KAPITEL 13 Polynome 1. Primfaktorzerlegung in den ganzen Zahlen D EFINITION 13.1 (Primzahl). Eine Zahl p Î N ist genau dann eine Primzahl, wenn folgende beiden Bedingungen gelten: (1) Es gilt p > 1. (2) Für alle a, b Î N mit p = a × b gilt a = 1 oder b = 1. D EFINITION 13.2 (Teilbarkeit). Seien x, y Î Z. Die Zahl x teilt y genau dann, wenn es ein z Î Z gibt, sodass y = z × x ist. Wir schreiben dann auch x | y; die Zahl y heißt ein Vielfaches von x. S ATZ 13.3. Seien a Î Z und n Î N. Dann gibt es genau ein Paar von Zahlen (q, r) Î Z ´ Z, sodass a = q × n + r und r Î {0, ¼, n - 1}. Wir bezeichnen den Rest r mit a mod n. S ATZ 13.4 (Euklid, 360-280 v.Chr.). Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis: Wir nehmen an, dass p1 , ¼, pr bereits alle Primzahlen sind. Da 2 prim ist, gilt r ³ 1. Dann ist der kleinste Teiler q von 1 + Õri=1 pi mit q > 1 eine Primzahl mit q Ï {p1 , ¼, pr }. à D EFINITION 13.5 (Größter gemeinsamer Teiler). Für zwei Zahlen a, b Î Z (nicht beide 0) ist ggT (a, b) die größte Zahl z Î N mit z | a und z | b. S ATZ 13.6. Seien a, b Î Z nicht beide 0, und sei z Î Z. Dann gilt: ggT (a, b) = ggT (a + z × b, b) . So gilt zum Beispiel ggT (25, 15) = ggT (40, 15). Beweis: Wir zeigen, dass nicht nur der ggT, sondern sogar die Mengen der gemeinsamen Teiler der beiden Zahlenpaare gleich sind. Wir zeigen also {t Î Z : t | a und t | b} = {t Î Z : t | a + zb und t | b} . “Í”: Falls t sowohl a als auch b teilt, dann auch a + zb und b. “”: Falls t sowohl a + zb, als auch b teilt, dann auch a + zb - zb und b, also auch a und b.à 179 180 13. POLYNOME Das nützen wir jetzt möglichst geschickt aus, um ggT(147, 33) zu berechnen: ggT (147, 33) = ggT (147 - 4 × 33, 33) = ggT (15, 33) = ggT (15, 33 - 2 × 15) = ggT (15, 3) = ggT (0, 3) = 3. Günstig ist es also, z so zu wählen, dass a + zb der Rest von a bei der Division durch b wird. Mit Hilfe des erweiterten Euklidischen Algorithmus findet man nicht nur den ggT von a und b, sondern auch u, v Î Z, sodass gilt: ggT (a, b) = u × a + v × b. Beispiel: Wir berechnen ggT(147, 33), und schreiben das so: 147 33 15 3 0 147 33 1 0 (147 = 1 × 147 + 0 × 33) 0 1 (33 = 0 × 147 + 1 × 33) 1 -4 (15 = 1 × 147 - 4 × 33) -2 9 (3 = -2 × 147 + 9 × 33) Berechnet man ggT(a, b) mithilfe dieses Algorithmus, sieht man, dass sich die Zahlen in der linken Spalte immer als Linearkombination von a und b schreiben lassen. Als Konsequenz davon erhalten wir folgenden Satz: S ATZ 13.7. Seien a, b Î Z (nicht beide 0). Dann gibt es u, v Î Z, sodass ggT (a, b) = u × a + v × b. Beweis: Wir betrachten zuerst den Fall a ³ 0, b ³ 0, und zeigen den Satz durch Induktion nach min(a, b). Wenn b = 0, so gilt a > 0, und somit nach der