Universität Konstanz Neuronen-Doktrin und Neuroglia Zur

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Universität Konstanz
Neuronen-Doktrin und Neuroglia
Zur Beharrungstendenz eines Denkstils in der Entstehungsgeschichte
der modernen Neurobiologie
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung der Würde eines Doktors der Naturwissenschaften
der Fakultät für Biologie der Universität Konstanz
vorgelegt von
Sven Dierig
Konstanz 1994
Unmöglich ist ein wirklich isolierter Forscher, unmöglich ist eine ahistorische
Entdeckung, unmöglich ist eine stillose Beobachtung. Ein isolierter Forscher ohne
Vorurteile und ohne Tradition, ohne auf ihn wirkende Kräfte einer
Denkgesellschaft und ohne Einfluß der Evolution wäre blind und gedankenlos.
Ludwik Fleck 1935
- Inhaltsverzeichnis -
Einleitung
I.
Die Neuroglia im Schatten der Neuronen-Doktrin ......................................................... 7
II.
Die Wissenschaftstheorie Ludwik Flecks (1896-1961) ............................................... 10
1.
Die soziale Bedingtheit individueller Erkenntnisfähigkeit ............................................. 10
1.1
Denkstil und Denkkollektiv .......................................................................................... 10
1.2
Denkstilgebundenes Gestaltsehen und Denkzwang ...................................................... 12
2.
Der historische Charakter des Wissens ........................................................................ 18
2.1
Das Denkkollektiv als der Träger wissenschaftlicher Entwicklung ............................. 18
2.2
Von "Seefahrern" und dem Konzept der Uridee ......................................................... 22
2.3
Wissenschaft ist konservativ: Die "Beharrungstendenz des Meinungssystems" .......... 24
III.
Zielsetzung der Untersuchung ...................................................................................... 26
»Erster Teil«: Plädoyer für eine Denkstilumwandlung in der modernen Neurobiologie
I.
Der Denkstil: Das Neuron als die informationsverarbeitende Einheit
des Nervensystems ....................................................................................................... 27
II.
Argumente für eine Denkstilumwandlung: Das Nervensystem als
Glia-Neuronen System ................................................................................................... 34
1.
Der Bauplan des Glia-Neuronen Systems ...................................................................... 34
2.
Morphologische Dynamik des Glia-Neuronen Systems ................................................ 39
3.
Das Gehirn als chemische Maschine und die Glia als Funktionsträger ........................ 42
4.
"Informationsverarbeitung" und Neuroglia .................................................................... 47
- II -
»Zweiter Teil«: Die Entstehungsgeschichte der Neuronen-Doktrin
I.
Das Grundprinzip des Nervösen: Erregungsleitung an der Nervenfaser ........................ 66
1.
Vom pneuma zum Nervensaft ........................................................................................ 66
2.
Die Kriterien des Lebendigen: Erregbarkeit und die Priorität des
Nervensystems................................................................................................................... 71
3.
Die Idee von der thierischen Elektricität und deren Lokalisation im
Nervensystem .................................................................................................................. 77
4.
Romantisch-vitalistisches Zwischenspiel: Lebenskraft und Nervenkraft......................... 82
5.
Die Objektivierung der elektrischen Erscheinungen und die Entdeckung
des Nervenimpuls ........................................................................................................... 87
6.
Erregung und Erregungsleitung als bioelektrischer Vorgang ......................................... 91
II.
Die zellulare Theorie des Nervensystems........................................................................ 94
1.
Das Ende der Faserlehre: Der Organismus als Zellenstaat und
die Zelle als der Elementarorganismus des Lebendigen.................................................. 94
1.1
Die Zellentheorie............................................................................................................. 94
1.2
Die Zellenlehre .............................................................................................................. 100
2.
Wider der "Aristokratie und Hierarchie der Nerven": Active Zellen und
zellulare Erregung als die Merkmale von Lebenstätigkeit ........................................... 103
3.
Das zellulare Nervensystem ......................................................................................... 109
III.
Die Vorgeschichte der Neuronen-Doktrin und die Entstehung des
Netzwerkgedankens ...................................................................................................... 112
1.
Histologie der Nervenzelle: Zelle und Faser als morphologische Einheit .................... 112
1.1
Von der Ganglienkugel zur Nervenzelle ...................................................................... 112
1.2
Das Neuron: der Elementarorganismus des Nervensystems ......................................... 124
- III -
2.
Physiologie der Nervenzelle: Die Einbeziehung des Erregungskonzepts
in den histologischen Befund. ........................................................................................ 129
2.1
Funktionszuweisung an die Ganglienkugel: "Sammler, Erzeuger und
Verteiler des Nervenagens" ............................................................................................ 129
2.2
Funktionszuweisung an die Ganglienzelle: Der "Zentralpunkt eines
komplizierten Systems verschiedener nervöser Erregungen"......................................... 136
2.3
Das Neuron im diskontinuierlichen Funktionsverband: Das Konzept der
Erregungsübertragung .................................................................................................. 139
3.
"Psycho-Physik der Nervenzelle": Die Beschreibung psychischer
Erscheinungen mit Hilfe der Nervenzelle und des Erregungsbegriffs .......................
142
3.1
Die Nervenzelle als Elementarorganismus der psychischen Erscheinung..................... 142
3.2
Ein erstes Neuronen-Netzwerk: Sigmund Exners (1846-1926) »Entwurf zu
einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen« ............................
152
IV.
Der Höhepunkt der Neuronen-Doktrin: Das Neuron als Signaling Unit
und das informationsverarbeitende Neuronen-Netzwerk. Skizze der
Entwicklung im 20. Jahrhundert ................................................................................... 158
1.
Das Neuron als funktionelle Einheit: Vom Nervenimpuls
zum Neural Coding ....................................................................................................... 159
1.1
Das Alles-oder-Nichts Gesetz ....................................................................................... 159
1.2
Der Nervenimpuls als Signal und die Frequenzcodierung............................................ 164
2.
Das Neuron als anatomische Einheit: Das Synapsenkonzept ....................................... 167
2.1
Morphologie der Synapse ............................................................................................. 167
2.2
Die Grundfunktionen an der Synapse: "Signalverarbeitung, Verrechnung
und Verknüpfung von Informationen" .......................................................................... 170
2.3
Plastizität der Synapse ................................................................................................... 173
3.
Die Technisierung des Neuronen-Netzwerks: Das Computer-Paradigma und
die Entstehung der Neurokybernetik ............................................................................. 174
- IV -
4.
Vom Reiz zum Verhalten, oder: "What the frog’s eye tells
the frog’s brain" ............................................................................................................. 177
5.
Vom Reiz zur Aufklärung der neuronalen Verdrahtung am Beispiel der
Entdeckung des cortikalen Moduls ............................................................................... 180
»Dritter Teil«: Die Entdeckung des Gliösen im Schatten des Nervösen
I.
Vom Zellgewebe zum Nervenkitt, oder das "gänzliche Ignorieren des
Antheils der Bindesubstanz an der Zusammensetzung der Nervencentra" .................. 186
1.
Zur Entstehung der Gewebelehre unter besonderer Berücksichtigung der
ausfüllenden Grundmassen ............................................................................................. 186
2.
Zellgewebe und nervöses Zentralorgan: Vom "Kopfzellgewebe" zum
"verdichteten Zellstoff".............................................................................................
194
3.
Der Urvater der Neuroglia: Gabriel Gustav Valentin (1810-1883) und
die "Zellgewebsscheide"................................................................................................ 200
4.
Vom Zellgewebe zum Bindegewebe ............................................................................. 203
5.
Die Entdeckung des Nervenkitt und die Forderung nach "Mitteln, die
Elemente der Nervensubstanz und des Bindegewebes zu unterscheiden" .................... 207
II.
Die Entdeckung der Astrozyten ..................................................................................... 215
1.
Im "Chaos der endlosen Widersprüche" ........................................................................ 215
2.
Die Entdecker der Gliazelle: Otto Deiters (1834-1863) und
Leopold Besser (1820-1906) ......................................................................................... 223
3.
Abgrenzung vom "echten Bindegewebe": Die Deiterssche Zelle als
erstes Formbild .............................................................................................................. 231
4.
Typisierung der Gliazellen mit Hilfe der "reazione nera" ............................................. 243
5.
"Golgianer" contra "Weigertianer" ............................................................................... 252
6.
"Psychotische Entartung der Capillargefäße" oder "flaschenartige
Erweiterungen der Gliazellfortsätze"? Die Aufklärung zellulärer
Feinstrukturen am Beispiel der Gliaendfüßchen ........................................................... 261
-V-
7.
Die Netzwerkstruktur des Gliösen................................................................................. 272
8.
Der Astrozyt als gliöser Elementarorganismus und begriffliches
Äquivalent zum Neuron ................................................................................................ 280
III.
Abschluß der Gliatypisierung im Gehirn ...................................................................... 282
1.
Die Brücke zwischen "Weigertianern" und "Golgianern": Protoplasmatische
und fibrilläre Astrozyten .............................................................................................. 282
2.
Skizze der Entdeckung der Oligodendroglia und der Mikroglia................................... 293
2.1
Weiße Substanz: "Gliaelemente zum Zwecke der Scheidenbildung" .......................... 293
2.2
Graue Substanz: pericellular elements und Trabantenzellen ........................................ 296
2.3
Vom tercer elemento zur Oligodendroglia und zur Mikroglia...................................... 296
2.4
Mikroglia und Makroglia .............................................................................................. 302
IV.
Die Ausgrenzung der Gliazelle vom Begriff des Nervösen........................................... 304
1.
Implizierte Dogmen....................................................................................................... 305
1.1
Neuroglia ist nicht erregungsleitend ............................................................................. 305
1.2
Die Gliazelle ist nicht erregbar ..................................................................................... 309
2.
"Intercellularsubstanz" und "nutritive Funktion" ........................................................... 312
V.
Die "Beharrungstendenz des Meinungssystems": Vergessene Konzepte zur
Neuroglia als Modulatororgan und zur Rolle des Gliösen bei der Erklärung
psychischer Erscheinungen............................................................................................ 315
1.
Gabriel Gustav Valentins (1810-1883) "Zellgewebesscheide" als Vermittler
zwischen den "Urmassen" ............................................................................................ 315
2.
Carl Ludwig Schleichs (1859-1922) "Hirnorgelspiel": Ein erstes
Glia-Neuronen Konzept zur zellularen Theorie der Hirnfunktion ............................... 318
2.1
Neuroglia und das Neuron: "Hemmung und Action, gebunden an verschiedene
anatomische Substrate" ................................................................................................. 319
- VI -
2.2
Aktive Neuroglia: "Die physiologische Deutung histologischer Thatsachen" .............. 323
2.3
Reizung der Neuroglia und die "drei Orgelregister des Gehirns" ................................. 325
3.
Santiago Ramón y Cajals (1852-1934) »Hypothesen über den anatomischen
Mechanismus der Ideenbildung der Assoziation und der Aufmerksamkeit« ................ 330
3.1
Ein "variabler histologischer Faktor": Die These von der amöboiden
Beweglichkeit der Gliazellen......................................................................................... 330
3.2
Der "motorische Apparat in der Hirnrinde"................................................................... 336
4.
Ein erster Ansatz für eine moderne Auffassung von Gliafunktion: Robert
Galambos' Glial-Neural Complex, oder: "A brain without glia would be a
giant computer operating at random for lack of a program" ........................................ 341
Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................................... 343
Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 347
7
Einleitung
I. Die Neuroglia im Schatten der Neuronen-Doktrin
Die Neuronen-Doktrin besagt, daß die Funktion des Nervensystems, und insbesondere die
Funktion des Gehirns, auf der Wechselwirkung von zu neuralen Netzwerken
zusammengeschlossen Neuronen beruht. Die Neuronen-Doktrin ist das die Neurobiologie derzeit
1
beherrschende Paradigma und damit tief im Ausbildungsritual der Neurobiologie verankert. So
heißt es in einem zur Ausbildung künftiger Neurobiologen empfohlenen Lehrbuchtext unter der
Titelung »Nervensysteme sind Neuronensysteme«: "[...] trotz der Diversität von
Forschungsweisen und Denkansätzen liegt der modernen Neurobiologie ein vereinheitlichendes
Prinzip zugrunde. Es ist dies die Einsicht, daß ein vollständiges Verständnis der subzellulären
molekularen und der suprazellulären integrativen Organisationsebenen von der zellulären,
neuronalen Ebene ausgeht und schließlich dort wieder hinführt. Der Kristallisationspunkt
neurobiologischer Forschung ist das Neuron. Neurone sind die Grundeinheiten der Struktur und
der Funktion in allen Nervensystemen. Ihre potentielle Leistungsfähigkeit ist atemberaubend. Im
primitiven Nervennetz der Hohltiere zusammengefaßt, sind sie gerade in der Lage, einfachste
Reaktionen zu steuern. Als komplex organisiertes menschliches Gehirn dürften sie gleichzeitig das
2
größte Problem und die größte Hoffnung unserer Welt darstellen."
Angesichts eines derart überzeugt vorgetragenen Standpunkts mag den Nicht-Fachmann (der
durchaus Biologe sein kann) nun überraschen, daß (selbst bei Vernachlässigung von
Kapillarepithelien und Bindegewebezellen) lediglich 2-10% der Zellen eines ausgewachsenen
3
menschlichen Gehirns tatsächlich dem Terminus Neuron zuzuordnen sind. Bei der
überwiegenden Mehrzahl der "Hirnzellen" handelt es sich um jene die Neuronen umschließende,
polymorphe Zellmatrix, die, terminologisch bequem, als Neuroglia oder Glia zusammengefaßt
wird. (Die zellulären Elemente der Neuroglia werden als Gliazellen oder differenzierter, als
4
Astrozyten, Oligodendrozyten und Zellen der Mikroglia bezeichnet ).
1
Über die potentielle Vieldeutigkeit des Begriffes "Paradigma" ist sich der Autor bewußt.
Paradigma meint hier allgemein: das Vorverständnis eines Wissenschaftlers gegenüber seinem
Gegenstandsbereich.
2
Reichert 1990, S. 1f
3
Quantitative Angaben zur Neuroglia bei Bass et al. 1971, Blinkov & Gleezer 1968, Kandel et al.
1991, S.22; Pope 1987, Reichenbach 1989, Wolff 1970.
4
Zur Klassifizierung und immunzytologischen Charakterisierung von Neuroglia siehe Cameron
& Rakic 1991, Levison & Goldmann 1993, Miller et al. 1989a, Miller & Raff 1984, Privat &
Rataboul 1986, Raff 1989, 1990; Raff et al. 1978, 1983, 1984; Ransom 1991, Schachner 1982,
Schousboe et al. 1980, Sommer & Schachner 1981, Wilkin & Levi 1986, Wilkin et al. 1990.
8
Vermutet man nun, gewissermaßen aus der unverstellten Perspektive des nicht geschulten,
d.h. mit der Neuronen-Doktin nicht vertrauten Betrachters, daß, wie ein jedes Organ, auch ein
Gehirn nur mit der Summe und nicht mit einem kleinen Teil seiner Zelleinheiten funktioniert, so
scheint es nur konsequent, Neurone wie Gliazellen gleichermaßen als die biologischen Bau- und
Funktionseinheiten des Gehirns aufzufassen. Folgerichtig wäre dann auch die Annahme, daß die
von Neurobiologen anvisierte zellulare Theorie des Nervensystems, nur dann mit rechten Dingen
zugehen kann, wenn sowohl die Aktivitäten der Neurone, als auch die Aktivitäten der Gliazellen
in eine solche Theorie einbezogen werden, ja daß womöglich Gliazellen, angesichts der
quantitativen Verhältnisse, den Hauptbeitrag zur Funktion des Gehirns leisten. Wie obiges Zitat
belegt, die Gedanken des unvoreingenommenen Beobachters sind nicht neurobiologisches
Forschungsprogramm, im Gegenteil: "Forschungsgegenstand der modernen Neurobiologie [...]
sind Bau und Funktion der Nervenzellen [Neurone] bis herab zum molekularen Niveau, die
synaptischen Verschaltungen in den Netzwerken des Nervensystems, die Signalverarbeitung und
1
letztlich die neuronalen Grundlagen des Verhaltens." So heißt es denn auch in einem jüngst
2
publizierten Aufsatz über das Verhältnis vieler Neurobiologen zur Glia: "Although glial cells
constitute about half of the overall brain volume and outnumber neurons, they have attracted only
limited attention from neurophysiologists since their first description by [Rudolf Virchow (18211902)]. Indeed, Virchow’s claim that glial cells were nothing more than ’nerve glue’ is, with minor
3
modifications, still the view of many neurophysiologists; [...]". Letzteres bestätigt der Blick in die
4
Lehrbuchliteratur. Ohne Ausnahme werden die Zellen der Neuroglia auf einer geringen Anzahl
5
Seiten der Gesamttexte kursorisch abgehandelt. Die Ausführungen über
1
Shepherd 1993, S. 3
Müller 1992
3
Ibid., S. 219 / Müller greift m.E. zu weit, wenn er ergänzt, " [...] however, considerable
progress has been made in recent years in the understanding of glial physiology and neuronalglial interactions, and this has, in turn, forced a revision and an extension of our view of the
mechanisms underlying brain function." Auf die eingeweihten "Gliologen" mag dies zutreffen,
nicht jedoch auf die Gemeinschaft der Neurobiologen oder gar die der "Hirnforscher."
4
Vgl. z.B. die Lehrbücher von Birbaumer & Schmidt 1990, Black 1993, Dowling 1992, Kandel
et al. 1991, Kolb & Whishaw 1993, Reichert 1990, Rosenzweig & Leiman 1989, Shepherd 1993.
5
Die Lehrbücher von Shepherd (1993) und von Reichert (1990) belegen für die Glia 3 respektive
6 Seiten; das entspricht jeweils 0,5%, respektive 2% des gesamten Textes. [Nach Breidbach 1993,
S. 123; Anmerkg. 19)].
2
9
Glia beschränken sich auf ihre Rolle als mechanische Stützelemente, elektrische Isolatoren, ihre
Rolle bei der embryonalen Hirnentwicklung, bei Regenerationsprozessen und bei der
1
Narbenbildung infolge von Hirngewebeverletzungen. Gliazellen üben also bestenfalls
2
"Helferfunktion" aus, wie es in manchen Lehrbüchern heißt. Für die "höheren Hirnleistungen"
sind Gliazellen nicht vorgesehen. In den sich mit den großen Themen der Neurobiologie wie
Lernen, Gedächtnis, Wahrnehmung u.s.w. beschäftigenden Lehrbuchkapiteln kommt Neuroglia
nicht vor. Die entsprechenden Modelle stützen sich allein auf die Neuronen-Doktrin. Kein
Neurobiologe, Psychologe oder Kognitionsbiologe wird derzeit von seinen Fachkollegen
kritisiert, wenn er in der Darstellung seiner Theorien und Modelle zur Beschreibung von
3
Hirnfunktion auf die Neuroglia verzichtet.
Nimmt man Naturwissenschaft und deren Vorgehensweise ernst, so kann konstatiert werden, daß
es sich bei dem hier zunächst in grober Skizze umrissenen Zustand der Neurobiologie (näheres im
»Ersten Teil« dieser Arbeit) nicht um die naturgegebene Launenhaftigkeit einer Wissenschaft
handelt, oder gar um das Resultat lässiger Bequemlichkeit von Wissenschaftlern. Vielmehr
handelt es sich bei der Vernachlässigung von Neuroglia bei der Erklärung der "höheren
Hirnleistungen" um einen von der Gemeinschaft der Neurobiologen aktiv betriebenen
Ausgrenzungsvorgang (was nicht bedeutet, daß sich der einzelne Neurobiologe dessen bewußt
ist), dessen Genese weit in die Vergangenheit zurückreicht. Die Dominanz der Neuronen-Doktrin
über Neuroglia ist das konkrete Ergebnis einer historisch gewachsenen Ideen- und
Begriffsbildung und diese ist "denksozial" zu erklären. Der folgende Streifzug durch die
Wissenschaftstheorie des polnischen Mikrobiologen Ludwik Fleck (1896-1961) verdeutlicht, was
unter "denksozial" zu vestehen ist.
1
Man mag hier einwenden, Lehrbücher spiegelten nicht den tatsächlichen Forschungstand einer
Wissenschaft wider. Lehrbücher sind jedoch, kurz gefaßt, das, was Lehrer ihren Schülern
gewissermaßen als die Grundregeln einer Wissenschaft mit auf den Weg geben. Im Gegensatz zu
Fachaufsätzen beeinhalten Lehrbücher die gemeinsame, intuitive Grundeinstellung einer
wissenschaftlichen Gemeinschaft gegenüber einem Bereich von Fragestellungen, der für die
jeweilige Wissenschaft interessant ist, und sie zeigen, was für Fragen unter den Forschern als
grundsätzlich wichtig und was als relevanter Untersuchungsgegenstand anerkannt ist. Im
Umkehrschluß: Lehrbücher "zeigen" insbesondere das, was bei der Betrachtung des
Forschungsgegenstandes einer Fachdisziplin vernachlässigt werden kann. Weiteres zur
Verwendung von Lehrbüchern zur Darstellung eines wissenschaftlichen Denkstils siehe Teil II
dieser Einleitung.
2
Hucho 1982, S. 19
3
Anschauliches Beispiel hierzu ist die jüngst in der Zeitschrift Scientific American (Sci. Am., 11,
1992) zum Thema Gehirn und Geist erschienene Aufsatzsammlung.
10
II. Die Wissenschaftstheorie Ludwik Flecks (1896-1961)
1. Die soziale Bedingtheit individueller Erkenntnisfähigkeit
1.1 Denkstil und Denkkollektiv
In seiner gegen die Wissenschaftsauffassung des »Wiener Kreis« gerichteten Monographie »Die
Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache«, sowie in einer Reihe von
1
Aufsätzen, zeigt Fleck die soziale Bedingtheit individueller Erkenntnisfähigkeit auf. Erkennen ist
demnach keine "zweigliedrige Beziehung des Subjektes und des Ojektes, des Erkennenden und des
Zu-Erkennenden", sondern der "jeweilige Wissensbestand muß als grundsätzlicher Faktor jeder
2
neuen Erkenntnis das dritte Bindeglied sein."
Der "jeweilige Wissensbestand", wie ihn Fleck hier begreift, meint nicht allein empirisch
ermitteltes Faktenwissen über den Untersuchungsgegenstand, sondern das, was Fleck unter dem
Denkstil eines Denkkollektivs versteht. Ein Denkkollektiv ist immer dann vorhanden, "wenn zwei
3
oder mehrere Menschen Gedanken austauschen" ; entweder als momentanes, zufälliges
Denkkollektiv ("[Denkollektive], die jeden Augenblick entstehen und
1
Flecks Arbeiten finden erst in jüngster Zeit Beachtung. Lothar Schäfer und Thomas Schnelle,
die Flecks Monographie »Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache«
(Fleck 1935a) im Range Poppers »Logik der Forschung« (Popper 1934) sehen, ist es zu
verdanken, daß Flecks Buch und seine wichtigsten Aufsätze (Schäfer & Schnelle 1983a) neu
herausgegeben wurden. Wie Schäfer und Schnelle betonen, ist die Nichtbeachtung Flecks als
Wissenschaftstheoretiker ein eigenes Beispiel für seine soziologische Betrachtungsweise von
Wissenschaft. Die "externen Faktoren" von Wissenschaft, die Fleck als determinierende Faktoren
des Forschungsprozesses erörtert, ließen eine Rezeption seiner Überlegungen nicht zu. Als
polnischer Wissenschaftler jüdischer Herkunft konnten Flecks Überlegungen im
nationalsozialistischen Deutschland kein Interesse finden. (Biographisches zu Fleck bei Schäfer &
Schnelle 1980, 1983b; sowie bei Schnelle 1982). Während sich die deutschsprachigen Zentren der
Wissenschaftstheorie in Wien, Prag und Berlin auflösten und ihre Arbeit in der Emigration
fortsetzten, trieb der nationalsozialistische Wahn Fleck in die Konzentrationslager von Auschwitz
und Buchenwald. (Zur Verfolgung polnischer Biowissenschaftler nach 1939 siehe z.B. Seyfarth
& Pierzchala 1992). Nach 1945 widmete sich Fleck dann in der Hauptsache medizinischen
Fragestellungen. Die erste Erwähnung von Flecks Monographie nach Kriegsende erfolgte erst
nach seinem Tode. Bemerkte nicht Thomas Kuhn in seinem vieldiskutierten Buch »The Structure
of Scientific Revolutions« (Kuhn 1962a), daß er in Flecks Gedanken viele seiner Ideen
vorweggenommen fand, Fleck wäre wohl kaum mehr aufgegriffen worden.
2
Fleck 1935a [1980], S. 53f
3
Ibid., S. 135
11
1
vergehen" ), oder als relativ stabiles Denkkollektiv, das sich besonders innerhalb organisierter
sozialer Gruppen konstituiert. Der Denkstil, Flecks zweiter Schlüsselbegriff, diktiert, was und wie
die Mitglieder eines Denkkollektives sehen, und umgekehrt: "Was wir sehen und wie wir es sehen
2
hängt vom Denkkollektiv ab, dem wir angehören." Der Denkstil, heißt es bei Fleck, "verleiht eine
3
gewisse Bereitschaft," ist "gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und
sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen. [Den Denkstil] charakerisieren gemeinsame
Merkmale der Probleme, die ein Denkkollektiv interessieren; der Urteile, die es als evident
betrachtet; der Methoden, die es als Erkenntnismittel anwendet. Ihn begleitet eventuell ein
technischer und literarischer Stil des Wissenssystems. Zugehörig einer Gemeinschaft, erfährt der
kollektive Denkstil die soziale Verstärkung, die allen gesellschaftlichen Gebilden zuteil wird und
unterliegt selbständiger Entwicklung durch Generationen. Er wird zum Zwange für Individuen, er
bestimmt »was nicht anders gedacht werden kann«. Ganze Epochen leben dann unter dem
bestimmten Denkzwange, verbrennen Andersdenkende, die an der kollektiven Stimmung nicht
teilnehmen und den Kollektiv-Wert eines Verbrechers haben, solange als nicht andere Stimmung
4
anderen Denkstil und andere Wertung schafft." Anders ausgedrückt: Wissenschaftliches
Erkennen ist nie an sich, sondern immer nur unter der Bedingung von inhaltlich bestimmten
Vorannahmen über den Forschungsgegenstand möglich, und diese Vorannahmen sind nur als
soziologisches und historisches Produkt tätiger Denkkollektive verständlich zu machen. Nur durch
die Konzeption wissenschaftlicher Arbeit als eine denkkollektive läßt sich begreifen, wie aus
Forschungsbemühungen Ergebnisse erwachsen. Wissenschaftliches Erkennen ist "kein
individueller Prozeß eines »theoretischen Bewußtseins überhaupt«; es ist das Ergebnis sozialer
Tätigkeit, da der jeweilige Erkenntnisbestand die einem Individuum gezogenen Grenzen
5
überschreitet." Laut Fleck verlangt denn auch "der Satz »jemand erkennt etwas« [...] einen
Zusatz z. B.: »auf Grund des bestimmten Erkenntnisbestandes« oder besser »als Mitglied eines
bestimmten Kulturmilieus« oder am besten »in einem bestimmten Denkstil, in einem bestimmten
6
Denkkollektiv.« Dementsprechend wäre die Beschreibung des Nervensystems mit Hilfe der
Neuronen-Doktrin, und damit verknüpft, die Vorstellung von Neuroglia als einer
vernachlässigbaren Füllmasse, deren Erforschung nichts Wesentliches zum Verständnis "höherer
Hirnleistungen" beitragen kann, der im Denkkollektiv der Neurobiologen heute vorherrschende
Denkstil.
1
Ibid.
Fleck 1935b [1983a], S. 82
3
Ibid., S. 75
4
Fleck 1935a [1980], S. 130
5
Ibid., S. 54
6
Ibid.
2
12
1.2 Denkstilgebundenes Gestaltsehen und Denkzwang
Nicht allein die Entwicklung komplexer Modelle, Theorien und Fragestellungen sieht Fleck von
inhaltlich bestimmten Vorannahmen über den Forschungsgegenstand bestimmt. Ebenso sind es
die Voraussetzungen wissenschaftlicher Ideen: Die Anwendung von Forschungsmethoden und
damit verknüpft, die Verwendung wissenschaftlicher Apparate. In besonderem Maße gilt dies für
die Neurobiologie und die Geschichte der Vernachlässigung von Neuroglia. Die Entwicklung von
ständig perfekter werdenden Apparaten zur Registrierung und bildlichen Darstellung des
Nervenimpulses, seit etwa der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, verfestigte zugleich die
etablierte Auffassung von der elektrischen Funktionsweise des Nervensystems und die
herausragende Bedeutung der impuls-generierenden Nervenelemente. (Dazu »Zweiter Teil«
dieser Arbeit). "Einen Apparat zu verwenden ist immer Ausdruck eines gewissen, bereits
entwickelten Denkstils" heißt es bei Fleck, "der wissenschaftliche Apparat lenkt das Denken auf
1
die Gleise des Denkstils der Wissenschaft." Zur Verdeutlichung sei an dieser Stelle der
Neurophysiologe Alexander Muralt zitiert, der Ende der 50er Jahre unseres Jahrhunderts über die
Bedeutung des "Kathodenstrahl-Oscillographen" für die experimentelle Neurophysiologie
begeistert schrieb: "Der Elektronik, in Verbindung mit einer hochentwickelten Mikrotechnik,
verdankt die Neurophysiologie ihre bedeutendsten Fortschritte, gelingt es doch seit den 30er
Jahren dieses Jahrhunderts, das, was wir Erregung, Leitung, Bahnung und Hemmung nennen, an
einzelnen nervösen Elementen nicht nur exakt elektrisch abzuleiten, sondern auch zu registrieren
und auf dem fluorescierenden Schirm des Kathodenstrahl-Oscillographen dem Auge sichtbar und
durch die Photographie dauernd reproduzierbar zu machen. Ja es ist sogar möglich mit
Lautsprechern diese Vorgänge einem großen Auditorium hörbar vorzuführen. Die elektronische
Technik spielt in keinem Gebiet der Biologie eine so entscheidende Rolle wie gerade in der
Neurophysiologie, wo sie die eigentliche Plattform ist, von der aus die wissenschaftliche
Forschung erfolgreich ins Unbekannte vorstoßen kann. An die Stelle des beobachtenden Auges
2
tritt heute das messende und registrierende elektronische Gerät." Gliazellen, die ja keine
elektrischen Impulse erzeugen, spielen vor derartigem Hintergrund keine Rolle. Oder in den
Worten Flecks: Der wissenschaftliche Apparat "erzeugt die Bereitschaft, bestimmte Gestalten zu
3
sehen, wobei er gleichzeitig die Möglichkeit, andere zu sehen, beseitigt."
1
Fleck 1947 [1983a], S. 164
Muralt 1958, S. 5
3
Fleck 1947 [1983a], S. 164
2
13
Ebenso wie die Verwendung eines Apparates Ausdruck eines bereits im Experimentator
verfestigten Denkstils ist, begrenzt der Denkstil die Interpretation der mit Hilfe des Apparates
erzielten Befunde. Auch die Inhalte von Beobachtungen sind das Resultat eines Denkstils, der in
Form von Denkzwängen innerhalb eines Denkkollektivs vorgegeben ist. Voraussetzungsloses
Beobachten gibt es nicht. Es ist unmöglich den Gegenstand der Beobachtung unabhängig vom
Denkstil und den mit ihm gekoppelten Denkgewohnheiten abzusondern: "Denn um zu sehen muß
man wissen, was wesentlich und was unwesentlich ist, muß man den Hintergrund vom Bild
unterscheiden können, muß man darüber orientiert sein, zu was für einer Kategorie der
Gegenstand gehört. Sonst schauen wir, aber wir sehen nicht, vergebens starren wir auf die allzu
1
zahlreichen Einzelheiten, wir erfassen die betrachtete Gestalt nicht als bestimmte Ganzheit."
Denkstil und Denkkollektiv beeinflussen die Art und Weise, die Möglichkeiten und die Grenzen
der Fähigkeit zum Gestaltsehen. Die erkannte "Wahrheit" über den Untersuchungsgegenstand ist
abhängig vom kollektiven "Sinn-Sehen", vom kollektiven Denkstil und den durch ihn bestimmten
Zweck des Wissens: "Wir schauen mit den eigenen Augen, aber wir sehen mit den Augen des
Kollektivs Gestalten, deren Sinn und Bereich zulässiger Transpositionen das Kollektiv geschaffen
2
hat", heißt es bei Fleck.
Besondere Bedeutung erlangt das "Sinn-Sehen" bei der Verwendung von Mikroskopen.
Aus seinen Erfahrungen mit studentischen Mikroskopierkursen leitet Fleck ein Konzept zur
Entwicklung von "Sinn-Sehen" ab. Fleck unterscheidet zum einen das "unklare anfängliche
Schauen": "Verworrene, chaotisch zusammengeworfene Teilmotive verschiedener Stile,
3
widersprechender Stimmungen treiben das ungerichtete Sehen hin und her" - und zum anderen
4
das "entwickelte, unmittelbare Gestaltsehen." Der Übergang vom "anfänglichen Schauen" zum
"entwickelten Gestaltsehen" gelingt erst dann, wenn ein mit dem Untersuchungsgegenstand im
Zusammenhang stehender Denkstil den Blick ordnet, somit also "Sinn-Sehen" entsteht. So heißt
es denn bei Fleck: "Das unmittelbare Gestaltsehen verlangt ein Erfahrensein in dem bestimmten
Denkgebiete: erst nach vielen Erlebnissen, eventuell nach einer Vorbildung erwirbt man die
Fähigkeit, Sinn, Gestalt, geschlossene Einheit unmittelbar wahrzunehmen. Freilich verliert man
zugleich die Fähigkeit, der Gestalt Widersprechendes zu sehen. Solche Bereitschaft für gerichtetes
Wahrnehmen macht aber den Hauptteil des Denkstils aus. Hiermit ist Gestaltsehen
5
ausgesprochene Denkstilangelegenheit."
1
Ibid., S. 148
Ibid., S. 157
3
Fleck 1935a [1980], S. 121
4
Ibid.
5
Ibid.
2
14
Fig. 1 "Um zu sehen, muß man wissen, was wesentlich und was unwesentlich ist, muß man den Hintergrund vom
Bild unterscheiden können, muß man darüber orientiert sein, zu was für einer Kategorie der Gegenstand gehört.
Sonst schauen wir, aber wir sehen nicht." Dargestellt sind Tuschezeichnungen von mit der "Golgi-Methode"
angefärbten Zellelementen in der Großhirnrinde des Menschen. [Oben, aus Ramón y Cajal 1888; Unten, aus Retzius
1894]. Oben sind nur Neurone dargestellt, die Gliazellen sind weggelassen. Unten sind zwei Neurone (->) neben
einer Vielzahl von Gliazellen abgebildet. Nur der geschulte Betrachter vermag hier Aussagen darüber zu treffen,
welche der beiden dargestellten Zelltypen "wichtig" sind, und welche vernachlässigt werden können. Der
ungeschulte Betrachter neigt wohl eher dazu, den formenreicheren und den die Neurone zahlenmäßig weit
übertreffenden Gliazellen die größere Bedeutung für die Funktion der Hirnrinde zuzusprechen.
15
In diesem Sinne sind die Ausführungen des Neurobiologen Robert Galambos zu verstehen, der
1
über das mikroskopische Betrachten von Hirngewebe schreibt: "An untutored observer
constructing for himself a model of the brain from electron microscope pictures alone might well
describe it as a huge collection of glia cells through which a nerve process occasionally wanders;
those of us well instructed in the conventions, however, see a marvelously intricate arrangement
2
of nerve cells held together by relatively unimportant non-neural elements." Mit "well instructed
in the conventions" meint Galambos die Akzeptanz des Denkstils Neuronen-Doktrin. Ohne
Denkstil gibt es keine Unterscheidung von "wichtigen" Neuronen und "unwichtigen" Gliazellen,
gibt es nur den "Streit der gedanklichen Gesichtfelder". "Es fehlt das Tatsächliche, Fixe: man
3
kann so oder so sehen, fast willkürlich. Ein in einem gewissen Bereich nicht geschulter
Beobachter ist nicht imstand, eine brauchbare Beschreibung [z. B. eines mikroskopischen Bildes]
zu geben. Im besten Fall gibt er eine ausgedehnte, viele Einzelheiten enthaltende Beschreibung,
von denen die Mehrzahl unwesentlich oder überhaupt zufällig sein wird, gibt aber nicht die
charakteristischen Züge an und unterstreicht nicht die hauptsächlichen Merkmale. Das Abbild
seiner Beobachtung ist wie eine überbelichtete Photographie: überzeichnet und ohne Kontraste.
Der Hintergrund ist nicht leer oder diskret zurücktretend, die Gestalt hebt sich nicht aus dem
4
Hintergrund »heraus«." Der mit dem Denkstil vertraute "Fachmann" hingegen verhält sich
umgekehrt. Beim instruierten Betrachter hebt sich "die Gestalt", also das Neuron, aus "dem
Hintergrund", der Neuroglia, heraus.
Es liegt nahe, daß denkstilgebundenes Beobachten in besonderem Maße in den Abbildungen von
Lehrbüchern zum Ausdruck kommt. Denn Lehrbücher sind die eigentlichen Institutionen eines
Forscherkollektivs. Lehrbücher sind die Zeugnisse des vorherrschenden Denkstils einer jeden
Epoche einer Wissenschaft und damit eine der wichtigen Quellen des Wissenschaftshistorikers.
Auch Lehrbuchillustrationen sind "Sinn-Bilder", Darstellungen gewisser Ideen (Ideo-Gramme),
5
einer Art des Begreifens, die eher die "Wunschträume der Forscher" widerspiegeln, denn das,
was tatsächlich gesehen wird. Niemals stimmen Lehbuchillustrationen mit dem tatsächlich
Beobachteten überein, immer sind die - im jeweiligen Denkstil - "unwichtigen" Einzelheiten
weggelassen, die "wichtigen" betont herauspräpariert. In Lehrbüchern verdichtet sich der Denkstil
zum Denkzwang, "der bestimmt, was nicht anders gedacht werden kann, was vernachlässigt oder
nicht wahrgenommen wird,
1
Galambos 1961
Fleck 1935a [1980], S. 130
3
Ibid., S. 121
4
Fleck 1935b [1983a], S. 61
5
Fleck 1935a [1980], S. 46
2
16
und wo umgekehrt mit doppelter Schärfe zu suchen ist: die Bereitschaft für gerichtetes
1
Wahrnehmen verdichtet und gestaltet sich." So bleiben denn auch die Zellen der Neuroglia
"unsichtbar" in jenen einprägsam, häufig drei-dimensional entworfenen, pseudo-histologischen
Lehrbuchillustrationen von Neuronen, Neuronen-Netzwerken und Synapsen. Neben den
Neuronen befindet sich in derartigen Abbildungen, die ja ein Fenster öffenen sollen in das
2
Gesamtorgan Gehirn, schlicht leerer Raum.
Ebenso Ergebnis denkstilgebundenen Beobachtens ist die in Lehrbüchern häufig zu
findende Gleichsetzung der Begriffe Hirnzelle bzw. zellular mit den Begriffen Neuron bzw.
neuronal (Siehe Lehrbuchzitat in Abschnitt I. dieser Einleitung). Aussagen wie: "Das menschliche
12
Gehirn besteht aus etwa einer Billion (10 ) Nervenzellen, die untereinander mindestens eine
3
15
Trillion (10 ) Verknüpfungpunkte, Synapsen haben" oder: "Das Gehirn des Menschen besteht
aus Milliarden von Neuronen, die untereinander durch ein gigantisches Leitungsnetz verkabelt
4
sind" bleiben - wider besseres Wissen, daß nirgendwo im Nervensystem Neurone ohne enge
Nachbarschaft zu Gliazellen existieren - ohne Widerspruch.
1
Ibid., S. 163
Beispiele hierzu ließen sich in nahezu beliebiger Anzahl auffinden. Siehe z.B. Fig. 2-16 in
Rosenzweig & Leiman1989, S. 48 respektive Bild. 1 bei Hinton 1992, S. 134.
3
Roth 1990, S. 167
4
Changeux 1984, S. 344
2
17
Fig. 2 In den Lehrbüchern verdichtet sich der Denkstil zum Denkzwang, "der bestimmt, was nicht anders gedacht
werden kann, was vernachlässigt oder nicht wahrgenommen wird". (Links) Die Lehrbuchabbildung als "magische
Versachlichung von Ideen" und "schöpferische Dichtung." Abgebildet ist das Titelblatt einer derzeit viel genutzten
Aufsatzsammlung [Shepherd 1990]. Neurone und Nervenfasern sind als technische Bausteine dargestellt, die an
einen elektrischen Schaltkreis erinnern. (Rechts) Die Lehrbuchabbildung als "Wunschtraum des Forschers". Im
Zentrum der Abbildung steht "das Herzstück der Neuronen-Doktrin", die Synapse. Gliazellen kommen in der
Abbildung nicht vor. Zwischen den Neuronen befindet sich leerer Raum [aus Rosenzweig & Leimann 1989]. (Oben)
Regelkreis-Darstellung der am "Kiemenrückziehreflex" der Meeresschnecke Aplysia beteiligten Interneurone. Die
nummerierten Kreise und Quadrate stellen Neurone dar, offene Dreiecke bedeuten eine Erregung nachgeschalteter
Neurone, geschlossene Dreiecke Hemmung [aus Hawkins et al. 1981].
2. Der historische Charakter des Wissens
18
"Unmöglich ist ein wirklich isolierter Forscher, unmöglich ist eine ahistorische Entdeckung,
unmöglich ist eine stillose Beobachtung. Ein isolierter Forscher ohne Vorurteile und ohne
Tradition, ohne auf ihn wirkende Kräfte einer Denkgesellschaft und ohne Einfluß der Evolution
1
wäre blind und gedankenlos." Der historische Charakter jedweden Wissens, die Entstehung und
Entwicklung von Denkstilen, ist zentrales Leitthema der Fleckschen Konzeption von der sozialen
Bedingtheit wissenschaftlicher Erkenntnisfähigkeit. Auch für Wissenschaft gilt: "Es gibt eine
Gemeinschaft von Menschen mit gemeinsamem Denkstil. Dieser Denkstil entwickelt sich und ist in
2
jeder Etappe mit seiner Geschichte verbunden." Ohne den Rekurs auf die Entwicklung einer
Wissenschaft, sind deren neuzeitliche Konzepte nicht verständlich zu machen, denn: "ob wir
wollen oder nicht, wir können nicht von der Vergangenheit - mit all ihren Irrtümern - loskommen.
Sie lebt in übernommenen Begriffen weiter, in Problemfassungen, in schulmäßiger Lehre, im
alltäglichen Leben, in der Sprache und in Institutionen. Es gibt keine Generatio spontanea der
3
Begriffe, sie sind, durch ihre Ahnen sozusagen, determiniert."
2.1 Das Denkkollektiv als der Träger wissenschaftlicher Entwicklung
Jeder Wissenschaftler gehört mehreren wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen
Denkkollektiven an. Er ist Teil jener Forschergemeinschaft mit der er täglich arbeitet und
innerhalb derer er Ideen und Entwicklungen heraufbeschwört, er verfügt über religiöse,
philosophische und politische Überzeugungen, er ist Angehöriger eines Staates, eines Landes,
einer Rasse, einer sozialen Gruppe u.s.w. Keine zwei Wissenschaftler gehören den gleichen
Denkkollektiven an, keine zwei Wissenschaftler verfügen über den gleichen Denkstil. In seinem
Aufsatz »Zur Krise der Wirklichkeit« heißt es bei Fleck: "Jedes denkende Individuum hat also als
Mitglied irgendeiner Gesellschaft seine eigene Wirklichkeit, in der und nach der es lebt. Jeder
Mensch besitzt sogar viele, zum Teil einander widersprechende Wirklichkeiten: die Wirklichkeit
des alltäglichen Lebens, eine berufliche, eine religiöse, eine politische und eine kleine
wissenschaftliche Wirklichkeit. Und verborgen eine abergläubisch-schicksalsvolle, das eigene Ich
zur Ausnahme machende, persönliche Wirklichkeit. - Jedem Erkennen, jedem Erkenntnissysteme,
jedem sozialen Beziehungseingehen entpricht eine eigene Wirklichkeit. Dies ist der einzig gerechte
Standpunkt. Wie könnte ich sonst begreifen, daß z. B. der
1
Fleck 1935b [1983a], S. 81
Ibid., S. 75
3
Fleck 1935a [1980], S. 31
2
19
humanistisch Gebildete die Wissenschaft des Naturforschers nie vollständig versteht? Oder gar
1
der Theologe? Soll ich, wie es leider oft geschieht, jene für Narren halten?"
Erwähnenswert an dieser Stelle ist der derzeit so intensiv debattierte »Radikale
2
Konstruktivismus« , respektive dessen Standpunkt des »epistemischen Solipsismus«, der ja
3
ebenfalls von "individuellen Wirklichkeiten" oder "subjektiven Erlebenswelten" ausgeht. Gerhard
Roth und Helmut Schwegler schreiben: "Die Wissenschaft spielt hierbei keine Sonderrolle (die ihr
gern bei der Erkenntnis der Welt 'wie sie tatsächlich ist' zugesprochen wird). Alle
wissenschaftlichen Aussagen, ob sie einen Bezug zur Realität beanspruchen oder nicht, kann jeder
nur in seiner phänomenalen Welt auf seine Weise in Verbindung bringen. Nur indem und insoweit
die Angehörigen der Wissenschaftsgemeinschaft über Vorgänge, Handlungen und
Beschreibungen Übereinstimmung erzielen, kann man über die Wirklichkeiten des einzelnen
4
hinaus von einer wissenschaftlichen Wirklichkeit reden. Diese existiert jedoch nicht unabhängig
von den Individuen, sondern realisiert sich immer wieder neu innerhalb der individuellen
Wirklichkeiten. Es gibt keine 'dritte', objektive Welt des Wissens! Jeder Teilnehmer am Prozeß der
5
Wissenschaft muß individuell für sich Wissenschaft konstruieren."
Bei Fleck fließen die "subjektiven Erlebenswelten" eines Wissenschaftlers in den Denkverkehr
innerhalb des Denkkollektivs ein. Fleck unterscheidet einen intrakollektiven Denkverkehr, der den
Denkstil des Kollektivs ständig bestätigt und damit stabilisiert, und den interkollektiven
Denkverkehr, der aus anderen Denkkollektiven Einflüsse einbringt, die den Denkstil verändern.
(Siehe z.B. im »Zweiten Teil« dieser Arbeit den Einfluß von Informationstheorie und
"Computerwissenschaft" auf die Neurobiologie Mitte dieses Jahrhunderts). Flecks zentrale
Überlegung zur Entwicklung von Wissenschaft ist die, daß sich aus der
"Informationsverarbeitung durch Denkverkehr" Veränderungstendenzen des Denkstils
1
Fleck 1929 [1983a], S. 48
Dazu die von S. J. Schmidt (1988, 1992) herausgegebenen Sammelbände.
3
Im »Radikalen Konstruktivismus« wird die subjektive Erlebenswelt des Individuums als der Ort
angesehen, wo allein "Erkenntnis" stattfindet; sie wird dort konstruiert und kann deshalb keine
Erkenntnis einer objektiven realen Welt sein. Ernst von Glasersfeld (1981) bezeichnet diesen
Standpunkt als »epistemischen Solipsismus«. (Vgl. Schwegler 1992, S. 257).
4
Vgl. Schwegler 1991, 1992
5
Roth & Schwegler 1992, S. 113 / Zur Frage, wie es unter Annahme einer Verschiedenheit
subjektiver Erlebenswelten überhaupt Übereinstimmungen zwischen Individuen geben kann,
respektive wie unter diesen Umständen überhaupt etwas Intersubjektives möglich ist, finden sich
erste Überlegungen (mit Verweis auf Fleck!) bei Schwegler 1992.
2
20
1
ergeben. Die "Mutationen des Denkstils" sind der Antrieb für wissenschaftliche Fortentwicklung
und für neue Ideen, denn sie führen zur Lockerung des Denkzwangs.
Besondere Bedeutung für die Entstehung einer "Denkzwang-Lockerung" oder Denkstilmutation
mißt Fleck der Sprache als dem Instrument wissenschaftlicher Kommunikation bei. Wobei Fleck
die Bedeutung von Sprache für die Weiterentwicklung des Denkstils nicht in der durch
Sprachverstehen ermöglichten Mitteilbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse sieht, sondern in der
bei jeder Kommunikation auftretenden Bedeutungsverschiebung gesprochener Gedanken. Eine
Lockerung des Denkzwangs ist für Fleck immer dann erkennbar, wenn die Bedeutungen von
Termini sich ändern, indem im "interkollektiven Denkverkehr" andere Bedeutungsmöglichkeiten
erkennbar werden: "der Austausch eines Gedankens zwischen den Gruppen ist immer mit seiner
mehr oder weniger deutlichen Umänderung verbunden. Von einer Gruppe in die andere
übergehend, ändern die Worte ihre Bedeutung, die Begriffe erhalten eine andere Stilfärbung, die
2
Sätze einen anderen Sinn, die Anschauungen einen anderen Wert." An anderer Stelle heißt es
dazu: "Ein besonderes interkollektives Verkehrsgut bildet das Wort als solches: da allen Worten
eine mehr oder weniger ausgeprägte denkstilgemäße Färbung anhaftet, die sich bei der
interkollektiven Wanderung ändert, kreisen sie interkollektiv immer mit einer gewissen Änderung
ihrer Bedeutung. [...]. Man kann also kurz sagen, jeder interkollektive Gedankenverkehr habe
eine Verschiebung oder Veränderung der Denkwerte zu folge. So wie gemeinsame Stimmung
innerhalb des Denkkollektivs zur Bestärkung der Denkwerte führt, ruft Stimmungswechsel
während des interkollektiven Gedankenwanderung einer Veränderung dieser Werte in einer
ganzen Skala der Möglichkeiten hervor: vom kleinen Färbungswechsel über fast vollständigen
3
Sinnwechsel bis zu Vernichtung jedes Sinns." Oder an anderer Stelle: "Schon in dem Aufbau der
Sprache liegt eine zwingende Philosophie der Gemeinschaft, schon im einzelnen Worte sind
verwickelte Theorien gegeben. Wessen Philosophien, wessen Theorien sind das? - Gedanken
kreisen vom Individuum, jedesmal etwas umgeformt, denn andere Individuen knüpfen andere
Assoziationen an sie an. Streng genommen versteht der Empfänger den Gedanken nie vollkommen
in dieser Weise wie ihn der Sender verstanden haben wollte. Nach einer Reihe solcher
Wanderungen ist praktisch nichts mehr vom ursprünglichen Inhalte vorhanden. Wessen Gedanken
ist es, der weiter kreist? Ein Kollektivgedanke eben, einer der keinem Individuum angehört. Ob
Erkenntnisse vom individuellen Standpunkte Wahrheit oder Irrtum, ob sie richtig oder
mißverstanden scheinen, sie wandern innerhalb der Gemeinschaft, werden geschliffen,
umgeformt, verstärkt oder
1
Fleck 1935a [1980], S. 38
Fleck 1936 [1983a], S. 91
3
Fleck 1935a [1980], S. 143f
2
21
abgeschwächt, beeinflussen andere Erkenntnisse, Begriffsbildungen, Auffassungen und
Denkgewohnheiten. Nach einer Reihe von Rundgängen innerhalb der Gemeinschaft, kehrt oft eine
Erkenntnis wesentlich verändert zum ersten Verfasser zurück - und auch er sieht sie schon ganz
anders an, erkennt sie nicht als seine eigene oder [...] glaubt sie ursprünglich in der jetzigen
1
Gestalt gesehen zu haben."
Das Entstehen einer neuen Idee läßt sich somit nie auf ein bestimmtes Individuum zurückführen.
Sie entspringt vielmehr der kollektiven Zusammenarbeit. Letztlich denkt nicht das Individuum
sondern das Denkkollektiv: "Das Denken ist eine kollektive Tätigkeit wie der Chorgesang oder das
2
Gespräch." Weiter heißt es bei Fleck: "Eine Art abergläubischer Furcht verhindert, das
Allerintimste menschlicher Persönlichkeit, das Denken, auch einem Kollektive zuzusprechen.
(Obwohl sich niemand weigert, dem Kollektiv die Schöpfung geistiger Produkte wie Sprache,
Volkslied, Folklore und anderes zuzusprechen). Ein Denkkollektiv ist immer dann vorhanden,
wenn zwei oder mehrere Menschen Gedanken austauschen. Ein schlechter Beobachter, wer nicht
bemerkt, wie anregendes Gespräch zweier Personen bald den Zustand herbeiführt, daß jede von
ihnen Gedanken äußert, die sie allein oder in anderer Gesellschaft nicht zu produzieren imstande
wäre. Eine besondere Stimmung stellt sich ein, der keiner der Teilnehmer sonst habhaft wird, die
aber fast immer wiederkehrt, so oft beide Personen zusammenkommen. Längere Dauer dieses
Zustandes erzeugt aus gemeinsamem Verständnis und gegenseitigen Mißverständnissen ein
Denkgebilde, das keinem der Zwei angehört, aber durchaus nicht sinnlos ist. Wer ist sein Träger
und Verfasser? Das kleine zweipersonale Kollektiv. Kommt ein Dritter hinzu, so macht er die
frühere Stimmung verschwinden und mit ihr die besondere schöpferische Kraft des früheren
3
Denkkollektivs; ein neues entsteht."
In der über Sprache im kollektiven Denkverkehr angelegte Dynamik sieht Fleck die eigentliche
Entwicklungskraft von Wissenschaft. Das Denkkollektiv ist damit der eigentliche Träger der
geschichtlichen Entwicklung eines Denkgebietes. Wissensfortschritt entsteht nicht auf der Ebene
der Leistung einzelner Heroen "vom Typ Julius Cäsars, der nach der Formel veni - vidi - vici
4
seine Schlachten gewinnt," sondern durch kollektive Weiterentwicklung von Denkstilen durch
welche die an den Wissenschaftsgegenstand herangetragenen Vorannahmen verschoben werden.
1
Ibid., S. 58
Fleck 1935b [1983a], S. 81
3
Fleck 1935a [1980], S. 60
4
Ibid., S. 111
2
22
2.2 Von Seefahrern und dem Konzept der Uridee
Die kollektive Weiterentwicklung des Denkstils in Form von Denkstilergänzungen,
Denkstilerweiterungen, oder Denkstilumwandlungen bestimmen Gang und Ergebnis
wissenschaftlicher Tätigkeit. Den fortschreitenden Gang und die Veränderung wissenschaftlicher
Forschung faßt Fleck denn auch nicht als stetige Akkumulation "wahrer Einsichten" auf - auch
nicht - wie dies in der Konzeption von Thomas Kuhn später entworfen wird - als eine
Aneinanderreihung abrupt auftretender "Revolutionen", durch die eine wissenschaftliche Krise auf
1
ihrem Höhepunkt überwunden wird , vielmehr geschieht die Verschiebung der ursprünglichen
Grundlagen wissenschaftlicher Arbeit stetig, in einer langsamen Bewegung unterderhand, d.h. für
die beteiligten Forscher unmerklich. In der Retrospektive weiß das Denkkollektiv nichts mehr vom
Ablauf der Denkstilumwandlung. Jeder Wissenschaftler neigt denn auch dazu zu glauben, daß er
im Grunde immer schon so gedacht hat, wie es dem zuletzt gültigen Kanon entspricht. Um eine
2
Metapher von Otto Neurath aufzugreifen: Wissenschaftler sind wie Seefahrer , "die auf hoher See
die Form ihres schwerfälligen Schiffs [...] verändern wollen. Neben dem Holz des alten Baus
verwenden sie Treibholz, um Skelett und Rumpf ihres Schiffes umzugestalten. Aber sie können das
Schiff nicht ins Dock bringen, um ganz von vorn anzufangen. Während sie arbeiten, bleiben sie
auf dem alten Bau und trotzen den schweren Stürmen und donnernden Wogen. Beim Umbau des
Schiffs tragen sie Sorge, daß kein gefährliches Leck auftritt. Ein neues Schiff erwächst aus dem
alten, Schritt für Schritt -, und während sie noch bauen, mögen die Seefahrer bereits an einen
neuen Bau denken, und sie werden nicht immer einer Meinung sein. [...]. Das ist unser
3
Schicksal."
Gewisse Elemente des Schiffes bleiben bei Fleck für lange Zeit konstant. Fleck spricht von
Urideen oder Präideen, und er meint damit Vorstellungen, die viel "früher waren als ihre
naturwissenschaftlichen Beweise und während verschiedener Epochen verschiedentlich begründet
4
wurden, bis sie ihren modernen Ausdruck fanden." An anderer Stelle heißt es: "Viele
wissenschaftliche,
bestbewährte
Tatsachen
verbinden
sich
durch
unleugbare
Entwicklungszusammenhänge mit vorwissenschaftlichen, mehr oder weniger unklaren verwandten
5
Urideen (Präideen), ohne daß inhaltlich dieser Zusammenhang legitimiert werden könnte." Die
Urideen sind somit als "entwicklungsgeschichtliche Anlagen neuzeitiger
1
Kuhn 1962a, dazu Hoyningen-Huene 1989
Den Hinweis auf Neuraths Bild der "Seefahrer" entnehme ich Schwegler 1992.
3
Neurath 1981, S. 918, zit. aus Schwegler 1992, S. 264
4
Fleck 1935a [1980], S. 36
5
Ibid., S. 35
2
23
1
Theorien zu betrachten." Der Wert von Urideen "liegt nicht in ihrem logischen und »sachlichen«
2
Inhalte, sondern einzig in ihrer heuristischen Bedeutung als Entwicklungsanlage." Urideen leben
fort, weil sie von jedem der sich neu entwickelten Denkkollektive aufgenommen und erneuert, d.h.
im Rahmen und entsprechend den veränderten Vorannahmen des neuen Denkstils reinterpretiert,
werden. Altes und neues verschmelzen. Urideen sind somit die Träger einer Kontinuität in der
Entwicklung der Denkstile. Fleck behauptet nicht, daß sich für jede wissenschaftliche Entdeckung
3
"ohne Spitzfindigkeiten" eine Uridee finden ließe, doch die Wissenschaftstheorie dürfe nicht
gleichgültig an der Tatsache vorbeigehen, "daß viele wissenschaftlichen Auffassungen sich aus
4
Urideen stetig entwickelten, die zu ihrer Zeit keine heute gültigen Beweise besaßen." Als Beispiel
einer Uridee nennt Fleck die antike "Atomistik" als die Uridee der neuzeitlichen Atomlehre. Als
Beispiel einer Uridee für die Neurobiologie läßt sich die antike Vorstellung vom Gehirn als einer
Drüse anführen, eine Uridee, die sich noch in jüngerer Vergangenheit als denkstilgebundes
5
Beobachten manifestierte und die erst neuerdings im Konzept der Neurosekretion ihren modernen
Ausdruck fand.
1
Ibid., S. 37
Ibid., S. 38
3
Ibid., S. 36
4
Ibid., S. 37
5
Beispielsweise glaubte im 17. Jahrhundert der bologneser Mikroskopist Marcello Malpighi
(1628-1694) kugelige, mit Fortsätzen und Ausführgängen versehene Drüsenkörper in der
Hirnrinde zu erblicken (Clarke & Bearn 1968). Noch im 19. Jahrhundert (Stieda 1899) ist in den
ersten Beschreibungen von Nervenzellen die Rede von drüsenartigen Kugeln, von kugelförmigen
Anschwellungen, die einer Drüsensubstanz ähnlich seien, oder von Drüsenkörnern und
Drüsenbläschen.
2
24
2.3 Wissenschaft ist konservativ: Die "Beharrungstendenz des
Meinungssystems"
Selten gelingt der Umstieg auf ein neues und damit zunächst fremdes Schiff, gelingt die
vergleichsweise rasche Überwindung der durch einen Denkstil vorgegebenen Grenzen. In der
Geschichte der Neurobiologie ist z.B. zu denken an die Ablösung der Faserlehre durch die
Zellenlehre, an die Anerkennung der Entdeckung neuer histologischer Färbemethoden oder
schlicht an die Erfindung eines neuen Fachterminus wie Neuron oder Neuroglia. Jede dieser
kleinen und großen wissenschaftlichen Denkstilumwandlungen erforderte von der
neurowissenschaflichen Gemeinschaft, eine altehrwürdige Vorstellung zurückzuweisen zugunsten
einer neuen, nicht mit ihr zu vereinbarenden. Für jene Fachleute, deren spezielles Gebiet von einer
Denkstilumwandlung betroffen ist, bedeutet die Überwindung eines Meinungssystems eine
Änderung der Regeln, die bislang den Alltag ihrer wissenschaftlichen Praxis beherrschten. Die
Anerkennung einer neuen Theorie beispielsweise, und sei ihr Anwendungsbereich auch noch so
speziell,
erfordert
die
Neubewertung
der
traditionellen
Experimentierund
Beobachtungsverfahren und damit die Neubewertung früher gewonnenen Faktenmaterials. Die
Gewöhnung an das "neue Schiff" kann oftmals viele Generationen von Wissenschaftlern in
Anspruch nehmen, denn: Ist ein ausgebautes, abgeschlossene Meinungsystem einmal geformt, so
beharrt es beständig gegenüber allem Widersprechenden. "Wenn eine Auffassung genug stark ein
Denkkollektiv durchtränkt, wenn sie bis ins alltägliche Leben und bis in die sprachlichen
Wendungen dringt, wenn sie im Sinne des Wortes zur Anschauung geworden ist, dann erscheint
1
ein Widerspruch undenkbar, unvorstellbar." Die "Beharrungstendenz von Meinungssystemen"
beweist, so Fleck, "wie logische Systemfähigkeit um jeden Preis angestrebt wird und wie sich die
Logik in der Praxis ausdeuten läßt. Jede Lehre will logisch sein - und wie oft ist sie in der Praxis
2
eine Petitio principii! Die entscheidenden Kriterien des "Beharrens" sieht Fleck so: "Nicht um
bloße Trägheit handelt es sich oder Vorsicht vor Neuerungen, sondern um eine aktive
Vorgehensweise, die in einige Grade zerfällt: 1. Ein Widerspruch gegen das [Meinungs]system
erscheint undenkbar 2. Was in das System nicht hineinpaßt, bleibt ungesehen, oder 3. es wird
verschwiegen, auch wenn es bekannt ist, oder 4. es wird mittels großer Kraftanstrengung dem
Systeme nicht widersprechend erklärt. 5. Man sieht, beschreibt und bildet sogar Sachverhalte ab
[oder eben nicht], die den herrschenden Anschauungen entsprechen, d.h. die sozusagen ihre
3
Realisierung sind - trotz aller Rechte widersprechender Anschauungen." Als den "aktivsten Grad
der Beharrungstendenz der Meinungssysteme"
1
Fleck 1935a [1980], S. 41
Ibid., S. 44
3
Ibid., S. 40
2
25
sieht Fleck die "schöpferische Dichtung, die sozusagen magische Versachlichung der Ideen, das
Erklären, daß eigene wissenschaftliche Träume erfüllt seien. Auch hier kann eigentlich jede Lehre
1
angeführt werden, denn jede enthält Wunschträume der Forscher." Besonderen Ausdruck
2
"schöpferischer Dichtung" sieht Fleck in "theoriegemäßen Abbildungen." Die Darstellung von
Neuronen und neuralen Netzwerken als logische Bauteile und Schaltkreise sind hierfür Beispiel.
1
2
Ibid., S. 46
Ibid., S. 51
26
III. Zielsetzung der Untersuchung
Mit den Anforderungen, die Fleck an eine noch zu schaffende "Theorie des Erkennens" stellt, läßt
sich auch eine Grundkonzeption von Wissenschaftsgeschichte als einer "Wissenschaft über die
Denkstile" formulieren: "Indem sie Denkstile vergleicht, ihre historische Genese, ihre
Entwicklung, die sie erschaffenden und erhaltenden sozialen Kräfte, die Methoden des Einführens
in das Denkkollektiv untersucht, gelangt sie zu einer geeigneten Anschauung des heutigen
offiziellen wissenschaftlichen Wissens, seiner Möglichkeiten und seines philosophischen Werts. Sie
kann eine spezifische Anschauung eines Problems der Wirklichkeit, Wahrheit, Täuschung,
Entdeckung und des Irrtums hervorbringen. Sie kann nützliche Faktoren und Hinweise für die
1
Einzelwissenschaften liefern."
Mit diesem Wort Flecks ist zugleich das Anliegen dieser Untersuchung umrissen: Ausgehend von
einer kritischen Bewertung der Neuronen-Doktrin, anhand der heute vorliegenden Kenntnisse
über Neuroglia (»Erster Teil«), soll die Entstehungsgeschichte des neurobiologischen Denkstils
aufgezeigt werden (»Zweiter« und »Dritter Teil«), dieses eigenartigen Zustandes der
Neurowissenschaften, dem zwar verstreuten, dennoch vorhandenen Wissen über Neuroglia keinen
Eingang zu gewähren in die Neuronen-Doktrin. Das Aufspüren von Denkstilen, Denkkollektiven
und Denkzwängen, von denkstilbedingten Beobachtungen, Urideen, beharrenden
Meinungssystemen und Denkstilumwandlungen in der Geschichte der Neuronen-Doktrin
(»Zweiter Teil«) und der Neuroglia (»Dritter Teil«) soll dabei der Aufmerksamkeit des Lesers
2
überlassen bleiben.
1
Fleck 1936 [1983a], S. 108
Dem im "Lesen zwischen den Zeilen" wissenschaftshistorischer Abhandlungen zumeist wenig
geübten Biologen sei an dieser Stelle die folgende Auswahl empfohlen: Andersson 1988,
Bachelard 1938, Bayertz 1980, Ben-David 1971, Canguilhelm 1979, Diederich 1974, Duerr 1980,
Foucault 1969, Gooding 1990, Hagstrom 1965, Hanson 1969, Hoyningen-Huene 1989,
Hoyningen-Huene & Hirsch 1988, Krohn & Küppers 1989, Kuhn 1959, 1962a,b, 1968, 1970;
Lakatos & Musgrave 1974, Latour & Woolgar 1979, Mocek 1980, Musgrave 1988, 1993,
Rheinberger 1992, Spiegel-Rösing 1983, Watkins 1992.
2
27
Erster Teil
Plädoyer für eine Denkstilumwandlung in der modernen Neurobiologie
I. Der Denkstil: Das Neuron als die informationsverarbeitende Einheit des
Nervensystems
Funktionsfähige Gehirne und ein zugehörender Nervenapparat steuern tierische Organismen (so
diese über ein Nervensystem verfügen), wie auch den Menschen, auf individuellen Lebenspfaden
durch die ihn umgebende Welt und koordinieren sein Verhalten mit dem der ihn eingrenzenden
Sozialgemeinschaft. Im Wechselspiel zwischen Vorgängen in der Außenwelt und den Vorgängen
im Inneren des Organismus ist das Nervensystem ein kommunikativer Apparat, welcher die
Signale aus der ihn umgebenden Welt artspezifisch wahrnimmt und in für das wahrnehmende
1
Individuum relevante Verhaltensreaktionen umsetzt. Hoch gestecktes Ziel der Neurobiologie ist
es, jene kognitiv-behavioristischen Funktionsweisen und Leistungen des Nervensystems zu
verstehen, in der Absicht, eines Tages eine "Neurotheorie" zu entwerfen, "die im Prinzip eine
2
vollständige Erklärung für alles Verhalten von Lebewesen und Menschen liefern kann."
Zur Modellierung jener Kommunikationsbeziehung Nervensystem-Umwelt nutzen
Neurobiologen das bereits in den 40er Jahren dieses Jahrhunderts von den Mathematikern C. E.
3
Shannon und W. Weaver vorgeschlagene Theorie-Modell einer aus einem Sender, einem
Empfänger
und
einem
Nachrichtenkanal
zusammengesetzten
Maschine
zur
4
Informationsverarbeitung. Demnach geht eine unter Neurobiologen verbreitete Auffassung
1
Unter "Verhalten" wird hier das vom "Beobachter" feststellbare Verhalten verstanden. Bei G.
Roth heißt es dazu: "Der externe Beobachter beobachtet einen Organismus (Mensch, Tier), eine
diesen Organismus umgebende Welt und Interaktionen zwischen Organismus und Umwelt. Er
stellt fest, daß auf bestimmte Veränderungen der Umwelt hin bestimmte Veränderungen des
Organismus auftreten (oder nicht auftreten) und umgekehrt. Er bezeichnet diese Interaktionen im
Hinblick auf den Organismus als Verhalten dieses Organismus und kann durch entsprechende
Beobachtungen und Experimente Gesetzmäßigkeiten in diesem Verhalten feststellen." (Roth 1978,
S. 66).
2
J. C. Eccles in Popper & Eccles 1989, S. 432
3
Shannon & Weaver 1948, 1949
4
Näheres zum Konzept der "Informationsverarbeitung" in Biologie und Neurobiologie bei
Braitenberg 1986, Brajnes & Svecinsky 1970, Grüsser 1972, Haken & Haken-Krell 1989,
Heineken 1991a,b; Janich 1993, Küppers 1986, Oeser & Seitelberger 1988, Seitelberger 1986,
Zimmermann 1990.
28
davon aus, allerdings bei zumeist leichtfertiger Vermengung der sowohl syntaktischen als auch
1
semantischen Dimension des Terminus "Information" , das Nervensystem sei als ein Gerät
aufzufassen, "mit dem wir das ganze Leben lang Nachrichten über Ereignisse in der Umwelt
2
empfangen und Signale aussenden, die unsere Beziehung zur Umwelt verändern." Diese
Vorstellung auf einen Nenner gebracht: "Nervensysteme sind biologische Systeme der
3
Informationsverarbeitung zum Zweck der Verhaltenssteuerung."
Im Lichte der Neuronen-Doktrin liest sich das informationstheoretisch unterfütterte
Konzept der Umsetzung von Umweltsignalen in eine Verhaltensantwort des Organismus wie
folgt: "Information coming from peripheral receptors that sense the environment is analyzed by
the brain into components that give rise to perceptions, some of which are stored in memory. On
the basis of this information the brain gives commands for the coordinated movements of muscles.
The brain does all this with nerve cells [neurons] and the connections between them. Despite the
simplicity of the basic units [neurons], the complexity of behaviour, evident in our capability for
perception, information storage, and action, is achieved by the concerted signaling of an
4
enormous number of neurons." Derartige Aussagen stehen im Zentrum eines jeden Lehrbuchs der
5
Neurobiologie oder der physiologischen Psychologie. Neurone sind demnach das zelluläre
Substrat "informationsverarbeitender Nervensysteme", und in der Tat, aufgrund ihrer
morphologisch-funktionell bedingten Eigenschaften, elektrische Signalzeichen zu erzeugen und
diese über lange Wege im Organismus fortzuleiten, scheint die Interpretation der Neurone als die
1
Es muß unterschieden werden zwischen "Information" im Sinne eines Trägers von Bedeutung
oder Qualität, also einer eher alltagssprachlichen Interpretation des Begriffs, dem sich Attribute
wie "wertvoll", "nützlich" oder "nutzlos" zuordnen lassen und einem abstrakten Verständnis von
Information ohne Semantik. Diese Art von Information kann nur gemeint sein, wenn von
Informationsübertragung die Rede ist. Bezogen auf das Nervensystem, wenn die Rede ist von
codierten Umweltreizen, also z.B. davon, wieviel Code-Zeichen oder Signale benötigt werden,
eine bestimmte "physikalische Nachricht" zu verschlüsseln. Information ist dann zu verstehen als
ein Maß, als etwas quantitatives, das allein den mathemathisch formulierbaren Anteil einer
Nachricht meint.
2
Braitenberg 1986, S. 213
3
Oeser & Seitelberger 1988, S. 51 / Die von H. R. Maturana und F. Varela initiierte (Maturana
1979, 1982; Maturana & Varela 1979, 1987; Varela 1974, 1979, 1991) und insbesondere von G.
Roth (1985, 1988b,c 1990, 1991a, 1992) vertiefte Konzeption selbstreferentieller, semantisch
geschlossener Nervensysteme, hat in den innerneurowissenschaftlichen Sprachgebrauch bislang
nur wenig Eingang gefunden, ja sie wird von der Mehrzahl der Neurobiologen ignoriert, wie der
sorglose Umgang mit dem Begriff "Information" in den Lehrbüchern zeigt.
4
Kandel et al. 1991, S. 18
5
Vgl. z.B. die Lehrbücher von Birbaumer & Schmidt 1990, Black 1993, Kandel et al. 1991, Kolb
& Whishaw 1993, Reichert 1990, Rosenzweig & Leiman 1989, Shepherd 1993.
29
1
"informationsverarbeitenden Einheiten" des Nervensystems durchaus auf der Hand zu liegen. Die
2
folgende Passage aus einem als Einführung in die Neurowissenschafen gedachten Text macht
deutlich, was unter einem "informationsverarbeitenden Neuron" verstanden werden soll.
Ausgehend von der Behauptung: "Hirnaktivität ist elektrische Aktivität. [...] Die Sinnesorgane der
Peripherie geben ihre Reize als elektrische Impulse an das Gehirn, und dort werden sie elektrisch
zu einer Wahrnehmung verarbeitet" heißt es dort unter der Titelung »Das Neuron Informationsüberträger und Minirechner«: "Wenn sie [die Neurone] auch sehr unterschiedlich
aussehen können, sind sie doch nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Ein Zellkörper mit seinem
Zellkern ist von zahlreichen fadenförmigen Fortsätzen umgeben. Die meisten dieser
bäumchenartig verzweigten Fortsätze sind sogenannte Dendriten; ein einziger von ihnen, der sich
unter dem Mikroskop nicht immer leicht von den Dendriten unterscheiden läßt, ist das sogenannte
Axon. Dendriten und das Axon erfüllen prinzipiell verschiedene Aufgaben: Die Dendriten nehmen
Nervenimpulse von anderen Neuronen auf und leiten sie zum Zellkörper hin; das Axon leitet
umgekehrt Nervenimpulse vom Zellkörper weg und zu anderen Zellen hin. Seiner Funktion als
Informationsüberträger wird das Neuron also durch polare, d.h. gerichtete, Struktur gerecht:
Informationseingang über die Dendriten, Informationsausgang über das Axon. Der
Informationsfluß bekommt dadurch seine Richtung, nämlich von den Dendriten über den
Zellkörper und das Axon zur nächsten Zelle und niemals umgekehrt. Das Neuron überträgt aber
nicht nur gerichtete Information, es verarbeitet sie auch. Das ergibt ein simpler Zahlenvergleich:
Den zahlreichen Dendriten steht nur ein Axon gegenüber, einer großen Zahl eingehender Impulse
nur ein einziger ausgehender. Nicht jeder aufgenommene Impuls schickt auch einen Impuls über
das Axon hinaus, sondern im Neuron müssen mehrere, mitunter vielleicht Hunderte oder
Tausende von Impulsen "verrechnet" werden, bevor das Axon einen weitergibt. Diese
Rechnerleistung der einzelnen Nervenzelle macht unser Nervensystem so unendlich kompliziert
3
und leistungsfähig."
[Selbstverständlich ist sich der Verfasser des obigen Zitats (welchem im übrigen ein vielgenutztes
4
Lehrbuch der Neurochemie (!) zu verdanken ist ) über die tatsächlich weitaus komplizierteren
Verhältnisse im klaren. Besagter Text ist für den "gebildeten Laien" gedacht, wie dem Vorwort
des Buches zu entnehmen ist. (Dennoch soll der Text, wie es an selber Stelle heißt, "den heutigen
Wissenstand" darstellen). Offensichtlich ist es das Bemühen um eine "allgemein verständliche
Form", die den Autor veranlasste, gewissermaßen
1
Richter 1990, S. 22
Maelicke 1990
3
F. Hucho in Maelicke 1990, S. 14 u. S. 16f
4
Hucho 1986
2
30
den verdichteten Kern seiner Vorstellungen von Neuronen an den Leser weiterzugeben, nur das,
was wirklich wichtig ist, also den Denkstil jenes Denkkollektives, dem der Autor als Neurobiologe
angehört. Nicht allein Lehrbücher sind somit die "Fundgruben des Denkstils eines
Denkkollektives" sondern im besonderen, die von anerkannten Fachleuten verfasste,
1
populärwissenschaftliche Literatur. ]
Skizzieren wir im Folgenden die Funktionsteilschritte jener neuronalen Ereignisse im
Informationssystem Umwelt-Sinnesorgane-Gehirn-Umwelt, so wie sie in der zur Ausbildung
künftiger Neurobiologen benutzten Lehrbuchliteratur zur Darstellung kommen. Die den
Sprachgebrauch der neurobiologischen Lehrbuchliteratur dominierenden Termini sind im
Schriftbild hervorgehoben.
(1) Der Informations-Input: Grundgedanke des Informations-Input ist die Abstraktion der den
Organismus umgebenden Weltwirklichkeit mittels Umformung (Codierung) von
Umweltereignissen in neuronale Schlüsselzeichen. Hierzu wird ein als Reiz taugliches
physikalisch-chemisches Umweltereignis an den sensorischen Neuronen (Sinneszellen) in den
verschiedenen Sinnessystemen in eine elektrische Zustandsänderung transformiert. (Reizung bzw.
Erregung des sensorischen Neurons). Ergebnis ist die Erzeugung einer der Reizintensität
proportionalen Serie von Nervenimpulsen bzw. Aktionspotentialen (Informationscodierung) und
die Weiterleitung der Impulsfolge (Erregungsleitung bzw. Informationsvermittlung) in die
zentralen, dicht vernetzten Neuronenanhäufungen des Gehirns. (Angesichts der "Alles-oderNichts" Natur des Aktionspotentials ist die hier angesprochene Frequenzcodierung ein Vorgang,
2
der oft mit der Umwandlung eines Analog-Signals in Digital-Signale verglichen wird). Im
Gehirn ist jedem Sinnessystem ein neuronales Hirnareal (Projektionsgebiet) zugeordnet. Ergebnis
des Informations-Input ist die Vereinheitlichung von Reizmodalitäten
1
Wenngleich festzuhalten ist, daß sich die Darstellung des Neurons als "informationverarbeitende
Einheit" in der Lehrbuchliteratur nur unwesentlich von der zitierten "populären" Darstellung
unterscheidet. In ihrem Lehrbuch »Biologische Psychologie« (Birbaumer & Schmidt 1990, S.
198) schreiben Niels Birbaumer und Robert F. Schmidt: "Nervenzellen sind im Organismus auf
die Verarbeitung von Information spezialisiert. Diese Aufgabe läßt sich aufteilen in die Aufnahme
der Information, ihre Fortleitung über große Distanz, sowie deren Weitergabe an eine oder
mehrere andere Zellen. Die Informationsaufnahme geschieht meist über Synapsen an Dendriten
oder dem Soma der Nervenzelle, wobei die Information von anderen Nervenzellen kommt. Die
Nervenzelle kann jedoch Information auch von den Sensoren oder Rezeptoren der Sinnesorgane
empfangen, oder mit spezialisierten Dendriten Informationen aus der Umwelt aufnehmen. Die
Fortleitung der aufgenommenen Information geschieht am Axon. Die Weitergabe der Information
erfolgt schließlich [...] an den Synapsen. Die Information liegt in der Zelle als elektrisches Signal
vor."
2
Vgl. z.B. Shepherd 1993, S. 182
31
bzw. Reizqualitäten in eine dem "Gehirn verständliche" Signalsprache.
(2) Die Informationsverarbeitung: Zwischen sensorischen Input und Verhaltens-Output tritt die
1
Tätigkeit zu neuralen Netzwerken verschalteter, intermediärer Neurone, die eine integrative
Verarbeitung neuronaler Impuls- bzw. Erregungsmuster leisten. Die Informationsverarbeitung im
Neuronen-Netzwerk ist auf zwei miteinander gekoppelten Funktionsebenen repräsentiert. Eine
"schnelle Ebene" (im Bereich von Sekundenbruchteilen) entspricht den augenblicklichen, sich
fortlaufend ändernden Aktivitätszuständen der individuellen Netzwerkneurone, wobei ein Teil des
Aktionsmusters direkt von den über die Sinnesrezeptoren einlaufenden Signalen aufgeprägt wird,
und ein zweiter Teil von der Wechselwirkung der Neuronen untereinander. Die zentralen
Kommunikations- oder Verrechnungsprozesse während der schnellen Informationsverarbeitung
im Neuronen-Netzwerk spielen sich während der Impulsübertragung (Informationsweitergabe)
von Neuron zu Neuron ab. Die Erregungsübertragung geschieht dabei gerichtet, zumeist vom
Axon zum Dendrit, und punktuell, an funktionell dynamischen Schaltstellen, die als Synapsen
2
bezeichnet werden. Die Plastizität der synaptischen Verbindungsmuster repräsentiert die zweite
3
Zeitebene (im Bereich von Minuten bis Tagen) neuronaler Informationsverarbeitung.
1
In Abgrenzung zum Sprachgebrauch der Neuroinformatik spricht man in der Neurobiologie
(streng genommen) nicht von neuronalen Netzwerken sondern von neuralen Netzwerken oder
Neuronen-Netzwerken. Näheres zu neuralen und neuronalen Netzwerken bei Amit 1989, Brause
1991, Dayhoff 1990, Dorffner 1991, Helm 1991, Kosko 1992, Ritter et al. 1990, Rojas 1993,
Schwegler 1993, 1994; Zornetzer 1990.
2
Die netzwerkartige Organisation der Neurone ist durch die punktförmige Annäherung der
terminalen (axonalen) Endknöpfchen (im weitaus häufigsten Fall) an die dendritischen Dornen
oder den Zellkörper eines "benachbarten" Neurons bestimmt. (Näheres zur Architektur neuraler
Netzwerke z.B. bei Dayhoff 1990, Shepherd 1978, 1990, Szentágothai 1968, 1969, 1972, 1973,
1985; Szentágothai & Arbib 1974a,b). Die Dendriten und das Soma eines einzelnen Neurons
können je nach Hirnregion in "Kontakt" mit vielen tausend terminalen Endknöpfchen stehen. Die
Fläche der synaptischen "Kontaktaufnahme" hat einen Durchmesser von lediglich 0.5-2.0 um
(Shepherd 1990, S. 7). Die Anzahl der Synapsen im Gehirn eines Säugetieres [75% der Synapsen
befinden sich allein in der Großhirnrinde (Rakic 1988)] verdeutlicht die hochgradige Vernetzung
3
der Neurone. Für 50.000 Neurone/mm graue Substanz im visuellen Cortex der Katze werden 300
6
x 10 Synapsen geschätzt (= 6000 Synapsen/Neuron). Für das menschliche Gehirn gibt Roth
15
12
(1990, S. 167) 10 Synapsen an, Shepherd (1990, S. 7) schätzt 60 x 10 .
3
Plastizität wird hier wie folgt verstanden: "In order to mediate various adaptive processes, the
circuitry of the nervous system remains modifiable, or plastic, throughout life. The term plasticity
refers to virtually any fom of change in the nervous system or in behavior. Synaptic plasticity may
be defined as the capability of synapses to vary their function, to be replaced, and to increase or
decrease in number when required. In studies on synaptic plasticity, it is a widely held working
hypothesis that modifications at synapses are to a large extent,
responsible for the overall plasticity of nervous system circuitry and, therefore, behavioral
32
Veränderungen auf dieser Zeitebene betreffen die Wirksamkeit der synaptischen Übertragung und
zwar in Abhängigkeit von der Korrelation zwischen den Aktivitäten des präsynaptischen, d.h. des
die Synapse ansteuernden, und des postsynaptischen, d.h. des von der Synapse angesteuernden
Neurons. Als die "Wahrnehmungsergebnisse" neuronaler Informationsverarbeitung sind in etwa
denkbar: die Erzeugung von Erlebnisgestalten und damit eines "Gegenwarts-Gefühl des Erlebens"
1
(Zustand des Bewußtseins ), die Bedeutungszuweisung und emotionale Bewertung jener
Umweltereignisse, jener "Informationen über die Umwelt", die auf der Sinnesoberfläche
auftreffen, bis hin zur Einspeicherung der "von den Sinnessystemen aufgenommenen
Informationen" in das Kurz- und Langzeitgedächtnis.
[Die Beziehung zwischen Signalverarbeitung und Bedeutungserzeugung macht die Problematik
des Begriffes Informationsverarbeitung bei der Beschreibung von Hirnfunktion deutlich.
Aktionspotentiale haben keine Bedeutung. Das Gehirn empfängt mit Hilfe der Sinnesorgane keine
"Informationen über die Umwelt", sondern lediglich die in den Sinnesrezeptoren zu Impulsen
codierten Signale der Umwelt. Das Nervensystem hat es "grundsätzlich nur mit Entsprechungen
2
und Abstraktionen von Wirklichkeit und keineswegs mit dem Weltwirklichen selbst zu tun." Das
Gehirn konzentriert die Eingangssignale und "verarbeitet" sie, indem es sie decodiert, d.h. zu
einem Sinneseindruck integriert und diesen mit Gedächtnisinhalten vergleicht. Erst jetzt ist eine
Interpretation der ursprünglichen Reize möglich. Erst durch Decodierung und Interpretation von
codierten Reizen entsteht Bedeutung. Erst durch die Konstitution von Bedeutung und Bewertung
entsteht tatsächlich Information über die Umwelt. Information ist also nicht per se vorhanden,
sondern das Ergebnis komplexer Hirnleistung. Das Gehirn ist kein informationsaufnehmendes
3
und informationsverarbeitendes, sondern ein informationsschaffendes System. ]
(3) Der Verhaltens-Output: Als das eigentliche Ergebnis der "Informationverarbeitung im
Neuronen-Netzwerk" können neuronal vermittelte Instruktionen an diejenigen Teile des Körpers
verstanden werden, von denen Signale an die Umwelt in Form von beobachtbaren Handlungen
ausgehen (Ausführung von Bewegungen oder Kommunikationsaktionen), einschließlich jener
"unbewußten" Steuerung von physiologischen Prozessen (z.B. Blutdruck-
plasticity." (Nieto-Sampedro & Cotman 1987, in Adelman 1987, Vol. II, S. 1166). Zur
Konzeption synaptischer Plastizität siehe z.B. Cragg 1972.
1
Pöppel 1990, S. 112
2
Oeser & Seitelberger 1988, S. 72
3
Näheres bei Roth 1978, 1985, 1988b,c 1990, 1991a, 1992.
33
und Stoffwechselregulation), die allein das innere Mileu des Organismus betreffen.
Vor dem Hintergrund der Neuronen-Doktrin wird also erwartet, daß eine vollständige Analyse der
Neuronenmaschine, ihrer neuronalen Architektur und der neuronalen Vorgänge in ihrem Inneren,
zu einem vollständigen Verständnis "höherer Hirnleistungen" und damit zu einer "neuronalen
Theorie" menschlichen Verhaltens führen wird. Die Beschreibung des Menschen als homme
1
neuronal ist die große Idee der modernen Neurobiologie. Die folgenden Ausführungen zeigen,
daß der dieser Idee zugrundeliegende Denkstil (»Nervensysteme sind Neuronen-Systeme«)
angesichts des heutigen Kenntnisstandes über Neuroglia überholt ist und der Denkstilerweiterung
bzw. Denkstilumwandlung bedarf. Die zentrale These des folgenden Abschnitts lautet: Das
Nervensystem ist nicht nur ein Neuronen-System sondern ein Glia-Neuronen-System, d.h. eine
nach architektonischen Kriterien ableitbare, geordnete Menge von Neuronen und Gliazellen,
wobei nicht Neurone allein, sondern die zwischen Neuronen und Gliazellen bestehenden
Funktionsrelationen die Gesamtfunktion des Nervensystems bestimmen. Erst unter Einbeziehung
der Neuroglia ist eine biologisch adäquate Beschreibung der zwischen sensorischen Input und
Verhaltens-Output geschalteten Zellmaschinerie möglich.
1
In Anlehnung an Changeux 1983
34
II. Argumente für eine Denkstilumwandlung: Das Nervensystem als GliaNeuronen-System
1. Der Bauplan des Glia-Neuronen-Systems
"Was in das [Meinungs]system nicht hineinpaßt, bleibt ungesehen, oder, es wird verschwiegen,
1
auch wenn es bekannt ist" hieß es bei Fleck. Denkstil-gebundene Aussagen wie: "Das Gehirn des
Menschen besteht aus Milliarden von Neuronen, die untereinander durch ein gigantisches
2
Leitungsnetz verkabelt sind" oder: "Das menschliche Gehirn besteht aus etwa einer Billion
Nervenzellen, die untereinander mindestens eine Trillion Verknüpfungspunkte (Synapsen) haben",
ignorieren denn auch die Tatsache, daß mehr als 90% der Zellen im menschlichen Gehirn (bei
3
Vernachlässigung von Bindegewebezellen und Kapillarepithelien) Gliazellen sind. Und diese
4
Gliazellen - insbesondere die Astrozyten 1
Fleck 1935a [1980], S. 40
Changeux 1984, S. 344
3
Quantitative Angaben über Neurone und Gliazellen im menschlichen Gehirn ergeben aufgrund
der unterschiedlichen Zählmethoden kein einheitliches Bild. Hinsichtlich der Zahl der Neurone
9
finden sich in der Literatur folgende Angaben: Birbaumer & Schmidt 1990; 25x10 , Kandel et al.
11
12
10
9
1991; 10 , Roth 1990; 10 , Szentágothai 1985; 3-5 x 10 , Thompson 1899; 10x10 . Im
Unterschied zu den Neuronen wird die Anzahl der Gliazellen nicht in absoluten Größen
angegeben, sondern mit Hilfe des Glia-Neuron-Index (GNI) (Dazu Bass et al. 1971, Pope 1987,
Reichenbach 1989, Wolff 1970). Der GNI beschreibt den Quotienten der Anzahl
Gliazellen:Anzahl der Neurone innerhalb eines definierten Volumens Hirngewebe. Alle
Neuronen- und Gliatypen werden in die Bestimmung des GNI eingerechnet. Auffällig ist, daß der
GNI innerhalb der phylogenetischen Reihe der Säugetiere zunimmt (Friede 1954, Roots 1978),
sowohl auf das Gesamtgehirn bezogen als auch bezogen auf definierte Gehirnabschnitte. Wird für
das ausgewachsene Gehirn des Menschen ein GNI von mindestens 10 (Blinkov & Gleezer 1986)
bis maximal 50 (Kandel et al. 1991, S. 22) angegeben, so läßt sich im Gehirn der Katze lediglich
ein GNI von 2.0 ermitteln. Im Rattenhirn finden sich sogar weniger Gliazellen als Neurone (GNI
0.9). [Blinkov & Glezer 1968, Brizee & Jacobs 1959, Brizzee et al. 1964]. Steigt die Zahl der
Gliazellen in der Großhirnrinde während der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Säugetiere
an, so bleibt die Zahl der Neurone/Vol. hingegen erstaunlich konstant. Für die Großhirnrinde von
Maus, Ratte, Katze, Affe und Mensch wurde für ein zylindrischer Volumen von 30 um
Durchmesser (der Senkrechten aller sechs Cortex-Schichten entnommen) relativ konstant 110
Neurone ermittelt. (Rockel et al. 1980, zit. in Nauta & Feirtag 1991, S. 322). Ist die Anzahl der
Neurone unabhängig vom betrachteten Cortex-Areal, so variiert die Anzahl der Gliazellen. In der
Hirnrinde des Menschen ergeben sich, abhängig vom Cortex-Areal, GNI-Werte zwischen 0.5 und
13 (Blinkov & Gleezer 1968). Zum Größenvergleich: In den motorischen und sensorischen
Hirnstammkernen des menschlichen Gehirns erreicht der GNI Werte um 70. (Blinkov & Gleezer
1968, Tabelle 290, S. 289).
2
4
Zur Histologie der Astroglia siehe Kosaka & Hama 1986, Peters et al. 1991, Privat & Rataboul
1986, Spacek 1971, Wilkin & Levi 1986, Wolff 1966, 1968, 1976.
35
sind, wie die Neurone, zu einem hochgradig geordneten Netzwerk organisiert. Wie die
dendritischen Dornen und die Axon-Endknöpfchen der Neurone, so nähern sich auch die
1
Endstrukturen der Zellausläufer benachbarter Astrozyten einander an. Im Gegensatz zu den durch
den synaptischen Spalt getrennten Neuronenfortsätzen, stehen die Astrozytenfortsätze jedoch
nicht in Annäherung, sondern punktuell, via sogenannter gap junctions, in tatsächlichem Zell2
Zell-Kontakt. Aufgrund der Zusammensetzung der gap junctions aus röhrenartigen,
zytoplasmaverbindenen Proteinstrukturen, läßt sich das Glianetzwerk als ein potentiell
ununterbrochenes Känälchensystem beschreiben (Gliasyncytium), welches im Gehirn von der
3
inneren Ventrikelschicht bis zur Hirnoberfläche reicht.
1
Offenbar geschieht diese Annäherung der Zellfortsätze bevorzugt, wird doch die Annäherung
benachbarter Astrozytenzellkörper aktiv vermieden (Repulsion). Der Begriff des contact-spacing
bringt die Gegenläufigkeit dieses Interaktionsphänomens treffend zum Ausdruck. Näheres bei
Chan-Ling & Stone 1991, Distler et al. 1991.
2
Als gap junction oder Nexus wird eine punktförmige Membrandomäne zwischen benachbarten
Zellen bezeichnet, in deren Bereich sich der Zellabstand auf etwa 1-2nm verringert. Im Gegensatz
zur neuronalen Synapse wird bei einer gap junction die interzellulare Lücke mittels regelmäßig
angeordneter, quer zum Spalt verlaufender Protein-Hohlzylinder (Connexone) überbrückt, so daß
der zytoplasmatische Inhalt der benachbarten Zellen in Verbindung steht. (Zur Struktur und
Funktion von gap junctions siehe Bennett et al. 1991a, Dermietzel & Spray 1993, Hertzberg et al.
1981, Hertzberg & Johnson 1988, Schuster 1990, Spray 1985). Gap junctions zwischen
gleichartigen Zellen werden als homologe gap junctions bezeichnet, in Abgrenzung zu
heterologen gap junctions. In der Neuroglia werden homologe gap junctions in großem Umfang
von Ependymzellen und Astrozyten gebildet. (Brightman & Reese 1969, Dermietzel 1973, 1974,
1978; Dermietzel et al. 1991, Kettenmann et al. 1983, Kettenmann & Ransom 1988, Massa &
Muganaini, 1982; Morales & Duncan 1975, Mugnaini 1986). Gap junctions zwischen
Oligodendrozyten sind hingegen selten. (Morales & Duncan 1975, Mugnaini 1986). Heterologe
gap junctions sind zwischen Astrozyten und Oligodendrozyten, sowie zwischen Astrozyten und
Ependymzellen gezeigt. (Massa & Mugnaini 1982). Gap junctions treten auch vereinzelt in der
Membran von Neuronen auf (elektrische Synapsen). Zum Netzwerkcharakter des
Neuronensystems tragen gap junctions jedoch nur in vernachlässigbarem Umfang bei.
3
Zu gap junctions in der zentralen Neuroglia und zur syncytialen Organisation von Gliazellen
siehe Batter et al. 1992, Bennett et al. 1991a, Brightman & Reese 1969, Dermietzel 1973, 1974,
1978; Dermietzel & Spray 1993, Dermietzel et al. 1989, 1991; Fisher & Kettenmann 1985,
Giaume et al. 1991a, Kettenmann 1983, Kettenmann & Ransom 1988; Massa & Mugnaini 1982,
Morales & Duncan 1975, Mugnaini 1986, Mugnaini & Walberg 1964.
36
Fig. 3 "Zell-Zell-Kontakstellen" und die Orte der "Informationsverarbeitung" im Glia-Neuronen-System: (Oben)
Phospholipidmembranen und transmembrane Connexine einer gap junction zweier benachbarter Zellen, wie sie im
Gehirn hauptsächlich im Gliasyncytium nachgewiesen werden [aus Schuster 1990]. (Unten) Die "klassische"
chemische Synapse des neuralen Netzwerks, bestehend aus Axon-Endknöpfchen, synaptischem Spalt und
dendritischem Dorn [aus Stevens 1979].
37
Neurone und Gliazellen sind nicht nur jeweils für sich betrachtet geordnete Zellverbände.
Vielmehr sind beide Netzwerke auf beschreibbare Weise "ineinandergeschachtelt" und bilden
1
gemeinsam einen Glia-Neuronen Verband. An allen "neuronalen Stationen" des
Informationssystems
Umwelt-Sinnesorgane-Gehirn-Umwelt
finden
sich
in
der
2
nachbarschaftlichen Anordnung zu den Neuronen typische Gliakonstellationen. In der Retina sind
es die Müllerschen Zellen, an den sensorischen und motorischen Axonen des peripheren
Nervensystems die Schwannschen Zellen, in den peripheren Ganglien die Satellitenzellen, ja selbst
an der neuro-muskulären Endplatte finden sich Gliazellen (Teloglia). Im Zentralnervenstem
stehen Astrozyten-Endfüßchen in enger Annäherung zu den Neuronenzellkörpern und zu den
3
Ranvierschen Schnürringen der myelinisierten Axone. Ebenso sind die Mehrzahl der Synapsen
von gliösen Hüllen aus Astrozyten-Fortsätzen (Lamellen) oder perineuronalen Oligodendrozyten
umgeben. Auch die Blutgefäße sind in das dreidimensionale Astrozyten-Netzwerk eingebettet,
4
wobei die Astrozytenfortsätze die Gefäße als "Gefäßfüßchen" vollständig umkleiden.
1
Gliazellen und Neurone bleiben dabei stets durch den Interzellularraum voneinander getrennt.
"Zell-Zell-Kontakte" zwischen Neuronen und Gliazellen sind innerhalb des Glia-Neuronen
Verbands zwar beschrieben (Güldner & Wolff 1973a,b; LeBeux 1972, Leonhardt & BackhusRoth 1969, Morales & Duncan 1975, Schnapp & Mugnaini 1975, Walker & Held 1969), sowohl
in Gestalt von gap junctions als auch in Gestalt axo-glialer Synapsen, dies jedoch derart selten
(und zumeist beschränkt auf das die Hirnventrikel auskleidende Ependym), daß bezweifelt
werden muß, ob ihnen bei der Beschreibung der Gesamtarchitektur des Glia-Neuronen Verbandes
eine wesentliche Bedeutung zukommt.
2
Zur "Glia-Neuron Histologie" siehe Bunge 1968, 1986; Bunge et al. 1960, Ffrench-Constant et
al. 1986, Ffrench-Constant & Raff 1986, Güldner & Wolff 1973a,b; Hildebrand et al. 1993,
Kosaka & Hama 1986, Liuzzi & Miller 1987, Miller et al. 1985, 1989a,b; Miller & Raff 1984,
Palay 1966, Palay & Chan-Palay 1974, Peters et al. 1991, Privat & Rataboul 1986, Raine 1984,
Schousboe et al. 1980, Spacek 1968, 1971, 1985; Suarez & Raff 1989, Szenthagothai 1970,
Wilkin & Levi 1986, Wolff 1966, 1968, 1970, 1976; Wolff et al. 1979, Wood & Bunge 1984.
