und haben die Beuteltiere verdrängt. Durch die adaptive Radiation unter den plazentalen Säugern haben sich ähnliche Typen gebildet wie unter den Beuteltieren, sodass auf fast allen Kontinenten äquivalente ökologische Nischen besetzt sind. Die adaptive Radiation verlief bereits bei den Sauriern ähnlich wie bei den Säugern. Seite 332 © Florian Zeller 08 / 09 Adaptive Radiation / äquivalente Ökologische Nischen Reproduktive Isolation a) Ethologische Isolation b) Zeitliche Isolation Seite 333 © Florian Zeller 08 / 09 Reproduktive Isolation Damit es wirklich zur Bildung neuer Arten kommt, muss ein Genaustausch zwischen den Angehörigen verschiedener Rassen verhindert werden. 1. Mechanisch / anatomisch Starke Abweichungen der Größe (Bernhardiner – Dackel) oder der Geschlechtsorgane (Gliedertiere), kann eine erfolgreiche Übertragung von Spermien verhindern. 2. Ethologisch Eine Veränderung des Balzverhaltens kann die Kopulation unterbinden. Blaufußstölpel und Rotfußstölpel / Regenpfeifer: unterschiedliche Balzrituale Erpel: unterschiedliche Prachtkleider, abweichende Balzbewegungen Vögel: unterschiedliche Balzgesänge Schmetterlinge / Käfer: unterschiedliche Pheromone 3. Zeitlich Verschiedene Arten haben unterschiedliche Balz- und Fortpflanzungszeiten Laichzeiten von Fröschen (Grasfrosch: Februar – April, Teichfrosch: ab Ende Mai) Silbermöwen paaren sich ca. 3 Wochen früher als Heringsmöwen Blühzeiten von Pflanzen (roter Hollunder: Frühblüher, schwarzer Hollunder: Spätblüher) 4. Genetisch / postzygot Kreuzungen zwischen Pferd und Esel führen zu unfruchtbaren Bastarden Bei der Kreuzung von tetrapoliden mit dipoliden Pflanzen entstehen tripolide, samenlose Nachkommen Bastardembryonen sind oft nicht lebensfähig (Ziege x Schaf, Kaninchen x Hase) Hinweis: Manche Bastarde sind besonders lebensfähig / ertragreich Heterosiseffekt !!! Mikroevolution: Makroevolution: Bildung von Arten und Rassen Entstehung von Großgruppen (Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassen und Stämmen) Die Addition kleiner Veränderungen (additive Typogenese) durch Rekombination, Mutation, Selektion, Gendrift und die Isolationsmechanismen sind sowohl für die Mikro- als auch für die Makroevolution verantwortlich. Seite 334 © Florian Zeller 08 / 09 Stufen der Evolution Elementarteilchen Physikalische EVOLUTION Atome Anorganische Moleküle Chemische EVOLUTION Einfache organische Moleküle MAKROMOLEKÜLE LIPIDE Protenoide werden zu Proteinen mit Enzymfunktion Polynucleotide werden zu Nucleinsäuren mit Genfunktion MEMBRAN Hyperzyklus Hyperzyklus in Membran eingeschlossen Biologische EVOLUTION Protobionten Prokaryontenzellen Eukaryontenzellen Vielzeller Mensch Seite 335 © Florian Zeller 08 / 09 Abiotische Entstehung organischer Moleküle Entstehung komplizierter organischer Moleküle aus einfachen anorganischen Verbindungen Voraussetzung: Energie: Kosmische Strahlung (UV = radioaktive Strahlung), Erdwärme (= Vulkanismus), elektrische Entladung bei Gewittern Chemikalien: Uratmosphäre (reduzierend) H2 60 % - 85 % He 15 % - 40 % CH4 CO2 H2O N2 NH3 Versuch von Miller (1953) heutige Atmosphäre (oxidierend) N2 78 % O2 21 % CO2 Rest Edelgase, H2O (Simulationsexperiment) Energiequelle: Funkenstrecke (elektr. Energie) Chemikalien: H2 CH4 NH3 H2O Nach einigen Stunden entstanden 19 organische Verbindungen 6 Aminosäuren, Harnstoff, Ameisensäure, Essigsäure organische Basen, Zucker, in anderen Varianten energiereiche Phosphate ATP In weiteren Simulationsexperimenten unter veränderten Bedingungen und mit anderen Substanzen konnten proteinähnliche Verbindungen und Polynucleotide erzeugt werden. Dadurch Anreicherung von organischen Substanzen entstand die Ursuppe. Achtung: Entscheidende Voraussetzung für diese Synthesen: Kein molekularer Sauerstoff (O2) in der Uratmosphäre. Alle organischen Moleküle wären sonst wieder abgebaut worden. Seite 336 © Florian Zeller 08 / 09 Urey Effekt Er erklärt die Anreicherung des ersten Sauerstoffs in der Atmosphäre. Problem: Die aggressive UV-Strahlung zerstört die organischen Moleküle wie Proteine und Nucleinsäuren, spaltet aber auch nachweislich Wasser. H2 O H2 Verflüchtigung ins All O2 Anreicherung wirksamer UV-Filter Urey-Effekt als Pfeildiagramm: Photolyse von H2O + Stärke der UV-Strahlung O2-Gehalt der Atmosphäre Abschirmung von UV konstante Menge von O2 0,1 % Proteine & Nucleinsäuren werden nicht mehr so häufig zerstört. Entstehung biologischer Systeme Voraussetzung für die Entstehung geordneter biologischer Systeme ist die Abgrenzung von der ungeordneten Umwelt. Phospholipidmoleküle können sich im Wasser selbstständig zu Membranen anordnen. Hyperzyklus in Membran eingeschlossen „Urlebewesen“ Aufbau eines Protobionten (Urlebewesen) Selbstreproduzierende Systeme werden durch Membranen von der Umwelt abgegrenzt. Sie müssen die Fähigkeit zu Wachstum, Vermehrung, Mutation und Energiegewinnung durch Stoffwechsel besitzen. Seite 337 © Florian Zeller 08 / 09 Seite 338 © Florian Zeller 08 / 09 Seite 339 © Florian Zeller 08 / 09 Seite 340 © Florian Zeller 08 / 09