Definition des ggT auch ggT(a, b) = a. Wenn a = 0, so gilt b ¹ 0 und ggT(a, b) = b. Seien nun a > 0, b > 0, b £ a. Durch Division mit Rest erhalten wir q Î N0 , r Î {0, ¼, b - 1} sodass a = qb + r. Wegen Satz 13.6 gilt ggT(a, b) = ggT(r, b). Da r < b, gibt es nach Induktionsvoraussetzung u¢ , v¢ Î Z, sodass ggT(r, b) = u¢ r + v¢ b. Dann gilt ggT(a, b) = ggT(r, b) = u¢ r + v¢ b = u¢ (a - qb) + v¢ b = u¢ a + (v¢ - u¢ q)b, also ist auch ggT(a, b) als Kombination von a und b darstellbar. Der Fall a > 0, b > 0, a £ b funktioniert genauso. à Eine Folgerung davon ist: 1. PRIMFAKTORZERLEGUNG IN DEN GANZEN ZAHLEN 181 S ATZ 13.8. Seien a, b Î Z, nicht beide 0, und sei t Î Z so, dass t | a und t | b. Dann gilt auch t | ggT(a, b). Beweis: Seien u, v Î Z so, dass ggT(a, b) = ua + vb. Da t die Zahl a teilt, ist auch ua ein Vielfaches von t. Ebenso ist vb ein Vielfaches von t. Somit ist auch die Summe ua + vb ein Vielfaches von t. Die Zahl t ist also ein Teiler von ggT(a, b). à Wenn a und b größten gemeinsamen Teiler 1 haben, so heißen sie teilerfremd oder relativ prim. Ü BUNGSAUFGABEN 13.9. (1) [Remmert and Ullrich, 1987, p. 28] Sei pn die n-te Primzahl, d. h. p1 = 2, p2 = 3, usw. Zeigen Sie pn £ 2(2 n-1 ) . (2) Seien a, b, x Î N und u, v Î Z so, dass x = ua + vb. Zeigen Sie: Wenn x sowohl a als auch b teilt, so gilt x = ggT(a, b). (3) Seien a, b Î N, y Î Z so, dass a | y, b | y, ggT(a, b) = 1. Zeigen Sie (ohne Vorgriff auf die Primfaktorzerlegung): a × b | y. (4) Seien a, b Î Z (nicht beide 0), und sei k Î N. Zeigen Sie: ggT(ka, kb) = k ggT(a, b). Gelingt es Ihnen, ggT(ka, kb) | k ggT(a, b) auch ohne Verwendung der Primfaktorzerlegung zu zeigen? (5) Seien a, c Î Z, b, d Î N. Zeigen Sie: Wenn die Brüche ab und dc gekürzt, und die Nenner b und d teilerfremd sind, so ist auch der Bruch ad+bc bd gekürzt. S ATZ 13.10. Seien a, b, c Î Z, und sei zumindest eine der Zahlen a und b nicht 0. Wir nehmen an, dass a die Zahl b × c teilt und dass ggT(a, b) = 1 gilt. Dann gilt: a teilt c. Beweis: Es gibt u, v Î Z, sodass 1 = u × a + v × b. Es gilt a | uac. Da nach Voraussetzung a | bc gilt, gilt auch a | vbc. Daraus erhalten wir a | (ua + vb)c, und somit a | c. à KOROLLAR 13.11. Seien b, c Î Z, und sei p eine Primzahl. Wenn p das Produkt b c teilt, so teilt p einen der beiden Faktoren b und c. S ATZ 13.12. Sei Xpi | i Î N\ = (2, 3, 5, 7, 11, ¼) die Folge aller Primzahlen, und sei n Î N. Dann gibt es genau eine Funktion Α : N ® N0 mit folgenden Eigenschaften: (1) {i Î N | Α(i) > 0} ist endlich. Α(i) (2) n = ÕiÎN pi . Beweis: Wir zeigen zunächst durch Induktion nach n, dass es ein solches Α gibt. Für n = 1 setzen wir Α(i) := 0 für alle i Î N. Für n > 1 sei q der kleinste