3
Die durch interfaszikulare Oligodendrozyten (bzw. Schwannschen Zellen im PNS) gebildete
Myelin-Ummantelung der Axone entsteht, indem sich die Fortsätze der Oligodendrozyten
mehrfach um die axonalen Neuronenfortsätze herumwinden. Dabei verschmelzen die
benachbarten Zellmembranen unter Reduktion des zytoplasmatischen Inhalts zu einem
geschlossenen Membrankomplex, bestehend aus alternierenden Lipid- und Protein-Schichten. Ein
einzelner interfaszikularer Oligodendrozyt kann mehrere Axone ummanteln. Im Querschnitt
ähnelt eine myelinisierte, oder "markige" Nervenfaser einem Draht, der von einer Isolierschicht
umgeben ist. Die Myelin-Ummantelung der Nervenfasern ist nicht geschlossen, sondern in
regelmäßigen Abständen durch sogenannte Ranviersche Schnürringe unterbrochen. Näheres bei
Bunge 1968, Bunge et al. 1960, Hildebrand et al. 1993, Schnapp & Mugnaini 1975, Wood &
Bunge 1984.
4
Dazu Lierse 1968
38
Fig. 4 Dreidimensionale Übersichtsdarstellung der Glia, Neurone und Blutgefäße des Zentralnervensystems: (1)
Neuron, (2) protoplasmatischer Astrozyt, (3) Oligodendrozyt, (4) Blutkapillaren, (5) Dendriten, (6) Axon, (7) AxonEndknöpfchen, (8) Gliafortsatz, (9) Gliaendfüßchen, (10) Kapillarbasallamina, (11) Ausstülpung, (12) Markscheide,
(13) Ranvierscher Schürring. Zwischen den Neuronen, den Gliazellen und den Blutkapillaren befindet sich
tatsächlich nicht leerer Raum, wie hier abgebildet, sondern das sogenannte Neuropil, d. h. Zellausläufer jeder Art
[aus Krstic 1978].
39
2. Morphologische Dynamik des Glia-Neuronen-Systems
"Allen Worten haftet eine mehr oder weniger ausgeprägte, denkstilgemäße Färbung an", hieß es
bei Fleck. So prägt die seit den 50er Jahren dieses Jahrhunderts so populäre Verknüpfung von
Neuronen-Doktrin, Informationstheorie und Kybernetik, und damit verbunden, die Interpretation
der Neurone als "informationsverarbeitende" Zellulareinheiten des Nervensystems, bis heute den
Sprachgebrauch der Neurobiologie. Die zur Beschreibung des Nervensystems verwendete
Terminologie erinnert dabei mehr an die Beschreibung eines rigiden Kabelwerks im Inneren eines
elektrischen Apparates, denn an die Beschreibung eines biologischen Systems. In jedem
beliebigen Lehrbuch der Neurobiologie und der physiologischen Psychologie ist die Rede von
synaptischen Verschaltungen, von Ein- und Ausgängen, von Neuronen, die zu Schaltkreisen
vernetzt sind, u.s.w. Es ist ein charakteristisches Merkmal denkstilgebundener Sprache, Begriffe
selbst dann zu verwenden, wenn diese Begriffe das genaue Gegenteil dessen zum Ausdruck
bringen, was "tatsächlich der Fall" zu sein scheint. Kein Neurobiologe würde ja ernsthaft
behaupten, Neurone und Synapsen seien statischen Apparatebauteilen und punktgelöteten Drähten
1
vergleichbar, die zeitlebens fixiert im Gehirn vorliegen. Zudem lassen erste
Forschungsergebnisse heute erkennen, daß nicht allein die Anordnung des Neuronen-Netzwerks,
sondern das gesamte Glia-Neuronen-System in ständigem morphologischem Wandel begriffen
ist.
(1) Remodeling im Glia-Neuronen Verband: Mit phantastischem Aufwand ist es in den letzten
Jahren gelungen, an peripheren Ganglien adulter Säugetiere (in situ) sowohl die morphologische
Instabilität neuronaler Zellfortsätze als auch die Variabilität der morphologischen Beziehung
2
zwischen Gliazellen und Neuronen (Neuronal-Glial Plasticity )
1
Insbesondere im Rahmen der Gedächtnis- und Lernforschung wird eine morphologische
Plastizität der Synapsen postuliert. So gibt es Hinweise, daß sich in Abhängigkeit vom
"sensorischen Input", also in gebrauchs- und erfahrungsabhängiger Weise, die topographische
Organisation rezeptiver Felder im somatosensorischen Cortex wandelt - und zwar innerhalb von
Stunden (Merzenich et al. 1984, Pons et al. 1988). Auch am "20.000-Neuronen Lernmodell"
Aplysia californica (vgl. Alkon 1983) konnte gezeigt werden, daß die Anzahl "synaptischer
Kontakte" zwischen bestimmten sensorischen und motorischen Neuronen mit dem
"Trainingszustand" des Tieres korelliert (Bailey & Chen 1983). Als die Grundmechanismen
morphologischer Plastizität werden vorgeschlagen (nach Reichert 1990, S. 359): 1. eine
Vergrößerung axonaler Endknöpfchen, 2. ein Aussprießen neuer Endbäumchenverzweigungen
(sprouting), 3. Änderungen in der Breite des synaptischen Spalts, 4. eine Verschiebung axonaler
Endknöpfchen entlang der Dendriten, sowie 5. Änderungen in der Feinstruktur der dendritischen
Dornen.
2
Begriff nach Perlmutter et al. 1985
40
1
nachzuweisen. Über einen Beobachtungszeitraum von Wochen und Monaten hinweg konnte
gezeigt werden, daß sich 1. dendritische Verzweigungen verlängerten oder verkürzten, 2. daß
dendritische Verzweigungen verloren gingen oder neu gebildet wurden, 3. daß sich die
Konfiguration der terminalen Axonendigungen änderte (synaptic remodeling), und 4. daß an den
beobachteten synaptischen Verzeigungen über den Beobachtungszeitraum hinweg neue
Gliazellkerne nachweisbar waren, und sich andere, ursprünglich beobachtete, zurückbildeten oder
ihre Position änderten. Die Autoren dieser Studien kommen zu dem Schluß: "Observations of
identified nerve cells in situ have shown that neuronal processes im mammalian autonomic
ganglia normally undergo continual remodeling in adult animals. [...] Glial cells, or least the
portions of glial cells that can be readily seen in the living animal, also change their relationship
to neurons over time. Because preganglionic terminals usually occur on neuronal fingers that are
intertwined with glial cell processes in the vicinity of the glial nucleus, some coordination of
synaptic and glial change is implied. Accordingly, it seems likely that glial cells participate,
2
perhaps actively, in synaptic remodeling."
[Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, mit Blick auf Flecks Kriterien zur
"Beharrungstendenz eines Meinungssystems", daß im Kapitel »Peripheral Ganglia« in G. M.
3
Shepherds Buch »The Synaptic Organization of the Brain« , zwar die Untersuchungen zur
4
morphologischen Instabilität der Neuronenfortsätze erwähnt werden , nicht jedoch die Befunde
5
zur variierenden Gliaverteilung. Es gilt also auch hier: "Was in das [Meinungs]system nicht
6
hineinpaßt, bleibt ungesehen, oder, es wird verschwiegen, auch wenn es bekannt ist." ]
(2) Das Glianetzwerk als dynamisches Zellsyncytium: Wie die konventionelle Synapse keinen
starren Knotenpunkt im Neuronen-Netzwerk darstellt, so ist auch für das gap junction System des
Gliasyncytiums morphologische Dynamik anzunehmen. Der experimentelle Nachweis allerdings
ist hierfür noch nicht direkt an Gliazellen erbracht. Bereits erfolgreich untersucht wurde das
7
syncytiale gap junction System der Muskulatur des Säugetierherzens. Da das
1
Pionierarbeiten zur "neuronal-glial plasticity" finden sich bei Lichtmann et al. 1987, Magrassi et
al. 1987, Pomerat 1952, Pomeroy & Purves 1988, Purves 1989, Purves & Hadley 1985, Purves &
Voyvodic 1987, Purves & Lichtman 1987, Purves et al. 1986, 1987.
2
Pomeroy & Purves 1988, S. 1172
3
Shepherd 1990
4
Purves et al. 1986
5
Pomeroy & Purves 1988
6
Fleck 1935a [1980], S. 40
7
Baldwin 1979, Dahl & Isenberg 1980, Page & Shibata 1981
41
1
Herzmuskelzellen-spezifische Connexin (Connexin 43) in jüngster Zeit ebenfalls als Bestandteil
2
der gap junctions in Astrozyten nachgewiesen wurde , kann für das gliöse gap junction System
3
vergleichbares Verhalten postuliert werden. Die folgenden Grundmechanismen morphologischer
4
Plastizität von gap junctions werden derzeit vorgeschlagen: 1. Ein Öffnen und Schließen der
Connexone (switching) durch Änderung der Connexin-Konformation im Connexon, 2.
Variabilität des Connexon Abstandes (center to center spacing), 3. Variablitität der
Packungsdichte und Regelmäßigkeit (Ordnungsgrad) der Connexon-Anordnung, 4. Variabilität
der Anzahl Connexone pro gap junction. 5. Nicht allein Variabilität in Konfiguration und Größe
der gap junctions bestimmt die Eigendynamik des gap junction-Systems, sondern darüber hinaus
die permanente Neubildung von Connexonen bei gleichzeitigem Abbau an anderer Stelle. Die
Halbwertszeit von gap junction Polypeptiden liegt im Bereich der Halbwertszeiten von Enzymen
5
und damit deutlich unter den Halbwertszeiten typischer Membranproteine.
Wäre Neuroglia, wie sie der Neurobiologe Jean Pierre Changeux in seinem Buch »L'homme
6
7
neuronal« auffasst , tatsächlich nur eine Art Nervenkitt, der die Neurone "stützt und ernährt" , die
Vernachlässigung von Gliazellen bei der Betrachtung des "informationsverarbeitenden Gehirns"
bliebe hier ohne Widerspruch. Die bislang einzig ins Feld geführte, bloße Existenz von Neuroglia,
rechtfertigt ja noch nicht die Forderung nach einer "Glia-Neuron Theorie der Hirnfunktion". Erst
die Kenntnis der tatsächlichen Funktion von Neuroglia vermag einer derartigen Forderung
ausreichend Nachdruck zu verleihen. Was also kann Neuroglia?
1
Jedes Connexon einer gap junction ist ein aus Untereinheiten (Connexine) bestehendes
Dodecamer. Connexine sind spezifisch für den jeweiligen Zelltyp. (Dazu Bennett et al. 1991a,
Schuster 1990).
2
Batter et al. 1992, Dermietzel et al. 1991, Giaume et al. 1991a, Nagy et al. 1992, Yamamoto et
al. 1990
3
Dermietzel et al. 1991
4
Dazu Baldwin 1979, Bennett & Goodenough 1978, Bennett et al. 1991a, Dahl & Isenberg 1980,
Goudenough 1980, Hertzberg & Johnson 1988, Page & Shibata 1981, Peracchia 1977, 1978,
1980, 1985; Peracchia & Dulhunty 1974, Spray 1985, Schuster 1990, Unwin & Zampighi 1980.
5
Fallon & Goodenough 1981
6
Changeux 1983
7
Zit. aus Changeux 1984, S. 368
42
3. Das Gehirn als chemische Maschine und die Glia als Funktionsträger
Gehirne sind, wie sich im letzten Drittel dieses Jahrhunderts offenbarte, biochemische Apparate,
deren Arbeitsweise sich in neuronalen Potentialänderungen nur ungenügend widerspiegelt. Der
elektrische Nervenimpuls, einschließlich die sich um die elektrische Erregung rankende
Begriffswelt, genügt heute längst nicht mehr, die Vorgänge im Gehirn zu beschreiben. Aussagen
1
wie: "Hirnaktivität ist elektrische Aktivität" oder: "die Sinnesorgane der Peripherie geben ihre
Reize als elektrische Impulse an das Gehirn, und dort werden sie elektrisch zu einer
2
Wahrnehmung verarbeitet" sind heute - obwohl sie nach wie vor zu lesen sind - nicht mehr
adäquat. Die tatsächlichen Verhältnisse zeichnen ein weitaus komplexeres Bild und mahnen zum
vorsichtigen Umgang mit der Vorstellung, Neurone seien in erster Linie Impuls-Generatoren und
Aktionspotentiale die einzig relevante "Signalsprache" des "informationsverarbeitenden Gehirns".
Die Phänomenologie des "Alles-oder-Nichts" Potentials und das Konzept der Transmittervermittelten, synaptischen Impuls-Übertragung im Neuronen-Netzwerk (bzw. deren Hemmung)
muß heute vielmehr um eine Vielzahl von biochemischen Befunden ergänzt werden, insbesondere
3
um jene, die sich unter dem Begriff der Neuromodulation subsumieren lassen ; wobei unter
Neuromodulation hier verstanden wird: Die chemische Beinflussung neuronaler Prozesse durch
4
Modulatorsubstanzen, die nahe oder auch weitab vom Freisetzungsort wirksam werden. Der
Begriff "Modulatorsubstanz", bereits Ende der 60er Jahre dieses Jahrhunderts in die Literatur
5
eingeführt , läßt sich definieren: als eine Substanz "that affects the excitability of nerve cells and
represents a normal link in the regulatory mechanisms that govern the performance of the nervous
system. Such modulator substances can affect the responsiveness of nerve cells to transsynaptic
6
actions of presynaptic neurons and they can alter the tendency to spontaneous activity." In einem
Satz: "Neuromodulators can alter the intrinsic membrane properties of the neurons and change
7
synaptic strenghts." Neuromodulation betrifft also konkret: die chemische Beeinflussung
synaptischer Wechselwirkung und die chemische Beeinflussung neuronaler Grundaktivität, d.h.
die
1
F. Hucho in Maelicke 1990, S. 16
Ibid.
3
Zum Konzept der Neuromodulation siehe Florey 1967, Harris-Warrick & Marder 1991,
Hertting & Spatz 1988, Kczmarek & Levitan 1987, Kupfermann 1979.
4
Bekanntestes Beispiel für Modulatorsubstanzen sind die Neuropeptide. Dazu Hertting & Spatz
1988, Koob et al. 1990, Krieger et al. 1983, Martin et al. 1987, McKelvy & Blumberg 1986,
Kandel et al. 1991, S. 213-224; Shepherd 1993, S. 116ff.
5
Florey 1967
6
Ibid., S. 1171
7
Dowling 1992, S. 237
2
43
Erregbarkeit des Neurons und damit die Bereitschaft des Neurons zur Impulserzeugung.
Neuromodulation betrifft die chemische Beeinflussung der elektrischen Eigenschaften des
Neurons und seines elektrischen Verhaltens. Damit ist Neuromodulation die unabdingbare
1
Voraussetzung einer variablen Ausgestaltung neuronaler Aktivitäts- bzw. Erregungsmuster.
Die Modellvorstellung einer allein auf feuernden Neuronen basierenden Hirnfunktion läßt
sich vor dem Hintergrund der Neuromodulation um das Modell einer chemischen Fabrik
erweitern, deren molekulare Produkte in vielfältigen zellulären Interaktionen Hirnfunktion
bestimmen. Hirnfunktion ist nicht allein das Ergebnis impulsgenerierender Neurone, sondern
ebenso das Ergebnis einer durch Rezeptoren, Transmitter- und Modulatorsubstanzen gesteuerten
Wechselwirkung der Neurone mit ihrer unmittelbaren Umgebung. Diese unmittelbare Umgebung
ist nicht leerer Raum, sondern wird, neben Blutgefäßen und "echtem" Bindegewebe, von den
Elementen der Neuroglia ausgefüllt - und diese sind - wie die heute vorliegenden Erkenntnisse
über Gliazellen zeigen - entschieden mehr als nur "Nervenkitt" oder "Stützsubstanz". Mit
Bestimmtheit läßt sich heute sagen: Gliazellen und Neurone bilden nicht nur in architektonischer
Hinsicht ein Glia-Neuronen-System, sondern darüber hinaus: Gliazellen und Neurone sind zu
einem chemischen Funktionsverband vernetzt. Wie die Neurone, so "empfangen" auch Gliazellen
aus ihrer Umgebung chemische Signale, die sie in spezifischer Weise "verarbeiten" und
"beantworten", und sie sind selbst "Sender" von chemischen Signalen an ihre Umgebung. Das den
Gliazellen für einen Glia-Neuronalen Signaltransfer zur Verfügung stehende molekulare Repertoir
2
ist mit dem des Neuronen-Netzwerks vergleichbar. Dies betrifft:
1
Unter Variabiltät neuronaler Aktivitätsmuster wird hier verstanden (nach Kaczmarek & Levitan
1987, S. 3): "An electrode advancing through a nervous system, be it a cerebral cortex of a
human or a abdominal ganglion of an invertebrate, encounters neurons that display a variety of
different types of electrical activity. Some neurons show no spontaneous activity, whereas others
fire action potentials at fixed, regular intervals. Still others produce very irregular patterns of
discharge. Some cells generate repetitive bursts of action potentials separated by profound
hyperpolarizations of the membrane. The action potentials of different neurons in the same
organism also display much heterogeneity in height, duration, and shape. Some neurons fail to
produce regenerative action potentials; transmission of information through such neurons is
achieved by graded polarizations of the cell membrane. [...] The characteristics of a neuron do
not [...] remain fixed for all time."
2
Angesichts der Vielzahl erwähnenswerter Untersuchungen wird im vorliegenden Text lediglich
eine Auswahl von Publikationen zumeist neueren Datums zitiert. Übersichtliteratur zum Stand der
Gliaforschung nach 1980 findet sich bei Abbott 1991, Barres 1991a, Bevan 1990, Fedoroff &
Vernadakis 1986, Gisar 1986, Grisar et al. 1987, Hansson & Rönnbäck 1990, Kimelberg 1988,
Laming 1989, Levi 1990, Martin 1992, Müller 1992, Murphy 1993, Sears 1982, Vernadakis
1988, Walz 1989, Yu et al. 1992a.
44
1
(1) Ionentransport : Eine Vielzahl der an Neuronen beschriebenen spannungs- und ligandenabhängigen Ionenkanalklassen zur Katalyse von Ionenaustauschprozessen zwischen Zytoplasma
und Interstitium ist in Zellmembranen von Gliazellen nachgewiesen und hinsichtlich IonenSelektivität, Spannungs-Sensitivität, kinetischen Eigenschaften und pharmakologischer
Beeinflussung mit ihren neuronalen Gegenstücken vergleichbar.
2
(2) Akkumulation, Synthese und Freisetzung "neuroaktiver Substanzen" : Wie die Neurone, so
sind auch die Gliazellen in der Lage, eine Vielzahl von Signalsubstanzen zu akkumulieren oder
selbst zu synthetisieren und sie nach Stimulation in die interzellulären Spalträume freizusetzen. In
der Mehrzahl handelt es sich bei diesen Substanzen um solche, die in der neurobiologischen
Lehrbuchliteratur als allein neuronalen Ursprungs verstanden werden, d.h. als allein für die
interzelluläre Kommunikationen im Neuronen-Netzwerk verantwortlich. Dazu gehören die am
häufigsten im Gehirn vertretenen hemmenden bzw. erregenden Transmittersubstanzen GABA
und Glutamat.
(3) Glia-Rezeptoren: Wie die Neurone so reagieren Gliazellen auf die in den extrazellulären
3
Spalträumen diffundierenden Transmittersubstanzen durch Änderung ihrer Membranleitfähigkeit
bzw. durch die Initiierung intrazellulärer Signalkaskaden. Die für eine gerichtete Übertragung
extrazellulärer Signale in den zytoplasmatischen Reaktionsraum notwendige Funktion
signalvermittelnder Rezeptoren ist für eine Vielzahl von
1
Dazu Barres et al. 1988a,b, 1989a, 1990; Berwald-Netter et al. 1986, Bevan 1990, Bevan &
Raff 1985, Bevan et al. 1985, Bowman & Kimelberg 1984b, Chiu 1991, Cornell-Bell &
Finkbeiner 1991, Duffy & McVicar 1993, McLarnon & Kim 1991, McVicar 1984, McVicar &
Tse 1990, Sontheimer 1992, Waxman et al. 1993.
2
Dazu Bowery et al. 1976, 1979, Bowery & Hill 1986, Bruner et al. 1993, Curry & Kelly 1981,
Desarmenien et al. 1980, Dutton 1993, Dutton & Philibert 1990, Flott & Seifert 1991, Fonnum
1984, Furukawa et al. 1986, Gallo et al. 1986, Hansson 1983, Hansson et al. 1984, Hansson &
Rönnback 1989, Henn & Hamberger 1971, Henn et al. 1974, Hertz et al. 1983, Hösli et al. 1986,
Huxtable 1989, 1992; Katz & Kimelberg 1985, Keller et al. 1985, Kimelberg 1991, Kimelberg &
Pelton 1983, Kimelberg & Katz 1985, 1986, Kimelberg et al. 1990, 1992, 1993; Krnjevic 1984,
Lehmann & Hansson 1988, Levi et al. 1992, Martin 1992, Martin et al. 1985, 1986, 1988, 1989,
1990; Moore et al. 1991, Murphy & Pearce 1988, Murphy et al. 1992, O'Connor & Kimelberg
1991, Pelton et al. 1981, Reynolds & Herschkowitz 1986, Schon & Kelly 1975, Schousboe 1981,
Schousboe & Divac 1979, Schwartz 1993, Shain et al. 1990a,b; Shinoda et al. 1989, Szatkowski
et al. 1990, Wolff et al. 1979.
3
Die Ergebnisse einer Vielzahl von Untersuchungen des elektrischen Verhaltens von Gliazellen
in Gegenwart von klassischen Transmittersubstanzen wie GABA, Glutamat, Aspartat,
Acetylcholin, Noradrenalin, Serotonin u.s.w. findet sich zusammengefaßt bei Bevan 1990 sowie
bei Walz 1989.
45
Signalsubstanzen, darunter auch hier wieder die "klassischen" Neurotransmitter, als integraler
1
Bestandteil der Zellmembran von Gliazellen nachgewiesen und hinreichend charakterisiert.
Gliazellen und Neurone partizipieren gleichermaßen am biochemisch-biophysikalischen
Kommunikationsgeschehen im Gehirn. Dementsprechend läßt sich die Vorstellung eines von
seiner Umgebung gleichsam isoliert und in sich geschlossen agierenden Neuronen-Netzwerks
nicht mehr aufrechterhalten. Dennoch kommt Neuroglia in den Konzepten der Neurochemie
praktisch nicht vor. Der Blick in die Lehrbuchliteratur der Neurochemie zeigt, daß Gliazellen,
ungeachtet ihrer ja offenbar bekannten molekularen Ausstattung, in der Darstellung der
2
chemischen Gehirnmaschine keine Rolle spielen. Die am elektrischen Nervenimpuls
ausgerichteten Konzepte des "informationsverabeitenden Nervensystems" orientieren sich, selbst
3
unter Einbeziehung der Neurochemie, einzig und allein an der Neuronen-Doktrin.
Dementsprechend meint auch das erwähnte Konzept der Neuromodulation allein die Modulation
von neuronalen Prozessen durch neuronal freigesetzte Substanzen. Der Begriff Neuromodulation
bezieht sich allein auf Neurone. Im Vordergrund steht allein die Frage, wie Neurone Neurone
4
beeinflussen. So nennt J. E. Dowling in seinem Lehrbuch »Neurons and Networks« als zwei der
wichtigsten pharmakologischen Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Substanz
Transmitter oder Modulator zu nennen erlaubt ist: "1. The substance must be present in a nerve
terminal and be synthesized by the neuron. 2. The substance must be released from the neuron
5
upon depolarization or other appropriate stimulation of the cell." An eine Synthese und
Freisetzung von neuroaktiven Substanzen aus Gliazellen denkt Dowling nicht. "Was in das
Meinungssystem nicht hineinpaßt, bleibt ungesehen, oder es wird
1
Dazu Backus et al. 1989, Bevan 1990, Bormann & Kettenmann 1988, Bowman & Kimelberg
1984b, Cambray-Deakin 1985, Cambray-Deakin et al. 1985, Cull-Candy et al. 1989, Cull-Candy
& Wyllie 1991, Cornell-Bell & Finkbeiner 1991, Gallo et al. 1989, Hamprecht 1986, Hansson &
Rönnbäck 1989, 1992; Hösli & Hösli 1993; Hösli et al. 1992, Kettenmann & Schachner 1987,
Kettenmann et al. 1988, Kimelberg 1988, Murphy & Pearce 1987, Pearce 1993, Pearce et al.
1986, 1988, Salm & McCarthy 1992, Shao et al. 1993, Teichberg 1991, Wilkin & Marriott 1993,
Wilkin et al. 1991.
2
Vgl. z.B. die Lehrbücher von Bradford 1986, Cooper et al. 1991, Hucho 1986, Jatzkewitz 1987,
Kczmarek & Levitan 1987, McGeer et al. 1987, Siegel et al. 1989.
3
G. M. Shepherd erwähnt in seinem derzeit maßgeblichen Lehrbuch (bezeichnender Weise dem
Kapitel »Das Neuron« beigeordnet) zwar beiläufig die Mitwirkung von Neuroglia an
"Stoffwechsel- und Transportprozessen für die an neuronalen und synaptischen Funktionen
beteiligten Transmitter, Ionen und Metaboliten" (Shepherd 1993, S. 37), ignoriert jedoch die
entsprechenden Befunde in den Kapiteln zur Darstellung der Bau- und Funktionsprinzipien des
Neuronen-Netzwerks.
4
Dowling 1992
5
Ibid., S. 139
46
1
verschwiegen, auch wenn es bekannt ist."
Nimmt man hingegen Neuroglia, neben den Neuronen, als die Funktionsträger eines
biochemischen Glia-Neuronen Kommunikationssystems zur Kenntnis, dann eröffnet sich dem
Konzept der Neuromodulation eine gänzlich neue Perspektive. Nicht allein Neurone beinflussen
Neurone, sondern in jedem Lebensaugenblick eines mit einem Gehirn ausgestatteten Organismus,
ist eine physiologische Begleitung neuronaler Aktivität durch modulatorische "Gliaaktivität" zu
postulieren - und umgekehrt. Vor diesem Hintergrund erscheint das Konzept des
"informationsverarbeitenden Gehirns" in einem neuen Licht. Der an den Sinnesorganen
impulscodierte "Informationsinput" trifft in den zentralen Verarbeitungsinstanzen nicht nur auf ein
Neuronen-Netzwerk, sondern auf ein vielfältig in sich chemisch wechselwirkendes GliaNeuronen-System. "Informationsverarbeitung" im Gehirn und die Initiierung des "VerhaltensOutput" ist nicht allein das Ergebnis feuernder Nervenzelleinheiten in neuralen Schaltkreisen,
sondern das "Verrechungsergebnis" des Glia-Neuronen-Systems ist es, das Instruktionen an
diejenigen Teile des Körpers vermittelt, die "Verhalten erzeugen." Einige Anhaltspunkte zur
chemischen Grundlegung "glia-neuronaler Informationsverarbeitung" und zur Neuromodulation
durch Neuroglia werden in den nachfolgenden Abschnitten umrissen.
1
Fleck 1935a [1980], S. 40
47
4. "Informationsverarbeitung" und Neuroglia
(1) Erregbarkeit von Gliazellen und "gliöse Signalsprache": Mit Hilfe jener für das Studium der
feuernden Neurone so erfolgreichen Techniken zur Registrierung elektrischer Ströme an
Zellmembranen, konnte in den letzten Jahren auch die elektrische Reizbeantwortung von
Gliazellen nachgewiesen werden. Eine Vielzahl von Untersuchungen an kultivierten Gliazellen
+
und Hirnschnittpräparaten belegen, daß insbesondere K -Ionen, aber auch die "klassischen"
Neurotransmitter wie GABA, Glutamat, Aspartat, Acetylcholin, oder Noradrenalin, an Gliazellen
1
eine Depolarisation des über der Zellmembran anliegenden Ruhepotentials bewirken. Aufgrund
+
2+
der im Vergleich zu neuronalen Zellmembranen wesentlich geringeren Dichte an Na - und Ca Kanälen jedoch, generieren an Gliazellmembranen ausgelöste depolarisierende Ströme keine zur
2
Fortleitung distinkter Signale geeigneten Aktionspotentiale. Unter physiologischen Bedingungen
"feuern" Gliazellen nicht. Die in der Neurophysiologie übliche, eng gefaßte Auslegung des
Begriffes Erregbarkeit, verstanden als die Fähigkeit von Zellen, bzw. von Zellmembranen, auf
3
einen Reiz mit einem elektrischen Impuls zu antworten , impliziert denn auch die Vorstellung von
elektrisch stummen, nicht-erregbaren Gliazellen. In dem wohl derzeit meist genutzten Lehrbuch
der Physiologie heißt es: "Zellen, an denen Aktionspotentiale ausgelöst werden können, nennt
4
man erregbar. Erregbarkeit ist eine typische Eigenschaft von Nerven- und Muskelzellen." Und an
5
anderer Stelle: "Im Unterschied zu Nervenzellen sind Gliazellen nicht erregbar." (An dieser
Stelle sei darauf hingewiesen, daß keineswegs alle Neurone dem typischen Bild des feuernden
Neurons entsprechen. Angenommen wird die Existenz eines nicht unerheblichen Anteils von
"stillen Neuronen" (Non-Spiking Neurones) in Nervensystemen, Neuronen, die ebensowenig
6
feuern wie die Gliazellen ). Die am elektrischen Nervenimpuls und den Methoden der
Elektrophysiologie ausgerichteten Konzepte der "Informationsvermittlung durch elektrische
7
Erregung" lassen für eine "nicht-erregbare" Neuroglia keinen Raum. "Einen Apparat zu
verwenden", hieß es ja bei Fleck, "ist immer Ausdruck eines gewissen, bereits entwickelten
Denkstils. [...]. Der wissenschaftliche Apparat
1
Die Ergebnisse einer Vielzahl von Untersuchungen des elektrischen Verhaltens von Gliazellen
in Gegenwart von klassischen Transmittersubstanzen finden sich zusammengefaßt bei Bevan
1990 sowie bei Walz 1989.
2
Zur "Elektrophysiologie der Neuroglia" siehe Abbott 1985, Barres 1991b, Kettenmann et al.
1993, Ransom & Garlini 1986, Ritchie 1991.
3
Vgl. z.B. die Definitionen bei Kandel et al. 1991, S. 110f; oder bei Shepherd 1993, S. 74.
4
Schmidt & Thews 1990, S. 23
5
Ibid., S. 24
6
Näheres zu Non-Spiking-Neurones bei Robertis 1981.
7
Schmidt & Thews 1990, S. 20
48
lenkt das Denken auf die Gleise des Denkstils der Wissenschaft: Er erzeugt die Bereitschaft,
1
bestimmte Gestalten zu sehen, wobei er gleichzeitig die Möglichkeit, andere zu sehen, beseitigt."
Seit wenigen Jahren stehen fluorometrische Methoden und neue video-mikroskopische Meß- und
2
Aufzeichnungstechniken zur Verfügung, die ein gänzliches anderes Bild als das einer passiven
Glia zeichnen. Vielmehr wird heute zunehmend offenbar, daß auch der gliöse Part des GliaNeuronen-Systems über eine ihm eigene "Signalsprache" verfügt, die sich, da chemischer und
nicht elektrischer Natur, dem Nachweis durch die Methoden der Elektrophysiologie bislang
entzog. Die insbesondere an Hippocampus-Astrozyten beobachtete "Glia-Signalsprache" beruht
nicht nur auf Ionenströmen an Zellmembranen, sondern ebenso auf Konzentrationsschwankungen
2+
2+
3
2+
der zytoplasmatischen Ca -Ionenkonzentration ([Ca ]i). Diese [Ca ]i-Schwankungen sind sowohl
2+
2+
in Gestalt diskreter Einzelsignale (Ca -Spikes) zu beobachten, als auch in Gestalt von Ca 2+
Oszillationen oder Ca -Wellen, die sich in variablen Mustern durch das gap junction System des
Astrozyten-Syncytiums fortbewegen. Da sich, wie die neuronalen Aktionspotentiale, auch die
2+
Ca -Antworten der Glia durch mechanische, elektrische oder chemische Reize auslösen lassen, ist
2+
es angemessen, die Auslösung von Ca -Signalen im Gliasyncytium, analog der Auslösung von
Aktionspotentialen an Neuronen, als Erregung zu bezeichnen. Der elektrischen Erregbarkeit der
4
Neurone steht die chemische Erregbarkeit der Gliazellen gegenüber. Der Neurobiologe S. J.
2+
Smith schreibt zum Vergleich gliöser Ca -Signale mit neuronalen Aktionspotentialen in seinem
5
jüngst veröffentlichten Artikel »Do Astrocytes Process Neural Information?« folgendes:
"Astrocytic Ca waves can be considered to be a form of cellular excitability, formally and perhaps
functionally analogous to the electrical excitability of neurons. Like neuronal action potentials,
astrocytic Ca waves can propogate over substantial distances without changes in velocity or
amplitude. This implies that the wave is actively regenerated as it travels (as are neuronal action
potentials) by an excitation process that must represent the release of stored cellular energy. In
contrast, most other chemical cell signals (including many other Ca signals) grow smaller and
slower with increasing distance from the site of origin, reflecting
1
Fleck 1947 [1983a], S. 164
Dazu Minta et al. 1989, Tsien 1988.
3
Dazu Ahmed et al. 1990, Berridge 1990, Bezprozvanny et al. 1991, Charles et al. 1991, 1993;
Cornell-Bell et al. 1990a, Cornell-Bell & Finkbeiner 1991, Dani et al. 1990, 1991; Fatatis &
Russell 1992, Finch et al. 1991, Finkbeiner 1993, Finkbeiner et al. 1989, Jacob 1990, Jaffe 1991,
Jensen & Chiu 1990, 1991, 1993; Meyer 1991, Meyer & Streyer 1991.
4
In der englischsprachigen Literatur ist im Zusammenhang mit der Auslösung von "chemical
waves" die Rede von "chemical excitability." (Siehe z.B. Meyer 1991, S. 678)
5
Smith 1992
2
49
Fig. 5 Erregbarkeit und Signalerzeugung von Neuronen und Gliazellen: (Oben) Typische Impulsmuster feuernder
Neurone aus verschiedenen Regionen des Gehirns, ausgelöst durch intrazelluläre Stromapplikation [aus Kandel et al.
1991]. (Unten) Einzel-Zell Kalzium-Signale an kultivierten Astrozyten der Hirnrinde, ausgelöst durch
Badapplikation von Glutamat [aus Jensen & Chiu 1991]. Zu beachten sind die erheblichen Unterschiede in den
Geschwindigkeiten der Signalfortleitung. Während an Neuronen eine Impulsfortleitung von bis zu 100m/sec
(Riesenaxone von Tintenfischen) nachweisbar sind, beträgt die Geschwindigkeit der Fortleitung von Kalzium-Spikes
an Gliazellen maximal 100um/sec.
50
the physics of a passive diffusion process. The active astrocytic Ca wave can even cross via gap
junctions from one astrocyte to another - again without decrement in amplitude or velocity. Like
neuronal action potential firing, astrocytic Ca wave responses to steady stimuli are often
oscillatory [...]. Finally a treshold level of stimulation appears to be necessary to trigger active
astrocytic Ca waves, again in analogy to the treshold electrical stimulation required to the firing
of neuronal action potentials. When astrocytic Ca waves are visualized by video playback of timelapse recordings, the patterns of Ca wave propagation are beautifully intricate and varied. These
beautiful wave patterns are compelling if not rigorous indications that these patterns could serve
1
some computational function."
(2) Signalverarbeitung im Gliasyncytium: Wie erwähnt, verfügen Gliazellen über ein
umfangreiches Repertoir an Ionenkanälen und Membranrezeptoren. Gliazellen sind somit in der
Lage, Änderungen der chemischen Zusammensetzung des sie umgebenden Extrazellularraumes
zu registrieren. Typische Änderungen der chemischen Zusammensetzung des Extrazellularraumes
+
in Folge von Neuronenaktivität betreffen z.B. einen Konzentrationsanstieg an K -Ionen (dazu
Abschnitt 5.) oder eine vermehrte Verfügbarkeit neuronal freigesetzter Transmittersubstanzen.
Reaktionen des Gliasyncytiums auf neuronal freigesetzte Substanzen ist gleichbedeutend mit der
funktionellen Koppelung von neuronaler Impulsaktivität und Gliaaktivität.
2+
In der Tat ist eine der hervorragenden Eigenschaften jener Ca -Signale im AstrozytenSyncytium ihre Auslösbarkeit durch Neuronenaktivität, genauer durch neuronal, in Folge von
Impulsaktivität freigesetzte Transmittersubstanzen. An Hippocampus-Präparaten wurde gezeigt,
2+
daß die tetanische Stimulation bestimmter Neurone unmittelbar von einer Auslösung gliöser Ca 2
2+
Wellen begleitet wird. (Bei Vergiftung der Neurone mit Tetrodotoxin ist die Auslösung von Ca 3
Wellen im Astrozytensyncytium nicht zu beobachten ). Substanzen wie ATP, Histamin,
2+
Noradrenalin und insbesondere synaptisch freigesetztes Glutamat sind bislang als Ca -Wellen
4
initiierende Signalmoleküle identifiziert . Der Gedanke an eine "gliöse Informationsverarbeitung",
an eine "Weiterverarbeitung" neuronaler Impulsprogramme im Gliasyncytium, liegt somit
durchaus nahe.
Über jenen gliöse Erregung auslösenden Reizvorgang existieren bereits erste konkrete
2+
Vorstellungen. So wird im Falle von neuronal freigesetztem Glutamat als Ca -Signal initiierender
Transmitter, die Stimulation metabotroper Glutamat-Rezeptoren in der
1
Ibid., S. 123
Dani et al. 1991, 1992
3
Gezeigt an kultivierten Cortex-Neuronen/Astrozyten (Murphy et al. 1993).
4
Charles et al. 1991, Cornell-Bell et al. 1990a,b; Cornell-Bell & Finkbeiner 1991, Dani et al.
1990, 1991, 1992; Dave et al. 1991, Glaum et al. 1990, McCarthy & Salm 1991, Neary &
Norenberg 1992, Salm & McCarthy 1990.
2
51
Astrozyten-Zellmembran angenommen, bzw. eine G-Protein/Phospholipase C vermittelte
1
Mobilisierung von Inositol-l,4,5-Triphosphat (IP3) im Astrozyten-Zytoplasma. (Agonisten
2+
2
ionotroper Glutamat-Rezeptoren lösen an Astrozyten keine "Ca -Wellen" aus ). In einem zweiten
2+
Schritt stimuliert IP3, als sogenannter "second messenger", die Öffnung von IP3-modulierten Ca 2+
Kanälen an zytoplasmatischen Ca -Speichern (insbesondere an den Membranen des
3
2+
endoplasmatischen Retikulums ) und damit die impulsartike Freisetzung von Ca -Ionen. (Die
2+
4
Funktion von IP3 als Ca -mobilisierender "second messenger" ist an Astrozyten nachgewiesen ).
Doch so faszinierend sich die Hypothese einer "Weiterverarbeitung" neuronaler
Impulsprogramme im Gliasyncytium ausnimmt, Befunde, welche "Verrechnungsvorgänge" im
gap junction Kommunikationssystem auf molekularer Ebene präzisieren - etwa vergleichbar den
Hemmungs- und Bahnungsvorgängen an den Synapsen im Neuronen-Netzwerk - stehen noch aus.
2+
So bleiben zunächst die folgenden Fragen zu klären: Wie wird die Rückkehr des Ca -Spikes auf
2+
seinen Basalwert ermöglicht? Wie kommt es zu einer regenerativen Wellenbewegung des Ca
2+
Signals und zu dessen Fortleitung durch das Gliazellzytoplasma? Wird Ca ausschließlich in das
2+
endoplasmatische Retikulum rückgeführt, oder werden Teile des Ca über die Zellmembran aus
2+
der Gliazelle freigesetzt? Kommt letzeres vor, wie kann die Ca Konzentration in der Zelle
2+
konstant gehalten werden? Welche Rolle spielt extrazelluläres Ca , und welche Rolle spielen
2+
weitere zytoplasmatische Ca -Speicher, neben dem endoplasmatischen Retikulum
(Mitochondrien, Nukleus, Kalziumvesikel), und wie wechselwirken diese? Welche Rolle spielen
2+
5
Wechselwirkungen zwischen Ca und dem IP3-Metabolismus bei der Signalentstehung? Was
geschieht an den gap junctions während der Signalfortleitung im Gliasyncytium, bzw. während
2+
der Übertragung des Ca -Signals von Zelle zu Zelle? (Bei künstlicher Blockade der gap junctions
2+
6
2+
findet keine Ca -Signalfortleitung im Gliasyncytium statt ). Ist es IP3, das Ca , sind es beide
Substanzen,
1
Zur Klassifizierung und Funktion von Glutamat-Rezeptoren siehe Monaghan et al. 1989,
Zorumski & Thio 1992. Zu iono- und metabotropen Glutamat-Rezeptoren an Astrozyten siehe
Pearce 1993.
2
Jensen & Chiu 1993
3
Zur "second messenger" Funktion von IP3 siehe Berridge & Irvine 1984, 1989; Finch et al.
1991.
4
Pearce et al. 1986, Pearce & Murphy 1988
5
2+
Bei Meyer und Stryer (1991) findet sich dazu ein plausibles Modell. Das IP3-Ca
2+
Crosscoupling-Modell postuliert als Ursache für den vergleichsweise raschen Anstieg von [Ca ]i
auf ein Mehrfaches seines Basalwertes eine positive "Feedback-Schleife", derart, daß das durch
2+
IP3 aus dem endoplasmatischen Retikulum freigesetzte Ca Phospholipase C aktiviert und damit
2+
einen vermehrten Umsatz von PIP2 zu IP3, welches dann seinerseits neues Ca aus dem
endoplasmatischen Retikulum freisetzt u.s.w.
6
Dermietzel et al. 1991, Finkbeiner 1992
52
oder gar weitere, heute noch unbekannte, die durch die gap junctions des Gliasyncytiums
2+
diffundieren, um das Ca -Signal fortzuleiten. Spielen Öffnungs- und Schließvorgänge der
1
Connexine (Gating) eine Rolle bei der Signalübertragung? Wenn ja, wie werden diese moduliert?
2
(Daß Substanzaustausch zwischen Astrozyten stattfindet ist mittels Farbstoffinjektionen an
3
2+
verschiedenen Astrozyten-Systemen nachgewiesen / Daß IP3 und Ca binnen Sekunden durch
4
ein Connexon diffundieren ist an Hepatozyten nachgewiesen ). Es würde hier zu weit führen, die
5
laufende Diskussion einer jeden dieser Fragen zu referieren. Beschränken wir uns somit auf die
Betrachtung des möglichen Ergebnisses einer Signalverarbeitung im Gliasyncytium.
(3) Neuromodulation und Neuroglia: Vergleicht man die Geschwindigkeiten der neuronalen
2+
Impulsleitung (maximal 100m/sec) mit jenen ungleich langsamer fortgeleiteten Ca -Wellen
6
(maximal 100 um/sec ) im Gliasyncytium, dann stellt sich zunächst die Frage: Macht es Sinn über
einen derart "langsamen" Part im "Glia-Neuronen-Informationsverarbeitungssystem"
nachzudenken? Ein derartige Frage muß bejaht werden, spielt sich doch, wie bereits mit dem
Begriff der Neuromodulation angedeutet, in der chemischen Hirnmaschinerie entschieden mehr
ab als nur die schnelle synaptische Impulsübertragung von Neuron zu Neuron. Bei S. J. Smith
heißt es dazu, mit Blick auf eine neuromodulatorische Funktion der Gliazellen:
1
Verschiedene Hypothesen zur chemischen Modulation von gap junctions (pH-gating, cAMPgating, kovalente Modifikationen der Connexine) bei Bennett et al. 1991a, Connors et al. 1984,
Dermietzel & Spray 1993, Giaume et al. 1980, 1991a,b; Iwatsuki & Peterson 1979, Piccolino et
al. 1984, Schuster 1990, Spray 1985, Spray et al. 1981.
2
Für die Passage von Molekülen durch gap junctions sind sowohl die Molekülgröße als auch
deren Gesamtladung limitierend. Kleinstmoleküle mit Molekulargewichten um 1000Da und
einem Durchmesser bis zu 1,2 nm, bei elektroneutraler oder elektronegativer Gesamtladung,
passieren das Kanälchensystem (Bennett et al. 1991a, Dermietzel & Spray 1993, Schuster 1990).
2+
Viele intrazelluläre Signalsubstanzen, die regulatorische Funktion ausüben (cAMP, cGMP, Ca ,
Diacylglycerol, Inositolphosphate etc.), ebenso wie extrazelluläre Transmitter-Substanzen, einige
Wachstumsfaktoren und kleinere Peptide gehören zu diesen Kleinstmolekülen. Makromoleküle
wie Proteine und Nucleinsäuren sind vom Transfer durch gap junctions ausgeschlossen.
3
Butt & Ransom 1989, Connors et al. 1984, Dermietzel et al. 1991, Gutnick et al. 1981,
Sontheimer et al. 1990.
4
Sáez et al. 1989
5
Näheres bei Berridge 1990, Bezprozvanny et al. 1991, Finch et al. 1991, Jacob 1990, Jaffe
1991, Meyer 1991, Meyer & Stryer 1991.
6
Meyer & Stryer 1991 / Für die Dauer der Spike-Entstehung wird in der Literatur (ibid.) etwa
eine Sekunde angegeben, für die Spike-Dauer wenige Sekunden, für die Dauer der SpikeIntervalle eine Zeitperiode von etwa einer Sekunde bis zu einer Minute, je nach Agonist und
Agonisten-Konzentration.
53
"For instance, astrocyte networks might mediate slow modulations of neuronal function, like those
underlying arousal, selective attention, mood change or learning. We probably would wish o think
of any such modulatory agent, however slow, as bona fide active components of the brain’s
information processing machinery. There is a precedent for this. Over the last decades, it has
become clear that many neuronal actions, including most of those mediated by neuropetides and
biogenic amines, like norepinephrine, dopamine and serotonin, are just as slow or even slower
1
than signaling in astrocyte networks. In spite of the slow time-courses of neuromodulatory
transmitter actions, there is probably no neuroscientist who would wish to exclude the
peptdidergic and aminergic neurons from consideration as active componentens of the brain’s
2
information processing machinery."
Welcher Art ist nun der "Output" des Glianetzwerks? Wie wirkt dieser auf das NeuronenNetzwerk zurück, um den hier postulierten signalverarbeitenden Funktionskreis Glia-NeuronenSystem zu schließen?
3
"Informationsvermittlung durch elektrische Erregung"
und
das
Neuron
als
4
"informationsverarbeitende Einheit" sind die zentralen Elemente des neurobiologischen
Denkstils. Es wurde oben festgestellt: Neuromodulation betrifft die Beeinflussung der elektrischen
Eigenschaften des Neurons und seiner elektrischen Erregbarkeit und schafft die Grundlage für
eine variable Ausgestaltung neuronaler Erregungsmuster. Betrachten wir somit, mit Blick auf die
hier behauptete "Informationsverarbeitung" im Glia-Neuronen-System, einige Befunde, welche
die Beteiligung von Glia 1. an der Kontrolle der neuronalen Erregbarkeit, sowie 2. an der
Regulation synaptischer Wechselwirkung nahelegen. Letzter Punkt ist für eine
Denkstilumwandlung in der Neurobiologie von hervorragender Bedeutung. Heißt es doch in den
5
Lehrbüchern: "Die Vorstellung von der Synapse ist das Herzstück der Neuronen-Doktrin."
1
Neuroaktive Substanzen können eine 1/1000 Sekunde bis zu mehreren Wochen wirksam sein.
Die klassischen Neurotransmitter wie GABA, Glutamat oder Acetylcholin weisen die kürzesten
Wirkzeiten auf. Langzeiteffekte gelten als eher typisch für Neuropeptide bzw. Neuromodulatoren
wie z.B. die Opiate Met- bzw. Leu-Enkephalin oder beta-Endorphin. Die variierende Zeitdauer
der Wirkung neuroaktiver Substanzen erschwert heute eine exakte Terminologie im Blick auf die
Klassifizierung neuroaktiver Substanzen. So wurde für Substanzen wie die Monamine (Dopamin,
Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin, Histamin), deren Wirkzeiten weder als die eines typischen
Neurotransmitters noch als die eines typischen Neuromodulators aufzufassen sind, die
Bezeichnung Neurotransmodulatoren vorgeschlagen (Shepherd 1993, S. 142).
2
Smith 1992 S. 128
3
Schmidt & Thews 1990, S. 20
4
Reichert 1990, S. 22
5
Shepherd 1993, S. 42
54
(3.1) Ionen-Homöostase: Die Bereitschaft der Neurone zur Impulserzeugung ist insbesondere
+
abhängig von der Aufrechterhaltung eines K -Ionen-Konzentrationsgradienten über der
neuronalen Zellmembran. Im ZNS von Amphibien und Wirbeltieren wurde gezeigt, daß sich
+
+
proportional zur neuronalen Impulsaktivität die extrazelluläre K -Konzentration ([K ]a) um ein
1
Mehrfaches gegenüber einem Ruhewert erhöht. (An Neokortex-Neuronen ist eine Erhöhungen
+
2
der [K ]a von einem Ausgangswert (3-4mM/l) auf bis zu 10mM/l beschrieben ). Laut Nernst+
Gleichung führen derartige [K ]a Erhöhungen zu einer beträchtlichen Depolarisation der
Neuronen- und jener das feuernde Neuron umgebenden Glia-Zellmembranen. Gliazellen sind
somit gewissermaßen zu jedem Zeitpunkt über den Erregungszustand "benachbarter" Neurone
"informiert".
Als Folge der eigenden Impulsaktivität besteht für das betreffende Neuron die Tendenz zu
+
unkontrollierten Entladungen. (Störungen der K -Regulation im Gehirn werden denn auch als eine
3
der möglichen Ursachen von Epilepsie diskutiert ). Die Annahme einer Glia-vermittelten
+
+
Stabilisierung der [K ]a in Form einer vorübergehenden Speicherung der K -Ionen im
+
+
Gliasyncytium (K -Akkumulation), oder eines syncytialen Transports der K -Ionen und deren
Freisetzung an anderer Stelle (Spatial buffering), ist eine der best begründeten Hypothesen zu
4
+
Funktion von Gliazellen. (Ein Anstieg der [K ] in Gliazellen während Neuronenaktivität ist an
5
verschiedenen Gliasystemen u.a. an kultivierten Großhirnrinden-Schnitten nachgewiesen ).
+
Vorausetzung für eine K -Akkumulation im Gliasyncytium sind die in den Zellembranen von
6
+
Gliazellen ausreichend vorhandenen , K -spezifischen Ionenkanäle. Mit Blick auf oben
2+
2+
angesprochene Ca -Wellen im Gliasyncytium wäre also denkbar: Ca -Wellen im Astrozyten2+
+
+
Syncytium modulieren über Ca -abhängige K -Kanäle in der Gliamembran die [K ]a und damit
die Bereitschaft des Neurons zur Impulserzeugung. (Eine Abhängigkeit der Permeabilität gliöser
+
2+
7
K -Kanäle von [Ca ]i ist an Cortex-Astrozyten gezeigt).
Besonderes Augenmerk im Zusammenhang mit einer gliösen Regulation der neuronalen
+
+
Erregbarkeit gebührt neben der Akkumulation von K -Ionen der K -induzierten Freisetzung
erregungshemmender Aminosäuren aus Gliazellen. (Die Freisetzung von Taurin,
1
Nicholson 1983, Orkand et al. 1966, Somjen 1979
Heinemann et al. 1981, Heinmann & Lux 1983
3
Dazu Delgado-Escueta 1986, Jasper & Van Gelder 1983.
4
Dazu Barres 1991a, Gisar 1986, Hertz 1965, Kimelberg et al. 1993, Lasansky 1971, Newman
1984, 1985a,c; 1986b, Orkand 1966, Reichenbach 1991, Sykova 1983, Sykova et al. 1992, Walz
1982, 1989.
5
Ballanyi et al. 1987, Coles & Orkand 1983
6
Referenzen bei Barres et al. 1990, sowie bei Kimelberg et al. 1993.
7
Nowak et al. 1987, Olson et al. 1990, Quandt & McVicar 1986
2
55
+
1
proportional zur Erhöhung von [K ]a ist an Astrozyten-Zellkulturen gezeigt ). Faßt man vor
+
diesem Hintergrund jene Neuronenaktivität begleitende Erhöhung der [K ]a und die damit
einhergehend Depolarisation der Gliamembran als lokales Signal feuernder Neurone an Gliazellen
auf, so kommt Gliazellen, in der Feedback-Kontrolle des Erregungszustandes der Neurone,
gewissermaßen die Bedeutung eines biologischen "Meßrelays" innerhalb eines glia-neuronalen
Regelkreises zu. Eine "Überregung" des Neurons wird durch die Freisetzung inhibitorischer
Transmitter aus Gliazellen rückgestellt.
(3.2) Energieversorgung: Der Erregungszustand des Neurons, ausgedrückt in einer dem
+
Erregungzustand proportionalen Erhöhung der [K ]a, signalisiert zugleich den neuronalen
Energiebedarf, d.h. den Bedarf an Sauerstoff und energiereichen Substraten. Umgekehrt: Die
Bereitschaft des Neurons zur Impulserzeugung ist abhängig von der Verfügbarkeit an Energie.
Dem neuronalen Energiebedarf kann 1. über eine erhöhte Durchblutung des betroffenen
Hirnareals, sowie 2. über eine verstärkte Mobilisierung gespeicherten Glykogens entsprochen
werden. Betrachten wir auch hier eine mögliche Beteiligung von Glia.
(3.2.1) Gefäßdilatation: Zerebrale Arterien und Arteriolen regieren empfindlich auf eine
+
+
Erhöhung der [K ]a. (Für die oben angegeben Erhöhung der [K ]a während Impulsaktivität von
3mM auf 10mM ist im Gehirn von Wirbeltieren eine bis zu 50%ge Erweiterung des
2
Durchmessers angrenzender Blutgefäße gezeigt ). Eine Erweiterung der Blutgefäße wiederum
bedeutet eine vermehrte Zufuhr energiereicher Verbindungen. Die Endothelien der Blutgefäße
sind vollständig von nebeneinandergelagerten, gap junction-gekoppelten Astrozyten-Endfüßchen
3
umkleidet. Folgende Hypothesen sind vorgeschlagen, daß Astrozyten im Falle einer lokalen
Erhöhung des oxidativen Bedarfs von Neuronen, die vermittelnden Instanzen zwischen Neuronen
und Blutgefäßen darstellen:
+
+
a.) Die K -Permeabilität der Astrozyten-Endfüßchen: Die Dichte an K -Kanälen ist an AstrozytenEndfüßchen besonders hoch. An den Endfüßchen retinaler Gliazellen wurde eine gegenüber dem
+
+
Zellkörper 10fach erhöhte K -Leitfähigkeit, respektive 10fach erhöhte K -Kanal-Dichte
4
+
beschrieben . Sind Astrozyten in der Lage, über ihre Endfüßchen neuronal freigesetze K -Ionen
+
+
aufzunehmen, oder auf selbem Wege K -Ionen freizusetzen (K -
1
Martin et al. 1990; Pasantes-Morales & Schousboe 1988, 1989; Philibert et al. 1988, 1989. Zur
physiologischen Wirkung von Taurin als inhibitorischer Neurotransmitter-Neuromdoulator siehe
Dutton 1993, Huxtable 1989, 1992.
2
Paulson & Newman 1987
3
Krstic 1978, S. 305; Lierse 1968, Peters et al., 1991
4
Brew et al. 1986, Newman 1986a,b
56
1
Siphoning), wie an retinalen Gliazellen gezeigt , so kann angenommen werden, daß diese
2
Freisetzung in unmittelbarer Nähe von Blutgefäßen Gefäßdilatation auszulösen vermag.
+
Entsprechende Illustrationen des K -vermittelten Neuron-Glia-Blutgefäß-Signalweges zeigen eine
+
direkten Weg der in Nähe eines Neurons aufgenommen K -Ionen durch das Gliazytoplasma in ein
+
gegenüberliegendes Endfüßchen, wo die K -Ionen in Nähe der Gefäßendothelien freigesetzt
3
werden. (In der Tat kontaktiert ein einzelner Astrozyt mit seinen Endfüßchen oftmals sowohl die
4
Oberfläche eines Neurons als auch das Gefäßendothel ).
b.) Freisetzung von vasodilatorischen Substanzen aus Astrozyten: Seit den späten 1980er Jahren
5
ist Stickstoffmonoxid (NO) als gefäßrelaxierendes Molekül bekannt. Erste Befunde an
6
Astrozyten der Großhirnrinde liegen vor, daß auch Gliazellen NO synthetisieren und freisetzen .
(Der direkte immunzytologische Nachweis von NO-Synthetase in Gliazellen steht bislang noch
7
aus. L-Arginin, eine NO-Vorläufersubstanz , findet sich jedoch in hoher Konzentration
insbesondere in jenen Astrozyten, die im unmittelbaren "Endfüßchen-Kontakt" zu Blutgefäßen
8
2+
stehen. ) NO-Synthetase Aktivität benötigt als Kofaktor Ca -Calmodulin. Mit Blick auf
2+
2+
angesprochene Ca -Wellen wäre somit denkbar: Neuronal induzierte Ca -Wellen sind der gliöse
Part des Signalweges Neuron-Glia-Kapillarendothel im Falle eines erhöhten Energiebedarfs der
Neurone und sie modulieren die Freisetzung gefäßrelaxierender NO-Verbindungen aus
Gliazellen.
(3.2.2) Glykogenolyse: Der größte Teil an energiereichen Substaten liegt im Gehirn als in
9
+
Astrozyten gespeichertes Glykogen vor. Sowohl hohe [K ]a als auch einige Neurotransmitter (z.B.
Histamin, Noradrenalin, Serotonin) stimulieren an Hirnschnitten und kultivierten Gliazellen den
10
(Glykogenphosphorylase ist
Glycogen-Turnover und Glykogenphosphorylase-Aktivität
11
Immunozytochemisch an Astrozyten nachgewiesen ). An der
1
Newman et al. 1984, 1985a,b,c, 1986a,b
Dazu Newman 1987, Paulson & Newman 1987.
3
Vgl. z.B. Fig.3 in Kimelberg et al. 1993, S. 204
4
Lierse 1968, Peters et al. 1991, Suarez & Raff 1989
5
Zur Funktion von NO in verschiedenen Geweben siehe Bredt & Snyder 1992, Moncada et al.
1991, Snyder & Bredt 1992.
6
Agullo & Garcia 1991, 1992; Murphy et al. 1990
7
Moncada & Higgs 1990
8
Aoki et al. 1991
9
Hertz & Schousboe 1986, Magistretti 1988, 1993; Pearce et al. 1985, 1988
10
Ausführliche Übersicht und Referenzen bei Magistretti 1988, 1993.
11
Pfeiffer et al. 1990, Reinhart et al. 1990
2
57
Retina des Bienenauges wurde gezeigt, daß die Lichtreizung isolierten Retinagewebes unmittelbar
+
1
zu einem [K ]a-Anstieg und zu verstärktem Glykogenabbau führt. Somit ließe sich auch hier die
2+
These formulieren: Eine neuronal induzierte Veränderung der intrazellulären Ca Konzentration
in Astrozyten moduliert die Verfügbarkeit von Glukose für den neuronalen Energiebedarf. (An
2+
kultivierten Cortex-Astrozyten ist die Abhängigkeit der gliösen Glykogenolyse von Ca Ionen
2
nachgewiesen ).
(3.3) Neuroglia und die Erregungsübertragung an der Synapse: Die hier aufgestellte Behauptung,
Neuroglia sei in die Beschreibung des Geschehens an Synapsen einzubeziehen, wird durch
neueste Befunde erhärtet, die zeigen, daß die Gegenwart funktionell intakter Gliazellen
wesentliche Voraussetzung für die synaptische Impulsübertragung ist. An Hippocampus3
Präparaten ist der Nachweis gelungen , daß bei selektiver Hemmung jedweder Gliaaktivität (Gliaspezifische Hemmung des Tricarbonsäure-Cyclus durch Fluoroazetat) und gleichzeitiger
elektrischer Stimulation hippocampaler Pyramidenzellen der CA1 Region, die Ausbildung
postsynaptischer Potentiale um etwa 70% abgeschwächt wird. Die Autoren dieser Studie ziehen
aus dieser Beobachtung den Schluß: "It is of critical importance to keep in mind that 1) glia cells
play an integral role in the maintenance of synaptic transmission and 2) glia cells may be a target
for modulation of synaptic activity. It is evident from this work and others that synaptic
4
communication relies heavily on the complex interplay of glial cells and neuronal elements." Die
nachfolgenden Betrachtungen fügen dieser Aussage weitere Belege hinzu. Das insbesondere an
5
Neuronen des Hippocampus beschriebene Phänomen der Lang-Zeit Potenzierung (LTP) und der
1
Evequoz et al. 1983
Arbonés et al. 1990, Hof et al. 1988, Magistretti 1993
3
Keyser & Pellmar 1994
4
Ibid., S. 242
5
Eine der zentralen Annahmen der modernen Neurobiologie zur neuronalen Erklärung von
Lernen und Gedächtnis ist die, daß der Ausformung von "Gedächtnisprogrammen" Änderungen
in der Effizienz der synaptischer Übertragung zugrundeliegen. (Dazu Changeux & Konishi 1987,
Florey 1993, Kandel & Hawkins 1992, Roth 1991b). Die synaptischen Verschaltungen im
Hippocampus des Wirbeltiergehirns stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtung. Zum einen, da
der Hippocampus von vielen Neurobiologen als eine für die Ausbildung bestimmter
Gedächtnisleistungen maßgebliche Hirnregion angesehen wird, zum anderen, da sich an den
Neuronen des Hippocampus in Gestalt der sogenannten "Lang-Zeit Potenzierung" (LTP) eine
besondere Form von synaptischer Plastizität aufzeigen läßt. Eine LTP kann erzeugt werden,
indem man die "Eingangsfasern" des Hippocampus für die Dauer von einigen Sekunden
hochfrequent reizt (tetanische Reizung). Aktiviert man die Eingangsfasern nach der tetanischen
Reizung mit bestimmten Teststimuli, so ist an den "nachgeschalteten" Pyramiden- und
Körnerzellen des Hippocampus eine Erhöhung (Potenzierung) des erregenden postsynaptischen
Potentials zu beobachten, also eine verstärkte
2
Wirksamkeit der synaptischen Übertragung, die bis zu mehreren Wochen anhalten kann.
58
im Zusammenhang mit der Auslösung von LTP diskutierte N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)1
Rezeptor stehen dabei im Vordergrund.
(3.3.1) Arachidonsäure und Glutamat: Als eine der Ursachen einer an Hippocampus- oder
Cortex-Neuronen ausgelösten LTP wird eine anhaltend erhöhte Verfügbarkeit des erregenden
2
Neurotransmitters Glutamat im synaptischen Spalt vorgeschlagen. Neuere Untersuchungen an
Hirnschnitt-Präparaten des Corpus striatum, des Kleinhirns und des Hippocampus zeigen, daß bei
Auslösung einer LTP nicht nur vermehrt Glutamat sondern ebenso vermehrt Arachidonsäure im
3
Bereich der beobachteten Neurone registriert werden kann. Für ein physiologische Funktion von
Arachidonsäure bei der Auslösung und Aufrechterhaltung einer LTP sprechen Befunde an
Hippocampus-Präparaten, die zeigen, daß Applikation von Arachidonsäure die Auslösung einer
LTP erleichtert, bzw. umgekehrt, Inhibitoren des Arachidonsäure-Metabolismus die Auslösung
4
einer LTP erheblich erschweren. Vor diesem Hintergrund wird derzeit die Hypothese einer
Arachidonsäure-vermittelten Regulation der Glutamat-Konzentration im synaptischen Spalt
diskutiert.
Es ist bezeichnend für den Diskussionsverlauf - und damit für die "Beharrungstendenz"
der Neuronen-Doktrin - die Erhöhung der Glutamat- und Arachidonsäure-Konzentration im
Bereich des synaptischen Spalts, allein über eine verstärkte neuronale Freisetzung beider
Substanzen zu erklären. Weitgehend unbeachtet bleiben: 1. vergleichende Studien, die belegen,
daß nicht Neurone - obwohl diese in der Tat nach Aktivierung von NMDA-Rezeptoren
5
postsynaptisch Arachidonsäure freisetzen - sondern Gliazellen Hauptreservoir für Arachidonsäure
6
im Zentralnervensystem sind, (die Synthese
Ungeachtet einer Vielzahl prä- und postsynaptischer Ereignisse, die bislang im Zusammenhang
mit der Entstehung und Aufrechterhaltung der LTP beschrieben sind, steht eine umfassende
Erklärung des Phänomens bislang noch aus. (Übersichtsdarstellungen zur Auslösung und zur
Zellphysiologie der LTP bei Andersen & Hvalby 1991, Bindman et al. 1991, Bliss & Lynch
1988, Collingrige & Bliss 1987, Davis et al. 1989, Gustafson & Wigström 1988, Ito 1989, Kuba
& Kumamoto 1990, Madison et al. 1991, Malenka et al. 1989, Reyman 1991, Teyler & DiScenna
1987, Tsumoto 1992, Zucker 1989).
1
Zur Klassifizierung und Funktion von Glutamat-Rezeptoren siehe Collingrige & Lester 1989,
Monaghan et al. 1989, sowie Zorumski & Thio 1992.
2
Bliss et al. 1986, Davis et al. 1989, Dolphin et al. 1982, Errington et al. 1987, Lynch et al. 1989,
Skrede & Malthe-Sörenssen 1981
3
Bliss et al. 1989, Bockaert et al. 1991, Dumuis et al. 1988, 1990; Lazarewicz et al. 1988,
Sanfeliu et al. 1990, Wroblewski et al. 1991
4
Lynch et al. 1989, Lynch & Voss 1990, Okada et al. 1989, Williams et al. 1989, 1991
5
Bliss et al. 1989, Bockaert et al. 1991, Dumuis et al. 1988, 1990; Lazarewicz et al. 1988,
Sanfeliu et al. 1990, Wroblewski et al. 1991
6
Keller et al. 1985, Seregi et al. 1987
59
von Arachidonsäure und deren Freisetzung ist an verschiedensten Astrozyten-Kultur-Systemen
1
nachgewiesen ) und 2. Untersuchungen, die zeigen, daß Gliazellen spezifische Transportsysteme
2
zur Aufnahme von Glutamat aus der extrazellulären Umgebung aufweisen. Eine Erhöhung der
Glutamat- bzw. Arachidonsäure Konzentration während der LTP ist somit nicht allein als
Ergebnis von Neuronenaktivität zu diskutieren, sondern ebenso als das Ergebnis einer Freisetzung
von Arachidonsäure durch Glia und darüber hinaus, als das Ergebnis einer verminderten
3
Glutamat-Aufnahme durch Glia.
Ebenso vernachlässigt bleibt Glia bei den Überlegungen zur regulatorischen Funktion von
Arachidonsäure. Einige Autoren schlagen vor, Arachidonsäure sei als postsynaptisch freigesetzter
"Retrograde Messenger" zu verstehen, d.h. als ein gewissermaßen rückwärts gerichteter,
postsynaptisch freigesetzter Neurotransmitter, der die präsynaptische Glutamatfreisetzung
4
verstärkt. (Die Stimulation präsynaptischer Glutamatfreisetzung durch Arachidonsäure wurde an
5
Hippocampus-Neuronen gezeigt ). Wiederum bleiben Befunde unbeachtet, die belegen, daß
Arachidonsäure die gliöse Glutamataufnahme lang anhaltend zu hemmen vermag. (Gezeigt an
kultivierten Müller-Zellen, verschiedenen Hirnschnitt-Präparaten, sowie an kultivierten Cortex6
7
Astrozyten ). Mögliche Konsequenz einer Freisetzung von Arachidonsäure aus Astrozyten wäre
1
Bruner et al. 1993, Murphy et al. 1988, Murphy 1990.
Übersichtsartikel zur Aufnahme neuroaktiver Substanzen durch Glia finden sich bei Currie &
Kelly 1981, Flott & Seifert 1991, Henn & Hamberger 1971, Henn et al. 1974, Hösli et al. 1986,
Kimelberg et al. 1993, Reynolds & Herschkowitz 1986, Schousboe et al. 1988. Näheres z.B. bei
Amundson et al. 1992 (Glutamat/Serotonin), Barbour et al. 1988 (Glutamat), Desarmenien et al.
1980 (GABA), Drejer et al. 1982 (Glutamat), Katz & Kimelberg 1985 (Serotonin), Kimelberg &
Pelton 1983 (Noradrenalin), Kimelberg & Katz 1985, 1986 (Serotonin), Krnjevic 1984 (GABA),
Pelton et al. 1981 (Dopamin/Noradrenalin), Schon & Kelly 1975 (Alanin/GABA), Schousboe &
Divac 1979 (Glutamat), Sugiyama et al. 1989 (Glutamat).
3
Die hohe Geschwindigkeit der gliösen Glutamat-Aufnahme legt nahe, daß die gliöse GlutamatAufnahme bei der schnellen synaptischen Übertragung eine Rolle spielt. Für Müller-Zellen wurde
errechnet, daß physiologische Glutamat-Konzentrationen an innerhalb von 80ms vollständig aus
dem Extrazellularraum aufgenommen werden können. (Kimelberg et al. 1993, S. 197). Diese
Zeitperiode ist mit jener vergleichbar, in der retinale Synpasen operieren. (Ibid.). Zum Konzept
des "Transmitter Clearance" siehe Hösli et al. 1986 sowie bei Schousboe et al. 1988.
4
Williams et al. 1989, 1991
5
Lynch & Voss 1990, Williams et al. 1989, 1991
6
Barbour et al. 1989, Chan et al. 1983, Sun et al. 1992, Yu et al. 1986
7
2+
Mit Blick auf eine mögliche Funktion neuronal induzierter Ca -Wellen im Gliasyncytium sei
2+
erwähnt, daß die Freisetzung von Arachidonsäure aus Astrozyten durch Ca -mobilisierende
Agenzien stimuliert werden kann. (Keller et al. 1987, Murphy et al. 1985) [Phospholipase A2 ist
2+
ein Ca -abhängiges Schlüsselenzym des Arachidonsäure/Eicosanoid2
60
vor diesem Hintergrund: Die autokrine Regulation der gliösen Glutamataufnahme (Hemmung des
gliösen Glutamat-Carriers durch Arachidonsäure) bei gleichzeitiger Stimulation der
präsynaptischen Freisetzung von Glutamat.
Auch wenn die Diskussion um die Rolle von Arachidonsäure während der LTP erst am
Anfang steht, so verdeutlicht sie doch die Unzulänglichkeit einer rein neuronalen Interpretation
des beobachteten LTP-Phänomens. Eine Beteiligung von Neuroglia ist sicherlich nicht
auszuschließen. Die These dieses Abschnitts lautet somit: Von Gliazellen und Neuronen
freigesetzte Arachidonsäure bewirkt ein Wechselspiel von verstärkter neuronaler GlutamatFreisetzung und verminderter Glutamat-Aufnahme durch Glia und stabilisiert somit die
Potenzierung der synaptischen Übertragung.
(3.3.2) Arachidonsäure und Glyzin: Die Freisetzung von Glyzin wurde an Astrozyten
1
2
beschrieben, ebenso die Existenz eines Glyzin-spezifischen Transportsystems. An Cortex- und
Hippocampus-Neuronen wurde gezeigt, daß durch NMDA-Rezeptor-Agonisten ausgelöste,
postsynaptische Potentiale, in Gegenwart von Glyzin nicht nur erheblich verstärkt werden,
sondern daß neben Agonisten wie Glutamat oder NMDA, Glyzin als "Coagonist" zur Aktivierung
3
des NMDA-Rezeptors und zur Auslösung einer LTP notwendig ist. Da sich aufgrund des Fehlens
glyzinerger Neurone im Hippocampus eine Freisetzung von Glyzin an neuronalen Synapsen
4
weitgehend ausschließen läßt , ist die These berechtigt, Glyzin, neben dessen Funktion als
5
inhibitorischer Neurotransmitter im Rückenmark und Hirnstamm , als einen von Astrozyten im
Gehirn freigesetzten, allosterischen Modulator neuronaler NMDA-Rezeptoren zu vermuten. Auch
im Zusammenhang mit der Glyzin-Modulation postsynaptischer NMDA-Rezeptoren ist
Arachidonsäure als vermittelnde Signal-Substanz denkbar. An Glioma-Zellen wurde gezeigt, daß
die Freisetzung von Glyzin aus Gliazellen in Gegenwart von Arachidonsäure erleichtert wird und
Metabolismus; dazu Irvine 1982, Needleman et al. 1986, Shimizu & Wolfe 1990]. Betrachtet man
2+
Glutamat, wie oben beschrieben, als Ca -mobilisierenden Transmitter, so kann behauptet werden,
daß im Bereich der Gliazellen freigesetztes Glutamat, die Freisetzung von Arachidonsäure aus
Gliazellen verstärkt.
1
Holopainen & Kontro 1989, Levi et al. 1992, Pasantes-Morales & Schousboe 1988, Zafra &
Gimenéz 1988
2
Holopainen & Kontro 1989, Zafra & Giménez 1989
3
Zur Glyzin-Abhängigkeit der LTP-Auslösung siehe Abe et al. 1990, Bashir et al. 1990, Tauck
& Ashbeck 1990, Watanabe et al. 1992. Zur Glyzin-Modulation des NMDA-RezeptorIonenkanal-Komplexes siehe Abe et al. 1990, Ascher & Johnson 1990, Bashir et al. 1990, Bennett
et al. 1991b, Chizhmakov et al. 1989, Dalkara et al. 1992, Forsythe et al. 1988, Johnson & Ascher
1987, Kemp et al. 1991, Kessler et al. 1989, Kleckner & Dingledine 1988, Minota et al. 1989,
Salt 1989, Stone 1991, Thomson 1989, Thomson et al. 1989.
4
Forsythe et al. 1988
5
Zur Übersicht Oja et al. 1977
61
1
umgekehrt, die Aufnahme von Glyzin erheblich gehemmt. .
(3.3.3) Kynurensäure: Der Tryptophan-Metabolit Kynurensäure (Kynurenin-Pathway) ist an
Hippocampus-Präparaten als selektiver Inhibitor einer durch NMDA-, Glutamat-, Quinolinsäure2
(s.u.) oder Homocysteinsäure (s.u.) vermittelten postsynaptischen Potentialänderung beschrieben.
3
(Non-NMDA Rezeptoren bleiben an Hippocampus-Präparaten in Gegenwart von Kynurensäure
4
unbeeinflußt ). Elektronenmikroskopische Untersuchungen sowie immunohistochemische Studien
an Schnitten verschiedener Hirnregionen zeigten, daß das für die Produktion von Kynurensäure
verantwortliche Enzym Kynurenin-Aminotransferase vor allem im Zytoplasma von Astrozyten
5
nachgewiesen werden kann. T. W. Stone weist ausdrücklich darauf hin: "[...] most of the normal
6
extracellular kynurenate is probably of glial origin." Und an anderer Stelle: "Immunoreactivity
was also demonstrated in astrocytic processes making close contact with dendritic synapses. This
raises the tantalising possibility that kynurenate is secreted by glia cells into the immediate
7
vicinity of specific synaptic contacts." Die Synthese und Freisetzung von Kynurensäure wurde an
8
kultivierten Astrozyten gezeigt, ebenso ist der Nachweis eines Transportsystems zur Aufnahme
9
von Kynurensäure aus dem Extrazellularraum gelungen.
An NMDA-Rezeptoren wirkt Kynurensäure bereits in geringen Konzentrationen als
kompetitiver Glyzin-Antagonist, d.h. Kynurensäure verdrängt Glyzin von seiner allosterischen
10
Bindungstelle am NMDA-Rezeptor-Ionenkanal-Komplex. (In höheren Konzentrationen
1
Zafra et al. 1990
Zur Übersicht siehe Stone 1993
3
Derzeit werden neben den NMDA-Rezeptoren im wesentlichen zwei weitere Typen von
Glutamat-Rezeptor-Ionenkanal Komplexen pharmakologisch unterschieden. Die sogenannten QRezeptoren (Agonist: Quisqualat) und K-Rezeptoren (Agonist: Kainat). Q- und K-Rezeptoren
+
+
werden häufig als Non-NMDA-Rezeptoren bezeichnet. In ihrer Funktion als Na /K Ionenkanäle
entsprechen Non-NMDA-Rezeptoren formell den nikotinischen Acetylcholin-Rezeptoren.
Näheres zur Klassifizierung und Funktion von Glutamat-Rezeptoren bei Collingrige & Lester
1989, Monaghan et al. 1989, Zorumski & Thio 1992.
4
Peet et al. 1986
5
Fu et al. 1992, Roberts et al. 1992, Schwarcz et al. 1990, Schwarcz & Du 1991, Wu et al. 1992a
6
Stone 1993, S. 322
7
Stone 1993, S. 314
8
Okuno et al. 1991, Turski et al. 1989, Vezzani et al. 1990, 1991
9
Speciale et al. 1989, Speciale & Schwarcz 1990
10
Birch et al. 1988, Dingledine & Kleckner 1991, Ganong & Cotman 1986, Kessler et al. 1987,
1989, Monahan et al. 1990, Moroni et al. 1989, Pralong et al. 1992, Schwartz et al. 1990, Stone
1989, 1993; Stone & Burton 1988, Thomson 1989, Watson et al. 1988
2
62
1
hemmt Kynurensäure direkt die NMDA-Bindungstelle ). So läßt sich denn auch die Auslösung
2
von LTP an Hippocampus Neuronen durch Kynurensäure (reversibel) unterdrücken. Denkbar ist
somit: Gliazellen bewirken über freigesetzte Kynurensäure eine Desensitisierung von NMDARezeporen und regulieren auf diese Weise die Anzahl aktivierbarer NMDA-Rezeptoren an der
postsynaptischen Membran.
Mißt man LTP Phänomenen eine Bedeutung bei Lern- und Gedächtnisvorgängen zu, so
mögen hier Befunde von Bedeutung sein, die eine Zunahme der Kynurensäure-Konzentration im
Gehirn während der Lebenspanne eines Organismus belegen, bei gleichzeitiger Verringerung der
3
Glyzin-Affinität von NMDA-Rezeptoren. Einige Autoren sehen hier eine der Ursachen für das
4
Auftreten kognitiver Defizite mit zunehmendem Alter.
(3.3.4) Quinolinsäure: Wie Kynurensäure so ist auch Quinolinsäure ein Metabolit des Tryptophan
5
Stoffwechsels mit neuroaktiven Eigenschaften. Auch das an der Synthese von Quinolinsäure
hauptbeteiligte Enzym 3-Hydroxyanthranilsäure Oxygenase ist vor allem in Astrozyten
6
nachweisbar . Der Nachweis, daß Quinolinsäure von Glia freigesetzt wird, ist an kultivierten
7
Cortex-Astrozyten gezeigt. Im Hippocampus wirkt Quinolinsäure als selektiver NMDA-Agonist.
Alle Neurone im Hippocampus die durch Glutamat erregt werden können, sind auch duch
8
Quinolinsäure erregbar. (Hauptsächlich glutamaterge Neurone verfügen über Bindungstellen für
9
Quinolinsäure ). Die Wirkung von Quinolinsäure ist hinsichtlich der zu beobachtenden
10
Impulsmuster qualitativ identisch mit der Wirkung von NMDA. Über den
1
Danysz et al. 1989a,b; Watkins & Olverman 1988
Bashir et al. 1990, Watanabe et al. 1992
3
Dazu Gramsbergen et al. 1992, Moroni et al. 1988, Stone 1993
4
Ibid. / Ebenso denkbar ist eine Schutzfunktion von Kynurensäure im Zusammenhang mit
neurotoxischen Effekten in Folge einer "Überaktivierung" des NMDA-Rezeptor-Ionenkanal
2+
Komplexes durch Quinolinsäue (s.u.) oder Glutamat. (Übermäßige Ca -Ionen-Akkumulation in
Neuronen ist verbunden mit einer Initiierung destruktiver Enzyme wie Phospholipasen oder
Proteasen). Eine durch Kynurensäure vermittelte Desensitisierung des NMDA-RezeptorIonenkanals verhindert möglicherweise das Auftreten derartiger Effekte. Modelle zur
Neurotoxizität von Neurotransmittern bei El-Defrawy et al. 1986, Keilhoff et al. 1990, Schurr et
al. 1991, Schwarcz et al. 1984, Stone 1993, Weiss et al. 1990.
5
Zur Übersicht siehe Stone 1993
6
Köhler et al. 1987, 1988; Lekieffre et al. 1990, Poston et al. 1990, Vezzani et al. 1990, 1991
7
Whetsell et al. 1988
8
Stone 1993
9
Ibid.
10
Zum Vergleich der elektrophysiologischen Wirkungen von Glutamat, Quinolinsäure und
NMDA an Hippocampus-Neuronen siehe Ganong et al. 1983, Ganong & Cotman 1986,
2
Kiskin et al. 1990, McLarnon & Curry 1990, Peet et al. 1986, 1987, Tsuzuki et al. 1989a,b.
63
genauen postsynaptischen Wirkort und Wirkmechanismus von Quinolinsäure besteht derzeit noch
wenig Klarheit, ebenso wenig über die physiologische Bedeutung von Quinolinsäure. Da ein
"Uptake System" für Quinolinsäure weder in Neuronen noch in Gliazellen nachweisbar ist, ist
unklar, ob Quinolinsäure Transmitter- oder Neuromodulatorfunktion zukommen kann. Einige
Autoren nehmen deshalb eine Lang-Zeit-Wirkung für Quinolinsäure im Gehirn an. Diskutiert
werden in diesem Zusammenhang Einflüsse von Quinolinsäure auf die physikalische
1
Beschaffenheit neuronaler Zellmembranen.
(3.3.5) Homocysteinsäure: Bereits seit einigen Jahrzehnten ist bekannt, daß die Aminosäure
Homocysteinsäure, analog der Funktion von Glutamat, Neurone erregt. Erst mit dem in jüngerer
Zeit gelungenen Nachweis der Freisetzung von Homocysteinsäure aus depolarisierten
2
Hirnschnitten (insbesondere aus Kleinhirn-, Cortex- und Hippocampus-Präparaten ) gibt es
Hinweise darauf, daß Homocysteinsäure tatsächlich eine physiologische Funktion im Hirngewebe
zukommt. Untersuchungen an Hirnschnitten, wie an kultivierten Cortex- und HippocampusNeuronen zeigten, daß Homocysteinsäure, wie Glutamat, via NMDA-Rezeptoren typische
3
Immunohistochemische Lokalisationsstudien des Kleinhirns,
Impulsmuster auslöst.
Hippocampus und Neorcortex zeigten, daß Homocysteinsäure vor allem in Gliazellen und dort in
4
den Endfüßchen der Astrozyten nachweisbar ist. Der direkte Nachweis einer Freisetzung von
Homocysteinsäure aus Gliazellen steht bislang noch aus, ebenso wie die Aufklärung der diese
Freisetzung induzierenden Schritte.
(3.3.6) Wachstumsfaktoren: Morphologische Studien, nach Abklingen der LTP durchgeführt,
belegen eine Erhöhung der Synapsendichte an postsynaptischen Zellen sowie eine Verdickung der
5
Stiele von dendritischen Dornen. Eine Vielzahl von Untersuchungen weisen darüber hinaus auf
eine Beteiligung von Wachstumsfaktoren zur Aufrechterhaltung der LTP. So löst die tetanisch
aktiviertem Hirngewebe entnommene Extrazellularflüssigkeit Axon-Wachstum an kultivierten
Neuronen aus und potenziert die synaptische Übertragung an Hippocamus-Gewebeschnitten.
Ebenfalls wurde gezeigt, daß Axon-Wachstum katalysierende Faktoren wie EGF (Epidermal
Growth Factor) oder FDGF (Fibroblast-Derived Growth Factor) die Auslösung einer LTP
erheblich beschleunigen, die Potenzierung stabilisieren, und die
1
Vgl. hierzu die Untersuchungen an Erythrozyten-Membranen bei Farmer & Butterfield 1984,
Farmer et al. 1984, Nonnemann et al. 1988.
2
Do et al. 1986a,b; Vollenweider et al. 1990
3
Do et al. 1986b, Knöpfel et al. 1987, Patneau & Mayer 1990, Zeise et al. 1988
4
Streit et al. 1991
5
Chang & Greenough 1984, Geinisman et al. 1989, Lee et al. 1980, Shepherd 1993, S. 561
64
1
Amplitude des postsynaptischen Potentials vergrößern. (Die Auslösung von Axon-Wachstum
durch FDGF wurde an Hippocampus Neuronen nachgewiesen).
Daß Gliazellen auch im ausgewachsenen Gehirn eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der
Neuronen-Morphologie und der Initiierung axonalen Wachstums spielen, ist eine seit einigen
Jahren (insbesondere im Zusammenhang mit Regenerationsvorgängen) intensiv diskutierte
2
Hypothese. Daß Gliazellen zur Synthese und Freisetzung von Wachstumsfaktoren wie z.B.
FDGF oder NGF (Nerve Growth Factor) in der Lage sind, ist insbesondere an kultivierten
3
Astrozyten aus verschiedensten Hirnregionen gezeigt. Als neuronales Signal zur Freisetzung von
+
Wachstumsfaktoren schlagen einige Autoren eine Erhöhung der extrazellulären K Konzentration
4
vor. Es läßt sich somit die These formulieren: Neuronale Impulsaktivität vermag die Freisetzung
von Wachstumsfaktoren aus Gliazellen zu bewirken. Diese Wachstumsfaktoren stimulieren die
Neubildung oder Vergrößerung von Synpasen und tragen somit zur Potenzierung der
5
synaptischen Übertragung bei.
Die hier fragmenthaft wiedergegebenen Auswahl von Befunden zur Struktur- und
Funktionsvielfalt des Glia-Neuronen-Systems sollte genügen, die Problematik einer alleinigen
Relevanz der Neuronen-Doktrin zum Verständnis des "informationsverarbeitenden Gehirns"
deutlich zu machen. Die in den Lehrbüchern der Neurobiologie formulierten Konzepte und deren
an der Kybernetik, Informatik und Elektrotechnik ausgerichteten Analogien, erscheinen vor dem
Hintergrund des Glia-Neuronen-Systems zur Beschreibung von Organisation und Funktion von
Nervensystemen nicht länger adäquat. Nicht allein das Neuron, sondern der Funktionsverband
6
Glia-Neuron oder, der Einfachheit halber, das Glion , muß der zukünftige "Kristallisationspunkt
neurobiologischer Forschung" sein, wobei im Grunde niemand sagen kann, welche der beiden
Untereinheiten des Glions welcher dient - oder um es in den Worten des Neurobiologen E. Florey
auszudrücken: "Who knows, the entire show of neuronal activity may be for the benefit of the glia,
and not the other way around, glial cells serving the neurons! As we ponder the relationship of
brain and mind, we may discover that
1
Terlau & Seifert 1989, 1990
Zur Übersicht siehe Manthorpe et al. 1986
3
FDGF (Ferrara et al. 1988, Hatten et al. 1988), NGF (Furukawa et al 1986, Lu et al. 1991). Zur
Übersicht siehe Rudge 1993.
4
Zur Übersicht Müller 1992
5
Eine ausführliche Diskussion dieser und weiterer Hypothesen zur Beteiligung von Gliazellen an
der Ausgestaltung struktureller Plastizität von Synapsen findet sich bei Müller 1992.
6
Die Vorstellung einer hypothetischen, aus Gliazelle und Neuron bestehenden Funktionseinheit
[Neuron-Glia-Unit], stammt von Galambos 1961 sowie von Hyden 1962.
2
65
1
physiologists, in their preoccupation with neurons, have looked at only part of the system."
Noch ist der Denkstil des neurowissenschaftlichen Denkkollektivs intakt. Da jedoch ständig mehr
2
"Gliologen" ihre Überlegungen zur Neuroglia in den interkollektiven Denkverkehr einbringen, ist
eine Denkstilumwandlung und deren Eingang in die Lehrbuchliteratur für die nahe Zukunft
absehbar. Abschließend sei an dieser Stelle jenes Motto wiedergegeben, das schon Robert
Galambos 1961 seinem Pionieraufsatz »A Glial-Neural Theory of Brain Function« voranstellte:
"One day, I suppose, someone will find the clue and we shall then realize that we have been
watching the missing mechanism at work in every experiment upon the brain that we did, but
3
never recognized it for what it was."
1
Florey 1991a, S. 1055
Eine Bezeichnung die C. Müller vorschlägt (Vortrag Universität Konstanz am 4 Juli 1991).
3
B. D. Burns in Can. J. Biochem. Physiol., Bd. 34 (1956), zit. aus Galambos 1961, S. 129
2
66
Zweiter Teil
Die Entstehungsgeschichte der Neuronen-Doktrin
I. Das Grundprinzip des Nervösen: Erregungsleitung an der Nervenfaser
1. Vom pneuma zum Nervensaft
Die alexandrinischen Ärzte Herophilos von Chalkedon (335- etwa 280 v.u.Z.) und Erasistratos
von Keos (etwa 310-258 v.u.Z.) beschrieben erstmals das zentrale Nervensystem des Menschen
1
als ein zusammengesetztes Körperorgan, bestehend aus Großhirn, Kleinhirn und Rückenmark.
Die in den peripheren Körperregionen aufgefundenen Nerven stellten sie sich als hohle
Röhrengebilde vor, die mit dem Gehirn und Rückenmark ein organisches Ganzes bilden.
Wirkmedium im Nervensystem, so Erasistratos' Vorstellung, sei das pneuma (lat. spiritus), jener
subtile, in der Atemluft enthaltene, sinnlich nicht erfahrbare Welturstoff, der, eingeatmet über die
Lunge, ins Körperinnere gelangt. Im Gehirn sollte das pneuma psychische Funktionen und
Sinneswahrnehmung vermitteln, in den Lumina der Nerven den gesamten Organismus
durchströmen und auf diese Weise die Organe beleben und willkürliche Bewegung bewirken.
2
Der römische Universalgelehrte Galenus (120- ca. 200) , gestützt auf Sektionen,
physiologische Tierexperimente und Schlußfolgerungen aus Beobachungen an verletzten
Gladiatoren, vertiefte die antomischen Grundkenntnisse der Alexandriner und führte die
3
Pneumalehre (Spiritustheorie) zu einem Höhepunkt an physiologischer Präzision. Galens
Spiritustheorie sah einen sukzessiven Verfeinerungsprozeß des spiritus vor. Demzufolge gelangt
der eingeatmete spiritus in einem ersten Schritt über den Blutstrom der Lungenvene ins Innere des
Herzens. In der linken Herzkammer ensteht dann unter Einwirkung des im
1
Zur Anatomie und Physiologie vor Galen vgl. Gask 1940, Hintzsche 1944a, Jäger 1923, Kollesch & Nickel 1979, Meyer-Steinegg 1911a, Schöne 1926, Sievert 1948, Solmsen 1961,
Volprecht 1895. Zur Geschichte der Pneumalehre vgl. Nestle 1944, Putscher 1973, Schuhmacher
1940, Solmsen 1961.
2
gr. Galenos, dt. Galen
3
Zur Anatomie, Physiologie und zur Pneumalehre des Galen vgl. Beck 1909, Hauke 1937,
Hintzsche 1944a,b,c; Meyer-Steinegg 1911b, 1912, 1913; Roschinsky 1948, Siegel 1968, Smith
1971, Temkin 1951, Töply 1903.
67
1
Herzen tätigen calor innatus und dem im Blut enthalten, aus der Nahrung gewonnen spiritus
naturalis, der spiritus vitalis. Dieser bewegt sich durch die arteriellen Blutgefäße zum Gehirn, wo
er tief in die Hirnsubstanz eindringt. Die dichten Blutgefäßnetze im Gehirn hatten die Aufgabe,
das mit spiritus vitalis angereicherte Blut zu reinigen und ein denkbar dünnstes Destillat zu
filtrieren, das als spiritus animalis die Räume Gehirnventrikel ausfüllt und in diesen gespeichert
wird. Absteigend über das Rückenmark und fortgeleitet durch die Nervenröhren verteilt sich der
spiritus animalis auf die Organe des Körpers und stellt die funktionelle Verbindung her zwischen
Gehirn, Sinnes- und Bewegungsorganen. Abgesehen von der Richtigstellung anatomischer Details
2
durch den in Padua wirkenden Anatomen Andreas Vesalius (1514-1564) und einigen kleineren
3
Modifikationen , bewahrte Galens Spirituskonzept bis in das 17. Jahrhundert hinein Gültigkeit.
Erst mit René Descartes (1596-1650) und dessen Interpretation der Funktionsweise tierischer
Organismen als mechanische Körpermaschinen, erfuhr die antike Spiritustheorie neue
Erweiterung. Descartes verstand den spiritus als eine im Raum ausgedehnte, physikalische Entität,
4
die sich, als in der Zirbeldrüse produzierter esprit nerveux, in die hohlen Nervenröhren ergießt.
Die Funktion der Nerven stellte sich Descartes in etwa so vor: Die mit spiritus angefüllten, von
den Sinnesorganen zum Gehirn verlaufenden Nervenfasern führen im Inneren einen der
Sinnesfunktion dienenden Faden aus Gehirnsubstanz. Dieser Markfaden ist zum 3. Ventrikel hin
(in welchen die Zirbeldrüse hineinragt) mit einer Ventilklappe verbunden. Öffnet sich das Ventil
durch Bewegung des Markfadens (ausgelöst durch eine Reizung der Sinnesorgane), so strömt der
unter Druck stehende spiritus aus der betreffenden Nervenröhre, deren Lumen nun in offener
Verbindung zum Hirnventrikel steht,
1
Zur Bedeutung von Herz und Blutkreislauf in der antiken Physiologie vgl. Mühsam 1910,
Willius & Dry 1948.
2
Vesalius (1543): »De humani corporis fabricia.«; dazu Elze 1943, Rath 1963.
3
Der Pariser Mediziner Jean Fernel (1497-1558) beschrieb 1544 in seiner »Universa medicina«
erstmals die pulsatorischen Bewegungen des Gehirns (Sherrington 1946). Fernel nahm eine
originelle Pumpfunktion des Gehirns an. Während der Kontraktion sollte sich der spiritus
animalis in die hinteren Kleinhirnventrikel, in die Sinnesorgane und in die Nervenkanäle hinein
bewegen, während des Ausdehnungsvorganges sollte spiritus aus der Luft und den Blutgefäßen angesaugt werden. Fernel sah eine dem Herzklappenmechanismus vergleichbare Funktion der
Zirbeldrüse vor. War der spiritus bei der Erweiterung des Gehirns in den hinteren
Kleinhirnventrikel eingedrungen, sollte die Zirbeldrüse, gleich einem Schleusentor, herabgleiten
und den Rückweg in die davorliegende Kammer verwehren. Bei erneuter Kontraktion des
Gehirns hob sich die Zirbeldrüse und gab den Weg zwischen den Hirnkammern frei.
4
Zur Physiologie Descartes und zur philosophischen Motivation der Descartschen Physiologie
vgl. D'Irsay 1928, Fearing 1929, Haldane 1905, Hall 1970, Oing-Hanhoff 1984.
68
in das Innere der Ventrikelkammer. In einer Sekundärbewegung, "vergleichbar dem Sturm der
1
Luft, der sich auf der Oberfläche des Meeres als Welle fortpflanzt", wird der in der
Ventrikelkammer gespeicherte spiritus erschüttert. Die entstandene Welle drückt auf die
Zirbeldrüse und läßt auf deren Oberfläche einen Sinneseindruck entstehen. Ein Sinneseindruck
kann unmittelbar Bewegung hervorrufen, indem die Zirbeldrüse die zum Sinneseindruck führende
Spiritusdruckwelle reflektiert und diese gezielt in bestimmte, zum Ventrikellumen hin geöffnete,
motorische Nervenröhren hineinführt. Die in den Muskel einströmende Druckwelle bläht diesen
auf, wodurch er sich verkürzt und damit Bewegung erzeugt.
Hatte sich Descartes hinsichtlich der physikalischen Beschaffenheit des in den Nerven agierenden
Mediums nicht weiter festgelegt und den spiritus als teils luftig-ätherisch, teils flüssig verstanden,
so schlug der in Oxford tätige Anatom und Physiologe Thomas Willis (1621-1675) in seinem
2
hirnanatomisch maßgeblichen Werk »Cerebri anatome« vor, den Nervenspiritus (neben einem
flammenartigen spiritus im fließenden Blut), als einen lichtartig-materiellen humor nervosus
3
aufzufassen. Als Beweis für die Lichtnatur des Nervenspiritus sah Willis das nächtliche
Augenleuchten umherstreifender Katzen an. Auch Willis argumentierte im Geiste des
Spirituskonzepts. Der humor nervosus wird im Gehirn aus Blut filtriert und in die Nerven
ausgeschieden. Hatte der humor nervosus seine Funktion als Vermittler von Bewegung und
Träger von Empfindung im Körper erfüllt, sollte er - so Willis' Vorstellung von einem
geschlossenen Kreislauf des Nervensaftes - durch die Lymphgefäße aufgenommen und über den
Blutstrom ins Gehirn rückgeführt werden. Zur Erklärung der Muskelkontraktion setzte Willis an
4
die Stelle der Aufblähungstheorie Descartes' eine chemiatrische Explosionstheorie. Derzufolge
ereignet sich Muskelkontraktion als Folge eines Zusammenpralls des Nervenspiritus mit
Blutpartikeln im Muskel, ein Vorgang, den Willis mit der Entzündung von Schießpulver mit Hilfe
5
eines metallenen Schlagbolzens vergleicht.
Der Physiker und Mathematiker Giovanni Alfonso Borelli (1608-1676) war einer der ersten, der
Descartes' Grundgedanken von der tierischen Maschine im großen Stil auf physiologische
Probleme anwandte. In Borellis zweibändigem, posthum erschienen Lebenswerk »De motu
1
D' Irsay 1928, S. 185
Willis 1664
3
Zu Willis' Neuroanatomie und "Neurophysiologie" vgl. Dow 1940, Isler 1965, 1968; Meyer
1971, Meyer & Hierons 1964, 1965.
4
Willis (1670): »De motu musculari.«
5
Berg 1942, S. 368
2
69
1
animalium« , finden sich Untersuchungen zur Flugbewegung von Vögeln, der Bewegungsabläufe
schwimmender Fische, zur Bewegung des Blutes u.s.w. Als entschlossener Gegner der Spiritusidee suchte Borelli die Vorstellung von der Existenz eines luftartigen Spiritus experimentell zu
entkräften, indem er in Wasser getauchte Nerven oder Muskeln öffnete und auf das Fehlen von
2
aufsteigenden Blasen aufmerksam machte. Seinerseits nahm Borelli an, daß sich, wie im
3
Pflanzenstengel , im Nerven ausschließlich ein flüssiges Medium bewege, zum einen in Gestalt
eines zur Ernährung bestimmten succus nerveus nutritivus (in den längs verlaufenden Kanälen)
und zum anderen (in der sich zwischen den Kanalfasern befindenden Schwammasse) in Gestalt
des succus nerveus spirituosus, dem eigentliche Träger der Nervenfunktion (den Borelli für
4
ebenso flüchtig hielt wie spiritus vini ). Sollte Muskelbewegung erzeugt werden, so dachte
Borelli, dann erfolgt ausgehend vom Gehirn eine comotio und irritatio der Nerven und in der
Folge eine mechanische oscillatio, die sich entlang der motorischen Nerven als feinste, sinnlich
5
nicht erfahrbare Druckwelle des Nervensaftes zu den Muskeln hin mechanisch fortpflanzt.