Teiler von n mit q > 1. Die Zahl q ist eine Primzahl; es gibt also j Î N mit q = p j . Nach 182 13. POLYNOME Induktionsvoraussetzung gibt es Β : N ® N0 mit Β(i) n = ä pi , q iÎN Β( j)+1 also gilt n = p j Β(i) × ÕiÎN{ j} pi . Nun zeigen wir die Eindeutigkeit. Seien Α, Β : N ® N0 so, dass {i Î N | Α(i) > 0} und {i Î N | Β(i) > 0} beide endlich sind und Α(i) ä pi Β(i) = ä pi . iÎN iÎN Wir zeigen, dass für alle j Î N gilt: Α( j) = Β( j). Sei dazu j Î N. Wir nehmen an Α( j) > Β( j). Dann gilt Α( j)-Β( j) pj Α(i) ä pi Β(i) = ä pi . iÎN{ j} iÎN{ j} Β(i) pi Nach Korollar 13.11 teilt p j also ein mit i ¹ j. Im Fall Β(i) = 0 widerspricht das p j > 1, im Fall Β(i) > 0 gilt p j | pi . Da pi eine Primzahl ist, gilt dann pi = p j , im Widerspruch zu i ¹ j. à Ü BUNGSAUFGABEN 13.13. (1) Sei pn die n-te Primzahl, d. h. p1 = 2, p2 = 3, usw. Zeigen Sie, auch, ohne die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung zu verwenden, dass Folgendes gilt: Wenn a b = = Õ pi Αi Õ pi Βi , wobei Αi , Βi Î N0 , und fast alle Αi , Βi = 0 sind, dann gilt a | b genau dann, wenn für alle i gilt: Αi £ Βi . (Zeigen Sie, dass diese Aussage für alle Primfaktorzerlegungen von a und b gilt. Folgt daraus die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung?) (2) Sei pn die n-te Primzahl, d. h. p1 = 2, p2 = 3, usw. Zeigen Sie: Wenn a b = = Õ pi Αi Õ pi Βi , wobei Αi , Βi Î N0 , und fast alle Αi , Βi = 0 sind, dann gilt ggT(a, b) = ä pi min(Αi ,Βi ) . (3) Welche Zahlen q Î N erfüllen folgende Eigenschaft? Für alle a, b Î Z mit q | a × b gilt q | a oder es gibt ein n Î N, sodass q | bn . 2. Polynome D EFINITIONSVERSUCH 13.14. Sei K kommutativer Ring mit Eins. Dann ist K[x] die Menge aller Ausdrücke a0 + a1 x + a2 x2 + a3 x3 + µ + an xn mit n Î N0 und a0 , a1, ¼, an Î K. Die Elemente von K[x] nennen wir Polynome. 2. POLYNOME 183 Was heißt aber Ausdruck? Und welche Rolle spielt x? Mit folgender Definition stehen wir auf dem sicheren Boden der Mengenlehre. D EFINITION 13.15. Sei K kommutativer Ring. Dann ist ein Polynom über K eine Folge (a0 , a1, a2 , a3 , ¼), sodass es ein i Î N0 gibt, sodass für alle j Î N0 mit j ³ i gilt: a j = 0. Wir haben also Polynome als unendliche Liste ihrer Koeffizienten definiert. D EFINITION 13.16. Sei K ein kommutativer Ring, und seien (a0 , a1 , a2 , ¼), (b0 , b1 , b2, ¼) Polynome über K. Wir definieren (1) (a0 , a1 , a2, ¼) + (b0 , b1 , b2, ¼) := (a0 + b0 , a1 + b1 , a2 + b2 , ¼) (2) (a0 , a1 , a2, ¼) × (b0 , b1 , b2 , ¼) := (c0 , c1 , c2 , ¼) mit â ck := ai × b j (i, j)Î{0,¼,k}´{0,¼,k} i+ j=k für alle k Î N0 . S ATZ 13.17. Sei K ein kommutativer Ring mit Eins, seien p, q, r Polynome über K, und sei e das Polynom (1, 0, ¼, 0). Dann gilt: (1) (2) (3) (4) (p × q) × r = p × (q × r). p × q = q × p. p × (q + r) = p × q + p × r. p × e = p. S ATZ 13.18. Sei K ein kommutativer Ring mit Eins, und sei P die Menge aller Polynome über K. Dann ist XP, +, -, ×, (0, 0, 0, ¼), (1, 0, 0, ¼)\ ein kommutativer Ring mit Eins. S ATZ 13.19. Sei K ein kommutativer Ring mit Eins, sei p = (a0 , a1 , a2 , ¼) ein Polynom über K, und sei x := (0, 1, 0, 0, ¼, 0). Dann gilt: (1) xi = (0, 0, ¼, 0, 1, 0, 0, ¼). «¬¬¬¬¬¬¬­¬¬¬¬¬¬¬® i Nuller (2) p = â ai * xi . iÎN0 ai ¹0 Wir werden die Menge der Polynome über K nun oft mit K[x] oder K[t] bezeichnen. Sobald wir K[t] verwenden, haben wir die Bedeutung von 2 Variablen erklärt: (1) K[t] = 9(a0 , a1 , ¼) Î K N0 | {i Î N0 | ai ¹ 0} ist endlich=. (2) t = (0, 1, 0, 0, ¼). 184 13. POLYNOME 3. Polynomfunktionen D EFINITION 13.20. Sei K ein kommutativer Ring mit Eins, und sei p = Úni=0 ai * xi ein Element von K[x]. Dann bezeichen wir die von p induzierte Funktion mit pK und definieren sie durch pK : K K y S Úni=0 ai yi . S ATZ 13.21. Sei K ein kommutativer Ring mit Eins, und seien p, q Î K[x]. Dann gilt für alle y Î K: (p × q)K (y) = pK (y)qK (y). 4. Teilbarkeit von Polynomen D EFINITION 13.22 (Grad eines Polynoms). Für f := (a0 , a1 , a2, ¼) Î K[x] {0} ist der Grad von f , deg f , jenes n Î N0 , sodass an ¹ 0 und ai = 0 für alle i > n. Dann nennen wir an den führenden Koeffizienten von f . Wir definieren deg 0 := -1. D EFINITION 13.23. Sei K ein Körper, und seien f , g Î K[x]. (1) f teilt g, wenn es ein q Î K[x] gibt, sodass g = q × f . (2) f ist irreduzibel über K (ein irreduzibles Polynom in K[x]), wenn deg f ³ 1 und für alle a, b Î K[x] mit a × b = f entweder a oder b Grad 0 hat. (3) f ist normiert, wenn es führenden Koeffizienten 1 hat. S ATZ 13.24 (Division). Sei K ein Körper, und seien f , g Î K[x]. Wenn f ¹ 0, so gibt es genau ein Paar (q, r) Î K[x] ´ K[x] mit g = q × f + r und deg r < deg f . D EFINITION 13.25 (ggT in K [x]). Sei K ein Körper, und seien f , g Î K[x], nicht beide 0. Dann ist d Î K[x] ein größter gemeinsamer Teiler von f und g, wenn folgende Bedingungen gelten: (1) d | f und d | g, (2) Für alle h Î K[x] mit h | f und h | g gilt deg(h) £ deg(d), (3) d ist normiert. Wir bezeichnen den Rest von g bei der Division durch f mit (g mod f ). Da das Paar (g, f ) die gleichen gemeinsamen Teiler wie das Paar ( f , g mod f ) hat, können wir einen größten gemeinsamen Teiler mithilfe des Euklidschen Algorithmus berechnen. Wir rechnen dazu zwei Beispiele: AUFGABE 13.26. Wir berechnen einen größten gemeinsamen Teiler von f , g Î R[x] für f = -8 x + 4 x2 + 6 x3 - 5 x4 + x5 und g = 4 - 4 x - x2 + x3 . 