Muskelverkürzung entsteht dann, wenn der Nervensaft mit den einzelnen Muskelfasern (die sich
Borelli als Aneinanderreihung von kleinsten Bläschen vorstellte) in Kontakt tritt. Ein
aufbrausender Gär- oder Fermentationsprozess, welcher durch die Vermischung der Nerven- und
Blutsäfte in Gang gesetzt wird, bläht die Bläschen der Muskelfasern und damit den gesamten
Muskel auf, woraufhin sich dieser verkürzt.
Auch der Wittenberger Arzt Johann Gottfried Berger (1659-1736) verwarf die Annahme
6
eines luftartigen spiritus und vermutete einen lymphartigen succus nervosus. Ebenso wie der Saft
aus dem Wurzelgeflecht eines Baumes durch feine Kanäle hindurch im Pflanzenkörper bewegt
wird, so stellte sich Berger den succus nervosus vor, wie er ausgehend vom Gehirn durch die
Nerven verteilt und fortgeführt werde. Willis' Idee, aus dem nächtlichen Leuchten von
Katzenaugen auf eine lichtartige Materie in den Nervenröhren
1
Borelli 1680/81
Brazier 1984, S. 80
3
Die Annahme von analogen "inneren Organen" in Tieren und Pflanzen war im 17. Jahrhundert
durchaus verbreitet. Ließen sich beim Studium von Pflanzenteilen, auf Grund ihrer (im Gegensatz
zu tierischem Gewebe) vergleichsweise groben und übersichtlichen Bauweise, ja mit bloßem
Auge Beziehungen zwischen Struktur und Funktion herstellen; oder wie es der bologneser
Begründer der mikroskopischen Anatomie, Marcello Malpighi (1628-1694), sinngemäß
ausdrückte: "die Untersuchungen des Pflanzenbaues ermöglichen ein leichteres Eindringen in die
feineren Strukturen des komlizierten tierischen Gewebes" [Malpighi (1675, 1679): »Anatome
plantarum.«; zit. aus Berg 1942, S. 369]
4
Berg 1942, S. 367
5
Berg weist darauf hin: "Man darf sich diese ’Oscillatio’ ohne Zwang unter dem Bilde einer
Transversalwellenbewegung vorstellen." (Berg 1942, S. 399).
6
Berger (1702): »Physiologia medica.«
2
70
zu schließen widerlegte Berger, indem er das Leuchtphänomen als Lichtreflexion erkannte: "Auch
kann man das Augenleuchten der Tiere nicht, wie Willis es tat, mit der Lichtnatur des
Nervensaftes in Zusammenhang bringen, denn das Augenleuchten ist bei völligem Verschwinden
1
von Licht verschwunden."
Johannes Bohn (1640-1718), Physiologe in Leipzig und damals Prosektor für Anatomie,
verstand Nervenfunktion weder als das Ergebnis einer oszillierenden Nervensaftdruckwelle noch
2
sah er den Nervensaft als ein strömendes Flüssigkeitskontinuum an. Der succus nervosus sollte
vielmehr aus Ketten aneinandergereihter Füssigkeitspartikel aufgebaut sein, die einander
fortlaufend wie Kugeln anstießen und auf diese Weise Nervenwirkung fortpflanzten.
3
Die Hypothese vom Nervensaft, deren vielfältige Spielarten hier nur angedeutet werden , war ein
erster und zugleich hilfloser Versuch, dem in den Nervenröhren fortbewegten Wirkprinzip ein
physikalisches Substrat zu geben. Erhalten blieben, ungeachtet der neuen mechanistischen
Auffassungen, die Funktionsvorstellungen der Spirituslehre, insbesondere die Interpretation der
zerebralen Blutgefäße und des Gehirns als Filtrations- und Absonderungsorgan. Auch die Idee des
pneumas blieb diskutabel. Für den hallenser Mediziner Friedrich Hoffmann (1660-1742)
beispielsweise, einem der berühmtesten Ärzte seiner Zeit, wirkte im Organismus ein aus Äther
filtriertes Nervenfluidum. Unter Äther verstand Hoffmann, analog dem alexandrinischen pneuma,
ein hypothetisches, das Weltall erfüllende Prinzip, das bei der Atmung in den Körper, dort ins
Blut und ganz im Sinne der Spirituslehre, über die Blutgefäße ins Gehirn geführt wird, um von
4
dort aus über die Nerven seine Wirkung auf den Organismus zu entfalten.
1
Zit. aus Rothschuh 1958, S. 2960
Bohn (1686): »Circulus anatomico-physiologicus.«
3
Eine Übersicht über die im 17. Jahrhundert formulierten Thesen zur Beschaffenheit und
Wirkweise des Nervenprinzips findet sich bei Bohn (Ibid.).
4
Dazu Rothschuh 1953, S. 73
2
71
2. Die Kriterien des Lebendigen: Erregbarkeit und die Priorität des
Nervensystems
Als Gegenreaktion zu den sich nach Descartes rasch durchsetzenden mechanistischen
Organismusvorstellungen entwickelte ein Kollege Thomas Willis’ an der Cambridge Medical
1
School, der Mediziner Francis Glisson (1597-1677), ein alternatives Organismusmodell.
Demzufolge war die Fibra, damals allgemein akzeptiert als der kleinste morphologische Baustein
2
lebender Körper, nicht nur als architektonisches Grundelement des Organismus aufzufassen,
sondern darüber hinaus als dessen elementare Funktionseinheit. Im Kapitel »De irritabilitate
fibrarum« seiner 1677 veröffentlichten Schrift »Tractatus de ventriculo et intestinis« unterschied
Glisson drei Grundkräfte, die auf die Faser einwirken: Eine der Fasersubstanz eigene Zähigkeit
und Elastizität der Faser (robur insitum), eine Kraft, die bei Fehlen zur Erschlaffung der Faser
führt (robur vitale) und als dritte Kraft, eine aus dem Gehirn stammende und über das
3
Nervensystem vermittelte (robur animale bzw. robur nervosum). Letztere bestimmt den
Vitalitätsgrad der Faser. Die fundamentale Eigenschaft sämtlicher Faserteile des Körpers, so
Glissons zentrale Überlegung, sei die Irritabilität (Reizbarkeit). Zum Komplex der Irritabilität
zählte Glisson: (1) die Fähigkeit der Faser zur Aufnahme, Wahrnehmung oder Empfindung der
4
ihr zugefügten Reize bzw. von Reizursachen (causa irritans) , (2) die Fähigkeit der Faser den
Reiz an sich zu ziehen und (3) die Fähigkeit der Faser zur Antwortreaktion auf den Reiz,
5
ausgedrückt im Übergang von einem Zustand der Ruhe in einen Zustand der Bewegung.
1
Glissons Abhandlungen sind erschienen: (1654): »Tractatus de anatomica hepatis«, (1672):
»Tractatus de natura substantiae energetica«, (1677): »Tractatus de ventriculo et intestinis.« Zur
Konzeption Glissons vgl. Bueß 1942, Marion 1882, Meyer 1843, Pagel 1953, 1967; Singer 1937,
Temkin 1964.
2
Vgl. Berg 1942
3
Zur Zeit Glissons stand die Faser nahezu ausschließlich im Zentrum der Analyse der
Muskelbewegung (Berg 1942). Die mechanische Zergliederung und Analyse der
Skelettmuskulatur offenbarte ja die Muskelfaser gewissermaßen als den Prototyp einer
Faserstruktur. Vgl. hierzu die "geometrische Muskelbewegung" des dänischen Naturforschers
Niels Stensen (1638-1686). [Stensen (1663): »Nova musculorum et cordis fabrica«, (1664): »De
musculis et glandulis observationum specimen«, (1667): »Elementorum myologiae.«]
4
Der Begriff Reiz (stimulus) wurde erstmals 1701 von Giorgio Baglivi (1668-1707) verwendet
(Möller 1975). Baglivi verstand unter stimulus äußere und innere Ursachen physiologischer oder
pathologischer Art, die zur Bewegung fester Teile führten. (Ibid., S. 11ff)
5
Vis perceptionis, vis appetitus und vis motus sind im naturphilosphischen System Glissons die
Grundlage von Substanz und die Grundkräfte der Materie. [Glisson (1672): »Tractatus de natura
substantiae energetica.«] Ohne die der Materie inhärente Kraft der Emfindung sollte kein
Begehren möglich sein, ohne Begehren keine Bewegung, ohne Bewegung keine Tätigkeit und
ohne Tätigkeit kein Leben. Zur Naturphilosphie Glissons vgl. Marion 1882, Singer 1937.
72
Letztgenannte Fähigkeit unterschied Glisson in: (1) einen motus naturalis der Faser, als Folge
direkter Reizung, unabhängig von Gehirn und Nerven, allein bedingt durch die innere
Beschaffenheit der Faser, (2) einen reflektorisch über die Nerven vermittelten motus sensitivus
und (3) einen motus animalis, als die vom Gehirn ausgehende, durch Nerven- und Seeleneinfluß
(influxus animalis) vermittelte willkürliche Beweglichkeit. Mit diesen drei Arten motorischer
Zustandsänderungen verband Glisson drei Arten von Irritabilität: (1) Die nervenunabhängige,
natürliche, (2) die nervenabhängige, sensitive und (3) die von Gehirn und Nerven abhängige, und
von der Phantasie befohlene. Das Zusammenspiel dieser drei Formen von Irritabilität, so sah es
Glisson vor, balanciert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wirkung und Gegenwirkung, Ruhe
und Bewegung, zwischen Tension und Remission, als den der Lebenstätigkeit zugrunde liegenden
Hauptprinzipien. Indem Glisson die Faser als den mikroanatomische Ort verstand an dem sich all
die genannten Lebensbewegungen abspielen, war die Faser das eigentliche Substrat der
Lebenstätigkeit und Irritabilität nicht nur die Grundeigenschaft der Faser, sondern die einer
jeglichen organismischen Lebenserscheinung. Glissons Lehre blieb ohne Auswirkung auf die
physiologischen Überlegungen seiner Zeitgenossen.
Erst im 18. Jahrhundert wurden die Grundgedanken der Glissonsche Irritabilitätslehre von
Albrecht von Haller (1708-1777), dem wohl berühmtesten Schüler der Leydener Schule um den
1
großen Lehrer Hermann Boerhaave (1668-1738), neu aufgegriffen. Wärend die Lehre Glissons
eine sich mehr auf allgemeines Erfahrungsgut und philosophische Überlegungen berufende
Gedankenkonstruktion war, so stützte sich Haller erstmals auf die Durchführung und Auswertung
physiologischer Experimente. Mit Haller beginnt denn auch ein neues Kapitel in der Geschichte
der Biologie: die empirisch ermittelte Zuordnung spezifischer Funktionen und physiologischer
Eigenschaften an die einfachsten Strukturelemente belebter Körper. Durch systematische
Verletzung sämtlicher Organe und Organteile, durch betreufeln mit kalten, heißen oder ätzenden
2
Substanzen, durch stechen, drücken und quetschen, aber auch mit Hilfe von Elektrizität ,
versuchte Haller, in der Beobachtung der Reizantwort des betroffenen Organteils, die Faserteile
des Körpers in die zwei Eigenschaftskategorien reizbar (irritabilis) und empfindend (sensibilis)
3
einzuteilen. In seiner 1752 erschienenen Schrift: »De partibus corporis humani sensilibus et
4
irritabilibus« nannte Haller diejenigen Faserteile des Körpers empfindend, die als Reaktion auf
den
1
Zur Person Boerhaaves und zur Bedeutung seiner Schule vgl. Lindeboom 1970.
Zur Reizmethodik Hallers vgl. Mallepree 1966, Rothschuh 1966, Rudolph 1970.
3
Zur Konzeption Hallers vgl. Bueß 1949, D'Irsay 1930, Lesky 1959, Mallepree 1966, Rudolph
1964, 1965, 1970; Schär 1958, Singer 1937, Toellner 1967, 1971.
4
Haller 1753
2
73
eintreffenden Reiz "eine Vorstellung in der Seele" hervorriefen. (Bei Tieren, "von deren Seele wir
noch nicht so viel erkennen können", nannte Haller diejenigen Teile empfindlich, "bei welchen,
wenn sie gereizt werden, ein Tier offenbare Zeichen eines Schmerzes oder eine Unruhe zu
1
erkennen gibt."). Für die Vermittlung der Empfindung und damit für die Reizleitung
verantwortlich sah Haller die mit dem Gehirn in Verbindung stehenden Nerven. Nerven sind für
Haller mit Empfindlichkeit ausgestattet, die Sensibilität ist die Grundeigenschaft des
2
Nervensystems. Antwortet ein Teil des Körpers auf den Reiz hingegen vornehmlich mit
Zusammenziehung, so hatten diese Teile in Hallers Konzept die Eigenschaft der Irritabilität, sie
waren reizbar, d.h. in der Lage, Reize zu empfangen und auf diese mit Kontraktion zu antworten.
Naheliegend rechnete Haller zu den reizbaren Organen vor allem die Muskulatur. Wie Glisson
unterschied auch Haller verschiedene Faserkräfte: (1) eine allen Fasern eigene vis elastica, die
Fähigkeit der Faser nach Dehnung wieder in ihre Ausgangsposition zurückzukehren, (2) eine
durch Reize hervorrufbare vis innata (z.B. Muskelzittern) und (3) die durch die Nerven zum
Muskel gelangende vis nervosa. Über eine der vis nervosa zugrunde liegenden Wirksubstanz kann
auch Haller noch keine Alternative zu jenem im Gehirn produzierten und in die Nerven
ausgeschiedenen Nervensaft finden. Auch Haller hielt es für wahrscheinlich: [...] daß es eine
Flüssigkeit sey, die vom Gehirn kömmt, in die Nerven hinabsteigt, und bis an die äußersten Enden
hinfließt, eine Flüßigkeit, deren Bewegung durch einen Reiz beschleunigt wird, und die bloß nach
der Richtung ihres Stromes wirkt, die aufwärts keine Zuckungen zurückschicken kann, weil ihnen
der neue Zufluß der Flüßigkeit vom Gehirn widersteht. Eben diese Flüssigkeit aber, die von einem
Emfindung erregenden Körper, in einem Sinnesorgan in Bewegung gebracht worden, pflanzt
diese Bewegung aufwärts ins Gehirn fort, welcher Bewegung kein entgegengesetzter vom Gehirn
3
kommender Empfindungsstrom widersteht." Quetschte man einen Nerven, so Hallers Vorstellung,
dann wird die Flüssigkeit im Inneren der Nervenröhre in Richtung der Muskulatur beschleunigt.
Der Nervensaft selbst habe die Eigenschaft eines Reizmittels, das die Grundteilchen der
4
Muskelfaser nötige, näher zueinander zu treten und den Muskel so zur Kontraktion veranlassen.
Wichtig zu betonen ist, daß Haller den Glissonschen Begriff der Irritabilität allein auf das
Muskelgewebe anwandte und Irritabilität als eine allein im Muskel wirkende, von Nerven
unabhängige "lebende Kraft" verstand - ungeachtet der Beobachtuung, daß nicht nur künstliche
Reizung, sondern auch Nervenreizung Muskelkontraktion hervorruft. Als Beweis der
Nervenunabhängigkeit von Irritabilität führte Haller experimentelle Befunde an: Der Nachweis
von Irritabilität auch nach der Trennung des "reizbaren Wesens" von "der
1
Haller 1753, »Ostwalds Klassiker« S. 14
Zur Verwendung des Begriffes Sensibilität im 18. Jahrhundert vgl. Rousseau 1976.
3
Haller 1753, zit. aus Rothschuh 1958, S. 2965
4
Vgl. Möller 1975, S. 15
2
74
Kraft der Nerven". Auch nach Abtrennung des Muskels vom innervierenden Nerven, ebenso wie
an einem abgetrennten Finger, konnte ja in Folge Berührung Irritabilität nachgewiesen werden,
"obwohl irgendwelche Seelenkräfte wie Wille, Gedächtnis, Urteilsvermögen und dergleichen in
1
ihm nicht mehr enthalten sein können."
Ungeachtet dieses, gemessen am damaligen Kenntnisstand, ja durchaus überzeugenden
Arguments, bestand in der Folge Hallers Verwirrung über die Begriffe Reiz, Irritabilität,
Sensibilität, Empfindung, Empfindlichkeit etc., oder wie sich später der Physiologe Max Verworn
(1863-1921) in einer historischen Bewertung der Lehre Hallers ausdrückte: "[Hallers] richtige
Grundgedanken öffneten durch ihre unglückliche Bestimmung der Begriffe Irritabilität,
2
3
Kontraktilität und Sensibilität, der Konfusion Tür und Tor." In der Bemühung um Klärung der
Hallerschen Terminologie, war insbesondere der Frage nachzugehen, ob nicht allein die
Muskulatur, sondern auch andere Organe fähig sind, Reize zu empfangen und zu beantworten und
im besonderen, ob Nerven notwendig sind, den Reiz zu vermitteln und eine Reaktion hervorzurufen.
Johann August Unzer (1727-1799) zufolge besaßen die Nerven eine eigene Form der
Reizbarkeit, die weder mit der Hallerschen Irritabilität, noch mit dessen Begriff der Sensibilität
4
gleichzusetzen war. Diese "spezifische Nervensensibilität" nannte Unzer die den Nerven und
ihren Säften eigene und vom Gehirn unabhängige Nervenkraft. Die Fähigkeit der Nerven
Eindrücke aufzunehmen, nannte Unzer die empfindende Kraft, die er als eine Unterkategorie der
Nervenkraft auffasste. Die Nervenkraft versetzt die Nerven in die Lage, einen "sinnlichen
Eindruck" entweder direkt, als "Anweisung vom Gehirn" oder "von Außen",
1
Haller 1753, »Ostwalds Klassiker« S. 36f
Der Begriff Kontraktilität im Zusammenhang mit der Beschreibung von Muskelbewegungen
wurde von Haller allerdings nicht verwendet, sondern erstmals bei Pfaff (1795): Ȇber thierische
Electricität und Reizbarkeit.«
3
Verworn (1914): »Erregung und Lähmung« S. 5. Vgl. auch die Kritik an Haller bei D' Irsay
1930. In seiner Untersuchung der Begriffe Reizbarkeit und Reiz heißt es bei Möller (1975, S.
19f): "Haller legt das Gewicht auf die einem Reiz folgende Zusammenziehung des Muskels,
vernachlässigt dabei aber die Fähigkeit zur Aufnahme eines solchen Reizes. In seiner
Begriffsbildung steht das Phänomen der Reizbeantwortung im Vordergrund. Das Wort
"Reizbarkeit" hat aber an sich nicht eine so enge Bedeutung, sondern würde auch die Aufnahme
von Reizen umfassen, die Haller unter dem Terminus "Sensibilität" subsummiert, wobei er auf die
Fähigkeit zu bewußter Empfindung fixiert ist. In Hallers Terminologie ergibt sich die sprachlich
paradoxe Situation, daß ein Nerv zwar "gereizt" werden kann, (daß man Reize an in heranbringen
kann), daß er aber nicht reizbar ist. (d.h. er hat nicht die Fähigkeit, sich auf Reize zu
kontrahieren)."
4
Unzer (1746): »Gedanken vom Einfluße der Seele in ihrem Körper«, (1771): »Erste Gründe
einer Physiologie der eigentlichen Natur thierischer Körper«. Zur Konzeption Unzers vgl. Möller
1975, Rothschuh 1958.
2
75
über die Sinnesorgane aufzunehmen. In Unzers Konzept werden alle Funktionen des Organismus
über das Nervensystem und die Befehle, die es den Organen erteilen sollte, geregelt. Alle Organe
sind damit vom Gehirn, als dem anatomischen Ausgangspunkt aller Nerven, abhängig und diesem
untergeordnet. Nur die Nerven besitzen die Fähigkeit, sinnliche Eindrücke aus der Umgebung
("äußerer sinnlicher Eindruck") oder als Anweisung des Gehirns ("innerer sinnlicher Eindruck")
zu empfangen. Allein die Nerven sind in der Lage, einen sinnlichen Eindruck in einen Reiz zu
transformieren, diesen an die mit den Nerven in anatomischer Verbindung stehenden Organe
fortzuleiten und die Organe so zu den ihnen eigenen Tätigkeiten zu veranlassen. Alle Organe, so
Unzers zentraler Gedanke, sollten den Reiz zur Auslösung von Tätigkeit durch Nerveneinwirkung
erfahren.
Der Münsteraner Leibmedikus Christoff Ludwig Hoffmann (1721-1807) grenzte den von
1
Unzer benutzten Begriff der Empfindung gegenüber dem Begriff der Empfindlichkeit ab.
Empfindung war bei Hoffmann allein an die Funktion des Gehirns gekoppelt, während
Empfindlichkeit eine Eigenschaft der Nerven meinte. Die Nerven selbst sind empfindlich und
damit alle Teile des Körpers, in denen sich Nerven ausbreiteten. Wie Unzer, so wies auch
Hoffmann nur den Nerven die Fähigkeit zu, Einwirkungen auf einen "empfindlichen Teil des
Körpers" zu perzipieren und die durch das "Reizen" vorgehende Veränderung im Nerven in das
2
Gehirn fortzupflanzen. Empfindlichkeit wird, über die Nerven vermittelt, im Gehirn als
Empfindung bewußt. Nerven "erregen Empfindung", heißt es bei Hoffmann, hingegen sind "alle
Theile, welche keinen Nerven haben, [..] völlig unempfindlich, und alle Verletzungen derselben
3
bringen nicht das mindeste Gefühl zuwege [...]." Umgekehrt "erregt" der Nerv die "Lebenskräfte
der Muskelfaser." Die Fähigkeit des Muskels, die Reizung des motorischen Nerven mit
Zusammenziehung zu beantworten, nannte Hoffmann Agilität.
Wie bei Unzer so war es auch bei Christoph Heinrich Pfaff (1773-1852) die Nervenkraft,
die entweder im Gehirn Empfindung erzeugte oder die den Muskel Zuckungsreaktionen ausführen
4
ließ. Diese Fähigkeit des Muskels nannte Pfaff nun erstmals Contractilität. Contractilität und
Nervenkraft sind bei Pfaff, die für eine Muskelzuckung notwendigen Voraussetzungen. Der
Hallersche Begriff der Irritabilität ist damit bei Pfaff durch den Begriff der Contractilität ersetzt
worden. Pfaff selbst spricht aus: "Hallers Irritabilität entspricht der Contractilität in dem von mir
5
gebrauchten Sinne." Während Hoffmann den Begriff der Empfindlichkeit bevorzugte und den der
Irritabilität gänzlich
1
Hoffmann (1779): »Von der Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Theile.«
Für Reizen gibt Hoffmann eine allgemeingehaltene Definition: "Das (mechanische oder
chemische) Wirken in lebendige empfindliche Theile nennt man das Reizen." (Ibid., S. 119)
3
Ibid., S. 31
4
Pfaff (1795): »Über thierische Electricität und Reizbarkeit.«
5
Ibid., S. 269
2
76
vermied, verlegte Pfaff Irritabilität nun nicht mehr wie Haller in den Muskel, sondern einzig und
allein in die Nerven. Nur die Nervenfaser ist irritabel. Pfaffs Irritabilität ist die Fähigkeit der
Nerven, Reize aufzunehmen. Indem Paff zugleich den Begiff Reiz definiert als "alles das [...],
was durch seine Einwirkung auf empfindliche Teile oder reizbare Teile Empfindungen oder
1
Zuckungen erregt, [...]" war von nun an das entscheidende Charakteristikum eines Reizes, das
Einwirken auf nervöse Strukturen. Denn auch für Pfaff sind nur empfindliche Strukturen reizbar
und nur die Nerven sind empfindlich.
Am Ausgang des 18. Jahrhunderts stand die dominierende Rolle des Nervensystems bei der
Betrachtung von Organismusfunktionen fest. Gehirn und Nerven galten als die
Vermittlungsorgane einer jeden Einwirkung der Außenwelt auf den Organismus und initiierten
die spezifischen Organtätigkeiten, eine Vorstellung, die naheliegend auch in der Medizin ihren
Niederschlag fand. Zu nennen sind insbesondere die Neuropathologie des Edinburgher Klinikers
2
3
William Cullen (1710-1790) und die Erregungslehre seines Schülers John Brown (1735-1788).
Für Cullen wie für Brown galt das Nervensystem, im Gesunden wie im Kranken, als der Quell
des Lebens und der vitale Mittelpunkt des Organismus. Krankheitserregende Reize wie Kälte,
Miasmen (z.B. toxische Ausdünstungen des Bodens) oder Kontagien (Ansteckungsstoffe) wirkten
nach Meinung Cullens direkt auf das Nervensystem und reizten dieses. Die als Folge der
Reizeinwirkung gestörte (geschwächte oder überaktive) Nervenkraft (nervous power) ließ den
4
Körper erkranken und hielt den krankhaften Zustand aufrecht. Im Zentrum der Überlegungen
Browns stand der Begriff der Irritabilität, den Brown durch den Begriff der Erregbarkeit
(excitability) ersetzte. Unter Erregbarkeit verstand Brown die Fähigkeit der Körperteile durch
5
Reize in einen Zustand der Erregung (excitement) versetzt zu werden. Die Eigenschaft der
Erregbarkeit unterscheidet die Zustände des Lebens von jenen des Todes. Störungen der
Erregungsbalance im Organismus bewirken dessen Erkrankung. Über die Nerven, so Browns
Vorstellung, würde Erregbarkeit "als gleichförmige, unzertheilbare Eigenschaft" homogen im
Körper verteilt.
1
Ibid., S. 300
Cullen (1776): »First lines of the practice of physics.«
3
Brown (1780) »Elementa medicinae.«
4
Zur Neuropathologie William Cullens vgl. Bowman 1975, Rath 1956, 1964.
5
Zur Konzeption Browns vgl. Henkelman 1981, Hirschel 1846, Risse 1970.
2
77
3. Die Idee von der thierischen Elektricität und deren Lokalisation im
Nervensystem
Parallel zu der Auffassung das Nervensystem als das Zentralorgan des Organismus zu verstehen,
begann sich im 18. Jahrhundert die Vorstellung zu verfestigen, daß das Wirkprinzip in Nerv und
1
Muskel mit einer im Organismus gespeicherten, thierischen Elektricität in Verbindung zu
bringen sei. Daß Elektrizität im Organismus tatsächlich vorhanden ist, ließ sich aus einer Vielzahl
von Alltagsbeobachtungen ableiten. (Beispielsweise hielt man das knisternde, statische Auf- und
Entladen beim Kontakt mit einem Wollkleidungstück, für das Ausfließen von Elektrizität aus dem
2
Körper ). Die Frage, woher diese Elektrizität denn ursprünglich stammt, wurde ganz Sinne der
alten Spirituskonzeption beantwortet, nämlich dahingehend, daß die atmosphärische Elektrizität
der Luft (deren vielfältige Phänomene ja bei Gewittern beobachtet werden konnten) eingeatmet
3
würde, diese somit über die Lungen in den Körper gelangt und sich dort verteilt. Andere
Vorstellungen wiederum ergaben sich aus der Beobachtung jener mit der Erzeugung von
Reibungswärme entstehenden Reibungselektrizität. Wie das Reiben von Glas sowohl Wärme als
auch Elektrizität erzeugte, vermutete schon der englische Theologe und Physiker Stephan Hales
(1677-1761), so sollte in den Blutgefäßen, durch die ständige Reibung der Blutsäfte an den
4
Gefäßwänden, elektrische Materie in Bewegung versetzt und Elektrizität erzeugt werden.
Ideen, wie jene Stephan Hales', ließen sich auf die vorherrschende Nervensafthypothese
übertragen. Im Jahre 1749 schrieb der französische Physiologe Francois Boissier de la Croix des
Sauvages (1706-1767): "Ich frage [..] ob nicht der Nervensaft in die Nerven mit einer
Geschwindigkeit getrieben werde, die hinlänglich ist, sie zu erwärmen und sowohl der Zäserlein
Elektricität, als ihre eigene in ihr spielende Bewegung zu bringen? Könnte nicht auch durch diese
Elektricität geschehen, daß die Nervenzäserchen sich runtzeln
1
Der Terminus thierische Elektricität wurde erst 1780 von dem in Montpellier wirkenden Abbé
Pierre Bertholon de Saint Lazare (1742-1800) in die Physiologie eingeführt. [Bertholon (1780):
»De l'électricité du corps humain.«] Zur Geschichte der Elektrizitätslehre und zur Geschichte der
thierischen Elektrizität vgl. Brazier 1958, Camerson Walker 1937, Fisher 1956, Heilbron 1979,
Hoff 1936, Home 1970, Hoppe 1884, Pupilli & Fadiga 1963, Rothschuh 1959a, 1960; Walker
1936, 1937.
2
Rothschuh 1959a, 1960
3
Vgl. z.B. Francois Boissier de la Croix des Sauvages (1753): »Dissertation ou l'on recherche
comment l'air, suivant ses différents qualités, agit sur le corps human«, zit. nach Rothschuh 1959a,
1960.
4
Hales (1733): »Statical essays: containing haemostaticks.« Zur Konzeption Hales vgl. James
1985, Rothschuh 1959a, 1960.
78
1
und die gantze Muscul verkürtzen [...]." Bei einem Schüler des Sauvages, Jean-Etienne Deshais,
heißt es in dessen Dissertation über tierische Elektrizität: "Diese elektrische Materie besteht aus
schweflig-feurigen, dem Lichte ähnlichen Theilchen, die, in schnelle, zitternde Bewegung gesetzt,
eine Kraft im Quadrat ihrer Geschwindigkeit äußern, und um den Körper, in dem sie sich
aufhalten, eine Atmossphäre bilden. [...]. Die Nerven sind zur Forttreibung der elektrischen
Materie bestimmt. [...]. Da das Gehirn das leichteste Organ des Körpers ist, muß die leichteste
elektrische Materie auch vom Gehirn abgesondert werden. Auch schicken sich die Nervenfasern,
die vom Gehirn ausgehen, besser zur Ausrichtung des Willens der Seele, als etwa die Blutgefäße,
um die elektrische Materie mit großer Geschwindigkeit zu leiten. Die Geschwindigkeit der
elektrischen Materie dürfte so groß sein, daß sie die Schnelligkeit der ausgeführten Befehle der
Seele erklärt. [...] der Nervensaft muß sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit fortpflanzen,
das spricht für seine elektrische Natur. Man brauche dabei nicht zu fürchten, daß die elektrische
2
Materie den Nerven verlässt, denn sie hängt dem Nerven fest an."
3
Am Ausgang des 18. Jahrhunderts war die Vorstellung von Elektrizität in Organismen anerkannt ,
ihr Vorhandensein im Nervensystem, in Gestalt einer elektronervösen Flüssigkeit, war jedoch
4
nicht mehr als eine populäre Idee. Ein experimenteller Nachweis fehlte. Wichtigstes Argument
für die Annahme einer Nervenelektrizität, ein Hinweis den schon Deshais gegeben hatte, war
allein die hohe Geschwindigkeit, die für ein in Nerven wirkendes Prinzip postuliert werden
mußte, eine Geschwindigkeit die von strömenden Flüssigkeiten niemals erreicht werden konnte.
Der Leipziger Apotheker und Professor für Arzneikunde Karl Gottlob Kühn (1754-1840)
argumentierte: "Die hohe Geschwindigkeit des Nervenprozesses läßt sich nur auf der Grundlage
einer elektrischen Natur erklären, denn nur von der
1
de Sauvages (1749): »De l'influence de l'électricité«; zit. nach Rothschuh 1959a, S. 204
Deshais (1749): »De hemiplegia per electricitatem curanda«; zit. nach Rothschuh 1959a, S. 204
3
Von John Walsh (1725-1795) war der Nachweis geführt worden, daß gewisse Fische bei
Berührung Elektrizität erzeugten. [Vgl. Walsh (1773): »On the electrical properties of the
Torpedo.«] Zur Bedeutung elektrischer Fische in der Frühzeit der experimentellen Elektrobiologie
vgl. Kellaway 1946.
4
Die wichtigsten Gegner einer Gleichsetzung des im Nerven wirkende Prinzips mit Elektrizität
waren Albrecht von Haller und der italienische Arzt, Physiker und Naturforscher Felice Fontana
(1730-1805). [Möller 1975]. Beide interpretierten die physikalischen Eigenschaften der "elektrischen Materie" als nicht in Nerven einschließbar. Haller glaubte zudem in seinen Experimenten
beobachtet zu haben, daß sich durch Abbinden der Nerven mit einem Faden, oder durch Druck
auf Stellen des Gehirns oder des Rückenmarks, Nerveneinfluß aufheben ließ. Da sich elektrischer
Strom nicht einfach durch Abdrücken unterbrechen läßt, konnten Nervenvorgänge nicht von
elektrischer Natur sein.
2
79
Elektricität kennen wir eine so außerordentliche Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Man denke nur
daran, wie schnell der Nervenprozeß bei dem geschwinden Flügelschlag gewisser Tiere sein
1
muß."
Einen experimentellen Zugriff auf die tierische Elektrizität versprachen die seit Mitte des 18.
Jahrhunderts geläufigen Elektrisiermaschinen. Mit deren Hilfe war es möglich, in größerem
Umfang Elektrizität zu erzeugen und diese auf ein elektrisches Leitelement (wie einen Muskel
2
oder einen Nerven) zu entladen. Bereits 1748 war es dem Genfer Physiker Jean Jallabert (17123
1768) gelungen, mit Hilfe einer Elektrisiermaschine Muskelkontraktionen auszulösen. Die
Elektrisiermaschine erstmals systematisch am präparierten Froschmuskel angewandt zu haben (im
Zusammenhang mit Untersuchungen zur Hallerschen Irritabilitätslehre) wird dem italienischen
4
Physiologen Leopoldo Marco Antonio Caldani (1725-1813) zugeschrieben. Caldanis
berühmtester Schüler, der Anatom und Physiologe Luigi Galvani (1737-1798), wurde mit seinen
an der Froschmuskulatur durchgeführten Experimenten bekanntlich berühmt.
Mit der Formulierung seiner Befunde, wobei es nicht notwendig ist, diese hier im Detail
5
wiederzugegeben , war es Galvani, der dem Konzept der tierischen Elektrizität in der Muskel- und
6
Nervenpysiologie zum Durchbruch verhalf. Im entscheidenden Experiment war es Galvani
gelungen (ohne Zuhilfenahme einer Elektrisiermaschine oder anderer externer Stromquellen),
einen Muskel allein dadurch zur Kontraktion zu bewegen, indem er den
1
Kühn (1785): »Geschichte der medizinischen und physikalischen Elektrizität«, S. 48ff. Wie
Bertholon, so hielt auch Kühn die Lungen (Luftreibung in den Bronchien) neben den Blutgefäßen
für "Absonderungswerkzeuge der elektrischen Materie." Bemerkenswert ist, daß Kühn noch
immer das "Augenleuchten" mit Vorgängen im Nervensystem in Zusammenhang brachte: "Haben nicht Liebeskranke häufig besonders leuchtende Augen?" (Ibid., S. 48)
2
Eine "Elektrisiermaschine" (Reiben einer Schwefelkugel) war bereits im 17. Jahrhundert von
Otto von Guericke (1602-1685), damals Bürgermeister in Magdeburg, erfunden worden. Zum
Durchbruch in der Weiterentwicklung von Elektrisiermaschinen kam es im Jahre 1745 mit der
Erfindung des Kondensators durch den Leydener Physiker Peter Musschenbroek (1692-1761).
Die sogenannte Leydener Flasche wurde zum entscheidenden Instrument der frühen
experimentellen Elektrobiologie. Zur Geschichte der Elektrisiermaschinen vgl. z.B. Dorsman &
Gromelin 1957, Hackmann 1978, Schimank 1935.
3
Jallabert (1748): »Expériences sur l'électricité.«
4
Brazier 1984, S. 138. Zu den Anfängen der Elektrophysiologie in Italien vgl. Pupilli & Fadiga
1963.
5
Zu Galvanis Untersuchungen vgl. Bastholm 1950, Hoff 1936, Roller & Roller 1954, Rothschuh
1963, Sirol 1933, Walker 1936, Williams 1975.
6
Galvanis Experimente wurden in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts durchgeführt. Die
Versuchsprotokolle wurden 1791 in der Schrift »De viribus electricitatis in motu musculari
commentarius etc.« zusammengefaßt und veröffentlicht.
80
Nerven eines Nerv-Muskel-Präparats derart auf den Muskel eines zweiten Präparats gleiten ließ,
daß die Längsoberfläche und der frische Querschnitt des Muskels überbrückt wurde. Glückte
1
diese Anordnung, kontrahierte der Muskel. Galvani triumphierte: "Nach den bisher erkannten
und erforschten Thatsachen steht, meine ich, genügend fest, dass den Thieren Electricität
innewohnt, welche mit Bartoloni und anderen wir mit dem Gattungsnahmen »Thierische« zu
benennen uns erlauben. [...] während schon früher viele sehr berühmte Männer sie angekündigt
hatten, so hätten wir doch nie erwartet, dass uns das Glück so hold sein würde, uns zuerst zu
gestatten, die in den Nerven verborgene Electricität gleichsam mit Händen zu greifen, aus den
2
Nerven hervorzuziehen und beinahe vor Augen zu legen." In seiner Schrift Ȇber thierische
3
Electricität und Reizbarkeit« faßte Christoff Heinrich Pfaff die Ergebnisse Galvanis wie folgt
zusammen: "(1) Die Thiere haben eine eigenthümliche selbständige Elektricität, welche den
Namen "thierische Elektricität" verdient. (2) Die Organe, in welchen diese "thierische
Elektricität" vorzüglich wirkt, und durch welche sie dem ganzen Körper mitgeteilt wird, sind die
Nerven, und das wichtigste Absonderungsorgan derselben ist das Gehirn. (3) Die innere Substanz
der Nerven, wahrscheinlich die dünnste Lymphe, ist mit Leitungskraft für Elektricität begabt, und
macht daher die freie und schnelle Bewegung der Elektricität durch die Nerven möglich, zugleich
aber verhindert der ölige Überzug der Nerven die Zerstreuung dieser Elektricität, und erlaubt ihre
4
Anhäufung (Konzentration) in den Nerven."
Die Veröffentlichung der Experimente Galvanis fand ungewöhnliche Resonanz und führte
5
zu einer Flut von Folgeexperimenten. Der Berliner Physiker und Physiologe Emil Du BoisReymond (1818-1896) schrieb einige Jahrzehnte später über die Begeisterung, die Galvanis
Experimente in den Jahren um die Wende zum 19. Jahrhundert ausgelöst hatten: "Der Sturm, den
das Erscheinen des »Commentarius« in der Welt der Physiker, der
1
Hinsichtlich der Arbeitsweise der Muskulatur, "den vorzüglichsten Behältern der thierischen
Elektrizität", nimmt Galvani, wie viele seiner Zeitgenossen, das Funktionsprinzip der Leydener
Flasche an. Die Muskelfaser sollte auf ihrer Oberfläche negativ und in ihrem Inneren positiv
geladen sein. Zur Kontraktion sollte es augenblicklich dann kommen, wenn sich die "Leydener
Flasche" entlade, und zwar in der Weise, daß die elektrische Flüssigkeit des Muskels aus diesem
heraus in die Nerven und aus diesem wiederum zurück auf die Oberfläche des Muskels geleitet
würde.
2
Galvani 1791, »Ostwalds Klassiker« S. 45 u. S. 54
3
Pfaff 1795
4
Ibid., S. 329f
5
Die Galvani folgenden Jahre sind als die Epoche des Galvanismus in die Geschichte der
Neurophysiologie eingegangen. Es würde den vorgesehen Rahmen dieses Kapitels sprengen,
würde man auch nur auf eine Auswahl der in Frankreich, Deutschland und Italien durchgeführten
galvanischen Experimente hinweisen. Vgl. z.B. Hüffmeier-von Hagen 1964, Rothschuh, 1959a,b;
Sirol 1939.
81
Physiologen und Ärzte erregte, kann nur dem verglichen werden, der zu derselben Zeit am
politischen Horizont Europas aufzog. Man kann sagen, wo es Frösche gab, und wo sich zwei
Stücke ungleichen Metalls erschwingen ließen, wollte Jedermann sich von der wunderbaren
1
Wiederbelebung der verstümmelten Gliedmaßen durch Augenschein überzeugen." Entscheidende
Fortschritte zum tieferen Verständnis der Physik der Nerven wurden mit diesen Experimenten
2
allerdings nicht erzielt.
1
Du Bois-Reymond (1848): »Untersuchungen über thierische Elektrizität«, zit. nach Florey
1992, S. 362.
2
Die wohl bekannteste Debatte dieser Jahre fand zwischen Galvani und Allessandro Volta (17451827) statt. Volta, damals Physiker in Pavia, hielt nichts von der Idee einer rein thierischen
Elektricität als Ursache der galvanischen Muskelphänomene. Volta favorisierte eine Metallelektrizität bzw. Kontaktelektrizität zwischen zwei verschiedenen Metallen als Auslöser der von
Galvani beobachteten Muskelkontraktion. Die Erfindung der Volta-Säule (Batterie) ist das
Ergebnis dieser Auseinandersetzung. Mit ihr konnte Volta zeigen, daß Elektrizität nicht nur das
Produkt von Reibung, also einer Elektrisiermaschine, sein kann, sondern daß es ebenso möglich
ist, Elektrizität durch die bloße Anordung von Metallteilen zu erzeugen. Der Streit zwischen Galvani und Volta wurde schließlich durch Alexander v. Humboldt (1769-1859) zugunsten Galvanis
entschieden. Zur Galvani-Volta Kontroverse vgl. Dibner 1952, Geddes & Hoff 1971, Heilbron
1978, 1979; Mauro 1969, Rothschuh 1959a,b; 1963; Sudduth 1980.
82
4. Romantisch-vitalistisches Zwischenspiel: Lebenskraft und Nervenkraft
Am Ausgang des 18. Jahrhunderts hatte das Wissenschaftsideal der rational-mechanischen
Beschreibung von Vorgängen in Organismen ihren Höhepunkt erreicht. Gegenreaktion war das
Wiederaufleben vitalistischer Anschauungen, iniitiert durch die französische Ärzteschule in
1
Montpellier , und, insbesonders in Deutschland, das Einsetzen einer spekulativ-romantischen
Naturforschung im Anschluß an das philosophische System des Jenaer Philosophen Friedrich
2
Wilhelm Joseph Schelling (1775-1857). Im Zentrum der romantischen Naturforschung stand nun
nicht mehr die experimentelle Fassung physiologischer Phänomene und der Induktionschluß,
3
sondern durch Vergleich und das Aufsuchen von Analogien sollten die Grundgesetze des
4
Naturgeschehens "erfahren" werden. Für die Naturwissenschaft der Romantik war es zentrales
Forschungsanliegen, Übergangszustände und Ähnlichkeiten innerhalb der lebendigen
Erscheinungen und innerhalb deren Grundkräfte aufzufinden. Als letztere galten Elektrizität,
5
Magnetismus und Chemismus als die Kräfte des Anorganischen,
1
Der durch die Schule in Montpellier um Boissier de la Croix des Sauvage (1706-1767),
Théophile des Bordeau (1722-1766) und Francois Xavier Bichat (1771-1802) initiierte Vitalismus
der Jahre 1770 bis etwa 1840, fußt ursprünglich auf der Lehre des Georg Ernst Stahl (1660-1734),
neben Friedrich Hoffmann dem zweiten großen hallensische Naturfoscher des ausgehenden 17.
beginnenden 18. Jahrhunderts. Stahl, ein "Mann von pietistischer Frömmigkeit und Verächter der
Anatomie und Physiologie" (Rothschuh 1953, S.73), wandte sich gegen die durch die Leydener
Schule um Boerhaave vertretenen, mechanistischen Lebenslehren seiner Zeit. [Vgl. Stahl (1708):
»Theoria medica vera«]. Die Ursache der Leistungen der Teile des Körpers beruhe nicht auf deren
Struktur oder einer an diese gekoppelten Mechanik, sondern einzig und allein auf einem
immateriellen Seelen-Prinzip, der Anima, die als das Principium vitae allen Funktionen des
Organismus vorstand, ohne (hier steht Stahl im Gegensatz zu seinem Kollegen und Kontrahenten
Hoffmann) eines Nervenfluidums zu bedürfen. Zur Person Stahls, zum Stahlschen Animismus
und zur Geschichte des Vitalismus vgl. Schaxel 1922, Strube 1984, Wheeler 1939.
2
Dazu Biedermann & Lange 1975, Dietzsch 1978, Engelhardt 1985, Hartkopf 1978/79,
Hartmann 1897, Herman 1977, Metzger 1910.
3
Dazu Breidbach 1987.
4
In seiner 1826 erschienenen Schrift »Versuch einer Darstellung der Lehre vom Kreislauf des
Blutes« heißt es z. B. bei H. Österreicher, als Anwort auf die Frage, welche Kraft für die
"Kreisung des Blutes" verantwortlich sei: "Auch hier kann Analogie aushelfen. Im Makrokosmos
ist die Sonne das bestimmende ruhende Prinzip, um das die Planeten kreisen, im Kreislauf ist das
Nervensystem das ruhende, das Blut das kreisende Element, folglich wird auch im Mikrokosmos
das Ruhende, das Nervenmark, die Kreisbewegung des Blutes bestimmen." (Zit. nach Rothschuh
1953). Zur romantischen Medizin vgl. Diepgen 1923, Garrison 1931.
5
In Form des animalischen Magnetismus Franz Anton Mesmers (1734-1815) fand auch der
Magnetismus Eingang in die romantische Naturschau. [Vgl. Mesmer (1814): »Mesmerismus«,
bzw. Florey 1987, Sutton 1981].
83
1
sowie Irritabilität, Sensibilität und Reproduktionskraft als die Grundkräfte des Organischen. Die
Suche nach Gemeinschaftlichem und Übereinstimmendem innerhalb dieser Grundkräfte sollte zu
einer Erfahrung der "Idee der Natur als ihrem innersten Wesen" führen. Dieses Ziel zu erreichen
2
blieb demjenigen verwehrt, der allein in der experimentellen Detailbetrachtung haften blieb.
Aus der Perspektive der Vitalisten und deren Vorstellung von der Abhängigkeit des Lebendigen von einer zur Materie hinzukommenden, die chemischen und mechanischen Gesetze
3
durchbrechenden Lebenskraft , sind Gehirn, Lebenskraft und Nerventätigkeit unmittelbar
miteinander verknüpft. In seiner Schrift »Von der Lebenskraft«, dem 1796 erschienen Hauptwerk
des Vitalismus, schreibt der große romantische Anatom Johann Christian Reil (1759-1813) über
4
die Lebenskraft und das Seelenorgan sinngemäß: "Es [das Seelenorgan] hat [über die Nerven]
eine allgemeine Verbindung mit allen übrigen Theilen des Körpers, die mit Lebenskraft begabt
sind. [Über die Nerven] vermitteln die
1
In der romantischen Naturwissenschaft herrschte im Vorgang des Wachstums und in den
vegetativen Funktionen die Reproduktionskraft, in der Bewegung der Muskeln und in der
Tätigkeit der Nerven die Irritabilität und in den höchsten Funktionen der Sinne und der Vernunft
die Sensibilität. [Vgl. hierzu die "Einteilung der Kräfte" des Göttinger Universalgelehrten Karl
Friedrich Kielmeyer (1765-1844) in seiner 1793 »Über die Verhältnisse der organischen Kräfte«
gehaltenen Rede (Kielmeyer 1793). Ebenso die Einteilung der Kräfte in Reils »Entwurf einer allgemeinen Pathologie« (Reil 1816)]. Aufbauend auf der Schellingschen Grundidee vom Prinzip
der Polarität, beruht für die romantischen Naturforschung alles in der Natur auf Gegensätzen und
nur durch diese hat Natur Bestand: [Vgl. hierzu Schelling (1798): »Die Weltseele« in K. F. A.
Schelling (Hrsg.), 1856/61] "Die Natur ist der Wettstreit von Kräften, der Konflikt einer positiven
und einer negativen Kraft. Positiv ist das Leben, negativ der Tod, positiv sind Stickstoff- und Wasserstoffgas, negativ der Sauerstoff, das Indifferente beider ist das Wasser, positiv ist das Nervensystem, negativ das Blutsystem, der Gegensatz löst sich in der Indifferenz des lymphatischen
Systems." (Winkelmann 1802, zit. nach Rothschuh 1953, S. 98).
2
Für Schelling ist Natur die Manifestation und Objektivierung von Ideen. Die Natur realisiert die
Gesetze des menschlichen Geistes. "Natur ist sichtbarer Geist, Geist dagegen ist nicht sichtbare
Natur." Wissenschaft konnte demnach keine andere Aufgabe haben, als in den Naturerscheinungen die hinter diesen steckende Idee aufzuzeigen. Wer hingegen am Besonderen und am
Einzelnen kleben blieb, der trieb bei Schelling keine Wissenschaft. Vgl. Schelling: (1797): »Ideen
zu einer Philosophie der Natur« in K. F. A. Schelling (Hrsg.), 1856/61; sowie Schelling (1803):
»Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (Ibid.).«
3
In Deutschland wurde der Begriff der Lebenskraft von Friedrich Casimir Medicus (1736-1808)
eingeführt. [Medicus (1775): »Vorlesungen über Lebenskraft.«] Zeitgenössische Abhandlungen
über die Lebenskraft finden sich z. B. bei Reil (1795): »Von der Lebenskraft« oder bei Hufeland
(1798): »Mein Begriff von der Lebenskraft.« Zur Geschichte des Begriffes Lebenskraft vgl.
Lippmann 1933.
4
Zur Konzeption des "Seelenorgans" vgl. Hagner 1992, 1993a; Schott 1988.
84
Anstrengungen des Seelenorgans [..] die Wirksamkeit der Lebenskraft und ermuntern so alle
1
Organe des Körpers sanft zu ihrer Pflicht". Bestärkt durch von Galvani ja nahezu bewiesene
Vorstellung von der tierischen Elektrizität als Grundlage des nervösen Wirkprinzips, erschien den
Vitalisten die Naturerscheinung Elektrizität besonders geeignet, das Wesen der Lebenskraft mit
2
jenem der Nervenkraft zur Deckung zu bringen. Das Phänomen Elektrizität ließ die vitalistischen
Physiologen glauben, wie es Du Bois-Reymond später ausdrückte, "ihren hergebrachten Traum
3
von der Lebenskraft mit Händen greifen zu können."
Besonders bemüht um die Klärung des Zusammenhangs von Elektrizität, Lebenskraft und
Nervensystem war Alexander v. Humboldt (1769-1859). Methodisch angeregt durch den
4
französischen Geologen und Chemiker Antoine Lavoisier (1743-1794), stellte Humboldt in den
Jahren 1792-1797, teilweise gemeinsam mit dem Physiker Johann Wolfgang Ritter (1776-1810)
und mit Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), rund 4000 Experimente an Tieren an und
5
unternahm zahlreiche Selbstversuche. In seinem zweibändigen Werk: »Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser nebst Vermuthungen über den chemischen Prozeß des Lebens in
6
der Thier- und Pflanzenwelt« legte Humboldt die Ergebnisse seiner Experimente vor. Diese
bestätigten in der Hauptsache zwar lediglich die Ergebnisse Galvanis, zum anderen aber konnte
Humboldt zeigen, daß ein kontrahierender Muskel Sauerstoff verbraucht und daß die Dauer und
Stärke der Muskelkontraktion durch Chemikalien beeinflußbar ist. Humboldt zog aus diesen
Beobachtungen den Schluß, daß die Annahme einer Lebenskraft in Nerv und Muskel nicht länger
notwendig sei, die Vorgänge in Organismen zu beschreiben. Er "wage nicht mehr", so Humboldt
"eine eigene Kraft zu nennen, was vielleicht bloß durch das Zusammenwirken der im einzelnen
7
längst bekannten materiellen Kräfte bewirkt [wird]".
Um diese "materiellen Kräfte" zu erforschen, so Humboldt, seien quantitative Ergebnisse
durch "Variieren und Messen der einzelnen Stoffe" anzustreben, die Beobachtung ihrer
Einwirkung und Reaktion auf die Organe. Das auf der Basis der Gesetze der Physik, Chemie und
Mathematik geplante Experiment war bereits für Humboldt zentrales Element
1
Reil 1796, »Ostwalds Klassiker« S. 95. Zur "Neurophysiologie" Reils, vgl. Schott 1993.
Vgl. z.B. Ackermann (1805): »Versuch einer physischen Darstellung der Lebenskräfte
organisierter Körper.«
3
Du Bois-Reymond 1848, zit. nach Rothschuh 1964.
4
Mit Hilfe quantitativer Methoden hatte Lavoisier den tierischen Atmungsvorgang erstmals als
chemischen Prozeß (Austausch von Sauerstoff gegen Carbonat) gekennzeichnet. Vgl. Lavoisier
(1789): »Mémoire sur la respiration des animaux.«
5
Zur physiologischen Forschung Humboldts vgl. Jahn 1969, Rothschuh 1959a,b.
6
Humboldt 1797-1799
7
Ibid., Bd. 2, S. 432
2
85
physiologischer Forschung. Doch erst Jahrzehnte später, in der Person des wohl einflußreichsten
akademischen Lehrers seiner Zeit, dem herausragenden Zoologen, Anatomen und Physiologen
Johannes Müller (1801-1858), verlor die romantische Methode an Bedeutung. Erst Johannes
Müller gab seinen Schülern die Rückbesinnung auf die experimentelle Naturwissenschaft mit auf
1
2
den Weg. Als mechanistische Naturbetrachter , orientiert an dem von Johannes Müller
3
mitgegebenen Programm, zogen die Müller Schüler gegen Naturphilosophie und Vitalismus zu
Felde und ersetzen die romantische Naturforschung durch das mit Meßinstrumenten analysierende
4
und objektivierende Erfassen experimenteller Eingriffe und Wirkungen.
Im besonderen die neuen Entdeckungen der Chemie entzogen dem Vitalismus und seinem
5
Schlüsselbegriff der Lebenskraft rasch den Boden. Die Lebenskraft wird für die Generation der
Müller-Schüler zum Gegenstand vernichtender Polemik. Du Bois-Reymond, einer der
berühmtesten Müller-Schüler, schrieb 1848 in der »Vorrede« zum ersten Band der
»Untersuchungen über thierische Elektrizität«: "Diese Kraft bewohne den ganzen Körper, ihr
unbewusst-bewusstes Wesen treibend auf dem geheimnissvollen, ja übersinnlichen Hintergrunde
eines Schauplatzes, auf dessen äusserster Vorbühne allein alles sinnlich Erreichbare, Erklärliche
spielt. Sie sei im Innersten verschieden von allen physikalischen und chemischen Kräften, welche
in der anorganischen Natur walten, und in Ewigkeit entzogen und unzugänglich den
ohnmächtigen Methoden, die vermocht haben die Wirkungsweise dieser Kräfte zu durchschauen.
Vor ihr müssen diese Kräfte sich beugen. Es ist ihr gegeben, zu binden und zu lösen, wie es ihr
gefällt. Sie bemächtigt sich der eingeführten Nahrung, macht
1
Müllers Haltung zur experimentellen Physiologie beschreibt Lohff 1992.
Zur materialistisch-reduktionistischen Wissenschaftsposition im 19. Jahrhundert vgl. Galaty
1974, Gregory 1977, Temkin 1946.
3
Ein Stammbaum der großen Schar unmittelbarer Müller-Schüler (die berühmtesten sind Emil
Du Bois-Reymond, Jakob Henle, Theodor Schwann, Ernst Brücke, Hermann Helmholtz, Rudolf
Virchow, Max Schultze, Robert Remak und Ernst Haeckel) sowie der nachfolgenden Generationen, findet sich bei Rothschuh 1953, S. 124.
4
Zur experimentellen Methode in der Physiologie des 19. Jahrhunderts vgl. Schröder 1967,
Schultheisz 1982.
5
Häufig in diesem Zusammenhang genannte Beispiele sind die Entdeckung des Kunstdüngers
durch Justus Liebig (1803-1873). [Liebig (1840): »Die Chemie in ihrer Anwendung auf
Agrikultur und Physiologie.«] (Widerlegung von Lebenskraft als Voraussetzung von Wachstum)
oder Friedrich Wöhlers (1800-1882) Harnstoffsynthese aus anorganischem Cyan und Ammoniak.
[Wöhler (1828): »Die Syntese des Harnstoffs als ein Beispiel von der künstlichen Erzeugung eines organischen, und zwar sogenannten animalischen Stoffes, aus unorganischen Stoffen.«] Die
These, die noch Wöhlers Lehrer, der Mediziner und Pharmazeut Jöns Jakob Berzelius (17791847) vertreten hatte, nämlich, daß die Synthese organischer Stoffe nur durch das gleichzeitige
Wirken der Lebenskraft möglich wäre, war damit widerlegt.
2
86
sie zu belebter Materie, verwendet sie eine Zeit lang zu ihren Zwecken und stösst dann das
Untauglichgewordene wieder von sich. Bei der Fortpflanzung überträgt sie sich, ohne selbst
etwas einzubüßen, auf den Keim des neuen Geschöpfs. Sie widersteht während des Lebens der
feindseligen Gefrässigkeit des Sauerstoffs, der nach unserer Kohle lechzt. Sie verbietet der
Fäulniss Platz zu greifen, so lange sie Herr im Hause ist. Nach dem Tode zieht sie sich bescheiden
und ohne dass eine Spur von ihr übrig bliebe hinter ihre Coulissen zurück. Diese Dienstmagd für
alles besitzt übrigens sehr mannigfaltige Kenntnisse und Fertigkeiten. Denn sie organisiert,
assimiliert, secerniert, resorbiert und unterschiedet noch dazu das Heilsame vom Gifte, das
Nützliche vom Unbrauchbaren; sie heilt Wunden und Krankheiten und macht Krisen; sie ist der
letzte Grund der thierischen Bewegungen, der sogenannten Seele hilft sie wenigstens beim Denken
u.d.m. In der That, so traurig es ist, daß solche Meinungen im Sinne Vieler sich noch immer das
Dasein zu fristen im Stande sind, die Heiterkeit, welche ihre Abgeschmacktheit erregt, ist von den
1
Eindrücken, die sie hervorrufen, doch bei weitem die überwiegende.
1
Du Bois Reymond 1848, S.XXXVI f. Eine Kritik der Lebenskraft findet sich auch bei Lotze
(1842): »Leben und Lebenskraft.«
87
5. Die Objektivierung der elektrischen Erscheinungen und die Entdeckung des
Nervenimpuls
Um 1800 schien der grundsätzliche Mangel an geeigneten Meßapparaturen das Konzept der
thierischen Elektrizität zum Erliegen zu bringen. Der Medizinhistoriker Karl Rothschuh
beschreibt die 1818, im Geburtsjahr Emil Du Bois-Reymonds, vorherrschende Situation der
Nervenwissenschaft so: "Von den bedeutenden Streitern für und gegen die thierische Elektrizität
lebten noch Alexander v. Humboldt im Alter von 59 Jahren und Alessandro Volta im Alter von 73
Jahren. Die Hoffnung, in der Elektrizität das lange gesuchte Nervenprinzip gefunden zu haben,
war von den Meisten aufgegeben worden. Das Problem der tierischen Elektrizität war ganz in den
1
Hintergrund getreten."
Neuen Schwung in das Konzept thierische Elektrizität brachte eine im Jahre 1820
2
veröffentlichte Untersuchung des dänischen Physikers Hans Christian Oersted (1777-1851).
Oersted beschrieb die Ablenkung einer Magnetnadel durch elektrischen Strom und zeigte die
3
Beziehung zwischen Elektrizität und Magnetismus auf. Damit war zugleich die Grundlage zur
4
Entwicklung eines für die Messung elektrischer Ströme geeigneten Instruments gelegt.
Aufbauend auf der Kupferdrahtspule Andre Marie Ampères (1775-1838) konstruierte der
5
Physiker Johann Salomo Schweigger (1779-1857) ein derartiges Gerät. Dem italienischen
Physiker Leopoldo Nobili (1784-1835), einem der wenigen, der sich in den 20er und 30er Jahren
des 19. Jahrhunderts noch ernsthaft mit dem Problem der tierischen Elektrizität befaßte, gelang es
mit dem "Schweiggerschen Multiplikator" am unverletzten Froschrumpf einen elektrischen
Eigenstrom, d.h. im Augenblick der Kontraktion oder der Nervenerregung, einen Ausschlag der
6
in der Nähe des Präparates angebrachten Multiplikatornadel zu beobachten. Nobilis Schüler
Carlo Matteucci (1811-1868) wies mit Hilfe des Multiplikators nach, daß an einem quer
durchschnittenen Muskel Ströme vom Muskelinneren zu Muskeloberfläche fließen, daß also ein
elektrisches Potential zwischen "innen" und "außen"
1
Rothschuh 1964, S. 85
Oersted (1820): »Neuere electro-magnetische Versuche.«
3
Zu Oersteds Beitrag zur Entdeckung der Physik des Magnetismus vgl. Dibner 1961, Stauffer
1957.
4
Zur Geschichte der Messung elektrischer Ströme vgl. Humphreys 1937.
5
Schweigger (1821): »Elektromagnetischer Multiplikator.«
6
Nobili (1828): »Comparaison entre deux galvanometres les plus sensibles, la grenouille et le
multiplicator a deux aguilles, suives de quelques résultats nouveaux«, (1830): »Analyse
expérimentale et théorique des phénomènes physiologiques produits par l'électricité sur la
grenouille etc.«
2
88
1
besteht. Aufbauend auf den Untersuchungen Nobilis und Matteucis begann dann auch der schon
mehrfach erwähnte Physiker und Physiologe Emil Du Bois-Reymond, damals noch Assistent am
Berliner Institut seines Lehrers Johannes Müller, intensiv elektrophysiologische Studien zu
2
betreiben.
Du Bois-Reymonds Forschungsbericht, seine dreibändig erschienenen
3
»Untersuchungen über thierische Elektrizität«, bilden das Herzstück der Elektrophysiologie des
19. Jahrhunderts und zugleich den Ausgangspunkt heutiger Konzepte zur Nervenfunktion.
Gewissermaßen als "der erste Streich" auf dem Wege zur modernen Nervenphysiologie leitete Du
Bois-Reymond den Ruhestrom eines Nerven zwischen Außenfläche (Nervenoberfläche) und
Nervenquerschnitt (Nerveninneres) ab. Du Bois-Reymond nannte diesen Strom den Längs4
Querschnitt-Strom. Das entscheidende Experiment, das Du Bois-Reymond mit Hilfe einer
verbesserten Version des Schweiggerschen Multiplikators (Verfeinerung der Meßempfindlichkeit
5
durch Erhöhung der Windungszahl der Kupferdrahtspule) durchführte , beschreibt er in den
»Untersuchungen« folgendermaßen: "Lege ich ein aus dem Nervus ischiadicus eines frisch
getöteten Frosches soeben ausgeschnittenes Stück Nerv zum ersten Mal auf die Bäusche meiner
Vorrichtung dergestalt auf, daß es einerseits mit natürlichem Längschnitt, andererseits mit
künstlichem Querschnitt berührt, so erfolgt ein Ausschlag, der unter Umständen 25-30 Grad
betragen kann, sich gemeiniglich auf 15 bis 18 Grad beläuft, ohne Ausnahme von dem Punkte des
natürlichen Längschnitts durch den Multiplikatordraht zum künstlichen Querschnitte, also wie am
6
Muskel gerichtet ist und eine beständige Ablenkung von 5-8 Grad hinterläßt." Damit war gezeigt,
daß sich die Oberfläche eines Nerven elektrisch positiv und das Nerveninnere (die verletzte
Querfläche) elektrisch negativ verhält. Der Nachweis war geglückt, daß Nerven keine passiven
Elektrizitätsröhren oder -Konduktoren sind, sondern selbst elektromotorisch wirksam. Du BoisReymond ist denn auch überzeugt, die elektrische Natur des Nervenfluidums entgültig aufgeklärt
zu haben. So beobachtete er nicht nur den Ruhestrom eines Nerven, sondern darüber hinaus, eine
den Zustand der Nervenerregung begleitende Abnahme des Längs-Querschnitt-Stroms, eine
"vorübergehende Verringerung des Nervenstromes im negativen Sinne." Diese kurzzeitige
1
Matteucci (1840): »Essai sur les phénomènes électrique des animaux.« Zur Elektrophysiologie
Mateuccis vgl. Moruzzi 1961.
2
Zur Elektrophysiologie Du Bois Reymonds vgl. Rothschuh 1964.
3
Du Bois-Reymond 1848, 1849, 1884
4
Du Bois Reymond 1849, S. 257
5
Hinsichtlich der Reizmethode Du Bois-Reymonds sei erwähnt, daß er seine Ergebnisse nicht in
Folge von Einzelreizung, sondern nach Vielfachreizung (Tetanisierung) erzielte. Tetanisierung
war angesichts der Trägkeit des Multiplikators notwendig, um eine negative Schwankung von
ausreichender Dauer zu erhalten. (Florey 1992, S. 363).
6
Du Bois Reymond 1849, S. 251
89
1
Abnahme des Nervenruhestroms nannte Du Bois-Reymond die negative Schwankung. "Es ist
mir, wenn mich nicht alles täuscht, gelungen", triumphiert Du Bois-Reymond mit Recht, "jenen
hundertjährigen Traum [...] von der Einerleiheit des Nervensystems und der Elektrizität [...] zu
lebensvoller Wirklichkeit zu erwecken. Ich weise, in allen Theilen des Nervensystems aller Thiere,
elektrische Ströme nach, welche die Nadel eines Multiplikators an die Hemmung zu werfen
vermögen. [...] Es wird demnach gerechtfertigt erscheinen, wenn wir die negative Schwankung
2
fortan als das äußere Zeichen der inneren Bewegung im Nerven betrachten [...]." Die "Impulse
3
des thätigen Nervenprincips" , also das, was wir auch heute Nervenimpulse oder Aktionspotentiale
nennen, waren damit entdeckt. Hatte es Johannes Müller wenige Jahre vor den bahnbrechenden
»Untersuchungen« seines Schülers noch nicht gewagt, die Identität von Elektrizität und
4
Nervenprinzip als gesichert anzunehmen und der Göttinger Physiologe Rudolph Wagner (18051864) im Jahre 1846 noch geschrieben: "So lange wir nicht die Gesetze der Erregung und Leitung
des Nervenprinzips ebenso genau kennen, wie das der Elektrizität, wird man bei der
Parallelisierung beider Thätigkeiten nur zu leicht ins Wilde und ins Blaue gerathen. Sonst aber
halte ich es für möglich, daß wir uns nahe an der Schwelle einer großen Entdeckung über das
5
wahre Verhältnis der Nervenkraft zur Elektrizität befinden" , so war es Du Bois-Reymond, der die
von Müller und Wagner angedeutete Schwelle selbstbewußt überschritt.
Müller hatte nicht nur an der elektrischen Natur des Nervenfluidums gezweifelt. Ebenso
glaubte er an eine unendlich kleine Zeit, in welcher die Erregung von den Sinnesorganen auf das
Rückenmark und in das Gehirn übertragen werde oder eine Rückwirkung auf den Muskel erfolge.
In seinem »Handbuch« erklärt Müller denn auch, daß man wohl nie die Mittel gewinnen werde
6
Diese Mittel zu finden, die
"die Geschwindigkeit der Nervenwirkung festzustellen."
endliche Geschwindigkeit der Fortleitung eines Reizes im Nerven aufzuzeigen, gelang einem
7
weiteren großen Müller-Schüler, dem Physiker Hermann v. Helmholtz (1821-1894). In seinem
Aufsatz »Über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenreizung« schreibt Helmholtz: "Ich habe gefunden, daß eine meßbare
Zeit vergeht, während sich der Reiz, welchen ein momentaner elektrischer auf das Hüftgeflecht (n.
ischiadicus) eines Frosches ausübt, bis zum Eintritt des Schenkelnerven in
1
Ibid., S. 425
Ibid., S. 563
3
Du Bois-Reymond 1849, zit. aus Florey 1992, S. 363
4
Müller (1844): »Handbuch der Physiologie des Menschen«, Teil. III (»Physik der Nerven«) S.
553
5
Wagner (1846): »Sympathischer Nerv, Ganglienstruktur und Nervenendigungen.« Anmerk. 1.)
S. 398
6
Müller 1844, S. 581
7
Zu Helmholtz' Bestimmung der "nervösen Leitungsgeschwindigkeit" vgl. Blasius 1964.
2
90
den Wadenmuskel fortpflanzt. Bei großen Fröschen, deren Nerven 50-60 mmm lang waren [...]
1
betrug diese Zeitdauer 0.0014 bis 0.002 einer Sekunde." Ein Schüler sowohl Du Bois-Reymonds,
als auch Hermann v. Helmholtz', der Physiker Julius Bernstein (1839-1917) wies dann 1866 nach,
daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der negativen Schwankung genau jener Geschwindigkeit
2
entspricht, die Helmholtz für die "Fortleitung der Nervenreizung" ermittelt hatte.
1
Helmholtz 1850a, zit. aus Blasius 1964. Vgl. auch Helmholtz (1850b): »Messungen über den
zeitlichen Verlauf der Zuckung animalischer Muskeln und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven«, (1851): »Über die Methoden, kleinste Zeittheile zu
Messen und ihre Anwendung für physiologische Zwecke«, (1852): »Messungen über die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven.«
2
Bernstein (1866): »Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der negativen Schwankung im Nerven«,
(1868): »Über den zeitlichen Verlauf der negativen Schwankung«, (1871): »Untersuchungen über
den Erregungsvorgang«. Näheres zum Beitrag Bernsteins zur Charakterisierung des
Nervenimpulses bei Brazier 1988a, Grundfest 1965.
91
6. Erregung und Erregungsleitung als bioelektrischer Vorgang.
Vor dem Hintergrund der Abkehr der jungen Forschergeneration von Vitalismus und
1
Naturphilosophie wurden die Begriffe Erregbarkeit bzw. Reizbarkeit völlig neu erörtert. So war
Erregbarkeit zwar nach wie vor das Grundcharakteristum des Lebendigen, jedoch nicht mehr wie
bei Brown, als das besondere vitale Phänomen oder die imponderable Eigenschaft des Organischen zu begreifen, sondern Erregbarkeit ist nun die Eigenschaft eines jeden Organteils, durch
Einwirkung einer chemischen oder physikalischen Ursache (Reiz) zur Entwicklung einer
mechanischen oder chemischen Bewegung in seinem Inneren veranlaßt zu werden. Die
Diskrepanz zwischen einem Reiz und der ausgelösten Reaktion des betroffenen Körperteils ist als
eine Folge der dazwischenliegenden Mechanistik, die durch den Reiz enthemmt und in Gang
gesetzt wird, aufzufassen. In der 1858 erschienen »Cellularpathologie« des Berliner Pathologen
Rudolf Virchow (1821-1902) ist zu lesen: "Jeder Thätigkeit (Action) des Lebens geht eine Erregung, wenn man so will Reizung voraus. Diese besteht aus einer passiven Veränderung, welche
das lebende Element durch eine äußere Einwirkung erfährt [...] . Auf diese passive Veränderung
folgt ein activer Vorgang, eine positive Leistung des Elements selbst, von der wir annehmen, dass
2
sie aus den lebendigen Eigenschaften des Elements [...] erfolgt." Was bedeutete diese
physikalistische Reiz-Erregungs-Konzept nun für das Konzept Nervenfaser?
Für Virchow und seine Zeitgenossen ist Erregbarkeit, ganz im Sinne der Brownschen
Konzeption, die Eigenschaft zu reaktiven Auslösung von Thätigkeit an den "einzelnen Theilen"
3
und "das Kriterium, wonach wir beurtheilen, ob der Theil lebe oder nicht lebe." Im Bezug auf die
Nerven heißt es bei Virchow: "Ob ein Nerv lebe oder todt sei, das können wir unmittelbar, durch
seine anatomische Betrachtung, keineswegs mit Sicherheit erkennen. [...] Der Begriff des Todten,
des Abgestorbenen [..] beruht ja eben darauf, dass wir bei und trotz Erhaltung der Form nicht
mehr die Erregbarkeit finden. [...]. Erst nachdem man auch am sogenannten ruhenden Nerven
durch die Untersuchungen Emil Du Bois-Reymond's eine Thätigkeit kennen gelernt, nachdem
man eingesehen hat, dass auch in dem ruhenden Nerven fortwährend elektrische Vorgänge
stattfinden, dass er fortwährend eine Wirkung auf die Magnetnadel ausübt, kann man mit
4
Sicherheit durch das physiklische Experiment beurtheilen, wann der Nerv todt ist." Virchow
weiter: "Wenn in einem Nerven eine Erregung stattfindet, so wissen wir jetzt, dass damit eine
Veränderung seines elektrischen Zustandes verbunden ist, eine Veränderung, welche nach allem
was uns über die Erregung der Elektrizität in anderen
1
Vgl. hierzu Möllers 1975
Virchow (1858): »Die Celullarpathologie«, zit. aus Virchow 1871, S. 334f
3
Ibid.
4
Ibid., S. 335f
2
92
Körpern bekannt ist, mit Nothwendigkeit bezogen werden muß auf eine veränderte Stellung,
welche die einzelnen Molekel zueinander einnehmen. Denken wir uns den Axencylinder aus
elektrischen Molekeln zusammengesetzt, so können wir uns vorstellen, dass [... diese Molekel ...]
1
in dem Momente der Erregung eine veränderte Stellung zu einander einnehmen." Folgt man den
Ausführungen Virchows, dann ist Mitte des 19. Jahrhunderts das Ausschlagen der
Galvanometernadel, das nachweisbare Fließen eines elektrischen Stromes bzw. das kurzzeitige
Auftreten einer Spannungsänderung, der beobachtbare Ausdruck nervöser Erregung. Der Begriff
der Erregung, in seiner Anwendung auf die Nervenfaser, ist damit unwideruflich mit
elektrophysikalischen Vorgängen verknüpft.
Desungeachtet steht eine brauchbare Theorie der biolelektrischen Erregung und der
Erregungsleitung an der Nervenfaser zunächst noch aus. Die Rohfassungen einer solchen Theorie
liefern Julius Bernstein und der Du Bois-Reymond-Schüler Ludimar Hermann (1838-1914) im
letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Hermann geht davon aus, daß jede Nervenfaser aus einem
2
leitenden Kern und einer isolierenden Hülle besteht. Die in der Nervenfaser durch den Reiz
hervorgerufene Veränderung, die Reizperzeption also, dachte sich Hermann, erfolgt, indem der
Reiz an der Hülle der Nervenfaser und zwar an einer ruhenden (nicht-erregten) Stelle, eine lokal
begrenzte, elektrisch negative Polarisation (Elektrotonus) aufzwingt. Just in diesem Augenblick
des Aufzwingens einer negativen Polarisierung sollte
1
Virchow spielt hier auf die Präexistenztheorie Du Bois-Reymonds an (vgl. Rothschuh 1958, S.
2947). Aus der Beobachtung, daß man den Längs-Querschnitt Strom von jedem Nerven- und
Muskelstück beliebiger Größe gewinnen konnte, hatte Du Bois-Reymond den Schluß gezogen,
daß eine präexistente, d. h. eine elektrische Spannung bedingende Anordnung in Nerv und Muskel
angenommen werden muß. Bereits im ruhenden Nerv sollten elektrische Molekel präexistent
vorhanden sein. Du Bois-Reymond nahm an, daß die Substanz in der Nervenfaser aus Ketten
elektromotorisch wirksamer Moleküle aufgebaut ist, die von einer indifferenten Flüssigkeit
umgeben sind. Diese Moleküle waren nach Du Bois-Reymond Ansicht elektrisch peripolar
aufgebaut, d.h sie wiesen eine positive mittlere Äquatorialzone und zwei negative Polflächen auf.
Die positiven Äquatorialzonen bildeten ingesamt den Längschnitt und die negativen Oberflächen
den Querschnitt des Nerven, so daß jede Schnittverletzung eines ruhenden Nervs eine negative
Querfläche liefern mußte.
2
Hermanns grundlegende Arbeiten erscheinen (1872a): »Das galvanische Verhalten einer
durchflossenen Nervenstrecke«, (1872b): »Über eine Wirkung galvanischer Ströme auf Muskeln
und Nerven«, (1873): »Untersuchungen über das Gesetz der Erregungsleitung im polarisierten
Nerven«, (1874): »Experimentelles und kritisches über Elektrotonus«, (1877): »Grundriss der
Physiologie des Menschen«, (1878): »Zur Lehre vom Einflusse der Reizstelle und
Reizstromrichtung«, (1879a): »Allgemeine Nervenphysiologie«, (1879b/1881): »Untersuchungen
über die Actionsströme des Nerven«, (1883): »Untersuchungen zur Lehre von der electrischen
Muskel- und Nervenreizung«, (1884): »Über die sogenannte secundärmotorische Erscheinung«.
Zu Hermanns Beitrag zur Charakterisierung des Nervenimpulses vgl. Brazier 1988a, Grundfest
1965.
93
1
die Nervenfaser durch den Reiz erregt sein. Den Vorgang der Erregungsleitung stellte sich
Hermann so vor, daß diese erste lokale Erregung der Nervenfaser ihrerseits benachbarte, noch
unerregte Faser-Areale durch Induktion aktiviert. Erregungsleitung ist somit nichts anderes, als
daß jedes erregte Nervenfaser-Element seinerseits erregend auf das benachbarte wirkt; ein
Konzept, das heute als die Hermannsche Strömchentheorie bezeichnet wird. Bernsteins
Membrantheorie markiert den zweiten Grundpfeiler einer modernen Theorie
elektrophysiologischer Vorgänge an der Nervenfaser. Bernstein ließ sich anregen durch eine
Untersuchung des Physikochemikers Wilhelm Ostwald (1853-1932). Ostwald hatte elektrische
Potentiale beschrieben, die durch ungleiche Ionenpermeabilitäten semipermeabler Membranen
2
entstünden. Diese neue Ionentheorie nutzte Bernstein in seinen eigenen »Untersuchungen zur
3
Thermodynamik der biolelektrischen Ströme«. Bernstein koppelt Ostwalds Idee an die von dem
Physikochemiker Walter Nernst (1864-1941) entwickelten Gleichungen zur Berechnung von
Konzentrationsketten, welche die Kraft dieser Ketten aus dem osmotischen Druck der wässrigen
4
Lösung in der sich die Ionen befanden und der Ionen-Beweglichkeit ableitete. Die sogenannte
Nernst-Gleichung, die Auffassung von der Nervenfasermembran als einer semipermeablen,
elektrischen Doppelschicht und die Vorstellung von nervöser Erregung als einer lokalen Störung
des über der Nervenfasermembran anliegenden Ionengleichwichts (Ruhepotential), ist bis heute
zentraler Bestandteil eines jeden einführenden Kapitels in der neurobiologischen
Lehrbuchliteratur.
1
Waren die Vorgänge an der Nervenhülle von rein elektrischer Natur, so spielten sich nach
Ansicht Herrmanns im Faserkern (unter dem Einfluß von elektrischen Polarisationsvorgängen)
explosionsartig chemische Prozesse ab, die durch eine Änderung des Stoffwechsels in der
Nervenfaser charakterisiert sind. (Alterationstheorie, vgl. Florey 1991, S. 364). Diese chemischen
Prozesse sollten den eigentlichen Zustand der Erregung darstellen. Im Unterschied zur
Strömchentheorie war die Alterationstheorie Hermanns allerdings bald verworfen.
2
Ostwald (1890): »Elektrische Eigenschaften halbdurchlässiger Scheidewände.«
3
Bernstein 1902, vgl. Bernstein (1912): »Elektrobiologie«.
4
Nernst (1888): »Zur Kinetik der in Lösung befindlichen Körper«, (1889): »Elektromotorische
Wirksamkeit von Ionen.«
94
II. Die zellulare Theorie des Nervensystems
1. Das Ende der Faserlehre: Der Organismus als Zellenstaat und die Zelle als
Elementarorganismus des Lebendigen
1.1 Die Zellentheorie
Die Anfänge der Mikroskopie im 17. Jahrhundert schienen die bis dato eher hypothetische
Auffassung von der Fibra als dem kleinsten morphologischen Strukturbaustein belebter Körper
1
zu bestätigen. Zugleich gewann die Funktionszuweisung an die Faser an Bedeutung. In den
Organismus-Konzepten der Vitalisten wie in jenen der Mechanisten wurde die Faser mehr und
mehr zur physiologischen und pathologischen Funktionseinheit des Gesamtorganismus und damit
zu seinem wesentlichen Lebenselement. Für die einen war die Faser passives Element, abhängig
von der Anima wie bei Georg Ernst Stahl (1663-1734) und seinen Anhängern. Für die anderen
2
war sie mechanisches Element einer Fasermaschine wie bei Giorgio Baglivi (1668-1707) und
Hermann Boerhaave (1668-1738), vor allem aber für dessen Schüler, wie Johann Friedrich
Schreiber (1705-1760), Johannes de Gorter (1689-1762) sowie Julien Offray de La Mettrie (17091751). Für die dritten, wie für Friedrich Hoffmann (1660-1742), war die Fibra zwar Teil einer
Fasermaschine aber dennoch passives Element, abhängig vom Nervenfluidum, das seinerseits erst
durch den eingeatmeten Äther des Weltalls Wirksamkeit erhielt. Die Faser war Sitz der robur
vitale bei Francis Glisson (1597-1677), sie war der Sitz der vis insita bei Baglivi, der Sitz der
"angeborenen, wesentlichen oder eigenen Kraft" bei Albrecht v. Haller (1708-1777), und sie war
schließlich der Ort der Nervenkraft bei Georg Prochaska (1774-1820) oder der Lebenskraft bei
3
Johann Christian Reil (1779-1813).
Bis ins 19. Jahrhundert hinein, war die Mikroskopie für viele Forscher mehr Spielerei
denn seriöse Methode, förderte sie doch mehr "bunte Bilder und Ringe" zutage, mehr
1
Zur Geschichte der Faserlehre bis zur Begründung der Zellenlehre vgl. Berg 1942.
In Abgrenzung zur Konzeption des Francis Glisson entwickelte Baglivi eine mechanistische
Faserphysiologie und Faserpathologie innerhalb derer der Fibra ähnliche Bedeutung beigemessen
wurde, wie später der Zelle in der Zellularbiologie und -pathologie Rudolf Virchows (vgl. Rather
1969). Berg weist darauf hin, daß Baglivis Lehre als "eine eigenartige Kombination vitalistischer
und mechanistischer Auffassungen" anzusehen sei, da Baglivi die Funktion der Faser zwar
mechanistisch deutete, ihrer Grundfähigkeit zur Kontraktion jedoch eine vitale Sonderstellung
zuspricht (Berg 1942, S. 394ff). Zur Konzeption Baglivis vgl. Atzrott 1939, Salomon 1889.
3
Näheres zur Faserkonzeption der genannten Autoren bei Berg 1942.
2
95
1
"Trugbilder" denn die tatsächlichen histologischen Gegebenheiten. Herausragende Histologen,
wie Francois Xavier Bichat (1771-1802), verzichteten denn auch ganz auf die Nutzung des
Mikroskops. Noch 1855 schrieb Virchow: "Trotz der großen Anerkennung, welche [...] das
Mikrokop erlangt hat, ist sein Einfluß im großen und Ganzen noch nicht durchgedrungen. Nur
wenige sind soweit gekommen, daß sie wirklich mikrokopisch denken gelernt haben, und das ist es
eben, was wir verlangen. Für die meisten, namentlich die älteren Ärzte ist es mit der Mikroskopie,
wie mit einer fremden Sprache, wo man freilich fremde Wörter gebraucht aber in der eigenen
Sprache denkt. Es ist für sie etwas Fremdes, das sie nur gebrauchen entweder der Mode wegen,
2
oder aus Curiosität [...]." Bei der jüngeren Generation von Naturwissenschaftlern hingegen, wie
jene, die sich um Johannes Müller sammelten, fand das Mikroskopieren im Zuge der rasch
fortschreitenden, technischen Verbesserung des mikroskopischen Instrumentariums, zunehmend
3
Akzeptanz als eine ernstzunehmende naturwissenschaftliche Technik.
In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden mit Hilfe der neuen Mikroskope jene
klassischen Arbeiten, die der modernen Zellenlehre den Grund legten und damit die alte Faser4
Konzeption ablösten. Neben den Beiträgen der Breslauer Schule um Jan Evangelista Purkinje
5
(1787-1869) und Gabriel Gustav Valentin (1810-1883), sowie den Beiträgen von Johannes
Müller, waren dies: das dreibändige »System der Pflanzenphysiologie« des Berliner
1
Zum Stand der Mikrokopie in den Jahren 1800 bis 1850 vgl. Harting (1859): »Das Mikroskop.
Theorie, Gebrauch, Geschichte und gegenwärtiger Zustand desselben«, Hofmann (1800):
»Verzeichnis der neuesten optischen Instrumente«.
2
Virchow (1855): »Cellular-Pathologie« S. 7
3
Wegweisend für die weitere Entwicklung der Mikroskopie war die 1825 in England gelungene
Herstellung achromatischer Objektive mit kurzer Brennweite. Farb- und Öffnungsfehler bei
starken Vergrößerungen ließen sich bei Nutzung derartiger Objektive erheblich einschränken. Ein
erstes Mehrlinsenmikroskop wurde 1827 in London, gemeinsam von dem Optiker Joseph Jackson
Lister (1786-1896) und dem Mechaniker Andrew Ross (1798-1859) hergestellt. Weitere
mechanisch-optische Werkstätten entstanden in Florenz um den Physiker Giovanni Amici (17861863), in Paris um Jaques-Louis Chevalier (1770-1841) und Georg Oberhäuser (1798-1868), und
in Wien um Simon Plössl (1794-1868). Karl Heinrich Pistor (1778-1847) und sein Schüler
Friedrich Wilhelm Schieck (1790-1876) betrieben in Berlin eine optische Werkstatt. Zur
Entwicklung der Mikroskopie vgl. Abbé 1873, Bradbury 1967, Clay 1932, Gloede 1986, Harting
1859, Hense 1963, Hofmann 1800, Petri 1896, Rooseboom 1967, Zuylen 1981.
4
Eine vollständige Rekonstruktion der Enstehungsgeschichte der Zellenlehre wird hier nicht
angestrebt. Vgl. hierzu Baker 1953, Berg 1942, Hansen 1897, Hughes 1959 sowie die
Darstellungen bei Jahn 1990, Nordenskiöld 1926.
5
Zu Purkinjes Beitrag zur Zellenlehre vgl. Frankenberger 1959, Studnicka 1931.
96
1
Botanikers Franz Julius Ferdinand Meyen (1804-1840) , die »Beiträge zur Phytogenesis« des
2
Botanikers Matthias Jakob Schleiden (1804-1881) und die ein Jahr nach Schleiden
veröffentlichten »Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstum
3
der Thiere und Pflanzen« des Mediziners und Physiologen Theodor Schwann (1810-1882).
Meyens Beitrag zur Begründung der Zellenlehre lag in seiner Betonung von Zellen als
den lebenden "Elementarorganen" des Gesamtorganismus. Mit Elementarorgan nutzte Meyen
4
einen Begriff, der wenige Jahrzehnte zuvor noch allein für die Faser Gültigkeit besessen hatte.
Pflanzenzellen seien Elementarorgane, heißt es bei Meyen, "welche unter den mannigfachsten
Modifikationen auftreten" und einen von "der vegetabilischen Membran vollkommen
umschlossenen Raum" darstellen. Den Zellen kommt die "größte Wichtigkeit in den Pflanzen zu".
Zellen treten für Meyen "entweder einzeln auf, so daß eine jede Zelle ein eigenes Individuum
bildet [... oder sie sind ...] zu einer höher organisisierten Pflanze vereinigt. Auch hier bildet jede
Zelle ein für sich bestehendens, abgeschlossenes Ganzes. Sie ernährt sich selbst, sie bildet sich
selbst und verarbeitet den aufgenommenen rohen Nahrungsaft zu sehr verschiedenen Stoffen und
Gebilden [...]. Alle diese Stoffe und Gebilde werden durch das Leben der Zelle [...]
hervorgebracht."
Auch Schleiden betonte den Individualcharakter der Zellen: "Jede nur etwas höher
ausgebildete Pflanze ist [..] ein Aggregat von völlig individualisierten, in sich abgeschlossenen
Einzelwesen, eben den Zellen selbst [...]. Jede Zelle führt nun ein zweifaches Leben: ein ganz
selbständiges, nur ihrer eigenen Entwicklung angehöriges und ein anderes mittelbares, insofern
sie integrierter Teil einer Pflanze geworden [...]. Es ist aber leicht einzusehen, daß sowohl für die
Pflanzenphysiologie, als auch für die vergleichende Physiologie im allgemeinen, der
5
Lebensprozeß der einzelnen Zellen die allererste ganz unerläßliche Grundlage bilden muß [...]"
Schleiden betont, man müsse die "größte Aufmerksamkeit auf den Bau, die Bildung und den
Inhalt der Zellen richten, denn aus einem genaueren Studium dieser Gegenstände werden wir
6
zuerst eine Vorstellung von dem Leben der Pflanze erhalten."
Neu gegenüber Meyen war Schleidens Versuch, die "Bildung der Zellen" zu erklären.
"Wie ensteht denn eigentlich dieser eigentümliche kleine Organismus, die Zelle", fragt sich
Schleiden. Aufbauend auf der bereits 1831 von dem englischen Botaniker Robert Brown
1
Meyen 1837-1839
Schleiden 1838
3
Schwann 1839
4
Vgl. z.B. Reil (1796): »Von der Lebenskraft« in »Ostwalds Klassiker« S. 45
5
Schleiden 1838, »Ostwalds Klassiker« S. 137
6
Ibid.
2
97
(1773-1859) vor der Linnéschen Gesellschaft in London vorgetragenen Entdeckung des Zellkerns
1
(nucleus cellulae bzw. nucleus of the cell ), entwickelte Schleiden, nachdem er sich von Brown
persönlich dessen Entdeckung an mikroskopischen Präparaten hatte demonstrieren lassen, seine
Hypothese der freien Zellenbildung. Die freie Zellbildung hielt Schleiden für den Modus der
Enstehung von Zellen und des ganzen Organismus. Browns "nucleus of the cell" vermutete
Schleiden in einer "näheren Beziehung zur Entstehung der Zelle selbst" und interpretierte den
2
Zellkern als einen Zellenbildner (Cytoblast). Im Cytoblast beobachtete Schleiden einen oder
3
mehrere kleine Kernchen (die uns heute als Nukleoli geläufig sind), und in der Entstehung eben
dieser Kernchen (bzw. des Cytoblasten) vermutete Schleiden den ersten Schritt zur Entstehung
4
einer Zelle: "Die Cytoblasten bilden sich frei innerhalb einer Zelle in einer Masse von
Schleimkörnchen [...]. Sobald die Cytoblasten ihre völlige Größe erreicht haben, erhebt sich auf
ihnen ein feines, durchsichtiges Bläschen, die junge Zelle, das auf einem flachen Cytoblasten wie
ein Uhrglas auf einer Uhr aufsitzt. Allmählich dehnt es sich aus, wird konsistenter und zuletzt so
groß, daß der Cytoblast nur als ein kleiner in einer der Seitenwände eingeschlossener Körper
5
erscheint. Später wird die Mutterzelle resorbiert."
War Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts die Erkenntnis von den Zellen als den
Elementarorganen der Pflanze bereits etabliert, so stand man, ungeachtet aller Verbesserung der
6
mikroskopischen Optik, bei der Beobachtung tierischer Zellen noch ganz am Anfang. Theodor
1
Brown (1833): »Observations on the Organs and Mode of Fecundation in Orchideae and
Asclepiadeae.«
2
Schleiden 1838, »Ostwalds Klassiker« S. 139
3
Ibid., S. 141
4
Um die Bedeutung des Zellkernes entstand zwischen Schleiden und Meyen eine lebhafte
Auseinandersetzung. Vgl. hierzu Meyens Angriff im 3. Bd. (1839) des »Systems der
Pflanzenphysiologie« und die im typischen Stil Schleidens ("Wenn er [Meyen] meinen Aufsatz
genauer durchgelesen hätte, so würde er eingesehen haben [...]") verfaßte Verteidigung »Über
das Verhältnis des Cytoblasten zum Lebensprozeß«. [In Schleiden (1844): »Beiträge zur
Botanik«].
5
Schleiden 1838, »Ostwalds Klassiker« S. 145
6
Für die Qualität einer mikroskopischen Untersuchung ist nicht allein die Güte des benutzten
Mikroskopes, der Schliff seiner Linsen und die Beleuchtungstechnik entscheidend, sondern
darüber hinaus die Möglichkeit, hauchdünne, genügend transparente Schnitte des zu
untersuchenden tierischen oder pflanzlichen Gewebes anzufertigen. Tierisches Gewebe ist bei
weitem verderblicher und viel weicher als pflanzliches, da tierische Zellen, im Unterschied zu
pflanzlichen, zwar eine Zellmembran, jedoch keine feste Zellwand besitzen. D. h., um tierisches
Gewebe genügend für die mikroskopische Betrachtung vorzubereiten, benötigt es ein brauchbares
Härtungs- und Einbettungsverfahren, sowie ein geeignetes Instrument, Gewebeschnitte
anzufertigen. Die Chromsäurehärtung stand erst in den 40 Jahren des 19. Jahrhunderts zur
Verfügung. [Hannover (1840): »Die Chromsäure, ein vorzügliches Mittel bei mikroskopischen
Untersuchungen.«] Einfache Mikrotome waren gar erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in
98
Schwann, von 1833 bis 1839 "Gehülfe" des Johannes Müller am Berliner
anatomisch-zootomischen Museum in Berlin, war ein begeisterter Anhänger von Schleidens
Theorie der freien Zellbildung. Schwann beabsichtigte nachzuweisen, daß Tiere, ungeachtet ihres
wesentlich komplexeren Aufbaus und der Verschiedenheit der Teile aus denen sie bestehen,
ebenso aus Zellen aufgebaut sind, und diese, hinsichtlich ihres Entstehungsprozesses, mit den
1
Pflanzenzellen übereinstimmen. Schwanns Ziel war es, über den Weg der Zellen, den "innigsten
Zusammenhang beider Reiche der organischen Natur" aufzuzeigen, "ungefähr so, wie alle
2
Kristalle trotz der Verschiedenheit ihrer Form sich doch nach denselben Gesetzen bilden." Auch
wenn sich im Gegensatz zur Pflanzenzelle, die tierischen Zellen nicht über ihre Zellwände von
einander abgrenzen ließen, so war der Zellkern doch relativ einfach zu beobachten. "Kernlose
Zellen", beobachtete Schwann, "sind auch bei Thieren selten [...] wenigstens neunundneunzig
3
Hundertstel aller Elementhartheile des Säugethierkörpers wird aus kernhaltigen Zellen gebildet."
Der Bildungsort neuer Zellen war für Schwann das Cytoblastem, eine flüssig-strukturlose
Substanz, die sich entweder als Zellinhaltstoff (wie bei Schleiden) oder in der interzellulären
Matrix finden sollte. Schwanns Vorstellungen des Zellbildungsprozesses verlaufen in ihren
Grundelementen den
Gebrauch. (Zur Geschichte der mikroskopischen Apparatetechnik vgl. Bracegirdle 1987,
Rothschuh 1976, Sander et al. 1982). Ein erstes brauchbares Verfahren zur Anfärbung der
Gewebeschnitte war die Gerlachsche Carminfärbung. [Gerlach (1858): »Mikroskopische
Studien«.] Zur Entwicklung histologischer Färbetechniken vgl. Hintzsche 1943.
1
Zur Konzeption Schwanns vgl. Virchow 1882, Watermann 1960.
2
Schwann 1839 in der Vorrede zu den »Mikroskopischen Untersuchungen«, zit. aus »Ostwalds
Klassiker«. Schwann war fasziniert von der Vorstellung, "daß der Organismus nichts als ein
Aggregat" von Kristallen sei. (Ibid., S. 254). Wie die mit Eis beschichtete Fensterscheibe sich aus
Milliarden kleinster Eiskristalle aufbaut, so sollte sich der gesamte Organismus wie aus
Zellkristallen selbst zusammensetzen. (Zu Schwanns Zell-Kristall-Analogie vgl. Maulitz 1971).
Auch den Vorgang der Zellenbildung (bereits in der Faserlehre waren Kristallisationsanalogien
bei der Frage um die Faserentstehung ja postuliert worden) vergleicht Schwann mit
Kristallisationsvorgängen: "die Zellenbildung ist [...] für die organische Natur das, was für die
anorganische die Kristallisation ist". "Bildlich, aber auch nur bildlich", läßt sich laut Schwann,
das Cytoblastem "mit der Mutterlauge vergleichen, aus der sich die Kristalle absetzen." (Ibid., S.
39f). Im dritten Abschnitt seiner »Untersuchungen« weist Schwann jedoch deutlich auf die
Unterschiede von Zell- und Kristallbildung hin, "wie sehr verschieden" diese beiden
Erscheinungen seien. (Ibid., S. 241). Ausschlaggebend für Schwanns Kristallanalogien war wohl
die zu seiner Berliner Zeit ebenfalls dort beheimatete Kristallographie. Bereits 1836 war die "mikroskopische Unterscheidung feinster Mineralbildung aus Lösungen" von Christian Samuel Weiss
vor der »Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin« vorgestellt worden. (Vgl. Hoppe
1982, Goetz et al. 1987, S. 30).
3
Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 204f
99
Überlegungen Schleidens parallel: "Es wird zunächst ein Kernkörperchen gebildet, um diesen
schlägt sich eine Schicht gewöhnlich feinkörniger Substanz nieder [...] und es entsteht ein mehr
oder weniger scharf abgegrenzter Zellkern. Der Kern wächst durch fortgesetzte Ablagerung neuer
Moleküle zwischen die vorhandenen. [...]. Wenn der Kern eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht
hat, bildet sich um ihn die Zelle. Der Prozeß durch den dies geschieht, scheint folgender zu sein.
Auf der äußeren Oberfläche des Zellkerns schlägt sich eine Schichte einer Substanz nieder, die
von dem umgebenden Cytoblastem verschieden ist [...]. Der äußere Teil der Schichte konsolidiert
sich allmählich zu einer Membran [...]. Hat sich die Zellmembran einmal konsolidiert, so dehnt
sie sich durch fortdauernde Aufnahme neuer Moleküle zwischen die vorhandenen, also vermöge
eines Wachstums durch Intussusception aus und entfernt sich dadurch vom Zellkern [...]. Der
Zwischenraum zwischen Zellmembran und Zellenkern wird sogleich mit Flüssigkeit gefüllt und
1
dies ist dann der Zelleninhalt." Diese "Zellenbildung ist nur eine Wiederholung desselben
2
Prozesses um den Kern, durch den sich der Kern um das Kernkörperchen bildet." Schleidens und
Schwanns Konzeption zur Erklärung der Bildungsgesetze der Entwicklung der "organismischen
Elementartheile" ist als die, von Schwann selbst so bezeichnete, Zellentheorie bzw. als die
Theorie der Zellen, in die Geschichte der Biologie eingegangen: Schwann schreibt: "Die
Entwicklung des Satzes, daß es ein allgemeines Bildungsprinzip für alle organischen
Produktionen gibt und daß die Zellenbildung dieses Bildungsprinzip ist, und die aus diesem Satz
hervorgehenden Folgerungen kann man mit dem Namen der Zellentheorie im weitern Sinne
belegen, während wir im engeren Sinne unter Theorie der Zellen dasjenige verstehen, was sich
3
aus diesem Satze über die, diesen Erscheinungen zugrunde liegenden Kräfte schließen läßt."