4. TEILBARKEIT VON POLYNOMEN 185 Wir bilden die gleiche Tabelle wie beim Euklidschen Algorithmus für ganze Zahlen und erhalten: -8 x + 4 x2 + 6 x3 - 5 x4 + x5 1 0 2 3 4-4x- x +x 0 1 -24 + 32 x - 10 x2 1 -6 + 4 x - x2 2 11 8 x3 M + 1625x + 10x - I 25 M + 725x + 950x - 10 - I 32 25 50 0 Um einen normierten gemeinsamen Teiler zu erhalten, multiplizieren wir die vorletzte Zeile dieser Tabelle mit 25 und erhalten -2 + x als einen größten gemeinsamen Teiler. 16 Außerdem gilt 11 5 x 1 7 x 9 x2 5 x3 + ) × f + (- + + ) × g. 32 32 2 16 32 32 13.27. Wir berechnen den größten gemeinsamen Teiler der Polynome -2 + x = ( AUFGABE f = 1 + x3 + x5 und g = 1 + x + x3 in Z2 [x]. Wir erhalten 1 + x3 + x5 1 0 1 + x + x3 0 1 1 + x2 1 x2 1 x 1 + x3 0 Daher ist 1 ein größter gemeinsamer Teiler, und es gilt 1 = x × f + (1 + x3 ) × g. Wir können also einen größten gemeinsamen Teiler mithilfe des Euklidschen Algorithmus bestimmen. Daraus ergibt sich: S ATZ 13.28. Sei K ein Körper, und seien f , g Î K[x], nicht beide 0. Dann gibt es einen größten gemeinsamen Teiler d von f und g, für den es u, v Î K[x] gibt, sodass u × f + v × g = d. S ATZ 13.29. Sei K ein Körper, seien f , g Î K[x], nicht beide 0, und sei d Î K[x]. Wir nehmen an, dass es u, v Î K[x] gibt, sodass d = u × f + v × g. Dann teilt jeder gemeinsame Teiler von f und g auch das Polynom d. Beweis: Sei h ein gemeinsamer Teiler von f und g. Dann gilt h | u f + vg, also h | d. à KOROLLAR 13.30. Sei K ein Körper, und seien f , g Î K[x], nicht beide 0. Seien d1 , d2 Î K[x] beide ggT von f und g. Dann gilt d1 = d2 . 186 13. POLYNOME Beweis: Nach Satz 13.28 gibt es einen größten gemeinsamen Teiler d von f und g, der sich als u f +vg mit u, v Î K[x] schreiben lässt. Wegen Satz 13.29 gilt d1 | d. Sowohl d1 als auch d haben den maximal möglichen Grad unter allen gemeinsamen Teilern von f und g. Also gilt deg(d1 ) = deg(d). Somit gibt es ein Α Î K, sodass d = Αd1 . Da d und d1 normiert sind, gilt Α = 1 und somit d = d1 . Ebenso gilt d = d2 , also d1 = d2 . à Sei K ein Körper. Ein Polynom f Î K[x] ist irreduzibel über K , wenn deg( f ) ³ 1, und wenn für alle h, g Î K[t] mit h g = f gilt, dass deg(h) = 0 oder deg(g) = 0. Jedes Polynom vom Grad 1 ist offensichtlich irreduzibel. S ATZ 13.31. Sei K ein Körper, und seien f , g, h Î K[x] so, dass f irreduzibel über K ist. Wenn f | g h, so gilt f | g oder f | h. Beweis: Wenn f das Polynom g nicht teilt, so gilt ggT( f , g) = 1. Also gibt es u, v Î K[x] mit 1 = u f + vg, und somit h = u f h + vgh. Da f | u f h und f | vgh, gilt auch f | h. à S ATZ 13.32 (Zerlegung in irreduzible Polynome). Sei K ein Körper, sei Irr(K ) die Menge aller normierten, über K irreduziblen Polynome in K[x], sei f Î K[x] {0}, sei n := deg( f ), und sei fn der führende