Schwanns Zellentheorie ist somit nicht zu verwechseln mit der Zellenlehre, wie sie später
von Rudolf Virchow (1821-1902) entwickelt wurde (s. unten). Virchow schrieb später hierzu:
"Heutzutage meinen viele, die Zellentheorie Schwanns sei identisch mit unserer heutigen
Zellentheorie. Es erklärt sich wohl nur aus dem Umstande, daß selbst ein Buch vom Range der
»Mikroskopischen Untersuchungen« Schwanns nur selten gelesen wird. Man erzählt eben nach
4
was man hört, aber man hält sich nicht mehr verpflichtet, die Quellen zu durchforschen."
1
Ibid., S. 208f
Ibid., S. 213
3
Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 99
4
Virchow (1882): »Theodor Schwann. Ein Nachruf« S. 391
2
100
1.2 Die Zellenlehre
Bereits zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung war die Schwannsche Zellentheorie gründlich
1
überholt. Der Berliner Embryologe und Neurologe Robert Remak (1815-1865) beschrieb 1841
2
die Stadien der Zellteilung an embryonalen Blutzellen. War durch Meyen, Schleiden und
Schwann die Faser als das alleinige Strukturelement und Elementarorgan des pflanzlichen und
tierischen Organismus überwunden worden und das Zellindividuum in den Mittelpunkt der
mikroskopischen Betrachtung gerückt, und durch Robert Remak dann 1852 entgültig die
3
Zellteilung als die allgemeingültige Vermehrungsweise der Zellen postuliert worden , so blieb es
letztlich Virchow vorbehalten, eine moderne Zellenlehre zu formulieren, so wie sie heute den
Lehrbüchern der Biologie zu entnehmen ist.
Noch bis in das Jahr 1847 selbst Anhänger der freien Zellbildung Schleidens und
4
Schwanns , schloss sich Virchow bald der Ansicht Remaks an, daß Zellen niemals frei in strukturloser Flüssigkeit gebildet werden, sondern immer nur durch Teilung einer schon vorhandenen
Zelle neu entstehen. In seiner 1858 erschienenen »Cellularpathologie in ihrer Begründung auf
5
physiologische und pathologische Gewebelehre« , jenem berühmten Lehrbuch, das erstmals im 1.
Kapitel mit der Darstellung der Zelle und der Zellenlehre beginnt, betont Virchow jetzt
kompromißlos: "Sowenig wir noch annehmen, dass aus saburralem Schleim ein Spulwurm
entsteht, dass aus den Resten einer thierischen oder pflanzlichen Zersetzung ein Infusorium oder
ein Pilz oder eine Alge sich bilde, so wenig lassen [...] wir es zu, dass sich aus irgend einer
6
unzelligen Substanz eine neue Zelle aufbauen könne. Wo eine Zelle entsteht, da muß eine Zelle
vorausgegangen sein (omnis cellula e cellula) ebenso wie das Thier nur aus dem Thiere und die
7
Pflanze nur aus der Pflanze entstehen kann."
1
Schwanns »Mikroskopische Untersuchungen« ist denn auch eines der wenigen
epochemachenden Werke, die niemals eine 2. Auflage erlebten.
2
Remak (1841a): »Bericht über die Leistungen im Gebiete der Physiologie.«
3
Remak (1852): »Über extracelluläre Entstehung thierischer Zellen und über die Vermehrung
derselben durch Theilung.«
4
Hinweis bei Goetz et al. 1987, S. 36.
5
Virchow 1858a
6
Virchow spielt hier auf die noch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts diskutierte
Theorie der Urzeugung (Generatio spontanea) an. Die Theorie der Urzeugung knüpfte sich an
Fragen wie: woher stammen die in einem Wassertropfen nachweisbaren "Infusorien" oder die
parasitären Würmer im Muskelfleisch? Die frühen Konzepte zur Zellentstehung waren
gewissermaßen das letzte Refugium der Urzeugungstheorie. Zur Geschichte der
Urzeugungstheorie vgl. Lesky 1950, Lippmann 1933.
7
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 24
101
Die Virchowsche Zellenlehre beruht jedoch nicht nur auf dem Zusammengesetztsein des Lebendigen aus Zellen, sondern auf der Vorstellung vom tätigen Organismus bestehend aus tätigen
Zellen, auf der Vorstellung von der Zelle als der vitalen Baueinheit, dem organischen Element
oder der organischen Einheit eines jeden Organismus. Die Virchowsche Zellenlehre ist das
funktionsmorphologische Grundprinzip lebender Organismen. "Das Charakteristikum des
Lebens" so Virchow, "finden wir in der Thätigkeit, und zwar einer Thätigkeit, zu der jeder
einzelne Theil je nach seiner Eigenthümlichkeit etwas besonderes beiträgt." Und an anderer
Stelle: "Ich kann nicht anders sagen, als dass sie [die Zellen] die vitalen Elemente sind, aus denen
1
sich die Gewebe, die Organe, die Systeme, das ganze Individuum zusammensetzen". Die Zelle ist
für Virchow der Elementarorganismus des Gesamtorganismus. Alle über die Merkmale des
Lebendigen definierte Substanz eines Organismus, sämtliche Charakteristika des lebenden
Gesamtorganismus sind im zellulären Elementarorganismus enthalten: "Was das Individuum im
2
Großen, das [...] ist die Zelle im Kleinen." Der Organismus, und alles was in ihm vor sich geht,
ist damit nichts weiter, als die Summe der Tätigkeiten seiner Zellen aus denen er besteht. Die
spezifischen Funktionen eines jeden Körperorgans sind allein zu begreifen als die Tätigkeit und
Wechselwirkung der das Organ konstituierenden, zellulären Elementareinheiten. Diesen
3
Grundgedanken verknüpft Virchow (unter dem Eindruck der politischen Ereignisse seiner Zeit )
mit seinem berühmt gewordenen Entwurf vom Organismus als demokratischem Zellenstaat:
"Jedes Thier erscheint als eine Summe vitaler Einheiten, von denen jede den vollen Charakter des
Lebens an sich trägt [...]. Daraus geht hervor, dass die Zusammensetzung eines grösseren
Körpers, des sogenannten Individuums immer auf eine Art von gesellschaftlicher Ausrichtung
herauskommt, einen Organismus socialer Art darstellt, wo eine Masse von einzelnen Existenzen
aufeinander angewiesen ist, jedoch so, dass jedes Element für sich eine besondere Thätigkeit hat,
und dass jedes, wenn es auch die Anregung zu seiner Thätigkeit von anderen Theilen her empfän4
gt, doch die eigentliche Leistung von sich selbst ausgehen lässt". Im Zellenstaat gibt es das
"Aufeinander angewiesen sein" und zum anderen die Individualzelle als ein in sich geschlossenes
und unabhängiges Einheitsgebilde: "jedes einzelne Element des lebenden Organismus erscheint
wie eine besondere Person, mit individuellen Eigenschaften
1
Virchow (1855): »Cellular-Pathologie« S. 20
Virchow 1855, S. 19
3
Virchows politische Überzeugungen (an den Berliner Revolutionswirren 1848 war Virchow auf
Seiten der Aufständischen aktiv beteiligt [vgl. Ackerknecht 1957, Vasold, 1990]), kommen in
seinen medizinisch-biologischen Schriften vielerorts zum Ausdruck. Zur Verwendung politischbiologischer Analogien im Sprachgebrauch Virchows vgl. Mazzolini 1988
4
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 17
2
102
1
ausgerüstet". Die Zelle ist Mitglied des Zellenstaates und sie ist zugleich "vital autonom": "Jede
einzelne Zelle kann ihre besonderen Wege gehen, ohne dass mit Nothwendigkeit das Geschick der
2
zunächst liegenden Zellen daran geknüpft ist".
Hatten Theodor Schwann und Mathias Jakob Schleiden die Zelle nur als einen Baustein betrachtet
und ihr, wie es der Bonner Anatom und Virchow Schüler Otto Deiters (1834-1863) ausdrückte,
"als physiologisches Criterium fast nur die Fähigkeit" zugeschrieben, "durch mehr oder weniger
3
ausgeprägte Metamorphosen in die vollendeten thierischen Gewebe überzugehen" , so wandelte
sich durch Virchow die physikalistische Zellentheorie Schleiden-Schwannscher Prägung zu einer
echten biologischen Theorie. Erst mit der Virchowschen Zellenlehre wird die starre
mechanistische Zellenkonzeption Schleidens und Schwanns mit Leben gefüllt, gewinnt die Zelle
über ihre Rolle als morphogenetisches Strukturelement hinaus, als physiologisches Elementarindividuum Gewicht.
1
Virchow (1858b): »Reizung und Reizbarkeit« S. 8
Ibid., S. 18
3
Deiters (1859): »Über den Stand der Lehre von der Zelle.«
2
103
2. Wider der Aristokratie und Hierarchie der Nerven: Active Zellen und
zellulare Erregung als die Merkmale von Lebenstätigkeit.
Im politisch wie medizinisch reaktionären Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war
die bereits erwähnte Konzeption William Cullens, die Neural- oder Nervenpathologie
1
maßgebliches Programm. Das Nervensystem ist die oberste Instanz und zentrales Funktionsorgan
des Körpers. Das Nervensystem ist der Quell und Vermittler aller Lebensphänomene, auch von
Krankheit. Jede erdenkliche Funktion des Organismus fußt auf dem dominierenden Einfluß des
Nervensystems, wird durch Nerveneinfluß (Innervation) geregelt.
Virchow
nannte
die
2
Anhänger dieser Sichtweise, "der Kürze wegen" die Neuristen. Die funktionelle Dominanz des
Nervenapparates, die "Aristokratie der Nerven", wie sich Virchow ausdrückte, fand in den anatomisch-funktionellen Vorstellungen der Neuristen (bzw. der Neuropathologen) ihre Entsprechung. Wie die vom Herzen ausgehenden Blutgefäße, so betrachteten die Neuristen das Gehirn als
den anatomischen Ursprung aller Nerven und als den Ausgangspunkt von Nervenwirkung. Durch
das Rückenmark und die Nerven "hindurch" agiert das Nervensystem gleichsam "von oben herab"
und affiziert als der "verlängerte Arm des Gehirns", als feinverästeltes Nervengespinst, die Teile
des Körpers, sämtliche Organe und sämtliche Gewebe (auch die Blutgefäße), bis "hinab" zur
einzelnen Zelle, die damit (wie die Organe) lediglich den Part eines passiven Befehlsempfängers
einnimmt. Virchow beschreibt die Auffassung vieler seiner Zeitgenossen und Ärztekollegen, das
Nervensystem sei gewissermaßen (neben den Blutgefäßen) der zweite Verteilungsapparat im Körper, so: "Die Vorstellung eines Neuropathologen von reinem Wasser geht bekanntlich dahin, dass
ein Nervencentrum im Stande sei, vermittelst der Nervenfasern auf jeden kleinsten Teil seines
Territoriums eine besondere Wirkung auszuüben. Soll an einem kleinen Punkte des Körpers
Krebsmasse oder Eiter entstehen [...] so bedarf der Neuropatholog' einer Einrichtung, vermöge
welcher das Centralorgan im Stande ist, der Peripherie innerhalb ihrer kleinsten Bezirke seine
Einwirkungen zukommen zu lassen, irgend eines Weges, auf welchem die Boten gehen können,
welche nun einmal die Ordre nach den entferntesten Punkten des Organismus zu bringen
3
bestimmt sind [...]".
Die Frage "von welchen Theilen des lebenden Körpers eigentlich die Action ausgehe und
4
was das Thätige sei" hält Virchow für die "Cardinalfrage aller Physiologie und Pathologie".
Während die Neuristen das Nervensystem als den ideellen, funktionellen und anatomischen
Mittelpunkt des Körpers aufzufassen, als das über alle Teile des Organismus
1
Vgl. hierzu Rath 1956
Virchow 1858a, zit. aus Virchow, 1871 S. 330
3
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 229ff.
4
Ibid., S. 4
2
104
erhabene Zentrum, das die gesamte Existenz und Physiologie des Organismus bestimmt, so
kommen für Virchow als die "histologischen Elemente der Lebensthätigkeit" einzig und allein
diejenigen Strukturen in Betracht, welche "thatsächlich die Hauptmasse der Körpersubstanz aus1
machen" , die Zellen. "Das Leben ruht nicht nur in Blut und Nerv, sondern in allen Zellentheilen",
2
heißt es bei Virchow. Dem Monopol des Nervensystems setzt Virchow den Grundgedanken vom
Organismus als demokratischem Zellenstaat, bestehend aus gleichberechtigten, selbständig
handelnden und unabhängigen Zellenbürgern, die nur ihren eigenen, ihnen selbst innewohnenden
Gesetzen gehorchen, entgegen. Nicht mehr das Nervensystem ist "das Organ des Lebendigen"
sondern allein "die Zelle ist der Sitz des Lebens, [...] ist der Sitz der Thätigkeit, das
Elementargebiet, von welchem die Art der Thätigkeit abhängt. [...]. Die Zelle ist [...] die
3
einfachste und doch vollständige Form der Lebensäußerung [...] ein Lebensherd". Virchow
betont: "Indem wir das Recht des Tiers-état, der vielen kleinen Elemente verfechten, mag es
aussehen als sollte die Aristokratie und Hierarchie von Blut und Nerv bis in ihre Wurzeln zerstört
4
werden".
Virchows größter Triumph war denn auch der Sieg seiner Cellularpathologie über die
Neuropathologie und deren Ansichten von der Erkrankung des Organismus als ein über das
Nervensystem vermittelter und den Körper in seiner Gesamtheit betreffenden Vorgang. Wie der
französische Histologe Francois Xavier Bichat (1771-1802) die Gewebe als die Grundbestandteile
5
des Körpers und seiner Funktionen und als den Sitz von Krankheit ansah , hielt auch Virchow es
für notwendig, "die pathologischen Vorgänge zu localisiren [und] sie auf bekannte histologische
6
Elemente zurückzuführen". Diesem Ziel näher zu kommen, untersuchte Virchow krankhafte
Veränderungen in den Organen und ihre pathologischen Gewebeformen. Virchow weist nach, daß
sich pathologische Prozesse grundsätzlich in Veränderungen der Zellen des betroffenen Gewebes
mikroskopisch nachweisen lassen. Ohne die Beobachtung pathologischer Neubildungen wäre das
omnis cellula e cellula wohl kaum möglich gewesen. So entstand neben der zellularen Theorie des
Lebens die zellulare Theorie der Krankheit. Die Zelle ist das "wirklich letzte Formelement aller
lebendigen Erscheinung sowohl im Gesunden als im Kranken". Für Virchow ist jede Zelle
Lebensherd und Krankheitsherd zugleich. Krankheit ist damit nur noch eine Sonderform des
Lebens, Pathologie lediglich eine "Physiologie mit Hindernissen, das kranke Leben nichts, als das
durch allerlei
1
Ibid.
Virchow (1856b): »Alter und neuer Vitalismus« S. 23
3
Virchow (1849): »Das Leben«, in Virchow (1856b): »Gesammelte Abhandlungen« S. 22 u. S.
27 Anmerkung 1.)
4
Ibid., S. 51 Anmerkung 1.)
5
Bichat (1801): »Anatomie générale.«
6
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 20
2
105
1
äußere und innere Einwirkungen gehemmte gesunde [...]. Jede Krankheit beruht in der Veränderung einer kleineren oder grösseren Summe zelliger Einheiten des lebenden Körpers; jede
pathologische Störung, jede therapeutische Wirkung findet erst dann ihre letzte Deutung, wenn es
möglich ist, die bestimmte Gruppe von zelligen, lebenden Elementen anzugeben, welche davon
getroffen wird, und die Art von Veränderung zu bestimmen, welche an den einzelnen Elementen
einer solchen Gruppe eingetreten ist. Das vielgesuchte Wesen der Krankheit ist die veränderte
2
3
Zelle. [...]. Das pathologische Wesen ist die kranke Zelle." Als die Ursache pathologischer
Prozesse setzt Rudolf Virchow, an die Stelle der gestörten Funktion des Nervensystems, die
Stoffwechselstörung in den Zellen des erkrankten Körperteils: "Alle Krankheiten lösen sich zuletzt
auf in active oder passive Störungen größerer oder kleinerer Summen der vitalen Elemente, deren
Leistungsfähigkeit je nach dem Zustande ihrer moleculären Zusammensetzung sich ändert, also
4
von physikalischen und chemischen Veränderungen ihres Inhaltes abhängig ist".
Dieser zellularen Theorie der Krankheit hatten die Neuristen nichts entgegenzusetzen. Die
Neuropathologie entpuppte sich als ein Gedankenkonstrukt ohne histologische Grundlage, eher an
Mutmaßung und Spekulation, denn an anatomisch-histologischen Tatsachen orientiert. In der
»Cellularpathologie« fällt Virchow ein abschließendes Urteil über die Neuristen und die
Neuropathologie: "Der Gedankengang der Neuristen ist ein vollständig mythologischer. Wie sie
heute die Gewebe des Körpers im Verhältnisse zu dem Nervensystem betrachten, so betrachten die
Naturvölker die lebenden Individuen zur Sonne, und gewiss mit eben so viel Recht. Wärme und
Licht sind die belebenden Faktoren der Welt. [...] Sollen wir nun aber dabei stehen bleiben, dass
jede unserer Lebensverichtungen von der Sonne abhängig sei? Dass, weil die Sonne eine
5
nothwendige Vorbedingung alles Lebens ist, auch das Leben nichts als Sonnenwirkung sei?"
Das Verstummen der Neuropathologie gegenüber der Zellenlehre, das Ende eines "Organ-Monopols", der "Aristokratie der Nerven" gegenüber dem "Recht des Tiers-état der vielen kleinen
6
Elemente" , rückte denn auch das Konzept der Erregbarkeit bzw. Reizbarkeit als jener
Grundeigenschaft, die alles Lebendige vom Toten unterscheidet, in ein neues, in ein "zellulares"
Licht.
1
Virchow (1855): »Cellular-Pathologie« S. 15
Virchow (1858b): »Reizung und Reizbarkeit« S. 49
3
Ibid., S. 54
4
Virchow 1855, S. 38
5
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 331
6
Virchow 1949 in Virchow 1856, S. 51 Anmerkung 1.)
2
106
Für Reil war Erregbarkeit ein Phänomen der Lebenskraft gewesen. Ebenso war für seinen Schüler
Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1838) Lebensthätigkeit unmittelbar mit Lebenskraft, in Form
von Erregbarkeit als der inneren Lebensbedingung, und den Reizen als den äußeren
Lebensbedingung verbunden. Das Leben ist eine "fortdauernde Erregung oder in Thätigkeit1
Setzung der Lebenskraft" heißt es bei Hufeland . Während Alexander v. Humboldt aus seinen
Experimenten bereits den Schluß gezogen hatte, daß es nicht mehr zu wagen sei Lebenskraft zu
nennen, "was vielleicht bloß durch das Zusammenwirken der [...] materiellen Kräfte bewirkt
2
werde" , war für Hufeland die "chemische Mischung" und der "mechanische Zusammenhang der
Stoffe" noch uneingeschränkt die materielle Grundlage von Lebenskraft. Mit jeder Erregung ginge
ein Wechsel der die "Vitalität der Organisation [des Organismus] constituierenden Stoffe", bzw.
3
"eine Veränderlichkeit der Bestandteile [sowohl in Beziehung auf Mischung und Lage]" einher.
Auch Johannes Müller war noch nicht von der strengen Gültigkeit allein chemischer und
physikalischer Gesetze in Organismen überzeugt gewesen. Die Erklärung des Lebendigen und die
Unterscheidung zwischen Leben und Tod, allein aus der Zusammensetzung der Stoffe, hatte
Müller abgelehnt, da ja diese Zusammensetzung nach dem Tode noch zunächst weiter bestehe.
Virchow hingegen bestreitet eine Sonderstellung des organischen Lebens. Er spricht
vielmehr von der "mechanischen Erklärung" des Lebens, vom "Leben als dem Resultat
mechanischer Veränderungen", und von Lebenskraft "im mechanischen Sinne", die als der
Ausdruck einer bestimmten Zusammenwirkung physikalischer und chemischer Kräfte in Zellen
4
gedacht werden müsse. Die Zelle ist "das theilbare lebendige Eine [...], die in sich selbst den
Grund, das Princip ihres Lebens aufgenommen hat, die in sich selbst die Gesetze
1
Hufeland (1800/1805): »System der practischen Heilkunde« S. 12. Vgl. auch Hufeland (1798):
»Mein Begriff von der Lebenskraft.«
2
Humboldt (1779-1799): »Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser« S. 432
3
Hufeland 1800/1805, S. 216
4
Veränderungen in den Beziehungen physikalischer Körper sind für Virchow nur möglich durch
das Eintreten einer Bewegung an den Körpern. Diese Bewegung selbst ist für Virchow
mechanisch (physikalisch oder chemisch) und kann nur mechanisch erregt werden. Die Gesetze
der "Mechanik" gelten auch im zellulären Organismus. "Die einzelnen Bewegungsacte reduciren
sich auf mechanische (physikalisch-chemische) Veränderungen der die organischen Einheiten, die
Zellen und ihre Aequivalente, constituirenden Elemente." Leben ist für Virchow zwar nicht
identisch mit Mechanik, sondern Leben ist nur eine besondere Art der Mechanik und zwar deren
komplizierteste Form. "Der Stoff des Lebens ist nichts besonderes, nur die Bewegung des Stoffes,
das Leben selbst ist es." Vgl. Virchow (1849): »Das Leben«, in Virchow (1856a): »Gesammelte
Abhandlungen«, (1856b): »Alter und neuer Vitalismus«, (1858): »Über die mechanische
Auffassung des Lebens«, in Virchow (1862): »Vier Reden über Leben und Krankheit«.
107
1
ihrer Existenz trägt". Diese Gesetze wiederum seien zu suchen in den "mechanischen
Molekularkräften", in den chemischen und physikalischen Bedingungen und Wechselwirkungen,
die das Leben der Zelle hervorrufen. Virchow betont: "In der That sind meine Ontologien andere,
als die des alten Vitalismus. Indem ich den ganzen Körper in Zellenterritorien zerlege und in
jedem Zellenterritorium eine Zelle als wirksame Einheit finde, so stellt [..] jede Zelle die volle
Erscheinung des Lebens als solche, bald in ganzer Einfachheit, bald in reicher Vielfalt dar; jede
ist ein Microsoma, ein gleichberechtigter, wenn auch nicht gleichausgestatteter Leib. [...] Sie [die
Zelle] hat keinen Spritus rector, keine Archaeus, keinen Lebensgeist, der sie beherrscht, denn sie
steht ganz auf sich und ist abhängig in ihren Thätigkeiten von ihrem eigenen Stoff und von den
2
bewegenden Einflüssen, welche ihr von aussen zuströmen." Die "Thätigkeit der Zelle geht nicht
von einer Kraft oder einem Geiste aus, welcher in oder hinter dem Stoffe steckt, sondern von dem
Stoffe selbst. [...]. Ihre Thätigkeit ist mechanisch oder chemisch, wie die Thätigkeit aller übrigen
Körper, von denen sie sich unterscheidet duch die besondere und zugleich constante
Zusammenordnung ihrer Theilchen. [...]. Die Vitale Thätigkeit kann als das Gesamtresultat
grösserer und in sich verschiedener Atomgruppen betrachtet werden. [...]. Dieser Vitalismus ist
ein mechanischer und hat mit allem Spiritualismus gebrochen. Er trägt in den Erscheinungen
keine Erklärungsgründe, welche aus falschen Analogien des geistigen Lebens hergeholt sind [...]
3
er steht auf der Erfahrung und seine eigentliche Quelle ist die Anschauung."
Die Fähigkeit der Zellen zur reaktiven Auslösung von "activer Lebensthätigkeit" durch
eine äußere Veränderung bzw. Reizeinwirkung, "sei es von anderen Gewebslementen oder von
4
ganz äußeren Körpern", nennt Virchow nun Erregbarkeit. Vorausetzung für "Lebensthätigkeit"
ist allein die "active Zelle". Erregbarkeit oder Reizbarkeit ist für Virchow, nun "vom Standpunkte
der cellularen Theorie aufgefasst [...], eine Eigenschaft und demnach ein Kriterium jeder
5
lebenden Zelle und jedes lebenden Zellenderivates". Erregbarkeit ist nicht an ein "höher
organisirtes Theil" gekoppelt, wie ehedem an die Muskulatur oder später an das Nervensystem,
sondern sie äußert sich dadurch, "dass das lebende Element (die vitale Einheit) durch
Einwirkungen, welche ihm von aussen oder Theilen desselben Organismus, oder von ganz
fremden Körpern her zukommen, zu gewissen Thätigkeiten (Actionen,
1
Virchow (1849): »Das Leben«, in Virchow (1856b): »Gesammelte Abhandlungen« S. 22 u. S.
27 Anmerkung 1.)
2
Virchow (1858b): »Reizung und Reizbarkeit« S. 9
3
Ibid., S. 9 u. S. 11
4
Virchow (1856b): »Alter und neuer Vitalismus« S. 50
5
Virchow (1858b): »Reizung und Reizbarkeit« S. 7
108
1
Reactionen) bestimmt werden kann," und zwar derart, daß die reizende Einwirkung in dem
getroffenen Zellelement eine "Veränderung der physikalischen oder chemische Eigenschaften der
2
aufeinander einwirkenden Körper hervorruft", bzw. indem die "räumliche Anordnung der [...]
3
physikalischen Moleküle [..] geändert wird."
1
Ibid.
Ibid., S. 51
3
Ibid., S. 8
2
109
3. Das zellulare Nervensystem
Für die Neuristen (bzw. die Neuropathologen) war das Nervensystem eine anatomische Einheit,
1
ein Zentralorgan als Ganzes. Die Allgegenwart des Nervensystems im Körper und die ihm
zugewiesene Rolle als dessen Lebenszentrum, schafft die Einheit des Organismus, dessen vitale
2
und geistige Geschlossenheit, schafft die "die Harmonie der zum Ganzen notwendigen Glieder".
Im Gegensatz dazu Virchows Lehre von der Zellenrepublik. Diese entzog der alten vitalistischen
Vorstellung von der ideellen Einheit des Organismus, die ja schon Schleiden und Schwann
bekämpft hatten, entgültig den Boden. Im Zellenstaat bestimmt nicht mehr das Ganze die Existenz der einzelnen Teile, sondern der vital autonome Elementarorganismus bestimmt die Existenz
des Gesamtorganismus. Eine anatomische oder physiologische Einheit des Organismus ist für
Virchow nirgends nachweisbar. Eine Einheit des Organismus bestünde nur im Bewußtsein, in der
"gedachten Wirklichkeit", die nicht "Gegenstand der naturwissenschaftlichen Beobachtung, der
3
Messung, des Experiments ist." Für Virchow bietet "nur die immaterielle Seele [...] die
4
Möglichkeit einer wirklichen Einheit." In der »Cellularpathologie« heißt es hierzu: "Der Charakter und die Einheit des Lebens kann nicht an einem bestimmten einzelnen Punkte einer höheren
Organisation
1
Die nervenlosen Bezirke des Körpers wurden von den Neuristen als nur scheinbar nervenlos
angenommen. Nach Ansicht des Frankfurter Neuropathologen Adolf Spieß (1802-1875), mit dem
Virchow in persönlicher Gegnerschaft lag, war es nur eine Frage der Zeit, bis der vollständige
Nachweis der anatomischen Ausbreitung des Nervensystems innerhalb des ganzen Körpers
gelungen sein würde. Virchows Auseinandersetzung mit Spieß [vgl. Virchow (1858c): »Eine
Antwort an Herrn Spieß«] ist nachgezeichnet bei Rath 1957.
2
Müller (1844): »Handbuch der Physiologie des Menschen« S. 19ff
3
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 332ff.
4
Die Vorstellungen der Neuristen muten aus heutiger Perspektive naiv an. Abgeleitet aus dem
"nicht zellulären Denken" der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts jedoch, darf die Vorstellung
von der Einheit des Nervensystems keineswegs absurd erscheinen. Denn auch noch wir, die Menschen des 20. Jahrhunderts, werden, wie sich Virchow ausdrückte, "durch die geistigen
Phänomene unseres Ichs immerfort irre geführt [...] in der Deutung der organischen Vorgänge."
(Virchow 1871, S. 333). Auch wir sind uns nicht bewußt, daß wir aus Zellen bestehen. Niemand
identifiziert sich mit seinen Zellen, sondern immer nur mit ihrer Summe. Das Empfinden des
eigenen Körpers betrifft ihn als ein Ganzes. Geht man davon aus, daß das Nervensystem das
Organ der Selbstbestimmung, Selbstempfindung und Selbsterkenntnis ist, so liegt es auch heute
noch durchaus nahe, das Nervensystem für unser Selbstempfinden als ein einheitliches Ganzes
verantwortlich zu machen und das Nervensystem selbst als eine Einheit, den Mittelpunkt oder die
oberste Instanz des Körpers zu benennen. Nicht anders erging es den Neuristen. Mit Blick auf
deren Motive formuliert Virchow (ibid.) kurz und bündig: "Da wir uns selbst als etwas Einfaches
und Einheitliches fühlen, so folgern wir, dass von diesem selben Einheitlichen alles Andere
bestimmt werden müßte".
110
gefunden werden, z.B im Gehirn des Menschen, sondern nur in der bestimmten, constant
1
wiederkehrenden Einrichtung, welches jedes einzelne Element an sich trägt."
Auch die anatomischen Voraussetzung für die "geistige Einheit" des Organismus, die
anatomische Einheit des Nervensystems, existiert für Virchow nicht. Wie ein jedes Körperorgan,
2
so sei auch das Nervensystem "ein aus vielen wirkenden Theilen zusammengesetztes Ganzes."
"Das Scalpell", schreibt Virchow, "legt den Nervenapparat als ein aus ausserordentlich vielen,
relativ gleichwerthigen Theilen zusammengeordnetes System ohne Mittelpunkt dar. [...]. Je genauer wir (das Nervensystem) histologisch untersuchungen, umso mehr vervielfältigen sich die
Elemente, und die letzte Zusammensetzung des Nervensystems zeigt sich nach einem ganz
analogen Plane angelegt, wie die aller übrigen Theile des Körpers. Eine unendliche Menge
zelliger Elemente von mehr oder weniger großer Selbständigkeit tritt neben und grossentheils
3
unabhängig voneinander auch in dem Nervensystem in Erscheinung". Diejenige Anschauung, so
Virchow weiter, "welche im Nervensystem den eigentlichen Mittelpunkt des Lebens sieht, hat die
überaus grosse Schwierigkeit vor sich, dass sie in demselben Apparate, in welchen sie die Einheit
verlegt, die gleiche Zerspaltung in unzählige, einzelne Centren wiederfindet, welche der übrige
Körper darbietet, und dass sie an keinem Punkte des Nervensystems den wirklichen Mittelpunkt
4
aufzuweisen vermag, von welchem [...] alle Theile beherrscht würden."
Virchows Nervensystem ist somit nur noch ein Gewebesystem, ein zellulares Territorium
innerhalb des aus Zellen aufgebauten Organismus. Das Nervensystem ist ein Organ, gleichwertig
neben den anderen Organen des Organismus. Das Nervensystem ist weder Mittelpunkt des Körpers, noch gibt es im Nervensystem selbst einen Mittelpunkt. Das Nervensystem schafft weder die
Einheit des Organismus, noch ist es selbst eine Einheit, da, um es mit Virchow noch einmal
abschließend zu betonen: "jeder Theil des Körpers eine Mehrheit von kleinen wirkungsfähigen
Centren oder Elementen darstellt und da nirgends, [...], ein einfacher anatomischer Mittelpunkt
5
existiert, von dem aus die Thätigkeiten des Körpers in einer erkennbaren Weise geleitet werden."
Virchows Zellenlehre und daraus abgeleitet, sein zellulares Konzept des Nervensystems,
beeindruckt in seiner kompromißlosen Darstellung. Wie aber ließ sich nun Virchows Konzept von
der zellularen Erregbarkeit mit der Erregbarkeit der Nervenfaser oder gar mit einer Erregbarkeit
von Nervenzellen in Einklang bringen? Und darüber hinaus: gibt es sie wirklich,
1
Virchow 1858a, zit. aus Virchow 1871, S. 17
Ibid., S. 331
3
Ibid., S. 272
4
Ibid., S. 329
5
Ibid.
2
111
jene Gehirn und Nerven zusammensetzenden, von Virchow so selbstverständlich postulierten,
elementaren Grundeinheiten. Wie sehen sie aus, und wie funktionieren die Elementarorganismen
im Nervensystem, so daß die gesamte Vielfalt ihrer Tätigkeit die Gesamtfunktion des
Nervensystems bewirkt?
112
III. Die Vorgeschichte der Neuronen-Doktrin und die Entstehung des
Netzwerkgedankens
1. Histologie der Nervenzelle: Zelle und Faser als morphologische Einheit
1.1 Von der Ganglienkugel zur Nervenzelle
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zeigte sich das Hirn- und Nervengewebe als ein
1
nur schwer zu interpretierendes Bild unter den Mikroskopen. Die Histologen jener Anfangszeit
der Neurohistologie bekamen lediglich ein dicht gepacktes Geflecht scheinbar wirr
ineinandergewundener Faserstrukturen zu Gesicht und, zwischen diese eingestreut, kugelig-ovale
2
Blasengebilde. So war man denn auch zunächst überzeugt, das Nervensystem besteht aus zwei,
3
anatomisch voneinander unabhängig existierenden "Urmassen", wie sich Valentin ausdrückte:
4
den Nervenfasern, die, vergleichbar dem Blutgefäßsystem, als kontinuierlich verlaufender
5
Faserfilz das Gehirn, das Rükenmark und die peripheren Nerven durchweben , und zum anderen,
den sich zwischen die Nervenfasern einfügenden gangliösen
1
Zur Entdekungsgeschichte der Nervenzelle vgl. Stieda (1899): »Geschichte der Entwicklung der
Lehre von den Nervenzellen. Von Sömmering bis Deiters«, Waldeyer (1891): »Ueber einige
neuere Forschungen im Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems«.
2
Vgl. hierzu die Pionierarbeiten von Ehrenberg (1833a): »Nothwendigkeit einer feineren
mechanischen Zerlegung des Gehirns und der Nerven«, (1833b): »Ueber die Structur des Gehirns
und der Nerven«, (1834): »Beobachtungen einer bisher unbekannten Structur des Seelenorgans
bei Menschen und Thieren«, Purkinje (1837a): »Neueste Untersuchungen aus der Nerven und
Hirnanatomie«, (1838): »Neueste Beobachtungen über die Struktur des Gehirns«, Remak
(1838a): »Observationes anatomicae et microscopicae de systematis nervosi structura«, Valentin
(1836a): »Über den Verlauf und die letzten Enden der Nerven«.
3
Valentin 1836, S. 175
4
So heißt es z.B. bei Johann Gottfried Ehrenberg (1795-1876): "Das Gehirn ist einem
Capillargefäßsystem für die Nerven vergleichbar." (Ehrenberg 1833a, S. 464)
5
Die Zusammensetzung der Nerven aus Nervenfasern hatte bereits der italienische Arzt, Physiker
und Naturforscher Felice Fontana (1730-1805) beschrieben: "Der Nerv wird durch eine große
Anzahl durchsichtiger, homogener, gleichförmiger, sehr einfacher Cylinder gebildet. [...] die
Cylinder die ich beschrieben habe [sind] die einfachen und ersten organischen Elemente der
Nerven. [...]. Mir däucht, daß ich eine großen Schritt zur Kenntnis eines so wesentlichen
Werkzeugs zum Leben gethan habe [...]." [Fontana (1781): »Traité sur le Vénin de la Vipere«, zit.
aus Stieda 1899, S. 9]
113
1
Körperchen oder Ganglienkugeln. Theodor Schwann (1810-1882) schrieb 1839 in den
»Mikroskopischen Untersuchungen«: "Die Elementargewebe des Nervensystems stellen sich unter
einer doppelten Form dar: 1. als Fasern, Nervenfasern im weiteren Sinne, einschließlich der
2
Fasern des Gehirns und Rückenmarks; 2. als Kugeln, Ganglienkugeln , außer den Ganglien auch
3
im Gehirn und Rückenmark vorkommend." Erst in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts
wurde der anatomische Zusammenhang von Fasern und Ganglienkugeln (nach Akzeptanz der
Zellenlehre war von Ganglienzellen die Rede) offensichtlich, zunächst beschränkt auf
4
5
Beobachtungen an peripheren Ganglien , später auch im Rückenmark. Allein die Ganglienzellen
des Gehirns schienen sich der histologischen Erforschung zu versperren. Für die Großhirnrinde
erklärte der Würzburger Histologe Albert von Kölliker (1817-1905) in seinem damals
maßgebenden »Handbuch der Gewebelehre«: "Einen Zusammenhang der Nervenzelle und der
6
Nervenröhren (Nervenfasern) fand auch ich in der Rinde des Hirnes trotz allen Suchens nicht."
Dieser Nachweis gelang dem Erlanger Anatom Joseph Gerlach (1820-1896), ein halbes Jahrzehnt
7
später, mit Hilfe der von ihm entscheidend verbesserten Technik der Carminfärbung.
1
Die ersten Untersuchungen des Nervengewebes wurden an den leicht zugänglichen Ganglien
vornehmlich wirbelloser Tiere durchgeführt. Daher der Begriff Ganglienkugel.
2
Den Begriff Ganglienzelle [heute Nervenzelle] verwendete Schwann noch nicht.
Erwähnenswert an dieser Stelle ist die an die alte Theorie der Perlschnurfaser (dazu Berg 1942, S.
415) erinnernde Vorstellung Schwanns, die Nervenfasern enstünden durch Verschmelzung
kugeliger, sogenannter Primärzellen. Das Verschmelzungsprodukt nennt Schwann sekundäre
Zelle, sekundäre Nervenzelle oder einfach nur Nervenzelle. Ganglienkugeln sind bei Schwann
keine Nervenzellen im heutigen Sinne, sondern die "wahren einfache Zellen", die zur Nervenfaser
fusionieren (Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 140ff). Die erstmalige Verwendung des
Begriffs Nervenzelle meinte also, wie ehemals die erstmalige Verwendung des Begriffs Zelle oder
Zellgewebe (dazu »Dritter Teil«), ursprünglich etwas gänzlich von dem verschiedenes, was heute
unter diesen Begriffen verstanden wird.
3
Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 140ff
4
Hannover (1840): »Die Chromsäure, ein vorzügliches Mittel bei mikroskopischen
Untersuchungen«, (1844): »Recherches microscopique sur le système nerveux«, Helmholtz
(1842): »De fabrica systematis nervosi evertebratum«, Kölliker (1844): »Die Selbständigkeit und
Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems durch anatomische Beobachtungen bewiesen«,
Wagner (1846): »Sympathischer Nerv, Ganglienstruktur und Nervenendigungen«, (1847): »Neue
Untersuchungen über Bau und Endigung der Nerven und die Struktur der Ganglien.«
5
Schilling (1852): »De medullae spinalis textura, ratione imprimis habita originis usque dicitur
cerebralis nervorum spinalium«, Remak (1855): »Über den Bau der grauen Säulen im
Rückenmark der Säugetiere.«
6
Kölliker 1852, zit. aus Kirsche 1977, S. 40
7
Gerlach (1858): »Mikroskopische Studien auf dem Gebiet der menschlichen Morphologie.«
114
Fig. 6 Erste Darstellungen von Ganglienkugeln und Ganglienzellen: (Oben links) "Ganglienkugeln aus den untersten
Ganglien des Sympathicus eines Frosches" [aus Schwann 1839]. (Oben rechts) "Keulenförmige Körper" in einem
Bauchmark-Ganglion des Blutegels [aus Ehrenberg 1834]. (Rechts) "Gangliöse Körperchen" im Kleinhirn des
Menschen [aus Purkinje 1838]. (Mitte) "Kugel" im Kleinhirn des Menschen [aus Valentin 1836a]. (Unten)
"Ganglienzellen" mit Fortsätzen im Kleinhirn des Menschen [aus Kölliker 1852].
115
Hatten die Neuristen und Neuropathologen das Nervensystem noch als allein aus Fasern
bestehend betrachtet und den Ganglienkugeln keine Bedeutung beigemessen, so war die Faser von
nun an Teil der Nervenzelle, die eigenartige Ausstülpung des Zellkörpers. Erst in der Hand des
Bonner Anatomen Otto Deiters (1834-1863) jedoch führte die Carminfärbung zu einer
Beschreibung von Nervenzellen im Gehirn, Deiters spricht von "centralen Ganglienzellen", so
wie sie uns heute geläufig sind. Veröffentlicht wurden Deiters bahnbrechenden »Untersuchungen
1
über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere« zwei Jahre nach seinem Tode
von dem Bonner Anatomen Max Schultze (1825-1874). In den »Untersuchungen« Deiters' heißt
es: "Mit wenigen Ausnahmen ist die centrale Ganglienzelle eine unregelmässig geformte Masse
eines körnig erscheinenden Protoplasma, welche entweder mehr wachsweich, dehnbar, oder wie
in den meisten Fällen mehr spröde und zerbrechlich ist, welche zuweilen aufallend platt und dünn,
meist aber massig, nach allen Seiten ausgedehnt erscheint, welche durch eine ziemlich glatte
Contur oder durch einen etwas gerissenen Rand gegen die Nachbarschaft abgegrenzt wird,
welche in ihrem Innern einen grossen rundlich bläschenförmigen Kern mit eingeschlossenem
Kernkörperchen trägt [...]. Der Körper der Zelle setzt sich ohne Unterbrechung in eine mehr oder
weniger grosse Zahl von Fortsätzen fort, welche sich mannigfach in langen Zügen und in oft
wiederholten Theilungen verästeln und in welche sich das körnige, oft sogar das pigmentirte
Protoplasma unmittelbar hineinverfolgen läßt, die also direct als dessen Fortsätze erscheinen, die
sich zuletzt in unmessbare Feinheit auflösen und sich in der porösen Grundmasse verlieren,
welche an solchen feinsten Fortsätzen immer in Fetzen hängend erkannt wird. Diese Fortsätze
[...] nenne ich im Folgenden der Bequemlichkeit wegen Protoplasmafortsätze. Von diesen
unterscheidet sich auf den erste Blick ein ausgezeichneter einzelner Fortsatz, der entweder von
dem Körper der Zelle, oder was auch vorkommmt, von einem der größten Protoplasmafortsätze
unmittelbar an der Wurzel desselben entspringt. Dieser eine Nerven- oder Axencylinderfortsatz
lässt allerdings an seinem ersten Anfang wohl noch Körner des Protoplasmas erkennen, in das er
sich verliert, denn es ist kein scharfer Absatz da, aber sobald er sich von dem Zellenkörper
entfernt, erscheint er gleich als eine starre hyaline Masse, viel resistenter gegen Reagentien,
überhaupt anders sich gegen diese verhaltend und von Anfang an immer unverästelt. Kurz nach
dem Abgang von der Zelle wird dieser Fortsatz dünner, und bricht daher gewöhnlich zugleich
2
wegen der hier meist stattfindenden Biegung ab."
Deiters war somit erstmals der Nachweis gelungen, daß Nervenzellen mit einem zentralen
Zellkörper, sowie zweierlei Arten von Fortsätzen ausgestattet sind: mit einem
Axencylinderfortsatz, dem heutigen Axon, und den zahlreichen, sich vielfach verästelnden
1
2
Deiters 1865
Ibid., S. 55f
116
Protoplasmafortsätzen, den heutigen Dendriten. Die "Elementareinheit des Nervensystems", wie
sie Virchow vorschwebte, erhielt mit der Deitersschen Arbeit ihre Grundgestalt. Doch waren die
zentralen Zell-Faser-Gebilde, wie sie Deiters beschrieb, tatsächlich Elementarorganismen,
anatomische Einheiten, im Sinne voneinander abgrenzbarer Zellterritorien?
An den Protoplasmafortsätzen erkennt Deiters, "von den gewöhnlichen Verästelungen
abweichend [...] eine Anzahl sehr feiner, leicht zerstörbarer Fäserchen, welche nicht als einfache
Theilungen erscheinen, indem sie meist seitlich, mit dreieckiger Basis aufsitzen. Diese Fortsätze
sind sehr difficil, nur in bestimmten Lösungen in ihrer Verbindung zu erhalten, und zeigen keine
bemerkbare Abweichung von den Axencylindern feinster Nervenfäserchen, mit denen sie ein
unregelmäßiges Aussehen, leichte Varikositäten, und dasselbe physikalische Verhalten gemein
1
haben." Deiters Interpretation der den Protoplasmafortsätzen aufsitzenden "Fäserchen mit
2
dreieckiger Basis" als "abgehende Fortsätze" war für die Neurohistologie der folgenden Jahre
fatal. Die Ganglienzelle erscheint Deiters nämlich als der "Centralpunkt" zweier Systeme von
Nervenfasern innerhalb des Nervenapparates: ein erstes System aus den einfachen und ungeteilten
Achsenzylinderfortsätzen und ein zweites, "ausgedehntes System vieler kleinster Fäserchen, die
3
an die Protoplasmafortsätze angeheftet sind." Daß das "zweite System", wie wir heute wissen,
tatsächlich das allerfeinste Ende des "ersten Systems" einer benachbarten Nervenzelle ist, ahnte
Deiters nicht. Die "aufsitzenden Fäserchen" vermutet Deiters vielmehr als den Beginn eines
Faser-Netzwerks, das alle Ganglienzellen miteinander verbinden sollte. Nachweisen konnte er
eine solche Verbindung allerdings nicht, auch nicht, "wenn die Physiologie dies verlänge." Doch
man hätte "nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, wie mir [Deiters] scheint, an derartige
4
Möglichkeiten zu denken."
1
Ibid., S. 57
Deiters sah offensichtlich die terminalen Endknöpfchen der Axonendigungen angrenzender
Nervenzellen.
3
Deiters 1865, S. 57
4
Ibid., S. 100
2
117
Fig. 7 "Isolierte Ganglienzelle aus der grauen Substanz des Rückenmarks." Die erstmalige Unterscheidung zweier
Arten von Nervenzellfortsätzen: a, der "Hauptaxencylinderfortsatz"; b,b,b, "Protoplasmafortsätze" und "die von den
Protoplasmafortsätzen entspringenden, feinen Axencylinderfortsätze" [aus Deiters 1865].
118
Auch Kölliker und Gerlach ziehen ein die Nervenzellen verbindendes Nervennetz in Betracht.
1
Während Kölliker von einer unmittelbaren Verschmelzung der Protoplasmafortsätze ausging
(z.B. zwischen motorischen und sensorischen Nervenzellen in der rechten und linken
Rückenmarkshälfte), glaubte Gerlach, mit Hilfe einer Ergänzung der Carminfärbung durch
Goldchloridimprägnation, ein diffuses fibrilläres Netz zwischen den Ganglienzellen der grauen
Substanz im Gehirn und Rückenmark zu erkennen, das aus den von Deiters beschriebenen, an den
2
Protoplasmafortsätzen aufsitzenden Fäserchen gebildet würde. Über die histologischen
Verhältnisse im Rückenmark schreibt Gerlach: "Deiters [hält] die letzten Ausläufer der
Protoplasmaausläufer für nicht verschieden von den Axencylindern der feinsten Nervenfäserchen
und betrachtet dieselben als ein System von mit den Ganglienzellen in Verbindung stehenden
Nervenbahnen. Wäre Deiters noch einen Schritt weiter gegangen, so hätte er zur Entdeckung des
feinen Nervenfasernetzes der grauen Substanz gelangen müssen [...]. Ich kann die angeführte
Beobachtung von Deiters nur bestätigen, muss dieselbe aber dahin erweitern, dass die feinsten
Verästelungen der Protoplasmafortsätze schliesslich sich an der Bildung des feinen
Nervenfasernetzes betheiligen, das ich als einen wesentlichen Bestandtheil der grauen Substanz
des Rückenmarks ansehe. Die von Deiters schon beobachteten Theilungen feinster von einer
dunkelrandigen doppelten Contur umgebenen Protoplasmafortsätze sind eben nichts anderes, als
die Anfänge diese Nervenfasernetzes. Die mit Nerven- und Protoplasmafortsätzen versehenen
Zellen der grauen Substanz hängen daher auf doppelte Weise mit nervösen faserigen Elementen
des Rückenmarks zusammen, einmal durch den Nervenfortsatz, welcher zur Axenfaser forderer
Wurzelröhren wird und dann durch die feinsten Verästelungen der Protoplasmafortsätze, welche
3
zu Theilgliedern des feinen Nervenfasernetzes der grauen Substanz werden." Über die graue
Substanz des Großhirns, die Gerlach ebenfalls mit Hilfe der "Goldmethode, welche mir bei dem
Rükenmark so ausgezeichnete Dienste geleistet hatte" untersucht, heißt es: "In den Lücken dieses
grossen Netzes markhaltiger Fasern liegt neben den Ganglienzellen ein zweites, äusserst
feinmaschiges Netz, feinster, nicht mehr markhaltiger Fasern [...]. An der Bildung dieses zweiten
Netzes betheiligen sich einerseits die feinsten Ausläufer der Protoplasmaausläufer der
Nervenzellen, andererseits entwickeln sich aus diesem Netze breitere und sich bald mit Mark
umgebende Nervenfasern, welche sodann in das erste grossmaschige Netz markhaltiger Fasern
eintreten. [...] Mit der Goldmethode [ist es mir] gelungen, die Continuität des Netzes bis zu den
4
Protoplasmaausläufern der Nervenzellen nachzuweisen."
1
Kölliker (1867): »Handbuch der Gewebelehre des Menschen.«
Gerlach (1871): »Von dem Rückenmark«, (1872): »Über die Structur der grauen Substanz des
menschlichen Großhirns«.
3
Gerlach 1871, S. 683f
4
Gerlach 1872, S. 274
2
119
Fig. 8 Die Retikulumtheorie: "Alle Nervenzellen sind durch Netze ihrer verzweigten Ausläufer verbunden." (Oben)
Schema der Nervenzellenverbindung im Rückenmark. a, Motorische Fasern; b, Motorische Nervenzellen im
Rückenmarkshorn; c,d, Motorische Nervenzellen und im Rückenmark
aufsteigende
Nervenfasern; e,
Korrespondierende Nervenzellausläufer zur anderen Seite des Rückenmarks [aus Kölliker 1867]. (Unten) Das
Grundnetz Camillo Golgis am Beispiel der Fascia dendata, bestehend aus Axonen der Fasciazellen und der
Nervenzellen der darunter liegenden grauen Substanz [aus Golgi 1906].
120
Mit den Vorstellungen Köllikers, vor allem aber jenen Gerlachs, von einem dreidimensionalen
Fasergeflecht, das sich netzwerkartig über die gesamte graue Substanz der Hirnrinde und die
Rückenmarks ausbreitet und eine "grenzenlose Kontinuität" zwischen den Nervenzellen (bis hin
1
zur Muskelfaser) herstellt, ist eine erste wirkliche, wenngleich irrige Theorie zur Feinstarchitektur
des Nervensystems ins Leben gerufen, die Reticulumtheorie. Mit der Reticulumtheorie liegt in
gewisser Weise jene morphologische Grundlage vor, wie sie die Neuristen und Neuropathologen
noch wenige Jahre zuvor entbehrt hatten.
Die mangelnde Exaktheit in der Darstellung des feineren Verlaufs der sich verästelnden
Nervenzellfortsätze ist die große Schwäche der Carminfärbung. Diese Schwäche der
Carminfärbung ist die Stärke der in den 80er Jahren aufkommenden Silberimprägnationsmethode
des italienischen Histologen Camillo Golgi (1844-1926). Mit der berühmten reazione nera (einer
mit Hilfe von Kaliumdichromat und Silbernitrat provozierten Bildung von Silberchromat, das in
2
die Zellen eingedrungen, diese schwarz färbt ) beginnt das moderne Zeitalter der histologischen
Erforschung des Nervensystems. Der Baseler Anatom und Histologe Michael Lenhossék (18631929) urteilt später über die Methode Golgis: "Die Bilder die man bei gelungener Imprägnation
erhält, übertreffen an Klarheit und Praecision Alles, was bisher auf dem Gebiet der Histologie des
Nervensystems erreicht wurde. Mit der Schärfe schematischer Federzeichnungen treten uns die
3
wichtigsten Organisationsverhältnisse entgegen." In der Tat ist es mit Golgis Methode möglich,
Nervenzellen als kontrastreiche Konturen oder schwarze Silhouetten bis ins letzte Detail
darzustellen und den Verlauf der Zellfortsätze über längere Strecken hinweg bis zu ihren feinsten
Endverästelungen zu verfolgen. Endlich war es möglich zu bestimmen, welche Richtung die von
einer Ganglienzelle ausgehenden Nervenfasern einschlagen und welchen Nervenbahnen sie sich
anschließen. Neben der Schwarzfärbung des Zellkörpers ist es eine weitere Eigenschaft der
Silberimprägnation, die diese erfolgreich sein ließ, nämlich die "merkwürdige Eigenschaft, dass
sie nicht alle die zahlreichen neben einander befindlichen Zellen und Fasern zur Ansicht bringt, in
welchem Falle man mit ihr wegen der enormen Complication der Bilder gewiss nicht weiter kommen würde [...], sondern dass sie in eigenartigster Weise in der grossen Menge der vorhandenen
4
gleichartigen Elemente eine Auswahl treffend, stets nur einzelne
1
Gerlach (1874): »Das Verhältnis der Nerven zu den willkürlichen Muskeln.«
Golgi (1875): »Sulla fina strutura dei bulbi olfattoria«, (1876): »Di una nuova reazione
apparentemente nera delle cellule nervose cerebrali ottenuta col bicloruro di Mercurio.«
3
Lenhossék (1892): »Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschung« S. 597
4
In der Tat werden mit Golgis reazione nera lediglich zwischen 0% und 5% der Zellen eines
Gewebeblocks zur Darstellung gebracht. Das übrige Gewebe bleibt ungefärbt und damit
gewissermaßen "durchsichtig". In dieser, bis heute unerklärlichen Launenhaftigkeit des Verfahrens, liegt die Stärke der Golgi-Imprägnation bei der Darstellung von Nervenzellen und
Nervenfasern. Würden alle Zellen eines Gewebschnittes gleichermaßen auf die Behandlung rea2
121
Fasern und Zellen, dann aber bei gelungener Imprägnation in Vollständigkeit, erstere bis in ihre
Endbäumchen hinein, letztere mitsammt ihrer ganzen protoplasmatischen Ausbreitung, ihrem
1
Nervenfortsatz, einem vollendeten Isolationspräparate gleich, dem Blick vorführt."
Auch Golgi stand noch unter dem Eindruck eines kontinuierlich verbundenen Zellsystems
2
in der grauen Substanz von Gehirn und Rükenmark. Golgi vermutete ein Fasernetzwerk,
ausgehend von den Kollateralen der Achsenzylinder eines speziellen Ganglienzelltyps (Typ-II
Ganglienzelle) in der grauen Substanz, dessen "Nervenfortsatz sich in äußerst dünne Fibrillen auflöst, so daß er seine Individualität verliert und in toto an der Bildung eines allgemeinen
3
Nervennetzes teilnimmt". Dieses aus Kollateralen erster und zweiter Ordnung gebildete
"allgemeine Nervennetz" vermutete Golgi in der grauen Substanz des Rückenmarks, von wo aus
es sich durch das Mark hindurch in das Gehirn ausbreiten sollte, so daß es in "gleicher Weise in
4
sämtlichen Schichten der grauen Substanz des Gehirns existiert."
In der retikularistischen Neurohistologie der 70er und 80er Jahre des 19. Jahrhunderts fällt die
Hartnäckigkeit der alten Faserlehre auf. Bei der Beschreibung der Bauteile des Nervensystems
waren die Grundgedanken der Virchowschen Zellenlehre, die Vorstellung von einem
Nervensystem als einem Zellenterritorium innerhalb des zellularen Organismus, ganz und gar in
den Hintergrund gedrängt. Denn nicht die Nervenzelle, sondern die überall zu findenden Fasern
(Protoplasmafortsätze und Achsenzylinder) wurden als die dominierenden Bauelemente des
Nervensystems gewertet. Auch wenn jede der genannten Fasern einer Zelle entspringt und damit,
als die Verlängerung des Zellkörpers, ja selbst Zelle ist, bestimmten nicht distinkte
Elementareinheiten sondern die kontinuierlichen Fasernetze die Architektur des Nervensystems.
Redete man in dieser Zeit von Nervenzellen, so meinte man lediglich den Zellkörper, also die
ehemalige Ganglienkugel. Ja die Zelle war nicht einmal notwendiger Teil des Fasernetzwerks.
Obwohl mit der Nervenzelle anatomisch zusammenhängend, existierte die Faser in den
Vorstellungen der Histologen durchaus noch als eigenständiges Gebilde. So hielt es Gerlach für
möglich, daß in der Hirninde selbständige Nervenfasern vorkommen, die nicht "direct von Zellen
ausgehen", also nicht unmittelbar einer Ganglienzelle entspringen,
gieren, sähe dieser aufgrund der hohen Zelldichte schlichtweg schwarz aus.
1
Lenhossék 1892, S. 572f
2
Golgi (1883a,b) »Recherches sur l'histologie des centres nerveux«, (1882-1885) »Sulla fina
anatomia degli organi centrali«, (1890a): »Beitrag zum Studium der Hirnrinde und dem
Centralursprung der Nerven«, (1890b): »Über den feineren Bau des Rückenmarks«.
3
Golgi 1890a, S. 376
4
Ibid., S. 376
122
sondern gewissermaßen durch Aneinanderlagerung und Verdickung der Netzwerkfasern ent1
stehen - und Golgi spricht nicht von der Individualität der Zelle, die durch die Netzbildung
2
verloren gehe, sondern von der "Individualität der Nervenfaser." Die histologischen
Voraussetzungen einer Übertragung des Konzepts "autonomer Zellorganismus" auf das
Nervensystem waren drei Jahrzehnte nach der Formulierung der Virchowschen Zellenlehre
keineswegs gewährleistet.
So überzeugt die Retikularisten in ihren Schriften dem ubiquitären Nervennetz das Wort redeten,
so wenig legten sie sich auf eine eindeutige Beschreibungen der angeblich netzbildenden
Nervenzellfortsätzen fest. Weder den Arbeiten Gerlachs, noch jenen Golgis ist zweifelsfrei zu
entnehmen, ob die angesprochenen Fasernetzwerke durch Fusion der jeweiligen Fasern entstehen,
wie dies Kölliker für Protoplasmafortsätze angegeben hatte, oder ob die am Netzwerk beteiligten
Faserstrukturen lediglich in enger Berührung zueinander stehen. Die eindeutige Beurteilung der
histologischen Beziehung benachbarter Nervenzellfortsätze jedoch, war die Voraussetzung, sich
Klarheit darüber zu verschaffen, ob das Nervensystem tatsächlich ein aus "Elementartheilen
zusammengesetztes Ganzes" ist, analog zu allen übrigen Organen des Körpers, wie dies Virchow
ja gefordert hatte.
1
2
Gerlach (1871): »Von dem Rückenmark« S. 275
Golgi 1890, S. 376
123
Fig. 9 Retikulumtheorie und die "Individualität der Nervenfaser". Zwei Nervenzellen mit Nervenfasernetzwerk im
Rückenmark des Ochsen. In der Bildmitte eine eigenständige, sich teilende Nervenfaser, deren beide Äste mit dem
Nervenfasernetz der Nervenzellen in Verbindung stehen. "Aus dem Nervenfasernetz entwickeln sich breite Fasern,
welche mit andern zu noch breiteren zusammenfließen" [aus Gerlach 1871].
124
1.2 Das Neuron: der Elementarorganismus des Nervensystems
Die Nervennetze Gerlachs fanden in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts Akzeptanz. Golgi
hingegen sah sich, wenige Jahre nach Erscheinen seiner Arbeiten, einer starken Gegnerschaft
1
2
ausgesetzt. Angeführt wurde diese von dem Baseler Anatomen Wilhelm His (1831-1904) , dem
3
schweizer Psychiater Auguste Forel (1848-1931) , dem norwegischen Zoologen Fridtjov Nansen
4
5
(1861-1930) und dem spanischen Histologen Santiago Ramón y Cajal (1852-1934).
His war es gelungen, in seiner Beschäftigung mit der Entwicklungsgeschichte des
Nervensystems, den Nachweis zu führen, daß während der frühen Entwicklungsstadien des
Embryos "jede Nervenfaser aus einer einzigen Zelle [dem embryonalen Neuroblasten] als Ausläufer hervorwächst". Die einzelnen Nervenzellen, schreibt His, entstehen "als isolierte
Apparate", die durch das "Aussenden von Fasern und Fortsätzen untereinander und mit
peripherischen Apparaten in Verbindung treten." Ein wie auch immer geartetes Netzwerk kann
His nicht finden, im Gegenteil: Für His ist die Verbindung der Nervenfasern nur eine "mittelba6
re", denn die Fortsätze der Nervenfasern enden als frei auslaufende ,"einfache oder getheilte
7
Stümpfe". His ist überzeugt: "Die seit Gerlachs Arbeiten allgemein verbreitete
1
Zur Entstehung des Neuronenkonzeptes vgl. Andreoli 1961, Breidbach 1993.
His (1886): »Zur Geschichte des menschlichen Rückenmarks und der Nervenwurzeln«, (1889):
»Die Neuroblasten und deren Entstehung im emryonalen Mark«, (1890): »Histogenese und
Zusammenhang der Nervenelemente«.
3
Forel (1887a): »Einige hirnanatomische Betrachtungen und Ergebnisse«, (1887b): »Über die
Verbindungen der Elemente des Nervensystems«, (1891): »Über das Verhältnis der
experimentellen Atrophie und Degenerationsmethode zur Anatomie und Histologie des
Zentralnervensystems.«
4
Nansens entscheidende Arbeit ist seine 1887 veröffentlichte Zusammenfassung der an den
biologischen Meeresstationen in Neapel und Bergen erzielten neurohistologischen
Forschungsergebnisse: »The Structure and Combination of the Histological Elements of the
Central Nervous System« (Nansen 1887). Eine in deutscher Sprache verfasste Kurzfassung
erscheint im Jahre 1888 unter dem Titel: »Die Nervenelemente, ihre Struktur und Verbindung im
Centralnervensystem« (Nansen 1888).
5
Ramón y Cajal (1888): »Estructura de los ventros nerviosos de las aves«, (1889): »Conexión
general de los elementos nerviosos«, (1890a): »Réponse à Mr. Golgi a propos des fibrilles
collaterales de la moelle épinière, et de la structure générale de substance grise«, (1890b): »Sur les
fibres nerveuses de la couche granuleuse du cervelet et sur l'evolution des éléments cerebelleux«,
(1890c): »Sur l'origine et les ramifications des fibres nerveuses de la moelle embryonnaire«,
(1891): »Sur la structure de l'écorce cérébrale de quelques mammifères«.
6
His 1886, S. 513
7
Ibid., S. 511
2
125
1
Annahme von Nervennetzen in der grauen Substanz" ist nicht länger haltbar. His betont
ausdrücklich, daß die Nervenzellen, einschließlich der aus ihr hervorgehenden Nervenfasern, als
die diskreten Elementareinheiten des Nervensystems aufzufassen sind. Die Nervenzelle ist für His
2
das "genetische, nutritive und funktionelle Centrum" der Nervenfaser. Die zentralen Grundsätze
der späteren Neuronenlehre sind damit ausgesprochen. Forel seinerseits gesteht zwar ein, daß es
mit Golgis Methode schwierig zu entscheiden sei, ob es ein kontinuierliches Fasergeflecht gibt,
denn "die feinsten Theilästchen des Nervenfortsatzes sind eben gar zu fein, um entscheiden zu
lassen, ob ein Uebereinanderliegen oder ein Ineinanderübergehen gesehen wird", betont aber
andererseits: "Wenn [..] so colossale Verästelungen der Elemente wie Golgi's Methode sie
darstellt, zusammentreffen, so müssen sie unbedingt, auch wenn sie kein wirkliches Netz bilden,
derart ineinander greifen, daß ein fürchterliches filzartiges Gewirr entstehen muß. Dieser Filz
kann somit ein Scheinnetz sein und in der That, wie können wir uns wohl denjenigen Process
vorstellen, bei welchem diese allerfeinsten zahllosen Auswüchse ursprünglich unter einander
nichtverbundener Zellen sich alle mit ihren freien Enden genau begegnen würden, um zusammen
zu einem continuierlichen Netz zu verwachsen? Erst recht unwahrscheinlich wird aber diese
Vorstellung, wenn wir überlegen, dass sich dieses Netz jedenfalls während der Entwicklungsjahre
noch weiter entwickeln muß, was bei einer wirklichen Verwachsung doch nicht so leicht denkbar
3
wäre." Wie His, so war auch Forel überzeugt, daß die von den Reticularisten beschriebenen
"Fasersysteme und die sogenannten Fasernetze, nichts anderes sind als Nervenfortsätze von je
einer bestimmten Ganglienzelle", die wie Baumkronen ineinandergreifen und damit nur
4
"Scheinnetze" sind. Wie His, so kommt auch Forel zur Interpretation der Nervenzelle als einer
elementaren Zell-Faser Einheit. Forel stellte fest, "daß das Absterben der Zelle, nach Zerstörung
der zugehörigen Faser, sowohl beim Neugeborenen als auch beim Erwachsenen stattfindet."
Auch umgekehrt sei es "selbstverständlich," daß bei "Zerstörung der Zelle die zugehörige Faser
abstirbt", niemals jedoch große Netzwerkbereiche, was ja in der Tat stattfinden müsse, wenn die
5
Nervenfasern sämtlich miteinander verbunden wären. His und Forel werden von Fridtjov Nansen
("welcher ebensowohl mit dem Mikroskope, wie mit dem Alpenstock und mit Schneeschuhen
6
umzugehen weiss" ) bestätigt. Auch Nansen betonte, daß "eine direkte Verbindung zwischen den
7
Ganglienzellen durch Anastomosen" nicht existierte.
1
Ibid., S. 513
Ibid.
3
Forel 1887a, S. 166
4
Ibid.
5
Vgl. Forel 1891, in »Gesammelte Abhandlungen« S. 208
6
Waldeyer 1891, S. 1287
7
Nansen 1888, S. 164
2
126
Fig. 9 Das Neuron, der Elementarorganismus des Nervensystems. Hier am Beispiel einer Pyramidenzelle aus der
Hirnrinde. Deutlich zu erkennen ist der lang ausziehende Axonfortsatz und die Dornen an den denritischen
Verzweigungen. Das Neuron wurde mit der "Golgi-Methode" angefärbt. Die Abbildung zeigt eine Tuschezeichnung
des spanischen Histologen Santiago Ramón y Cajal (1852-1930) [aus Dowling 1992].
127
In den Arbeiten Ramón y Cajals erfuhr die Golgi Methode, von Ramón y Cajal in verbesserter
Form angewendet, ihren Höhepunkt. Bereits in den ersten Veröffentlichungen wendet sich Ramón
y Cajal gegen die Retikulumtheorie: "We have never been able to see an anastomosis between
ramifications of distinct nervous prolongations, nor of the filaments emanating from the same
expansion of Deiters; the fibers are interlaced in a very comlicated manner, engendering a
intricate and dense plexus, but never a network. [...] it could be said, that each element is a an
1
absolutely autonomous physiological canton." Ramón y Cajal hatte die Korbfasern um die
Zellkörper der Purkinjeschen Zellen in der Kleinhirnrinde beobachtet und hatte gesehen, daß die
Korbfasern die Purkinjezellen nur umziehen und niemals in diese eindringen. Die Vermutung,
daß es sich hierbei nicht um eine vereinzelte Erscheinung handeln konnte, sondern diese, aller
Wahrscheinlichkeit nach, eine für das Zentralnervensystem allgemein geltende Grundtatsache
darstellt, hatte Ramón y Cajal zu dem Schluß geführt, daß allenfalls Kontiguität, eine Berührung,
ein hauchfeiner Kontakt zwischen den Fortsätzen, keinesfalls aber Kontinuität durch
Verschmelzung der Nervenfasern zuzustehen sei.
Der Berliner Anatom Heinrich Wilhelm Gottfried von Waldeyer (1836-1921) war es schließlich,
2
der im Jahre 1891 eine programmatische Zusammenschau all jener Ergebnisse veröffentlichte ,
welche die Entwicklung der Neurohistologie von den 40er Jahren des 19. Jahrunderts an bis in die
90er Jahre hinein durchlaufen hatte; eine Zusammenschau, die er mit den Worten beschließt: "Die
Achsencylinder sämtlicher Nervenfasern haben sich als direkt von Zellen ausgehend erwiesen. Ein
Zusammenhang mit einem Fasernetzwerke, beziehungsweise ein Ursprung aus einem solchen
findet nicht statt. [...]. All diese Nervenfasern enden frei, mit Endbäumchen ohne Netz oder
Anastomosenbildung [...]. [Das] Nervensystem [besteht] aus zahlreichen untereinander
3
anatomisch wie genetisch nicht zusammenhängenden Nerveneinheiten." Diese zellularen
4
Nerveneinheiten des Nervensystems nennt Wilhelm Waldeyer nun Neuronen.
Mit der Überwindung der Retikulumtheorie und der Beschreibung des Elementarteils Neuron war
die Virchowsche Zellenlehre endlich auch auf das Nervensystem anwendbar. Die "zellulare
Theorie des Lebens" forderte jedoch nicht allein die Beschreibung des Nervensystems als ein aus
anatomisch autonomen "Elementartheilen zusammengesetzes
1
Ramón y Cajal 1888, zit. nach der engl. Übers. aus Shepherd 1991, S. 147
Waldeyer (1891): Ȇber einige neuere Forschungen im Gebiete der Anatomie des
Centralnervensystems.«
3
Ibid., S. 1352
4
Ibid.
2
128
Ganzes" sondern ebenso die Funktion des Nervensystems erklären zu können, als die Summe
individueller Tätigkeiten von Nervenzellen und der zwischen Nervenzellen bestehenden
Funktionsbeziehungen. Erst wenn auch dies gelungen war, war das Programm der Zellenlehre in
seiner Anwendung auf die Beschreibung von Bau- und Funktion des Nervensystems erfolgreich.
129
2. Physiologie der Nervenzelle: Die Einbeziehung des Erregungskonzepts in
den histologischen Befund.
2.1 Funktionszuweisung an die Ganglienkugel: "Sammler, Erzeuger und
Verteiler des Nervenagens"
Zur Zeit der Entdeckung der Ganglienkugel war die periphere Nervenfaser als Leiter diverser
1
Nerveninhalte etabliert. Seit der Debatte um Albrecht von Hallers Irritabilitätslehre galt die
Nervenfaser als empfindungsfähiger Leitungsstrang, der in der Lage ist, vermittelt durch die
Fortbewegung eines sich in seinem Inneren befindenden Mediums, "äußere sinnliche Eindrücke"
ins Gehirn, oder, ausgehend vom Gehirn, über Rückenmark und Nerven gleichsam absteigend,
Befehle zu den Körperorganen und zur Muskulatur zu transportieren. Auch die im Gehirn
entdeckten Fasern wurden als leitende Strukturen verstanden. Auch sie waren ja Nervenfasern,
wenngleich nur "im weiteren Sinne", wie sich Schwann später in den »Mikroskopischen
2
Untersuchungen« ausdrückte. Welche Funktion hatte nun die Ganglienkugel?
Als die konzeptionellen Wurzeln einer Zuweisung von Funktionen an die Ganglienkugeln lassen
sich zwei Grundvorstellungen ausmachen: 1. Die Auffassung, das Nervensystem benötige zur
Ausführung seiner Funktionen, neben faser- oder röhrenartigen Elementen zur Weiterleitung des
in der Nervenfaser wirkenden Prinzips, ein zweites Element zur Produktion desselben, und 2. die
Auffassung, es müsse im Gehirn und Rückenmark ein nervengeweblicher Ort lokalisierbar sein,
an welchem Reize von einer Faser auf die andere, bzw. von sensorischen Bahnen auf motorische
Nervenbahnen übergehen.
Zu Punkt 1: Die Ganglienkugel als Drüse
Erstmals eine graue Rindensubstanz von einer weißen, aus Fasern bestehenden Markmasse
3
unterschieden zu haben, war das Verdienst des Oxforder Anatomen Thomas Willis (1621-1675).
Willis dachte sich, die graue Substanz bringe die aus dem Blut destillierten "animalischen
Geister" hervor und die weiße Fasersubstanz leite diese an die übrigen Teile des
1
Vgl. z. B. Unzer (1771): »Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen Natur thierischer
Körper«, Hoffmann (1779): »Von der Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Theile«, Pfaff (1795):
»Über thierische Electricität und Reizbarkeit.«
2
Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 140
3
Willis (1664): »Cerebri Anatome.« Zu Willis' Neuroanatomie und "Neurophysiologie" vgl.
Dow 1940, Isler 1965, 1968; Meyer & Hierons 1964, 1965; Meyer 1971.
130
Körpers weiter. Auch Hermann Boerhaave (1668-1738), der Leydener Physiologe und der
hallenser Mediziner Friedrich Hoffmann (1660-1742), erblickten in der Hirnrinde den
sekretorischen Ausgangsort des "Allerdünnsten des menschlichen Körpers", welches Bewegung
und Empfindung zu veranlassen im Stande sei, indem es, wie aus einer Drüse, in die mit der
Rinde in Kontakt stehenden Nervenröhren geleitet und im Körper verbreitet wird. "The most common opinion is", schreibt William Cullen (1710-1790), mehr als ein Jahrhundert nach Willis, über
die Vorstellungen seiner Zeitgenossen, "that the brain is a secreting Organ, which secretes a fluid
1
necessary to the functions of the nervous system." Luigi Galvani (1737-1798) glaubte, daß die
Hirnrinde nicht allein sekretorischer Generator eines Nervenfluidums ist, sondern mit diesem auch
der Generator der thierischen Elektricität, welche die graue Substanz in Form eines elektrischen
2
Fluidums wie aus einer Drüse absondert. Noch ganz im Sinne der alten Spirituslehre heißt es bei
Galvani im »Commentarius«: "Wir glauben also, dass das elektrische Fluidum durch die Kraft
des Gehirns bereitet und wahrscheinlich aus dem Blute entwickelt wird, und in die Nerven geht
und innen durch sie fliesst, mögen sie hohl und leer sein, oder, was wahrscheinlicher ist, eine sehr
flüchtige Lymphe oder ein anderes ähnliches sehr flüchtiges Fluidum, welches, wie meisten
3
meinen, von der Rindensubstanz des Gehirns abgeschieden wird, enthalten." Die Idee, das Gehirn
als ein sekretorisches Organ aufzufassen, mit einer drüsenartigen Rindensubstanz als dem
Produktor des Nervenfluidums, blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein lebendig. Noch 1810/11
erklärte Franz Paula von Gruithuisen (1774-1852), Rückenmark und Gehirn seien als die Quellen
der Nervenkraft aufzufassen, sie seien "sekretorische Organe" und durchaus mit Drüsen
vergleichbar. In seiner »Anthropologie« schreibt Gruithuisen sinngemäß, die "Hirnfasern"
würden von der kortikalen Substanz regelrecht ernährt und auf diese Weise von den Hirnfasern
4
mit Nervenenergie versorgt.
Angesichts der Annahme von "drüsiger Thätigkeit" in der grauen Substanz, nimmt es nicht
wunder, daß auch die in der Hirnrinde zu findenen Ganglienkugeln in das Konzept der Produktion
des Nervenprinzips durch drüsige Sekretion eingefaßt wurden. Bereits der
1
Cullen (1827): »The Works of William Cullen« Bd. I, S. 118
Wie aktuell die Elemente der Pneuma- bzw. Spirituslehre auch noch im 19. Jahrhundert waren,
zeigen z. B. die Vorstellungen des Wiener Chemikers Paul Traugott Meissners (1778-1864).
[Meissner (1832): »System der Heilkunde.«] Meissner entwickelte eine Theorie, derzufolge
Elektrizität in der Lunge durch chemische Umwandlungsprozesse während der Atmung
entstünde. Aus der Lunge sollten sich Blut, Hirn und Nerven mit Elektrizität versorgen.
3
Galvani 1791, »Ostwalds Klassiker« S. 54
4
Gruithuisen (1810): »Anthropologie. Oder von der Natur des menschlichen Lebens und
Denkens« S. 398. Vgl. ebenso (1811): »Organozoonomie, oder: Über das niedrige
Lebensverhältnis als Propädeutik zur Anthropologie« S. 113f
2
131
bologneser Mikroskopist Marcello Malpighi (1628-1694) hatte unter dem Eindruck der
Drüsenidee schon geglaubt, kleinste, kugelige, mit Fortsätzen und Ausführgängen versehene
1
"Drüsenkörper" in der Hirnrinde zu erblicken. Auch mehr als 150 Jahre nach Malpighi ist in den
ersten Beschreibungen jener - nun tatsächlichlich gesehenen Ganglienkugeln - die Rede von
drüsenartigen Kugeln, von kugelförmigen Anschwellungen, "die mehr einer Drüsensubstanz
2
ähnlich sind" oder von Drüsenkörnern und Drüsenbläschen.
Zusätzlichen Schub erfuhr der "Drüsengedanke", bzw. dessen Weiterleben im Konzept
der Ganglienkugel, durch die vergleichende, nach Analogien forschende Naturwissenschaft jener
ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Gestattete doch die "romantische Methode" den
Kunstgriff, bei Kenntnis histologisch beschreibbarer Strukturen, welche morphologische
Ähnlichkeiten aufweisen, von der bekannten Funktion der einen Struktur, oder zumindest von an
dieser Struktur beobachteten Aktivitäten, auf die unbekannten Aktivitäten der zweiten Struktur zu
3
schließen. Der Breslauer Physiologe Jan Evangelista Purkinje (1787-1869) glaubte , aufgrund im
Drüsengewebe des Verdauungstraktes und im Nervengewebe gleichermaßen gefundener,
4
granulärer Strukturen (Körner) , die Purkinje für die aktiven Elemente von Drüsen hielt, von der
Aktivität jener Drüsen im Magen auf eine analoge, durch eben diese Körner ausgelöste,
Nervenfluidum produzierende und absondernde Aktivität der Ganglienkugeln schließen zu
5
können. Wie populär die Analogie Drüsenfunktion/Nervenzelle noch Jahre später war, läßt sich
den Ausführungen des englischen Histologen Arthur Hill Hasall (1817-1894) entnehmen, der
noch 1849 in seiner »Microscopic anatomy« schreibt:
1
Vgl. Belloni 1966, Clarke & Bearn 1968.
Vgl. z. B. Berres (1835): »Mikroskopische Beobachtungen über die innere Bauart der Nerven
und Centraltheile des Nervensystems«, (1837): »Anatomie der mikroskopischen Gebilde des
menschlichen Körpers«; Ehrenberg (1833a): »Nothwendigkeit einer feineren mechanischen
Zerlegung des Gehirns und der Nerven vor der chemischen.« S. 450 u. 458, (1834):
»Beobachtungen einer bisher unbekannten auffallenden Structur des Seelenorgans bei Menschen
und Thieren« S. 50.
3
Purkinje (1837a): »Neueste Untersuchungen aus der Nerven und Hirnanatomie«, (1837b):
»Über den Bau der Magen-Drüsen und über die Natur des Verdauungsprozesses«, (1838):
»Neueste Beobachtungen über die Struktur des Gehirns«. Zur "romatischen Methode" bei
Purkinje vgl. Purkinje (1839): Ȇber die Analogien in den Struktur-Elementen des thierischen
und pflanzlichen Organismus.«
4
"Körner" beschrieb Purkinje als "durchscheinend mit zugerundeten Ecken," die in ihrem
Inneren "einen kleineren, von der umgebenden Substanz verschiedenen Kern" zu erkennen gaben.
Purkinje (1837b): »Über den Bau der Magendrüsen«, zit. aus Frankenberger 1959, S. 151
5
In Bezug auf Purkinjes Drüsenvorstellungen sei darauf hingewiesen, daß Purkinje später die
Schriften Franz von Paula Gruithuisens erwähnt, von denen er beeinflußt worden sei. Vgl. Purkinje (1850): »Papierstreifen aus dem Portefeuille eines verstorbenen Naturfoschers« S. 54f.
2
132
"nerve or ganglionary cells [in the] secreting substance of the grey matter of the brain [...] present essentially the same structure as all other glandular cells, and are continually passing through
1
the same phases of development and destruction during the processes of nutrition and secretion".
Purkinjes Konzept der Ganglienkugel (Purkinje selbst nennt sie Centralkörper oder
gangliöses Körperchen) ist noch aus einer gänzlich anderen Perspektive interessant: der
Zuweisung elektrischer Aktivitäten an die Ganglienkugel. Für den "Romantiker" Purkinje
verhalten sich die Ganglienkugeln in der grauen Substanz des Gehirns zu den Hirnfasern, wie das
Gehirn zum Rückenmark oder die Ganglien zu den Gangliennerven, und zwar, so verstand es
2
Purkinje, im Sinne des Verhältnisses von Krafteinheiten zu Kraftleitungslinien. Die gangliösen
Körperchen sind für Purkinje die "Sammler, Erzeuger und Verteiler des Nervenagens". Purkinjes
Terminologie weckt nicht nur den Gedanken an die Funktion von Drüsen, sondern erinnert
gleichermaßen an ein elektrisches Bauelement, gewissermaßen eine mikroskopisch kleine
Leydener Flasche. Die folgenden Indizien legen nahe, daß Ganglienkugeln auch von Purkinje
durchaus im Zusammenhang mit elektrischen Erscheinungen gesehen werden konnten: (1) Die
Vorstellung, in der Hirnrinde werde Elektrizität produziert, war bereits von Galvani
ausgesprochen, (2) Analogien von Elektrizität, Lebenskraft und den Vorgängen im Nervensystem,
3
waren in der romantisch-vitalistischen Vorstellungwelt thematisiert, (3) Es existierten erste
Modelle zur Elektrizitätserzeugung im Gehirn unter Beteiligung verschiedener histologischer
4
Mikrostrukturen, und (4) Purkinjes Beschreibung der gangliösen Körper lassen den Schluß auf
eine mechanistische Interpretation des Formbildes zu. So ist die Rede von einer "tetraedrischen
5
[...] dreifach konzentrischen Organisation", also gewissermaßen von einem trichterförmigen, das
elektrische Nervenfluidum richtungslenkenden Bau der Centralkörper.
1
Hasall 1849, Bd. II, S. 356f u. S. 373
Purkinje 1837a
3
Siehe dazu z.B. die Überlegungen von Ackermann (1805): »Versuch einer physischen
Darstellung der Lebenskräfte organisierter Körper«.
4
Der Anatom Karl August Weinhold (1782-1829) beschrieb in seiner 1817 veröffentlichten
Schrift »Versuche über das Leben und seine Grundkräfte«, das Zentralnervensystem als galvanische Batterie. Dies zu beweisen, führte Weinhold ein bizarres Experiment durch. Einem
Kaninchen entnahm er Kleinhirn, Großhirn und Rückenmark und füllte die entstandenen Räume
mit einem Zink-Silber-Gemisch, um die fehlende tierische Elektrizität durch Metallelektrizität zu
ersetzen. Angeblich konnte das Kaninchen auf diese Weise wieder zum Leben erweckt werden
(Weinhold 1817, S. 35ff). Noch 1840 beschrieb der französische Histologe Jules Gabriel Baillarger (1809-1890) die Schichtung der Hirnrinde als Voltaische Säule. Vgl. Baillarger (1840):
»Recherches sur la structure de la couche corticale des circonvolutions du cerveau« S. 174-181.
5
Purkinje (1837a): »Neueste Untersuchungen aus der Nerven und Hirnanatomie« S. 48f.
2
133
Zu Punkt 2: Die Ganglienkugel als Reflexvermittler
Seit der englischen Arzt Charles Bell (1774-1842) im Jahre 1811 erstmals motorische von
1
sensorischen Wurzeln des Rückenmarks unterschieden hatte und Marshall Hall (1790-1857), zu
Beginn der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts, das Geschehen bei Reflexvorgängen näher
2
beschrieben und den Begriff Reflexbogen (reflex arc) eingeführt hatte , waren sich die Mehrzahl
der am Nervensystem interessierten Naturforscher darüber einig, in der grauen Substanz den
zentralen Ort nervösen Geschehens ausgemacht zu haben. Jener Ort eben, wo der "äußere
sinnliche Eindruck" entweder auf eine "empfindliche" Nervenfaser trifft und Empfindung erzeugt
oder wo er (im Gehirn unter dem Einfluß des Willens) auf die motorische Nervenbahn
überspringt und Bewegung einleitet. Der Königsberger Anatom und Physiologe Karl Friedrich
Burdach (1776-1847) faßte sich kurz indem er ausprach: Die graue Substanz ist der Ort "wo alle
Leiter zusammenhängen [...], wo Reflexe vorhanden sind, da ist auch graue Substanz in die
Nervenbahn eingefügt. Zerstörung der grauen Substanz macht die Reflexübertragung
3
unmöglich." Bereits vor der Aufklärung des anatomischen Zusammenhanges von Ganglienkugel
und Nervenfaser vermutete man die Beteiligung von Ganglienkugeln in der grauen Substanz an
der Reflexvermittlung, erschien doch die wirre Kugel-Faser-Textur der grauen Substanz, bzw.
eine wie auch immer geartete Wechselwirkung zwischen Kugeln und Fasern, für die
Reflexvermittlung wesentlich geeigneter als die dicht gepackte, homogen geordnete, "röhrig
anmutende", lediglich Nervenprinzip-leitende Marksubstanz. Robert Remak (1815-1865)
bezeichnete die Ganglienkugeln innerhalb des Reflexbogens gar als die "Zentralpunkte" und
"Kommunikationspunkte", als die "Punkte der Aussendung und Verstärkung" und als jenen Ort, an
4
welchem die Nervenenergie gespeichert und an die Nervenfasern abgegeben wird. Den
Kenntnistand vor Einzug der Zellenlehre gibt die 1839 preisgekrönte Doktorthese des Londoner
Physiologen William Carpenter (1813-1885) wieder: "a nervous circle is requisite, consisting of
an afferent nerve on the peripheral extremities of which an impression is made; a ganglionic
centre, where the white fibres of
1
Bell (1811): »Idea of a new anatomy of the brain.« Vgl. ebenso Bell (1821): »On the nerves:
giving an account of some experiments on their structure and functions which lead to a new
arrangement of the system«, (1824): »An exposition of the natural system of the nerves of the
human body«, (1830): »The nervous system of the human body.«
2
Hall (1833): »On the reflex function of the medulla oblongata and medulla spinalis«.
3
Burdach (1844): »Umrisse einer Physiologie des Nervensystems.«
4
Remak (1838b): »Über die Verrichtungen des organischen Nervensystems« S. 69, sowie
(1840): Ȇber die physiologische Bedeutung des organischen Nervensystems, besonders nach
anatomischen Tatsachen« S. 253. Vgl. ebenso (1841): »Bericht über die Leistungen im Gebiete
der Physiologie«, (1841b): »Nervensystem (histologisch). Nervensystem (physiologisch).«
134
which that nerve consists terminate in grey matter, and those of the efferent nerve originate in like
manner; and in an efferent trunk conducting to the contractile structure the motor impulse, which
originates in some distant change in the relation between the gray and the white matter [...]." Das
"ganglionic centre" bestand für Carpenter aus zwischen die Nervenfasern eingestreuten
Ganglienkugeln (ganglion-globules). Und diese sind für Carpenter, ähnlich wie für Remak,
1
"centres of nervous power". In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die "Gegenwart der
Kugeln", wie es der Dorpater Anatom Friedrich Heinrich Bidder (1810-1894) ausdrückte, zur
2
"anatomischen Basis" des physiologischen Geschehens im Nervensystem. Mehr und mehr stand
fest: Wo Reflexe vorhanden sind, da sind auch Ganglienkugeln in die Nervenbahn eingefügt.
3
Die "morphologischen Prinzipien", wie es Burdach audrückte, der Zusammenhang von
Ganglienkugeln und Nervenfasern, waren es schließlich, die der Ganglienzelle entgültig Bahn
brachen. Nach dem es Rudolph Wagner (1805-1864) als einem der ersten geglückt war, einen
4
derartigen Zusammenhang nachzuweisen , schuf er in Verallgemeinerung seiner Beobachtung, in
5
seinem »Handwörterbuch«, die ersten Schemata an Vertebraten beobachteter Reflexe. Innerhalb
dieser Reflexschemata stellten die Ganglienzellen Zentralpunkte dar, die afferente in efferente
Impulse transformierten. Wagner nahm an, daß jede mit einem Sinnesorgan verbundene
Nervenfaser zu einer Ganglienzelle in der grauen Substanz führt. Von dort sollte der Reiz durch
die Ausläufer der Ganglienzellen auf anderer Ganglienzellen übergehen. Mit Wagners
Reflexschema war der erste Schritt getan, hin zu einer realistischen physiologischen Interpretation
histologischer Beobachtungen. Kölliker brachte dies sinngemäß so zum Ausdruck: "Redet man
nur in anatomischen Begriffen, dann ist nicht klar ob die Nervenfasern in den Ganglienzellen
enden oder ob sie diesen entspringen. Ergänzt man hingegen die Histologie durch die Physiologie
(die Kenntnisse aus den Reflexerscheinungen) so wird deutlich, daß die motorischen Fasern den
6
Ganglienzellen entspringen, hingegen die sensiblen Fasern in den Ganglienzellen endigen.
7
Wagner selbst brachte es in den »Neurologischen Untersuchungen« noch einmal auf den Punkt:
"Graue Substanz und deren Wirkung auf die Nervenfaser ist der unklare Ausdruck für den klaren:
multipolare
1
Carpenter (1839): »Prize Thesis« S. 147 u. S. 184f. Vgl. ebenso Carpenter (1846): »A manual
of physiology« S. 221f u. S. 491
2
Bidder (1842): »Zur Lehre von dem Verhältnis der Ganglienkörper zu den Nervenfasern« S. 36
3
Burdach (1844): »Umrisse einer Physiologie des Nervensystems«, zit. aus Bethe 1904, S. 200
4
Wagner (1846): Sympathischer Nerv, Gangliensruktur und Nervenendigungen.«
5
Wagner 1842-1853, Bd. 3, S. 360 u. S. 398ff
6
Kölliker (1849): »Neurologische Bemerkungen« S. 150
7
Wagners »Neurologische Untersuchungen« sind (1854a) gesammelt erschienen.
135
Ganglienzellen
[sind]
mit
Primitivfasern
[Nervenfasern]
verbunden.
Alle
Innervations-Erscheinungen beruhen auf Verbindungen von einzelnen Ganglienzellen und
größeren Ganglienzellaggregaten, als eigentümliche Innervationsprovinzen von verschiedener
1
physiologischer Dignität, unter sich und mit zentralen und peripherischen Nervenbahnen". Mit
diesen Worten Wagners war Mitte des 19. Jahrhunderts der Grundstein gelegt für die heute so
populären Theorien neuraler Netzwerke.
Allein durch die Tatsache ihres Vorkommens und durch Spekulationen über den Grund ihrer
Existenz, war die Ganglienkugel bereits in den Jahren vor Ausbildung der Virchowschen
2
Zellenlehre funktionell belegt. Auch kritische Stimmen, wie die Jacob Henles (1809-1885) ,
konnten den Siegeslauf der Ganglienzellhypothese, also der Auffassung, Ganglienzellen seien die
eigentlichen Orte des nervösen Geschehens, nicht aufhalten.
1
2
Wagner 1850, zit. aus Bethe 1904, S. 202
Henle (1841): »Allgemeinen Anatomie« S. 720f
136
2.2 Funktionszuweisung an die Ganglienzelle: "Zentralpunkt eines
komplizierten Systems verschiedener nervöser Erregungen"
Neben der erstmaligen Erklärung der Funktion des Nervensystems als ein komplexes
Wechselspiel von miteinander über Nervenfasern verbundenen Ganglienzellen, war mit der
Aufklärung des anatomischen Zusammenhanges von Nervenfasern und Ganglienzellen eine
weiterer bahnbrechender Schluß möglich: Die Einbeziehung der Ganglienzelle in Du
Bois-Reymonds Phänomenologie der "negativen Schwankung" als dem "äußeren Zeichen der
inneren Bewegung im Nerven" (unter der Annahme, daß letztere nicht nur am Nerven als Ganzes,
sondern auch an den die Nerven zusammensetzenden Nervenfasern stattfinden). Waren
Nervenfasern und Ganglienzellen die Teile eines gemeinsamen Körpers, so mußten die den Reiz, Reizleitungs- und Erregungsphänomenen zugrundeliegenden Vorgänge an der Nervenfaser von
ähnlicher Natur, oder zumindest gekoppelt sein an die Aktivitäten der Ganglienzellen.
Was sich nun allerdings konkret an den Ganglienzellen abspielt, z.B. während der
Umwandlung eines sensiblen Reizes in eine motorische Anwort, und zwar auf der Grundlage
eben jener Ereignisse, die sich auch an Nervenfasern beobachten ließen, welcher elektrische
Mechanismus also in die Ganglienzelle hinein verlegt und damit der Reizumwandlung zugrunde
liegen sollte, darüber konnte lediglich spekuliert werden. Dem Experiment zugänglich war ja nur
- und nach wie vor mit Mühe - der periphere Nerv. Zur elektrischen Tätigkeit der Ganglienzelle
entstanden denn auch - wie einst zur elektrischen Funktion der Großhirnrinde - mehr geistreiche
Theorien, denn verwertbares Faktenmaterial. Schroeder van der Kolk beispielsweise, bediente
1
sich der Analogie von Ganglienzelle und Leydener Flasche. Durch äußere Reize sollten Gruppen
von Ganglienzellen, ausgehend von den sensiblen Nervenfasern mit denen sie zusammenhingen,
wie eine Batterie aufgeladen werden. Die Batterie antwortet mit einer gleichzeitigen Entladung
sämtlicher Ganglienzellen in der Gruppe, wodurch eine motorische Antwort erzeugt wird. Die
Geschwindigkeit der Auf-und Entladung des Ganglienzellkomlexes verstand Schroeder van der
Kolk in Abhängigkeit von der Blut bzw. Sauerstoffzufuhr welche "die allgemeine Vitalität der
Ganglienzellen" bestimmt.
Bei weitem praktikabler zur Beschreibung von Ganglienzellaktivitäten, als die
Verwendung elektrotechnischer Funktionsanalogien, war die Verwendung des Begriffes
Erregung. Ebenso wie sich aufgrund des anatomischen Zusammhanges von Ganglienzellen und
Nervenfasern, die Ganglienzellen in die elektrische Funktionsmechanistik der Nervenfasern
integrieren ließ, so war es ja möglich, die Ganglienzellen in das Konzept der
1
Schroeder van der Kolk (1859): »Bau und Funktionen der Medulla spinalis und oblongata«, zit.
aus Bethe 1904, S. 203
137
Nervenerregung einzubeziehen. So schreibt denn Virchow in der »Cellularpathologie«: "Alles was
wir über elektrische Vorgänge an Nerven wissen, bezieht sich auf Nervenfasern und zwar
wesentlich auf Leitung (Conduction) der Elektrizität in denselben." Die Nervenfasern besäßen im
"gewöhnlichen Leben" allerdings nur selten die Fähigkeit "in sich Elektrizität hervorzubringen".
Eher seien als die eigentlichen "Erreger der elektrischen Strömungen" die Ganglienzellen
1
anzusehen, von denen ja bekannt sei, dass sie mit den Nervenfasern im Zusammenhang stehen.
Spräche man also von der Reizbarkeit oder der Erregbarkeit der Nerven (mancherorts benutzt
Virchow in diesem Zusammenhang noch den alten Begriff Nervenirritabilität), so ist es, sagt
Virchow, die "Erregung der Ganglienzellen", um welche es sich handelt. Denn "die
empfindenden Nervenfasern sind fast durchgehends an ihren peripheren Enden mit Nervenzellen
in Verbindung, so dass jede von aussen eintretende Veränderung (Reizung) erst die Nervenzelle
passiren muß, ehe sie in die eigentliche Nervenfaser übergeht und zu den centralen Ganglienzelle
2
geleitet wird." "In der Erregung dieser letzeren", so Virchow, entfalten die Empfindungsnerven
3
"ihre hauptsächliche Thätigkeit". Virchow war auch einer der ersten, der, aufbauend auf der
retikularistischen Grundeinstellung seiner Zeit, eine Art Netzwerkfunktion entwirft, eine
"combinierte[n] Erregung und Zusammenwirkung (Synergie) mehrerer, in sich verschiedener
Ganglienzellen und Ganglienzellgruppen. Jede Reflex-Erregung jede bewußte und willkürliche
Erregung setzt die gleichzeitige oder doch innerhalb kurzer Zeiträume auf einander folgende
4
Thätigkeit verschiedener Ganglienzellen voraus." Innerhalb des kontinuierlichen Zell-FaserNetzes, wie es ja Gerlach in jenen Jahren beschrieb (Virchow selbst sprach von einem
5
"Reiserwerk, das die grösste Mannichfaltigkeit an Leitung und Strömung ermöglicht" ), fungierte
bei Virchow die Ganglienzelle nicht nur als der anatomische, sondern ebenso als der funktionelle
Knotenpunkt. Hatte schon Remak von der Ganglienkugel als dem "Kommunikationsort", dem
"Punkt der Aussendung und Verstärkung", an dem Nervenenergie an die Nervenfaser abgegeben
6
werde, gesprochen, oder Deiters davon, "dass überall wo Ganglienzellen
1
Virchow 1871, S. 347
Ibid.
3
Ibid., S. 345
4
Ibid., S. 349f
5
Ibid., S. 307. Über die Gerlachschen Fasernetzwerke heißt es bei Virchow an selber Stelle: "Die
Regel ist, dass die nicht direkt in Axencylinder übergehenden Fortsätze [der Ganglienzellen] sich
mehr und mehr verästeln und erst, nachdem sie ganz feine Fäserchen oder Reiserchen gebildet
haben, mit den von anderen Ganglienzellen ausgehenden Fäserchen anastomisieren. Auf diese
Weise entsteht z. B. in der grauen Substanz des Rückenmarks, ein zusammenhängendes
Reiserwerk, welches bis zum Gehirn aufsteigt. [...] in der grauen Hirnrinde haben die
Ganglienzellen ganz ähnliche Beschaffenheit."
6
Remak (1838b): »Über die Verrichtungen des organischen Nervensystems.«
2
138
eingehen, dieselben nicht einfach als Durchgang für eine Nervenfaser zu gelten haben, sondern
als der Zentralpunkt eines komlizierten Systems verschiedener nervöser Erregungen, die daselbst
1
Veränderungen erfahren können", so versteht Virchow nun die Ganglienzellen als die
"Moderationseinrichtungen" im Nervensystem. An den Ganglienzellen vollzieht sich "die
Sammlung der in den Nerven geschehenden Bewegung, welche einerseits die Möglichkeit einer
verschiedenen Ablenkung des Nervenstromes (Direction, Derivation) andererseits die Möglichkeit
einer zeitweisen Abschwächung und Hemmung desselben und dann einer nachfolgenden
2
Verstärkung mit vielleicht explosiver Wirkung gewährt." Manches spräche sogar dafür, "dass
diese Zellen die Fähigkeit besitzen, die (Erregungs-)vorgänge zu modifizieren, d.h abzulenken, zu
3
verstärken und zu schwächen." Vorgänge, sagt Virchow, die "eine Interpretation im Sinne der
4
elektrischen Theorie" zulassen.
1
Deiters (1865): »Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark.«
Virchow (1871): »Cellularpathologie« S. 347
3
Ibid.
4
Ibid., S. 348
2
139
2.3 Das Neuron im diskontinuierlichen Funktionsverband: Das Konzept der
Erregungsübertragung.
Gingen diese ersten Netzwerkkonzepte noch von einer fixierten, gleichsam in den Faserverbund
fest eingeschalteten Nervenzelle aus, so wandelte sich dieses Bild mit der Definition des Neurons.
Mit der Definition des Neurons ist die Nervenzelle nicht mehr eine dem Geschehen an der
Nervenfaser untergeordnete Moderationeinrichtung, sondern, als anatomisch scharf begrenzte
Nerveneinheit, bestehend aus Zellkörper (Soma), Achsencylinder (Axon) und
Protoplasmafortsätzen (Dendriten), ist das Neuron nun die anatomisch autonome Funktionseinheit
des Nervensystems. Über die Interaktionen individuell agierender Neurone war die Funktion des
Nervensystems von nun an zu begreifen. Der Gedanke an eine kontinuierliche Erregungsleitung
im Zell-Faser Kontinuum mußte somit gänzlich verworfen werden. Denn gab es diese, von His,
Forel, Nansen, Ramón y Cajal u.a. postulierten Neurone, so mußte ja ein während des Vorganges
der Erregungsleitung zu überwindender Spalt, eine die Erregungsleitung unterbrechende Lücke
oder Kontaktzone zwischen den Neuronen angenommen werden, wo Erregung von Neuron zu
Neuron übertragen wird. Doch wie war jenes Ereignis der Erregungsübertragung zwischen den
erregungsleitenden Elementareinheiten zu erklären? Eine Frage, deren Beantwortung erschwert
wurde, durch die um das 1890 noch äußerst spärlich vorhandenen neurophysiologischen
Kenntnisse. Selbst über das Phänomen der elektrischen Erregungsleitung, die allein an Nerven
studiert werden konnte, bestand ja noch wenig Klarheit. "Wodurch sich ein erregter Nerv von
einem ruhenden unterscheidet", schreibt der Wiener Physiologe Sigmund Exner (1846-1926),
"davon wissen wir nur sehr wenig. Aber alles deutet darauf hin, dass sich beim Übertritt
desselben aus dem einen in den anderen Zustand ein molecularer Umlagerungsprozess in den
1
Axencylindern vollzieht." Zur Erklärung von Neuronenfunktion im Gehirn blieb somit erneut nur
die bewährte Vorgehensweise, das Geschehen an der Nervenfaser auf die zentralen Neurone zu
übertragen. Exner hierzu: "Erwägen wir, dass sich im Centralnervensystem [...] Nervenfasern
befinden, welche sich in keinem wesentlichen Punkte anatomisch von den peripheren
Nervenfasern unterscheiden, so werden wir mit Recht annehmen können, dass die
Leitungsvorgänge im Centralnervensysteme [...] Ähnlichkeit haben mit denen, die aus dem
Studium peripherer Nerven erkannt worden sind. Es ist dies eine Annahme die in der Natur der
2
Sache, und die bisher als selbstverständlich allgemein gemacht wurde".
War man schon bei der Beschreibung der experimentell zugänglicheren Erregungsleitung
an der Nervenfaser auf diffuse Vorstellungen von "molecularen
1
2
Exner (1894): »Entwurf zur physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen« S. 37
Ibid., S. 41
140
Umlagerungsprozessen" angewiesen, so konnte für das weit aus komplexere Phänomen der
Erregungsleitung entlang einer Kette von Neuronen, bzw. der Erregungsübertragung zwischen
benachbarten Neuronen, erst recht kein greifbares Konzept zur Verfügung stehen. Von einer
Synapsentheorie, wie wir sie heute kennen, gar von einem Konzept der chemischen
Signalübertragung konnte ja keine Rede sein. Noch einmal Exner: "Die Uebertragung der
Erregung von einer Neurone auf eine andere soll dadurch geschehen, dass das Endbäumchen
eines Fortsatzes der ersten Neurone eine Ganglienzelle einer anderen Neurone korbartig umgibt.
Eine im Endbäumchen anlangende Erregung soll nun auf eine noch unbekannte Weise den
Erregungszustand der Ganglienzelle der nächsten Neurone beeinflussen, oder umgekehrt, es
1
beeinflusst der Zustand einer Ganglienzelle jenen des Endbäumchens von der nächsten Neurone."
Während Exner sich physiologischer Spekulationen über die interneuronale
Erregungsübertragung weitgehend enthielt, orientierten sich andere nach wie vor an den
Funktionscharakteristika von elektrischen Apparaten. Der in Berlin wirkende, russische
2
Physiologe Vladimir Mikhailovich Bechterev (1857-1927) , versteht die aneinandergreihten
Neurone innerhalb eine Nervenbahn "als eine Reihe von Leydenschen Flaschen, welche sich nach
3
einander und eine in die andere entladen." Bechterev zufolge sollte ein zwischen zwei Neuronen
bestehendes Spannungspotential Vorausetzung der Erregungsübertragung sein. Kommt es zu
einer "Gleichgewichtsstörung in der Energiespannung" benachbarter Neurone, schreibt
Bechterev, dann kommt es zur "Entladung, d.h. zur Erregungsübertragung der Nervenerregung
4
von einem Neuron auf das andere." "Wir müssen annehmen, dass in dem Moment der Leitung in
jedem benachbarten Paar der Neurone ein Unterschied in der Spannung der Energie entsteht,
welcher ihre Entladung von einem Element zum anderen zu Folge hat. Es ist [..] klar, dass diese
Entladung zur Entwicklung der Erregung in jedem der folgenden Elemente, Anlaß gibt. Folglich
ist der Nervenstrom als moleculare Veränderung in den Neuronen, begleitet von aufeinander
folgenden Energientladungen in den [...] Neuronen zu denken, wobei die Nervenerregung in
jedem der Neurone augenscheinlich der Energieentladung im vorhergehenden Neuron ihre
1
Ibid., S. 11. In der Unterscheidung der Begriffe Ganglienzelle und Neuron wirkt bei Exner noch
die alte retikularistische Vorstellung von einem Nervenfaserkontinum nach. Bei Exner meint
Ganglienzelle die eigentliche Zelle des Neurons, also letztlich das, was wir heute als Soma bzw.
Zellkörper bezeichnen würden. Für Exner besteht ein Neuron aus Ganglienzelle,
Protoplasmafortsätzen [Dendriten] und einem Achsenzylinderfortsatz [Axon]. Das Neuron wird
als Faserstrukur aufgefaßt, innerhalb derer die Ganglienzelle [Soma] das auf die anhängenden
Fasern einwirkende Element darstellt.
2
Bechterev (1894): »Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark«, (1896): »Die Lehre von
den Neuronen und die Entladungstheorie.«
3
Bechterev 1896, S. 105f
4
Ibid., S. 106
141
1
Zur Entladung genüge schon die "nächste Nachbarschaft der
Nervenendigungen des einen Neuron mit dem Körper oder den Fortsätzen des anderen", schreibt
Bechterv. Je geringer der Abstand der Neuronenfortsätze zueinander, desto geringer sollte der zu
überwindende Widerstand sein und desto wahrscheinlicher wird die Entladung und damit die
2
Erregungsübertragung.
Ungeachtet der Notwendigkeit, eine Erregungsübertragung an der hypothetischen Lücke
zwischen den Neuronen annehmen zu müssen, blieb der Begriff des Netzwerkes bestehen. Das
Netzwerk aus Neuronen war jedoch nicht mehr als ein anatomisches Netzwerk aufzufassen,
sondern nunmehr als ein funktionelles Netzwerk. Sigmund Exner war es schließlich, der erstmals
3
im großen Stil, mögliche Funktionen von Neurone-Netzwerken beschrieb.
Entstehung verdankt."
Bevor jedoch von Neuronen-Netzwerken die Rede sein wird, soll nachvollzogen werden, wie es
zu einer Verbindung kam, zwischen den Überlegungen zur physiologischen Funktion der
Ganglienkugeln, Ganglienzellen, Nervenzellen und Neurone, und der Erklärung psychischer
Erscheinungen mit Hilfe eben dieser Strukturen. Wie kam es letztlich zu jenem die Neurobiologie
des 20. Jahrunderts so dominierenden Denkstil, mentale, oder psychische Ereignisse, als in
neuralen Netzwerken generiert aufzufassen?
1
Ibid., S. 103
Ibid., S. 106
3
Exner (1894): »Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen«.
2
142
3. "Psycho-Physik der Nervenzelle": Die Beschreibung psychischer
Erscheinungen mit Hilfe der Nervenzelle und des Erregungsbegriffs
3.1 Die Nervenzelle als Elementarorganismus der psychischen Erscheinungen.
Mit der Vorstellung, die Ganglienkugeln seien als Sekretionsorgane des elektrischen
Nervenfluidums aufzufassen, ging die Beschreibung psychischer Erscheinungen als das Ergebnis
von Ganglienkugelaktivität Hand in Hand. War doch der Sitz der Ganglienkugeln im Gehirn die
1
Großhirnrinde, und diese galt ja als das eigentliche Werkzeug der psychischen Erscheinungen.
2
Johann Gottfried Ehrenberg (1795-1876), einer der Entdecker der Ganglienkugeln , faßte diese
denn auch nicht allein als "drüsenartig" auf, sondern redete zugleich vom "Seelenorgan", in
welchem diese "sonderbaren Structuren" zu finden seien. Erneut ließen die Analogien keinen
anderen Schluß zu, als die drüsenartigen Ganglienkugeln mit der Produktion psychischer
Erscheinungen in Zusammenhang zu bringen. Wie das Rückenmark zum Gehirn im großen, so
sollten sich im kleinen, die Nervenfasern zu den Ganglienkugeln verhalten. Für Gustav Gabriel
Valentin sind die Nervenfasern - analog zum Rückenmark - das "empfangende und leitende,
passive, niedere Prinzip", und sind die "Kugeln" - analog zum Gehirn - die "Repräsentanten des
schaffenden, aktiven, höheren, Prinzips", die "Innervationsquellen" und die "Produktoren der
3
psychischen Vorgänge." Derartige Vorstellungen entfalteten sich schließlich in der
Ganglienzellhypothese. Der Marburger Mediziner Franz Ludwig Fick (1813-1858) beispielsweise
spricht in seinem 1851 veröffentlichten Artikel »Über die Hirnfunktion« von der Ganglienzelle
als der "Innervationsquelle", der "Ursache der Innervationsphänomene", dem "Produktor der
psychischen Vorgänge" und von der "Nervenröhre" als dem "Leitungsorgan der
4
Innervationsphänomene".
In der Abkehr vom Vitalismus - insbesondere vorangetrieben durch die junge Forschergeneration
der Müller-Schüler - bildeten "materielle Körperwelt und immaterielle Geisteswelt [...] ein
einziges, untrennbares und allumfassendes Universum, ein Substanzreich", wie es der Zoologe
Ernst Haeckel (1834-1919) später in seinen »Welträtseln«
1
Zur Geschichte des Problems "Wohnsitz der Seele", vgl. Grüsser 1990, Klingler 1967, Révész
1917, Riese & Hoff 1950, 1951; Stauffenberg 1913.
2
Ehrenberg (1834): »Beobachtungen einer bisher unbekannten auffallenden Structur des
Seelenorgans bei Menschen und Thieren.«
3
Valentin (1836): »Über den Verlauf und die letzten Enden der Nerven« S. 157
4
Fick 1851, S. 386
143
1
ausdrückt. Psyche oder Seele sind Teil der biologischen Lebensäußerungen eines Organismus,
oder um es mit dem Physiologen Carl Vogt (1817-1895) "einigermaßen grob auszudrücken":
"[...] alle jene Fähigkeiten, die wir unter dem Namen Seelenthätigkeiten begreifen, [...] (sind)
Functionen des Gehirns [...] die Gedanken (stehen) etwa in demselben Verhältnisse zum Gehirn
2
[..] wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren." Bewußtsein und Intelligenz, die
höheren Hirnleistungen im allgemeinen, gehen aus der materiellen Körperwelt des Gehirns
hervor. Diese materielle Körperwelt entspricht der Welt der Ganglienzellen. "Psychische
3
Thätigkeit" ist allein an die Funktion der Ganglienzellen geknüpft. "Seelenthätigkeit", schreibt der
junge Würzburger Student Haeckel über die Ansichten seines Lehrers Virchows in einem Brief an
seine Eltern, sei für Virchow die "inhärierende Eigenschaft der lebenden Nervenzelle" wie die
4
"Bewegung das Resultat des Baues der Muskelfaserzelle" ist. "Das Charakteristikum des
Lebens", so hatte Virchow in seiner Zellenlehre ja betont, "finden wir in der Thätigkeit, und zwar
einer Thätigkeit, zu der jeder einzelne Theil je nach seiner Eigenthümlichkeit etwas besonderes
beiträgt." So heißt es denn: "Das Bewußtsein, das Gedächtnis, das Denken und Vorstellen, sind
nicht [..] allgemeine Functionen aller Theile des Körpers [...]. [N]achdem sich zuletzt die
Aufmerksamkeit auf das Gehirn concentrirt hat, ist ganz folgerichtig die Frage aufgeworfen
worden, welche Theile des Gehirns der »Sitz« der psychischen Functionen sei, und nachdem auch
diese Frage zunächst im nur groben Sinne behandelt war, ist man endlich im Wege der Histologie
zu den Ganglienzellen gelangt. [...]. Wir können noch nicht sagen, welche Ganglienzellen es sind,
die so merkwürdige Funktionen haben, und in welchen ihrer Bestandtheile dieselben ihre
Erklärung finden. Aber dass an gewisse Gruppen von Hirnelementen die psychische Thätigkeit
geknüpft ist, dass innerhalb dieser Gruppen Ganglienzellen die eigentlich wirksamen Elemente
sind (Virchow spricht auch von den "psychischen Ganglienzellen" der Rindenschichten des Gross5
und Kleinhirns ), und dass diese Ganglienzellen gewisse specifische Eigenthümlichkeiten haben
müsse, wodurch sie sich von anderen unterscheiden, daran können wir wohl nicht zweifeln. [..]
Die immer mehr localisierende Untersuchung wird uns dahin führen, diese Eigenthümlichkeiten
6
wirklich zu ergründen. Unter "specifischen Eigentümlichkeiten" versteht Virchow: "wie wir
Bewegungs und Empfindungszellen unterscheiden, so können wir auch innerhalb der
Bewegungszellen, die den einzelnen muskulösen Apparaten zugehörigen voneinander trennen, und
ebenso
1
Haeckel 1899, zit. aus Florey 1991c, S. 131 Anmerkg. 23.)
Vogt (1855): »Köhlerglaube und Wissenschaft« S. 32
3
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 331
4
Zit. aus Vasold 1990, S. 173
5
Virchow 1871, S. 313
6
Ibid., S. 349
2
144
innerhalb der Empfindungszellen die gewöhnlichen spinalen Ganglienzellen von den Riech- Seh1
und Hörzellen u.s.w des Gehirns sondern."
Folgt man den Worten Virchows, so nimmt es nicht wunder, daß er auch "die Seele" im
2
Zellenstaatkonzept aufgehen ließ und die "Eine Seele" im Organismus bestreitet. Zur "Erklärung
des Lebens der einzelnen Theile" genüge eine solche "Eine Seele" nicht, denn: "Sind das
Lebensprinzip und die Seele identisch, so ist auch die Seele in jedem der einzelnen Theile".
Virchow spricht denn auch von "zahllosen Zellenseelen": "Die Eizelle nimmt diese [Zellenseele]
von der Mutter mit und überträgt sie auf die unendliche Brut von neuen Zellen, welche sie
ihrerseits wieder hervorbringt, bis diese sich in den Ganglienzellen des neuen Gehirns wieder zu
3
einer Gehirnseele entfaltet."
Mit der zellularen Interpretation der "psychischen Tätigkeit", lag die Einbeziehung des
Erregungsbegriffes in die Erklärung der höheren Hirnleistung auf der Hand. Bei Virchow heißt
es: "Sprechen wir nun von Nerven-Irritabilität im Sinne der Centraleinrichtungen, so ist damit
offenbar etwas anderes gemeint, als wenn wir an die Nervenfaser denken. Es ist die Erregung der
Ganglienzellen, um welche es sich handelt. Diese Erregung kann eine
1
Ibid.
Schon Purkinje hatte im Gehirn so viele "kleine Seelen" angenommen, wie die Summe aller
"Körner" in den Ganglienkörpern. In seiner Schrift »Papierstreifen aus dem Portefeuille eines
verstorbenen Naturforschers« spricht er von "Gleichungen der Vitalfunktionen" zwischen Eizelle
und Ganglienkörperchen (ibid., S. 256f). Wie bei den Drüsen und Ganglienzellen, so hatte
Purkinje auch in der Eizelle Körnchen als deren aktive Elemente entdeckt. In der Eizelle sollten
sie das Urbild und die Lebensidee des sich später entwickelnden kompletten Individuums
enthalten. Analog der in den Körnchen der Eizelle wirkenden Kraft, die den Organimus aufbaute,
und diesen von Generation zu Generation reproduzierte, so verstand Purkinje jedes Körnchen in
der grauen Substanz als eine Art von Denkmonade oder Bewußtseinspartikel, der einen Teil der
Nervenkraft hervorbrachte, welche ihrerseits die Daseinsseele des Individuums zusammensetzte.
3
Virchow 1871, S. 332. Auch Haeckel ist ein überzeugter Verfechter der Idee des Zellenstaats. In
seinem Aufsatz »Zellen und Zellenseelen« (Haeckel 1878) übernimmt er Virchows Bild von einer
in "Zellenseelen" gespeicherten und aufgespaltenen Gesamtseele und stellt eine Theorie auf,
derzufolge eine jede lebendige Zelle für sich psychische Eigenschaften besitzt. Ein Seelenleben
der vielzelligen Tiere und Pflanzen war damit allein als das Resultat der psychischen Funktionen
der ihren Körper zusammensetzenden Zellen zu begreifen. Bei niederen Tiergruppen sollten alle
Zellen an den psychischen Funktionen beteiligt sein, bei höheren, entprechend den Gesetzen der
biologischen Arbeitsteilung, nur die Nervenzellen. Die Nervenzellen, "untereinander verästelt
und durch Äste netzförmig zusammenhängend," schreibt Haeckel, spielen "unzweifelhaft die
wichtigste Rolle im Seelenleben". Haeckel nennt die Ganglienzellen des Gehirns auch die
"Seelenzellen" (Ibid., S. 173): "Das Organ der Zentralseele ist die Gesamtheit der Seelenzellen,
der Ganglienzellen des Gehirns; das Organ jeder einzelnen Zellseele hingegen ist der Leib der
Zelle selbst, Protoplasma und Zellkern, oder ein Teil derselben." (Ibid., S. 173 u. S. 177).
2
145
willkürliche oder unwillkürliche, eine bewusste oder unbewußte, eine perceptive (sensitive) oder
motorische sein, je nachdem diese oder jene Art von Ganglienzellen dabei betheiligt ist. Manche
Verschiedenheiten der eintretenden Thätigkeiten erklären sich offenbar durch die verschiedene
1
Energie der einzelnen Ganglienzellen [...]." Virchow zweifelt allerdings, ob die "elektrische
Theorie der Erregung" auch der Tätigkeit der "höheren Ganglienzellen" zugrundzulegenden ist:
"Eine Interpretation [der Vorgänge an Nervenzellen und Nervenfasern] im Sinne der elektrischen
Theorie ist nicht mehr möglich bei jenen verwickelten Vorgängen des instinktiven und
intellektuellen Lebens, welche überhaupt die höchste Entwicklung der tierischen Function
darstellen. Wer ist im Stande, den Instinkt oder gar den Verstand electrisch zu construiren? oder
2
gar das Bewußtsein als ein Analogon eines mechanischen Vorganges nachzuweisen." In der Tat
stand der Nachweis der elektrischen Erregbarkeit des Gehirns, um den sich die Physiologen seit
3
Galavani und Volta ja vergeblich bemüht hatten, bis 1870 noch aus. Vor 1870 war durch Reizung
4
dem Gehirn nicht einmal das "gröbste Lallen zu entlocken".
Erst Gustav Theodor Fritsch (1838-1927) und dem Züricher Psychiater Eduard Hitzig
5
(1838-1907) gelang es, aufzuzeigen, daß, "im Widerspruch mit der allgemeinen Ansicht", ein
Zusammenhang besteht, zwischen elektrischen Erregungsvorgängen an spezifischen Regionen der
6
Hirnrinde und einer motorischen Reaktion. Mit Hilfe bipolarer Platinelektroden hatten Fritsch
und Hitzig schwache Stimulationsströme erzeugt und diese an Regionen des Vorderlappens der
freigelegte Großhirnrinde von Hunden appliziert. Als Ergebnis beobachten sie diskrete
Muskelbewegungen an den Fußextremitäten. Bei entsprechender Stromstärke verfiel die
beobachtete Muskelpartie in Krämpfe. Aus der
1
Ibid., S. 349
Die Gleichsetzung von Elektrizitätsphänomenen mit "Seelenvorgängen" war bereits von
Galvani vollzogen worden. Über die Resultate seiner Beobachtungen am Nerv-Muskel Präparat
hatte er resümiert: "Wenn das der Fall ist, wird vielleicht die geheimnisvolle und bisher lange
vergeblich erforschte Natur der Thierseele ihrem Dunkel entzogen werden. Wie dem aber auch
sei, so wird deren Elektricität in Zukunft nach unseren Versuchen, wie ich meine, sicher niemand
mehr in Zweifel ziehen." [Galvani (1791): »Abhandlung über die Kräfte der Elektricität bei der
Muskelbewegung«, Ostwalds Klassiker« S. 54] Auch Purkinje hatte von den "Analogien zwischen
Seele, und dynamischen Naturphänomenen" wie z.B. Elektrizität gesprochen. [Purkinje (1828):
»Zusammenfassung von Carl Friedrich Burdachs: Vom Baue und Leben des Gehirns.« S. 61f].
Burdach sah die der Seelentätigkeit zugrundeliegende Nervenkraft als energetische
Transformation von Elektrizität (oder Magnetismus) an. [Burdach (1844): »Umrisse einer
Physiologie des Nervensystems«, (1819-1826): »Vom Baue und Leben des Gehirns.«]
3
Dazu Hagner 1993b
4
Ibid., S. 102
5
Ibid., S. 308
6
Fritsch & Hitzig (1870): »Über die elektrische Erregbarkeit des Großhirns.«
2
146
"Summe all unserer Versuche" ziehen Fritzsch und Hitzig den Schluß, "daß wahrscheinlich alle
seelischen Functionen, zu ihrem Eintritt in die Materie oder zur Entstehung aus derselben auf
1
circumscripte Centra der Grosshirnrinde angewiesen sind." Für Fritzsch und Hitzig ist die
"gangliöse Substanz der Großhirnhemisphären" (die einzelnen Theile der psychischen und
organischen Centren) denn auch "der wahrscheinliche Sitz, oder doch das nächste Werkzeug der
2
Seele." Unter Centra verstanden Fritsch und Hitzig "sehr kleine Stellen" der Hinrinde, vermittels
derer, bei Reizung mit "ganz schwachen Strömen", eine lokal begrenzte Muskelgruppe zur
3
Kontraktion gebracht werden kann. In der Nachfolge der Untersuchungen Fritschs und Hitzigs
fand die elektrische Stimulation der Großhirnrinde rege Anwendung. Die motorischen Zentren
4
des Großhirns von Hunden, Affen und Menschen wurden rasch vollends beschrieben. Im Jahre
1878 schreibt Michael Foster (1836-1907) in seinem »Textbook of Physiology«: "There is no
doubt that there is a connection between galvanic stimulation of the brain surface and bodily
5
movement [...]." Die in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, von dem Physiologen und
Veterinär Hermann Munk (1839-1912) entdeckten, sensorischen Rindenareale, also der visuellen,
6
auditorischen und somato-sensorischen Cortexgebiete, rundeten dann das Bild von der
1
Fritsch & Hitzig 1870, S. 332
Ibid., S. 306
3
Ibid., S. 311
4
Z.B. Bartholow (1874a): »Experimental investigations into functions of the human brain«,
(1874b): »Correspondence. Experiments on the function of the human brain«, Ferrier (1873):
»Experimental Researches in Cerebral Physiology and Pathology«, (1876): »The Functions of the
Brain«, Hermann (1875): »Über die elektrische Reizbarkeit der Großhirninde«, Hitzig (1871a):
»Über die beim Galvanisieren des Kopfes entstehenden Störungen der Muskelinnervation und der
Vorstellungen vom Verhalten im Raume«, (1871b): »Weitere Untersuchungen zur Physiologie
des Gehirns«, (1874a): »Untersuchungen über das Gehirn«, (1874): »Untersuchungen über das
Gehirn,« (1876b): »Über die Resultate der electrischen Untersuchung der Hirnrinde eines Affen«,
Jackson (1873): »Experimental Researches in Cerebral pyhsiology and pathology«, Munk (1877):
»Zur Physiologie der Großhirnrinde«, (1878): »Weiteres zur Physiologie der Grosshirnrinde«.
5
Foster 1878, S. 505
6
Munk (1881a): »Über die Physiologie der Großhirnrinde.« Vgl. ebenso Buboff & Heidenhain
(1881): »Über Erregungs und Hemmungsvorgänge innerhalb der motorischen Hirncentren«,
Exner (1881): »Untersuchungen über Localisation der Functionen in der Grosshirnrinde des
Menschen«, Horsley & Schäfer (1888): »A record of experiments upon the functions of cerebral
cortex«, Munk (1892-1901): »Über die Funktion der Großhirninde«, Meynert (1891): »Über das
Zusammenwirken der Gehirntheile.« Die von Korbinian Brodmann (1868-1918) im Jahre 1909 in
der Schrift »Lokalisationslehre der Großhirnrinde« veröffentlichte "Karte" des menschlichen
Cortex, ist bis heute Bestandteil der entprechenden Kapitel in den Lehrbüchern der biologischen
Psychologie. Die sogenannten Brodmannschen Rindenfelder sind in 52 Areale oder Felder
unterteilt. So wird beispielweise Feld 17 den Sehvorgängen und die Felder 41 und 42 den
Hörvorgängen zugeordnet. Feld 44 und 45 werden als Assoziationsfelder bezeichnet, denen die
"integrierenden Funktionen" zugewiesen werden. Zur Entwicklung bis Brodmann vgl. z.B. die
Arbeiten von Flechsig (1904): »Einige Bemerkungen über die Untersuchungsmethoden der
2
147
Erregbarkeit der Großhirnrinde ab und machten es schließlich möglich, Erregbarkeit, elektrische
Vorgänge, die Großhirnrinde als das Werkzeug der psychischen Erscheinungen, und die
Nervenzellen, als die Bauteile der Großhirnrinde, konzeptuell zu vereinen.
Hatte ehedem Franz Joseph Gall (1758-1828) von den "inneren Sinnen" in der Hinrinde
gesprochen, in denen die Seelenfähigkeiten, wie in Schubladen, jede für sich untergebracht sein
1
sollten, so ist nunmehr die Rede von in der Rinde des Großhirns verteilten Zentren, jenen
Cortexregionen also, welchen sich die motorischen und sensorischen Funktionsgebiete des
Körpers zuordnen ließen. Alle psychologischen Erscheinungen konnten von nun an als das
Resultat komplizierter Wechselwirkungen der Rindenzentren angesehen werden. Zwei
Grundformen des Psychischen standen dabei im Mittelpunkt: Empfindungen und Vorstellungen.
Empfindungen waren zu verstehen, als alle durch äußere Sinnesreize erregten
Bewußtseinsreaktionen, die in den mit sensorischen Leitungsbahnen in Verbindung stehenden
Empfindungszentren ausgelöst wurden. In den Vorstellungszentren sollten "Erinnerungsbilder"
erzeugt und gespeichert wurden. Emfindungs und Vorstellungszentren sollten ihrerseits zu
2
Sinneszentren vereinigt sein, die untereinander wechselwirken. Die
Großhirnrinde, insbesondere des Menschen«, Grünbaum & Sherrington (1902): »Observations on
the physiology of the cerebral cortex of some of the higher apes«, Mills & Frazier (1905-1906):
»The motor area of the human cerebrum. Its position and its subdivisions.«
1
Gall hatte gegen die Vorstellung von einem innerhalb des Nervensystems lokalsierbaren Sitz der
Seele oder Sensorium Commune argumentiert. Die zahlreichen Verbindungen der Fasern im
Gehirn, die Möglichkeit der Überleitung von Funktionen von einem Ort zum anderen, machten es
für Gall unmöglich, einen einheitliches Empfinden vermittelnden anatomischen Ort zu
lokalisieren. Gall hingegen geht es um eine Zersplitterung des Mentalen, der Psyche und der
Intelligenz, in verschiedenste Verhaltenskategorien und Eigenschaften, in Neigungen, Talente und
Fähigkeiten. Geistige Funktionen sah Gall als Verrichtungen einer Anzahl "innerer Sinne" an,
denen er analog den Sinnesorganen der "äußeren Sinne", jeweils ihr besonderes, unabhängiges
Organ im Gehirn zuweist. "Innere Sinne" waren z.B. der Ortssinn, Sprachsinn, Farbensinn, Sachoder Wortgedächtniss, Vergleichungsinn aber auch Hang zur Unterwerfung, Gottesfurcht, Sinn
für Metaphysik oder poetisches Talent. Die "inneren Sinne" entsprachen streng abgegrenzten, aber
über die Fasern der weißen Substanz anatomisch miteinander verbundenen Regionen in den
Gehirnwindungen. In der topographischen Organisation der graue Substanz lag für Gall das
materielle Substrat mentaler Vorgänge verborgen. Galls (1822-1825) »Sur le fonctions du cervau
et sur celles de chacune de ses parties«. Zur Konzeption Galls vgl. Ackerknecht 1958, Mann
1985, 1988; Oehler-Klein 1991, Temkin 1947.
2
Morphologisch gestützt wurde die Theorie der Sinneszentren durch die Entdeckung der
Projektionsfaser- und Assoziationsfasersysteme. Z.B. Meynert (1867/68): »Der Bau der
Großhirnrinde und seine örtlichen Verschiebungen, nebst einem pathologisch-anatomischen
corollarium«, (1871): »Vom Gehirne der Säugethiere«, Retzius (1891): »Ueber den Bau der
Oberflächenschicht der Grosshirnrinde beim Menschen und bei den Säugethieren«.
148
"reine Sinneszentrentheorie", wie sie Wilhelm Wundt (1832-1920) später in seinen »Grundzügen
1
der physiologischen Psychologie« bezeichnete, fand ihre Erweiterung in der "Theorie der
2
Assoziationszentren". Derzufolge sollten diejenigen Rindengebiete, die der Verknüpfung der
Empfindungen und der Aufbewahrung von Vorstellungen dienten, räumlich von den eigentlichen
Vorstellungs- und Empfindungszentren verschieden sein, mit diesen aber über Assoziationsfasern
in Verbindung stehen. Mit der Peripherie hielten die Assozitionszentren nur indirekt, über die
ihnen zugeordneten Sinneszentren, Verbindung. Die Assoziationszentren repräsentierten die
höheren psychischen Funktionen, die integrative Leistung der Großhinrinde. Ichbildung, Willen,
Gefühl, oder wie sich Munk ausdrückte "der Schatz der Vorstellungen", hatten damit nicht mehr
in einem besonderen Teil des Gehirns ihren Sitz, sondern entstanden aus der Summe aller
Eindrücke der Sensitivität, die über die Sinnesorgane und die Projektionsfasern in der aus den
verschiedensten "psychischen Zentren" zusammengesetzten Gehirnrinde zusammenlaufen und
dort über Assoziationsfasersysteme umverteilt und verknüpft werden. Das Ergebnis war dann als
mental zu verstehen, als ein in der grauen Substanz zusammengesetztes Mosaik, bestehend aus
tausenden mit Hilfe von Erinnerungen modulierten Detailempfindungen und Vorstellungen. Mit
Etablierung der Zentrentheorie war somit nicht mehr die Frage, welche Folgen hat die Verletzung
oder Wegnahme eines bestimmten Rindengebietes, welche Funktionen waren also in ihm
verborgen, hatten dort ihren Sitz, sondern die Frage lautete von nun an: welche Veränderungen,
welche anatomischen und physiologischen Defekte gehen mit Funktionstörungen der Psyche
einher. Damit hatte die Verlegung einer komplexen Funktion in ein begrenztes Gebiet der
Großhirnrinde "ungefähr denselben Sinn [..] als wenn man behaupten wollte, das Kniegelenk
vollbringe die Gehbewegungen, weil diese Bewegungen bei einer Ankylose des Gelenks nicht
3
mehr ordnungsgemäß zustande kommen" - oder wie es schon Friedrich Albert Lange (18281875) ausdrückte: "Man kann nicht ein Stück Seele wegschneiden [sondern] nur den
4
Kombinationsapparat beeinflussen."
1
Wundt 1908, Bd. I, S. 344
Eine detailierte Darstellung der genannten Theorien und ihrer Spielarten kann hier nicht
gegeben werden. Verwiesen sei deshalb auf die in vielfacher Auflage erschienenen Hand- und
Lehrbücher der »physiologischen Psychologie« Wilhelm Wundts (Wundt 1874-1908).
Desweiteren auf die Schriften: Exner (1894): »Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der
psychischen Erscheinungen«, Flechsig (1896): »Gehirn und Seele«, (1897): »Grosshirn und
Organ der Seele«, Meynert (1891): »Über das Zusammenwirken der Gehirntheile«, Munk (18921901): »Über die Funktion der Großhirninde«.
3
Wundt 1908, Bd. I, S. 349
4
Lange (1896): »Geschichte des Materialismus.« S. 322ff
2
149
Die alten Vorstellungen von einem lokalisierbaren "Sitz der Seele" waren im letzten Drittel der
vergangenen Jahrhunderts also überwunden. Und dennoch, das im Programm des Virchowschen
Zellenstaats - "jedes einzelne Element des lebenden Organismus erscheint wie eine besondere
1
Person, mit individuellen Eigenschaften ausgerüstet" - angelegte Motiv, definierte Nervenzellen
mit spezifischen, individuell begrenzten, psychischen Qualitäten auszustatten, führte
gewissermaßen - in der Kombination mit der Zentrenlehre - zu einer zellulären Neuauflage des
alten Lokalisationskonzeptes.
Der Wiener Neurohistologe und Psychiater Theodor Meynert (1833-1892) spricht in
seinem Aufsatz: »Über das Zusammenwirken der Gehirntheile« von einer "socialen
Zellenkolonie", einer "socialen Gruppirung lebender beseelter Wesen", die das Gehirn, das er als
"zusammengesetzten Nervenzellenstaat" bezeichnet, zusammenhält. Für Meynert ist die Hirnrinde
der "Rindenstaat", der Sitz der Ichbildung und damit die "Hauptstadt des Gehirnstaates".
Bewußtsein ist für Meynert die "resultierende Erscheinung unzählbarer Einzelleistungen" der
2
"Elementarwesen der Rinde." Die Scheidung von Emfindungs- und Vorstellungsfunktionen in
den Sinneszentren des "Rindenstaates", knüpft Meynert nun an spezifische, wenngleich nicht
morphologisch, so doch funktionell unterscheidbare Nervenzellen: eben an Empfindungszellen
3
und Vorstellungszellen. Empfindungszellen, so Meynert, hätten im Moment der Wahrnehmung
die Aufgabe, die peripheren Erregungen, welche direkt von den Sinnesorganen über die
Projektionsfasern zugeführt würden, aufzunehmen, während zur gleichen Zeit die Erregung der
Vorstellungszellen in die Assoziationsfasern abfließe. Die Vorstellungszellen waren damit für
neue Erregungen zugänglich gemacht, während zugleich die abgeflossene Erregung eine
4
5
Gedächtnisspur , einen abrufbaren Vorstellungseindruck in der Zelle deponiert hatte. Meynert
wagte es denn auch, nach der Zahl der Nervenzellen in der Großhirnrinde, die Anzahl der
Vorstellungen
1
Virchow (1858b): »Reiz und Reizbarkeit« S. 8
Meynert 1891, S. 174f
3
Vgl. Meynert 1891, ebenso (1892): »Sammlung von populär-wissenschaftlichen Vorträgen über
den Bau und die Leistungen des Gehirns.«
4
Deutlich zeichnet sich hier schon die Konzeption Richard Semons (1858-1918) ab, sogenannte
Engramme (Gedächtnispuren) und Nervenzellstrukturen einander zuzuordnen. [Semon (1904):
»Die Mneme als erhaltendes Prinzip im Wechsel des organischen Geschehens«, (1908): »Die
mnemischen Emfindungen.«] Zur Geschichte der Gedächtniskonzepte vgl. Florey 1993
5
Bereits der Pariser Neurologe Jules-Bernard Luys (1828-1898) entwickelte in seinen 1865
erschienenen »Recherches sur le système nerveux« ein zelluläres Gedächtnismodell. In dafür
vorgesehenen Ganglienzellen sollten Veränderungen als Souvenirs deposés zurücklassen werden.
Das Bild eines Gegenstandes, Begriffe etc., alles war in bestimmten, dafür vorgesehenen
Ganglienzellen untergebracht. Erkrankten die entsprechenden Ganglienzellen so vielen die in
ihnen untergebrachten Erinnerungen aus.
2
150
1
abzuschätzen, "die ein Bewußtsein zu beherbergen vermöge."
Auch Carl Rabl-Rückhard (1853-1917) schreibt: "Wir sind genöthigt, wollen wir
überhaupt einen Versuch der Erklärung der feineren psychischen Vorgänge machen,
anzunehmen, dass z.B. die Pyramidenzellen des Grosshirns, im Sinne einer Localisation der
Function in strengster Folgerichtigkeit, jede einzelne Trägerin einer ganz bestimmten Menge und
Art von Vorstellungen, Erinnerungsbildern u.s.w ist, deren Summe das umfasst, was wir
Gedächtnis nennen. Mit anderen Worten: Das Protoplasma in seiner höchsten Differenzierung,
wie sie uns in den Hirnzellen entgegentritt hat Gedächtnis. Unsere ganze höhere geistige
Thätigkeit ist nur die wechselnde Combination all' dieser in den Molekülen der Ganglien[zellen]
aufgespeicherten Einzelvorstellungen oder wenigstens in ihren Äusserungen an dieses Substrat
2
gebunden." Rabl-Rückhard geht soweit, den Grund für "einen abgerissenen Gedankenfaden" im
3
"mechanischen Abreissen" eines "Protoplasmafadens einer Gedächtniszelle" zu erblicken.
Der Leipziger Psychiater und Physiologe Paul Emil Flechsig (1847-1929) trägt in seiner
4
1894 gehaltenen Rede »Gehirn und Seele« vor : "Da mit Zerstörung insbesondere der geistigen
Zentren regelmäßig das Gedächtnis in grosser Ausdehnung leidet, so haben wir in ihnen
zweifellos einen grossen Theil der nervösen Elemente zu suchen, an welche die
Erinnerungsfähigkeit für Sinneseindrücke gebunden ist - und es würde sich nur fragen ob und
inwiefern wir mit unseren physikalischen und chemischen Hilfsmitteln hier direct irgend welche
Spuren früherer Sinneseindrücke nachweisen können. Dass die Gedächtnisspuren überhaupt
materieller Natur sind, geht schon aus der einfachen Thatsache hervor, dass chemische Agentien,
wie Alkohol u.a.m sie vorübergehend oder dauernd verschwinden machen, letzteres ausnahmslos
dann, wenn durch das Gift die Ganglienzellen und Nervenfasern der Rinde in grösseren Mengen
aufgelöst werden. Wir verlegen die Gedächtnisspuren hauptsächlich in die Ganglienzellen, weil
nur diese erfahrungsgemäß fähig sind, Reize aufzuspeichern, sich mit Spannkräften nach Art von
Reservestoffen zu laden, aber wir können es einer Zelle nicht ansehen, ob sie wirklich
Erinnerungsspuren birgt oder gar welcherlei Qualität dieselben sind, ob eine Zelle etwa Antheil
5
hat an der Vorstellung der Sonne oder eines Accords." Je komplexer die Vorstellung, so dachte
sich Flechsig, um so mehr gleichzeitig tätige Nervenzellen sind an ihrer Hervorrufung beteiligt.
Flechsig schränkt allerdings ein: "Wir sind schon deshalb noch unendlich weit von dem Zeitpunkt
entfernt, wo
1
Dazu Munk 1881a, S. 9
Rabl-Rückhard (1890): »Sind die Ganglienzellen amöboid beweglich? Eine Hypothese zur
Mechanik der psychischen Vorgängen« S. 200
3
Ibid.
4
Abgedruckt in Flechsig 1896, vgl. ebenso Flechsig (1897): »Grosshirn und Organ der Seele.«
5
Flechsig 1896, S. 27
2
151
die Psychologie die Vorstellungen etwa mit Rücksicht auf die Zahl der gleichzeitig in Thätigkeit
tretenden nervösen Elemente wird eintheilen können. Wir dürfen vermuthen, dass man dann
1
tausen-, hunderttausend, - ja millionenzellige Vorstellungen unterscheiden wird."
Die Auffassung, psychische Erreignisse als das Resultat komplizierter Wechselwirkungen der
Rindenzentren zu begreifen, impliziert als die histologische Grundlage, netzwerkartig organisierte
Nervenzellen und Nervenfasern. Jede Nervenzelle des Nervensystem ist mit jeder anderen
Nervenzelle des Nervensystems funktionell verbunden. Geistige Tätigkeit ist nur die wechselnde
Kombination all jener in den Nervenzellen ablauenden Einzelereignisse oder um es noch einmal
mit Meynert auszudrücken, die "resultierende Erscheinung unzählbarer Einzelleistungen" der
2
"Elementarwesen der Rinde." Am Ausgang des 19. Jahrhunderts ist das Neuron als das
Elementarwesen der Rinde ausgemacht. Betrachten wir denn im Folgenden den ersten
großangelegten Versuch, mit Hilfe aus Neuronen bestehender Netzwerke "psychische
Erscheinungen" zu beschreiben.
1
2
Ibid.
Meynert 1891, S. 174f
152
3.2 Ein erstes Neuronen-Netzwerk: Sigmund Exners (1846-1926) »Entwurf zur
einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen«
Die Netzwerkkonzeption ist, wie gezeigt, in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts längst
ausformuliert. Bereits in der Retikulumtheorie waren ja die Nervenzellen aufgefaßt worden als die
"Moderationseinrichtungen" im kontinuierlich verlaufenden Nervenfaserverbund, an denen
"Verstärkung", "Abschwächung" oder "Hemmung" der im Fasernetzwerk fortgeleiteten Erregung
1
geschehen könne. Mit seinem 1894 erschienenem »Entwurf zu physiologischen Erklärung der
2
psychischen Erscheinungen« entwarf der Wiener Physiologe Sigmund Exner (1846-1926) hierzu
nun ein neuronales Programm. Den Ausdruck Neuronen-Netzwerk oder neurales Netzwerk
verwendet Exner allerdings noch nicht, sondern er spricht von "Nervenbahnen", bestehend aus
"Nervenfasern, die durch Centren unterbrochen, vielfach netzwerkartige Verbindungen eingehen
3
[...]."
Im Zentrum der Exnerschen Konzeption standen, neben dem Begriff der Erregung,
gleichwertig die Begriffe Hemmung und Bahnung. Die letzteren Begriffe waren notwendig,
wollte man nicht nur die Physik der Nerven, sondern darüber hinaus, wie es Exner formulierte,
auch "die wichtigsten psychischen Erscheinungen auf die Abstufung von Erregungszuständen der
4
der
Tat
waren
in
der
Nerven und der Nervenzentren" zurückführen.In
Wahrnehmungspsychologie jener Jahre um 1890 ja die verschiedensten Problemstellungen zu
durchdenken, die ein Konzept der "abgestuften Erregungen" durchaus plausibel erscheinen
5
ließen: Inwieweit werden Vorstellungen, oder, um es in den Worten Exners auszudrücken, "zu
6
Vorstellungen geordnete Erregungen", als deutliches Bild aus der Summe aller zugleich
wahrgenommenen Umgebungselemente ausgefiltert und somit bewußt? Wie kommt es, daß zwei
ungleiche Gegenstände nicht mit derselben Aufmerksamkeit betrachtet werden können, bzw. bei
Schließen der Augen, nicht mit derselben Intensität vorstellbar sind? Warum wird, je lebhafter
eine Vorstellung ist, jedwede andere Vorstellung umsomehr unterdrückt? Warum gehen
Erinnerungsbilder verloren? Wollte man auf diese oder verwandte Fragestellungen in der Sprache
des Erregungskonzepts antworten und sich nicht darauf beschränken, eine Fähigkeit der Seele
anzunehmen, "sich zu koncentriren" oder "ihre Aufmerksamkeit zu verdichten", so mußte, um
nicht mit dem "zu Definierenden zu
1
Zur Geschichte des Begriffes Hemmung vgl. Smith 1992.
Exner 1894
3
Ibid., S. 225
4
Ibid., S. 3
5
Vgl. z.B. Flechsig 1896, 1897; Wernicke 1894, Wundt 1887, 1893, 1896.
6
Exner 1894, S. 273
2
153
1
definieren", ein Mechanismus innerhalb des Zentralnervensystems angenommen werden, der in
der Lage war, Leitung von Erregung zu hemmen. Nur unter der Annahme von Hemmung war es
möglich, von übersteigerter Erregung bei fehlender Hemmung zu sprechen oder von einem
völligen Wegfall von Erregung, und wichtig für Exner, von graduierten oder feinabgestuften
Erregungszuständen.
War von hemmenden und erregenden Nervenzellen etwa seit den 80er Jahren des 19.
2
Jahrhunderts die Rede, so kommt der Begriff der Bahnung bei Exner erstmals vor. "So wie eine
Erregung im Centralnervensysteme den Ablauf einer anderen Erregung schwächen oder gänzlich
hemmen kann", schreibt Exner, "so können auch Erregungen fördernd auf den Ablauf anderer
wirken, indem sie gleichsam die Bahn frei machen. Ich habe deshalb diese Erscheinung Bahnung
3
genannt." Das "Ausfahren der Bahnen", "die Erregung einer Strecke des Centralnervensystems",
schreibt Exner, hinterließe für kurze Zeit, wie auch für eine längere Dauer, eine "Erhöhung der
Erregbarkeit dieser Strecke." Die Intensität der Erregbarkeit einer jeden Nervenbahn, unterscheide
diese von einer jeden anderen, sie kommt deshalb einem Erinnerungsbild gleich. Vor diesem
Hintergrund erklärt sich auch Exners "Prinzip des Wiedererkennens". Ein Prinzip, welches besagt,
schreibt Exner, "dass das Bewußsein davon Kenntnis erhalten kann, ob ein gewisser
4
Erregungsprocess in der Rinde schon einmal da war oder nicht."
Erregungszustände, Erregungsleitung, ihre Hemmung und Bahnung, sind für Exner an
Neurone gekoppelte Mechanismen, die in neuralen Netzwerken psychische Erscheinungen
ausprägen. Die Verschaltungsgeometrie innerhalb des Netzwerkes und die Quantitäten der
Bahnungs-, Erregungs- und Hemmungszustände codiert jedes beliebige psychische Phänomen:
"Da wir nun an Nervenfasern und Nervencentren keine anderen Zustände als die der grösseren
oder geringeren Erregung und der grösseren oder geringeren Erregbarkeit, sowie die Thatsache
der Hemmung, Bahnung und Ladung kennen, so sind wir genöthigt, auf Grund dieser, die
5
Erklärung der [psychischen] Erscheinungen zu versuchen." Alle Erscheinungen der Qualitäten
und Quantitäten von bewussten Empfindungen, Wahrnehmungen und Vorstellungen lassen sich
zurückführen auf quantitativ variable Erregungen verschiedener Antheile von [Nerven]bahnen
6
[...]. "Ich betrachte es also als meine Aufgabe die wichtigsten psychischen Erscheinungen auf die
Abstufungen von Erregungszuständen der Nerven und Nervencentren, demanch alles, was uns im
Bewußsein als Mannigfaltigkeit erscheint, auf
1
Schleich (1894): »Schmerzlose Operationen«, zit. aus Schleich 1897, S. 84
Z.B. Bubnoff & Heidenhain 1881, Munk 1881b
3
Exner 1894, S. 76
4
Ibid., S. 241
5
Ibid., S. 225
6
Ibid., S. 225
2
154
quantitative Verhältnisse und auf die Verschiendenheit der centralen Verbindungen von sonst
1
wesentlich gleichartigen Nerven und Centren zurückzuführen [...]".
Auf dieser Basis entwickelte Exner komplexe neuronale Schemata zur Erklärung von Gefühlen,
Wahrnehmung und Vorstellung, bis hin zu den verschiedensten Erscheinungen der Intelligenz und
der Denkformen. Die folgende Erklärung von Empfindungen mag den Exnerschen Ansatz
verdeutlichen:
Exner geht davon aus, daß jedes sensorische Nervenende durch eine Nervenfaser in
leitender Verbindung mit den Nervenbahnen [Netzwerk aus Nervenzellen und Nervenfasern] der
2
Großhirnrinde, dem "Organ des Bewußtseins" steht. Jede sensorische Nervenfaser, wie auch
immer sie erregt wurde, bringt eine Teilempfindung (Exner spricht von einem
3
"Empfindungselement" ) in das Bewußtsein: "eine Empfindung, welche sich von jeder
4
Empfindung, die eine andere Nervenfaser zu liefern vermag, unterscheidet." Die Qualität der
Empfindung faßt Exner auf, als das Resultat der Erregungen verschiedener Bahnen der
Großhirnrinde. So sind "zwei Empfindungen [...] für das Bewußtsein gleich, wenn durch den
Sinnreiz dieselben Rindenbahnen in demselben Maasse in Erregung versetzt werden [...] zwei
Empfindungen sind ähnlich, wenn wenigstens ein Theil der in beiden Fällen erregten
5
Rindenbahnen identisch ist." Die Intensität der Empfindungen wird reguliert durch sogenannte
Summationszellen, die im Zentrum der Emfindung erregenden Netzwerke stehen. An den
Summationszellen wird die Intensität der in der Großhirnrinde stattfindenden Empfindung, durch
Summation der über die sensorischen Nervenfasern zugeführten Reize justiert, indem sie,
abhängig vom Ausmaß der Summation, ins "Organ des Bewußtseins" weitergeleitet wird.
Summation tritt nicht ein, "wenn die Intervalle der zu summierenden Reize zu gross sind",
umgekehrt ist das Resulat der Summation ein um so größeres, je rascher die Reizimpulse auf
6
einander folgen.
1
Ibid., S. 3
Ibid., S. 179 vgl. auch S. 228
3
Ibid., S. 173
4
Ibid., S. 172
5
Ibid., S. 225
6
Ibid., S. 192
2
155
Fig. 10 Schema eines Neuronen-Netzwerks nach Sigmund Exner (1846-1926) zur Erklärung der "optischen
Bewegungsempfindung" und der Bewegung der Augenmuskeln (hier M. rectus internus, superior, externus und
inferior). Exner (1894, S. 193f) erklärt: "Bewegt sich auf der Netzhaut ein Bild, das nacheinander die Punkte a, b, c,
u.s.w. [Eintrittsstellen der von den Netzhautelementen kommenden, sensorisch Fasern] erregt, so bekommt
[Summationszelle E] die in den kürzesten Intervallen aufeinanderfolgenden, somit stärksten Impulse" [Unter der
Annahme, die Zeitdauer, welche die Erregung braucht, um zu E zu gelangen, sei näherungsweise proportional der in
der Zeichnung angegebenen Entfernung]. "[Summationszelle Jt] erhält Impulse in den grössten Intervallen, ist also
am wenigsten erregt, [Summationszelle S] und [Summationszelle Jf] stehen in der Mitte. Es wird also die Erregung
von a3 stärker sein, als die der drei anderen a-Zellen, so dass in einem Centrum, dass wir das der
Augenmuskelgefühle nennen können, eine Erregung zu Stande kommt, welche in einer Beziehung zusammenfällt mit
der Erregung, die bei der willkürlichen Verfolgung eines Gegenstandes mit dem Blicke auftritt, wenn sich der
derselbe in einer Richtung bewegt, die der von a-c entspricht" [aus Exner 1894].
156
Am Ende dieses Abschnitts soll eines deutlich geworden sein: Die Überzeugung, daß die
wesentlichen Vorgänge im Nervensystem elektrische Erregungsprozesse sind und diese nur in der
Koppelung an Nervenzellen und Nervenfaser Sinn machen, daß sämtliche wie auch immer
geartete "Seelenleistungen" des Nervensystems auf die summierten Leistungen der zu Netzwerken
organisieren Nervenzellen, respektive Neurone rückzuführen sind, hat sich im letzten Drittel des
19. Jahrhunderts zum zentralen Denkstil erhärtet. Ausgesprochene Gegner dieser Anschauung gab
1
es kaum.
Fassen wir an dieser Stelle die Hauptaspekte der Neuronendoktrin zusammen, so wie sie Ramón y
Cajal später in seiner umfassenden Diskussion der Neuronenlehre »Neuronismo o
2
3
Reticularismo?« programmatisch formuliert:
1
Zu den wenigen, die sich schon vor der Neuronenlehre gegen die bedingungslose Akzeptanz der
Nervenzellhypothese einsetzten, gehörten der Gießener Physiologe Conrad Eckhard (1822-1905)
[Eckhard 1879: »Allgemeine Physiologie der Ganglienzelle«] und insbesondere der bereits im
Zusammenhang mit der Entdeckung des Neurons erwähnte Fridtjov Nansen. Nansen sah die
Nervenzellen nur als ernährende Apparate (vgl. Nansen, 1887, 1888) an. "Die wichtigste Funktion
der Ganglienzellen", heißt es bei Nansen, "ist eine nutritive, sie sind nämlich die nutritiven Centra
der Nervenfasern und Röhrchen (Fibrillen), die von den Nervenfortsätzen entspringen. Durch die
Ganglienzellen und ihre protoplasmatischen Ausläufer geht die assimilierte Nahrung weiter duch
die Nervenfortsätze in die Nervenfasern und Röhrchen hinaus." (1888, S. 167). Hingegen nahm
Nansen an, daß das Neuropil - Nansen spricht in Anlehnung an Franz v. Leydig (1857, 1885) von
der "Punktsubstanz" oder dem "zentralen Fibrillenflechtwerk" - "von größter, direkter Bedeutung
für die Nerventhätigkeit ist. Es ist wahrscheinlich der eigentliche Hauptsitz der Seele, und
Selbstbewußtsein, Intellekt etc. sind vielleicht zum wesentlichsten Teil daran geknüpft." (Ibid.,
1888 S. 167) Albrecht Bethe, ebenfalls ein Kritiker der Nervenzellhypothese, urteilt später über
die These Nansens so: "Nansens Ansicht kann nur als eine Hypothese aufgefaßt werden, die
allerdings der alten Hypothese mit ihren ebenfalls rein morphologischen Grundlagen gleichwertig
erachtet werden muß. Geschehen ist dies allerdings von keiner Seite, dazu war die
Ganglienzellhypothese schon viel zu fest verwurzelt, und so wurde Nansens Kritik mit Entrüstung
als ganz unberechtigt und mit 'feststehenden Thatsachen' kollidierend bei Seite gelegt." (Bethe
1904a, S. 205). Eine ausführliche Darstellung der Hypothese Nansens findet sich bei Shepherd
1991, S. 117ff. Weitere zeitgenössische Positionen zur "Punktsubstanz" finden sich bei Haller
1887, sowie bei Rhode 1895.
2
Ramón y Cajal 1933, dtsch. Übers. Ramón y Cajal (1935): »Die Neuronenlehre.«
3
Es verstand sich ja von selbst, daß all jene Forscher, welche die Existenz des Neurons im
Waldeyerschen Sinne anerkannten, die Überlegungen der Gegener der Neuronenlehre ablehnten
und bekämpften. An erster Stelle, und am einflußreichsten, stand Ramón y Cajal, der sich durch
die Gegner der Neuronenlehre nicht beiirren ließ und sich für die strengste Formulierung der
Neuronenlehre und die Kontakttheorie als deren wesentliches Element einsetzte. In seiner
berühmten Nobelpreisrede »Les structures et les connexions des cellules nerveux« (Ramón y
Cajal 1906) trug Ramón y Cajal noch einmal seine bereits in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts
formulierten Überzeugungen vor, daß Neurone nicht in Verbindung treten und alle nervösen
Elemente frei enden. Contiguité et non de continuité, war das der zellulären Architektur des
Nervösen zu Grunde liegende Bauprinzip. Direkte Übergänge von Zellfortsätzen in andere Zellen,
157
(1) Das Neuron ist eine anatomische Einheit: "Jede Nervenzelle ist ein von den benachbarten
Zellen unabhängiges Gebiet, woraus folgt, daß die neuronalen Verbindungen mittelbar, d. h.
durch Kontakt erfolgen. Es gibt also weder Anastomosen noch irgendwelche substantiellen
1
Verschmelzungen."
(2) Das Neuron ist eine funktionelle Einheit: "Das Neuron stellt auch eine physiologische
Individualität dar, oder anders ausgedrückt, die Nervenzellen besitzen die geringste Menge von
der Nervensubstanz, die eine spezifische nervöse Erregung hervorzurufen und fortzupflanzen
vermag. Nichtneuronale Bestandteile sind weder der Reizbarkeit noch der Weiterleitung einer
2
nervösen Erregung fähig."
(3) Die nervöse Erregung ist polarisiert: "d.h. eine entweder im Zentrum entstehende oder von der
Peripherie ankommenden Erregung pflanzt sich, sowohl bei den Wirbeltieren wie auch bei den
3
Wirbellosen von den Dendriten gegen das Axon zu fort [...]."
Mit diesen markanten Grundsätzen war an der Schwelle zum 20. Jahrhundert der Denkstil
Neuronen-Doktrin voll entwickelt. Das weitere Programm neurobiologischer Forschung war
vorgegeben. Die charakteristischen Funktionskonzepte, so wie wir sie heute kennen, leiten sich
sämtlich aus diesen Vorgaben ab. Das Konzept der Erregungsübertragung an Synapsen, sowie die
Vorstellung impuls-genierender und impuls-leitender Neurone, nehmen hierbei eine
Schlüsselbedeutung ein. Die Entwicklung der Neurobiologie im 20. Jahrhundert wird im
folgenden Abschnitt an Hand jener Grundpositionen der Neuronendoktrin fest gemacht.
Naheliegend kann auch dies hier nur skizzenhaft geschehen.
eine Kontinuität des Zellplasmas oder der Neurofibrillen, lehnte Ramón y Cajal ab.
1
Ramón y Cajal 1935, S. 936f
2
Ibid.
3
Ibid.
158
IV. Der Höhepunkt der Neuronen-Doktrin: Das Neuron als Signaling Unit und
informationsverarbeitendes Neuronen-Netzwerk. Skizze der Entwicklung im
20. Jahrhundert
Die Entwicklung der Neurobiologie im 20. Jahrhundert zeigt sich geradezu spektakulär in ihrer
methodischen Vielfalt und der phantastischen Fülle an neu hinzugewonnenem Faktenmaterial
über Neurone. Zunehmend scheinen all jene Fragen beantwortbar, die am Ausgang des 19.
Jahrhunderts, bei der Beschreibung des Nervensystems als ein Netzwerk kommunizierender
Neurone, offen geblieben waren. Wie sieht die Kontaktstelle zwischen den neuronalen Fortsätzen
im Netzwerk aus? Welcher Art (chemisch oder elektrisch) ist die Erregungsübertragung an diesen
Kontaktstellen und wie funktioniert sie? Wie sind die biophysikalischen Prozesse der elektrischen
Aktivitäten der Neurone und der Erregungsleitung entlang der Nervenzellfortsätze zu
beschreiben? So kontrovers derartige Fragestellung auch diskutiert wurden, so heftig die
verschiedenen anatomischen und funktionellen Aspekte der Neuronendoktrin von einzelnen
Forschern immer wieder in Frage gestellt wurden, im Laufe des 20. Jahrhunderts erfährt der
Denkstil Neuronen-Doktrin seine Verfestigung, hin zu jener apodiktischen Auffassung von
1
Nervensystemen, wie sie heute der neurobiologischen Lehrbuchliteratur zu entnehmen ist.
1
Die wohl bekannteste Debatte um das Neuron betrifft seine Definition als anatomische Einheit,
eine Auseinandersetzung die aufflammte, kaum daß Waldeyer den Term Neuron aus der Taufe
gehoben hatte. (z.B. Andreoli 1961, Bárány 1923, Breidbach 1993, Clarke & O'Malley 1968,
Held 1929, Hoche 1899, Nissl 1903, Nonindez 1944, Ramón y Cajal 1935, Reiser 1959, Scharf
1960, Schenck 1902, Shepherd 1992, Spatz 1952, Verworn 1900). Mit Hilfe spezieller
Färbemethoden war es gelungen, im Axon und Soma der Neurone Neurofibrillen anzufärben, jene
fadenartigen, zu parallelen Bündeln bzw. Netzmustern angeordneten Proteinstrukturen im
Cytoplasma des Neurons. Der ungarische Histologe Stephan von Apáthy (1863-1923) und mit
besonderem Nachdruck der Straßburger Physiologe Albrecht Bethe (1872-1955) und der
Histologe Hans Held (1866-1942), vertraten gegen die Neuronen-Doktrin die Ansicht, daß das
Nervensystem ein Syncytium darstelle, in welchem alle Neurone durch die Neurofibrillen
verbunden seien. Die Neurofibrillen sollten die eigentlichen reizleitenden Strukturen im
Nervensystem sein. [Apathy (1897): »Das leitende Element des Nervensystems«, (1898): »Über
Neurofibrillen«, (1908a): »Bemerkungen zu den Ergebnissen Ramón y Cajals«, Bethe (1898a):
»Die anatomischen Elemente des Nervensystems«, (1898b): »Über die Primitivfibrillen«,
(1900a): »Über die Neurofibrillen«, (1903): »Allgemeine Anatomie und Physiologie«, (1904b):
»Der heutige Stand der Neurontheorie«, (1910): »Die Beweise für die leitende Funktion der
Neurofibrillen«, Held (1905a): »Zur Kenntnis einer neurofibrillären Kontinuität«, (1929): »Die
Lehre von den Neuronen«]. Das nervöse Grau des Heidelberger Neuropathologen Franz Nissl
(1860-1919) beschreibt eine weitere Gegenposition zur Neuronenlehre. [Nissl (1898):
»Nervenzelle und graue Substanz«, (1903): »Die Neuronenlehre und ihre Anhänger«, zur
Konzeption Nissls vgl. Arnold 1942, Spatz 1929]. Nissl ging davon aus, daß alle bisher bekannten
Elemente in der Hirnrinde, die Nerven- und Gliazellen, die Blutgefäße, die Nerven und Gliafasern
nicht ausreichten, den ganzen eingenommenen Raum vollends auszufüllen. Zur Lösung des
Problems greift Nissl die Vorstellungen der älteren Histologen von einer körnig-fädigen
159
1. Das Neuron als funktionelle Einheit: Vom Nervenimpuls zum Neural Coding
1.1 Das Alles-oder-Nichts Gesetz
Der englische Physiologe und spätere Nobelpreisträger (1932) Charles Scott Sherrington (18611952) schrieb 1906 in seinem berühmten Buch »The Integrative Action of the Nervous System«:
" [...] nerve cells present a feature so characteristically developed in them as to be specially
theirs. They have in exceptional measure the power to spatially transmit (conduct) states of
excitement (nerve impulses) generated within them. Since this seems the eminent functional
feature of nerve cells wherever they exist, its intimate nature is a problem coextensive with the
existence of nerve-cells, and enters into every question regarding the specific reactions of the
1
nervous system." So offensichtlich es für Sherrington und die Mehrzahl seiner Zeitgenossen auf
der Hand lag, die Funktionsweise des Nervensystems über neuronale Erregungsereignisse zu
beschreiben und die Neurone als die zellulären Funktionseinheiten des Nervensystems
aufzufassen, so wenig war es den Neurophysiologen möglich, neuronale Einzeltätigkeit und die
verschiedenen Zustände neuronaler Erregung experimentell zu fassen. Noch immer war das
Studium der Auslösung und Fortleitung von Nervenimpulsen allein auf die Nervenfaser und deren
Reizung begrenzt. Die mit diesen Studien rasch forschreitende Entwicklung neuer Meßtechniken,
gekoppelt an die Konstruktion neuer elektrotechnischer Apparate, ebneten jedoch den Weg zur
2
Beschreibung feuernder Einzel-Neurone. Zunächst wurde die elektrophysiologische
Untersuchung der Nervenfaser durch die Nutzung eines überaus erfolgreichen
3
Untersuchungsobjektes, des Riesenaxons von Tintenfischen , erheblich vereinfacht. An den bis zu
1mm Durchmesser messenden
Grundsubstanz auf, die zwischen den Zell- und Faserelementen der Großhirnrinde eingeschoben
sein sollte. Nissl nimmt eine extrazelluläre, morphologisch nicht näher bestimmte "graue
Substanz im Sinne eines eigenartigen histologischen Bestandtheiles des nervösen Gewebes" an.
(Nissl 1898, S. 1025).
1
Sherrington 1906, zit. aus Reprint 1961, S. 2
2
Zur Registrierung und Messung der während einer Nervenerregung erzeugten seriellen
Aktionspotentiale waren vor allem schnell registrierende Meßgeräte notwendig.
Amplitudenbestimmung und trägheitslose Erfassung rascher Potential- bzw. Stromänderungen
waren mit den alten Galvanometern oder dem Lippmannschen Kappillarelektrometer nicht
möglich. (Florey 1992 S. 364f)
3
Meines Wissens fand das Riesenaxon erstmals Verwendung bei Young (1939): »Fused
neurones and synaptic contacts in the giant nerve fibres of cephalopodes.«
160
Riesenaxonen gelang es erstmals, mittels einer vom Querschnitt ins Innere der Faser
1
eingeschobenen Elektrode, Ruhe- und Aktionspotential einer Nervenfaser direkt zu messen .
Überraschender Weise depolarisierte das Ruhepotential infolge einer Reizung, also während der
Erregung, nicht zu Null, wie dies bislang nach der Bernsteinschen Membrantheorie angenommen
werden musste, sondern es zeigte sich ein overshoot, eine Ladungsumkehr an der erregten
Membran. Daß es sich bei der Entstehung des Aktionspotentials um das Ergebnis einer kurzzeitig
erhöhten Ionendurchlässigkeit für Natrium- und Kaliumionen handelt, zählt zu den großen
2
Entdeckungen der Neurophysiologie dieses Jahrhunderts.
Entscheidend für die weitere Charakterisierung des Neurons als Funktionseinheit, war jedoch
weniger die Erforschung jener der nervösen Impulsentstehung zu grunde liegenden
Ionenverschiebungen, denn die Feststellung, daß die Mehrzahl der Neurone einem
vereinheitlichenden Funktionsgesetz folgen, dem wohl berühmtesten Gesetz der Neurobiologie,
dem Alles-oder-Nichts Gesetz. Dieses Gesetz besagt in allgemeiner Form, "daß die nervöse
Zustandsänderung auf einen Reiz entweder ganz oder gar nicht eintritt, daß sich also ein
quantenhafter Vorgang abspielt, der bei Vorliegen verschiedener Elemente mit unterschiedlicher
3
Reizschwelle zwar abstufbar ist, aber immer nur in festgelegten
1
Cole & Curtis (1939): »Electric impedance of the squid giant axon during activity«, (1941):
»Membrane potential of the squid axon during current flow«, Curtis & Cole (1940): »Membrane
action potentials from the squid giant axon«, Hodgkin & Huxley (1939): »Action potentials
recorded from inside a nerve fibre«, (1945): »Resting and action potential in single nerve fibres«.
2
Hodgkin (1947): »The effect of potassium on the surface membrane of an isolated axon«,
(1951): »The ionic basis of electrical activity in nerve and muscle«, Hodgkin & Huxley (1952a):
»Currents carried by sodium and potassium ions«, (1952b): »Components of membrane
conductance«, (1952c): »A quantitative description of membrane current«, Hodgkin & Katz
(1949a): »The effect of sodium ions on the electrical activity«, (1949b): »Ionic Currents
underlying activity in the giant axon«, Hodgkin & Keynes (1953): »The mobility and diffusion
coefficient of potassium«, (1955a): »Active transport of cations«, (1955b): »Potassium
permeablity of a giant nerve fibre«, Huxley & Katz (1949): »Ionic currents underlaying activity in
the giant axon of the squid«. (Eine Zusammenfassung der Ereignisse findet sich bei Brazier 1969
S. 397ff). Die Interpretation all dieser Ergebnisse brachte schließlich eine neue Theorie auf den
Weg, zur Erklärung des Ruhepotentials und der Entstehung des Aktionspotentials; eine Theorie,
welche im Kern die Existenz spannungsabhängiger Ionenkanäle fordert, genauer gesagt, die
Existenz kleinster, ionenspezifischer Proteinporen in der Zellmembran, deren Öffnungszustand in
Abhängigkeit vom Membranpotential steht.
3
Der Begriff der Reizschwelle ist mit dem "Alles-oder-Nichts Gesetz" eng verknüpft. Das
Konzept der Reizschwelle besagt schlicht folgendes: Liegt ein Reiz unter der Reizschwelle,
ereignet sich gewissermaßen "nichts", ist er dagegen überschwellig, ereignet sich "alles". Die
Untersuchung der Reizschwelle führte zu einer gewissen Einschränkung des "Alles-oder-Nichts
Gesetzes". Denn selbst wenn der Reiz kein Aktionspotential auslöst, so hinterläßt er doch eine
nachweisbare Zustandsänderung, eine unterschwellige lokale Erregung (Stämpfli 1952), eine
lokal begrenzte Depolarisation, die im Unterschied zum Aktionspotential nicht fortgeleitet wird.
Die unterschwellige lokale Antwort entspricht gewissermaßen dem "Nichts" des "Alles-oder-
161
1
Quanten einzelner Alles-oder-Nichts Antworten".
2
Das Alles-oder-Nichts Gesetz wurde bereits 1871 am Herzen beschrieben, und zunächst
schien es auch so, als ob dieses Gesetz denn auch nur für das Herz als Besonderheit gelte. Erst
nach 1910 wurde nach und nach der Beweis erbracht, daß die Erregungsleitung an der
Nervenfasern und letzlich, nachdem man technisch dazu in der Lage war, auch die fortgeleitete
3
Membranpotentialänderung dem Alles-oder-Nichts Gesetz folgt. Die Nutzung des
Kathodenstrahl-Oszilloskops, die Entwicklung des Kathodenfolger-Gleichstromverstärkers in den
20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts, und die Erfindung von Gleichspannungs-Verstärkern
4
mit sehr hohem Eingangswiderstand Ende der vierziger Jahre, brachte dann endlich den
methodischen Durchbruch, hin zur Darstellung des Alles-oder-Nichts Impulses an der Einzelzelle
im Zentralnervensystem. Der Berner Neurophysiologe Alexander Muralt (geb. 1903) blickt 1958
auf diese Entwicklung zurück: "Der Elektronik, in Verbindung mit einer hochentwickelten
Mikrotechnik, verdankt die Neurophysiologie ihre bedeutendsten Fortschritte, gelingt es doch seit
den 30er Jahren dieses Jahrhunderts, das, was wir Erregung, Leitung, Bahnung und Hemmung
nennen, an einzelnen nervösen Elementen nicht nur exakt elektrisch abzuleiten, sondern auch zu
registrieren und auf dem fluorescierenden Schirm des Kathodenstrahl-Oscillographen dem Auge
sichtbar und durch die Photographie dauernd reproduzierbar zu machen. Ja es ist sogar möglich
mit Lautsprechern diese Vorgänge einem großen Auditorium hörbar vorzuführen. Die
elektronische Technik spielt in keinem Gebiet der Biologie eine so entscheidende Rolle wie gerade
in der Neurophysiologie, wo sie eigentliche Plattform ist, von der aus die wissenschaftliche
Forschung erfolgreich ins Unbekannte vorstoßen kann. An die Stelle des beobachtenden Auges
5
tritt heute das messende elektronische Gerät."
Nichts Gesetzes." Das "Alles-oder-Nichts Gesetz" gilt somit uneingeschränkt nur für die
Fortleitung von Erregung.
1
Muralt (1958): »Die Grundlagen der Entwicklung der Neurophysiologie« S. 7
2
Bowditch (1871): »Über die Eigenthümlichkeiten der Reizbarkeit, welche die Muskelfasern des
Herzens zeigen.«
3
Adrian (1914): »The all-or-none impulse«, (1928): »The Basis of sensation«, Adrian &
Zottermann (1926): »The impulses produced by sensory nerve endings«, Symes & Veley (1911):
»The effect of some local anaesthetics on nerve«.
4
Florey 1992, S. 364f. u. S. 369
5
Mural 1958, S. 5
162
Fig. 11 "Dem Auge zugänglich gemachte elektrische Erregungen". Oszillographische Darstellungen mit Hilfe von
Glaselektroden, intrazellular abgeleiteter Aktionspotentiale an Nervenfasern (oben, a-d) und Muskelfasern (unten, ae) des Flußkrebes (Astacus fluviatilis) [aus Furshpan & Potter 1959]. "Der wissenschaftliche Apparat lenkt das
Denken auf die Gleise des Denkstils der Wissenschaft ..., er erzeugt die Bereitschaft, bestimmte Gestalten zu sehen,
wobei der die Möglichkeit, andere zu sehen beseitigt" (Fleck 1947 [1983a], S. 164).
163
In der Tat war es mit Hilfe der neuen Apparaturen nunmehr möglich, dünnste Glaselektroden zu
1
nutzen , elektrische Sonden, deren Größenordnungen von etwa 0.5 um Durchmesser es möglich
machten, Nerven- und Muskelfasern, bis hin zu einzelnen Neuronen, wie etwa die Motoneurone
im Rückenmark oder die Pyramidenzellen in der Großhirnrinde, regelrecht abzutasten und so der
2
Analyse ihrer elektrischen Eigenschaften zugänglich zu machen. Eine Fülle von Untersuchungen,
insbesondere vorangetrieben durch die Schule des berühmten Sherrington Schülers John Carew
Eccles (*1903), deren Ergebnisse bis heute Thema der einführenden Kapitel in der
3
Lehrbuchliteratur der Neurobiologie sind, rückt von nun an das feuernde Neuron in den
Mittelpunkt der experimentellen Betrachtung, eine Konzeption die letztlich nicht das Neuron,
sondern den fortleitbaren, nadelförmigen Alles-oder-Nichts Impuls als die hervorragende
4
Funktionseinheit des Nervensystems auffasste.
1
Bei diesen neuartigen Mikroelektroden, die im Prinzip bis zum heutigen Tage Verwendung
finden, handelte es sich um mit Salzlösung gefüllte, zu feinsten Spitzen ausgezogene
Glaskapillaren. Die zuvor verwendeten Elektroden bestanden aus Platin, Silber, Stahl oder aus mit
Salzlösung getränktem Ton. (Florey 1992, S. 365). Technische Details zur Anwendung der
Glasmikroelektroden finden sich bei Eccles (1957): »The Physiology of Nerve Cells« S. 7ff,
sowie bei Grundfest (1955): »Instrument requirements and specifications in bioelectric
recording«.
2
Vgl. z.B. Araki et al. (1953): »The electrical activities of single motoneurons«, Brock et al.
(1952): »The recording of potentials from motoneurones«, Eccles (1955): »Intracellular potentials
recorded from a mammalian sympathetic ganglion«, Graham & Gerard (1946): »Membrane
potentials an excitation of impaled muscle fibres«, Grundfest (1955): »Instrument requirements
and specifications in biolelectric recording«, Ling & Gerard (1949): »The normal membrane
potential of frog sartorius fibres«, Phillips (1956): »Intracellular records from Betz cells in the
cat«, Woodbury & Patton (1952): »Electrical activity of single spinal cord elements«.
3
Eine Zusammenfasung der wichtigsten Ergebnisse findet sich bei Eccles (1953): »The
Neurophysiological Basis of Mind«, (1957): »The Physiology of Nerve Cells.«
4
Vgl. hierzu Bishop (1956): »Natural history of the nerve Impuls«, Bullock (1959): »Neuron
doctrine and electrophysiology.«
164
1.2 Der Nervenimpuls als Signal und die Frequenzcodierung.
Die Vorstellung von in das Nervensystem eingehenden und das Nervensystem verlassenden
Nachrichten ist eine Idee, die schon im 19. Jahrhundert Verbreitung gefunden hatte, z.B. im
metaphorischen Vergleich von Nervensystemen mit telegraphischen Anlagen. Ernst Haeckel
schrieb schon in seinem Aufsatz »Zellen und Zellenseelen« vom Gehirn und Nervensystem als
einem elektrischen Telegraphenapparat: "Sobald von den Sinnesnerven (den zentripetalen
Telegraphendrähten) ein Telegramm über irgendeine Veränderung in der umgebenden Außenwelt
[..] eingetroffen ist, wird dieser Bericht als Empfindung von der zunächst erregten Hirnzelle den
übrigen mitgeteilt [...] das Resultat [..] wird als Wille durch die Muskelnerven an die Muskeln
1
telegrahpiert." Im 20. Jahrhundert, beginnend mit Sherringtons Unterscheidung
hochspezialisierter sensorischer Neurone in Exterorezeptoren und Interorezeptoren, konnte die
Idee der Nachrichtenübertragung ins Nervensystem in ein biologisches Konzept umgemünzt und
2
mit der Neuronen-Doktrin abgeglichen werden. In den 20er Jahren konnte gezeigt werden, daß
angebotene Reize nicht nur Nervenimpulse an den sensorischen Neuronen auslösen, sondern
3
darüber hinaus, daß die Intensität des Reizes in eine Impulsfrequenz transformiert wird. Die
Frage welcher Natur die nervöse Nachricht sei und wie sie ins Gehirn übermittelt würde, war
nunmehr leicht zu beantworten: Das Aktionspotential ist das Umweltereignisse vermittelnde
Signal der Nervenleitung. Die Impulsfrequenz ist der die Umweltnachrichten verschlüsselnde
stimulus code. Um das neue Konzept des sensory coding möglichst zusammenfassend deutlich zu
machen, sei der Einfachheit halber eine Textpassage zitiert, die in den 50er Jahren dieses
Jahrhunderts verfaßt wurde: "Allein die aus dem Rückenmark in die Peripherie austretenden
sogenannten efferenten Fasern, und die dem Rückenmark zulaufenden afferenten Fasern machen
zusammen mehr als 1.2 Millionen aus. Ebenso viele verschiedene Einzelnachrichten erreichen
und verlassen ständig unser zentrales Nervensystem, und es erscheint erstaunlich, wie wenig wir
von diesem riesigen Geschehen im Nachrichtennetz unseres Körpers, das mindestens so verzweigt
ist wie das gesamte Telephonnetz der Schweiz, bewußt wahrnehmen. Damit entsteht die wichtige
Frage: was ist eine nervöse Nachricht, und wie wird sie übermittelt? Das Element jeder Nachricht
ist das Signal [..und..] telegraphisch werden Nachrichten mit
1
Haeckel 1878, S. 172f
Sherrington 1906. Exterorezeptoren sollten auf Reize der Außenwelt ansprechen und zur
Orientierung in der Umwelt dienen, Interorezeptoren hingegen, sollten die inneren Zustände des
Organismus, wie den Spannungszustand des motorischen Apparates, die Füllung der Lungen, die
Dehnung der Blutgefäße etc. ans Gehirn vermitteln. (Vgl. Sherrington 1906, Reprint 1961, S.
316ff)
3
Adrian (1928): »The Basis of sensation«, Granit (1955): »Receptors and sensory perception«,
Muralt (1946): »Die Signalübermittlung im Nerven.«
2
165
Morsezeichen "Punkt" oder "Strich" übermittelt. Wesentlich in der Nachrichtenübermittlung ist
immer die Entsendung eines oder mehrerer Signale, verbunden mit der "Verabredung" zwischen
Aufgeber und Empfänger, d.h. der Kenntnis dessen, was bestimmte Folgen von Signalen zu
bedeuten haben. Beim Aufgeber erfolgt zuerst die Verschlüsselung oder Chiffrierung, d.h. die
Umformung der Nachricht in die Signalsprache, dann die Übermittlung und beim Empfänger die
Entzifferung oder Dechiffrierung. Wie ist die Nachrichtenübermittlung im Nervensystem? Im
Nervensystem wird die Chiffrierung von den nervösen Receptoren besorgt. Sie wandeln, je nach
ihrer besonderen Aufgabe, Licht, Schall, Wärme, Kälte, chemische Reize, Druck und Zug u.s.w in
ein der Intensität des Reizes angepaßtes Generatorpotential um (Transformation in ein
1
bioelektrisches Potential). Das Generatorpotential erzeugt einzelne Erregungsimpulse, die über
die Leitungsbahnen fortlaufend das "Signal" der nervösen Nachrichtenübermittlung sind
(Transformation der Nachrichten in eine Signalfolge). Die Häufigkeit oder Frequenz dieser
Signale ist der Intensität des Reizes bzw. der Größe des Generatorpotentials angepaßt, es findet
also eine Transformation der Intensität des Reizes in "Signalfrequenz" statt. [...] . Erstaunlicher
weise bedient sich das Nervensystem für seine gesamte Nachrichtenübermittlung, soweit wir es
heute wissen, nur eines einzigen Signals. Dieses wichtige Signal ist der Erregungsimpuls oder die
einzelne Erregungswelle, elektronisch leicht als Aktionspotential meßbar, das je nach der
besonderen Art der Nervenfaser mit Geschwindigkeiten von 0.1 m/sec bis 160 m/sec fortgeleitet
2
wird und während des "Laufes" auf den Nervenfasern eine Ausbreitung von einigen cm hat."
Das hier von Alexander Muralt geschilderte Konzept der Umwandlung von Umweltreizen in
einen Impulscode an der sensorischen Nervenfaser wurde in der Biologie der Wahrnehmung
1
Der Begriff Generatorpotential wird heute noch verwendet. Alle Rezeptoren zeigen bei Reizung
eine Änderung des Membranstromes, eine Schwankung des Membranpotentials, welche nicht
unmittelbar zur Impulsbildung führt. Man nennt diese abgestufte elektrische Antwort des
Rezeptors auf einen Reiz Generatorpotential oder Rezeptorpotential. Erreicht das
Generatorpotential eine kritische Schwelle, so wird ein Nervenimpuls, oder, falls die Schwelle
überschritten wird, eine mehr oder weniger lang andauernde Folge von Impulsen erzeugt. Größe
und Dauer des Generatorpotentials bestimmen die Frequenz und die Dauer des fortgeleiteten
"Trommelfeuers von Nervenimpulsen" (Muralt 1958, S. 18). Pionierarbeiten zur Konzeption des
Generatorpotentials finden sich bei Granit (1955): »Receptors and sensory perception«, Gray &
Sato (1953): »Properties of the receptor potential«, Hartline et al. (1952): »The peripheral origin
of nervous activity«, Katz (1950): »Depolarization of sensory terminals and the initiation of
impulses«, (1952): »Different forms of signalling employed by the nervous system«, Kuffler &
Eyzaguirre (1955): »Process of excitation in the dendrites and in the soma of single isolated
sensory nerve cells.«
2
Muralt 1958, S. 6f. vgl. auch Muralt (1946): »Die Signalübermittlung im Nerven«, (1948):
»Alte und neue Tatsachen und Theorien der Nervenleitung.«
166
rasch zu einer der tragenden Säulen zur Beschreibung sensorischer Systeme. Das Gehirn erfährt
demnach den Zustand der auf die Sinnesorgane einwirkenden Welt über einen Impulscode, gleich
welcher Teilausschnitt der Welt die nervösen Rezeptoren reizt. Im Zuge der aufkommenden
Informationstheorie, initiiert durch die Mathematiker Claude E. Shannon (geb. 1916) und Norbert
Wiener (1894-1964) in den 50er Jahren, wurde der noch von Muralt verwendete Begriff der
Nachricht mehr und mehr durch den Begriff der Information ersetzt. Basierend auf dem
1
signaltechnischen Informationsbegriff Shannons wird das Nervensystem zu einem
informationsübertragenden und informationverarbeitenden System. Demzufolge stellen
Umweltreize die Informationsquelle dar, die Sinnesrezeptoren und Nervenfasern sind die
Informationssender und Informationsüberträger, die zentralen Neurone sind die
Informationsempfänger. Im Gehirn wird gewissermaßen decordiert, und es wird Information
verarbeitet. Der Alles-oder-Nichts Impuls und die Nervenimpulsfrequenz sind die universellen
Informationsträger. Wie eingangs erwähnt, prägt die Informationstheorie den Sprachgebrauch der
Neurobiologie bis heute, wenngleich von einer einheitlichen Verwendung des
Informationsbegriffes nicht die Rede sein kann. In der Lehrbuchliteratur wird er sowohl
informationstechnisch als auch alltagssprachlich verwendet, zumeist ohne vorherige Klärung. Die
Grenze zwischen Syntax und Semantik, zwischen dem was unter codierenden Zeichen einerseits
und unter der Konstitution von Bedeutung andererseits zu verstehen ist, gerät dabei ins fließen. In
diesem Sinne läßt sich denn die zitierte Textpassage Muralts aus dem Jahre 1958, die mit der ins
Gehirn übetragenenen Nachricht endet, ergänzen mit einer Passage aus einem Lehrbuch von
1993: " [...]. Der Reiz ist nunmehr in einen Frequenzcode umgewandelt, die Impulse sind auf dem
Weg zum ZNS. Dort durchläuft die Information in der Regel mehrere Stationen, in denen sich
2
Gelegenheit zur Signalverarbeitung und Verknüpfung mit anderweitigen Informationen bietet."
Die Aufklärung der histologischen und funktionellen Grundlagen jener "Signalverarbeitung und
Verknüpfung von Informationen", wie sie der Autor hier anspricht, soll Inhalt des folgenden
Abschnitts sein.
1
Shannon (1948): »A mathematical Theory of Communication«, Shannon & Weaver (1948):
»Information Theory«, (1949): »Mathematical Theory of Communication.«
2
Shepherd 1993, S. 184
167
2. Das Neuron als anatomische Einheit: Das Synapsenkonzept
2.1 Morphologie der Synapse
Die wohl erste moderne Beschreibung jener knopfartigen Anschwellungen an den
Axonendigungen, die Neurobiologen heute als synaptic boutons oder synaptic terminals
1
bezeichnen , stammt von dem Leipziger Histologen Hans Held (1866-1942). In einer
Untersuchung aus dem Jahre 1897, die den Titel »Beiträge zur Struktur der Nervenzellen und
2
ihrer Fortsätze« trägt , beschrieb Held erstmals Axone, die über "Nervenendfüßchen" mit den
Dendriten oder dem Soma eines benachbarten Neurons im Kontakt stehen. Noch im selben Jahr
3
prägte Sherrington für jene Kontaktzone den Begriff Synapse. Im Unterschied zu Held, einem
scharfen Gegener der Neuronenlehre und Anhänger der Auffassung, daß aus den
4
Axonendigungen austretende Neurofibrillen ein Kontinuum der Neurone herstellten, denkt
Sherrington mit dem Begriff Synapse an eine "surface of separation", an physikalisch getrennte,
sich aber berührende Oberflächen. Sherrington schrieb: "So far as our present knowledge goes, we
are led to think that the tip of a twig of the arborescence is not continuous with but merely in
contact with the substance of the dendrite or cell body on which it impinges. Such a special
5
connection of one nerve cell with another might be called synapse." In den Sherrington's
Überlegungen nachfolgenden Jahren wurden die terminalen Endknöpchen der Axone von
mehreren Autoren, u.a. von Ramón y Cajal (boutons terminaux) beschrieben und die
morphologische Struktur und quantitative Verteilung der Endknöpfchen im Nervensystem
6
eingehend studiert. Über die tatsächliche Detailstruktur jener engen Kontaktzone zwischen
Heldschen Endknöpfchen und benachbarten Strukturen konnte die
1
Vgl. z.B. Shepherd 1991, S. 226
Held 1897, vgl. hierzu auch Held (1904): »Zur weiteren Kenntnis der Nervenendfüßchen und
zur Struktur der Sehzellen«.
3
Sherrington, »The Central Nervous System«, in Foster (1897): »A Text-Book of Physiology.
Part III«.
4
Held (1905a): »Zur Kenntnis einer neurofibrillären Kontinuität«, (1909b): »Die Entwicklung
des Nervengewebes«, (1929): »Die Lehre von den Neuronen und vom Neurencytium.«
5
Sherrington 1897, zit. aus Shepherd 1992, S. 226
6
Auerbach (1898): »Nervenendigungen in den Centralorganen«, Barr (1939): »Some
observations on the morphology of the synapse«, Bartelmez & Hoerr (1933): »The vestubular
club endings in Ameiurus«, Bodian (1937): »The structure of the vertebrate synapse«, (1940):
»Further notes on the vertebrate synapse«, Holmgren (1905): »Über die sogenannten
Nervenendfüße nach Held«, Ramón y Cajal (1903): »Un sencillo método de coloración selectiva
del reticulo protoplásmico«, Windle & Clarke (1928): »Observations on the histology of the
synapse«, Wolff (1905): »Zur Kenntnis der Heldschen Nervenendfüsse.«
2
168
Lichtmikroskopie allerdings nur wenig Aufschluß bringen. Bezeichnenderweise rückte die
Synapse denn auch ins Zentrum der Frage nach der anatomischen Einheit des Neurons. Bestand
anatomische Kontinuität oder nur eine Beziehung der Berührung zwischen Endknöpfchen und
1
benachbarten Zellstrukturen. Die Mehrzahl der Neurobiologen allerdings sah die anatomische
Autonomie des Neurons als erwiesen an. Die best begründeten Argumente, die für eine Existenz
des anatomisch unabhängigen Neurons sprachen, genauer gesagt für die Existenz einer
anatomischen Lücke zwischen Endknöpfchen und benachbarten Zellstrukturen, erbrachten erneut,
wie einst in den Jahren der Auseinandersetzung mit Golgi, Degenerationsexperimente an
Neuronen. Diesen, in der Mehrzahl in den 30er und 40er Jahren dieses Jahrhunderts
2
durchgeführten Experimenten, lag ein weiterer Leitsatz der Neuronenlehre Ramón y Cajals
zugrunde: die "Einheit der pathologischen Reaktionsweise des Neurons." Ramón y Cajal schrieb
3
im bereits erwähnten Aufsatz »Neuronismo o Reticularismo?« : "Wenn die physikalische oder
chemische Integrität eines Neurons angegriffen wird, so reagiert es selbständig und unabhängig
4
von den übrigen Neuronen, [...]." In der Tat, wurden Nervenfasern durchtrennt, dann konnte
beobachtet werden, wie die abgetrennten Fasern, einschließlich ihrer feinsten Endverzweigungen
und Endknöpfchen, degenerieren, ohne daß der Zerfallsprozeß auf postsynaptische Strukturen
nachfolgender Zellen übergreift. Die anatomische Selbständigkeit des Neurons endet demzufolge
an den Heldschen Endknöpfchen. Entgültige Klarheit über die Morphologie der Synpase, so wie
wir sie heute kennen, brachte jedoch erst die gegenüber der Lichtmikroskopie bis zu 10 000 fach
5
höhere Auflösung der Elektronenmikroskopie. Die Ergebnisse der Elektronenmikroskopie
1
Eine ausführliche Darstellung der Debatte nebst umfangreichen Quellenangeben findet sich bei
Ramón y Cajal 1935, ebenso bei Reiser 1959.
2
Vgl. z.B. Barr (1940): »Axon reaction in motoneurones«, Bodian (1942): »Cytological Aspects
of Synaptic Function«, (1952): »Intructory survey of neurons«, Castro (1942): »Nuevas ideas
sobre la sinapsis«, (1950): »Die normale Histologie des peripheren vegetativen Nervensystems«,
Foerster et al. (1933): »Veränderungen an den Endösen im Rückenmark des Affen«, Hoff (1932):
»Central nerve terminals in the mammalian spinal cord«, Lawrentjew (1925): »Über die
Erscheinungen bei Degeneration und Regeneration«, (1934): »Experimentell-morphologische
Studien«, Nonindez (1944): »The present status of the Neurone doctrine«, Polykarpowa (1935):
»Experimentell-morphologische Analyse der autonomen Innervation«, Schadewald (1941):
»Effects of cutting the trochlear and abducens nerves on the end-bulbs«, (1942): »Transynaptic
effect of neonatal axon section on bouton appearance about somatic motor cells«, Schimert
(1939): »Das Verhalten der Hirnwurzelkollateralen im Rückenmark.«
3
Ramón y Cajal 1933, dtsch. Ramón y Cajal (1935): »Die Neuronenlehre.«
4
Ibid., S. 937
5
Palade & Palay (1954): »Electron microscope observations of interneuronal and neuromuscular
synapses«, Palay (1954): »The Morphology of synapses in the central nervous system«, (1956):
»Synapses in the central nervous system«, de Robertis (1955): »Changes in the synaptic vesicles«,
(1959): »Submicroscopic morphology of the synapse«, de Robertis & Bennett (1954):
»Submicroscopic vesicular components in the synapse«, de Robertis & Franchi (1956): »Electron
microscope observations on synaptic vesicles«, Robertson (1956): »The ultrastructure of a
169
lassen sich wie folgt bündeln: Das gesamte Neuron, einschließlich der prä- und postsynaptischen
Bereiche an Endknöpfchen und Dendriten ist von eine geschlossenen Membran begrenzt. Präund postsynaptische Strukturen sind durch einen flüssigkeitsgefüllten synaptischen Spalt von etwa
20nm Breite voneinander getrennt. Mit diesen Angaben war der mehr als ein halbes Jahrhundert
währende Streit um die Neuronen-Doktrin definitiv beendet. Eduardo de Robertis, einer der
Pioniere der frühen elektronenmikroskopischen Untersuchung der Synpase, resümiert 1959: "The
observation of a neat delimination of both the pre- and postsynaptic cytoplasm confirms and
extends to a submicroscopic level the concept of the individuality of the nerve element which is
implicit in the neurondoctrin of Cajal. The reticularist hypothesis, which still has its followers,
cannot be maintained, even in those regions of the central nervous system called neuropiles,
where most of the elements are of submicroscopic dimensions. The reticular appearance is the
result of technical artifacts, plus the limited resolving power of the optical microscope to detect
those structures and their boundaries. These facts indicate that for an exact interpretation all
1
structures below 1 to 0.5 micrometers should be studied with the electron microscope."
reptilian myoneuronal junction.«
1
de Robertis (1959) »Submicroscopic morphology of the synapse«, zit. aus Shepherd 1992, S.
274f
170
2.2 Die Grundfunktionen an der Synapse: "Signalverarbeitung, Verrechnung und
Verknüpfung von Informationen"
Über jenen der synaptischen Übertragung zugrunde liegenden physiologischen Vorgang, über
dessen elektrische oder chemische Natur, sowie über das erregungsauslösende Geschehen an der
postsynaptischen Zelle in Folge der Impulsübertragung, entbrannte in der ersten Hälfte des 20.
1
Jahrhunderts eine noch heute begeisternde Auseinandersetzung. John Carew Eccles, der im Jahre
1963 für seine Arbeiten zur Funktion der Synapsen den Nobelpreis für Medizin erhielt, faßt die
2
wesentlichen Ergebnisse 1959 zusammen : "The fibre or axon of a nerve cell branches profusely
in the gray matter of the central nervous system, and by specialized structures, which we may term
synaptic knobs, it enters into functional relationship with the soma (body) or dendrites of other
nerve cells. Essentially the same relationship occurs peripherally in symapathetic ganglia, in
electric organs and at the neuromuscular junctions. However the present account will be specially
concerned with central synapses. Structurally the synapse may be defined as the synaptic knob,
the specialized subsynaptic membrane subjacent thereto, and the cleft between, the synaptic cleft,
which is about 100 A across. The synaptic knob contains the specific transmitter substance, which
3
probably is concentrated in the synaptic vesicles that have been revealed by electron microscopy.
When a nerve impulse propagates over a synaptic knob, it liberates a brief jet of this transmitter
substance, which diffuses across the synaptic cleft and acts specifically on the subsynaptic
membrane, increasing its ionic permeability. The movement of ions down their electrochemical
gradient is thereby accelerated, and there is consequently a change in the membrane potential of
the postsynaptic neurone. With excitatory synaptic action the net ionic movement gives a
membrane depolarization, probably because there is an increased permeability to all ions. On the
contrary, inhibitory synaptic action causes membrane hyperpolarization, probably on
1
Näheres bei Eccles (1959): »The Devolopment of the Ideas on the Synapse«, (1976): »From
electrical to chemical transmission in the central nervous system«, sowie bei Reiser: »Der
physiologische-anatomische Neuronbegriff«, in Reiser 1959, S. 216ff
2
Die Ergebnisse der Untersuchungen Eccles finden sich zusammengefaßt bei Eccles (1953):
»The Neurophysiological Basis of Mind«, (1957): »The Physiology of Nerve Cells«, (1964):
»The Physiology of Synapses.«
3
Neben der entgültigen Aufklärung des Neurons als ein Membran-umschlossenes Gebilde und
der Beschreibung des synpatischen Spalts, ist ein drittes Hauptergebnis der
Elektronenmikroskopie zu nennen. Der Nachweis der synaptischen Vesikel in den präsynaptischen
Axonendigungen. Palay (1956): »Synapses in the central nervous system«, de Robertis (1955):
»Changes in the synaptic vesicles«, (1959): »Submicroscopic morphology of the synapse«, de
Robertis & Bennett (1954): »Submicroscopic vesicular components in the synapse«, de Robertis
& Franchi (1956): »Electron microscope observations on synaptic vesicles«, Robertson (1956):
»The ultrastructure of a reptilian myoneuronal junction«.