Koeffizient von f . Dann gibt es genau eine Funktion Α : Irr(K ) ® N0 , sodass {g Î Irr(K ) | Α(g) ¹ 0} endlich ist, und f = fn * ä gΑ(g) . gÎIrr(K ) 5. Polynomfunktionen und Nullstellen Wir erinnern uns, dass für f = a0 + a1 x + a2 x2 + µ + an xn Î K[x] die von f auf K induzierte Funktion f K durch fK : K K k S a0 + a1 k + a2 k2 + µ + an kn definiert ist. D EFINITION 13.33. Sei K ein Körper, sei f Î K[x], und sei Α Î K. Die Zahl Α ist eine Nullstelle von f , wenn f K (Α) = 0. S ATZ 13.34. Sei K ein Körper, sei f Î K[x], und sei Α Î K. Dann ist Α genau dann eine Nullstelle von f , wenn x - Α | f gilt. Ü BUNGSAUFGABEN 13.35. (1) Zeigen Sie: Sei K ein Körper, und sei f Î K[x] ein Polynom mit deg( f ) ³ 2 und einer Nullstelle Α Î K. Dann ist f nicht irreduzibel. 6. POLYNOME ÜBER DEN REELLEN UND DEN KOMPLEXEN ZAHLEN 187 (2) Sei K ein Körper. Zeigen Sie, dass jedes Polynom vom Grad 2 oder 3 über K , das keine Nullstelle hat, irreduzibel ist. (3) Finden Sie ein nicht irreduzibles Polynom vom Grad 4 über Q, das keine Nullstelle in Q hat und nicht irreduzibel ist. (4) Zeigen Sie: jedes irreduzible Polynom über R hat Grad 1 oder geraden Grad. (Tatsächlich gilt sogar: hat Grad 1 oder 2, aber das ist viel schwieriger zu zeigen.) S ATZ 13.36. Sei K ein Körper, sei n Î N, und sei f Î K[x] ein Polynom mit deg( f ) = n. Dann hat f höchstens n Nullstellen. Beweis: Wir beweisen diese Aussage durch Induktion nach n. Die Aussage stimmt für n = 1: ein Polynom der Form Α1 x + Α2 hat, wenn Α1 ¹ 0, nur die Nullstelle -Α2 × (Α1)-1 . Wir nehmen nun an, dass n ³ 1 ist, und dass jedes Polynom vom Grad n höchstens n Nullstellen hat. Wir zeigen, dass dann jedes Polynom vom Grad n + 1 höchstens n + 1 Nullstellen haben kann. Sei dazu f ein Polynom vom Grad n + 1. Wenn f keine Nullstellen hat, dann sind wir fertig, denn“keine Nullstellen” heißt natürlich auch “weniger als n + 2 Nullstellen”. Wenn f zumindest eine Nullstelle hat, dann wählen wir eine Nullstelle Α. Wir können dann ein Polynom g vom Grad n finden, sodass f = (x - Α) × g. Sei nun Β eine Nullstelle von f mit Β ¹ Α. Dann gilt f K (Β) = (Β - Α) × gK (Β). Also gilt 0 = (Β - Α) × gK (Β). Wegen Β - Α ¹ 0 gilt gK (Β) = 0. Das Element Β ist daher eine Nullstelle von g. Da wir angenommen haben, dass jedes Polynom vom Grad n höchstens n Nullstellen hat, hat g höchstens n Nullstellen. Jede Nullstelle von f ist entweder gleich Α oder unter diesen n Nullstellen von g. Somit hat f höchstens n + 1 Nullstellen. à D EFINITION 13.37. Sei K ein Körper, sei f Î K[x]{0}, und sei Α Î K eine Nullstelle von f . Wir definieren die Vielfachheit der Nullstelle Α von f als max {n Î N : (x - Α)n | f }. 