171
account of a selective increase in the permeability of the subsynaptic membrane to potassium and
chloride ions. The depolarizations and hyperpolarizations thus produced by single impulses at
single synapses persist for several milliseconds. Hence, for example, there is a summation of the
depolarization influences excerted by several impulses which are incident at different synapses on
a neurone within a few milliseconds. If the summed depolarization reaches a critical level, it
causes a the generation of an impulse. There is likewise summation of the hyperpolarization
produced by inhibitory synaptic actions excerted by several synapses. This inhibitory
hyperpolarization is effective in preventing the discharge of an impulse, in so far as it prevents the
1
excitatory depolarization from reaching the critical firing level." Mit dem hier skizzierten
Grundkonzept von Hemmung, Erregung und Summation als den Resultaten synaptischer
Aktivität, von depolarisierenden und hyperpolarsierenden postsynaptischen Potentialänderungen,
2
vermittelt durch hemmende oder erregende Transmittersubstanzen, war Exners Konzept "der
3
grösseren oder geringeren Erregung und der grösseren oder geringeren Erregbarkeit" im
physikochemischen Detail aufgezeigt. Neben dem feuernden Neuron und der impulsleitenden
Nervenfaser, so geht nun auch die Synapse in die informationstheoretische Beschreibung von
4
Hirnfunktion ein. Die Synapse wird geradezu zum Herzstück der Neuronen-Doktrin" , denn an der
Synapse bietet sich die "Gelegenheit zur Signalverarbeitung und Verknüpfung von
5
Informationen."
1
Eccles 1959 S. 39f
Zur Entdeckungsgeschichte erregender Neurotransmitter vgl. Dale et al. (1936): »Release of
acteylcholine at voluntary motor nerve endings«, Loewi (1936): »Problems connected with the
principle of humoral transmission of nerve impulses«, (1938): »Acetylcholin as a chemical
transmitter of the effect of nerve impulses«, Nachmansohn (1943): »Acetylcholine and the
mechanism of nerve activity.« Zur Identifizierung inhibitorischer Transmitter- Substanzen im
Gehirn, inbesondere der gammma-Amino-Buttersäure (GABA), vgl. Bazemore et al., (1957):
»Isolation of Factor I«, Curtis, »The identification of mammalian inhibitory transmitters«, in
Florey (Hg.) 1961, S. 342ff; Eccles (1964): »The Physiology of the synapse«, Florey (1991a):
»GABA: History and perspectives«, Florey & McLennan (1955): »Effects of an inhibitory factor
(factor I) on central synaptic transmission«, Florey & Florey (1958): »Studies on the distribution
of factor I in mammalian brain«, Florey & Chapman (1961): »The non-identity of the transmitter
substance of crustacean inhibitory neurons and gammma-aminobutyric acid«, Koidl & Florey
(1975): »Factor I and GABA: resolution of a long standing problem«, Kravitz et al. (1963):
»Gammma-aminobutyric acid and other blocking compounds in Crustacea«, Kravitz & Potter
(1965): »A further study of the distribution of Gammma-aminobutyric acid between excitatory
and inhibitory axons of the lobster«, McLennan, »Inhibitory Transmitters - A Review«, in Florey
(Hg.) 1961, S. 350ff, Roberts, »Gammma-aminobutyric acid«, in Elliott et al. (Hg.) 1962, S. 636657.
3
Exner (1894): »Entwurf« S. 225
4
Shepherd 1993
5
Nach Shepherd 1993, S. 184
2
172
Fig.
12
Der
Denkstil
"informationsverarbeitendes
Nervensystem":
(Oben)
Schema
zur
visuellen
"Informationsverarbeitung" im Gehirn [aus Schober & Rentschler 1973]. Beachte die nachrichten- resp.
regeltechnisch gehaltene Terminologie. (Unten) "Signalverarbeitung und Verknüpfung von Information" im
Neuronen-Netzwerk. Dargestellt ist eine Hypothese zur neuronalen Modulation der Schmerzempfindung im
Rückenmark und Gehirn [aus Kandel et al. 1991]. Die an der "synaptischen Informationsverarbeitung" beteiligten
Neuronenelemente sind: Sensorische Schmerzrezeptoren (nicht-myelinisierte Afferenzen C, myelinisierte
Afferenzen, A), ein inhibitorisches Interneuron, und ein Projektionsneuron, dessen Aktivierung zur
Schmerzempfindung im Gehirn führt. Die Intensität der Aktivierung des Projektionsneurons, und damit die Intensität
der Schmerzemfindung, wird in einem regeltechnischen Wechselspiel von hemmenden (-/geschlossene Dreiecke)
und
erregenden
(+/offene
Dreiecke)
Informationsverarbeitung aufgefaßt.
Synapsen
reguliert
und
als
das
Ergebnis
der
"synaptischen
173
2.3 Plastizität der Synapse
Synapsen sind keine starren Gebilde, die stereotyp Transmittersubstanzen freisetzen und entweder
Hemmung oder Erregung hervorrufen, sondern funktionell und strukturell hoch dynamisch. Man
spricht in diesem Zusammenhang von synaptischer Plastizität. Plastizität läßt sich wie folgt
definieren: "In order to mediate various adaptive processes, the circuitry of the nervous system
remains modifiable, or plastic, throughout life. The term plasticity refers to virtually any form of
change in the nervous system or in behavior. Synaptic plasticity may be defined as the capability
of synapses to vary their function, to be replaced, and to increase or decrease in number when
required. In studies on synaptic plasticity, it is a widely held working hypothesis that
modifications at synapses are to a large extent, responsible for the overall plasticity of nervous
1
system circuitry and, therefore, behavioral plasticity." Den Grundstein zu dieser Auffassung
legten Ende der 40er Jahre dieses Jahrhunderts zwei Psychologen, Donald O. Hebb und Jan
2
Konorski. Beide stellten ein Konzept vor, daß an die bereits von Ramón y Cajal formulierte
Vorstellung anknüpft, Lernen und Gedächtnis müßten mit einer Änderung der neuronalen
3
Veschaltung einhergehen. Hebb und Konorski postulierten nun, daß diese Veränderung nur auf
einer morphologisch oder physikochemisch bedingten Veränderung der synaptischen
Übertragungseffizienz beruhen könne. Hebbs Regel: "When an axon of a cell A [...] excites a cell
B and repeatedly or persistently takes part in firing it, some growth process or metabolic change
4
takes place in one ore both cells so that A’s efficiency as one of the cells firing B is increased" ist
bis heute, in mannigfaltiger Spielart, Gegenstand eines intensiven Debatte innerhalb der
Neurowissenschaft, im Bestreben, die strukturellen und funktionellen Grundlagen von Lernen und
5
Gedächtnis zu ergründen.
1
Nieto-Sampedro & Cotman in Adelman 1987, Vol. II, S. 1166
Hebb (1949): »The Organization of behaviour«; Konorski (1950): »Mechanisms of learning«.
Weitere Quellenangaben zur Entstehung der Konzeption synaptische Plastizität finden sich bei
Eccles (1964): »The Physiology of the Synapses«, sowie bei Cragg (1972): »Plasticity of
Synapses«.
3
Ramón y Cajal (1893): »Neue Darstellungen vom histologischen Bau des
Centralnervensystems«, (1895b): »La fine structure des centres nerveux«.
4
Hebb 1949, zit. aus Kandel et al. 1991, S. 1020
5
Eine übersichtliche Darstellung findet sich bei Kandel et al. 1991.
2
174
3. Die Technisierung des Neuronen-Netzwerks: Das Computer-Paradigma und
die Entstehung der Neurokybernetik
Zentrales Ereignis für Eccles und seinen Schülerkreis ist allein die Erzeugung oder NichtErzeugung, bzw. die Fortleitung oder Nicht-Fortleitung des Alles-oder-Nichts Impulses im
Neuronen-Netzwerk. Daran änderte auch die von Eccles oben angedeutete Erkenntnis nichts, daß
bei der (chemischen) synaptischen Übertragung die durch Transmittersubstanzen ausgelösten
postsynaptischen Potentiale keinen Spike- oder Alles-oder-Nichts Charakter haben. Bestand doch
die Bedeutung der postsynaptischen Potentiale gerade darin, daß an einer mit mehreren (bis zu
mehreren tausend) synaptischen "Eingängen" versehenen Nervenzelle, die EPSPs und IPSPs
durch einen Prozess der synaptischen Integration zu einem "Netto-Output" des angesteuernden
Neurons gleichsam verrechnet werden, genauer gesagt, daß am angesteuerten Neuron, wie in
einem Minirechner, eine Schalt-Entscheidung programmiert wird, zu feuern oder nicht zu feuern.
Noch heute lesen wir in den Lehrbüchern: "Nicht jeder aufgenommene Impuls schickt auch einen
Impuls über das Axon hinaus, sondern im Neuron müssen mehrere, mitunter vielleicht Hunderte
oder Tausende von Impulsen verrechnet werden, bevor das Axon einen weitergibt. Diese
Rechnerleistung der einzelnen Nervenzelle macht unser Nervensystem so unendlich kompliziert
1
und leistungsfähig." In den Grundzügen war dies auch der Stand der Neuronen-Doktrin zu einer
Zeit, in der die formalen Ähnlichkeiten zwischen den Leistungen des Nervensystems und den
Leistungen von Maschinen erkannt wurden. In kurzer Skizze hierzu die wichtigsten Etappen.
Der britische Mathematiker Alan Mathison Turing (1912-1954) hatte bereits 1937 eine universale
2
Maschine erdacht, die jedes formallogische Problem bewältigen konnte. Dabei war es
gleichgültig, ob diese Maschine aus elektrischen oder mechanischen Bauteilen besteht (sie könnte
daher auch ein Gehirn sein), solange die Maschine die folgenden Spezifikationen erfüllt: "Eine
Turingmaschine besteht aus einem endlichen System von Instruktionen, in welcher Weise
bestimmte einfache Operationen an einer Kette von Symbolen auszuführen sind. Eine
übergeordnete Anordnung bestimmt, welche Sequenz von Instruktionen befolgt werden soll, wenn
3
eine bestimmte Kette von Symbolen angeboten wird (Input). Etwa zur Zeit in der Turing seine
Maschine erdachte, hatte Claude E. Shannon in seiner 1936 verfassten Magisterarbeit »A
Symbolic Analysis of Relay and Switching Circuits« erkannt, daß die Symbole und Operationen
in Booles Logiksystem mit Hilfe elektronischer
1
Hucho in Maelicke 1990, S. 14 u. S. 16f
Turing (1937): »On computable numbers, with an application to the Entscheidungsproblem«.
3
Florey 1991c, S. 114
2
175
Schaltkreise maschinell darstellbar sind. Die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Aussage könne
durch eine "off" oder "on" Stellung eines Schalters angezeigt werden. Ein Schüler des
Philosophen Rudolf Carnap, Walter Pitts und der Neurophysiologe Warren S. McCulloch waren
in ihrer 1943 veröffentlichten Abhandlung »A Logical Calculus of the Ideas Imanent in Nervous
1
Activity« die ersten, die das Prinzip der Boolschen Logik in die Funktionsweise des Gehirns
einbezogen und die das Gehirn als einen aus relativ einfachen und zeitlich unveränderlichen
Eigenschaften bestehenden Automat mathematisch beschrieben und modellierten. McCulloch und
Pitts stellten die Behauptung auf, daß psychische Tätigkeit in ihren verschiedenen
Erscheinungsformen als Aktivität eines funktionell vollständigen Netzwerks interpretiert werden
kann, welches aus logischen Elementen besteht, die nach dem Alles-oder-Nichts Gesetz zwei
Zustände annehmen können. Nach McCulloch und Pitts funktionieren Neurone wie die
Shannonschen "off" und "on" Schalter. Bei allen synaptischen Eigenschaften, die die Aktivität des
Neuronennetzes bestimmen, sollte lediglich von Bedeutung sein, daß das Neuron feuert oder nicht
feuert. Inspiriert durch die Entwicklung von Rechen- und Dechiffriermaschinen und durch seine
Kenntnisse der Humanphysiologie veröffentlichte der Mathematiker Norbert Wiener (1894-1964)
im Jahre 1948 sein bahnbrechendes Buch »Cybernetics, or Control and Communication in the
2
Animal and the Machines«. Wieners Buch markiert den Beginn der Kybernetik, jenem auf der
Informationstheorie und Regeltechnik begründeten Wissenschaftszweig. Auch für Wiener ist es
eine "erwähnenswerte Tatsache, daß menschliche und tierische Nervensysteme, von denen man
weiß, daß sie in der Lage sind, die Arbeit eines Rechensystems durchzuführen, Elemente
enthalten, die ideal als Relais wirken. Diese Elemente sind die sogenannten Neuronen oder
Nervenzellen. [...] So kann [das Neuron] als Relais mit genau zwei Zuständen der Aktivität
3
angesehen werden: Zündung und Ruhe." Inzwischen hatte auch Turing in seinem Aufsatz
4
»Computing machinery and intelligence« gelehrt, daß Gehirne als Logik-Maschinen zu begreifen
seien und umgekehrt Computer als im Prinzip lernfähig und denkend. Erst der Mathematiker John
von Neumann (1903-1957) jedoch, der wohl bekannteste Pionier der Entwicklung elektronischer
Rechenmaschinen, machte 1958 mit seinem berühmten, posthum erschienenen Buch »The
5
Computer and the Brain« die Analogie zwischen Gehirn und digitalem Computer explizit.
Gestützt auf die Vorarbeiten von Turing, Shannon und Wiener, machte Neumann deutlich, wie
sich elektrische Bauteile nun tatsächlich zu einem Computer des Turing-Typs, der mit einem
Instruktionsprogramm angetrieben wurde, zusammenbauen
1
McCulloch & Pitts 1943
Wiener 1948
3
Wiener 1948, zit. aus Wiener 1963, S. 176
4
Turing (1950): »Computing machinery and intelligence.«
5
von Neumann 1958
2
176
lassen. Wie dieser Computer, so ist nach Ansicht Neumanns auch das Gehirn digital organisiert.
Wie McCulloch und Pitts schon vorgeschlagen hatten, befinden sich auch für Neumann die
Neurone entweder in einem "on" oder in einem "off" Zustand. Die Neurone befinden sich in
einem Zustand der Ruhe oder der Erregung, sie feuern oder sie feuern nicht. Neurone sind damit
binäre Speichereinheiten mit denen sich eine digitale Logik aufbauen läßt. Die synaptischen
Verschaltungen entsprechen hierbei einer logischen Verknüpfung. Mit Neumanns Buch wurde
einerseits jene an Computeranologien orientierte Denk- und Sprechweise eingeführt, wie sie die
Neurobiologie bis heute beherrscht, andererseits, mit Neumanns Auffassung, daß es "leicht
einzusehen ist, daß diese (nach McCulloch und Pitts) vereinfachten Neuronenfunktionen durch
Telegraphenrelais oder Vakuumröhren imitiert werden können", war zugleich der Grundstein
gelegt für jene Bewegung, die heute unter dem Stichwort Artificial Intelligence zu einer der
großen Bewegungen der Informatik und der Naturwissenschaft geworden ist.
177
4. Vom Reiz zum Verhalten, oder: "What the frog’s eye tells the frog’s brain"
In der Mitte unseres Jahrhunderts waren all jene anatomischen und funktionellen Grundkonzepte
und all jene Begriffe vorhanden, die Funktion des Nervensystems zu erklären als die Tätigkeit
synaptisch verschalteter Neurone, die, zu netzwerkartigen Schaltkreisen gekoppelt, ein System
impulsführender und signalverarbeitender Schaltelemente darstellen. Die Neurobiologie der
zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ist damit befaßt, das von McCulloch und Pitts formulierter
Grundkonzept, jedwede Hirntätigkeit in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen als die
Aktivität eines Neuronen-Netzwerks zu interpretieren, weiterzuentwickeln und die jeweils
adäquaten Teilbereiche des Neuronen-Netzwerks aufzuspüren. Der kybernetische Grundansatz
wurde hierzu gleichsam in das neurobiologische Experiment übersetzt, gemäß der von der
Mehrzahl der Neurobiologen akzeptierten behavioristischen Grundvorgabe: Nervensysteme sind
1
biologische Systeme der Informationsverarbeitung zum Zweck der Verhaltenssteuerung. Vor
2
diesem Hintergrund eines kommunikativen Informationssystems Individuum-Umwelt , vor dem
Hintergrund des Input-Output Charakters des einzelnen Neurons, und vor dem Hintergrund des
Signal-Charakters des Nervenimpulses, erscheint das Verhalten eines mit einem Nervensystem
begabten Organismus als das Ergebnis einer "informationsverarbeitenden Maschine", als die
neural verursachte Reaktion auf impulscodierte Sinnesdaten und als das Resultat von
Impulsprogrammen, die in bestimmten, synaptisch modulierten Neuronenschaltkreisen ausgelöst
und durch Motoneurone als motorischer Verhaltens-Output weitergegeben werden.
Um die zwischen Input und Output liegenden neuronalen Funktions-Prinzipien der
"Informationsverarbeitung" zu charakterisieren, wird eine neue Ära der experimentellen
Neurobiologie eingeleutet. Organismen, die Nerven und Gehirne besitzen, werden nunmehr Reize
3
angeboten und "die Informationsaufnahme durch die Rezeptorzellen" , also der Impulsinput in den
sensorischen Neuronen, respektive die daraufhin in den "zuständigen" Neuronen bzw. NeuronenNetzwerken auftretenden Impulsaktivitäten, werden dahingehend untersucht, ob sie mit einem
Reiz-spezifischen Verhaltenscharakteristikum korrelierbar sind. Diese neue Forschungsstrategie
setzt ein mit einer 1959 veröffentlichten Untersuchung unter dem bezeichnenden Titel »What the
4
frog's eye tells the frog's brain«. Genanntem Ergebnisbericht ist zu entnehmen, daß es in der
Retina des Frosches Ganglienzellen gibt, die - nachdem die Netzhaut unterschiedlichen
Lichtreizen ausgesetzt wurde - nur dann feuern, wenn sich im Gesichtsfeld des Frosches ein
kleiner dunkler Gegenstand - eine simulierte
1
Oeser & Seitelberger 1988, S. 51
Ibid., S. 71
3
Reichert 1990, S. 133
4
Lettvin et al. 1959
2
178
Fliege also - bewegt. In der Retina des Frosches sind demnach gleichsam Fliegen-spezifische
Neurone angeordnet. Die erregten Neurone leiten über ihre Axone Impulse zum Gehirn und lösen
dort ein Beute-Fang-Programm aus. Die Untersuchungen des Beute-Erkennens und des BeuteFang-Verhaltens bei Amphibien ist bis heute aktuell, wenngleich sich die Verhältnisse als
1
ungleich komplizierter erwiesen, als ursprünglich angenommen. Unter dem Titel »Wie geht die
kognitive Hirnforschung vor?« beschreiben die Neurobiologen Gerhard Roth und Helmut
2
Schwegler die Forschungstrategie »What the frog's eye tells the frog's brain« heute so: "Die
kognitive Hirnforschung/Neurobiologie will die Funktionsweise und Leistungen des
Nervensystems von Mensch und Tieren im Zusammenhang mit Wahrnehmung, Erkennen und
Verhaltenssteuerung verstehen. [...]. Beim menschlichen Gehirn geht es zusätzlich um die Frage
nach der Entstehung des Bewußtseins, der bewußten Wahrnehmung und dem Verhältnis zwischen
derartigen "mentalen" Zuständen und den Erregungsprozessen im Gehirn. Viele neurobiologische
Labors befassen sich z.B. mit der Erforschung des visuellen Systems von Tieren. Hierbei geht es
z.B. darum, einen Vorgang wie das Fangen einer Fliege durch einen Frosch oder einer Maus
durch eine Katze möglichst vollständig zu erklären. Dies umfaßt Untersuchungen darüber, wie
und woran der Frosch und die Katze ihre Beute erkennen, wie sie die Beute räumlich orten und
wie die Steuerung des motorischen Verhaltens durch das Nervensystem derart geschieht, daß die
Beute gefangen wird. Das Ziel der Untersuchung ist dann erreicht, wenn die visuelle und
visumotorische Erregungsverarbeitung im Nervensystem des Tieres durchgängig, d.h. von den
Photorezeptoren bis hin zum kontrahierenden Muskel zumindest in ihren wesentlichen Abschnitten
beschreibbar und vorhersagbar ist. Dazu müssen die Prozesse untersucht werden, die zuerst in
der Netzhaut und dann in den verschiedenen visuellen Gehirnzentren ablaufen, die mit Form-,
Bewegungs-, Farb- und Tiefenwahrnehmung befaßt sind. Dann ist die Frage zu beantworten, ob
und wie in diesen Zentren Lernen und Gedächtnis eine Rolle spielen. Schließlich muß untersucht
werden, wie die sensorischen Prozesse in Motorkommandos umgewandelt werden, die festlegen,
welche der vielen beteiligten Köper und Extremitätenmuskeln wann, wie stark und für wie lange
aktiv werden müssen. Eine typische Vorgehensweise bei der Untersuchung der beteiligten
sensorischen und sensomotorischen Teilprozesse ist es dabei, dem narkotisierten oder auch
wachen Tier Beuteattrappen oder auch einfachere Reize zu zeigen und gleichzeitig mit
Mikroelektroden zu untersuchen, ob und wie in den verschiedenen Teilen des visuellen Systems
einzelne Nervenzellen oder Zellpopulationen durch solche Reize aktiviert werden können. Dabei
werden Erregungsprozesse an den Nervenzellmebranen untersucht, die sich unter anderem (aber
keineswegs notwendig) in Aktionspotentialen (AP) äußern. Es werden dabei z.B. die Anzahl
1
2
Vgl. z. B. die Darstellungen bei Bischof 1989, Ewert 1976, Roth 1988a
Roth & Schwegler 1992
179
der APs pro Zeiteinheit, ihre Dauer oder der Rhythmus einer AP-Salve registriert. Derartige
Messungen lassen sich nacheinander in der Netzhaut, im Thalamus des Zwischenhirns, im Tectum
des Mittelhirns, im visuellen Cortex u.s.w durchführen. Die visuelle Erregung kann (wenn man
Glück hat) von den visuellen Zentren aus bis an die prämotorischen Regionen (z.B. die Formatio
reticularis) oder gar bsi zu den Motoneuronen verfolgt werden, die an der Beutefanghandlung
beteiligt sind. Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren mit derartigen Methoden neuartige
Einsichten in die Struktur und Funktionsweise des kognitiven Systems im Gehirn von Menschen
und Tieren gewonnen. Dabei hat sich eine Abkehr von der Lange Jahre vorherrschenden
Vorstellung vollzogen, das kognitive System bestehe aus einer hierarchischen Anordnung von
neuronalen Filtern, die von der Sinnesperipherie zu den "höchsten Wahrnehmungszentren" immer
spezifischer und kompelxer werden und schließlich in sogenannten gnostischen Neuronen (salopp
auch "Großmutterneuronen" genannt) enden. In der Aktivität derartiger, an der Spitze der
Wahrnehmungshierarchie stehender gnostischer Neuronen ist, so wurde angenommen, die
Wahrnehmung komplexer, bedeutungshafter Gestalten und Szenen der Umwelt repräsentiert. An
die Stelle einer solchen Vorstellung von immer selektiver werdenden neuronalen Filtern wird
heute das inzwischen empirisch gut bewährte Konzept einer parallelen und distributiven
Erregungsverarbeitung gesetzt. Dieses Konzept beinhaltet, daß komplexe Wahrnehmungszustände
niemals durch einzelne Neurone, auch nicht durch kleine Neuronenverbände (Neuronenensembles
als "Großmutterneuron-Ersatz") repräsentiert werden, sondern durch die räumlich verteilte,
1
simultane Aktivität von hunderten von Millionen bis zu vielen Milliarden Nervenzellen."
1
Ibid., S. 106f
180
5. Vom Reiz zur Aufklärung der neuronalen Verdrahtung am Beispiel der
Entdeckung des cortikalen Moduls
Neben der Suche nach jenen neuronalen Regeln, die als Folge eines angebotenen Reizes
Verhaltensreaktionen auslösen, steht die Frage, welcher Teil des Neuronen-Netzwerks nun für die
jeweilige Reizverarbeitung zuständig ist, genauer gesagt, wo sich die neuronalen Orte im Gehirn
befinden, in denen der Reizinput eintrifft, verarbeitet wird und ein Verhaltensprogram auslöst.
Wie sind diese Neurone organisiert respektive verdrahtet? Ausgangspunkt zu einer ersten
Teilantwort dieser Frage waren die Experimente von V. Mountcastle sowie von David Hubel und
1
Torsten Wiesel. Mit Hilfe feinster Mikroelektroden maß Mountcastle die elektrische Aktivität
einzelner Rindenneurone nach peripherer Stimulation der Sinnesorgane und stellte zunächst fest,
daß bei Reizung verschiedener Rezeptoren (etwa in der Haut oder im Bereich der Gelenke),
verschiedene somatosensorische Rindenneurone reagierten. An Katzen und Affen machte
Mountcastle die Beobachtung, daß bei senkrecht zur Rindenoberfläche eindringenden Elektroden
alle Neurone auf dieselbe Reizmodalität der Haut oder der Gelenke regierten. Bei schrägem oder
gar parallelem Eindringen hingegen, fand ein abrupter Wechsel der Modalitäten statt. Hubel und
Wiesel wiederholten diese Experimente am visuellen Cortex, ebenfalls an Katzen und Affen,
indem sie verschiedene Lichtsignale im Gesichtsfeld des Tieres plazierten. Mountcastles
Ergebnisse konnten bestätigt werden. Nur jene Neurone, die in senkrecht angeordneten Säulen
angeordnet sind, reagieren auf gleiche Reizmodalitäten. Zuzüglich älterer histologischer Befunde
von Ramón y Cajal und insbesondere Lorente de Nó in den 40er Jahren dieses Jahrhunderts, die
offengelegt hatten, daß sich zusätzlich zur horizontalen Schichtung der Großhirnrinde, vertikale
Anordnungen durch die gesamte Tiefe des Cortex ziehen, ließen die Beobachtungen der
genannten Autoren den Schluß zu, daß die gesamte Hirnrinde mosaikartig aus säulenförmigen
Neuronenanordnungen zusammengesetzt sein muß, die sich weniger in ihrer Geometrie, als
1
Hubel (1983): »Cortical Neurobiology«, (1988): »Brain and Vison«, Hubel & Wiesel (1962):
»Receptive fields, binocular interaction and functional architecture in the cat's visual cortex«,
(1965): »Receptive fields and functional architecture in two non-striate visual areas (18 and 19) of
the cat«, (1968): »Receptive fields and functional architecture of monkey striate cortex«, (1972):
»Laminar and columnar distrubution of geniculocortical fibers«, (1974): »Sequence regularity and
geometry of orientation columns in the monkey striate cortex«, (1977): »Functional Architecture
of macaque monkey visual cortex«, Hubel et al. (1978): »Anatomical Demonstration of
Orientation of columns in macaque monkey«, Mountcastle (1959): »Modality and topographic
properties of single neurons of cat's somatic sensory cortex«, (1975a): »The world around us:
neural command function for selective attention«, (1975b): »The view from within: Pathways to
the study of perception«, (1978): An organizing principle for cerebral function: the unit module
and the distributed system«, Mountcastle & Powell (1959): »Neural mechanisms subserving
cutaneous sensibility.«
181
hauptsächlich durch ihre Verbindung zur Peripherie unterscheiden. Die Aufklärung der an der
strukturellen Organisation jener kolumnären Anordnungen beteiligten Neuronentypen,
hinsichtlich ihrer synpatischen Verbindungen und deren Wirkungsweise, führte dann insbesondere um den ungarischen Neurobiologen J. Szentágothai - zu einem Konzept, das sowohl
in Bezug auf die strukturelle Organisation als auch in Bezug auf die Funktion aller Abschnitte der
Großhirnrinde (ungeachtet der Unterschiede in Feinstruktur und in der Verknüpfung mit anderen
Regionen des ZNS) von relativ uniform konstruierten, sogenannten cortikalen Moduln (oder
1
Kolumnen) als Grundeinheiten ausgeht. Der Modul repräsentiert gewissermaßen die Grundform
eines neuralen Schaltkreises bestehend aus afferenten Fasern, komplexen neuronalen
2
Wechselwirkungen innerhalb des Moduls, und efferenten Fasern. Auch der cortikale Modul ist
als ein Input-Output Element oder als eine Verrechnungseinheit auffassen und läßt sich in die
Konzeption der "informationsverarbeitenden Gehirnmaschine" hineinkonstruieren. Dies zu
verdeutlichen, ein Textbeispiel aus der jüngeren Literatur: "Man kann den Modul mit einem
integrierten Schaltelement einer Datenverarbeitungsanlage oder einem Mikroprozessor
vergleichen. Der Modul ist ein zylindrisches Gebilde, das senkrecht zur Rindenoberfläche
angeordnet ist und bei bis zu 3mm Höhe einen Durchmesser von 0.5mm hat. Der Modul enthält
bis zu mehrere tausend Nervenzellen in einem bestimmten Schaltplan, gemäß dem der Input
regelhaft verteilt und der Signaldurchsatz zum Output hin ebenso in bestimmter Form geordnet
wird. Die menschliche Großhirnrinde, bestehend aus 2-4 Mio solcher Module, stellt somit eine
riesige Population von Mikroprozessoren dar. Jeder Modul ist mit denen seiner Umgebung sowie
mit entfernteren Modulen der gleichen Hemisphäre und über den Hirnbalken auch der
kontralateralen Großhirnhemisphäre verbunden. Von Rindenfeld zu Rindenfeld varriieren [...]
Feingestalt und Fortsatzarchitektur der beteiligten Nervenzellen. Der Grundplan des Moduls
bleibt aber unverändert. Daraus geht hervor, daß die Arbeitsweise der Großhirnrinde an jeder
Stelle prinzipiell die gleiche ist, daß aber die örtlich differenzierten Gruppen von Modulen für
bestimmte Modifikationen der Bearbeitungsprogramme eingerichtet sind. Der für die lokalen
Funktionen der Großhirnrinde wesentliche Umstand besteht aber in der Verschiedenheit des
Inputs, den die Module aus den tieferen Hirnanteilen sowie zum größten Teil aus intrakortikalen
1
Zur Entstehung des Modulkonzepts vgl. Colonnier (1966): »The Structural Design of the
Neocortex«, (1968): »Synaptic patterns on different cell types in the different laminae of the cat
visual cortex«, Creutzfeld & Ito (1968): »Functional Synaptic Organization of primary visual
cortex neurones in the cat«, Szentágothai (1968): »Structure-Functional Considerations of the
Cerebellar Neuron-Network«, (1969): »Architecture of the Cerebral Cortex«, (1972): »The Basic
Neuronal Circuit of the Neocortex«, (1973): »Synaptologie of the Visual Cortex«, (1975): »The
module-concept in cerebral cortex architecture«, Szentágothai & Arbib (1974): »Conceptual
models of neural organization«.
2
Szentáogthai (1972): »The Basic Neuronal Circuit of the Neocortex.«
182
Verbindungen, d.h. aus anderen Rindengebieten, erhalten. Für die Leistungshöhe der
menschlichen Grohirnrinde ist die Zahl ihrer Module, somit ihre Größenausdehnung, die hohe
Feindifferenzierung ihrer arealen, also gruppenweisen, Gliederung und das Maß der
Interkonnektivität, d.h. die Dichte und Vollständigkeit ihrer Verbindungen, von entscheidender
Bedeutung. Aus diesen Merkmalen der modularen Stuktur der Großhirnrinde ist bereits zu
entnehmen, daß in ihr nicht spezialisierte Funktionen wie in einem Mosaik angesiedelt sind,
sondern daß es sich um eine Struktur handelt, die eine unglaublich breite und dichte
Verteilungsfunktion und eine Vielfalt von differenzierten Verarbeitungsweisen von Information
ermöglicht, und dies dadurch, daß der primäre Erregungszustand eines Moduls, also einer
lokalen Nervenzellgruppe, in der vielfachen Verzweigung bzw. Degeneration (degeneracy) des
Inputs an andere Gruppen weitergegeben wird, von denen er nach erfolgreichem Arbeitsgang
entsprechend modifiziert wieder vielfach weitergegeben wird und u.a. auch an die Primärgruppe
selbst wieder zurückgespiegelt wird, um dort als Sekundärerregung neuerlich bearbeitet zu
werden u.s.w. Jede Information an der Großhirnrinde wird somit in gleichartiger, aber
differenzierter Weise vielfältig umfassend und repetitiv bearbeitet, wobei auch die im System
selbst vorhandene - strukturell fixierte - Information in die Bearbeitung eingebracht wird.
Dadurch, daß in die menschliche Großhirnrinde alle Informationen, auch die aus der Sphäre der
Vitalgefühle und Triebe, einfließen, ist die umfassende Auswertung allen Inputs und die weiteren
Ausschöpfung seines Informationsgehalts gewährleistet. Da etwa 80% der Faserverbindungen der
Großhirnrinde sog. intrakortikale, d.h. Verbindungen zwischen ihren Modulen sind, stammt die in
der Großhirnrinde bearbeitete Information zum größten Teil aus ihr selbst. Die Funktion der
Großhirnrinde ist demnach als eine Eigenschaft der dynamischen Tätigkeit innerhalb des Systems
gemäß den Verarbeitungsmustern, d.h. den Programmen der ablaufenden Informationen zu
1
betrachten [...].
Die Entdeckung der Modulstruktur der Großhirnrinde ist ein faszinierendes Beispiel
dafür, wie sich im letzten Drittel dieses Jahrhunderts das Gehirn mehr und mehr als ein offenbar
wohl geordnetes neuronales Netz darstellt. So unvollständig die erzielten Ergebnisse bislang auch
sein mögen, sie lassen in der Tat den Schluß zu, daß jedes Verhalten und jede Reizempfindung
auf die Mobilisierung eines topologisch definierten Neuronenkomplexes zurückzuführen ist, eines
neuralen Netzwerks, das im Augenblick seiner Aktivität speziell diesem Verhalten oder einer
spezifischen Empfindung zugeordnet ist.
1
Oeser & Seitelberger 1988, S. 76f
183
Fig. 13 Ein Modul der Großhirnrinde und seine Neurone, Denkstil-gebunden dargestellt als dreidimensionaler Block,
der an ein metallenes Maschinenbauteil erinnert [aus Lassen et al. 1978]. Der Modul als elektrischer Apparat: Für
János Szentágothai ist ein Modul einem integrierten Mikroschaltkreis der Elektrotechnik vergleichbar (Szentágothai
1975). Der Modul repräsentiert das, was Szentágothai die Grundform eines neuronalen Schaltkreises nennt, der sich
aus Input-Kanälen (afferenten Fasern), komplexen neuronalen Wechselwirkungen innerhalb des Moduls, und
Output-Kanälen (Axone der Pyramidenzelle) zusammensetzt. Der Modul als "Kraft-Maschine": John C. Eccles
und Karl Popper (Popper & Eccles 1989) verwenden zur Beschreibung der Modulfunktion ein Gedankenbild, das in
seiner Terminologie durchaus an eine Vorstellung der romantischen Naturforschung des beginnenden 19.
Jahrhunderts erinnert, nämlich: "Die Natur ist der Wettstreit von Kräften, der Konflikt einer positiven und einer
negativen Kraft" (Winkelmann 1802, in Rothschuh 1953, S. 98). Bei Eccles und Popper (1989, S. 300f) heißt es:
"Wir sind der Meinung, daß ein Modul als Krafteinheit betrachtet werden muß. Seine raison d'être ist, Kraft auf
Kosten seiner Nachbarn aufzubauen. Wir denken, daß das Nervensystem immer durch Konflikt arbeitet - in diesem
Fall aufgrund von Konflikt zwischen jedem Modul und den anliegenden Moduln. [...] Ein Modul ist eine Einheit,
weil er ein System innerer Krafterzeugung besitzt [...] Natürlich besitzt jeder dieser Moduln seinerseits ein eigene,
ihm innewohnende Kraft und kämpft mit einer Gegenhemmung auf seine umliegenden Moduln zurück. Nirgends
besteht unkontrollierte Exzitation. Es herrscht eine immense Kraft-Wechselwirkung (ein Konflikt) zwischen
Exzitation und Inhibition. In dieser fortwährenden Interaktion müssen wir uns die Feinheit des gesamten neuronalen
Apparates der menschlichen Großhirnrinde vorstellen [...]."
184
Auch wenn sich die Neurobiologie heute nicht mehr zu einer digitalen Erklärung neuronaler
Netzwerke bekennt, so bleibt der Alles-oder-Nichts Impuls und die informationstheoretische
Gehirnkonzeption in hervorragender Position und dominierendes Moment in der Frage wie
Nervensysteme (gemeint sind immmer Neuronensysteme) die auf die Sinnesorgane des
Organismus einwirkende Welt erfahren und wie sie diese Umweltmerkmale in eine
Verhaltensantwort des Organismus umsetzen. Folgende Positionsbeschreibung des Neurobiologen
Ernst Florey macht den Denkstil der Neurobiologie des ausgehenden 20. Jahrhunderts noch
einmal deutlich: "Es ist durchaus wahr, daß Neurobiologen das Gehirn als ein »input-output«
system bezeichnen, ganz im Sinne der Turing-Maschinen. Sie untersuchen den input, indem sie auf
Sinnesorgane verschiedene, möglichst begrenzte und physikalisch determinierte Reize einwirken
lassen, und sie untersuchen die in den Sinneszellen entstehenden Erregungszustände und
Erregungsmuster. Als Erregungszustände gelten dabei in der Hauptsache sogenannte
Aktionspotentiale, ofgt als Nervenimpulse bezeichnet. Und als Erregungsmuster bezeichnet man
die zeitliche Anordnung aufeinanderfolgender Nervenimpulse. Den Erkenntnissen der
Neurophysiologen zufolge erfährt also das Gehirn den Zustand der auf die Sinnesorgane
einwirkenden Welt über einen Impulscode, wobei räumliche und zeitliche Muster der dem Gehirn
zugeführten Nervenimpulse der Kette von Symbolen entsprechen, welche den input einer
Turingmaschine darstellen. Wie immer die Welt, die sogenannte Außenwelt, beschaffen sein mag,
sie macht sich dem Gehirn in Form einer Anordnung von elektrischen Impulsen bemerkbar. Eine
Turingmaschine würde nach Ablesen der eingegangenen Symbole entsprechend den ihr
vorgegebenen Instruktionen Rechenoperationen durchführen, deren Ergebnis sie der Außenwelt,
von der sie den Input erhielt, als output verfügbar macht. Neurobiologen, insbesondere jene
Kohorte unter ihnen, die sich Neuroethologen nennen, benutzen die resultierenden Bewegungen,
also das Verhalten des Organismus, als Kennzeichen des output. Die zwischen input und output
liegenden Prozesse bezeichnen sie mit dem Terminus »Informationsverarbeitung« und setzen sie
in etwa mit den Rechenoperationen von Turingmaschinen gleich. Der Erfolg scheint ihnen Recht
1
zu geben, denn viele Verhaltensweisen lassen sich mit dem Computer simulieren."
Es ist hier nicht der Ort, die Ideengeschichte des Neurobiologie geschlossen wiederzugeben.
Absicht dieses »Ersten Teils« war es lediglich, anhand von einigen wenigen Momentaufnahmen
aufzuzeigen, daß die Konzepte zur Erklärung und Beschreibungen der "höheren Leistungen" des
Nervensystems von Anbeginn ein in sich abgeschlossenes Ideen- und Begriffsgebäude darstellen.
Sämtliche Fragestellungen, die den Bau und die Funktion von Gehirn und Nervensystem
betreffen, kamen stets, und kommen bis zum heutigen Tag, mit Nerven, Nervenfasern und
Nervenzellen aus. Eine wie auch immer geartete Funktion gliöser
1
Florey 1991c, S. 119f
185
Zwischenmassen in die Beschreibung des Nervensystems einzubeziehen, war zu keinem
Zeitpunkt in der Geschichte der Neurobiologie notwendig. Die Entdeckung der Neuroglia,
gewissermaßen im konzeptionellen Schatten von Nerven, Nervenfasern und Nervenzellen, ist
Inhalt des folgenden, »Dritten Teils« dieser Untersuchung.
186
Dritter Teil
Die Entdeckung des Gliösen im Schatten des Nervösen
I. Vom Zellgewebe zum Nervenkitt, oder das "gänzliche Ignorieren des
Antheils der Bindesubstanz an der Zusammensetzung der Nervencentra."
1. Zur Entstehung der Gewebelehre unter besonderer Berücksichtigung der
ausfüllenden Grundmassen
Wie im »Zweiten Teil« dieser Untersuchung dargestellt, hatten Albrecht von Hallers
Reizexperimente, anhand jener Zuweisung der Kriterien irritabel und sensibel, erstmals zu einer
1
präzisen, funktionellen Differenzierung der kleinsten Bauteile tierischer Organismen geführt.
Über der Auseinandersetzung um die nachfolgende Klärung der Hallerschen Terminologie,
insbesondere im Zusammenhang mit der Klärung von Nerven- und Muskelaktivitäten, ging ein
von Haller (neben Nerven- und Muskelfaser) erkannter dritter Fasertypus für die Beschreibung
der Organfunktionen verloren. Diesen dritten Fasertypus nannte Haller die das "Zellgewebe"
konstituierende "Zellgewebsfaser". Das Zellgewebe sollte all jene Komponenten des Organismus
umfassen, die Haller weder als sensibel noch als irritabel hatte ausmachen können.
Da in der Nachfolge Hallers allein das Kriterium der Irritabilität, der Erregbarkeit, also
die Fähigkeit des von der Reizung betroffenen Teils zur reaktiven Beantwortung des Reizes,
2
darüber entschied, ob ein "Theil lebe oder nicht lebe", beschränkte sich denn auch die spätere
historische Rückschau auf Hallers Lehre im wesentlichen auf die Muskel- und die Nervenfaser,
also auf jene Bereiche des Organismus, die untrennbar mit dem Begriff der Reizbarkeit verknüpft
3
sind. Für eine Geschichte des "Nervenkitts" hingegen, markiert nicht sensibler Nerv oder
irritabler Muskel, sondern das "un-sensible" und "un-irrtable" Zellgewebe den konzeptionellen
Ausgangspunkt. Betrachten wir im Folgenden den weiteren Weg des Hallerschen Zellgewebes,
zunächst vor dem Hintergrund der Entstehung der modernen Zell- und Gewebelehre.
1
Haller (1753) »De partibus corporis humani sensibilibus et irritabilibus.«
Virchow 1871, S. 334
3
Vgl. z. B. Möller 1975
2
187
In Abgrenzung zur irritablen Muskel- und sensiblen Nervenfaser verstand Haller unter
Zellgewebe eine funktionell indifferente, formgebende Füll-, Stütz- oder Grundmasse. So heißt es
bei Haller: "Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass beinahe alle festen Teile unseres Körpers nichts
als ein enggestricktes und dicht durcheinander gewickeltes Zellgewebe sind. [...]. Wenn aus dem
Zellgewebe Membranen, wenn aus den Membranen die sich aufrollenden Gefäße, wenn aus den
Gefäßen und deren zellförmigen Scheiden die Eingeweide gebildet werden, wenn über dem die
Fleischklümpchen der einzelnen Drüsenkügelchen ein bloßes Zellgewebe sind, so erhellt daraus,
was für ein ansehnlicher Teil von unserem Körper aus derjenigen Materie besteht, die man so
1
viele Jahrhunderte lang für eine Nichtswürdigkeit angesehen hat."
Hallers Begriff Zellgewebe mutet modern an, doch stand dieser noch ganz unter dem Eindruck der
seinerzeit etablierten Faserlehre. In Hallers Wortwahl "enggestrickt" oder "Gewebsfaser" klingen
ja noch die Ursprünge des histologischen Gewebe-Begriffs an, jene Vorstellungen vom Aufbau
der Körperteile vergleichbar dem aus Fasern zusammengesetzten Textilgewebe. Auch unter
Zellen, so er beispielsweise von der "zelligen Beschaffenheit" eines Gewebeteils spricht, verstand
Haller nicht das, was später Theodor Schwann oder gar Rudolf Virchow Zellen nennen sollten.
Nicht eigenständige, histologische Gebilde meinte Haller mit Zellen, sondern die
morphologischen Lücken im Fasergeflecht des Zellgewebes. Hallers Zell-Begriff ist also jene
Cellulae vergleichbar, die einst Robert Hooke (1635-1703) verwendet hatte, die Hohlräume eines
2
quergeschnittenen Flaschenkorks zu beschreiben.
1
Haller 1753, zit. aus Berg 1942, S. 421f
Hooke, seinerzeit Physiker in Oxford, betrachtete, in der Begeisterung über die neue Technik
des Mikroskopierens, und um die Leistungsfähigkeit der von ihm verwendeten Linsen zu prüfen,
allerlei Gegenstände; unter anderem einen quergeschnittenen Flaschenkork. Die Umrisse der
abgestorbenen Saftkanäle erinnerten Hooke an die Kammern in Bienenwaben und er nannte die
kleinen Räumchen im Flaschenkork demzufolge Cellulae [Hooke (1665): »Micrographia or some
Physiological Descriptions of Minute Bodies by Magnifying Glasses.«] Gewissermaßen
tatsächliche Zellen, sah erstmals Hookes Landsmann, der Arzt Nehemia Grew (1641-1712). Grew
sprach allerdings nicht wie Hooke von Zellen, sondern von Poren und Bläschen, da ihn die
beobachteten Kügelchen an Bierschaum erinnerten. [Grew (1682): »Anatomy of Plants.«] Aus
Grews Abbildungen geht hervor, daß er seine Bläschen als quergeschnittete Faserstrukturen
interpretierte (Grew 1682, Tafel. 40). Tierische Zellen, in Form von Samentierchen
(Spermatocyten), beschrieb erstmals der holländische Mikroskopist Antony van Leuwenhoek
(1632-1723). [Leuwenhoek (1685): »Anatomia et contemplatio«, (1687): »Anatomia seu interiora
rerum«, (1695): »Areana naturae«, dazu Dobell 1932, Zuylen 1981]. Zur Geschichte der
Zellenlehre vgl. Baker 1953, Berg 1942, Hansen 1897, Hughes 1959 sowie die Darstellungen bei
Jahn 1990, Nordenskiöld 1926.
2
188
Für ein halbes Jahrhundert blieb die Hallersche Dreiteilung der tierischen Gewebe in irritable und
1
sensible Bestandteile, sowie ein zähes und elastisches Zellgewebe, unangetastet. Abgelöst wurde
Hallers "Gewebelehre" zunächst in Frankreich, von der systematisch-hierarischen
2
Gewebeeinteilung des genialen Histologen Francois Xavier Bichat (1771-1802). Bichat entwarf
erstmals das uns heute so selbstverständlich erscheinende Konzept, daß spezifische Gewebe
(homogene Elemente) die Organe (heterogene Elemente) aufbauen, die sich dann ihrerseits zu
Organsystemen zusammenschließen. Als die Organ-konstituierenden, homogenen Elemente im
3
menschlichen Organismus, beschrieb Bichat in seiner »Anatomie générale« 21 Gewebetypen.
Ihre Unterscheidung traf Bichat anhand der Zuweisung unterschiedlicher Grade von Vitalität
(proprietés vitales) und anhand der Zuweisung spezifischer Reaktionsweisen auf
krankheitserregende Einflüsse. Bereits ein Jahr nach ihrem Erscheinen, wurde die »Anatomie
4
générale« von Christian Heinrich Pfaff ins Deutsche übertragen.
Wie für Haller so ist auch für Bichat das tissu cellulaire oder das Système cellulaire (in der
Pfaffschen Übersetzung heißt es das "Zellgewebe" oder das "zelligte System"), funktionell
5
passives Gewebe. Als Füllmasse müsse es "in doppelter Hinsicht angesehen werden: 1) Es bildet
für jedes Organ eine Umhüllung, eine Gränze, die ihm äusserlich ist, 2) [Mit der äußeren
Umhüllung zusammenhängend] geht es wesentlich in die Struktur eines jeden [Organs] ein, und
6
bildet eine der wesentlichen Basen dieser Struktur." Bichats exakte Definition des "zelligten
Systems" lautet: "Dieses System, welches mehr noch durch den Namen löchrigtes Gewebe,
Schleimgewebe u.s.w. bezeichnet ist, ist eine Sammlung von
1
Vgl. z. B. Autenrieth (1801/02): »Handbuch der empirischen menschlichen Physiologie, Teil.
I.« Für Autenrieth ist das Zellgewebe durch die Füllung der "Zellen" charakterisiert, die er noch
immer als Hohlräume zwischen den Fasern aufaßt. In den Knochen sollten diese "Zellen"
Knochenerde enthalten, in den Sehnen Gallerte und in den Nerven Mark. (Berg 1942, S. 434)
2
Zur Einführung des Begriffs Histologie vgl. Mayer (1819): »Über Histologie und eine neue
Einteilung der Gewebe des menschlichen Körpers.«
3
Bichat 1801
4
Pfaff (1802/03): »Allgemeine Anatomie, angewandt auf Physiologie und Arzneywissenschaft.«
5
Bichat unterschied: 1. Zellgewebe, 2. Nervengewebe des animalen Lebens, 3. Nervengewebe
des organischen Lebens (vegetativ), 4. Arterielles Gewebe, 5. Venöses Gewebe, 6. Gewebe der
exhalierenden Gefäße, 7. Gewebe der absorbierenden Gefäße und Drüsen, 8. Knochengewebe, 9.
Markgewebe, 10. Knorpelgewebe, 11. Fasergewebe, 12. Faserknorpliges Gewebe, 13.
Muskelgewebe des animalen Lebens, 14. Muskelgewebe des organischen Lebens, (vegetativ) 15.
Schleimhautgewebe, 16. Seröse Gewebe, 17. Synovialgewebe, 18. Drüsengewebe, 19.
Hautgewebe, 20. Epidermales Gewebe, 21. Haargewebe.
6
Bichat 1801, nach Pfaff 1802/03, S. 94
189
weißlichten Fäden und Blättchen, die weich sind, einander in verschiedenen Richtungen
durchkreuzen und zwischen sich verschiedene Räume lassen [Zellen!], die untereinander
communiciren, mehr oder weniger regelmäßig sind, und dem Fette so wie der Serösität zu
Behältern dienen. Um die Organe gelagert dienen die verschiedenen Theile dieses Systems zu
gleicher Zeit zum Bande, das sie vereinigt, und zum Zwischenkörper der sie trennet. In das Innere
1
dieser nehmlichen Organe verlängert tragen sie wesentlich zum Bau derselben bei."
Bei der Mehrzahl der deutschen Anatomen und Naturforscher um 1800 stand das Bestreben im
Vordergrund, nach dem Ursprung der Gewebeteile zu forschen und die Entwicklungsgeschichte
der Gewebe als sich morphologisch höher organisierende Fasern zu erklären.
[Just vor diesem Problemhorizont hatte sich in Deutschland auch eine Funktion für das
Zellgewebe gefunden, die über dessen Rolle als zwischengewebliche Füllmasse hinaus ging:
nämlich die der morphogenetischen Grundsubstanz. So verstand der Leipziger Mediziner
Ernst Plattner (1744-1818) unter Zellgewebe die Muttersubstanz, das im unorganisierten
2
Zustand vorliegende, "ungefähre Werk der gallertigen Säfte". Aus dieser ersten
Organisationstufe entstünden die eigentlichen Fasern der Gewebe. Über einen Vorgang,
3
ähnlich "dem Spinnen von Schafwolle" , sollten sich diese durch Gerinnungsvorgänge im
4
Zellgewebe herauskristallisieren. Das Zellgewebe, so heißt es bei Plattner, verhält sich "als
unorganisierter Stoff zum geformten Baustein des Körpers wie der Ton zum Gefäß oder der
5
Flachs zur Leinwand." Über die Entstehung des Zellgewebes aus "Breistoff" spekulierte der
6
Wiener Anatom und Physiologe Georg Prochaska (1749-1820). Plattner entwickelte er eine
originelle Idee, die formgebende Wirkung des Zellgewebes zu erklären: Prochaska stellte
sich vor, daß die "Zellen" des Zellgewebes sämtlich wie ein Kanalsystem miteinander in
Verbindung stünden. Da dieses Kanalsystem mit dem aus den Blutgefäßen abdampfenden
"thierischen Gas" aufgeblasen sein sollte, würde auf diese Weise die Form des Teiles
aufrecht erhalten.
1
Ibid., S. 93
Plattner (1790): »Neue Anthropologie für Ärzte und Weltweise«, zit. aus Berg 1942, S. 429
3
Ibid., S. 431
4
Analogien von Faserentstehung und Kristallisationsvorgängen finden sich auch bei Reil. In der
Abhandlung »Von der Lebenskraft« heißt es: "Der Haupttypus der Kristallisation thierischer
Materie scheint die Faser, das erste und einfachste Elementarorgan der thierischen
Kristallisation, eine der Länge nach aneinandergereihte tierische Materie zu sein." (Reil 1796,
zit. aus Berg 1942, S. 431)
5
Plattner 1790, zit. aus Berg 1942, S. 431
6
Prochaska (1797): »Lehrsätze aus der Physiologie des Menschen.«
2
190
1
Auch bei Ignaz Döllinger (1770-1841) ist das Zellgewebe die "erste wahre Erstarrung".
Das Zellgewebe entstünde aus dem Faserstoff, einer höheren Form des Körpersaftes, und
zwar durch "das Erwachen des Gegensatzes zwischen Expansion und Kontraktion". Aus
dem selben Grund käme es dann im fertigen Zellgewebe zur Bildung von Blutgefäßen. Aus
diesen wiederum entstünden die eigentlichen und höheren Bauelemente, die "organisierten
2
Fasern" als "in die Länge gezogenes gesponnenes Zellgewebe". ]
So erstaunt denn auch nicht, daß die Einteilung der Gewebe, nicht wie bei Bichat nach
3
funktionellen Kriterien, sondern weiterhin anhand von "Faserkriterien" versucht wurde. Noch
1837, also mehr als drei Jahrzehnte nach Bichats »Anatomie générale« unternimmt der Wiener
Anatom Joseph Berres (1796-1844), wenngleich in erweiterter Form, eine "Faserkategorisierung"
4
der menschlichen Körpergewebe. Auch Berres benutzte in seiner Einteilung der Körperelemente
den Begriff der Zellfaser. Allerdings verstand Berres unter Zellfasern nicht, wie Haller oder Reil,
5
die allereinfachsten Grundbauteile, sondern bereits höher organisierte Gebilde. Für Berres besteht
der gesamte Organismus aus Zellfasern, wobei eine jede aus drei Bildungskomponenten, den
"feinsten Fasergebilden" konstruiert sein sollte. Als die "feinsten Fasergebilde" gibt Berres an:
allerzarteste Nervenröhren, Lymphgefäße und Blutgefäße. Derjenige dieser "organischen
Bestandtheile", welcher in den betreffenden Zellfasern quantitativ überwiegt, bestimmt die
Gewebezugehörigkeit. Auf diesem Wege unterschied Berres "drei Reihen oder Klassen" von
organischen Gebilden: Die erste Reihe der organischen Gebilde, in deren Zellfasern Lymphröhren
überwogen (Sehnengewebe, Knorpelgewebe, Knochengewebe), die zweite Reihe der organischen
Gebilde, in deren Zellfasern Blutgefäße vorherrschen (Hautgewebe, Muskelgewebe) und die dritte
Reihe der organischen Körpertheile in deren Zellfasern Nervenröhren in überwiegender Menge
6
vorhanden sind (Nervengewebe, Gangliengewebe, Rückenmarks, Gehirngewebe). War
1
Döllinger (1805): »Grundriß der Naturlehre des menschlichen Organismus.«
Döllinger 1805, zit. aus Berg 1942, S. 434ff
3
Schon bei Reil hatte es geheißen: "Der Körper läßt sich in eine unendliche Reihe organischer
Teile zerlegen [...]. Das einfachste Organ ist wohl die Faser, eine der Länge nach aneinander
gereihte tierische Materie. Diese ist Zell- oder gemeine Knochen-, Nerven- oder Muskelfaser. Von
der gemeinen oder der Muskelfaser, wie man will, gibt es wieder machnerlei Varietäten und
Gattungen. Die Faser z.B. der harten Hirnhaut, in den Membranen, die Sehnen, in der
Gebärmutter unterscheiden sich merklich von einander [...]" - und an anderer Stelle: "Die Fasern
werden [..] mannigfaltig aneinandergereiht, und so entstehen Platten, Häute Nerven, Gefäße,
Muskeln, Eingeweide. Die vollendeten Organe sind also aus Fasern gebildet, die in mehreren
Ordnungen zusammengefügt sind." [Reil (1796): »Von der Lebenskraft«, »Ostwalds Klassiker« S.
22 u. S. 45]
4
Berres (1837): »Anatomie der mikrokopischen Gebilde des menschlichen Körpers.«
5
Vgl. ibid., S. 100ff
6
Näheres zur Konzeption Berres' bei Berg 1942, S. 438ff
2
191
Berres über die Hallersche Dreiteilung der Gewebe somit nicht hinaus gekommen, so ist doch
seine Neufassung des Begriffes Zelle bemerkenswert. Wie für die Zeitgenossen, so war auch für
Berres jeder organische Bestandteil des Körpers noch als das Erzeugnis eines "belebten
plastischen Stoffes", einer wie auch immer gearteten Muttersubstanz, anzusehen. Bei Berres
jedoch sollte der Urstoff nicht nur in der Lage sein, die "feinsten Fasergebilde" hervorzubringen,
sondern ebenso kugelartige Strukturen, die Berres als "Bläschen" bezeichnete. Wie die Fasern, so
sollten auch die Bläschen mit allen Merkmalen des Lebendigen ausgestattet sein. Hatten nun bei
Haller die Lücken des Fasergeflechtes Zellen geheißen (im Sinne der Hookschen Cellulae) und
das Fasergewebe somit Zellgewebe, so brachte Berres nun die Bläschen mit dem Begriff des
Zellgewebes in eine neue Verbindung, indem er die Bläschen gewissermaßen in die Lücken, bzw.
Zellen des Zellgewebes einrücken ließ. In diesem Zusammenhang bekamen die Bläschen Berres'
nun die Bezeichnung "Zellen" oder "Zellbläschen": "Für jede Zelle scheint eine eigene Masche
des intermediären Gefäßnetzes bestimmt zu seyn, welche dieselben wie der Ring des Saturns rings
umher umschließt." Und weiter heißt es an selber Stelle: "Einen wichtigen Bestandteil der
einfachsten und zartesten Gebilde des thierischen Körpers bilden jene, im frischen Zustand runden
[...] mit verschiedenem Inhalte erfüllten Bläschen oder Zellen welche in den Maschen des
intermediären Gefäßnetzes des Zellorganes eingetragen und [...] mit vielen Lymphgefäßen und
Nervenröhren umgeben sind. Ich nenne sie, da dieselben einerseits einen wesentlichen Theil des
Zellgewebes bilden, und andererseits für sich betrachtet vollkommen abgeschlossene Blasen oder
1
Zellen (Cellulae) darstellen, die Zellbläschen."
Berres verwendete jedoch nicht nur den Begriff Zelle in seiner modernen Fassung, also im
Sinne der Zelle als einer eigenständigen histologischen Mikrostruktur, sondern die Abbildungen
2
Berres' legen nahe, daß Berres tatsächlich Zellen gesehen haben muß. Obwohl er tierische Zellen
vor Augen hatte, zeigt sich in Berres' Gewebekategorisierung das hartnäckige Bestreben, die Faser
als das eigentliche Formelement des Gewebeaufbaus heranzuziehen. Den Zellen gestand Berres
zwar, wie den Fasern, den Charakter des Lebendigen zu, doch wußte er letzlich nicht mehr mit
ihnen anzufangen, als sie allein dem Zellgewebe (im Hallerschen Sinne) zuzurechnen und sie für
die zarte Organisation des Körpers verantwortich zu machen. In Alexander Bergs klassischer
Untersuchung »Die Lehre von der Faser« heißt es hierzu: "Wie nahe war doch Berres der
Erfassung des Zellbegriffes im modernen Sinne! Aber wie stark war auf der anderen Seite die
Prädominanz der Faser! Sie ließ ihn bei alldem, was sein Auge im Mikroskop richtig erfaßte,
nicht zur Konzeption der neuen Idee kommen, welche die Medizin in so ungeheurem Maße
befruchten sollte und deren Durchdenkung Schleiden und Schwann vorbehalten war. So ist Berres
bestrebt, die überall gesichteten Bläschen zu klassifizieren, vor allem nach ihrer verschiedenen
Größe einzuteilen -
1
2
Berres 1837, S. 96
Vgl. ibid., Tafel. 4, "Elementartheile"
192
alles nur machtlose Verlegenheit. Der Sinn dieser Gebilde blieb ihm verschlossen! Ist es nicht
erstaunlich, daß um dieselbe Zeit, in der die grundlegende Wandlung erfolgt, ein durchaus
wissenschaftlicher Kopf und ernst zunehmender Forscher noch in Grundvorstellungen befangen
sein konnte, die letzten Endes schon 300 Jahre v. Chr. von dem großen Griechen Erasistratos in
der Lehre von dem dreifachen Hohlfaserkabel als Grundlage des Körpergewebes vertreten
1
wurde!"
Zwischen Berres' »Anatomie der mikroskopischen Gebilde« (1837) und Theodor Schwanns
»Mikroskopische Untersuchungen« (1839) verläuft gewissermaßen die Nahtstelle zwischen der
Faserlehre und den Anfängen der Zellenlehre. Hatte Berres die tierischen Gewebe wohl als letzter
noch anhand von Faserkriterien aufzugliedern versucht, so war es nun Schwann, der erstmals die
2
Gewebe mit Hilfe der zellulären Elementarorganismen einteilte. Nicht in der Entdeckung der
Zelle, sondern im Postulat, "daß alle Gewebe aus Zellen bestehen oder sich auf verschiedenste
3
Weise aus Zellen heranbilden" liegt denn auch das eigentliche Verdienst Schwanns an der
Entwicklung der Zellenlehre. Virchow sagt später über Schwann: "Schwanns unsterblicher
Verdienst liegt nicht in seiner Zellentheorie [...] sondern in seiner Darstellung von der
Entwicklung der einzelnen Gewebe und in dem Nachweise, daß diese Entwicklung, demnach alle
4
Thätigkeit zuletzt auf die Zelle zurückführt." Und an anderer Stelle: "Was Schwann selbst in den
Vordergrund seiner Betrachtungen rückte, das war ein Mißverständnis. Die
Entwicklungsgeschichte der tierischen Zelle, welche er suchte, hat er nicht gefunden. Aber die
5
Entwicklung der Gewebe, ja des ganzen Körpers aus Zellen hat er dargetan."
Merkwürdigerweise benutzte Schwann weiterhin den Begriff des Zellgewebes. Allerdings sind bei
Schwann die Zellen nun entgültig nicht mehr die Hohlräume innerhalb des Fasergewebes, sondern
"echte" Zellen, und die Fasern sind nicht mehr die eigentlichen Elemente des Grundgewebes,
sondern die Faserzellen. Die Fasern sind Teil der Zelle, sie sind zelluläre Fortsätze. Das
Charakteristische dieser Gewebeklasse sei, "daß die Fasern nur
1
Berg 1942, S. 444
Schwann unterschied fünf Klassen zellulärer, sogenannter "bleibender Gewebe des tierischen
Körpers." I. Klasse: Isolierte selbständige Zellen (1. Lymphkörperchen, 2. Blutkörperchen, 3.
Schleimkörperchen, 4. Eiterkörperchen); II. Klasse: Selbständige, zu zusammenhängenden
Geweben vereinigte Zellen (1. Epithelium, 2. Das schwarze Pigment, 3. Nägel, 4. Klauen, 5.
Federn, 6. Kristallinse); III. Klasse: Gewebe, in denen die Zellwände untereinander oder mit der
Interzellularsubstanz verschmolzen sind (1. Knorpel oder Knochen, 2. Zähne); IV. Klasse:
Faserzellen, oder Gewebe, die aus Zellen entstehen, welche sich in Faserbündel teilen (1.
Zellgewebe, 2. Sehnengewebe, 3. elastisches Gewebe); V. Klasse: Gewebe, die aus Zellen
entstehen, deren Wände und deren Höhlen miteinander verschmelzen (1. Muskeln, 2. Nerven, 3.
Kapillargefäße).
3
Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 10
4
Virchow (1855): »Cellular-Pathologie« S. 15
5
Virchow (1882): »Nachruf« S. 391
2
193
als die Fortsätze von Zellen sich bilden, und zwar setzt sich eine Zelle gewöhnlich nach zwei
entgegengesetzten Seiten hin fort, entweder unmittelbar in ein Büschel von Fasern oder in eine
1
Faser, die später erst in viele sehr feine Fasern zerfällt."
Die Entwicklung des Begriffs Zellgewebe seit Albrecht v. Haller ist mit Bichats Definition und
Schwanns Beschreibung der zellulären Grundstruktur abgeschlossen. Über die tatsächliche
Beschaffenheit jener kompliziert angeordneten Detailstrukturen des Zellgewebes allerdings, sollte
noch zwei Jahrzehnte Unklarheit besteht. Die Schwannsche Beschreibung des Zellgewebes,
ungeachtet seiner Erkenntnis des Zell-Faser Zusammenhanges, ist keineswegs vollständig. Doch
hiervon an anderer Stelle.
1
Schwann 1839, »Ostwalds Klassiker« S. 111ff
194
2. Zellgewebe und nervöses Zentralorgan: Vom "Kopfzellgewebe" zum
"verdichteten Zellstoff"
Aus den bislang skizzierten Vorstellungen geht hervor, daß insbesondere Bichats Verständnis
vom Zellgewebe am Beginn einer Geschichte der Neuroglia stehen muß. Im Abschnitt »Von dem
jedem Organ innern zelligten System«, heißt es bei Bichat: "Nachdem das Zellgewebe die Organe
umhüllt hat, gehet es beynahe überall in ihre innere Struktur ein, und bildet eines der
hauptsächlichen Elemente derselben. In den Apparaten, welche eine Vereinigung mehrerer
1
Systeme sind, ist jedes dieser Systeme mit dem anderen durch Zellgewebe vereinigt [...]." Doch
wie stand es nun, um endlich der Konzeption des "Nervenkitts" näher zu kommen, konkret um
"das innere zelligte System" im Nervensystem, und insbesondere um ein solches im Gehirn?
Bichat selbst hat der Beschreibung des Zellgewebes im Nervensystem und seiner
Zentralorgane keinen nennenswerten Raum beigemessen. Seine Beschreibung des Zellgewebes
im Gehirn läßt Bichat aufgehen in einem eher allgemein gehaltenen Abschnitt der »Anatomie
générale« über das »Zellgewebe des Kopfes«. Die hier interessierenden Überzeugungen Bichats
sind denn auch rasch wiedergegeben. Bichats Vorstellungen vom Zellgewebe werden von der
Idee geleitet, daß das Zellgewebe des Gesamtorganismus als ein homogenes Kontinuum
aufzufassen ist. Bezüglich des »Zellgewebes des Kopfes« malt sich Bichat aus, daß das
Zellgewebe der Kopfhaut an der Schädeloberfläche durch die "sehr häufigen aber kleinen Löcher
der Nähte" in das Innere des Schädels eindringt. Im Gehirn setzt es sich durch die Hirnmasse
hindurch fort und tritt an den Innenwänden der Augen- und Nasenhöhlen wieder aus dem Schädel
2
aus, um das "Zellgewebe des Antlitzes" zu bilden. Bichat erkennt zwar: "Die pia mater ist
vorzüglich aus diesem Gewebe gebildet, welches von dieser Membran aus, sich in das Gewebe des
3
Gehirns fortzusetzen scheint [...]" , behauptet aber an anderer Stelle: im Unterschied zu den
Nerven, die von "einer reichlichen Schichte" umgeben sind, sei das "Innere des Hirnschädels"
[wie auch das Innere des Rückgraths] "des Zellgewebes völlig beraubt", zumindest aber, "leidet es
4
Mangel daran." Das im "Inneren des Schädels" befindliche Zellgewebe stellt für Bichat also
lediglich den Zusammenhang her, zwischen dem Zellgewebe der Kopfhaut und dem
Antlitzgewebe. Einen anderen Zweck erfüllt es nicht. Das Antlitzzellgewebe ist als die
vermeintliche Hauptmasse des Kopfzellgewebes, für Bichat denn auch von entschieden größerem
Interesse, als jenes kaum nachweisbare "Kopfzellgewebe" im Gehirn, denn: "Das Zellgewebe des
Antlitzes trägt zur Schönheit, zur Ansehnlichkeit der Physiognomie bey, deren scharfe Züge die
Muskeln, die auf eine
1
Bichat 1801, nach Pfaff 1802/03, S. 110
Vgl. ibid., S. 115ff
3
Ibid., S. 114
4
Ibid., S. 114 u. S. 228
2
195
unangenehme Art sich durch die Haut zeichnen, wenn das Fett darin fehlet, und es folglich zu
sehr in sich selbst zusammengefallen ist, darstellen. In einem entgegengesetzten Zustande bietet es
eine wenig anziehende Aufgedunsenheit dar. Der mittlere Zustand ist der Grazie im Gesichte am
günstigsten. Dieses Gewebe scheinet mit dem Ausdrucke desselben nichts zu thun zu haben,
welcher durch die Muskeln vorzüglich bewirket wird. Es zeichnen sich daher auch die
verschiedenen Leidenschaften mit den nehmlichen Zügen auf einem fetten sowohl als auf einem
mageren Gesichte. Nur sind diese Züge weniger stark auf dem erstern, als auf dem zweyten, weil
auf diesem sich durch die Zusammenziehung der nehmlichen Muskeln mehr Runzeln als auf jenem
1
bilden."
Ein Jahrzehnt nach Erscheinen der Gewebelehre Bichats war es der Anatom Gebhard Georg
Theodor Keuffel, ein Schüler Reils, der mit seiner im Jahre 1811 in »Reils und Authenrieths
Archiv für Physiologie« veröffenlichten Schrift »Ueber das Rückenmark« - folgt man Keuffels
eigenen Ausführungen - wohl der erste ist, der eine histologische Untersuchung der inneren
2
Im Abschnitt »Meinungen der Schriftsteller über
Gewebe der Zentralorgane veröffentlicht.
den inneren Bau des Rückenmarks« schreibt Keuffel mit Blick auf seine Zeitgenossen: "Die
innere Struktur des Rückenmarks ist ein Feld der Anatomie, das bis jetzt noch ganz unbebaut
vorliegt. Alle nemlich, die bisher über das Rückenmark geschrieben haben, sind bei der
Beschreibung des Ausseren [...] stehen geblieben, ohne weiter in das Innere eingedrungen zu
3
seyn. Fasst alle Anatomen glauben nemlich, das eigentliche Rückenmark sei eine einförmige
pulpöse sich jeder weiteren Untersuchung entziehende Masse, die nur durch die pia mater
zusammengehalten werde, nach deren Wegnahme sie ihre Form nicht weiter behaupten könne,
4
sondern sogleich auseinander falle." Weiter heißt es bei Keuffel, die Anatomen seiner Zeit hätten
"auch ohne alle Untersuchung [..] leicht einsehen können, dass [ihre] Meinung mit den
allgemeinen Gesetzen der organischen Bildung gar nicht übereinstimmmen. Denn wo ist wohl in
dem höheren Thiere ein nicht flüssiger organischer Theil von so beträchtlicher Größe als das
5
Rückenmark, der nicht eine bestimmte [innere] Struktur hätte? [...]. Wenn wir den Bau des
Rückenmarks richtig untersuchen wollen, so müssen wir vor allem die Bestandtheile aus denen es
6
zusammengesetzt ist, gehörig trennen und jeden derselben für sich betrachten".
1
Ibid., S. 115f
Keuffel 1811
3
Ein Blick in Bichats »Anatomie genérale« bestätigt die Behauptung Keuffels. Die Beschreibung
von Form, Farbe und Konsistenz, insbesondere des Rückenmarks und der abgehenden Nerven,
nimmt in Bichats Betrachtungen des Nervenapparates den weitaus größten Raum ein.
4
Keuffel 1811, S. 159
5
Ibid.
6
Ibid., S. 161
2
196
Mit der Vorgehensweise die "Bestandteile eines Organs voneinander zu trennen", um Einblick zu
erhalten in dessen inneren Aufbau und Funktion, folgt Keuffel den Prinzipien der Gewebelehre
Bichats, ebenso wie den Vorgaben seines Lehrers Reil. Letzter hatte ja schon 1795 im Abschnitt
»Organ und Organisation« seiner Schrift »Von der Lebenskraft« betont: "Der ganze Körper
besteht aus mehreren großen Gliedern; jedes Glied wieder aus Muskeln, Gefäßen, Nerven; der
Muskel wieder aus Häuten, Fasern und Gefäßen. Welch eine künstliche und zusammengesetzte
Mechanik! [...] Es wäre für die theoretische und praktische Medizin vorteilhaft, wenn wir die
verschiedenen Arten und Grade der Organisation zergliedern, die verwickeltsen Gewebe
derselben in ihre einfachsten Elemente auflösen und sie von dem ursprünglich elementarischen
Organ bis zu den zusammengesetztesten tierischen Werkzeugen verfolgen könnten. Wir würden
alsdann viele Erscheinungen glücklicher zergliedern und sie richtiger auf ihre Prinzipe
1
zurückführen können."
Beim "zergliedern der verschiedenen Arten und Grade der Organisation" stößt Keuffel
nun im Rückenmark auf ein Gewebe, bei dem für den Betrachter zu bemerken sei, "dass er etwas
Membranen- oder Fibrenartiges zwischen der Pinzette habe, vermöge welches er das ganze
Rückenmark bewegen und von einem Orte zu anderen tragen kann [..] und dass dieser, von der
Pinzette ergriffene Theil, von dem, welchen er bey der unmittelbaren Anschauung des
Rückenmarks sieht [...] sehr verschieden seyn müsse. [...]. Wir finden also eine doppelte Substanz
im Rückenmark, eine [markige], die beym ersten Anblick jedem in die Augen fällt, die bis jetzt
allein dem Anatomen bekannt war [...] und eine andere, die nur durch eine genaue Präparation
dem Auge sichtbar gemacht werden kann, die compacter und fibrös ist. Die letztere muß in der
Beschreibung vorangehen, weil sie allein die Struktur des Rückenmarks bestimmt und der ersteren
2
eine gewisse Form gibt." Zur näheren Darstellung der "fibrösen Substanz" im Rückenmark ließ
Keuffel ein Stück des Organs eine Woche und länger in einer Lösung von "kaustischem Kali in
destilliertem Wasser" liegen, schnitt dann das Rückenmarkstück in möglichst feine Scheiben, und
legte diese in oft erneuertes kaltes Wasser. Hierdurch, so wie durch die Behandlung mit einem
feinen Pinsel, wurde alles "Mark" vorsichtig abgespült, und es blieb ein feinadriges Gewebe
feinster Fasern übrig,
1
Reil 1796, »Ostwalds Klassiker« S. 20f. Reil nimmt hier bereits den Gedanken der modernen
Gewebelehre vorweg, den Virchow in der »Cellularpathologie« mit der Aussage ins Leben ruft:
Histologie sei die "Lehre von der Zelle und den daraus hervorgehenden Geweben" und stünde "in
unauflöslicher Verbindung mit der Physiologie und Pathologie." Weiter heißt es bei Virchow:
"Die anatomische Eintheilung der Gewebe ist eine wichtige und unerlässliche Vorbedingung für
die physiologische Betrachtung derselben, und es ergeben sich, wie wir gesehen haben, aus der
Kenntnis des Baus der Theile ohne Weiters sehr wichtige Aufschlüsse über ihre Thätigkeit. Allein
damit ist es nicht getan. Vielmehr ist eine selbständige physiologische Untersuchung nothwendig,
um die besondere Bedeutung der einzelnen Gewebe zu ermitteln und für jeden Ort im Körper
festzustellen, welche Thätigkeiten von seinen Elementen ausgehen." (Virchow 1858, zit. aus
Virchow 1871)
2
Keuffel 1811, S. 161f
197
welches Keuffel, wie Albert von Kölliker (1817-1905) später sagt, "verglichen mit dem
1
damaligen Stand der Dinge in einer auffallend richtigen Weise" beschreibt: Die "ganze fibröse
Substanz" heißt es bei Keuffel, sei von "netzförmiger Gestalt", sie entspräche einem "fibrösen
Netz" bestehend aus "einer unzählbaren Menge feinster Fibrillen [...] die auf die mannigfaltigste
2
Weise unter sich anastomisieren, und sich durch zahllose Seitenäste untereinander verbinden."
Die fibröse Substanz in der weißen, ebenso wie die "fibröse Substanz in der grauen Masse", zeige
3
eine "ganz einförmige vollkommen netzartige Struktur, ohne alle vorherrschende Richtung". Die
Fibrillen der weißen und der grauen Substanz gehen nach Ansicht Keuffels unmittelbar ineinander
über, so daß das "Fibrillennetz" den gesamten Querschnitt des Rückenmarks durchzieht. Über das
"Wesen der fibrösen Substanz" sagt Keuffel, es handele sich um "verdichtete animalische
4
Substanz, aus verdichtetem Zellstoff." Keuffels Auffassungen reihen sich also ein, in die bereits
angedeuteten Vorstellungen seiner Zeitgenossen, vom Zellgewebe als einer morphogenetischen
Urmasse. Auch die vor diesem Hintergrund diskutierte Vorstellung, die Bildung von Fasern als
einen Vorgang der linearen Aneinanderreihung kugelförmig kristallisierter Substanz aufzufassen,
5
findet sich bei Keuffel. Denn auch Keuffel scheint "durch sehr scharfe Mikroskope betrachtet
6
[...] jede Fibrille aus unzählig vielen Kügelchen zusammengesetzt zu sein."
1
Kölliker (1867): »Handbuch der Gewebelehre« S. 269
Keuffel 1811, S. 165 u. S. 170f
3
Ibid., S. 177
4
Ibid., S. 177f
5
So war z.B. bei Prochaska von einem zwischen-strukturellen "Breistoff" die Rede, einem
"möglicherweise durch Kristallisationsvorgänge entstandenem Übergangszustand zwischen
flüssig und fest." [Prochaska (1797): »Lehrsätze aus der Physiologie des Menschen«, zit. aus Berg
1942] Charakterisiert ist Prochaskas Breistoff durch "kleine Kügelchen". Diese Kügelchen,
möglicherweise sah Prochaska Zellkerne, ordnete Prochaska der Faserlehre unter. In den mehr
flüssigen Bestandteilen des Breistoffes lägen die Kügelchen ungeordnet und in lockerem
Zusammenhang vor, je fester jedoch die Bestandteile des Breistoffes, um so geordneter, um so
mehr rückten die Kügelchen aneinander, bis letztlich eine Zellgewebsfaser enstanden sei. Berg
nennt diese morphogenetische Vorstellung zur Entstehung und zum Aufbau der Faser, die Theorie
von der Perlschnurfaser (Berg 1942, S. 415). Die Vorstellung des Faseraufbaues aus linear
aneinandergereihten Kügelchen zeigt die Zählebigkeit der Faserlehre. Noch in den zwanziger
Jahren schreibt der Göttinger Anatom Adolph Friedrich Hempel (1767-1834): "Ehe eine Faser
sichtbar wird, bemerkt man an den Stoffen, welche jene bilden sollen, eine Kugelform von
verschiedener Größe. Diese Kügelchen schwimmen in einer Flüssigkeit, die unter gewissen
Umständen sich gleichfalls in diese Form umzuwandeln scheint. Aus ihnen treten nun die Fasern
hervor, die man sich organisiert aus einer Reihe solcher Körper bestehend denken kann." (zit. aus
Berg 1942, S. 438)
6
Keuffel 1811, S. 178
2
198
Handelt es sich nun bei den Abbildungen, die Keuffel von seinem Fibrillennetz gibt, tatsächlich
um die ersten Darstellungen eines zwischen den Nervenbestandteilen aufgefundenen
Zwischengewebes? Folgen wir in dieser Frage den Ausführungen des Histologen und Pathologen
Carl Wilhelm Weigert (1845-1904), der im historischen Rückblick auf die Beobachtungen
Keuffels 1896 schreibt: "Wenn man [..] Keuffel als Entdecker der Neuroglia hinstellt, so geschieht
dies durchaus mit Unrecht [denn] das was er vor sich hatte, war wohl eher das Gefäßnetz des
Rückenmarks, denn wie schon Henle und Merkel angegeben haben, verschwindet bei der von
Keuffel benutzten Methode die echte Neuroglia, während die Gefäße und das eigentliche
Bindegewebe erhalten bleiben. Man kann sich leicht davon überzeugen, wenn man Gefrierschnitte
1
vom Rückenmark mit [Keuffels] Kalilauge behandelt und dann in viel Wasser bringt." Über die
"unzählig vielen Kügelchen" aus denen laut Keuffel die Fasern der "fibrösen Substanz"
2
zusammengesetzt sein sollen , heißt es bei Weigert: "Keuffel giebt denn auch in der That an, dass
die Fasern aus kleinen Kugeln zusammengesetzt gewesen seien, die bei den geringen
Vergrößerungen, welche damals den Forschern zu Gebote standen, wohl nur die roten
Blutkörperchen in den Gefässen sein können. [....]. Zur Kenntnis des wahren Sachverhalts waren
3
damals, abgesehen von allem andern, die Microscope noch zu mangelhaft."
Bei der Keuffelschen Arbeit handelte es sich also um eine glücklich interpretierte
Täuschung. Keuffel sah keine Neuroglia, bestenfalls Reste davon an den Gefäßästchen anhaften.
Doch es ist durchaus Keuffels Verdienst, vergleicht man die Darstellungen die Keuffel folgen
werden, ein Konzept oder eine Idee gehabt zu haben von einer neben den Elementen des
Nervösen existierenden histologischen Mikrostruktur im Nervensystem. In diesem Punkt war
Keuffel seiner Zeit weit voraus.
Keuffels Konzept der netzartigen, "fibrösen Substanz" in den Zentralorganen des
Nervensystems wurde von seinen Zeitgenossen nicht beachtet. Eine Zwischensubstanz neben den
Elementarteilen der zentralen Nervenmassen stand bei diesen nicht zur Debatte. Die Dorpater
Physiologen Franz Bidder (1810-1902) und Carolus Kupffer (1829-1902) schreiben 1857 in der
Rückschau auf Keuffels Untersuchung, allerdings bei falscher Einschätzung der Keuffelschen
Ergebnisse: "Trotz dieser lichtvollen Darstellung der Verhältnisse der fibrösen Substanz des
Rückenmarks und dem damit gelieferten überzeugenden Nachweise, dass Bindegewebe einen
integrirten Bestandtheil des Rückenmarks ausmache, blieb diese Erfahrung doch bei den
darauffolgenden mikroskopischen Untersuchungen dieses Organs
1
Weigert (1896): »Beiträge zur Kenntnis der normalen menschlichen Neuroglia«, S. 67. In der
Tat wird das "Baden" von Gewebestücken aus Gehirn oder Rückenmark in sauren Kalilösungen
einige Jahrzehnte nach Keuffel zur gängigen Methode, Blutgefäße aus der Bindesubstanz des
Nervensystems zu isolieren. [z. B. Roth (1869): »Zur Frage der Bindesubstanz in der
Grosshirnrinde«].
2
Keuffel 1811, S. 178
3
Weigert 1896, S. 67
199
1
[wie auch des Gehirns] fast unberücksichtigt." Einzig der Freiburger Anatom Friedrich Arnold
2
(1803-1890) erwähnte 1838 in seinen »Bemerkungen über den Bau des Hirns und Rückenmarks«
Keuffels "Bemühungen", denen "wir die genauesten Untersuchungen ueber die Strukur des
Rückenmarks verdanken." "Schon vor längerer Zeit", behauptet Arnold, "habe ich die
Untersuchungen von Keuffel wiederholt und seine Angaben über den innern Bau des
3
Rückenmarks richtig gefunden". Neues hinzuzufügen hatte Arnold den Angaben Keuffels
allerdings nichts.
1
Bidder & Kupffer (1857): »Untersuchungen über die Textur des Rückenmarks und die
Entwicklung seiner Formelemente« S. 17
2
Arnold 1838
3
Ibid., S. 11
200
3. Der Urvater der Neuroglia: Gabriel Gustav Valentin (1810-1883) und die
"Zellgewebsscheide"
"Über den feineren Bau des Nervensystems des Menschen und der Wirbelthiere" schreibt Valentin
1836 in seiner Abhandlung »Über den Verlauf und die letzten Enden der Nerven«: "Das ganze
Nervensystem besteht aus zwei Urmassen, nämlich den isolierten Kugeln der Belegungsmassen
und den isolierten, fortlaufenden Primitivfasern [Nervenfasern]. Erstere sind wahrscheinlich
Repräsentanten des schaffenden, activen, höheren Princips, letztere des empfangenden und
1
leitenden, passiven, niederen Princips." Insoweit scheint Valentin mit den Ansichten seiner
Zeitgenossen übereinzustimmen, insoweit ist es denn auch in den historischen Abhandlungen zur
Geschichte der Neurohistologie üblich, Valentins Ansichten über den Feinbau des Nervensystems
wiederzugeben. Die Fortführung des Zitates: "Jegliche von diesen [Urmassen] wird von einer
2
Zellgewebsscheide umhüllt [...]" wird dabei (ganz im Sinne einer Geschichtsschreibung der
3
Neuronen-Doktrin) ausnahmslos unterschlagen. Isolierte Kugeln, fortlaufende Primitivfasern und
Zellgewebsscheiden, heißt es nämlich bei Valentin, "sind die reinen und eigenthümlichen
4
Formationen des Nervensystems." Valentin bringt damit erstmals nach Keuffel zum Ausdruck,
5
daß das Nervensystem, wie es Keuffel ausgedrückt hatte "aus einer doppelten Substanz" besteht,
den Nervenelementen und zwischen diesen, gleichsam eingeschoben, den Elementen der
Zwischensubstanz.
Im Unterschied zu Keuffels Darstellung handelt es sich bei Valentins Zellgewebe nun
jedoch in der Tat um die erstmalige Darstellung einer Zwischensubstanz im Zentralnervensystem.
Auch ist Valentins Zellgewebsscheide nicht eine mehr oder weniger diffuse "fibröse Substanz",
wie bei Keuffel, sondern sie findet aufgrund ihrer histologischen Charakteristika Platz innerhalb
der Gewebeklassifizierung. So verwendet Valentin den Begriff Zellgewebe analog Bichats
Vorgaben hinsichtlich seines Gewebes No. 1, dem tissu cellulaire. Valentin schreibt über das
Zellgewebe: "[...] als das speziellste und concreteste und doch am allgemeinsten verbreitete
Gewebe der thierischen Organisation verbindet es alle einzelnen Elementartheile nicht nur
6
miteinander, sondern constituiert auch isolirende Hüllen für ihre wesentlichen Urmassen." Diese
Vorstellung vom Zellgewebe, Valentin spricht auch von den "interstitiellen Belegungsformen", als
7
einem "der wichtigsten Gebilde des thierischen Organismus", überträgt Valentin auf das
Nervensystem: "Die Organe und Organkomplexe
1
Valentin 1836a, S. 157
Ibid.
3
Vgl. z. B. Andreoli 1961, S. 10f; Bárány 1923, S. 482; Waldeyer 1891, Bd. 44, S. 1213
4
Valentin 1836a, S. 157
5
Keuffel 1811, S. 161f
6
Valentin 1836a, S. 124
7
Ibid., S. 133
2
201
des Nervensystems [werden] von eigenthümlichen Hüllen eingeschlossen, deren Elemente die
1
Zellgewebsfasern mit ihren isomorphen Formationen sind [...]." Alle Teile der "beiden concret
allgemeinsten Systeme des Körpers, des Blutgefäss- und des Nervensystems sind in diese Hülle
2
eingebettet." Valentins Auffassung vom Zellgewebe als eine "isolierende Hülle" läßt ihn den
Terminus "Zellgewebescheide" prägen (bei späteren Autoren ist übrigens die Rede von
3
Gliascheiden). Diese Scheiden "sind immer zellgewebiger Natur," schreibt Valentin, wobei er
4
unter zellgewebiger Natur versteht: "von weichem, fadenziehenden Aussehen," aus
5
"zellgewebigen Fäden", oder wie bereits erwähnt, aus "Zellgewebsfasern" bestehend. Überall im
Nervensystem des Menschen und der Wirbeltiere seien Zellgewebsscheiden zu finden, betont
Valentin, wobei "die Elementartheile des Nervensystems" durch "zellgewebige Verbindung" der
"fadenartigen zellgewebigen Fortsätze" zu einem "mehr oder weniger untergeordneten Ganzen
6
verbunden [werden]." Wo auch immer man hinsehe, seien "sowohl die Belegungsformationen
[isolierte Kugeln] als die Primitivfasern [...] von eigenthümlichen, sie isolierende Scheiden
umgeben, welche alle Stufen der Dicke von einer fast gar nicht mehr wahrnehmbaren Zartheit bis
zu einer ziemlich bedeutenden Stärke durchlaufen. [...]. Die Scheiden der Kugeln der
Belegungsmassen [...] werden entweder von feineren oder von stärkeren zellgewebigen Fäden
7
durchzogen oder durch solche mit einander verbunden." Ebenso findet Valentin die bereits
mehrfach erwähnten "Kugeln" (Nervenzellen) "von ihrer zellgewebigen Scheide völlig
8
umschlossen".
Auch bei der Interpretation morphologischer Details steht Valentin, wie schon bei
Funktionszuweisung an Ganglienkugeln und Nervenfasern, unter dem Eindruck der für die ersten
Grundvorstellungen von Bau und Funktion der nervösen Elementarteile so maßgeblichen Suche
nach Analogien. Das ganze Gehirn, wie auch die einzelnen peripheren Ganglien, werde (wie dies
9
Bichat schon gesehen hatte) "ganz nach aussen von einer zellgewebigen Hülle eingeschlossen."
Das Verhältnis der Stärke dieser äußeren Hülle zur gesamten "gangliösen Anschwellung" sei
dabei gleich dem Verhältnis der zellgewebigen Scheiden im Inneren des Gehirns zu den dortigen
Kugeln. Obendrein wagt Valentin auf diesem Wege eine, wenngleich aus heutiger Sicht eher
kurios anmutende, Klassifizierung "der interstitiellen Belegungsmassen." So unterscheidet er
anhand der Verhältnisse in den
1
Ibid., S. 169
Ibid.
3
Ibid., S. 162
4
Ibid.
5
Ibid., S. 164 u. S. 169
6
Ibid., S. 167 u. S. 178
7
Ibid., S. 162 u. S. 164
8
Ibid., S. 144
9
Ibid., S. 133
2
202
Ganglien vier Hauptgruppen: "1) Hülle der Kugel sehr zart, bloss schleimig, und Hülle der
Primitivfaser sehr fein, doch schon fester als die der Kugeln. Das ganze von vielen, festen
Zellgewebsfäden durchsetzt. 2) Hülle der Kugel sehr zart, fast bloss schleimig. Primitivfaser der
Nerven von gewöhnlicher Festigkeit 3) Hülle der Kugel eine sehr dünne und zarte, gesonderte,
zellgewebige Membran. Hülle der Primitivfaser wie gewöhnlich. 4) Hülle der Kugel fester. Hülle
1
der Primitivfaser wie gewöhnlich."
Es ist angemessen, in der Darstellung der Anfänge der Geschichte der Neuroglia, Valentins
Untersuchung hervorzuheben. Schuf Valentin ja nicht nur ein morphologisches Konzept, das dem
der späteren Neuroglia in seinen Grundzügen ähnelt, sondern darüber hinaus entwickelte er
Vorstellungen zur Funktion der Zellgewebescheide, die über die einer reinen Stütz-und
Füllsubstanz weit hinaus gehen. An angebrachter Stelle wird hiervon noch die Rede sein.
Zunächst bleibt festzuhalten: Mit Valentin werden nicht nur Ganglienkugeln und Nervenfasern im
Nervensystem beschrieben, sondern erstmals Faserstrukturen, die ausdrücklich nicht Nervenfasern
sind. So trivial diese Erkenntnis aus heutiger Sicht anmutet, sie war den Überlegungen der
Zeitgenossen Valentins, wie einst diejenigen Keuffels, weit voraus, wie die folgenden Abschnitte
belegen. Zunächst jedoch soll die Darstellung der Überwindung des Begriffes Zellgewebe zum
Abschluß gebracht werden.
1
Ibid., S. 137
203
4. Vom Zellgewebe zum Bindegewebe
1
Der Begriff Bindegewebe wird erstmals von Johannes Müller in seinem »Handbuch der
2
Physiologie des Menschen« verwendet. Jedoch erst in den Jahren der sich entwickelnden
Zellenlehre und, damit verknüpft, der begrifflichen Neufassung des Begriffes Zelle, ersetzt das
Bindegewebe den nunmehr unzulänglich gewordenen Begriff Zellgewebe. Bei Virchow heißt es
dazu in der »Cellularpathologie«: "Bis in in die neueste Zeit hiess es fast allgemein Zellgewebe
(tela cellulosa) weil man annahm, dass es regelmäßig kleinere Räume (cellulae) enthalte. Erst
Johannes Müller führte den Ausdruck Bindegwebe (tela conjuctoria s. connectiva) [...] ein. Er
meinte damit dasjenige "Zellgewebe", welches Organe oder Organtheile mit einander verbindet.
Sehr langsam, zum Theil aus blossem Widerwillen gegen den schlechten Namen Zellgewebe, ist
die Bezeichnung Bindegewebe auf alles Zellgewebe und auf alle daraus zusammengesetzten
3
Theile ausgedehnt worden." Bei Bidder und Kupffer heißt es etwa zur selben Zeit: "Die seit J.
Müller's allgemein adoptirtem Vorschlage, statt des früher üblichen Namens "Zellgewebe" als
"Bindegewebe" bezeichnete Substanz ist jene grauweisse, weiche feuchte, fast klebrige, sehr
dehnbare und elastische Masse, die nicht bloss die Zwischenräume zwischen den einzelnen
Organen ausfüllt und denselben so wie den äusseren und inneren Körperoberflächen gleichsam
schützende Hüllen verleiht, sondern welche auch die die einzelnen Organe constituirenden
Bestandtheile mit einander verbindet, als ein in gewissem Sinne indifferentes Cement die Lücken
zwischen den Gewebselementen ausfüllt, und zugleich hiermit das Lager abgiebt, in welches die
4
Gefässe eingebettet sind." Die Definition des Bindegewebes, wie sie sowohl Virchow als auch
Bidder und Kupffer hier vornahmen, entsprach also jener, die schon Bichat, ein halbes
Jahrhundert zuvor, für sein tissu cellulaire vorgeschlagen hatte. Doch wie stand es um die
histologische Feinstruktur des Bindegewebes?
Schwann hatte zwar 1839 in den »Mikroskopischen Untersuchungen« bereits eine erste,
gewissermaßen zellular fundierte Beschreibung des Bindegewebes gegeben, doch die kompliziert
ineinander verwobenen und vernetzten Zellen und Faserlemente des Bindegewebes sorgten bis
Anfang der 50er Jahre für Unsicherheit bei der histologischen
1
Ist im Folgenden von Bindegewebe die Rede, so ist stets das raumausfüllende, sogenannte
"faserige Bindegewebe" gemeint, das überall dort vorkommt, wo Fugen zwischen Organen oder
innerhalb eines Organs auszufüllen sind. Das ebenfalls zum Bindegewebe zu rechende Knochenund Knorpelgewebe wird vernachlässigt.
2
Müller 1834, Bd. I, S. 444
3
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 27 u. S. 40
4
Bidder & Kupffer 1857, S. 9
204
1
Beschreibung dieses Gewebes. Die mehr als ein Jahrzehnt währende Debatte um die Feinstruktur
des Bindegewebes soll hier nicht weiter aufgerollt werden. Eine rückblickende Passage aus
Virchows »Cellularpathologie« soll genügen, den mühsamen Charakter der Auseinandersetzung
2
zu veranschaulichen. Virchow schreibt: "Schwann hatte die Bildung des Bindegewebes so
dargestellt, dass ursprünglich zellige Elemente von spindelförmiger Gestalt vorhanden wären, die
nachher so berühmt gewordenen Körperchen, Spindel- oder Faserzellen, und dass aus solchen
Zellen unmittelbar Fascikel von Bindegewebe in der Weise hervorgingen, dass der Körper der
Zelle in einzelne Fibrillen sich zerspalte, während der Kern als solcher liegen bliebe. Jede
Spindelzelle würde also für sich oder in Verbindung mit anderen, an sie anstossenden und mit ihr
verschmelzenden Spindelzellen ein Bündel von Fasern liefern. Henle dagegen glaubte aus der
Entwicklungsgeschichte schliessen zu müssen, dass ursprünglich gar keine Zellen vorhanden
seien, sondern nur einfaches Blastem, in welchem Kerne in gewissen Abständen sich bildeten; die
späteren Fasern sollten durch eine directe Zerklüftung des Blastems entstehen. Während so die
Zwischenmasse sich differenziere zu Fasern, sollten die Kerne sich allmählich verlängern und
endlich zusammenwachsen, so dass daraus eigenthümliche feine Längsfasern entständen, die
sogenannten Kernfasern. Reichert hat gegenüber diesen Ansichten einen ausserordentlich
wichtigen Schritt gethan. Er bewies nehmlich, dass ursprünglich nur Zellen in grosser Masse
vorhanden sind, zwischen welche erst später homogene Interzellularmasse abgelagert wird. Zu
einer gewissen Zeit verschmölzen dann wie er glaubte, die Membranen der Zellen mit der
Intercellularsubstanz, und es komme nun ein Stadium, dem von Henle analog, wo keine Grenze
zwischen den alten Zellen der Zwischenmasse mehr existiere. Endlich sollten auch die Kerne in
einigen Formen
1
In der Tat zeigt sich das Bindegewebe unter dem Mikroskop als ein an Strukturelementen
äußerst reichhaltiges Gebilde. Es enthält Zellen und zwar nicht nur die eigentlichen
Bindegewebezellen (Fibroblasten) mit ihren Faserausläufern, sondern ebenso die mobilen Zellen
der Gewebeflüssigkeit. Kompliziert wird das Bild dadurch, daß das Bindegewebe neben den
Fibroblasten, geformte Interzellularsubstanz enthält. Dabei handelt es sich um Syntheseprodukte
der Fibroblasten (Mikrofibrillen, Kollagenfasern, Elastinfasern). Gemeinsam mit den langen und
dünnen Fortsätzen der Fibroblasten bilden die interzellulären Fasern ein kompliziert vernetztes
Filzwerk (vgl. z. B. Bargmann 1977, Krstic 1978, Leonhardt 1985). Der ursprünglich aus der
Faserlehre stammende und an die Beschreibung von Textilstrukturen angelehnte Begriff Gewebe
trifft somit streng genommen nur auf das Bindegewebe zu. Denn allein das Bindegewebe weist
neben Zellen anatomisch autonome Faserstrukuren auf.
2
Zur Rekonstruktion der Debatte sei verwiesen auf die Darstellungen und weiterführenden
Literaturangaben bei: Arnold (1844): »Handbuch der Anatomie des Menschen«, Bruns (1841):
»Lehrbuch der allgemeinen Anatomie des Menschen«, Gerlach (1854): »Handbuch der
Gewebelehre«, Henle (1841): »Allgemeine Anatomie«, Kölliker (1850): »Mikroskopische
Anatomie der Gewebelehre des Menschen«, Leydig (1857): »Lehrbuch der Histiologie des
Menschen und der Thiere«, Reichert (1845): »Vergleichende Beobachtungen über das
Bindegewebe etc.«, Todd & Bowman (1845-56): »The Physiological Anatomy and Physiology of
Man«, Valentin (1842) »Gewebe.«
205
gänzlich verschwinden, während sie in anderen sich erhielten. Dagegen leugnete Reichert
entschieden, dass die spindelförmigen Elemente von Schwann überhaupt vorkämen. Alle
spindelförmigen, geschwänzten oder gezackten Elemente wären Kunstprodukte, gleich wie
Fasern, welche man in der Zwischenmasse sähe und welche nur scheinbar etwas für sich
existirendes darstellen, da sie in Wahrheit eine falsche Deutung des optischen Bildes, der
1
Ausdruck blosser Falten und Streifungen einer an sich durchaus gleichmässigen Substanz seien."
Virchow war es dann selbst, der Licht ins Dunkel der Auseinandersetzung um die Natur
des Bindegewebes brachte. Im Jahre 1851 gibt er eine Beschreibung des Bindegewebes, wie sie in
2
ihren Grundzügen bis heute erhalten geblieben ist. In der »Cellularpathologie« rundete er dann
seine Anschauungen ab. Neben den epithelialen Geweben, den "Geweben welche einzig und
allein aus Zellen bestehen, also im modernen Sinne Zellengewebe sind" unterscheidet Virchow
"unter dem Namen der Gewebe der Bindesubstanz" jenes Gewebe, "was man früher allgemein
3
Zellgewebe nannte". Dabei handele es sich um jene Gewebe, "in welchen regelmässig eine Zelle
von der anderen getrennt ist durch Interzellularsubstanz [...] in welchen also eine Art Bindemittel
existiert, das die einzelnen Elemente in sichtbarer Weise aneinander, aber auch auseinander
4
hält." Und weiter heißt es: "Meine Untersuchungen haben gelehrt, dass die Auffassung sowohl
von Schwann, als von Reichert bis zu einem gewissen Grade auf richtigen Anschauungen beruht.
Erstlich mit Schwann und gegen Reichert, dass in der That spindelförmige und und sternförmige
Elemente mit vollkommener Sicherheit existiren, dann aber gegen Schwann und mit Henle und
Reichert, dass eine directe Zerklüftung der Zellen zu Fasern nicht geschieht, dass vielmehr
dasjenige, was wir nachher als Bindegewebe vor uns sehen, an die Stelle der
1
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 41
Virchow (1851): »Die Identität von Knochen; Knorpel- und Bindegwebeskörperchen, sowie
über Schleimgewebe« S. 154 u. S. 314
3
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 27f. Losgelöst von der Bedeutung Bindesubstanz,
findet der Terminus Zellgewebe auch bei Virchow weiterhin Anwendung. Nämlich bei der
Zuordnung der Oberhautepithelien, jenen Geweben also, die am markantesten aus Zellen
aufgebaut sind. [Vgl. auch die Gewebeeinteilung in Kölliker (1867): »Gewebelehre« S. 47]
Neben Zellgewebe und den Geweben der Bindesubstanzen unterscheidet Virchow eine dritte
Kategorie: jene "Gewebe, in welchen specifische Ausbildungen der Zellen statt gefunden haben,
vermöge deren sie eine ganz eigenthümliche Einrichtung erlangt haben. (Wodurch sie sich denn
auch von Epithelial- und Bindegweben unterscheiden). Diese Gewebe höherer Ordnung sind es,
welche eigentlich den Charakter des Thieres ausmachen [...]. Hierher gehören die Nerven- und
Muskelapparate, die Gefäße und das Blut." (Ibid.) Die Virchowsche Gewebeeinteilung entspricht
im Prinzip der heute üblichen Klassifikation. Diese unterscheidet vier Gewebearten indem sie
neben dem Binde- und Epithelgewebe, die Virchowschen "höheren Gewebe" noch einmal in
Muskel- und Nervengewebe gliedert (vgl. z. B. Bargmann 1977, Leonhardt 1985).
4
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 27f
2
206
1
früher gleichmässigen Intercellularsubstanz tritt. [...]." Neben den "spindelförmigen",
"anastomisirenden" und "verästelten" Bindegewebszellen hebt Virchow die Faserteile des
Bindegewebes als Elemente der Interzellularsubstanz hervor. Die Fasern der Interzellularsubstanz,
sagt Virchow, "verhalten sich zu den Bindegewebszellen, oder, wie ich sie gewöhnlich nenne den
Bindegewebskörperchen, wie die Fasern des Fibrins in einem Blutgerinnsel zu den
Blutkörperchen. Sie geben dem Gewebe Consistenz, Dehnbarkeit, Widerstandfähigkeit,
Ausdehnungsfähigkeit, Farbe und Aussehen, aber sie sind nicht die Sitze der Lebensthätigkeit,
2
nicht die lebenden Mittelpunkte des Gewebes." Daß Virchow letzte Bemerkung für notwendig
hielt, zeigt, daß die Faserlehre noch nicht von allen Zeitgenossen Virchows überwunden war.
1
2
Ibid., S. 44
Ibid.
207
5. Die Entdeckung des Nervenkitt und die Forderung nach "Mitteln, die
Elemente der Nervensubstanz und des Bindegewebes zu unterscheiden."
Wie schon bei der Diskussion um den Begriff es Zellgewebes, so stellt sich nun erneut die Frage:
Wie stand es um die mögliche Existenz einer Bindesubstanz im Nervensystem? Noch in den
vierziger Jahren wurde das Bindegewebe eher als indifferenter Gewebezement beschrieben, denn
als ein nach unzweifelhaften Formkriterien charakterisiertes Gewebe. Die präparativen
Möglickeiten zur Darstellung histologischer Mikrosstruktuen, ließen eine eindeutige
morphologische Abgrenzung der alles durchdringenden Bindegewebselemente gegenüber den
jeweils "eigentlichen Theilen" der Organe einfach noch nicht zu. Über die Formbestandteile des
Bindegewebes bestand so wenig Klarheit, daß diese vielfach zu anderen Geweben gerechnet
wurden. Dies gilt auch, und im besonderen, für die Gewebe der zentralen Nervenorgane. Bei
Bidder und Kupffer heißt es hierzu im Jahre 1857: "Namentlich die Kenntnis der Nervengebilde
hat unter dieser Unsicherheit zu leiden gehabt, und wird wohl noch lange in solchem Fall bleiben,
nicht allein weil tiefeingewurzelte Vorstellungen sich nicht im Fluge umgestalten oder beseitigen
lassen, sondern weil es in der That Formen giebt, zu deren Beurtheilung die bisher üblichen
Normen nicht ausreichend erscheinen und deren richtige Deutung daher nur gesichert werden
kann durch eine umfassende und eindringende Bestimmung dessen, was einerseits zum Charakter
1
des Bindegewebes und andererseits zum Wesen der Nervensubstanz gehört."
Ohnehin spielte in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts die Charakterisierung
einer möglichen Bindesubstanz bei der Betrachtung der histologischen Verhältnisse der nervösen
Zentralorgane keine Rolle. "Alles worauf man stieß, kennzeichnen Bidder und Kupffer die
Forschungssituation dieser Jahre, wurde unbedenklich für wesentlich nerviges Element gehalten,
[...] alle Falten und Faserzüge der grauen Substanz ohne Ausnahme für Bündel von
Nervenfasern, deren complicirten Verlauf zu ermitteln zu den wichtigsten Aufgaben der Anatomie
2
gehörte." Nach einem Bindegewebe wurde im Nervensystem nicht gesucht. Dies änderte sich
selbst dann nicht, als es möglich war, die Bestandteile des Bindegewebes einigermaßen sicher von
den umgebenden, "eigentlichen" Organteilen zu unterscheiden. Noch einmal Bidder und Kupffer:
"Wenn nach solcher Verständigung über die Diagnose des Bindegewebes [insbesondere durch
Virchow und seinen Schülerkreis] darnach gefragt wird, ob und in wie fern dasselbe in die
Zusammensetzung der Nervencentra [...] eingehe, so muss man in der That überrascht sein, zu
finden, dass die neueste Zeit hieran kaum gedacht, geschweige denn genauere Angaben darüber
gebracht hat, obgleich in allen Organen nebst den eigenthümlichen Elementen derselben
verschiedene Formen des Bindegewebes längst nachgewiesen sind, und auch in den
peripherischen Nerven
1
2
Ibid., S. 9
Ibid., S. 43
208
nicht allein der Antheil dieser Substanz an dem Zustandekommen grösserer Nervenstämme und
kleinerer Nervenbündel wohl gekannt, sondern auch das Auftauchen von mancherlei
Täuschungen über die wahre Natur der Nervenelemente auf diese Quelle zurückgeführt ist. Noch
auffallender erscheint aber dieses gänzliche Ignorieren des Antheils der Bindesubstanz an der
1
Zusammensetzung der Nervencentra [...]."
Valentins Pionierleistung, bereits 1836 neben den Kugeln und fortlaufenden Primitivfasern das
Zellgewebe, als das die "Elementartheile des Nervensystems" durch "zellgewebige Verbindung"
zusammenfügende Element hervorgehoben zu haben, und ihr "fadenziehendes Aussehen", den
Aufbau des Zellgewebes aus "fadenartigen zellgewebigen Fortsätzen", "zellgewebigen Fäden"
oder "Zellgewebsfasern" erkannt zu haben, wird umso deutlicher, vergegenwärtigt man sich die
Anschauungen der Autoren um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Jakob
Henle,
der
herausragende Anatom jener Jahre, verlor in seiner »Allgemeinen Anatomie« nicht ein Wort über
das Vorkommen einer Bindesubstanz im Nervensystem, weder in der grauen noch in der weissen
2
Substanz. Später ist dann zwar die Rede von einer "feinkörnigen Intermediärmasse", doch
bestand diese für Henle aus einer zusammengeflossenen, nicht gesonderten Ganglienmasse, die
3
chemisch und histologisch dem Inhalt der Ganglienzellen entsprechen sollte. Ebensowenig
Bedeutung erfährt eine histologisch eigenständige Bindesubstanz der nervösen Zentralorgane in
den Arbeiten Bernhardt Stillings. Für Stilling besteht die weiße Substanz aus Nervenröhren, die
graue Substanz aus "grauen Fasern", die alle aus Nervensubstanz bestehen. Zwar bemerkte auch
Stilling eine feinkörnige Ur- oder Grundmasse zwischen den Faserelementen, doch interpretierte
4
er diese, wie Henle, als zusammengeflossene Nervensubstanz. Ebenso sind inzwischen für
Arnold, der sich ja noch 1838 den Ansichten Keuffels über die "fibröse Substanz" im
5
Rückenmark angeschlossen hatte, neben der "feinkörnigen Grundmasse" Henles, alle
Faserstrukturen des Nervensystems Nervenfasern. Verwechslungen könnten allenfalls mit den
6
dünnsten Blutgefäßen auftreten, meinte Arnold. Auch Kölliker fand in den ersten Ausgaben
seiner Handbücher, abgesehen von einer beiläufigen Bemerkung, daß die Blutgefäße von
Bindesubstanz umgeben seien, keine Worte für den Anteil einer
1
Ibid., S. 16
Henle 1841, S. 670ff
3
Henle (1846): »Handbuch der rationellen Pathologie.«
4
Stilling (1842a): »Untersuchungen über die Textur des Rückenmarks«, (1843): »Ueber die
Textur und Function der Medulla oblongata«, (1846): »Untersuchungen über den Bau und die
Verrichtungen des Gehirns.«
5
Arnold (1838): »Bemerkungen über den Bau des Hirnes und des Rückenmarks.«
6
Arnold (1844): »Handbuch der Anatomie des Menschen« S. 260, S. 641, S. 685, S. 677
2
209
1
Bindesubstanz an der Zusammensetzung der zentralen Nervenapparate. Die weiße Substanz
2
bestünde aus Nervenröhren, die graue zu gleichen Teilen aus Nervenzellen und Nervenröhren.
Lediglich von einer "feinkörnigen blassen Substanz" in der grauen Substanz ist die Rede. Diese
3
habe größte Ähnlichkeit mit der Natur der Nervensubstanz. Gerlach, um ein letztes Beispiel
anzuführen, schreibt in seinem »Handbuch der Gewebelehre« schlicht und einfach, die weiße
Substanz bestünde "ausschließlich" aus Nervenröhren, die graue Substanz zu einem Drittel aus
4
Nervenzellen und zu zwei Drittel aus feinsten Nervenfasern. Fast ließe sich somit sagen: um die
Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich der Wissensstand über ein Binde- oder Zwischengewebe
im Zentralnervensystem noch auf dem Stand der »Anatomie générale« Francois Xavier Bichats
und dessen Überlegungen zum Kopfzellgewebe.
Wiederum war es Virchow, der einen Vorstoß unternahm. Dieser war bereits in den 40er Jahren
in einer durch die Behauptung Henles, das Flimmerepithel der Ventrikel säße unmittelbar der
Nervensubstanz auf, inspirierten Untersuchung "der inneren Haut der Gehirnventrikel", auf ein
Zwischengewebe im Gehirn aufmerksam geworden, das sich gegen die Ventrikel hin verdichtete.
Seine Beobachtungen hatte Virchow 1846 mit dem Aufsatz »Ueber das granulirte Aussehen der
Gehirnventrikel« veröffentlicht. In besagtem Aufsatz erwähnt Virchow beiläufig, daß "diese
Erscheinung" aus "Bindesubstanz" bestehe, die im "mikroskopischen Bild deutlich faserig"
erscheine. Spuren von Zellenbildung [!], wie das Vorhandensein von Kernen, seien allerdings
5
"selten nachzuweisen". Einige Jahre später, unter dem Titel »Ueber eine im Gehirn und
6
Rückenmark des Menschen aufgefundene Substanz mit der chemischen Reaction der Cellulose«
äußerte sich Virchow bereits entschlossener: "Was die Hirnventrikel betrifft, so habe ich mich
schon oft wiederholt dafür ausgesprochen, daß ich sie überall von einer zu den Geweben der
Bindesubstanz zu rechnenden Haut überzogen vorfinde, auf welcher das Epithel aufsitzt. Diese
Haut ihrerseits enthält sehr feine, zellige Elemente und eine bald dichtere, bald weichere
Grundsubstanz, und sie setzt sich nach innen ohne besondere Grenzen zwischen die
7
Nervenelemente hinein fort." Virchow kommt schließlich zu dem Schluß, "dass eine weiche, der
Bindesubstanz im großen zugehörende Grundmasse überall die Nervenelemente der Centren
durchsetzt und
1
Kölliker (1850): »Mikroskopische Anatomie der Gewebelehre des Menschen« S. 391 u. S. 490
Ibid., S. 410, vgl. ebenso Kölliker (1852): »Handbuch der Gewebelehre« S. 274
3
Kölliker 1850, S. 407
4
Gerlach 1854, S. 444 u. S. 447
5
Virchow 1846, S. 248
6
Virchow 1853b
7
Ibid., S. 136
2
210
1
zusammenhält [...]."
Damit war endlich der entscheidende Hinweis auf die Existenz einer histologisch nicht zu
den "nervigen Elementen" zu rechnenden Zwischen- bzw. Bindesubstanz in den Zentralorganen
des Nervensystems gefallen. Wie Valentin diese Zwischenmasse einst als Zellgewebe bezeichnete
und als ausfüllende, "interstitielle Belegungsformation" interpretierte, so rechnet auch Virchow
die Zwischenmasse im Nervensystem zur Kategorie der Bindesubstanzen, also zu jenem Gewebe,
2
das "die einzelnen Elemente in sichtbarer Weise aneinander aber auch auseinander hält". In
diesem Punkt gingen Virchows Vorstellungen über diejenigen Valentins denn auch kaum hinaus,
wären sie nicht mit dem Hinweis versehen worden, daß die Bindemasse im Gehirn nicht nur
Fasern enthielte, die keine Nervenfasern sind, sondern neben diesen auch Zellen, bei denen es es
sich offenbar nicht um Nervenzellen handelte.
Doch wie einst die Worte Valentins, so verhallen auch Virchows Anschauungen ungehört.
Weiterhin leuchtet nirgendwo der Gedanke durch, daß nachgewiesene Formen innerhalb des
Zentralorgans als etwas anderes gedeutet würden, denn als in irgendeiner Weise auf
Nervenelemente rückführbar. Lediglich vage Vorstellungen flackern auf. So bei Wagner, der
zwar zur Ansicht Virchows neigt, eine Bindsubstanz im Nervensystem könne durchaus vermutet
3
werden, sich aber dennoch nicht zur Loslösung von den Ansichten Henles durchringen kann. So
behauptet Wagner einerseits mit Virchow, die feinkörnige Substanz der Hirnrinde müsse aus der
Klasse der Nervenelemente ausgeschieden werden, nimmt aber andererseits mit Henle an, die
4
feinkörnige Substanz entspreche chemisch und histologisch dem Inhalt der Ganglienzellen.
Deutlich äußert sich allein Kölliker, nun in der 2. Auflage seiner »Gewebelehre«. Dort heißt es bei
der Besprechung des Rückenmarks, es sei "durchaus nicht zu verkennen, dass [in der grauen
Substanz des Rückenmarkes] auch Bindegewebe enthalten ist [...], ja ich finde jetzt, vor Allem
schön bei Kindern, dass durch die ganze graue Substanz hindurch überall zahlreiche kleine
sternförmige Zellen vorkommen, die ich nach Aufklärungen die wir Virchow über die Elemente
5
des Bindegewebes verdanken, nun ebenfalls zu diesem zähle."
Im Jahre 1856 erscheinen Virchows »Gesammelte Abhandlungen«. Dort findet sich auch
die Untersuchung über die ependymale Zellschicht der Gehirnventrikel aus dem Jahre 1846. Diese
ist inzwischen mit einer Fußnote versehen, in der es heißt: "Nach meinen Untersuchungen besteht
daher das Ependym nicht bloß aus einem Epithel, sondern wesentlich
1
Ibid., S. 138
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 27
3
Wagner (1854b): »Über die Elementarorganisation des Gehirns.«
4
Ibid., S. 28
5
Kölliker 1855, S. 304
2
211
aus einer mit Epithel bekleideten Bindegewebsschicht, und obwohl diese sich ohne Schwierigkeit
von der Oberfläche abpräpariren lässt, so bildet sie doch keine isolirte Haut im engerene Sinne
des Wortes, sondern nur die über die Oberfläche hervortretende Schicht der ZwischenBindesubstanz der Hirnsubstanz. Diese Bindesubstanz bildet in dem Gehirn, dem Rückenmark
und den höheren Sinnesnerven eine Art von Kitt (Neuroglia) in welche die Nervenfasern und
1
Nervenzellen eingesenkt sind [...]." Virchow betont erneut, daß die Bindesubstanz im Gehirn,
neben den Faserteilen auch Zellen enthielte: "Untersucht man sie frisch, so findet man eine
feinkörnige, sehr reiche Substanz mit länglich-ovalen, ziemlich grossen Kernen, die man früher
[Henle u.a.] für eine besondere Art von Nervenmasse hielt. Die Kerne sind indess in sehr weichen
und gebrechlichen Zellen enthalten, wie man zuweilen schon an frischen Objecten, noch
deutlicher an künstlich erhärteten sieht. [...]. Namentlich im Umfange der Gefäße verdichtet sie
sich gewöhnlich zuerst und hier werden dann auch die eingeschlossenen zelligen Elemente zuerst
2
deutlich."
Mit diesen Sätzen Virchows ist die Geburtsstunde der Neuroglia markiert, wenngleich
Virchows Zwischen-Bindesubstanz und die darin eingeschlossenen zelligen Elemente noch lange
nicht das meint, was wir heute unter Neuroglia und unter Gliazellen verstehen.
Es ist jedoch keineswegs Virchow allein, der die Erforschung der Bindesubstanz und deren Zellen
in den Zentralorganen vorantreibt. Mitte der 50. Jahre entstehen in der Dorpater Schule, um den
bereits mehrfach zu Wort gekommenen Franz Bidder, die ersten systematischen Beobachtungen
3
der Bindesubstanz in Wirbeltier-Nervensystemen. In Fortsetzung dieser Betrachtungen, entstehen
die »Untersuchungen über die Textur des Rückenmarks«, die Bidder, gemeinsam mit seinem
4
Assistenten Carolus Kupffer im Jahre 1857 veröffentlichte. Bei Bidder und Kupffer heißt es: "In
diesen alten Vorstellungen bin auch ich vollständig befangen gewesen, und habe ebenfalls
unsägliche Zeit und Mühe darauf verwendet in jenem Wirrsaal von Fasern [...] Ordnung und
Gesetz nachzuweisen. Je längere Zeit trotz fortgesetzter Beschäftigung mit diesem Gegenstande
dazu erforderlich war, mich von diesen allgemein gangbaren Vorurtheilen loszuringen, um so
5
entschiedener und vollständiger habe ich sie nun auch verlassen." Hatten Virchows
Überlegungen zur Bindesubstanz im Gehirn sich begrenzt auf das "Ventrikelproblem" bezogen:
"Die Angabe
1
Virchow 1856, Anmerkung 3), S. 889f
Ibid.
3
Owsjannikov und Kupffer hatten das Rückenmark der Fische untersucht und gefunden, daß das
Bindegewebe einen integrierenden Bestandteil der grauen Substanz ausmache. Metzler hatte diese
Beobachtungen am Rückenmark von Vögeln bestätigt. Owsjannikow (1854): »Disquisitiones
microscipciae de medullae spinalis textura«, Kupffer (1854): »De medullae spinalis textura«,
Metzler (1855): »De medullae spinalis avium textura«.
4
Bidder & Kupffer 1857
5
Ibid., S. 43
2
212
[wie sie von Henle vertreten wurde], dass die Epithelien der Hirnkammern unmittelbar auf den
Nervenelementen aufsitzen, scheint auf einer Verwechselung dieser Zwischensubstanz mit der
1
eigentlichen Nervensubstanz zu beruhen," so fügen Bidder und Kupffer nun ausdrücklich und
verallgemeinernd hinzu: "dass solche Verwechslung nicht blos, wie Virchow hervorhebt, an der
inneren Oberfläche der Nervencentra, sondern ebenso an der äusseren Oberfläche derselben, und
mitten in der Substanz der Centraltheile, überhaupt überall, wo die sogenannte graue
2
Nervensubstanz sich findet und zum Theil auch in der weissen Masse statt gehabt hat."
Bidder und Kupffer bemühten sich jedoch nicht nur um den Nachweis einer
Bindesubstanz im Nervensystem, sondern sie versuchten darüber hinaus eine erste systematische
Unterscheidung der in die untersuchte Gewebetextur eingehenden Bindesubstanz- und
Nervengewebsformationen. "[I]n der That" gebe es Formen im Nervensystem, "zu deren
Beurtheilung die bisher üblichen Normen nicht ausreichend erscheinen und deren richtige
Deutung daher nur gesichert werden kann durch eine umfassende und eindringliche Bestimmung
dessen, was einerseits zum Charakter des Bindegewebes und andererseits zum Wesen der
3
Nervensubstanz gehört." Erstmals in einer Untersuchung zur Histologie des Nervensystems findet
sich in Bidders und Kupffers »Untersuchung« denn auch ein methodisches Kapitel »Von den
Mitteln, die Elemente der Nervensubstanz und des Bindegewebes zu unterscheiden«. Die 'Mittel'
"welche die Elemente des einen oder des anderen Gewebes in so charakeristischer Weise
veränderten, dass ein Verkennen derselben unter dem Mikroskop unmöglich würde" sollten dem
Zweck dienen, die "Elementarformen" der Gewebe der Nervenapparate "ins Auge zu fassen, die
unterscheidenden Merkmale derselben, so weit sich solche bestimmen lassen, hervorzuheben, die
Grenzen solcher Unterscheidung unumwunden anzuerkennen und damit im Voraus so weit als
möglich der auf diesem verwickelten Gebiete nur zu nahe liegenden Versuchung zu begegnen, die
4
Lücken anatomischer Erfahrung durch physiologische Ansichten auszufüllen."
Allerdings waren die von Bidder und Kupffer verwendeten ’Mittel’ nicht sonderlich
5
erfolgreich, ja sie führten gar zu Fehlschlüssen. Weigert schreibt später über die Arbeit
1
Virchow 1853b, S. 138
Ibid.
3
Ibid., S. 9
4
Ibid., S. 24
5
Bidder und Kupffer war es zwar gelungen, die nach der Hannoverschen Methode [Hannover
(1840): »Die Chromsäure«, (1844): »Recherches microscopique«] mittels Chromsäure gehärteten
Gewebeteile mit einem Rasiermesser in ausreichend dünne Scheiben zu schneiden, doch die zur
Verfügung stehenden Färbemittel reichten nicht aus, Unterschiede in den Strukturmerkmalen
deutlich erkennbar zu machen. Ein Problem, das Bidder und Kupffer durchaus bewußt war. Die
einige Jahre später so erfolgreiche Carminfärbung wurde erst 1858 vorgestellt. [Gerlach (1858):
»Mikroskopische Studien auf dem Gebiet der menschlichen Morphologie«] Näheres zur Methode
Bidders und Kupffers vgl. Bidder & Kupffer 1857, Kapitel I: »Von der bei der Untersuchung des
Rückenmarks angewendeten Methode.«
2
213
Bidders und Kupffers: "Wie man sieht, war das Bestreben dieser Autoren, Klarheit in die
Unterschiede der bindegewebigen und nervösen Elemente des Rückenmarks zu bringen, sehr
1
lobenswert, aber bei der mangelhaften Technik wurden sie zu Irrtümern geführt." In der Tat
zählten Bidder und Kupffer im Rückenmark alle Zellen der Hinterhörner und der grauen
Kommissuren und alle Zellen der Substantia gelatinosa zur Bindesubstanz; ein Irrtum, den später
Kölliker korrigierte, durch den Nachweis von Nervenfasern in der grauen Kommissur und von
2
echten Nervenzellen in der grauen Substanz der Hinterhörner.
Was Bidder und Kupffer nun anhand von Kriterien wie "Mangel der gelben Färbung im
3
Chromsäurepräparate" oder "fehlende Verbindung mit entschiedenen Nervenfasern" für
Strukturen der Bindesubstanz hielten, und inwieweit sie diese mit Nervenzellen und Nervenfasern
verwechselten oder umgekehrt, soll hier nicht zur Debatte stehen, zumal derartige Fragestellungen
4
hinter das Verdienst Bidders und Kupffers zurücktreten, sie überhaupt problematisiert zu haben.
Entscheidend für die historische Bewertung der »Untersuchung« der Dorpater Anatomen ist, daß
sie, im Unterschied zu Virchows Spezialuntersuchung der Gehirnventrikel, der maßgebliche
Impuls war für eine Fülle von Nachfolgeuntersuchungen. Erst die »Untersuchung« Bidders und
5
Kupffers brachte die Abkehr von der "tiefeingewurzelten Vorstellung", die zentralen
Nervenapparate als einheitliche Substanzmasse aufzufassen, auf den Weg.
Bidder und Kupffer zu Ehren, sei deren Beschreibung eines "Bindegewebskörperchens",
wie sie sie im Nervensystem auffanden, hier wiedergegeben. Möglicherweise (leider geben
Bidder & Kupffer keine Abbildung) handelt es sich um die erste Beschreibung einer Gliazelle:
"Es sind diess theils runde, theils oblonge, bald ohne
1
Weigert (1896): »Beiträge zur Kenntnis der normalen menschlichen Neuroglia« S. 71
Kölliker (1867): »Handbuch der Gewebelehre.«
3
Bidder & Kupffer 1857, S. 45
4
Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die nach Bidder und Kupffer erschienenen
Veröffentlichungen des Engländers J. L. Clarke. [Clarke (1858) »Researches on the intimate
structure of the brain, human and comparative,« (1859): »Further researches on the grey
Substance of the spinal cord.«] Auch Clarke war sich bewußt, daß die Zeit noch nicht gekommen
war, um zwischen den nervösen und den bindegewebigen Elementen des Nervensystems eine
scharfe Unterscheidung treffen zu können. Seine 1859 veröffentlichte Untersuchung des
Rückenmarks beendet er mit den Worten: "These observations render it apparently impossible, to
print out the exact distinction between the connectif and the nerve tissue, and might suggest the
question, whether there is any actual and essential difference between them or whether the
connectif tissue of the cord be intermediate in its nature passing on the one hand into nerve-tissue
and on the other into the pia mater." (Clarke 1859, S. 442, zit. aus Weigert 1896, S. 72f)
5
Bidder & Kupffer 1857, S. 9
2
214
Fortsätze, bald mit zwei oder mehreren Ausläufern versehene, und dadurch eckige oder
sternförmige Gebilde von 0.003-0.002'''im Durchmesser, mit tief dunklen Conturen, und einem in
der Regel scharf begrenzten Kern in der Mitte. Sie sind ziemlich gleichmässig durch die graue
Substanz verbreitet, ohne dass sich ein bestimmtes Gesetz in ihrer Ordnung nachweisen liesse. Die
Ausläufer sind nicht selten so zart, dass sie nicht zwei seitliche Begrenzungslinien darbieten,
sondern als einfacher wellenförmig verlaufender Strich erscheinen. Die Ausläufer benachbarter
Zellen gehen häufig in einander über, so dass dadurch ein Ansehn entsteht, wie es die
anastomosierenden Fortsätze der Knochenkörperchen in einem dünnen Knochenschliffe zeigen.
[...]. Es sind diese Zellen also mit einem Worte Bindegewebskörperchen, und die mit ihnen
zusammenhängenden Fasern sind die als spiralige oder elastische Fasern bekannten
1
Zumischungen zum Bindegewebe."
1
Ibid., S. 45
215
II. Die Entdeckung der Astrozyten
1. Im "Chaos der endlosen Widersprüche"
War das Vorkommen einer fadenartigen Bindesubstanz im Zentralnervensystem von Keuffel
1811 gewissermaßen erdacht, von Valentin 1836 dann tatsächlich entdeckt, von Virchow
1846/1853 als zellulare Substanz wiederentdeckt und mit dem Namen Neuroglia versehen
worden, so begann mit Bidder und Kupffer ihre systematische Erforschung.
Zunächst war die Frage nach der geweblichen Zugehörigkeit der Bindesubstanz im
Nervensystem zu klären. Handelte es sich bei der Bindesubstanz im Nervensystem um den
kollagenen Bindegewebetypus, der überall in den Körperorganen zu finden war, handelte es sich,
neben Nervenzellen und Nervenfasern, um ein Nervensystem-spezifisches Gewebe, oder gibt es
ein Nebeneinander von kollagenösem Bindegewebe und Nervensystem-spezifischer
Bindesubstanz? Schon Virchows Benennung der Bindesubstanzen im Gehirn als Nervenkitt
implizierte ja die Absicht, eine Abgrenzung der Bindsubstanz im Nervensystem von dem
gewöhnlichen, kollagenen Bindegewebe deutlich zu machen. Zwei Jahre nach Erscheinen der
»Gesammelten Abhandungen« heißt in der »Cellularpathologie« über das Bindegewebe im
Nervensystem: "Obwohl zur großen Klasse der Bindesubstanzen gehörig, zeigt es doch so
wesentliche Eigenthümlichkeiten, dass ich mich veranlasst sah, ihm den neuen Namen Neuroglia
1
(Nervenkitt) beizulegen." Mit der Einordnung von Neuroglia in die "große Klasse der
Bindesubstanzen", meinte Virchow die verwandtschaftliche Nähe der Neuroglia zu den anderen
Füllmassen des Körpers, als da als deren "Hauptglieder" sind: das "echte Bindegewebe",
2
Schleimgewebe, Knorpel- und Knochengewebe, Zahnbein und Fettgewebe. Eine jede dieser
Bindesubstanzen verstand Virchow als "zusammengesetzt aus Zellenterritorien, von denen jedes
eine Zelle mit dem ihr zugehörigen Anteil von Intercellularsubstanz enthält, und deren Grenzen
gänzlich verschmolzen sind. Man kann dies auch so ausdrücken, dass man sagt: das Bindegewebe
besteht aus einer im Wesentlichen faserigen Intercellularsubstanz und Zellen, welche in
3
regelmässigen Abständen in dieselbe eingeschlossen sind." Eine Unterscheidung der
Hauptglieder der Bindesubstanzen im Körper, sagt Virchow, sei einzig und allein über die
"Beschaffenheit der Intercellularsubstanz" zu treffen, letztere sei "je nach Bindesubstanz
4
verschieden und keineswegs überall faserig." Virchows Äußerungen ist allerdings nicht zu
entnehmen, welche Kriterien er denn nun tatsächlich zugrunde legte, wenn er die Neuroglia vom
1
Virchow 1858a, S. 250
Virchow 1858a, in Virchow 1871, S. 40
3
Ibid., S. 45
4
Ibid.
2
216
"echten Bindegewebe" im Nervensystem unterschied, abgesehen von wenig erhellenden
Bemerkungen, wie: Das Bindegewebe sei "hart und zäh" gegenüber der "weichen und
1
gebrechlichen" Neuroglia. Virchows Ausdrucksweise bleibt unklar und allgemein. So spricht er
einerseits von der Klasse der Bindesubstanzen, zu welchen sowohl das "echte Bindegewebe" als
auch die Neuroglia zu rechnen sei, bemüht sich aber andererseits nicht um die saubere Trennung
der Begriffe Bindesubstanz und Bindgewebe. Neuroglia nennt Virchow einmal "Bindesubstanz
Neuroglia", an anderer Stelle eine "Art Bindegewebe", oder ein "dem Bindegewebe analoges
2
Gewebe". Auch die zellulare Interpretation der Neuroglia wird bei Virchow noch nicht recht
deutlich. Meinte Virchow mit Neuroglia ein aus spezifischen Zellen, Fasern und
Interzellularsubstanz zusammengesetztes Gebilde, vergleichbar dem "echten Bindegewebe", oder
lediglich von "echten Bindegewezellen" produzierte Interzellularsubstanz? In der
»Cellularpathologie« heißt es, es müsse "bestimmt behauptet werden, dass, wo Neuroglia
vorkommt, sie auch eine gewisse Zahl von zelligen, ihr gehörenden Elementen enthält," wobei
sich "ähnliche Elemente [...] auch zwischen den Nervenfasern des Grosshirns" vorfänden. Diese
aber seien "so weich und gebrechlich, dass man meist nur Kerne wahrnimmt, die in gewissen
3
Abständen zwischen die Masse gestreut sind." Für Virchow gab es somit noch keine Gliazellen,
wie wir sie heute eindeutig von Bindegewebszellen unterscheiden, sondern, unter den Zellen der
Neuroglia verstand Virchow, in die "freien Theile" der Neuroglia eingebettete
"Bindegewebszellen". Virchows Neuroglia bedeutete offenbar in erster Linie
Interzellularsubstanz.
Wie bereits mehrfach angedeutet, brachten Bidders und Kupffers »Untersuchung« die
systematische Beschäftigung mit der Bindesubstanz im Nervensystem auf den Weg. In den Jahren
nach Erscheinen der »Untersuchung« kam zu einer Fülle von Publikationen. Eine einheitliche
Auffassung über die Beschaffeneheit jenes Gewebes zwischen Ganglienzellen und Nervenfasern,
ist diesen allerdings nicht zu entnehmen. Zu wenig eindeutig waren die mit den gängigen
Methoden erzielten Ergebnisse. Man dürfe sich "darüber nicht wundern", heißt es schon bei
Virchow in den »Gesammelten Abhandlungen«, "dass sie [die Neuroglia] selbst bei demselben
Individuum nicht überall von gleicher morphologischer Beschaffenheit ist, und dass man an
4
einzelnen Stellen mehr fibrilläre, an anderen homogene, an anderen körnige Masse antrifft."
1
Ibid., S. 246
Ibid.
3
Ibid., S. 250f
4
Virchow 1856, S. 890
2
217
Fig. 14 Rudolf Virchows Darstellung subependymaler "Neuroglia" am Boden des IV. Hirnventrikels [aus Virchow
1858]. E, epitheliales Ependym; v-w, Blutgefäß; N, Nervenfasern. Dazwischen der "freie Teil" der Neuroglia mit
zahlreich eingelagerten Zellen, Zellkernen und Corpora amylacea (ca).
218
Die Literatur dieser Jahre bietet eine Fülle der unterschiedlichsten Ansichten. Einzige
Gemeinsamkeit sind kaum nachzuvollziehbare Schilderungen der beobachteten histologischen
Elemente; offenbar ein Eindruck, zu dem nicht nur der Leser des ausgehenden 20. Jahrhunderts
gelangt. So schrieb der Berliner Neurohistologe und Physiologe Franz Boll (1849-1879) in den
70er Jahren des 19. Jahrhunderts rückblickend: "Die Nothwendigkeit, die vielfach verschiedenen
Bilder, die das Bindegewebe der Centralorgane in den verschiedenen Provinzen darbietet, bald in
der Form von Zellen, bald von Fasern, bald als ’amorphe’, bald als ’körnig-faserige'
Grundsubstanz erscheinend - alle diese Bilder unter ein und derselben Kategorie zur vereinigen,
hat die Darsteller zu einer sehr weitgehenden Elasticität der Ausdrucksweise gezwungen, so dass
es vielfach eine Unmöglichkeit ist, irgend welche correcte sachliche Vorstellungen mit den in der
Literatur vorliegenden, einer jeden naturwissenschaftlichen Bestimmtheit entbehrenden
1
Beschreibung zu verbinden." Darüber hinaus, schreibt Boll an selber Stelle, hätte man angefangen
zu "generalisieren, [...] ehe noch das für diese schwierigen Fragen nothwendige thatsächliche
Material in hinreichender Menge angesammelt war. Ungenügende histologische Untersuchungen
oder im besten Falle eine gewissenhafte Durchforschung einer einzigen Provinz der
Centralorgane waren bisher die Basis, von welcher aus die Histiologen sich berechtigt glaubten,
Theorien aufzustellen, die nichts weniger als einige allgemeine Gültigkeit für die Gesamtstructur
des gesammten Bindegewebes der Centralorgane beanspruchten. Das was über das Bindegewebe
des Rückenmarks ermittelt war, wurde unbedenklich auf die Grosshinrinde, die Resultate der
2
Untersuchung der Grosshinrinde wurde wieder auf das Rückenmark angewandt." Demzufolge
zöge denn auch durch die Literatur der Gedanke, "dass die Struktur des Bindegewebes in den
einzelnen Provinzen der Centralorgane eine identische sein müsse, und demgemäß auch das
3
Bestreben, [...] identische Strukturverhältnisse mikroskopisch zu demonstrieren."
In der Tat wird in den Jahren nach Bidder und Kupffer jede nur denkbare Position bezogen.
Einige Autoren schließen sich den Ansichten Bidders und Kupffers über das Vorkommen einer
4
bindegewebigen Masse im Nervensystem an, andere sprechen noch immer gegen die Existenz
einer Bindesubstanz im Nervensystem. Allen voran Stilling, der nach wie vor alle Zellen und
5
Fasern im Nervensystem als Nervenfasern und Ganglienzellen auffasste. Auch
1
Boll (1874): »Zur Histologie und Histiogenese der nervösen Zentralorgane« S. 5f
Ibid.
3
Ibid.
4
Z. B. Lenhossék (1858a): »Beiträge zur Erörterung der histologischen Verhältnisse des
centralen Nervensystems.«
5
Stilling (1859): »Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks.«
2
219
Wagner und Henle behielten ihre alte Anschauung bei, alle Elemente der grauen
Intermediärsubstanz in der Hirnrinde seien Ausbreitungen feiner Nervensubstanz. Merkwürdig im
1
Unklaren befindet sich auch Kölliker in der 3. Auflage seines »Handbuches«. So anerkennt, er
mit Wagner und Henle, die morphologische und physikalische Übereinstimmung der "körnigen
Substanz" mit dem Inhalt der Nervenzellen und betont die Funktion der "feinkörnigen
Punktmasse" im Gehirn als Verbindungssubstanz der Ganglienzellen und Fasern, glaubt aber
andererseits,
inbesondere
im
Rückenmark
(wie
schon
1855)
"sternförmige
2
Bindesgewebskörperchen" zu erkennen. Wieder andere, wie Berlin, sehen zwar eine
"moleculäre", interstitielle Substanz, verzichten jedoch darauf, diese hinsichtlich ihrer
3
histologischen Zugehörigkeit zu bewerten. Jacubowitsch, um ein weiteres Beispiel anzuführen,
anerkennt zwar die Existenz eines Bindegewebes, bestreiten aber das von Bidder und Kupffer
4
behauptete Vorkommen von Bindegewebszellen. Für Jacubowitsch ist das Bindegewebe im
zentralen Nervensystem eine vollständig amorphe, "fein granulirte, stellenweise netzartig
5
gezeichnete" Masse, ohne Elemente, welche Zellkörperchen vergleichbar seien. Ähnlich äußert
6
sich Leydig über eine "diffuse Bindesubstanzmasse" in den zentralen Nervenapparaten. Auch er
sieht keine Zellen sondern unregelmäßig eingestreut in die "feinkörnige Masse", eine gewisse
Anzahl "vereinzelter Kerne", die Höhlungen aufweisen in welchen die Nervenfasern befestigt
7
seien.
Erst der Bonner Anatom und Physiologe Max Schultze (1825-1874) lenkte die Diskussion in
8
geordnetere Bahnen. Schultze bezog zwei grundsätzliche Positionen: 1) die zwischen den
Nervenzellen der grauen Substanz des Grosshirns befindliche "feinkörnige Substanz" sei echtes
Bindegewebe, 2) die körnige Beschaffenheit, von der die meisten Autoren, insbesondere Henle,
redeten, sei eine Täuschung. Die "feinkörnige Substanz" sei nicht wirklich körnig, sondern
erscheint nur so, wenn sie bei mässiger Vergrößerung betrachtet wird. Bei 600- bis 800-facher
Vergrößerung hingegen, bemerke man, daß das körnige Aussehen durch ein feines Fasernetz
hervorgebracht werde, wie man es auch bei den anderen
1
Kölliker 1859
Ibid., S. 290ff
3
Berlin (1858): »Beiträge zur Structurlehre der Gehirnwindungen.«
4
Jacubowitsch (1857): »Mittheilungen über die feinere Structur des Gehirns und Rückenmarks.«
5
Ibid., S. 42
6
Leydig (1857): »Lehrbuch der Histologie.«
7
Ibid., S. 166 u. S. 890
8
Schultze (1859) »Observationes de retinae structura penitiori.«
2
220
1
Bindegeweben finde. Bezüglich Punkt 1) fanden Schultzes Anschauungen rasch Gefolgschaft. In
der Folge verlor sich in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts der alte Gedanke von der NichtExistenz einer Bindesubstanz in den Zentralorganen des Nervensystems gänzlich. "Nicht mehr die
Existenz des Gewebes steht in Frage" heißt es nun bei Virchow, "sondern nur noch seine
2
Ausdehnung und Zusammensetzung." Hingegen schieden sich die Auffassungen der Autoren in
der Frage nach der netzförmigen Beschaffenheit der zentralen Bindesubstanz. Insbesondere Henle
blieb bei seiner Ansicht über eine "feinkörnige Substanz" der Hirnrinde und hielt seinerseits
Schultzes Fasernetze für Kunstprodukte.
Die Jahre zogen ins Land, ohne daß es zu weiteren Fortschritten in der histologischen Darstellung
der zentralen Bindesubstanzen kommen wollte. Die Frage nach der feineren Morphologie der
zentralen Bindesubstanzen blieb weiterhin eine "hinreichend verworrene Frage". Bei Henle und
Merkel heißt es noch 1869 über den "Cirkel in welchem sich seit Jahrzehnten die
3
Bindegewebstheorie dreht" : "Um die Deutung des mikroskopischen Bildes, ob die Punktirung von
eingebetteten Körnern oder kreisförmigen Lücken herrühre, dreht sich [...] der Streit. Uffelmann
4
und Gerlach halten an der älteren Anschauung fest, Schultze, v. Hessling, Besser und Arndt
verhalten sich neutral in verschiedenem Sinne, die beiden ersten, indem sie sich eines bestimmten
Urtheils enthalten, die anderen, indem sie, was allerdings nur mittels einer gewissen Unklarheit
der Anschauung zu erreichen war, die streitenden Meinungen mit einander zu verbinden suchen.
So beschreibt Besser die Rindensubstanz des Grosshirns als ein aus 'feinen, äusserst zarten, zu
dem dichtesten Netz zusammentretenden kurzen, fast punktförmigen Theilchen zusammengesetztes
Gewebe', welches 'trotz seiner feinkörnigen Beschaffenheit dicht geästelt oder verfilzt fest an den
5
nervösen Elementen sitze' und Arndt nennt die Neuroglia der Großhirnrinde mit dürren Worten
'körnig-faserig'. Wieder in anderer Weise sucht Stieda beide Ansichten zu versöhnen. Wie in einer
früheren Abhandlung über die Histiologie des Kleinhirns so erklärt er auch in
1
Die Position Schultzes ist hier beschrieben nach Golgi 1894, S. 5f; sowie nach Henle 1869, S.
51f.
2
Virchow (1863): »Psammome, Melanome, Gliome« S. 127
3
Henle & Merkel (1869): »Ueber die sogenannte Bindesubstanz der Centralorgane des
Nervensystems« S. 52f
4
Arndt (1869): »Studien über die Architektonik der Grosshirnrinde des Menschen«, Besser
(1866): »Zur Histiogenese der nervösen Elementartheile in den Centraltheilen der neugeborenen
Menschen«, Schultze (1863): »Über den feineren Bau der Rinde des kleinen Gehirns«.
5
Daß Henle hier die Position Bessers nicht angemessem wiedergibt, wird noch zu sehen sein.
221
einer kürzlich erschienenen Arbeit über das Centralnervensystem der Fische die graue Substanz
gewisser Theile des Gehirns und Rückenmarks für fein granulirt, das Bindegewebe der weissen
Substanz dagegen für ein Zellennetz, dessen Kerne theils in den Knotenpunkten des Netzes
enthalten, theils an den Fasern gelegen seien. Er unterscheidet demanch zwei Arten der
Grundsubstanz, eine granulirte und eine reticuläre, und findet Uebergänge zwischen beiden
beispielsweise in der nächsten Umgebung der Centralhöhle des Rückenmarks und Gehirns, wo die
graue Substanz ein netzförmiges Ansehen habe, Uebergänge auch in dem Sinne, dass es oft
1
unentschieden bleiben müsse, ob eine Grundsubstanz netzförmig oder granulirt zu nennen sei."
2
Aussagen wie: "trotz seiner feinkörnigen Beschaffenheit dicht geästelt oder verfilzt"
3
kennzeichnen die Bindesubstanz-Literatur der Jahre von 1857 bis etwa 1870. Allen Autoren war
die Abneigung gemeinsam, in der Beschreibung des Bindegewebes in den nervösen
Zentralorganen, eindeutig Position zu beziehen. Ergebnis dieser Unsicherheit waren umfangreiche
Untersuchungsberichte mit nur geringem Aussagegehalt. Es sei "geradezu eine Qual" gewesen,
schreibt Weigert in der Rückschau auf Fromanns »Untersuchungen über die normale und
4
pathologische Anatomie des Rückenmarks«, sich durch "die entsetzlich weitschweifenden
Schilderungen der minimalsten Details, durch die allgemein unklaren lang ausgedehnten
Erörterungen des Autors - man muß wohl sagen - hindurchzuwürgen, so daß es wohl nur wenige
5
fertig gebracht haben, überhaupt die Arbeiten Fromanns zu lesen [...]". Ähnlich äußerte sich
Franz Boll über die Arbeiten seiner Zeitgenossen. Das Studium der Literatur zur Frage der
6
Bindesubstanzen in Gehirn und Rückenmark sei ein "höchst unerqickliches". Zu beklagen sei
"eine eigenthümliche Unklarheit und Verschwommenheit der Darstellung", eine "gewisse
Elastizität der Ausdrucksweise", die sich selbst "in den besten Gesamtschilderungen dieses
Bindegewebes vorfindet". Das Bild des
1
Henle & Merkel 1869, S. 52f
Ibid.
3
Vgl. etwa Bochmann (1860): »Ein Beitrag zur Histologie des Rückenmarks«, Clarke (1859):
»Further researches on the grey substance of the spinal cord«, Fromann (1864): Untersuchungen
über die normale und pathologische Anatomie des Rückenmarks. Teil. I«, Fromann (1867):
»Untersuchungen über die normale und pathologische Anatomie. Teil. II«, Gerlach (1871): »Von
dem Rückenmark«, (1872): »Über die Struktur der grauen Substanz«, Kölliker (1859, 1863,
1867): »Gewebelehre«, Mauthner (1861): »Ueber die sogenannten Bindegewebskörperchen des
centralen Nervensystems«, (1862): »Beiträge zur näheren Kenntnis der morphologischen
Elemente des Nervensystems«, Stephany (1860): »Beiträge zur Histologie der Rinde des grossen
Gehirns«, Stieda (1870): »Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere«.
4
Fromann 1864, 1867
5
Weigert (1896): »Beiträge zur Kenntnis der normalen und menschlichen Neuroglia« S. 73
6
Boll (1874): »Histologie und Histiologie« S. 5f
2
222
Forschungsgegenstandes zeige sich als ein "Chaos der endlosen Widersprüche, aus denen sich die
Literatur fast einzig und allein zusammensetzt." Die zu diesem Thema vorhandene Literatur
1
"wimmele von fast unbegreiflichen Widersprüchen zwischen den Angaben."
1
Ibid.
223
2. Die Entdecker der Gliazelle: Otto Deiters (1834-1863) und
Leopold Besser (1820-1906)
Zellen waren in der zentralen Bindesubstanz ja schon von Kölliker, Bidder und Kuffer, sowie von
Virchow beschrieben worden. Diese Zellen jedoch eindeutig abzugrenzen gegenüber dem
gewöhnlichen Bindegewebe, sie als eigenständiges Gewebe mit typischen Gliazellen
anzuerkennen, wagten sie nicht. Heute, in der sicheren Kenntnis der Existenz von Gliazellen und
ihrer morphologischen Charakteristika, fällt es nicht schwer, aus der Fülle jener Untersuchungen
der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, diejenigen auszumachen, die tatsächlich Gliazellen
beschrieben. In der sich bis etwa 1870 mühsam dahinschleppenden Debatte um die
Beschaffenheit der Zwischenmasse im Nervensystem, um die Frage, ob die Bindesubstanz der
nervösen Zentralorgane aus Körnern, Fasernetzen, Zellen oder aus Übergangsformen aufgebaut
sei, sollen die zwei (aus heutiger Sicht) herausragenden Pionierarbeiten zur Entdeckung der
Gliazellen sollen hier Erwähnung finden.
Otto Deiters
1
Otto Deiters hatte in seinen »Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark« nicht nur ein
Kapitel über die »Zentrale Ganglienzelle« verfaßt, in welchem er erstmals die Nervenzellfortsätze
in Axon und Dendriten unterschieden, sondern ebenso ein Kapitel »Ueber die Bindesubstanz der
Centralorgane«. Daß diese Bindesubstanz in den Zentralorganen existiert, darüber bestand für
Deiters kein Zweifel. Ebensowenig bezweifelte Deiters, daß eine Verwechslung der zentralen
Bindesubstanzen mit nervösen Elementen möglich sei, ein Problem, das Virchow 1863 noch für
2
den "schwierigsten Punkt" gehalten hatte. Bei Deiters heißt es: "Die Möglichkeit der
Verwechselung zwischen bindegewebigen und nervösen Elementen scheint ein Gespenst, von dem
sich die Untersucher mehr als nothwendig haben in Angst jagen lassen. Es ist wohl so gefährlich
3
nicht." Wie seine Zeitgenossen, zumindest jene, die von der Existenz einer zentralen
Bindesubstanz überzeugt waren, suchte auch Deiters die "unterscheidenden Charaktere [...] zur
4
Abgrenzung der Elementarteile der Bindesubstanz in Gehirn und Rückenmark zu finden." Jedoch
nicht allein um die Unterscheidung von nervösem Gewebe und Bindsubstanz treffen zu können,
5
wie dies Bidder und Kupffer angestrebt hatten , sondern darüber hinaus, um die Beschaffenheit
der zentralen
1
Deiters 1865
Virchow (1863): »Psammome, Melanome, Gliome« S. 127
3
Deiters 1865, S. 33
4
Ibid., S. 29ff
5
Bidder & Kupffer 1857
2
224
Bindesubstanz derart zu beschreiben, daß sich ihre Verwandtschaft mit dem Bindegewebe der
übrigen Körperorgane entweder bestätigen oder widerlegen ließ. Man sei ja gewohnt, heißt es bei
Deiters über seine Zeitgenossen, "nur eine Unterscheidung zwischen Bindegewebe und nervösen
Geweben in den Centralorganen zu besprechen, oder alles was nicht nervös ist, kurzweg
bindegewebig zu nennen." Und dies obwohl die "Gewebsbestimmungen der Centralorgane fast
1
vorraussetzungslos sind." Für ihn, Deiters, sei es hingegen "einleuchtend", daß das "nicht nervöse
Gewebe der Zentralorgane nicht ohne weiters den Charakter des gewöhnlichen Bindegewebes
2
hat." Deiters greift also Virchows Grundgedanken auf, Neuroglia nicht mit Bindegewebe
gleichzusetzen. Den Begriff Neuroglia verwendet Deiters allerdings nicht. So heißt es bei Deiters;
der Begriff des Bindegewebes, in seiner Anwendung auf die Zentralorgane des Nervensystems,
3
sei ein "noch lange nicht erschöpfter" . Man würde ja "nicht verlangen können, daß die im
nervösen Centralorgan vorkommenden Stützsubstanzen gleich dem gewöhnlichen [collagenen]
Bindegewebe beschaffen seien, sondern wird sich unter Umständen damit begnügen müssen, daß
man nachweist, gewisse Bestandteile könnten nicht nervös sein, sondern müssten als eine
Zwischensubstanz angesehen werden, die ihrerseits aber von dem gewöhnlichen Bindegewebe
4
verschieden sein könnte." Deiters entschloss sich, drei Bindesubstanzelemente im zentralen
Nervensystems zu unterscheiden: eine schwammig-porösen Grundmasse, echte [kollagene]
Bindegewebsfasern, und jene Bestandteile, die als Zwischensubstanz angesehen werden können,
sich vom gewöhnlichen Bindegewebe aber verschieden zeigen.
Es ist nicht notwendig, ausführlich auf Deiters umständliche Schilderungen einzugehen.
Die Feststellung soll hier genügen, daß Deiters, in jener dritten Kategorie bindegewebiger
Elemente (Zwischensubstanz aber vom gewöhnlichen Bindegewebe verschieden), feinste Fasern
fand, die sich als Ausläufer von Zellen herausstellten. Das gesamte Zell-Faser-Gebilde bildete
Deiters ab und nannte es Bindesubstanzzelle. Er erhielte "immer das selbe Bild" schreibt Deiters:
"Dicht um den [...] Kern sieht man hier eine Masse abgehender Faserzüge, welche von Anfang an
ein festes wenn auch zartes Aussehen, eine scharfe glatte Contur, einen beträchtlichen Glanz
zeigen, und welche nach allen Seiten hin ausstrahlen. Dieselben sind leicht beweglich, schlingen
sich an isolirten Zellen vielfach, und sind nicht brüchig. Sie theilen sich sehr bald und verästeln
sich dann auf das Mannigfaltigste unter immer gabelförmiger Spaltung. Ich glaube nicht, dass
wer ein solches Element isolirt sieht, an Kunstprodukte, an zufällige Gerinnungen [!] wird denken
wollen. [...]. Elemente derart wie sie eben beschrieben sind, kommen nun nicht nur bloss in der
weissen Substanz
1
Ibid., S. 35
Ibid., S. 35
3
Ibid.
4
Ibid., S. 28
2
225
Fig. 15 Die ersten Abbildungen von Gliazellen? "Bindesubstanzzellen" [aus Deiters 1865, Carminfärbung]. (Links)
aus des Medulla oblongta; (rechts) aus der weißen Substanz.
226
und zwar in allen Formen der weissen Substanz, aber nicht immer und überall gleich leicht
isolierbar vor sondern auch aus der grauen Substanz lassen sich manchen Orts dieselben Formen
1
isoliren." Den Unterschied zwischen Kernen "mit nach allen Seiten hin ausstrahlenden
Faserzügen" und den Ganglienzellen einschließlich ihren Fortsätzen macht Deiters
folgendermaßen deutlich: "Bei [Bindesubstanzzellen] dieser Art, ist natürlich jeder Gedanke an
ein nervöses Element ausgeschlossen, und wer etwa an die Möglichkeit dächte, Fasern der Art mit
Axencylindern zu verwechseln, wer also diese mannigfache Theilung bis ins Feinste und Alles,
was dazu gehört, nicht für ausreichend erachtete, der kann sich leicht von der vollständigen
chemischen Differenz beider überzeugen. Die feinsten Axencylinder [...] sind meist sehr difficile
Gebilde, welche isoliert etwas Rauhes, Unregelmässiges zeigen oder wirklich varikös werden,
welche durch starke Alkalien, Essigsäure leicht zerstört werden etc., welche auch der ersten
Maceration kaum widerstehen, alles Eigenthümlichkeiten, welche diesen Theilen durchaus fremd
2
sind. [...]" An anderer Stelle heißt es: "Während die [Fortsätze der Ganglienzellen] nur in ganz
bestimmten Lösungen, [...] zu erhalten sind, und die geringste Maceration sie spurlos entfernt,
während sie auch bei gelungener Vorbereitung ausserordentlich leicht abbrechen und sich der
Beobachtung entziehen, ist bei den (oben beschriebenen) Formen fast durchweg das Gegentheil
der Fall. [...]. Dazu kommt, dass die Concentrationsgrade und Behandlungsweisen, welche [die
Fortsätze der Bindesubstanzzellen] verlangen, ganz andere sind, als diejenigen, welche faserige
3
Nervenpartien deutlich machen." Etwa 10 Jahre nach ihrem Erscheinen nennt Boll die
Deiterssche Untersuchung eine "lichtvolle Auseinandersetzung" die "eine neue Epoche" in der
Frage der Bindesubstanzen in den Zentralorganen eröffnet hätte. Er [Boll] hätte die "gesamte
diese Frage betreffende grosse Literatur der Jahre 1857-1865 durchmustert und an keiner Stelle
eine auch nur einigermaßen zutreffende Beschreibung oder Abbildung unserer Zellen auffinden
4
können [...]."
Wie erwähnt, kam die Aufklärung des histologischen Feinbaus der zentralen Bindesubstanz bis
etwa 1870 nicht voran. Das Deiterssche Bindesubstanz-Kapitel in den »Untersuchungen« fand, im
Unterschied zu jenem geradezu berühmt gewordenen Kapitel »Über die centrale Ganglienzelle«,
keine Beachtung. Hinsichtlich der zentralen Bindesubstanzen war Deiters Untersuchung nur ein
Beitrag unter vielen. In der zwei Jahre nach Deiters »Untersuchungen« veröffentlichten und
vielbeachteten Arbeit von Henle und Merkel »Ueber die sogenannte
1
Ibid., S. 45
Ibid., S. 46
3
Ibid, S. 46, S. 42 u. S. 47
4
Boll 1874, S. 10
2
227
1
Bindesubstanz der Centralorgane des Nervensystems« , wurden Deiters und seine Ergebnisse
nicht erwähnt. Boll schreibt hierzu: "Im allgemeinen ist zu bemerken, dass die vortreffliche
Auseinandersetzung Deiters’ [..] wie seine positive Entdeckung der wahren Form dieser
Bindegewebszellen von fast allen seinen Nachfolgern in einer geradezu unverantwortlichen Weise
2
vernachlässigt worden sind."
Leopold Besser
Die von Virchow zumindest im Prinzip getroffene Unterscheidung von Bindegewebe und
Neuroglia, war in den ausgehenden 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts im "Chaos der
endlosen Widersprüche" versunken. Wenn überhaupt, dann findet sie sich andeutungsweise
3
wieder in Köllikers 4. Auflage der »Gewebelehre« und in den »Untersuchungen« Deiters'. Auch
Virchows Begriff Nervenkitt bzw. Neuroglia fand keine Beachtung. Wohl der einzige, der bereits
in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, einer Differenzierung von Bindegewebe und Neuroglia,
4
gemessen an den Sprachgewohnheiten dieser Jahre, entschlossen das Wort redete, war Leopold
Besser (1820-1906), damals "provisorischer zweiter Arzt an der Provinizial-Irrenanstalt in
Siegburg". Ausdrücklich nahm Besser das Bindesubstanz-Kapitel in den »Untersuchungen«
Deiters' zur Kenntnis. Deiters Arbeit, heißt es bei Besser, sei hinsichtlich des
Untersuchungsgegenstandes, die "am bei weitem ausführlichste und eingehendste Untersuchung
5
in der neueren Zeit" und ein "in jeder Beziehung hochwichtiger Artikel." Auch Virchows Begriff
Neuroglia greift Besser auf, um die Notwendigkeit einer Abgrenzung gegenüber dem eigentlichen
Bindegewebe hervorzuheben. Besser schreibt: "Ueber das von Virchow gewählte Wort Neuroglia
- Nervenkitt - könnte man manche Tadel auszusprechen sich versucht halten, da die Masse weit
entfernt ist, kittartig, festanliegend oder klebend die Nervenelemente zu überziehen. [...]. Allein es
hat diese Masse ein so Besonderes, von allen übrigen Bindegewebsformationen so Verschiedenes,
6
dass es durchaus gerechtfertigt ist, an einem besonderen Namen festzuhalten." Die
Beschreibungen, die Besser nun von den Elementen der Neuroglia gibt, stehen der Deitersschen
Darstellung der Bindesubstanz nicht nach, im Gegenteil: Durch die Verwendung des Audrucks
Glia klären sich endlich die Begriffe.
1
Henle & Merkel 1869
Boll 1874, S. 8 u. S. 11
3
Kölliker 1863, S. 303ff
4
Besser (1866): »Zur Histiogenese der nervösen Elementartheile in den Centralorganen.«
5
Ibid., S. 309
6
Ibid., S. 310
2
228
Fig. 16 Die ersten Abbildungen von Gliazellen. "Isolierte Gliakerne mit ihren Reisernetzen" aus der Großhirnrinde
eines Neugeborenen [aus Besser 1866, Carminfärbung].
229
1
Neuroglia besteht für Besser aus"Gliagebilden." Diese wiederum sind aus zwei, miteinander in
Verbindung stehenden Formelementen zusammengesetzt. Zum einen den "Gliakernen", die
"kleinste Fortsätze und Ausläufer" hervorbringen, und zum anderen, dem aus diesen Fortsätzen
2
gebildeten "Gliareisernetz" oder "Glianetz". Letzeres nannte Besser auch "Fasernetz
3
sternförmiger Zellen". Täuschen darf hier jedoch nicht der Bessersche Terminus "Netz", denn mit
"Glianetz" meinte Besser nicht ein aus Gliazellausläufern gebildetets, gliöses Fasergeflecht, so wie
wir es heute kennen, sondern das Glianetz ist ein auf der Oberfäche der "Gliakerne" aufsitzender
und aus diesem herauswachsender Faserfilz. Das "Reisernetz", das mit dem Gliakern ein
morphologisches einheitliches Gebilde ausmacht, schreibt Besser, "erscheine dem Bläschen
4
5
[gemeint sind Gliabläschen ], das den Gliakern bildet, implantirt." "Die Form der Reiser",
schreibt Besser, "scheint mir eine runde zu sein, den kleinen Reisern unserer Bäume auch in der
6
Verzweigung und Verästelung ähnlich."
Im späten 19. Jahrhundert, nachdem Deiters Bindesubstanz Kapitel endlich zur Kenntnis
genommen war, galt allein Deiters als der Entdecker der Gliazelle. Boll schreibt: "Das Verdienst,
diese Zellen zuerst in wahrer Form isoliert, beschrieben und abgebildet zu haben, gebührt
7
Deiters" , eine Auffassung die auch Gustaf Retzius später mit den Worten bestätigt, Deiters sei
8
"die eigentliche Entdeckung der typischen Gestalt der Neurogliazelle zu verdanken". Weder Boll
9
noch Retzius scheinen die Arbeit Bessers gekannt zu haben.
Aus heutiger Sicht ist keineswegs eindeutig, daß es sich bei den Deitersschen Abbildungen
tatsächlich um Gliazellen handelt, bzw. um das, was wir heute als Astrozyt bezeichnen. George
10
Somjen ist vor einigen Jahren dieser Frage nachgegangen. Über die von Deiters abgebildeten
Bindesubstanzzellen schreibt Somjen: "The question is, what are they really? I have shown these
drawings to six neuroanatomists [...] without revealing the source or the authors intent. One of my
consultants wondered whether they were glia or neurons, all others
1
Ibid., S. 316
Ibid., S. 311
3
Ibid., S. 316
4
Ibid., S. 313
5
Ibid., S. 312
6
Ibid., S. 316
7
Boll 1874, S. 10
8
Retzius (1894a): »Die Neuroglia des Gehirns beim Menschen und bei Säugethieren« S. 1
9
Auch Kölliker, in seiner 5. ten Auflage der »Gewebelehre« (1867) erwähnte Besser nicht.
Köllikers Darstellungen im Kapitel zur »Bindesubstanz des Rückenmarks und des centralen
Nervensystems« sind aus der 4.ten Auflage (1863) übernommen und nur geringfügig ergänzt.
10
Somjen 1988
2
230
concluded that they were nerve cells of one sort or another. Since one of the two cells is said to
come from white matter it may be an oligodendrocyte, but the other, from the hypoglossal
nucleus, may just as well be a neuron whose axon either did not take the stain or is at this level of
resolution indistinguishable from its dendrites. The point is, with the technique available to
1
Deiters, neurons could have been mistaken for glia." Von Bessers Untersuchung hingegen läßt
sich heute behaupten, daß sie Astrozyten zur Darstellung brachte. Die dendritische Natur und die
radiäre Anordnung der "Gliareiser" um den Zellkörper [Gliabläschen], sowie die ausdrückliche
Beobachtung und Darstellung der Gliagebilde im Zusammenhang mit Blutgefäßen, belegen diese
These.
1
Ibid., S. 3
231
3. Abgrenzung vom "echten Bindegewebe": Die Deiterssche Zelle als erstes
Formbild
Erst nach 1870 war sich die Mehrzahl der Neurohistologen der Existenz der Neuroglia und ihrer
Zellen als einem, neben Nervenfasern, Nervenzellen und Bindegewebselementen, histologisch
eigenständigen Gewebetypus im Zentralnervensystem bewußt. Erst nach 1870 begann sich der
Term Gliazelle und Virchows Neuroglia in der Literatur zu etablieren. Mehr und mehr wurden
die "eingebürgerten Irrthümer", jene "Molekel" oder "Körner", wie sie Henle und seine Anhänger
zwischen den Nervenzellen und -Fasern gesehen hatten, als durch "Mängel in der
1
Präparationsmethode bewirkte Täuschungen" entlarvt. Die nachträgliche Erklärung der alten
Beobachtungen führte schließlich zur Beschreibung jener histologischen Formation, die heute als
2
Neuropil bezeichnet wird, und die ja nicht mehr bedeutet, als "unzählige Zellausläufer jeder Art".
In Kürze nun die wichtigsten Arbeiten jener Anfangsperiode der Gliaforschung, die sämtlich (mit
Ausnahme der Arbeit Bolls) im Jahre 1871 veröffentlich wurden.
Camillo Golgi
3
Camillo Golgi befaßt sich 1870, zunächst in einer kurzen Mitteilung, dann 1871, in seiner
ausführlichen Untersuchung »Contribuzione alla fina anatomia degli organi centrali del sistema
4
nervoso«, mit der "Anordnung des Bindegewebes im Gehirn." (Golgi verzichtete auf die Begriffe
Neuroglia und Gliazelle). Die Rede ist bei Golgi von "rundlichen, ovalen oder sternförmigen
Zellen [...] von welchen nach verschiedenen Richtungen zahlreiche, ziemlich lange, sehr feine und
5
niemals verzweigte Verlängerungen ausgehen." Golgi fand diese Zellen in der weißen und der
grauen Substanz. Besonders interessiert war Golgi am "Bindegewebe" der Hirnrinde, deren
intensive mikroskopische Untersuchung Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des 19.
Jahrhunderts einen ersten Höhepunkt erreicht hatte. So heißt es bei Golgi: "Indem ich nun [...]
feine Zerzupfungen der Hirnrinde ausführte, gelang es mir, eine grosse Zahl eleganter
Bindegewebszellen zu isoliren, mit 10-15-30 sehr feinen, langen, nicht oder sehr selten verästelten
Fortsätzen. Die seltenen Theilungen der Filamente finden
1
Gierke (1885): »Die Stützsubstanz des Nervensystems« S. 454
Krstic 1978, S. 306
3
Golgi (1870): »Sulla sostanza connettiva del cervello.«
4
Golgi 1871, dtsch. Golgi (1871): »Beitrag zur feineren Anatomie des Nervensystems«, in Golgi
(1894): »Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und des peripherischen
Nervensystems.«
5
Golgi 1871, zit. aus Golgi 1894, S. 6
2
232
Fig. 17 "Bindegewebezellen" und Pyramidenzellen aus der Großhirnrinde des Menschen [aus Golgi 1871,
Carminfärbung].
233
immer in geringer Entfernung von dem Abgangspunkte von Umfange der Zelle statt, und niemals
bemerkt man mehr als zwei oder drei secundäre Verästelungen, welche ebenfalls sehr lang und
1
ungetheilt sind."
Über das Neuropil heißt es bei Golgi, es erschiene ihm "zweifellos, dass die sogenannte
feinkörnige, oder netzförmige, oder schwammige, oder punctförmig moleculäre, amorphe oder
gelatinöse Substanz diese verschiedenen Benennungen in Folge von Veränderungen in der Leiche,
2
oder durch die Reagenzien, oder durch die Präparationsmethode erhalten hat." Derartige
Einflüsse führten zu "einer Art von Zerfall der fibrillären Substanz, welcher übrigens
wahrscheinlich nicht allein in den Fortsätzen der Bindegewebszellen, sondern auch in den
3
feinsten Verzweigungen der protoplasmatischen Fortsätze der Nervenzellen stattfindet." Schon
Virchows hatte bereits 1863 die "ausserordentliche Gebrechlichkeit" der "zelligen Elemente" in
der Bindesubstanz betont, "dass sie beim Zerschneiden, Zerdrücken oder Zerzupfen der Substanz
in der Mehrzahl zu Grunde gehen und man gewöhnlich nur Kerne erblickt, umgeben von etwas
loser Substanz, welche nicht sehr verschieden aussieht von der Intercellularsubstanz." Das auf
diese Weise entstandene Gemenge, hieß es bei Virchow, beschriebe die Literatur als eine
4
"feinkörnige, mit Kernen durchsetzte Substanz."
Eduard Rindfleisch
Der Bonner Pathologe Eduard Rindfleisch (1836-1908) widmete der "Neuroglia Virchovi" in
seinem "der studirenden Jugend Deutschlands übergebenen" »Lehrbuch der pathologischen
5
Gewebelehre«, bereits einen eigenen Abschnitt uns sprach von "Neurogliazellen." Über die
Neuroglia der "weißen Marklager" heißt es bei Rindfleisch: "Von der Neuroglia des Markes
können wir mit Sicherheit behaupten, dass zu ihr Alles hinzuzurechnen ist, was hier neben den
Nervenfasern und Gefässen verbunden ist; deshalb sind alle Körner und Kerne der weissen
Substanz Neurogliazellen und -kerne, deshalb ist jenes weiche fasrig-schwammige Material, in
6
welches die Nervenfasern eingebettet sind, ebenfalls Neuroglia."
1
Golgi 1871, zit. aus Golgi 1894, S. 8
Ibid., S. 10
3
Ibid.
4
Virchow (1863): »Psammone, Melanome, Gliome« S. 128
5
Rindfleischs »Gewebelehre« wird in den Jahren 1870/71 zweimal aufgelegt. Ein dritte Auflage
erscheint 1873.
6
Ibid.
2
234
Fig. 18 (Links oben) "Kernhaltige, mit Faserbüscheln rings besetzte Bindegewebszellen, durch Zerzupfen grau
degenerierten Rückenmarkes erhalten" [aus Rindfleisch 1871, Carminbfärbung]; (Fig. 12), "Ganglienkörper" nebst
ein "in Hirnfilz eingesponnenes Gliakörperchen" aus dem Gehirn "ausgewachsener Kälber"; (Fig. 19),
"Gliakörperchen, mit varikösen Zweigen" [aus Butzke 1871, Carminfärbung].
235
An anderer Stelle heißt es: "Eine mehrtägige Maceration frischer [weißer] Hirnsubstanz in 1/10
Ueberosmiumsäure [lehrt], dass ein Theil der Zellen sternförmig ist und zahlreiche feinverästelte
1
Ausläufer besitzt." Die feinsten Ausläufer dieser Zellen bildeten bei Rindfleisch "den eigentlichen
2
Nervenkitt."
Victor Butzke
3
Noch klarer bezieht der Bonner Anatom Victor Butzke Stellung. Butzke war überzeugt: "Nicht
Alles braucht gleich als Bindesubstanz bezeichnet oder gar zum Bindegewebe gerechnet werden,
was in den Centralorganen des Nervensystems nicht von vornherein als Ganglienzelle, oder als
4
Nervenfaser erkannt wird." Von den in eine "ganz besonderen Kategorie" zu stellenden "echten
Bindegewebskörperchen mit ihren dickeren solideren Ausläufern", grenzt Butzke die
"Gliakörperchen" ab. Wobei er zur "Glia" solche Elemente zählt, "die einen Kern haben, von dem
strahlenförmig theilweise allerfeinste, theilweise gröbere Fasern ausziehen [...]. Diese
Gliaelemente finden sich zerstreut zwischen den bekannten echten Nervenelementen der grauen
5
Substanz der Gehirnrinde, stehen aber auch zuweilen in ganzen Gruppen."
Moritz Jastrowitz
Der Berliner Psychiater und Neurohistologe Moritz Jastrowitz (1839-1912) beschrieb in
Gewebeproben aus der weißen und grauen Substanz von Gehirn und Rückenmark "wahre
6
Prototypen von Gliazellen" : "Eine ungemeine Menge zarter heller Ausläufer zieht von ihnen
weithin nach allen Richtungen aus, oftmals quer über einander fort und verliert sich schliesslich
[...]. Trotz der weiten Strecken die sie zurücklegen sind Theilungen nur ausnahmsweise zu sehen,
oftmals aber Knickungen und Einbiegungen. Sie sind es vornehmlich, welche dem ganzen Gebilde
7
ein sehr charakteristisches Anssehen verleihen, das etwa dem einer kleinen Spinne gleicht."
1
Ibid., S. 571
Ibid.
3
Butzke (1871): »Studien über den feineren Bau der Grosshirnrinde.«
4
Ibid., S. 590
5
Ibid., S. 591
6
Jastrowitz (1871): »Studien über die Encephalitis« S. 168
7
Ibid., S. 169; vgl. Tafel. III, Fig. 2a-d
2
236
Fig. 19 (Fig. 1a-e), "Elementartheile des Bindegewebsgerüstes aus dem Hirnmarke eines Erwachsenen"; (Fig. 2a-d),
"spinnenähnliche Gliazellen" [aus Jastrowitz 1871, Carminfärbung].
237
Jastrowitz sprach zwar noch von den "gliösen Elementen" als einer "Erscheinungsweise des
1
Bindegewebes," doch in seinen Abbildungen trennt er klar "die Elementartheile des
2
Bindegewebes" von den "spinnenähnlichen Gliazellen."
Franz Boll
Der bereits mehrfach zu Wort gekommene Berliner Neurohistologe und Physiologe Franz Boll
(1849-1879), legte 1874 mit seiner Arbeit »Histologie und Histiogenese der nervösen
Zentralorgane«, eine systematische Untersuchung vor, die auch der Neuroglia ausgiebig Raum
3
gab. In der Arbeit Bolls erhalten die von den "bindegewebigen Zellen" abgegrenzten Gliazellen
mit der Bezeichnung "Deiterssche Zelle" einen gesonderten Namen. In "allen Provinzen der
Centralorgane", sowohl in der weißen als auch in der grauen Substanz von Gehirn und
Rückenmark, wies Boll, neben Nervenzellen und neben Bindegewebsfasern, Deiterssche Zellen
nach. Das Formbild der Deitersschen Zellen zeichne sich dadurch aus, daß sie "eine sehr grosse
Anzahl sehr langer haarfeiner Fortsätze entsenden". Weiter heißt es, diese "Zellen [sind] so
eigenthümlich geartet, dass ich kein Analogon aus der Reihe der anderweitig bekannten
4
histologischen Formelemente anzuführen weiss." Franz Boll war es auch, der erstmals auf die
Formenvielfalt der Gliazellen aufmerksam machte und eine erste Typisierung der Deitersschen
Zellen wagte. So unterschied Boll, anhand der Richtung der ausstrahlenden Fortsätze, "Zellen, von
denen multipolar nach allen Seiten ausstrahlend diese Fasern ausgehen, [..] andere Zellen, wo an
zwei entgegengesetzten Polen dichte Faserbüschel sich ablösen, und endlich eine dritte
Hauptform [..] wo die ganze Masse der faserartigen Fortsätze nach einer Seite hin gerichtet ist,
während von dem entgegensetzten Pole der Zelle nur sehr unbedeutende Fasern abgehen, so dass
5
die Zellen eine überraschende Ähnlichkeit mit einem feinen Haarpinsel darbieten (Pinselzellen)."
1
Ibid., S. 166f. Gegen die Existenz von "Molekeln" oder "Körnern" in einer als Grundmasse
angenommenen Zwischensubstanz, wie sie Henle und Merkel beschrieben hatten (Henle &
Merkel 1869), wandte sich auch Jastrowitz. So hält er die geschilderten Gebilde für "lymphoide
Zellen". Bezüglich der "freien Körner" schließt sich später auch Boll der Ansicht seines Freundes
Jastrowitz an: "Ich erkläre dieselben mit Jastrowitz für echte lymphoide Zellen." [Boll 1874, S. 31,
Anmerkg. 2)]
2
Jastrowitz 1871
3
Boll 1874
4
Ibid., S. 7
5
Boll 1874, S. 8
238
Fig. 20 (a-f), "Sechs verschiedene Deiters’sche Zellen aus der weissen Substanz des Rückenmarks des Ochsen"; (gp), "Verschiedene Formen bindegewebiger Zellen und Zellenketten aus der weissen Substanz des Corpus opticum"
(Schaft und Kaninchen) [aus Boll 1874, Carminfärbung].
239
Die Bollsche Bezeichnung Deitersche Zellen sollte sich in den folgenden Jahren gleichrangig
neben dem Begriff Gliazelle durchsetzen. Der Formunterschied der Gliazellen gegenüber den
Nervenzellen und den eigentlichen Bindegewebszellen war endgültig deutlich gemacht. Die
Deiterssche Zelle wird in den folgenden Jahren zum eigentlichen Merkmal der Neuroglia. Der
histologische Nachweis der Deitersschen Zellen berechtigte von nun zur Abgrenzung gegenüber
Ganglienzellen und kollagenen Bindegewebselementen. Mit der Betonung Bolls, daß es sich bei
den Deitersschen Zellen stets um kernhaltige Zellen handele und um "histologische
Elementartheile", die nichts anderes seien als "ein Centrum für eine grosse Masse von
1
differenzirten Fasern, die nach allen, nach zwei oder nach einer Seite hin ausstrahlen" , war,
neben der Ganglienzelle, die Gliazelle als eigenständiger Zellorganismus in den Virchowschen
Zellenstaat eingerückt, zu einem Zeitpunkt also, zu dem die Nervenzelle mit ihrem Axon und den
Dendriten längst beschrieben war und die Ganglienzellhypothese bei der Erklärung der
Funktionsweise der Zentralorgane die ersten Triumphe feierte.
Die Bollsche Betonung der Deitersschen Zellen als "histologische Elementartheile" bedeutete
jedoch keineswegs, daß von nun an das Interesse an der Neuroglia erwachen sollte, im Gegenteil:
Die Erforschung der Gliazellmorpholgie, ebenso wie die Darstellung der Verteilung und
Zusammensetzung der Neuroglia innerhalb des Nervensystems, stagnierte nach Bolls »Histologie
und Histiogenese der nervösen Centralorgane« erneut für ein weiteres Jahrzehnt.
Hans Gierke
In den Jahren 1885/86 veröffentlichte der Breslauer Anatomen Hans Gierke (1847-1886) seine
2
Untersuchung »Die Stützsubstanz des Nervensystems«. Gierke betont, daß zwar schon sehr viel
über Neuroglia gearbeitet worden sei, "und eine große Zahl tüchtiger Forscher" sich mit ihrer
Untersuchung beschäftigt habe, lese man aber "nur in einigen wenigen Handbüchern der
allgemeinen Histologie oder der Nervenlehre die [Neuroglia] betreffenden Abschnitte durch, so
wird man einmal über die ungemein verschiedene Auffassung derselben, dann aber auch über die
3
Dürftigkeit ihrer Darstellung erstaunt sein."
Gierkes Arbeit setzt den Höhepunkt und zugleich den Schlußstrich unter die Epoche der
Carminfärbung in der Darstellung der Neuroglia. Denn "trotz ausserordentlich zahlreicher
1
Ibid., S. 8
Gierke 1885/86
3
Gierke 1885, S. 443
2
240
Versuche und trotz aller möglichen Variationen der Methoden, fand ich kein Färbemittel, das für
unseren Zweck dem Carmin gleichkam. [...]. So blieb ich beim Carmin und wandte einmal die
gewöhnliche Ammonikaverbindung an, in der freilich jegliches freies Ammoniak fehlen muß, und
dann sehr gern carminsaures Natron. [...]. Herr Apotheker Maschke in Breslau stellt dies in
vorzüglicher Weise als trockenes Pulver dar, das man ganz nach Bedarf und Belieben in Wasser
lösen, und von dem man sich nach Wunsch jede Concentration anfertigen kann. Ist schon diese
Bequemlichkeit, so ist andererseits auch der Erfolg der Anwendung ein besserer als bei dem
1
gewöhnlichen Ammoniak-Carmin [...]." An anderer Stelle spricht Gierke von der "Anwendung
einer combinirten Methode der Tinction mit Ammoniak-Carmin und Alaun-Carmin", welche die
besten Resultate liefere und "nach meiner [Gierkes] Ansicht trotz des schlichten Aussehens der
durch sie gewonnenen Präparate eine der allerbesten Färbemethoden ist, mit denen uns die
2
letzten Jahre beschenkt haben."
Noch deutlicher als Besser, Butzke oder Boll, drängte Gierke auf die eindeutige
Begriffsbestimmung der Termini Bindegewebe und Neuroglia. Gierke gibt die folgende
Definition: "Die nervösen Elemente der Centralorgane liegen nicht unmittelbar nebeneinander,
sondern sind voneinander durch eine andere Masse getrennt, welche man mit einer ganz
indifferenten Bezeichnung als Stützsubstanz des Centralnervensystems benennen kann. Sehr
häufig wird dieselbe von den Autoren als Bindegewebe bezeichnet [...]. Da aber, wie wir sehen
werden, das Stützgewebe des centralen Nervensystems nur in Hinsicht auf seine Aufgabe, seiner
Function mit dem Bindegewebe zu vergleichen ist, im Uebrigen aber [...] sich wesentlich von ihm
unterscheidet, so ist es jedenfalls wünschenswerth, es auch nicht
1
Gierke 1885, S. 447. Zur Herstellung von Neuroglia-Präparaten hebt Gierke die Notwendigkeit
hervor, "vollkommen frisches Material, womöglich warme Gehirne" zu bekommen. "Nur einmal
hatte ich Gelegenheit", berichtet Gierke aus der Zeit seiner Lehrtätigkeit an der medizinischen
Akademie in Tokio, "ein absolut frisches und ganz warmes Gehirn in die Präparationsflüssigkeit
zu legen. [...]. Das Gehirn stammte von einem Hingerichteten. Ich erhielt zwar für die
Präparirübungen eine sehr große Zahl von geköpften Leichen geliefert; im ersten Jahr 52 Stück.
Doch wurden sie den bestehenden streng eingehaltenen Verordnungen gemäß erst 24 Stunden
nach der Execution auf die Anatomie geliefert. Nur einmal gelang es mir nach vielen Petitionen
und grosser Mühe Zutritt zur Richtstätte und die Erlaubnis zur sofortigen Herausnahme und
Ausnutzung des Gehirns zu erlangen." Offenbar zu Gierkes bedauern trat aber später "dann eine
solche Milderung des Strafcodex ein, dass im letzten Jahr unter den 115 zur Anatomie gelieferten
Leichen nur noch 5 Hingerichtete waren." [Ibid., S. 444, Anmerkg. 1)]
2
Ibid., S. 450. Eine ebenso gute Methode, die "bei der Darstellung der Gliascheiden in der
weißen Substanz des Rückenmarks" gar bessere Resultate liefere, sei, so Gierke, die HämatoxylinFärbung. Diese Methode war jedoch noch so neu [Heidenhain (1885): »Eine neue Verwendung
des Hämatoxylin.«], daß die Masse der Resultate Gierkes, der sich, wie er selbst sagt, Jahre
hindurch mit der Neuroglia beschäftigt hatte (ibid, S. 443), mit der Carminfärbung erzielt wurden.
241
mehr so zu benennen. Ich werde es mit der von Virchow eingeführten Bezeichnung "Neuroglia"
1
oder abgekürzt "Glia" benennen." Neuroglia, insbesondere die der grauen Substanz, besteht bei
Gierke aus ungeformter "Grund- oder "Glia-Substanz", der allgemeinen Grundlage der grauen
Substanz, in der die übrigen Elemente eingebettet seien. Die Glia sei nicht körnig oder granulär,
wie dies die älteren Autoren gesehen hatten, sondern "überall gleich homogen und glashell [...],
2
klar und ohne Einlagerungen". Neben der ungeformten Grundsubstanz, heißt es bei Gierke,
bestünde die Glia der grauen Substanz aus den "Gliazellen mit ihren langen Fortsätzen"; in der
3
weißen Substanz bestünde sie nur "aus Zellen und deren Ausläufern." Die bereits von Jastrowitz
4
verwendete Bezeichnung Gliazelle ist für Gierke, die einzig denkbare Bezeichnung dieser
Zellenelemente. In manchen Fällen, so Gierke, erscheine auch die Jastrowitzsche Benennung
Spinnenzelle zwar nicht unpassend, "wenn man auch wohl noch niemals Spinnen mit so vielen
5
Beinen gesehen hat wie die Zellen Fortsätze haben."
Gierke wählte die Bezeichnung Gliazelle auch, um in der Namengebung der
"Mannigfaltigkeit diesse Zellelements in Form und Gestalt nicht einseitig Begünstigendes
zuzufügen". Denn, wie für Boll, so ist es auch für Gierke wichtig, "immer wieder und
ausdrücklich" auf die "Mannigfaltigkeit an Möglichkeiten der Anordnung" der Gliazellen und
demgemäß auf das Vorkommen von "Haupttypen" und "Unterarten" von Gliazellen
6
hinzuweisen. Eine weitergehende Typisierung, wie sie Boll versucht hatte, versuchte Gierke
nicht. Ausdrücklich hob Gierke hervor, daß "alle faserigen Elemente der Stützsubstanz Fortsätze
von Gliazellen sind. [...]. Andere Fäden (abgesehen von Bindegwebsfibrillen), seien zwischen den
7
Nervenfasern nicht zu finden." Die Zellfortsätze seien denn auch ein gemeinsames
Charakteristikum aller Gliazellen: "ebenso wie im Zentralnervensystem keine Nervenzellen ohne
8
Ausläufer vorkommen, so sind auch die Zellen der Stützsubstanz ohne solche nicht denkbar." Mit
Blick auf die Formenvielfalt der Gliazellen sei festzustellen: eine "Mannigfaltigkeit des äußeren
Aussehens, der Größenverhältnisse, der Zahl und Stärke der Fortsätze, der Art ihres Ursprunges
aus dem Zellleib, der Zellformen, ja der Consistenz, welche uns an die reiche Verschiedenheiten
9
erinnern, die Nervenzellen darbieten." Erneut
1
Ibid., S. 452
Ibid., S. 461
3
Ibid., S. 457f
4
Jastrowitz 1871
5
Ibid., S. 491
6
Ibid., S. 466 u. S. 532
7
Ibid., S. 533
8
Ibid., S. 466
9
Ibid.
2
242
weist Gierke auf den dendritischen Charakter der teilweise reichhaltig verästelten
Gliazellausläufer hin, eine Erscheinung, die zu Gierkes "grösster Verwunderung", von "den
gründlichsten Kennern der Neuroglia", "wenn sie sie überhaupt sahen", als Täuschungen
1
angesehen worden seien. Art und Weise, sowie das Ausmaß der Verästelungen der
Gliazellfortsätze sind für Gierke das Hauptkriterium der Mannigfaltigkeit innerhalb der
2
Gliazellen. Wie die Abbildungstafeln seiner Untersuchung, legte Gierke allerdings keinen Wert
darauf, die "Vielfalt der Zellformen" in der Neuroglia auch zur Darstellung zu bringen. Über das
Erscheingsbild der individuellen Gliazellen brachten Gierkes Untersuchung somit nichts neues
gegenüber den Arbeiten seiner Vorgänger. Die Carminfärbung ist an ihrer Leistungsgrenze
angelangt.
1
Gierke kannte offenbar die Arbeit von Leopold Bessers, denn Besser schreibt ja von seinen
Gliareiserchen, sie seien den "kleinen Reisern unserer Bäume auch in Verzweigung und
Verästelung ähnlich". [Besser (1866): »Histiogenese« S. 316] Ähnlich äußerte sich auch Kölliker
über "zahlreich verästelte Ausläufer" der von ihm beschriebenen "sternförmigen Zellen" in der
Bindesubstanz des Rückenmarks [Kölliker (1867): »Gewebelehre« S. 266].
2
Vgl. Ibid., S. 467
243
4. Typisierung der Gliazellen mit Hilfe der reazione nera
Abgesehen von der Arbeit Gierkes sind die ab Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts
veröffentlichten Untersuchngen zur Gliahistologie des zentralen Nervensystems eng mit der
Chrom-Silber-Imprägnationsmethode Camillo Golgis verbunden. Diese erzeugte ja Bilder, die
"an Klarheit und Präcision Alles [übertrifft] was bisher auf dem Gebiet der Histologie des
1
Nervensystems erreicht wurde". Wie die Nervenzellen und Nervenfasern, so ließen sich auch
Zellkörper und Fortsätze der Gliazellen mit der "reazione nera" in Gänze als schwarze Silhouetten
bis ins feinste Detail darstellen.
Camillo Golgi
Veröffentlicht wurden Golgis Arbeiten unter dem Titel »Sulla fina anatomia degli organi
2
centrali«. Da Golgis Aufsätze zunächst ausschließlich in italienischer Sprache erschienen, haben
nicht nur Gierke (der Golgis Arbeiten nicht erwähnt), sondern wohl auch die meisten seiner
Zeitgenossen, von Golgis Untersuchungen zunächst keine Notiz genommen. Erst 1894 erschienen
Golgis Arbeiten, um, wie Golgi selbst sagte, aufgrund der "wenig verbreiteten Kenntnis der italienischen Sprache", eine "Nichtbeachtung nicht weiter ertragen zu müssen", in deutscher
Sprache. Gesammelt wurden sie herausgegeben unter dem Titel »Untersuchungen über den
3
feineren Bau des zentralen und des peripherischen Nervensystems«. Gustaf Retzius schreibt im
Erscheinungsjahr der »Untersuchungen«: "Golgi hat schon vor vielen Jahren eine Methode
erfunden, welche noch anschaulichere Bilder giebt, und der berühmte italienische Forscher hat
selbst durch seine Arbeiten den wichtigsten Grund zu unseren neueren Errungenschaften auf
4
diesem Gebiete wie auch auf demjenigen der ganzen modernen Nervenhistologie gelegt." Es sei
als "ein erfreuliches Ereignis" anzusehen, daß die "in wenig zugänglichen italienischen
medicinischen Zeitschriften veröffentlichten" Darstellungen Golgis "nunmehr in einer
5
6
monumentalen deutschen Auflage vorliegen". Die Ergebnisse Golgis und seiner Schüler , der
"massenhafte" Nachweis von Gliazellen in der
1
Lenhossék 1892, S. 579
Golgi 1882/85
3
Golgi 1894
4
Retzius (1894a): »Die Neuroglia des Gehirns beim Menschen und Säugethieren« S. 1
5
Ibid.
6
Magini (1887): »Neuroglia e cellule nervose cerebrali nei feti«, Martinotti (1889): »Contributo
allo studio della corteccia cerebrale«, Mondino (1887): »Ricerche macro e microscipiche sui
centri nervosi«.
2
244
weißen und grauen Substanz des Großhirns und Rückenmarks, bildeten die Grundlage für die
neurohistologischen Untersuchungen der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. In den
Arbeiten jener Jahre erfuhr die Golgi-Methode nicht nur in der Anwendung zur Darstellung der
Nervenzellen und Nervenfasern, sondern ebenso in der Darstellung der Gliazellen ihren
Höhepunkt.
William Lloyd Andriezen
In London beschäftigte sich der Pathologe William Lloyd Andriezen (1870-1906) mit der
morphologischen Unterscheidung der Gliazellen in der weißen und grauen Substanz. Andriezen
arbeitete ebenfalls mit der Golgi-Methode. Seine Ergebnisse veröffentlicht er 1893 im British
1
Medical Journal unter dem Titel »The neuroglia elements in the human brain«: Dort heißt es:
"Such an investigation soon made it evident that the neuroglia elements present possess such
marked differential characters among themselves that they obviously form two great
morphological groups, which from their most striking appearance, may be justly called (a) the
2
neuroglia fibre cell (b) the protoplasmatic neuroglia cell". Die Gruppe der "fibre cells" unterteilte
Andriezen in zwei Formen. Er nannte sie "Caudate fibre cells [...] situated in the first layer of the
3
Cortex" sowie "Stellate fibre cells [...] situated in the medullary substance or white matter" Die
ersteren beschreibt Andriezen wie folgt: "The cell bodies of the Caudate Fibre Cells are imbedded
in the grey substance, and are the most superficial in position of all cell elements - whether nerve
or glia - in the cortex. The cell bodies have a rounded apex pionting downwards, and giving rise
to a taillike tuft of smooth fibres streaming into the deeper layers of the cortex. The wider and
flatter base is directed towards the surface, and gives origin to an entirely different system of
radiating tangential fibres. The individual fibres are extremely long, smooth contoured, and of
uniform calibre throughout, of remarkably thickness one with another, unbranched, slightly wavy
in their course, which is, on the whole, almost rectilinear, and exhibiting here and there small
sharpe curves and small angular bends, while sharp transverse fractures are not infrequent. They
form a fine network of cortical fibres. The caudate cells thus have two if not three systems of
fibres (1) The descending apical (tuft of) fibres which pass deeply into the grey matter (2) the
superficial tangential system of fibres forming a true feltwork; and (3) a few shorter fibres passing
to a superjacent pia." Die aus kleinerem Zellkörper bestehenden und mit langen, dünnen
Ausläufern versehenen stellate fibre cells, deren Hauptvorkommen Andriezen,
1
Andriezen 1893a
Ibid., S. 228
3
Ibid.
2
245
wie Kölliker, in der weißen Substanz und nur spärlich in der grauen Substanz vermutete,
beschrieb Andriezen analog zu Köllikers Langstrahlern. Über die ebenfalls sternförmigen, jedoch
mit größerem Zellkörper, sowie mit relativ kurzen und kräftigen Fortsätzen ausgestatteten
"protoplasmatic glia cells" heißt es bei Andriezen: "This occurs abundantly throughout the grey
matter in all layers of the cortex, while the stellate fibre cell is absent from, or only most sparingly
present in, the grey cortex; while, on the other hand, it is exceedingly abundant in the medullary
substance, where the protoplasmatic glia cell is correspondingly rare. The protoplasmatic glia
cell has a distinct cell body, which is irregularly oval, frequently pyriform. Its processes are but of
slight or moderate length relative to the fibres of the neuroglia fibre cell, which are from five to
eight times a long. The appearance of the protoplasmatic glia cell is highly characteristic, and in
specimens stained with silverchromate it is impossible to confound these cells. The various
protoplasmatic processes also exhibit great variations of calibre, some being stout and coarse,
and others exceedingly fine. The protoplasmatic processes are also dendritic, a thing never seen
in the stellate fibre cells. A most striking feature is the shaggy granular contour, as if fine moss
constituted the protoplasmatic processes. The neuroglia fibres with good illumination have a deep
brown, which is slightly translucent, giving these fibres almost a horny appearance; the dendritic
1
shaggy granular protoplasmatic processes, on the other hand, take a distinct reddish-grey tint."
1
Ibid., S. 228f
246
Fig. 21 Die Leistungsfähigkeit der Silberimprägnation: Unterscheidung von zwei Gliazell-Haupttypen im Gehirn des
Menschen. (Oben) "the neuroglia fibre cell" in der weißen Substanz, (unten) "the protoplasmatic neuroglia cell" in
der Hirnrinde [aus Andriezen 1893a, Silberimprägnation]. Ramón y Cajal greift später auf Andriezens Einteilung der
Gliazellen in fibröse (cellule névroglique fibrillaire) und protoplasmatische Astrozyten (cellule névroglique
protoplasmatique) zurück. (Ramón y Cajal 1909, »Histologie du système Nerveux« Kapitel. VIII, »Névroglie« S.
230ff). Bis heute ist diese Grundeinteilung der Astroglia erhalten geblieben.
247
Gustaf Magnus Retzius
Im Jahre 1894 erschien unter dem Titel »Die Neuroglia des Gehirns beim Menschen und bei
Säugethieren« eine Monographie des schwedischen Histologen Gustaf Magnus Retzius' und damit
1
zugleich die wohl umfassendste Abhandlung über Neuroglia dieser Zeit. Die von Boll, Gierke,
Kölliker und Andriezen erkannte, jedoch niemals dargestellte, Formenvielfalt der Gliazellen,
wurde nun endlich von Retzius - bis heute wohl unübertroffen - in ihrer ganzen Fülle abgebildet.
Auch Retzius unterschied zwei Grundtypen von "Sternstrahlern (asteroide Gliäcyten)", deren
2
Fortsätze radienartig vom Zentrum der Zelle aussendeten, und die sowohl in der weißen, als auch
in der grauen Substanz zu finden sind. In der weißen Substanz beschrieb Retzius die nach allen
Richtungen ausstrahlenden Fortsätze als von "schlichthaarigem Aussehen", "wenig verästelt,
feinfaserig und von gestreckter Beschaffenheit" (Köllikers Langstrahler). In der grauen Substanz
hingegen, seien die Zellfortsätze der Sternstrahler reichlicher vorhanden, allerdings kürzer,
gewunden, verästelt und von "moosiger Beschaffenheit" (Köllikers Kurzstrahler). Zwischen
beiden Typen von Gliazellen beobachtete Retzius "gewisse Übergangsformen." Andriezens,
vorwiegend an der Oberfläche der Hirninde befindliche "caudate glia cells", deren Fortsätze nach
einer Richtung hin verliefen, bilden auch für Retzius, "da ich [Retzius] ungern neue Namen
einführe, sobald brauchbare schon von anderen Forschern vorgeschlagen sind," die Gruppe der
"Schwanzstrahler" (ureide Gliaecten), und damit die zweite Gruppe an Gliazellen neben den
Sternzellen; obwohl, schreibt Retzius, die Benennung "geschwänzte Zellen", oder
"Schwanzzellen", "nicht die anderen Eigenschaften der Zellen, die Belegenheit des Zellkörpers an
oder neben der Oberfläche und das Vorhandensein der von ihnen ausgehenden tangetialen
3
Fortsätze, welche das Filzwerk von Gliafasern an der Hirnoberfläche bilden, berücksichtigt."