6. Polynome über den reellen und den komplexen Zahlen D EFINITION 13.38. Wir definieren C := {J ab -b a N | a, b Î R} als die Menge der komplexen Zahlen. L EMMA 13.39. Die Menge C := {J ba -b a N | a, b Î R} hat folgende Eigenschaften: (1) "c1 , c2 Î C : c1 + c2 Î C, -c1 Î C, c1 × c2 Î C. (2) "c Î C {J 00 00 N} : c-1 Î C. (3) "c1 , c2 Î C : c1 × c2 = c2 × c1 . (C, +, -, ×, J 00 00 N, J 10 01 N) ist also ein Körper. 188 13. POLYNOME a -b Mit den Abkürzungen e := J 10 01 N, i := J 10 -1 0 N lässt sich die komplexe Zahl J b a N auch als a * e + b * i, oder kürzer als a + b i schreiben. Es gilt i2 = -1, das Polynom x2 + 1 hat also in C die Nullstellen i und -i. Komplexe Zahlen der Form a + 0i bezeichnen wir auch als reell. Für die Zahl z = a + b i bezeichnen wir z := a - b i als die zu z konjugiert komplexe T Zahl. Schreiben wir die komplexe Zahl z = J ba -b a N als Matrix, so gilt z = z . S ATZ 13.40. Seien z1 , z2 , z Î C. Dann gilt z1 + z2 = z1 + z2 und z1 × z2 = z1 × z2 . Die Zahlen z × z und z + z sind stets reell. S ATZ 13.41 (Hauptsatz der Algebra, Gauß(1799), Argand (1806)). Sei f ein Polynom in C[x] mit deg( f ) > 0. Dann besitzt f eine Nullstelle Α Î C. KOROLLAR 13.42. (1) Jedes über C irreduzible Polynom in C[x] hat Grad 1. (2) Jedes über R irreduzible Polynom in R[x] hat Grad 1 oder 2. Beweis: (1): Sei f Î C[x] irreduzibel über C. Nach dem Hauptsatz der Algebra hat f eine Nullstelle Α Î C, also gilt x - Α | f . Somit gilt x - Α = f . (2): Sei f Î R[x] irreduzibel über R. Nach dem Hauptsatz der Algebra hat f eine Nullstelle Α Î C. Wenn Α Î R, so gilt x - Α | f , also f = x - Α. Wenn Α Ï R, so verwenden wir, dass alle Koeffizienten von f reell sind und folglich gilt: f C (Α) = Úni=0 fi × Αi = Úni=0 fi × Αi = Úni=0 fi Αi = Úni=0 fi Αi = f C (Α) = 0 = 0. Also gilt in C[x], dass x - Α | f und x - Α | f . Somit gilt in C[x], dass (x - Α)(x - Α) | f . Das Polynom g := (x - Α)(x - Α) hat nur reelle Koeffizienten. Es gilt g | f in C[x]. Somit gilt auch g | f in R[x] (denn gäbe es bei der Division in R[x] einen Rest ¹ 0, wäre der Rest bei der Division in C[x] nicht eindeutig). Es gilt also g = f . à KOROLLAR 13.43. Sei n Î N, und sei f Î C[x] ein normiertes Polynom vom Grad n. Dann gibt es m Î N, Λ1 , ¼, Λm Î C und v1 , ¼, vm Î N sodass m f = ä(x - Λi )vi i=1 und v1 + µ + vm = n. Literaturverzeichnis [Halmos, 1976] Halmos, P. R. (1976). Naive Mengenlehre. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Vierte Auflage, Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Armbrust und Fritz Ostermann, Moderne Mathematik in elementarer Darstellung, No. 6. [Remmert and Ullrich, 1987] Remmert, R. and Ullrich, P. (1987). Elementare Zahlentheorie. Birkhäuser Verlag, Basel. 189