Wie bei den Sternstrahlern unterscheidet Retzius auch bei den Schwanzstrahlern Kurzsternstrahler
und Langsternstrahler (macroureide und brachyureide Gläcyten). In diese bislang genannten
Gruppen könnten nun, so Retzius, "die meisten Gliäcyten eingeordnet werden". Doch reichten
"diese Benennungen indessen nicht hin, um die verschiedenen Typen der Neurogliazellen zur
charakterisiernen, sondern sie sind eher als eine Classifikation der Typen zu betrachten, bei
welcher noch Unterabtheilungen wünschenswerth sind. In Folge der vielen Formwechselungen ist
es jedoch schwer, ganz
1
Retzius 1894a. Zu Retzius' Beschäftigung mit der Neuroglia vgl. ebenso (1891): »Über den Bau
der Oberflächenschicht der Großhirnrinde beim Menschen und bei den Säugethieren«, (1893):
»Studien über Ependym und Neuroglia«, (1894c): »Zur Kenntnis des Ependym im menschlichen
Rückenmark«.
2
Retzius 1894a, S. 9
3
Ibid, S. 10
248
1
zutreffende Benennungen zu finden." In der Tat beobachtete Retzius "abweichende Formen, die
nicht ohne Zwang unter diesen (den oben genannten) Bezeichnungen aufgeführt werden können."
So gäbe es einen Typus von Gliäcyten in der Großhirnrinde, "welche ihren Zellkörper etwas unter
der Oberfläche gelegen haben und von ihm aus eine Anzahl Fortsätze an dieselbe schicken". Die
Fortsätze dieses Zelltyps seien meist länger als die der Sternstrahler und mit "Endfüsschen
versehen". Aufgrund dieser Endfüsschen oder "konischen Anschwellungen" an den Fortsätzen,
nennt Retzius diesen Gliazelltyp, von dem später noch die Rede sein wird,
2
"Fußsternstrahler"(podasteroide Gliäcyten) Neben den Fußsternstrahlern gäbe es Zellen, "welche
nicht nur nach einer, sondern nach zwei Richtungen hin ungefähr ebenso stark entwickelte
3
Strahlschwänze aussenden und in ihrer Gesamtform gewissermaßen einer Sanduhr ähneln."
Bezüglich dieses Zelltyps findet es Retzius allerdings "richtiger, keinen neuen Gesichtspunkt
einzuführen, sondern sie (nach Andriezens "caudate glia cells") als Doppelschwanzstrahler
4
(biureide Gliäcten) aufzuführen." Als einen letzten Zellentyp benennt Retzius Flächenstrahler
(plakoide Gliäcyten). Dabei handele es sich um "Gliäcyten, welche nur flächenförmig ausgebreitet
sind [...] und hier und da an der Oberfläche der Hirnrinde vorkommen [...oder sich...]
5
scheidenförmig um die Blutgefäße anordnen." Die "übrigen abweichenden Formen [...] mit
besonderen Namen zu belegen" hielt Retzius nicht für notwendig, "vor Allem nicht die [...]
embryonalen und foetalen Typen, ebenso die verschiedenen Formen der Ependymzellen,
6
Retzius untersuchte auch
respektive Fasern und ihre Übergangsformen zu Gliäcyten [...]."
7
die Neuroglia des Rückenmarks. Beim Vergleich der Gliazellen des Gehirns mit denen des
Rückenmarks, lassen sich, so Retzius, "in der That diejenigen des Gehirns auf die des
Rückenmarks zurückführen. Es ist eine aufallende Übereinstimmung der Typen vorhanden. Die
8
Kurz oder Kraustrahler der grauen Rückenmarkssubstanz sind denen der grauen Substanz der
Hirnrinde ähnlich; die des
1
Ibid., S. 9
Ibid., S. 10
3
Ibid.
4
Ibid.
5
Ibid.
6
Ibid.
7
Retzius (1893): »Studien über Ependym und Neuroglia.« Zur Untersuchung der Neuroglia des
menschlichen Rückenmarks vgl. ebenso Golgi (1890b): »Über den feineren Bau des
Rückenmarks«, Kölliker (1890): »Zur feinere Anatomie des centralen Nervensystems. Teil. II:
Das Rückenmark«, »Lenhossék (1891): »Zur Kenntnis der Neuroglia des menschlichen
Rückenmarks«.
8
Wegen der "schlichthaarigen Beschaffenheit" bzw. des "geraden oder gesteckten Verlaufs" der
Fortsätze der Sternzellen in der weißen Substanz und ihrer "moosartig gewundenen
Beschaffenheit" in der grauen Substanz, schlägt Retzius alternativ die Begriffe "Schlichtstrahler"
und "Krausstrahler" vor. (Retzius 1894a, S. 9)
2
249
Fig. 22 Die Leistungsfähigkeit der Silberimprägnation: Formenvielfalt der Gliazellen in der Großhirnrinde. (Unten
sind neben den Gliazellen zwei Pyramidenzellen (->) abgebildet) [nach Retzius 1894a, Silberimprägnation].
250
Rückenmarks bieten zwar vielleicht mehr von der Sternform abweichende Varianten dar, im
Ganzen sind sie jedoch von einem und demselben Typus. Im Inneren des Rückenmarks kommen
[...] langstrahlige Sternzellen [...] vor [...]; diese für die Marksubstanz charakteristische Art von
Zellen kommt nun überall in der weissen Substanz des Gehirns vor. Aber auch die
oberflächlicheren Neurogliazellen des Rückenmarks, [...] sind den entsprechenden Elementen der
1
Großhirnrinde vergleichbar."
Albert von Kölliker
In Deutschland bemühte sich insbesondere Albert von Kölliker mit Hilfe der Golgi-Färbung, die
hinter der Carminfärbung zurückbleibe, "wenn es sich darum handelt, die genauen Formen der
Zellen und ihrer Fortsätze, sowie ihrer Lagerung und Anordnung zu bestimmen [...]", um die
morphologische Unterscheidung der sternförmigen Gliazellen in der weißen von denjenigen der
2
grauen Substanz des Gehirns. Nach einer Reihe von Vorarbeiten gelangte Kölliker 1896, in der
3
letzten Auflage seiner »Gewebelehre« , zu dem Ergebnis: "Was nun zunächst die Formen der
4
Golgischen Zellen anlangt , so unterscheide ich, abgesehen von einigen besonderen Formen in
gewissen Gegenden des Gehirns [...] zwei Varietäten; einmal Zellen mit kürzeren, stark
verästelten Ausläufern (Andriezens "protoplasmatic neuroglia cells") und zweitens Zellen mit sehr
langen, wenig getheilten Fortsätzen (Andriezens "neuroglia fibre cells"), die Kurz- und
Langstrahler heißen können. Obschon diese beiden Formen durch viele Übergänge verbunden
sind, so erscheint doch die Unterscheidung derselben um so mehr gerechtfertigt, als die
Kurzstrahler, wenn auch nicht ausschließlich, doch vor allem in der grauen Substanz, die
5
Langstrahler in der weissen Substanz sich befinden." Kölliker weist auch auf die Vielfalt an
Erscheinungsfomen der Gliazelle hin: "Die Körper der beiderlei Zellen-Formen sind nur insofern
verscheiden als ihre Gestalt bei den Kurzstrahlern im Allgemeinen in allen Richtungen
sternförmig ist, bei den Langstahlern dagegen mehr verlängert und auch meist stark abgeplattet,
welche Abplattung jedoch auch bei den Kurzstrahlern nicht selten beobachtet wird. Nicht selten
sind dreieckige, vier- und fünfeckige Zellen, auch Elemente von Pyramiden- und Spindelform
kommen vor, und möchte
1
Ibid.
Kölliker (1890): »Zur feineren Anatomie des zentralen Nervensystems«, (1892b): »Über die
Entwicklung der Elemente des Nervensystems«.
3
Kölliker 1896
4
Golgi zu Ehren nannte Kölliker die ehemaligen Deitersschen Zellen nun Golgi-Zellen. (Ibid. S.
147)
5
Ibid., S. 142ff
2
251
ich ganz im Allgemeinen sagen, dass alle jene Zellen wechselnden Gestalten, die die multipolaren
1
Nervenzellen auszeichnen, auch bei den Gliazellen vorkommen." Über die Fortsätze seiner GolgiZellen heißt es bei Kölliker: "In Manchem von den Ausläufern der Langstrahler verschieden sind
diejenigen der Kurzstrahler. Einmal sind dieselben viel unregelmässiger im Verlaufe und
Aussehen, oft wie winklig gebogen, stellenweise dünner und wieder dicker und durch meist
zahlreiche Verästelungen sich auszeichnend. Dann ist der Verbreitungsbezirk derselben ein
2
beschränkter, ihre Dicke im Allgemeinen bedeutender [...]"
Kölliker, der die Untersuchungen Retzius' "nach allen Seiten hin" bestätigen konnte, hält dessen
ausführliche Typisierung jedoch nicht für notwendig: "Wenn ein Bedürfnis sich ergiebt die
verschiedenartigen Formen meiner Langstrahler zu benennen, so lassen sich die Namen
[Schwanzstrahler, Fussternstrahler, Doppelschwanzstrahler und Flächenstrahler] brauchen, doch
scheint mir, dass die ganze Abteilung für den Hausgebrauch in die Abteilung meiner Langstrahler
3
gebracht werden könnte." Köllikers Position ist denn auch bereits jene, die bis zum heutigen
Tage bei der Illustration der Neuroglia in den Lehrbüchern der Neurobiologie eingenommen wird.
Verzichtet kein Lehrbuch der Neurobiologie, zumeist mit Bezug auf die Funktionsvielfalt der
Neurone, auch auf deren Formenvielfalt hinzuweisen, so begnügen sich die Autoren hinsichtlich
der Darstellung der Astrozyten, mit der Abbildung eines protoplasmatischen der grauen Substanz
und eines fibrillären Astrocyten der weißen Substanz. Die phantastischen Abbildungen Retzius'
sind zugunsten eines sternförmigen Standardastrozyten in Vergessenheit geraten.
1
Ibid., S. 146
Ibid., S. 147
3
Kölliker (1896): »Gewebelehre« S. 796
2
252
5. "Golgianer" contra "Weigertianer"
1
Mit den Arbeiten von Gierke, Golgi, Andriezen, Kölliker und Retzius schien am Ausgang des 19.
Jahrhunderts festzustehen: Die Neuroglia ist eine einheitliche Substanzmasse, bestehend aus
Zellen und deren protoplasmatischen Ausläufern. Nicht alle Histologen teilten jedoch diese
Aufassung. Allen voran vertrat der bereits erwähnte Histologe und Pathologe Carl Wilhelm
Weigert (1845-1904) die Ansicht, Neuroglia bestünde nicht aus Zell-Faser-Einheiten, sondern,
wie dies die älteren Autoren einst für die Nervenzelle vorgesehen hatten, aus Zellen und von
diesen anatomisch unabhängigen Fasern. Die Ursache für derart gegensätzliche Anschauungen lag
in den verwendeten Färbemethode. Im Gegensatz zur Golgi-Methode, deren Brauchbarkeit für die
Darstellung der nervösen Elemente unbestritten war, wendeten nicht wenige Forscher, zur
Darstellung der Gliaelemente, eigene Färbemethoden an, die sie für diesen Zweck als geeigneter
erachteten. Diese alternativen Methoden führten zu Darstellungen der Gliazellen und gliösen
Faserbestandteile, die von den mit der Golgi-Methode erzielten Ergebnissen teils erheblich
abwichen. Der Grund für die Skepsis gegenüber der Golgi-Methode, war deren geringe
Elektivität. Die gezielte Anfärbung von Gliazellen bei Nichtdarstellung der Nervenzellen war mit
der Silber-Imprägnation kaum möglich. Einzig die sukzessive Verlängerung der
Einwirkungsdauer der Golgi-Lösung auf die Gewebeteile führte mehr oder weniger zufällig zu
verwertbaren Ergebnissen. Bei Lenhossék heißt es zu diesem Problem: "Die Einwirkungsdauer
der Lösung ist verschieden, je nachdem man hauptsächlich 1) Neuroglia 2) Nervenzellen oder 3)
die Nervenfasern des Markes zur Darstellung bringen möchte. [...]. Indess ist kein absoluter
Verlass darauf, ob sich bestimmt nur die eine oder andere Gattung für sich alleine schwärzen
2
wird; vielmehr ist gewöhnlich neben der einen Sorte auch noch die andere vertreten." Auch
Aguerre schrieb, die Wahrscheinlichkeit sei nicht auszumachen, mit der die Golgi-Methode "das
eine Mal Nervenelemente, das nächste Mal Gliaelemente, ein anderes Mal beide zusammem und
3
in vielen Fällen nichts imprägniert."
1
Vgl. ergänzend Lenhossék (1891): »Zur Kenntnis der Neuroglia des menschlichen
Rückenmarks«, (1892): »Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen«,
Gehuchten, v. (1891): »La structure des centres nerveux«, (1893): »Le systéme nerveux de
l'homme.« Santiago Ramón y Cajal widmete den Gliazellen "seine Aufmerksamkeit weniger als
den eigentlichen nervösen Elementen", wie Retzius (1894a, S.3) später betont.
2
Lenhossék 1892, S. 576. Über die Einwirkdauer der Golgi-Lösung heißt es bei Lenhossék
(Ibid.): "Für das menschliche Rückenmark kann ich aufgrund eigener Erfahrungen als günstig
empfehlen: 1) Neuroglia: 2-3 Tage, 2) Nervenzellen: 3-5 Tage; 3) Nervenfasern, Collateralen: 57 Tage."
3
Aguerre (1900): »Untersuchungen über die menschliche Neuroglia« S. 514ff
253
Louis Antoine Ranvier
Der in Lyon wirkende Anatom Louis Antoine Ranvier (1835-1922) verwendete seinen Alcohol à
1
tiers als Macerationsmittel, sowie Pikrocarmin oder Osmiumtetroxid zur Gewebefärbung. Mit
Hilfe dieser Stoffe war es Ranvier gelungen, die gliösen Zellkerne und deren Zellfortsätze sichtbar
zu machen. Im Unterschied zur "reazione nera" jedoch, welche ja, wie bei den Nervenzellen, eine
Zell-Faser Einheit zur Darstellung brachte, blieb bei Anwendung der Technik Ranviers, das
2
Zytoplasma der Gliazellen unsichtbar. In seiner 1883 erschienenen Arbeit »De la névroglie«
berichtete Ranvier davon, daß die Neuroglia des sich entwickelnden menschlichen Rückenmarks
zum einen aus Fasern und zum anderen aus fortsatzlosen Zellen zusammengesetzt sei. Gliafasern
seien nicht als Zellausläufer zu verstehen, sondern als eigenständige, von Zellen unabhängige
Strukturen, die entweder durch das Protoplasma der Gliazellen hindurchlaufen oder sich dem
Zellkörper anlegen. Für Ranvier waren die der Neuroglia des weißen Rückenmarks
3
zuzurechnenden Zellkörper morphologisch wie chemisch von den Gliafasern unterscheidbar.
Kaum veröffentlicht, waren die Beobachtungen Ranviers ins wissenschaftliche Abseits
geraten. Im Schatten der Golgi-Methode, die ja ab Mitte der 80er Jahre ihren Siegeszug in der
Erforschung des Formbildes der Gliazelle antrat, hatte Ranviers Untersuchung nur Mißachtung,
allenfalls Widerspruch ernten können. So von Golgi, der, Ranviers Angaben zu überprüfen, die
von Ranvier empfohlene Methode anwendete, die Ergebnisse Ranviers aber nicht bestätigen
4
konnte. Bei Kölliker heißt es später über diese Untersuchungen Golgis: "Bei den platten
Golgischen Zellen erheben sich fast ohne Ausnahme aus der Fläche der Zellen platte Fortsätze,
die dann in Ebenen, die mit denjenigen der Zellenkörper parallel ziehen, in zwei, drei und mehr
Fortsätze auslaufen. Bei gewissen Einstellungen nun erscheinen diese Fortsätze mit ihrem
Stammfortsatze als durch den Zellenkörper hindurchlaufende oder demselben aufgelagerte
Fasern. Ferner bemerkt Golgi, dass Falten der Ränder der platten Zellen ebenfalls für
durchtretende Fasern gehalten weren könnten und betont endlich, dass
1
Ranvier (1875): »Traité technique d'histologie« S. 77
Ranvier 1883
3
Auch Gierke glaubte vereinzelt die Beobachtung gemacht zu machen, daß Gliafasern "durch die
ganze Masse des Zelleibes hindurch gehen, um sich an beiden, ausserhalb desselben gelegenen
Enden zu verästeln." Doch im Unterschied zu Ranvier, maß Gierke dieser Beobachtung keine
Bedeutung bei. Es sei "entschieden unrichtig", heißt es bei Gierke, "wenn [Ranvier] diese
Bildungen als durchaus gewöhnlich, ja als fast regelmässig hinstellt. Das sind sie durchaus nicht.
Im Gegentheil, sie müssen selbst bei älteren Geschöpfen als mehr ausnahmsweise vorkommende
Bildungen angesehen werden [...]." [Gierke (1885): »Die Stützsubstanz des Nervensystems« S.
491f]
4
Vgl. Golgi 1882/85, in Golgi (1894): »Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und
peripherischen Nervensystems« S. 157
2
254
1
der Ansatz vieler Ausläufer der Gliazellen an Blutgefäße auch gegen Ranvier zähle."
Carl Wilhelm Weigert
Ranviers Untersuchungen wären wohl auch in Vergessenheit geblieben, wäre nicht Weigert, mit
2
Hilfe seiner Methylviolettfärbung und seiner speziellen Neurogliabeize , zu Ergebnissen gelangt,
3
welche die Untersuchungen Ranviers zu bestätigen schienen. Weigert war wohl der
entschiedendste Gegner der Golgi-Imprägnation als Mittel zur Darstellung der Gliaelemente und
er ließ keine Gelegenheit aus, gegen die Golgi-Imprägnation zu polemisieren: "Alle Elemente des
Centralnervensystems mit Ausnahme der Markscheiden werden ja von der Golgi-Methode
imprägniert: Nervenzellen mit ihren Dendriten und Axencylinderfortsätzen, Neurogliazellen und
Fasern, Ependymzellen, ja sogar Gefäße, freilich je nach Laune der Tinktion, jeder Bestandteil
bald einzeln, bald in den verschiedensten, ganz unberechenbaren Kombinationen mit einem oder
mehreren der anderen. Unelektiver, wenn man das Wort gebrauchen darf, kann schliesslich eine
4
Methode kaum noch sein." Und an anderer Stelle: "Die Erfolge der Golgischen Methode gerade
in ihrer Anwendung auf die Neuroglia sind ungemein überschätzt worden. In Wirklichkeit sind sie
nicht im entferntesten mit den immensen Fortschritten zu vergleichen, die wir derselben Methode
in Bezug auf die nervösen Elemente verdanken. Was die letzteren anbelangt, so ist die Golgische
Methode im wahren Sinne epochemachend gewesen, aber wenn manche Gelehrte auch in der
Geschichte der Neuroglia eine neue Epoche seit Anwendung der Golgischen Imprägnation
datieren, der gegenüber die Zeit vorher wie eine prähistorische erscheinen soll, - so ist das
ungemein übertrieben. Von wirklichen Erfolgen hat die Golgische Methode nur solche auf dem
Gebiete der Entwicklungsgeschichte aufzuweisen. Für die Lehre von der Anordnung der
Neuroglia im ausgebildeten Körper hingegen sind die Resultate äußerst dürftige, ja vielfach
geradezu falsche gewesen, und die weitgehende Überschätzung dieser Resultate ist nur dadurch
zu erklären, dass man sich der Grenzen, welche diese, wie jede Methode hat, nicht bewußt
5
war."
1
Kölliker (1896): »Handbuch der Gewebelehre« S. 149
Eine ausführliche Beschreibung der Methode Weigerts findet sich bei Weigert 1896, S. 192ff.
3
Weigert (1890a): »Zur pathologischen Histologie des Neurogliafasergerüstes«, (1890b):
»Bemerkungen über das Neurogliagerüst des menschlichen Zentralnervensystems«, (1896):
»Beiträge zur Kenntnis der normalen menschlichen Neuroglia«.
4
Weigert 1896, S. 104
5
Ibid., S. 91
2
255
Weigert hielt den Anhängern der Silberimprägnation vor, daß sie methodenbedingte Täuschungen
1
beschrieben, "Trugbilder von Zellen mit Fortsätzen". Wie Ranvier, so glaubte auch Weigert in
der Neuroglia entdeckt zu haben: "Uebergänge der Fasern in das unsichtbare Protoplasma sind
2
nicht zu bemerken." Wären diese Übergänge vorhanden, so müssten sich diese ja, behauptete
Weigert, "in der Weise geltend machen, dass die Fasern allmählich in der Nähe des Kerns blasser
3
würden und sich dann in dessen Umgebung verlören. Das ist aber niemals der Fall. [...]. Die von
uns dargestellten Fasern sind kein Novum, kein bisher unbekanntes Strukturelement, sondern sie
4
sind identisch mit dem, was man bisher als Ausläufer der Deitersschen Zellen beschrieben hat."
Über Ranviers "epochemachende Arbeit" schreibt Weigert nun in seiner 1896
erschienenen Monographie »Beiträge zur Kenntnis der normalen menschlichen Neuroglia«:
"[Ranvier] brachte den thatsächlichen Nachweis dafür, dass die sogenannte Deiterssche Zelle ein
Kunstprodukt ist, bei welchem die von der Zelle unabhängigen aber von ihr wie von einem
Centrum ausstrahlenden Fasern nur anscheinend vom Protoplasma ausgehen, in Wirklichkeit
5
aber an dasselbe nur angelehnt sind." Zur Nichtbestätigung der Ergebnisse Ranviers durch
Golgi, heißt es: man müsse sich fragen, wie es einem so hervorragenden Forscher "nicht geglückt
sein mag, die doch sicher richtigen Bilder Ranviers zu Gesichte zu bekommen." Golgi müsse "bei
seiner Nachprüfung irgend etwas anders gemacht haben, als Ranvier." Man müsse "die
Vermutung aussprechen, dass die Verschiedenheit im Golgischen und Ranvierschen Verfahren in
der Picrocarminfärbung zu suchen sein dürfte." Picrocarmin und Picrocarmin sei eben etwas
verschiedenes, das eine färbe so, das andere anders.
1
Ibid., S. 92
Ibid., S. 95
3
Ibid.
4
Ibid., S. 97f. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß auch Andriezen (der ja die GolgiImprägnation anwandte) in seiner Arbeit »The Neuroglia Elements of the Brain« schrieb: "In the
stellate fibre cell a distinct cell body is hard to recognise, partly owing to the enormous number of
fibres which emerge from and intercross in the cell body, and so obscure and conceal it, partly
owing to optical diffraction effects at the body or focus where so many fibres meet and decussate,
and partly because there is but a small and scanty remnant of protoplasm to constitute the cell
body. With a wide angle of light perfectly focussed and free from chromatic abberation and with
equally good lenses the best preparations will show a very small quantity of protoplasma in the
cell body, which, however, is mainly constituted of the meeting and intercrossing fibres. Many of
these neuroglia fibres pass right through the cell body." (Ibid., S. 229). Weigert schreibt über
Andriezen: "Wer Golgi-Bilder kennt, wird allen Respekt vor einem Forscher haben, der diese
feine Beobachtung machen konnte." (Weigert 1896, S. 102). Im Gegensatz zu Weigert hielt
Andriezen die Golgi-Methode jedoch für die Methode der Wahl zur Darstellung der
Zellenelemente im Nervensystem.
5
Weigert 1896, S. 86
2
256
"Wahrscheinlich war nun das von Ranvier benutzte Carmin so abgestimmt, daß es die Fasern,
aber nicht, oder wenig, die Zelleiber färbte, während Golgis Picrocarmin beide in gleichem Tone
1
tingierte und daher ununterscheibar machte." Im übrigen springe auch das "Irrtümliche der
2
Meinung" Köllikers mit Hilfe seiner [Weigerts] Methode "sofort in Auge".
Die "Astrocyten im alten Sinne" interpretierte Weigert als "astrocytenähnliche
3
Gruppierungen der Fasern um die Kerne". War bei den Anhängern der Golgi-Methode von
protoplasmatischen Zellfortsätzen die Rede, so sprach Weigert von "differenzierten, nur
4
angelehnten Fasern." "Diese vermeintlichen Zellen", heißt es über die ehemaligen Deitersschen
Zellen, "sind ja nichts anderes als wirkliche Zellen mit dicht anliegenden, von ihnen als von einem
Centrum ausstrahlenden Neurogliafasern. Sie sind die Bruchstücke des Neurogliagerüsts, in
5
denen die Fasern mit den Zellen in Contiguität getroffen werden."
6
Unsere Methode "mag sonst manches zu wünschen übrig lassen" , führt Weigert aus, "in
der uns hier beschäftigenden Frage", sei sie hingegen ganz sicher. "Und da müssen wir denn
sagen, nicht die Bilder von Ranvier, sondern die nach den alten Methoden erhaltenen Bilder
waren Trugbilder. [...]. Die nach den alten Methoden und nach der Golgischen erhaltenen Bilder
bedeuten nämlich nur, daß bei diesen die Fasern und Zelleiber wegen ihrer gleichen
Lichtbrechung (Ranvier) oder gleichen Färbbarkeit nicht differenziert werden, so dass beide in
chemischer (und morphologischer) Beziehung eins zu sein scheinen. Dass dies aber in der That
nur Schein ist, das beweisen eben unsere Präparate, welche ganz sicher zeigen, daß Fasern und
7
Zelleib im chemischen Sinne von einander durchaus verschieden sind." Gerade diese "chemische
Verschiedenheit von Zelleib und Faser" sei es, die durch das "absolute Ausbleiben der Färbung
8
[des Zelleibs]" besonders deutlich, ja geradezu bewiesen würde.
Vorwürfe, die ausbleibende Anfärbung des Zelleibes sei eben der Grund für
Fehlinterpretationen, ließ Weigert nicht gelten. Denn: "was würde man [..] sagen, wenn jemand
auf den Resultaten der Golgi-Methode fussend einem grossen Teile der Zellen im
Centralnervensystem die Kerne absprechen wollte. Jedermann würde eine solche Behauptung
energisch zurückweisen, denn man kann ja durch andere Methoden mit Leichtigkeit in allen
1
Ibid., S. 100f
Ibid.
3
Ibid., S. 99
4
Ibid.
5
Ibid., S. 118
6
So war Weigerts Methode "unfähig die Entwicklungsgeschichte der Neuroglia weit
zurückzuverfolgen." (Ibid., S. 93)
7
Ibid., S. 101f
8
Ibid., S. 103
2
257
1
Zellen den Kern sichtbar machen. Was aber den Kernen recht ist, ist den Neurogliafasern
2
billig."
Die wesentlichen Punkte seiner Anschauungen legte Weigert in einigen wenigen Kernsätzen
nieder: 1) "Die Neurogliafasern, die man bisher als Fortsätze der Deitersschen Zellen aufgefasst
hat, sind nicht mit dem Protoplasma chemisch identische Gebilde, sondern von diesem stofflich
durchaus verschieden." 2) "Die chemische Verschiedenheit tritt nicht etwa allmälich in mehr oder
weniger weiter Entfernung vom Zelleib an den "Fortsätzen" auf, sondern die Differenzierung
besteht von Anfang an, schon in unmittelbarer Nähe des Zellkerns." 3) "Die meisten der
sogenannten Fortsätze der Zellen sind überhaupt schon aus dem Grunde keine Fortsätze, weil bei
ihnen je zwei anscheinende Ausläufer einen an der Zelle vorbeilaufenden gemeinschaftlichen
Faden bilden. Dieser wird durch den Zelleib in keiner Weise unterbrochen, wie das doch bei
"Ausläufern" der Fall sein müsste, die ja jeder einzeln von dem Zelleibe ihren Ursprung nehmen
würden. Mit einem Worte: Es handelt sich hier gar nicht um Fortsätze oder Ausläufer von Zellen,
3
sondern um Fasern, die vom Protoplasma vollkommen differenziert sind."
Die Zellen der Neuroglia waren für Weigert nicht das eigentliche Merkmal der Glia. Neuroglia
bestehe zwar "in ausgebildetem normalen Zustande [...] aus Zellen und ausserdem aus Fasern",
doch da die Gliafasern in ihrer "räumlichen Ausbreitung so kolossal überwiegen," seien diese der
4
"wesentlichen Bestandteil der Neuroglia." Wie einst in Gerlachs oder Golgis
Nervenfasernetzwerken die Nervenfaser dominierte, so war für Weigert die Gliafaser nun der
eigentlich relevante Untersuchungsgegenstand bei der Betrachtung der Neuroglia. Vor diesem
Hintergrund gab Weigert denn auch erstmals eine genaue Bescheibung der Gliafasern, die er als
5
"nicht nervöse Intercellularsubstanz" auffasste. Die "für das gesamte Zentralnervensystem"
geltenden "histologischen Eigenschaften" der Gliafaser beschrieb Weigert wie folgt: "1) Die
Fasern sind mehr oder weniger gerade, oder sie verlaufen in starr geschwungenen Biegungen 2)
6
Die Fasern sind durchaus solide, eine Höhlung ist an keiner zu entdecken 3) Die Fasern sind
1
Bei der Golgi-Methode erscheint ja das gesamte imprägnierte System einer Zelle als schwarze
Silhouette. Zytoplasmatische Zellstrukturen sind nicht sichtbar.
2
Weigert 1896, S. 104
3
Ibid., S. 105f
4
Ibid., S. 106
5
Ibid., S. 117
6
Die Vorstellung von hohlen Gliafasern fand zur Zeit Weigerts durchaus Anhänger [vgl. z. B.
Lavdovsky (1891): »Vom Aufbau des Rückenmarks.«] Schon Fromann (1864/1867) hatte in
seinen »Untersuchungen über die normale und pathologische Anatomie des Rückenmark«
geschrieben: "[...] so glaube ich, daß die Fasern alle aus den Ausläufern der Zellen
hervorgegangen und wie diese hohl sind, und daß somit die ganze Bindesubstanz der weißen
Substanz aus einem zusammenhängenden Netzwerk von Kanälchen von wechselnder Größe
258
Fig. 23 Methoden-bedingte Trugbilder, die Gliafasern als scheinbar selbständige, außerhalb der Zellen gelegene
Strukturelemente erkennen lassen: "Die Neurogliafasern, die man bisher als Fortsätze der Deitersschen Zellen
aufgefasst hat, sind nicht mit dem Protoplasma chemisch identische Gebilde, sondern von diesem stofflich durchaus
verschieden" [nach Weigert 1895, Methylviolett-Methode].
besteht, für welche die zahlreich eingeschalteten Zellen Sammel- und Mittelpunkte bilden."
(Fromann 1864, S. 45; vgl. dazu Fromann 1867, S. 9)
259
ganz glatt, ohne 'körnige Beschaffenheit', ohne umschreibene Auftreibungen und Verdickungen 4)
Ebensowenig wie Varicositäten zeigen die Neurogliafasern irgend welche moosartigen oder sonst
wie beschaffenen Ansätze 5) Die Neurogliafasern zeigen niemals etwas von jenen konischen oder
1
flaschen Erweiterungen 6) Die Fasern sind von verschiedener Dicke 7) Die Fasern teilen sich
2
nicht und 8) sie anastomisieren nicht.
In der Tat ist die vollständige Darstellung der Gliafasern die Stärke der Weigertschen Methode,
ermöglichte sie doch, in ihrer Eigenschaft, Nervenzellen und kollagenes Bindegewebe farblos
erscheinen zu lassen und nur die Elemente der Neuroglia anzufärben, eine umfassende
3
Darstellung der Gliatopographie. Imprägnierte die Golgische Methode "nur unvollkommen, hier
4
und da einen Bestandteil der Neuroglia" so gelang es mit Weigerts Verfahren "ein ganzes Bild
des Gliagewebes" wiederzugeben, "d.h. es wird bei richtiger Anwendung der Methode jede
5
einzelne Gliafaser mit Sicherheit gefärbt."
Ungeachtet der Auseinandersetzung um die Zell-Faser Problematik, fand Weigerts
Topographie der "Faser-Neuroglia" Anerkennung bei den Zeitgenossen. Bei Retzius heißt es in
den »Biologischen Untersuchungen«: "Durch Weigerts treffliche Methoden wurde in der That
unsere Kenntnis von der Verbreitung und dem Reichthum, sowie auch von den Formen der
6
fraglichen Elemente in hohem Grade gefördert". Lenhossék schrieb in seiner »Untersuchung«:
"Ist für die Darstellung der einzelnen Gliaelemente die Golgi-Methode weitaus das ergiebigste
Verfahren, so giebt sie über Art und Weise, wie die Spinnenzellen und ihre Fortsätze, die
Gliafasern quantitativ [...] verteilt sind keinen sicheren Aufschluß. Hier sind andere Methoden am
Platze." Das Weigertsche Verfahren sei es, sagt Lenhossék, das in dieser Beziehung
7
"Vorzügliches, ja vielleicht Unübertreffliches" leiste.
1
Gemeint sind Gliaendfüßchen.
Weigert 1896, S. 131ff
3
In der Tat weist Weigerts Methode eine typische Eigenschaft der Golgi-Färbung nicht auf,
nämlich die auf einige wenige Zellelemente begrenzte Selektivität der Anfärbung. "Dieser für die
Darstellung der Gerüstsubstanz fundamentale Fehler", heißt es bei Weigert, "kommt den nervösen
Elementen, bei denen es wesentlich auf die Beziehung der einzelnen Elemente zueinander
ankommt, nicht nur nicht in Betracht, sondern er hört hier auch auf ein Fehler zu sein und wird
ein Vorteil, da man bei einer vollständigen Darstellung des Nervengewebes sich gar nicht mehr
im Gewirr desselben auskennen würde. Bei einer Stützsubstanz aber muß man eine wenigstens
stellenweise Vollständigkeit der Elemente durch eine brauchbare Methode erreichen können. Das
kann aber die Golgische Methode nicht leisten." (Weigert 1896, S. 92)
4
Ibid., S. 92
5
Aguerre 1900, S. 514
6
Retzius 1894a, S. 1
7
Lenhossék 1895, S. 178
2
260
1
2
Verglichen mit den Golgianern (Ramón y Cajal, Nansen, van Gehuchten, Lenhossék, Kölliker ,
Retzius u. a.), die ja weiterhin davon ausgingen, daß es in der Neuroglia Gliazellen mit
3
Zellausläufern gibt, war der Einfluß der Weigertianer eher bescheiden. Dennoch blieb die
Debatte um die Weigerts Vorstellung von der "freien Gliafaser" und ihre Interpretation als
Interzellularsubstanz bis nach der Jahrhundertwende lebendig. Daß am Ende die Anhänger
Weigerts ebenso wie die "Golgianer" recht behalten sollten, davon wird noch die Rede sein.
1
Begriff nach Reinke (1897): »Ueber die Neuroglia in der weissen Substanz des Rückenmarks
vom erwachsenen Menschen« S. 1
2
Reinke wies Kölliker eine Position zwischen Golgianern und Weigertianern zu. Reinkes zitierte
Textpassagen belegen dies allerdings nur ungenügend. Vor allem da sich Kölliker an anderer
Stelle, die Reinke offenbar entgangen war, eindeutig bekannte: Kölliker schrieb 1896 im
»Handbuch der Gewebelehre«, daß er, "[...] nach Kenntnisnahme und sorgfältiger Erwägungen"
der "Darlegungen von Weigert", keinen Grund sehen könne, von seinen eigenen Ansichten
abzugehen: "Wenn Weigert bei seiner Methode auch das Protoplasma der Gliazellen gefärbt
erhalten hätte, so würden alle Zellen [...] als echte sternförmige Zellen sich ergeben haben."
Weiter führte Kölliker gegen Weigert ins Feld: es gäbe Gliazellen, "deren ganzes Verhalten gegen
die Annahme spricht, dass ihre Ausläufer nur durchgehende Fasern seien und das sind alle
Zellen, die an Gefässe sich ansetzen. [... Ich behaupte ...], dass in allen Gegenden, in denen
Weigert so etwas gefunden zu haben glaubt, mit der Golgi'schen Methode typische Gliazellen
nachzuweisen sind." (Ibid., S. 791f)
3
Z. B. Aguerre (1900): »Untersuchungen über die menschliche Neuroglia«, Brodmann (1898):
Ein Beitrag zur Kenntnis der chronischen Ependymsclerose, (1898): »Ueber den Nachweis von
Astrocyten mittels der Weigertschen Gliafärbung«, Eurich (1896) »Studies on the neuroglia«,
Huber (1903): »Studies on the neuroglia in vertebrates«, Marinesco (1900): »Du role de la
nevroglie«, Müller (1900): »Studien über Neuroglia«, Pollak (1897): »Bemerkungen über
Neuroglia«, Storch (1899): »Über die pathologisch-anatomischen Vorgänge am Stützgerüst des
Nervensystems«.
261
6. "Psychotische Entartung der Capillargefäße" oder "flaschenartige
Erweiterungen der Gliazellfortsätze"? Die Aufklärung zellulärer
Feinstrukturen am Beispiel der Gliaendfüßchen
1
Die mikro-morphologische Beziehung der Gliazellen zu den Blutgefäßen , vermittelt durch das
sogenannte Gliaendfüßchen, gehört zu den auffallenden Erscheinungen in der Zellarchitektur der
Neuroglia. Im folgenden, zur Entdeckung des Gliaendfüßchens, die wichtigsten Stationen.
Rudolf Virchow
Die ersten Hinweise auf eine anatomische Beziehung der Gliazellen zu den Blutgefäßen gab
Virchow im Jahre 1856 in den »Gesammelte Abhandlungen«. Dort heißt es: "Die[..]
Bindesubstanz bildet in dem Gehirn, dem Rückenmark und den höheren Sinnesnerven eine Art
2
von Kitt (Neuroglia) in welche die Nervenfasern und Nervenzellen eingesenkt sind [...].
Untersucht man [die Bindsubstanz] frisch, so findet man eine feinkörnige, sehr reiche Substanz
mit länglich-ovalen, ziemlich grossen Kernen, die man früher für eine besondere Art von
Nervenmasse hielt. Die Kerne sind indess in sehr weichen und gebrechlichen Zellen enthalten, wie
man zuweilen schon an frischen Objecten, noch deutlicher an künstlich erhärteten sieht. [...]
Namentlich im Umfange der Gefäße verdichtet sie sich gewöhnlich zuerst und hier werden dann
3
auch die eingeschlossenen zelligen Elemente zuerst deutlich."
Leopold Besser
Die ersten Abbildungen von mit Blutgefäßen assoziierten Neurogliazellen finden sich bei
4
Leopold Besser. Bessers Beoachtungen lag die Annahme zugrunde, die Elemente der Neuroglia
besäßen morphogenetische Eigenschaften. Über die von ihm in der Hirnrinde "neugeborener
Menschen" beobachteten, aus Gliakernen und Gliareisern bestehenden Gliagebilde schreibt
Besser, sie seien als die "auf der ersten Stufe ihrer Entwicklung stehenden", "jüngsten, zartesten,
5
am wenigsten entwickelten Gliagebilde" aufzufassen.
1
Dazu Lierse 1968
Virchow 1856, S. 889f; Anmerkung 3)
3
Ibid.
4
Besser (1866): »Zur Histiogenese der nervösen Elementartheile.«
5
Ibid., S. 318
2
262
Sämtliche "Nervenelemente der menschlichen Centralorgane", sah Besser sich aus "Theilen der
Neuroglia" hervorbilden. "Die Nuclei der Nervenzellen sind Umbildungen der Gliakerne, die
Körper der [Nerven]zellen solche der Gliareiser; Verlängerungen derselben werden zu den
Ausläufern der [Nerven]zellen. Die Nervenfasern bestehen aus den lang auswachsenden Reisern
1
der Glianetze [...]. Die Axencylinder sind in den feinen Fädchen der Reiser vorgebildet."
"Massenhafte Capillar-Neubildungen", behauptete Besser, gingen diesen "nervösen
2
Differenzirungen" voran. In der Hirnrinde meinte Besser denn auch "ein Zusammentreten dieser
Gliagebilde zu Capillaren" zu beobachten und dies "in einer so enormen Verbreitung, dass man
sagen kann, es gilt hier der möglichst raschen Schöpfung neuer Blutbahnen. Tausende um
Tausende solcher Gliagebilde legen sich hier zu Capillaren zusammen an einander und nicht nur
zu ihnen allein, sondern gleich zu Gefäßchen kleinster Ordnung. Nicht suczessive legen sich der
Capillarwand Kern um Kern mit ihren Netzen an, nein gleich reihen- und massenweise und ohne
dass die Längsbildung eines in die Gefäßwand eingetretenen Kernes sich erst vollzieht, treten die
3
Gliaelemente in parallelen Schichten aneinander und bauen so die Gefäßstämmchen auf."
Bessers Theorie der Bildung kapillarer und nervöser Elemente durch Umwandlung der Neuroglia,
4
findet sich auch bei anderen Autoren jener Jahre wieder , teilweise noch bis ins ausgehende 19.
5
Jahrhundert. Die Hintergründe der Besserschen Theorie sollen hier nicht weiter diskutiert
werden. Die Abbildungen jedoch, mit denen Besser "dieses Phänomen" der Kapillarentstehung
wiederzugeben versucht, zeigen erstmals die typische Anordnung sternförmiger Gliazellen um die
Blutgefäße.
1
Ibid., S. 325f
Ibid., S. 326
3
Ibid., S. 318
4
In ihrem Aufsatz »Ueber die sogenannte Bindesubstanz des Nervensystems« (Henle & Merkel
1869), kamen Henle und Merkel zu einem an die alte Zelltheorie Theodor Schwanns erinnernden
Schluß: Die von ihnen beschriebenen Körner in der grauen Zwischenmasse seien indifferentes
Bildungsmaterial, das sich sowohl in nervöse als auch in bindegewebige Elemente umwandeln
könne. Henle und Merkel schreiben: "Die Frage ob die Elemente, die wir bisher unter der
unvorbegreiflichen
Bezeichnung
'Körner'
zusammenfassten,
Bindegewebsoder
Nervenkörperchen seien, löst sich hiermit auf eine Weise, die jeder Partei zu ihrem Recht verhilft.
Sie sind keins von beiden und werden das eine oder andere, je nach dem Boden, in welchen sie
verpflanzt werden." (Henle & Merkel 1869, S. 80)
5
Z.B. Rhode (1895): »Ganglienzelle, Achsencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia.«
2
263
Fig. 24 Die erste Darstellung der histologischen Beziehung von Gliazellen und Blutgefäßen: (Fig. 1) "Ein Häufchen
von aneinanderhängenden Gliagebilden aus der Grenzschicht der Corticalis des Grosshirns vom Neugeborenen - Es
haftet an einem in der Bildung begriffenen Gefäß", (Fig. 6) "Gefäßneubildungen aus der Grosshirn-Grenzschicht des
Neugeborenen. Gliagebilde legen sich massenweise an die Gefäße" [nach Besser 1866, Carminfärbung].
264
Moritz von Roth
Der Baseler Pathologe Moritz von Roth (1839-1914) ging erstmals auf die Position der
1
Gliafasern, also der Gliazellfortsätze zu den Blutgefäßen ein. Während Besser in seinen
Illustrationen zwar an den Blutgefäßwänden ansitzende Fasergebilde abbildet, auf diese aber im
Text nicht eingeht, heißt es bei Roth: "Wenn man aus der Rinde eines Kalbshirns, das einige Tage
in einer stark verdünnten Lösung von chromsaurem Kali gelegen hat, die Gefässbäumchen zu
isoliren versucht, so gelingt dies zwar vollkommen leicht, doch bleiben meist Fragmente von
Gehirnsubstanz daran sitzen, theils grössere Flöckchen von Spongiosa [Henles körnige Substanz],
theils ziemlich regelmässig über die ganze Oberfläche zerstreute, meist senkrecht zur Gefässaxe
stehende feinste Fäserchen. Diese letzteren entspringen mit trichterförmiger Verdickung von der
Gefässwand, sind äusserst blass, feinkörnig, verlaufen leicht eingeknickt und können bis 0,03
[mm] darüber messen. Meist bleiben sie einzeln und einfach, zuweilen theilen sie sich nach
aussen, selten vereinigen sich mehrere derselben zu einer feingranulirten kernhaltigen Sternzelle,
2
deren Längsaxe senkrecht zum Gefäss steht." Mit den "trichterförmigen Verdickungen" waren die
Gliaendfüßchen von Roth entdeckt.
Victor Butzke
3
Auch Victor Butzke schreibt , die Fortsätze der "Gliakörper" sähe er "sich zuweilen an die
Gefäßwände inseriren". Zu erkennen seien "solide Gliafasern", die "eine eigenthümliche
Endigungsweise [zeigen], indem sie sich faserig spalten und so eine dreieckige oder
trichterförmige Erweiterung bilden, die offenbar als Füsschen dient, womit sich das Gliaelement
4
an solidere Körper, sei es an ein Gefäß oder an die Pia anheftet." Ein solches Gliakörperchen,
mit einem "Fortsatz, der in ein kleines dreieckiges Füsschen oder in ein Trichterchen endet,"
bildete Butzke ab. Weiter heißt es: "Diese Fäserchen legen sich [..] verhältnismässig lose an die
Gefäßwandungen an, sie sind zart und vergänglich, verzweigen sich hauptsächlich nach dem
Gefäße hin und nicht umgekehrt [...]. Diese Fasern sind nichts anderes als die Zweige der
Gliakörperchen und gehören eigentlich dem Gefäße selbst gar nicht an, da sie nicht aus ihm
hervorwachsen - es müsste ja die Theilung der Fasern im umgekehrten Sinne erfolgen - sondern
5
sie sind etwas ganz von Aussen herantretendes."
1
Roth (1869): »Zur Frage von der Bindesubstanz in der Grosshirnrinde.«
Ibid., S. 243f
3
Butzke (1871): »Studien über den feineren Bau der Grosshirnrinde.«
4
Ibid., S. 593
5
Ibid.
2
265
Fig. 25 Erste Darstellung des "Gliaendfüßchens": (Fig. 20) "Gliakörperchen"; "bei a, ein Fortsatz, der in ein kleines
dreieckiges Füsschen oder in ein Trichterchen endet" [nach Butzke 1871, Carminfärbung].
266
Camillo Golgi
Bei Golgi heißt es: Viele "der fadenförmigen Verlängerungen [...] der Bindesubstanzzellen [...]
verlaufen nach den Wandungen der Gefässe, sowohl der Capillaren, als derjenigen von mittlerer
Stärke und setzen sich entweder unmittelbar an ihren Wänden an, wenn sie capillar sind, oder an
die Lymphscheide, wenn die Gefässe von stärkerem Durchmesser sind. [...]. Wenn die Schnitte in
vollkommen horizontaler Richtung geführt sind, sieht man vorwiegend quer durchschnittene
Gefässe von rundlicher oder ovaler Gestalt, nach welchen die Fortsätze der hier und da in der
umgebenden Hirnsubstanz zerstreuten Bindegewebszellen zusammenlaufen. In Vertikalschnitten
verlaufen die Gefässe meist horizontal und an ihren Rändern sieht man deutlicher, als an
Horizontalschnitten, die Ansatzpunkte der Fäden. Wenn die Gefässe von der Scheide umgeben
sind, so entspricht der Ansatz gewöhnlich kleinen Hervorragungen, welche diese nach aussen
1
bildet." Diese "kleinen Hervorragungen" sind in den Abbildungen Golgis deutlich zu erkennen.
Eduard Rindfleisch
Eduard Rindfleisch schreibt über sein "zartes und weitmaschiges Netz" aus sternförmigen
Bindegewebszellen: "Die Stützpunkte dieses Netzes, befänden sich theils an den Gefäßen, theils
2
an der Unterseite der Pia mater". Umgekehrt, so Butzke, beobachte man bei der Isolierung von
3
Gehirngefäßen "einen ganzen Urwald von Fäserchen ausstrahlen [...]."
Rindfleischs Vorstellung von "Fäserchen", die aus den Blutgefäßen "ausstrahlen", liegt
eine eigenwillige Interpretation des mikroskopischen Bildes zugrunde. Rindfleisch nahm an, daß
der "acute Zustand des Irreseins" mit einer "Desorganisation der Gefäßwandungen"
4
zusammenhängt, welche "die Rückkehr zur Norm" erschwert. Unter "Desorganisation" versteht
Rindfleisch eine "fettige Entartung der Capiallargefäße", welche typischerweise bei Psychosen
gefunden werde. Diese Entartung äußere sich darin, daß "an der Außenseite der Gefäßwände
kleine dreieckige Anschwellungen entstehen [...] welche Fettröpfchen beherbergen und dem
5
Gefässe ein zierliches Ansehen geben [...]."
1
Golgi 1871, in Golgi (1894): Untersuchungen über den feineren Bau des centralen und
peripherischen Nervensystems« S. 7
2
Rindfleisch (1873): »Handbuch der pathologischen Gewebelehre.« S. 571
3
Ibid.
4
Ibid., S. 597 u. S. 599
5
Ibid., S. 599f
267
Fig. 26 Querschnitt durch ein Blutgefäß mit aufsitzenden Gliaendfüßchen [nach Golgi 1871, Carminfärbung].
268
Mag nun "die Bedeutung des Fettes in unserem Falle eine sein welche sie wolle", schreibt
Rindfleisch, auf jeden Fall sei das, "was sich hier an der Aussenfläche der Gefässe je länger je
mehr hervorbildet, und was am meisten zu der dauernden Desorganisation der letzteren beiträgt,
1
[..] eine effective Neubildung von Bindegewebszellen und Fasern [...]." Die von den Blutgefäßen
ausgehende "Bindegewebsdurchwachsung" sei "die eigentlich desorganisierende, das
2
Denkwerkzeug unbrauchbar machende Störung [...]" im Nervensystem. Demgegenüber seien
"die Veränderungen, welche die Ganglienzellen und Nervenfasern erfahren [...] nur secundärer
3
und passiver Natur." Rindfleisch hat mit einem "fettig-degenerirten Gefäss" nichts anderes
gesehen, als ein Blutgefäß mit aufsitzenden Astroyztenfortsätzen und Endfüßchen. Dies erscheint
umso sicherer, verfolgt man Rindfleischs Beschreibung der Blutgefäße nicht nur im Stadium des
"acuten Irreseins" sondern ebenso im Stadium des "chronischen Irreseins." Hierzu heißt es: "Ich
finde [..] eine mehr oder minder ausgesprochene Verdickung der Gefässwandungen, welche [...]
auf eine Anschichtung fibrillärer, kernhaltiger Substanz zu beziehen ist. An dieser Substanz treten
aussen herum zahlreiche feine, schwach lichtbrechende Protoplasmafortsätze hervor, welche dem
Gefäss ein fremdartiges, stacheliges Aussehen verleihen. Diese Fortsätze stehen in Verbindung
mit jenem System von Saftzellen, welches sich in der Hirnsubstanz selbst befindet [...]. Dieses
Saftzellennetz entspricht in seiner Verbreitung, d.h. in der auf ein Gefässterritorium kommenden
Zahl von sternförmigen Zellen so sehr dem normalen Stützzellennetz [Rindfleischs zartes und
weitmaschiges Netz aus sternförmigen Bindegewebszellen], dass man die Annahme entbehren
kann, als habe hier ein wirkliches Hineinwachsen von Seiten der Gefässoberfläche stattgefunden
4
[...]."
Franz Boll
5
Auch Franz Boll erkannte den Zusammenhang der Gliazellfortsätze zu den Blutgefäßen. "Ich
habe gefunden", so schreibt er: "dass die Gefäße der Centralorgane durchweg, [...] von einem
Zuge Deitersschen Zellen [...] begleitet werden. Gewöhnlich haben diese die Gefäße begleitenden
Zellen eine ganz bestimmte charakteristische Form: sie entsenden ihre faserartigen Fortsätze
nicht multipolar nach allen Seiten, sondern nur nach zwei diametral
1
Ibid.
Ibid., S. 601f
3
Ibid., S. 601
4
Ibid.
5
Boll (1874): »Histiologie und Histiogenese der nervösen Zentralorgane.«
2
269
1
entgegengesetzten oder gar nach einer Richtung [...]". Isolierte Hirngefäße hätten ein rauhes, mit
"Zotten" bedecktes Aussehen. Diese "Zotten" interpretierte Boll nicht als Auswachsungen der
2
Blutgefäße, sondern als Fortsätze der Deitersschen Zellen.
Camillo Golgi
3
In seiner Untersuchung aus dem Jahre 1882/85 schreibt Golgi über die "reichliche Verbindung
der Bindegewebszellen mit den Gefäßwänden": "Diese Verbindung findet bald auf ganz
unmittelbare Weise statt, d.h. die Zellkörper liegen unmittelbar an den Gefässwänden an, und
diese sind oft über lange Strecken ihres Laufs von einer dichten Reihe strahliger Zellen umgeben,
deren Körper fast einen Theil der Gefässwand auszumachen scheint, bald findet die Verbindung
der Fortsätze statt, welche zum Theil sehr kräftig sind und breiten lamellenartigen Ausläufern
gleichen. Nicht nur die zunächst liegenden Zellen gehen solche Verbindungen ein, sondern auch
ziemlich weit von den Gefäßen liegende; ziemlich oft theilt sich derselbe Fortsatz nahe an seinem
Ursprunge und setzt sich an weit von einander entfernte Punkte desselben Gefässes, oder auch an
verschiedene Gefässtämme an. Der Ansatz geschieht in der Regel mit einer Ausbreitung, welche
bisweilen von kegelförmiger, wohl begrenzter Gestalt, bald sehr dünn und ohne deutliche Grenzen
ist, so dass man fast sagen möchte, sie bilde ein perivasculäres Häutchen. An den Capillaren und
kleinen Arterien, welche keine bestimmte Adventitia besitzen, scheint der Ansatz direct an der
Endothelwand der ersteren und an die dünne Muskelhaut der zweiten zu geschehen. Auch in
diesen Fällen scheint aus der Gesamtheit der Ausbreitungen der Ansätze der Zellfortsätze eine
zusammenhängende Bekleidung hervorzugehen, welche der Gefässwand unmittelbar aufliegt und
4
eine Art von weiterer Adventitia darstellen könnte."
William Lloyd Andriezen
William Lloyd Andriezen, in seiner 1893 erschienenen Abhandlung »On a system of fibre cells
5
surrounding the blood vessels of the brain«, beschreibt nicht nur die vielfältigen
1
Ibid., S. 13f
Ibid.
3
Golgi (1882/85): »Sulla fina antomia degli organi centrali«, in Golgi (1894): »Untersuchungen«
2
4
5
Zit. aus Golgi 1894, S. 161
Andriezen 1893b
270
morphologischen Ausprägungen des Gliazell-Blutgefäß Kontaktes, die von Besser ja schon
angedeutet wurden, sondern auch die Endanschwellungen der Gliafortsätze ("protoplasmatic thick
processes") als die eigentliche Kontaktzone zwischen Blutgefäß und Gliazelle.
Gustaf Magnus Retzius
Retzius beschreibt seine Fußsternstrahler als "in der Regel sternförmig", wobei die Fortsätze in
"Knötchen oder Endfüßchen" endigen. Fußsternstrahler kämen an der Hirnoberfläche und in der
1
Nähe von Blutgefäßen vor, an denen sie "mit konisch angeschwollenen Füsschen anheften."
Carl Wilhelm Weigert
Auch im Zusammenhang mit der Entdeckung der Gliaendfüßchen sei auf die Vorstellungen
Weigerts hingewiesen, der unbeeindruckt von den Befunden seiner Zeitgenossen, auch in der
Frage des Kontaktes zwischen Gliafasern und Blutgefäßen eine eigenwillige Position bezog.
Weigert schreibt, er hätte "niemals etwas von jenen konischen oder flaschenartigen
Erweiterungen" gesehen, "wie sie an Golgi-Präparaten als etwas ganz regelmäßiges beschrieben
2
werden." Weigert hingegen beschrieb Gliafasern, welche die "ausgesprochene Tendenz" hätten,
"nach den Gefäßen in mehr oder weniger senkrecht-radiärer Richtung hinzustreben und sich hier
3
- immer ohne Conus - zu inserieren." Was die von seinen Zeitgenossen beobachteten
Gliaendfüßchen betrifft, vermutete Weigert, "daß sich bei der Golgischen Methode irgend etwas
mitfärbt, was nicht zur Faser gehört, respektive was eine andere chemische Beschaffenheit wie
diese besitzt." Was dieses mitgefärbte Etwas sein sollte, das sei, so Weigert, allerdings nur
"schwer zu sagen." "Vielleicht handelt es sich um eine Kittsubstanz," die durch seine [Weigerts]
Färbung nicht sichtbar würde. "Es könnte aber auch sein, dass sich der Silberniederschalg einfach
zwischen die Oberfläche des Organs und die letzten (sehr oft schief umgebogenen) Enden der
4
Fasern absetzt, so dass also ein reines Kunstprodukt vorläge." Weigerts Argument, die
Gliaendfüßchen als Artefakt der Silberimprägnation hinzustellen, war jedoch kaum stichhaltig.
Schon mehr als zwei Jahrzehnte vor Weigerts Untersuchung waren die "konischen
Erweiterungen" in den Carmin-Arbeiten von Roth, Butzke, und Golgi gezeigt worden.
1
Retzius (1894a): »Die Neuroglia des Gehirns beim Menschen und bei Säugethieren« S. 10
Weigert (1896): »Beiträge« S. 133 u. S. 140
3
Ibid., S. 140
4
Ibid., S. 133
2
271
Fig. 27 Protoplasmatische Astrozyten, Gliaendfüßchen, und ihre Beziehung zum Blutgefäßsystem: (Fig. 415)
Silberimprägnation; nach Kölliker 1896, (Fig. 3) Silberimprägnation; nach Retzius 1894a, (Fig. 7)
Silberimprägnation nach Andriezen 1893a [aus Schleich 1894].
272
7. Die Netzwerkstruktur des Gliösen
Wie schon bei der Beschreibung der Nervenzellen und Nervenfasern stellte sich auch in der
Diskussion um die Feinorganisation der Zell- und Faserelemente der Neuroglia die Frage, ob, und
wenn ja, auf welche Art und Weise, diese zu Fasernetzen organisiert sind. Sind die
Neurogliafasern miteinander verschmolzen, bilden sie ein "Netz", oder sind die Faserelemente nur
1
ineineinander gefilzt, stellen also nur ein "Geflecht" dar. Bilden die Gliazellen ein Reticulum,
oder handelt es sich bei Gliazellen um anatomisch eigenständige Zellindividuen, um gliöse
Elementarorganismem?
Obwohl schon bei Keuffel und Valentin von netzwerkartigen Strukturen im nervösen
2
Zentralapparat, bestehend aus Fasern, die nicht Nervenfasern meinten, die Rede war, und auch
3
Bidder und Kupffer ein bindegewebiges Faserretikulum angenommen hatten , das einerseits am
Ependym und andererseits an der pia mater aufgehängt sein sollte, kann von einer Debatte um das
für und wider einer Netzstruktur der interstitiellen Massen im zentralen Nervensystem erst nach
4
1860 die Rede sein. Ausgangspunkt war die bereits erwähnte Untersuchung Max Schultzes, in
der dieser das Zwischengewebe im Gehirn und Rückenmark als echtes Bindegewebe aufasste und
die körnige Beschaffenheit der Zwischensubstanz, wie sie von vielen Autoren ja behauptet wurde
(so sie deren Existenz anerkannten), bestritt. Der Eindruck einer körnigen Zwischemasse, so
Schultze, ist auf optische Täuschungen in Folge zu geringer Vergrößerungen zurückzuführen.
Tatsächlich handele es sich beim Bindegewebe, insbesondere jenem in der grauen Substanz, um
5
ein feines Fasernetz.
Im Laufe der Diskussion um Schultzes These, deren ermüdender Verlauf bereits im
vorhergehenden Abschnitt mit den Worten Franz Bolls als ein "Chaos der Endlosen
Widersprüche" charakterisiert worden war, wurde von den beteiligten Histologen nahezu jede
denkbare Position bezogen, zumeist ohne eindeutig Stellung zu beziehen. "Elastische
Ausdrucksweisen" wie: Das Bindegewebe der nervösen Zentralrogane sei "körnig-faserig", oder
6
"trotz seiner feinkörnigen Beschaffenheit dicht geästelt und verfilzt" kennzeichneten
1
Eine begriffliche Unterscheidung auf die Weigert wert legte. (Weigert 1896, S. 135)
Keuffel (1811): »Ueber das Rückenmark«, Valentin (1836a): »Über den Verlauf und die letzten
Enden der Nerven«.
3
Bidder & Kupffer (1857): »Untersuchungen über das Rückenmark und die Entwicklung seiner
Formelemente.«
4
Schultze (1859): »Observationes de retinae structura penitiori.«
5
Zur Position Schultzes vgl. die Darstellungen bei Golgi 1894, S. 5f; sowie bei Henle 1869, S.
51f.
6
Zit. nach Henle & Merkel 1869, S. 52
2
273
das Ausmaß der Verwirrung. Eine der durchsichtigeren Beschreibungen der Bindesubstanz in den
1
Zentralorganen des Nervensystems findet sich bei Virchow: "Die Beschaffenheit der Neuroglia
ist, wie ich von Anfang an hervorgehoben habe, an den verschiedenen Stellen sehr verschieden.
Schon ihr grober Bau ist manchmal fester und dann dem Bindegewebe ähnlicher, manchmal so
weich, dass man eine ganz formlose (amorphe) oder körnige (granuläre) Substanz vor sich zu
haben glaubt. [...]. Die Zusammensetzung der Neuroglia ist, wo sie am allermeisten
charakteristisch ist, so, dass man in einer [...] Grundsubstanz, welche, frisch untersucht,
gewöhnlich unter dem Mikroskop ein feinkörniges Aussehen darbietet, rundliche oder
linsenförmige oder spindelförmige oder verästelte zellige Theile findet, die in gewissen
Entfernungen von einander liegen. [Die Intercellularsubstanz erscheint] nicht fest und hyalin,
sondern weich und punctirt. [...]. Erhärtet man die Neuroglia, sei es mit Alkohol, sei es mit
Chromsäure, so bekommt man bei recht feinen Schnitten eine Art feinstes Netzwerk zu sehen. Die
Substanz erscheint so, als ob sie von zarten, in allen Richtungen sich kreuzenden Fibrillen
durchsetzt wäre, von denen es nur schwer zu sagen ist, ob sie präexistiren oder durch Coagulation
aus der ursprünglichen Substanz hervorgegangen sind. Es sieht manchmal so aus, als ob man ein
feines Fibrillennetz vor sich hätte, in welchem farbige Blutkörper eingschlossen sind. Für die
Präexistenz dieses Netzes, für die sich Max Schultze ausgesprochen erklärt hat, scheint mir
namentlich der Umstand zu sprechen, dass dasselbe bei den verschiedensten Erhärtungsmethoden
2
in gleicher Weise hervortritt [...]." Weiter heißt über Zellen und deren Beteiligung an einem
gliösen Bindegewebenetz: "Die zelligen Elemente, welche diese Substanz enthält, sind frisch
ausserordentlich gebrechlich, so dass sie beim Zerschneiden, Zerdrücken oder Zerzupfen der
Substanz in der Mehrzahl zu Grunde gehen und man gewöhnlich nur Kerne erblickt, umgeben von
etwas loser Substanz, welche nicht sehr verschieden aussieht von der Intercellularsubstanz. Man
beschrieb daher früher immer nur feinkörnige, mit Kernen durchsetzte Substanz [...]. Man kann
sich aber, wenn man einigermaßen vorsichtig untersucht, auch an frischen Objekten mit
Bestimmtheit überzeugen, dass hier wirklich zellige Theile vorhanden sind. Sehr unsicher ist es
aber, ob diese Zellen rund oder verästelt sind. An erhärteten Präparaten sieht es oft so aus, als sei
3
das Fibrillennetz selbst durch Ausläufer der Zellen gebildet."
Etwa zeitgleich mit Virchow beschrieb Kölliker in der 4.ten und vor allem in der 5. Auflage
4
seiner »Gewebelehre« "sternförmige Bindesubstanzzellen" im zentralen Nervensystem, die
1
Virchow (1863): »Psammone, Melanome, Gliome.«
Ibid., S. 127f
3
Ibid., S. 128f
4
Kölliker 1863, 1867
2
274
1
er, wie Virchow, nicht zum "gewöhnlichen fibrillären Bindegewebe" rechnete. Die
"Bindesubstanzzellen" waren für Kölliker jedoch nicht eigenständige Zellenlemente, sondern sie
zeigten sich Kölliker als in ein Fasernetz eingestreute Zellkerne. Die gesamte Bindesubstanz war
für Kölliker demnach aufzufassen als ein "feines und dichtes Netzwerk, welches da und dort die
2
erwähnten Kerne trägt." Es bestünde kein Zweifel, heißt es bei Kölliker, daß es sich bei der
Bindesubstanz überall in den Zentralorganen um "Netze sternförmiger Zellen handelt, die jedoch
das eigenthümliche zeigen, dass ihre Ausläufer zahlreich verästelt sind und sowohl untereinander,
als mit den benachbarten Zellen aufs reichlichste zusammenhängen, so dass hautartige Bildungen
3
entstehen, die in etwa an dichte elastische Netze erinnern."
Waren es Deiters und Besser, die erstmals die charakteristische Form der künftigen
Gliazelle beschrieben hatten, so war es nun Kölliker, der erstmals auf den inneren Zusammenhang
der Neuroglia aufmerksam machte. Über die Verhältnisse im Rückenmark heißt es bei Kölliker,
daß sich dort die besagte "einfache Bindesubstanz" befände, "die ganz und gar aus Netzen
sternförmiger Bindesubstanzzellen oder aus einem Gerüste kernloser aus den Zellnetzen
hervorgegangener vielfältig untereinander verbundener Fasern und Bälkchen besteht. [...]. Diese
Netze und Gerüste, die ich, wo sie für sich allein als Stützsubstanz anderer Gewebselemente
vorkommen, mit dem Namen netzförmige Bindesubstanz bezeichne, finden sich im Rückenmarke
in beiden Substanzen in einer solchen Entwicklung, dass sie einen sehr bedeutenden Theil der
ganzen Masse des Organes ausmachen, mit anderen Worten, es bilden dieselben ein die ganze
weisse Masse und graue Substanz durchziehendes zartes Skelet, das ich das Retikulum des
centralen Nervensystems heissen will, welches in seinen zahlreichen Lücken die Zellen und
4
Nervenröhren enthält und selbst wieder Blutgefäße trägt." Auch "in allen Gegenden des
Gehirns", zwischen den Nervenfasern und Ganglienzellen, fände sich ein "Reticulum aus
einfacher Bindesubstanz, d.h. aus Netzen von Bindesubstanzzellen", fänden sich "die kleinen
schon beim [Rücken]marke beschriebenen Kerne, welche [...] in erweiterten Stellen eines mehr
oder minder dichten Netzwerkes enthalten sind, dessen Übereinstimmung mit dem Retikulum des
5
[Rücken]markes keinem Zweifel unterstellt werden kann."
1
Kölliker 1863, S. 304
Ibid., S. 305
3
Kölliker 1867, S. 267. Ähnlich äußerte sich auch Besser über seine Gliareiser. Besser (1866, S.
316ff) schreibt: Ein "Gliagebilde, d. h. ein Kern mit seinem gesammten Reiserwerk [wird] wohl
nie isoliert zu beobachten sein, da die Enden der Reiser mit den Nachbargebilden in inniger
Verfilzung sich befinden."
4
Kölliker 1867, S. 266
5
Ibid., S. 269
2
275
Köllikers Anschauungen über die Feinstruktur der zentralen Bindesubstanz waren in den 60er
Jahren des 19. Jahrhunderts noch lange nicht selbstverständlich. Kölliker äußert sich ja in einer
Zeit, in der, wie er selbst sagte, die Auffassungen Henles, die graue Substanz bestünde aus
ineinandergeflossener ungesonderter Ganglienzellmasse, "in dieser oder jener Auffassung wohl
1
am meisten Vertreter" hatte.
Ludwig Stieda (1837-1908) schrieb noch 1870 über die graue Substanz des zentralen
2
Nervenapparates: "Überall dort nun wo die Nervenzellen sich sich in grösserer Menge
versammeln, also in der grauen Substanz des Rückenmarks und des Gehirns, mitunter auch an
einzelnen Stellen der weissen, [...] verliert sich der faserige Charakter der Bindesubstanz [den er
für die weiße Substanz annimmt] völlig. Man findet zwischen den entschieden nervösen Elementen
nur ein gleichförmig feinkörnige Masse, die molekuläre oder granulirte Grundsubstanz,
dazwischen liegen als zu ihr gehörig rundliche kleine Körperchen, die Kerne der Grundusbstanz.
Die Körperchen sind völlig rund, haben eine feinkörnigen Inhalt und zeigen weder an frischen
noch erhärteten Präparaten Fortsätze. An Isolirungspräparaten hängt ihnen etwas Grundsubstanz
an und dadurch kann der Anschein von Fortsätzen entstehen. Niemals haben sie das Aussehen
von Zellen, sondern nur von Zellenkernen. [...] Man hat die granulirte Grundsubstanz als ein
3
Netzwerk mit einander anastomisierender Zellen beschrieben; ich kann dieses nicht bestätigen."
Erst mit der Beschreibung der Deitersschen Zelle, dem aus Zellkörper und Zellfortsätzen
bestehenden, gliösen Elementarorganismus, verstummten die Kritiker, und wurde die von
Kölliker gegebene Beschreibung eines Bindesubstanznetzes aus Zellfortsätzen gewissermaßen
Lehrmeinung. Zugleich verlagerte sich die Diskussion auf jene Frage, die Stieda in seinem
Schlußsatz andeutete und die Butzke so formulierte: "Ob sich die Gliakörperchen auch durch ihre
4
Aeste direct verbinden können, d.h. ob Anastomosen zwischen ihnen vorkommen?"
Kölliker hatte in der Annahme seines Gliaretikulums Anastomosen angenommen. Ebenso
5
äußerte sich Eduard Rindfleisch , der, wie Kölliker, sowohl in der "weißen Marksubstanz" als
auch in der Neuroglia der Hirnrinde, ein Netzwerk aus "sternförmigen Zellen" sieht, ein
"weitmaschiges Netz aus sternförmigen Bindegewebszellen" oder ein "Netzwerk mit zelligen
6
Knotenpunkten." "Was die Beziehung dieser Neurogliatheile zueinander anlangt", heißt es bei
Rindfleisch, so seien die Zellen "in regelmässigen
1
Ibid., S. 271
Stieda (1870): »Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere.«
3
Ibid., S. 154f
4
Butzke (1871): »Studien über den feineren Bau der Grosshirnrinde« S. 593
5
Rindfleisch (1873): »Handbuch der pathologischen Gewebelehre.«
6
Ibid., S. 571
2
276
Zwischenräumen angeordnet und repräsentiren ein Bindegewebskörperchennetz [...]." In der
grauen und weißen Substanz "bilden die sternförmigen Bindegewebszellen durch Anastomose ein
sehr zartes und weitmaschiges Netz." Die "feinsten Ausläufer" der Zellen seien es, die durch
"zahlreiche Anastomisirung das fasrig-schwammige Material, den eigentlichen Nervenkitt"
bildeten, "so dass von einer besonderen Grundsubstanz dieses Bindegewebes füglich nicht die
1
Rede sein kann."
Butzke war einer der ersten, der Zweifel über Anastomosen innerhalb der Gliamasse
2
anmeldete. "Oft und auffallend" geschehe dieses sicherlich nicht, heißt es bei Butzke. "Oefter
verflechten sich wohl die Fasern der Gliakörper untereinander, öfter noch bekommt man sie bei
3
der Isolirung einzeln zu Gesicht. Eine solide Verbindung giebt es zwischen ihnen nicht."
4
Golgi ist sich zunächst noch unsicher. Über die von "gleicher Beschaffenheit in
beträchtlicher Zahl über alle Schichten der Hirnrinde zerstreuten" und "ein zusammenhängendes
5
Stützgewebe" bildenden Bindegewebszellen heißt es bei Golgi: "[...] da wo die Osmiumsäure am
besten eingewirkt hat, sind die Zellen und die fadenförmigen Fortsätze in so grosser Zahl
vorhanden, dass das ganze Gesichtsfeld des Mikroskops sich mit einem dichten Fadennetz erfüllt
6
zeigt [...]." Und über die Fortsätze der "Bindegewebszellen": "Diese fadenförmigen
Verlängerungen [...] gehen von dem ganzen Umkreise des Protoplasmas der Zelle aus; einige
anastomisiren mit Verlängerungen benachbarter Zellen, andere verlieren sich, ohne dass man
7
ihren weiteren Verlauf bestimmen kann [...]." An anderer Stelle heißt es jedoch: "Niemals
geschieht es, dass [die fadenförmigen Verlängerungen] anastomisierend, regelmässige, runde
Maschen bilden; sie verlaufen immer geradlinig, und die seltenen Anastomosen finden immer
zwischen den Fortsätzen verschiedener Zellen statt, welche aus entgegengesetzten Richtungen
8
einander begegnen."
Erst Jahre später, mit der aufkommenden Silberimprägnation, löst sich das Anastomosenproblem.
9
Golgi scheibt: "Die regelmäßigen Anastomosen, wie sie Kölliker,
1
Ibid.
Butzke 1871
3
Ibid., S. 593
4
Golgi (1871): »Contribuzione alla fina anatomia degli organi centrali.«
5
Golgi 1871, zit. aus Golgi 1894, S. 8
6
Ibid., S. 7
7
Ibid., S. 6f
8
Ibid., S. 7
9
Golgi (1882/85): »Sulla fina anatomia degli organi centrali des sistema nervoso.«
2
277
1
Fromann u.a. gezeichnet haben und Gierke sie erst kürzlich wieder bestätigt hat, sind offenbar
eine Folge der irrthümlichen Art, den Bau des interstitiellen Stromas zu verstehen, dadurch
verursacht, dass nach langer Eintauchung in ziemlich starke Lösungen von Chromsäure,
Bichromat oder Alkohol die einzelnen Elemente sich aneinander und bisweilen auch an die
Hüllen der Nervenfasern kitten, so dass das ganze interstitielle Stroma wirklich das Aussehen
eines zusammenhängenden, netzförmigen Gewebes mit regelmässigen Maschen und hier und da
in den Knotenpunkten des Netzes verstreuten Kernen annimmt. Die Täuschung wird vollständig,
wenn die stark gehärteten Stücke durch Terpentin, Nelkenöl oder Kreosot durchsichtig gemacht
2
worden sind." Wie später Weigert, so unterschied auch Golgi zwischen den Begriffen "Netz" und
"Geflecht". "Das interstitielle Gewebe" heißt es bei Golgi, besteht in "allen Theilen des
Centralnervensystems aus strahligen Neurogliazellen und ihren Fortsätzen. Aus dem Ganzen der
Fortsätze entsteht wohl ein dichtes Geflecht, aber kein Netz in dem Sinne von Schultze oder
3
Kölliker."
Auch Kölliker, der in den 80er Jahren mit der Golgi-Methode zu arbeiten begonnen hatte
4
(denn nichts reiche "an die Schönheit und Zierlichkeit mit Silber gefärbter Golgi-Zellen heran" ),
distanzierte sich nun von seinen früheren Ansichten: Unstreitig gebühre Golgi "das Verdienst,
5
diese bedeutungsvolle Frage voll erledigt zu haben." In Köllikers »Handbuch« heißt es: "der
Anschein solcher Verbindungen, wie in meiner Gewebelehre (5. Aufl.) und in vielen Figuren
Gierkes dargestellt, ist durch die Behandlungsweise erzeugt. Nach neu aufgenommenen
Untersuchungen der Neuroglia erwachsener Geschöpfe (Mensch, Ochs, Schaf, Hund, Katze,
6
Kaninchen) habe ich mich vollständig von der Richtigkeit der Angaben Golgi überzeugt."
Auch Weigert hielt die Anastomosenfrage für erledigt. "Bei der minimalen Wichtigkeit
dieser Frage", genüg es zu erwähnen, "daß auch wir, soweit es das Fasergewirr gestattete, nichts
7
von Anastomosen bemerkt haben."
Bei Retzius heißt es "zum Abschluß dieser übersichtlichen Abhandlung" in den
»Biologischen Untersuchungen«: "dass ich mich nie von anastomotischen Verbindungen der
Gliazellen und ihrer Fortsätze, und zwar bei den einzelnen Elementen selbst, noch unter den
verschiedenen Zellindividuen, überzeugen konnte. Überall wo klare Bilder und sichere Bilder
1
Golgi verweist hier auf Gierke (1883): »Die Stützsubstanz des centralen Nervensystems.«
Golgi 1882/85, zit. aus Golgi 1894, S. 159
3
Ibid., S. 167
4
Kölliker (1896): »Handbuch der Gewebelehre« S. 147
5
Ibid.
6
Ibid.
7
Weigert (1896): »Beiträge zur Kenntnis der normalen menschlichen Neuroglia« S. 135
2
278
1
vorlagen, sah ich sie voneinander getrennt."
Um nun eine Vorstellung zu vermitteln, von jenem inneren Zusammenhang der Neuroglia im
Gehirn, wie sie in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts diskutiert wurde, soll
2
abschießend aus den ausführlichen Darstellungen Gierkes zitiert werden. Gehörte Gierke zwar zu
jenen Histologen, die sich nicht sicher waren, "ob sich die Fortsätze nur aneinanderlegen und so
3
mit einander verkleben (Verfilzen), oder ob sie tatsächlich verschmelzen" , so war er doch, wie er
zurecht von sich behauptete, einer der ersten, "der eine richtige Vorstellung von den Gliazellen
4
der Rindenschichten" und eine erste umfassende Netzwerkkonzeption zur Gliaarchitektur
entwarf. Bei Gierke heißt es: Von dem "dichten aus Zellen und deren Fortsätzen gebildeten
Gerüst, von dem Flechtwerk, in dessen Maschen die Grundsubstanz und die nervösen Elemente
eingelagert sind", von dem "Netzwerk der zarten Neurogliazellen", hatte man (vor Gierke), "keine
5
rechte Vorstellung." Er könne "auf das Bestimmteste behaupten", schreibt Gierke, "dass im
Centralnervensystem durchaus keine Gliazellen vorkommen, die ohne Fortsätze sind, und die
6
daher isolirt, ohne Verbindung mit dem allgemeinen Stützgerüst liegen." Mit anderen Worten:
"um eben an der Bildung des Gerüstes für die eingelagerten nervösen Elemente Theil nehmen zu
können, müssen die Gliazellen sich mittelst Ausläufer mit anderen gleichartigen Elementen
7
verbinden." Auf diese Weise bilden die "Neurogliazellen und ihre Ausläufer Netze, in deren
Lücken entweder die Grundsubstanz allein eingelagert ist oder zusammen mit den nervösen
8
Elementen, oder in denen drittens auch die letzten allein, ohne Grundsubstanz liegen können."
Die ganze Gliamasse bildet vermittels der von Zelle zu Zelle übergehenden Fortsätze, "ein feines
Netzwerk mit den Kernen in den Knotenpunkten." Jede Gliazelle, so Gierke, ist "mit jeder anderen
9
Gliazelle des Zentralorgans verbunden". Und weiter heißt es:
1
Retzius (1894a): »Die Neuroglia des Gehirns beim Menschen und bei Säugethieren« S. 27
Gierke (1885): »Die Stützsubstanz des centralen Nervensystems.«
3
Ibid., S. 483
4
Weigert hingegen schreibt später über Gierkes Arbeit: "irgend etwas wesentlich neues, was
richtig wäre, findet sich in ihr nicht. Im Gegenteil, sie enthält neben den wenigen richtigen
Angaben, die noch dazu sämtlich schon bekannte Dinge betreffen, fast lauter ganz falsche
Behauptungen, so dass es geradezu unbegreiflich ist, dass diese Arbeit von den hervorragendsten
Autoren immer mit besonders lobenden Zusätzen "gründlich", "vortrefflich" etc. bedacht zu
werden pflegt." (Weigert 1896, S. 84)
5
Ibid., S. 456 u. S. 462
6
Ibid., S. 466
7
Ibid., S. 466
8
Ibid., S. 510
9
Ibid., S. 518
2
279
"Zwischen den geschilderten Anhäufungen der Neuroglia, der äusseren Gliahülle und der inneren
Auskleidung des centralen Höhlensystems und endlich dem gröberen Balkenwerk der inneren
Stützsubstanz ist das feinere Geflecht derselben ausgebreitet. Nicht aber liegt dies etwa locker und
unverbunden innerhalb jener, sondern es ist auf das Innigste und überall mit ihnen verbunden.
[...]. Die Zellnetze hängen durch das ganze Centralnervensystem mit einander zusammen.
Nirgends ist ein Abschluss des Gerüstes im Inneren zu finden und die Ausläufer der aus den
verschiedenartigsten Gliazellen zusammengesetzten Netze gehen in einander über. [...]. Die Netze
der weissen Substanz hängen mit denen der grauen, die eines Hirntheils mit jenen der anderen
1
zusammen." Die Nervenzellen sollten von Neuroglia eingesponnen sein, wie in einem
"einhüllenden Geflecht": "Um das einhüllende Geflecht der großen Nervenzellen herzustellen,
vereinigen sich eine gewisse Anzahl von Gliazellen und bilden vermittels eines Theiles ihrer
Ausläufer ein korbartiges, die Nervenzelle genau umschliessendes Gerüsst, während ihre übrigen
Fortsätze die Verbindung mit dem Glianetz der Umgebung bewirken. Die kleineren Nervenzellen
dagegen liegen einfach in den Maschen der gleichmässig ausgebildeten Gerüstsubstanz, ohne
2
dass eigne, ihnen besonders angehörige Gliazellen sie umschließen."
1
2
Ibid., S. 510 u. S. 518
Ibid., S. 520
280
8. Der Astrozyt als gliöser Elementarorganismus. Der Astrozyt als gliöser
Elementarorganismus und begriffliches Äquivalent zum Neuron
Im Verlaufe der Entdeckungsgeschichte der Nerven- und Gliazelle fallen die analogen Debatten
auf, sowohl über den anatomischen Zusammenhang von Zellen und Fasers, als auch über die
Individualität der Zell-Faser-Einheit. Am Ende stand jeweils das gleiche Ergebnis: Wie die
Nervenzellen und Nervenfaser, so sind auch Gliazellen und Gliafasern die Teile eines
einheitlichen Zellorganismus, der aus Zellkörper und Zellfortsätzen besteht. Wie das
Nervenfasernetzwerk ist das Gliafasernetzwerk kein Retikulum von miteinander verschmolzenen
Gliafasern, sondern besteht, wie das Neuronennetzwerk, aus anatomisch eigenständigen
Zellindividuen. Seitens der Nervenzellen und Nervenfasern endete die Diskussion in der
1
Definition des Begriffes Neuron. Markante Textpassagen hinsichtlich einer Interpretation der
Gliazelle als zellulare Elementareinheit finden sich bereits bei Franz Boll, der ja von seiner
Deitersschen Zelle als einem "histologischen Elementartheil" sprach, das nichts anderes sei als ein
"ein Centrum für eine grosse Masse von differenzirten Fasern, die nach allen, nach zwei oder
2
nach einer Seite hin ausstrahlen." Deutlicher heißt es später bei Michael Lenhossék: "Alle
Ausläufer der Astrocyten, die längeren wie die ganz kurzen, endigen mit freien Spitzen [...]. Die
Astrocyten sind vollkommen unabhänge Gebilde, sie stellen ebenso wie die Nervenzellen
3
Einheiten für sich dar." Bolls und Lenhosséks Formulierungen haben durchaus Ähnlichkeit mit
der Neuron-Definition Waldeyers.
Folgt man den Worten des Physiologen Max Verworn (1863-1921), bei dem es heißt: "Den
Kernpunkt der Neuronenlehre bildet der Gedanke, dass Ganglienzelle und Nervenfaser eine
4
einzige Zelle repräsentieren," so waren am Ausgang des 19. Jahrhunderts die zellanatomischen
Grundlagen der Neuronen-Doktrin auch für die Gliazellen gegeben. Das Neuron und der Astrozyt
waren etwa zeitgleich charakterisiert als anatomisch scharf begrenzte Zellulareinheiten, bestehend
aus Zellkörper und Zellfortsätzen. Neurone wie Astrozyten bestehen aus einem den Zellkern
tragenden protoplasmatischen Zellkörper, der mit Fortsätzen ausgestattet ist. Neurone wie
Astrozyten sind keine Elemente eines Zell-Faser Kontinuums sondern anatomisch autonome
Zellindividuen. Waldeyers Neuron-Definition hätte also, (bei fehlender Zustimmung Carl
Wilhelm Weigerts allerdings), nicht nur auf die Nervenzellen und Nervenfasern, sondern ebenso
auf die damals bekannten Zellenelemente der Neuroglia
1
Waldeyer (1891): Ȇber einige neuere Forschungen im Gebiete der Anatomie des
Nervensystems.«
2
Boll 1874, S. 8
3
Lenhossék 1895, S. 178
4
Verworn (1900): »Das Neuron in Anatomie und Physiologie« S. 5
281
angewendet werden können. Niemand hielt dies für notwendig, oder wie es bei Weigert
sinngemäß hieß, im Gegensatz zu den Elementen des Nervösen, ist "bei einer Zwischensubstanz
1
das Fehlen oder Vorhandensein von Anastomosen etwas absolut gleichgültiges." Einzig der
2
Berliner Anatom Aguerre setzt die Begriffe Neuron und Astrozyt zueinander in Beziehung. In
3
seinem im Jahre 1900 veröffentlichten Aufsatz »Untersuchungen über menschliche Neuroglia«
heißt es bei Aguerre. "Es lässt sich [...] eine gewisse Parallele ziehen zwischen den Theorien über
den Bau der nervösen Substanz und der Stützsubstanz der Centralorgane. Mit der Lehre von der
Untheilbarkeit des Neurons können wir vergleichen die Theorie, welche in Bezug auf den Bau der
Neuroglia die "Astrocyten" als Elemente annimmt. Ebenso wie sich das gesammte Nervensystem
zusammensetzt aus den einzelnen Neuronen, die den ganzen Körper durchsetzen, sich gegenseitig
aufs engste verschlingen und verflechten, ohne doch jemals ihre Selbständigkeit aufzugeben, so
baut sich auch die Stützsubstanz auf aus den einzelnen Astroycten, die durch die complicirte Art
ihrer Anordnung und das enge Aneinanderliegen jenes merkwürdige Neuroglianetzwerk erzeugen.
Wie das Neuron, ganz allgemein gesagt, aus einer Nervenzelle mit ihren Ausläufern, Dendrit und
4
Neurit besteht, so ist der Astrocyt eine Zelle mit Ausläufern, Gliafasern."
Eine der Neuron-Definition Waldeyers analoge Definition des Astrozyten hätte lauten können:
Die nicht kollagenen Fasern innerhalb der Fasern der Neuroglia haben sich als direkt von Zellen
ausgehend erwiesen. Ein Zusammenhang mit einem Fasernetzwerke, beziehungsweise ein
Ursprung aus einem solchen findet nicht statt. All diese Gliafasern enden frei, ohne Netz oder
Anastomosenbildung. Demzufolge besteht Neuroglia aus zahlreichen untereinander nicht
zusammenhängenden Zelleinheiten. Diese gliösen Zelleinheiten heißen Astrozyten. Oder nach
Santiago Ramón y Cajal: Jeder Astrozyt ist ein von den benachbarten Zellen unabhängiges
Gebiet, woraus folgt, daß die gliösen Verbindungen mittelbar, d. h. durch Kontakt erfolgen. Es
gibt also weder Anstomosen noch irgendwelche substantiellen Verbindungen.
1
Weigert 1896, S. 135
Weitere Beispiele sind mir nicht bekannt.
3
Aguerre 1900
4
Ibid., S. 510
2
282
III. Abschluß der Gliatypisierung im Gehirn
1. Die Brücke zwischen "Weigertianern" und "Golgianern": Protoplasmatische
und fibrilläre Astrozyten:
Die Auseinandersetzung um Weigerts Auffassung, daß es sich bei den Gliafasern nicht um
Zellfortsätze handelt sondern vielmehr um freie, interzelluläre Fasern, die vom Zellprotoplasma
räumlich und chemisch vollkommmen differenziert sind, dauerte nach der Wende zum 20.
1
Jahrhundert an. Noch 1900 kann Aguerre "in der glücklichsten Weise" an "Halb-Affen-Glia" die
2
"Ranvier-Weigert'schen Ansichten" über den Grundbauplan des Gliagewebes "voll bestätigen".
Die beiden scheinbar so unversöhnlichen Anschauungen über "freie Gliafasern" einerseits und
über "Gliafasern als Zellfortsätze" andererseits, waren die Ergebnisse der jeweils verwendeten
Färbemethode. Die Golgische Silberimprägnation zeigte schwarze Silhouetten von
Zellfasereinheiten, Weigerts Methode zeigte freie, bläulich-violette Fasern, sternförmig um
3
Zellkerne angelagert. Oder wie es der Histologe Halvar von Fieandt (1879-1936) ausdrückte:
"Die verschiedenen Resultate der erwähnten Methoden [Golgis und Weigerts] und die
Schwierigkeit oder Unmöglichkeit isomorphe Gewebselemente darzustellen und zu erkennen,
macht, dass die betreffenden Methoden bezüglich der Färbungsresultate keineswegs einander
4
ergänzen, sondern vielmehr auszuschliessen scheinen." Mit Weigerts und Golgis Methode allein
war der Gegensatz in der Auffassung vom Faser-Feinbau der Neuroglia also nicht zu aufzulösen.
Auch der immer wieder von den Kontrahenten wiederholte Vorwurf, Trugbilder anzusehen,
konnte nicht zum Ziel einer einheitlichen Anschauung der Gliahistologie führen. Neue
Färbemethoden waren also notwendig. Diese wurden in den Jahren unmittelbar nach 1900 in
5
reichem Maße entwickelt.
Zur Darstellung der Neuroglia standen zunächst die verschiedenen Varianten der
6
Hämatoxylinfärbung und später die von Santiago Ramón y Cajal entwickelte
7
Goldsublimatmethode im Mittelpunkt. Eine grundlegend neue Eigenschaft war der Mehrzahl
1
Aguerre (1900): »Untersuchungen über die menschliche Neuroglia.«
Ibid., S. 517 u. S. 522
3
Fieandt (1910): »Eine neue Methode zur Darstellung des Gliagewebes.«
4
Ibid., S. 126
5
Zur Übersicht vgl. Conn 1925, Hertwig 1929, Krause 1926, Lison 1936, Mann 1902, McClung
1928, Romeis 1948, Zeiger 1938.
6
Mayer (1891): »Über das Färben mit Hämatoxylin«, (1899): »Über Hämatoxylin, Karmin und
verwandte Materialien«, Rost (1922): »Monographie des Hämatoxylins.«
7
Ramón y Cajal (1913a): »Sobre un nuevo proceder de impregnación de la neuroglia y sus
resulatos en los centros nerviosos del hombre y animales«, (1923): »Quelques méthodes simples
pur la coloration de la névroglie.« Näheres zur Methode Ramón y Cajals bei Gärtner (1926):
2
283
der neuen Färbemethoden gemeinsam, eine Eigenschaft, die Weigerts und Golgis Methode nicht
aufwies: die Darstellung des Zytoplasmas und der darin eingelagerter Strukturen. Bei Weigert war
das Zytoplasma ja gewissermaßen durchsichtig geblieben, bei Anwendung der Golgi-Methode
hingegen wurde es gänzlich schwarz gefärbt. Schon bald stellte sich denn auch heraus, daß die
Anhänger der Golgi-Methode tatsächlich Gliazellen in ihrer sternförmigen Grundgestalt
dargestellt hatten und daß es sich bei Weigerts Gliafasern um in das (unsichtbare) Zytoplasma
eines Teils der Gliazellen eingelagerte Proteinfasern handelte. Weigert hatte die Gliafibrillen zur
1
Darstellung gebracht . Bei Anwendung der Golgischschen Silberimprägnation waren die
Gliafibrillen schwarz überfärbt und somit unsichtbar geblieben. Die Weigertsche Methode brachte
nur diejenigen Gliaelemente zur Darstellung, die auch tatsächlich Gliafasern führten. Ein
beträchtlicher Teil der Gliazellen, der keine Gliafibrillen aufweist, blieb bei Weigert ungefärbt.
Mit der Methode Golgis, ließ sich zwar jener protoplasmatische Gliazelltyp zur Darstellung
bringen, konnte jedoch wiederum von der faserführenden Glia nicht unterschieden werden.
Golgianer und Weigertianer sollten also in gewisser Weise beide recht behalten. Betrachten wir
im Folgenden die wichtigsten Stationen bei der Lösung es Gliafaserproblems und der Entdeckung
der protoplasmatischen Astrozyten.
Hermann Ströbe
Hermann Ströbe sprach vor der 68. »Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte« im Jahre 1896, an der auch Weigert teilnahm, zum Thema: "Über Structur pathologischer
2
Neurogliawucherungen". In seinem Vortrag kritisierte Ströbe Weigerts Färbemethode: "Die nach
Weigert’s Methode erhaltenen Bilder sind unter pathologischen
»Theorie der Goldsublimatmethode zur Darstellung der protoplasmatischen Glia nach Ramón y
Cajal«, Globus (1927): »The Cajal and Hortega staining methods. A new step in the preparation
of formaldehyd-fixed material«.
1
Der Begriff Gliafibrille fandet sich erstmals bei Spielmeyer (1907). Mitte der 50er, Anfang der
60er Jahre dieses Jahrhunderts wurde mit Hilfe der Elektronenmikroskopie die Zusammensetzung
der Gliafibrillen aus Bündeln von 8-10nm Filamenten beschrieben (Bunge et al. 1960, de Robertis
& Gerschenfeld 1961, Farquar & Hartmann 1957, Luse 1956). Wie die Neurofilamente, so zählen
die Gliafibrillen zu den Intermedärfilamenten (Steinert & Roop 1988, Traub 1985) mit einem
Molekulargewicht von etwa 200 kDa. Gliafilamente werden sowohl in ausgesprochen fibrillären
als auch, wenngleich in geringerem Ausmaß, in protoplasmatischen Astrozyten nachgewiesen
(Herndon 1964, Mugnaini & Walberg 1964). Eng et al. (1971) sowie Bignami (1972)
identifizierten ein Gliafilament spezifisches 51 kDa Protein, das sogenannte glial fibrillary acidic
protein (GFAP). Das GFAP dient heute zur immunzoytochemischen Charakterisierung der
Astrozyten (Dahl et al. 1986).
2
Ströbe (1896a): »Über die Struktur pathologischer Neurogliawucherungen«, vgl. ebenso
(1896b): »Ueber Entstehung und Bau der Gehirngliome.«
284
Verhältnissen manchmal vorsichtig zu beurteilen. [...]. Die Differentialdiagnose zwischen Gliom
und Sarkom, welche hauptsächlich auf der Erkennung von Astrocyten in Gliomen beruht, ist mit
der neuen Gliafärbung Weigert's nicht sicher zu stellen, da einerseits die Methode, welche nur die
Fasern scharf färbt, den Protoplasmaleib der Zelle dagegen nicht oder höchstens ganz
verschwommen zeigt, eine Feststellung des räumlichen Zusammenhanges der Fasern mit den
1
Zellen und damit die Wahrnehmung von Astrocyten nicht ermöglicht [...]. Ströbe selbst
2
bevorzugte die auf Phosphorwolframsäure-Hämatoxylin fußende "Färbung nach Mallory", die
"zwar keine elective Gliafaserfärbung im Sinne der Weigert'schen" sei, gleichwohl aber sehr
lehrreiche Bilder liefere, denn "sie färbt sowohl das Protoplasma der Gliazellen wie auch die
3
Fasern." Mit Hilfe der Mallory Färbung kam Ströbe zu dem Schluß, daß einerseits ein
anatomischer Zusammenhang zwischen Gliazelle und Gliafaser bestünde, andererseits aber die
von Weigert behauptete, stoffliche Verschiedenheit der Gliafaser von der Gliazelle nicht zu
leugnen sei. Nach Ansicht Ströbes "dürfen die nach Mallory's Färbung erhaltenen positiven
Bilder eines deutlichen Zusammenhanges nicht als Trugbilder erklärt werden, den doch nur
negativen Bildern zuliebe, welche Weigert's Methode liefert. Es ist streng zu scheiden zwischen
einer chemischen und einer räumlichen Trennung der Fasern gegenüber den Zellen. Erstere ist
durch Weigert's elective Faserfärbung als bewiesen zu betrachten. Dagegen erscheint Weigert's
Methode ganz ungeeignet, um ein Urtheil über das räumliche Verhältniss der Fasern zu den
4
Zellen zu fällen [...]." Ströbe selbst war sich sicher: Die Weigertschen Gliafasern "bilden
räumlich und wohl auch physiologisch mit der Zelle ein zusammengehöriges Strahlensystem und
sind räumlich betrachtet die Fortsätze der Zelle, welche der letzteren organisch an- oder
eingegliedert sind. Jedenfalls scheint es sehr fraglich, ob man derartige Fortsätze als eine
5
Intercellularsubstanz betrachten soll, wie Weigert meint." Mit Ströbes Forderung, eine chemische
Differenzierung von Gliazelle und Fasern anzunehmen und zugleich den anatomischen
Zusammenhang von Zelle und Faser, war ein erster, wenngleich von den Zeitgenossen nicht zur
Kenntnis genommener Hinweis auf die zukünftige Brücke zwischen Weigertianern und
Golgianern gegeben.
1
Ströbe 1896a, S. 864
Mallory (1891): »Phosphor-molybdic acid haematoxylin«, (1895): »Über gewisse
eigentümliche Färbereaktionen der Neuroglia«, (1900): »A contribution to staining methods«.
3
Ströbe 1896a, S. 864
4
Ibid., S. 865
5
Ibid.
2
285
Franz Nissl
Der Heidelberger Psychiater und Neuropathologe Franz Nissl (1860-1919) postulierte die
Existenz von Zellfortsätzen ohne zugleich die Existenz freier Weigertscher Gliafasern zu
bestreiten. Im Gegensatz zu Ströbe gelang es Nissl jedoch nicht, sich von Weigerts Konzept von
der Gliafaser als einer Interzellularsubstanz zu lösen. Nissl trug im Jahre 1899 auf der »24.
1
Wanderversammlung der südwestdeutschen Neurologen und Irrenärzte« vor: : "Die Glia setzt sich
zusammen aus Gliazellen und Intercellularsubstanz. Es ist nicht genug hoch zu schätzendes
Verdienst von Weigert und nur von Weigert, dass man die Lehre von der Glia in diesem Satze
zusammenfassen kann." Weiter heißt es: "Die Gliazellen sind Zellen, deren Zelleib zum Theil
keine protoplasmatischen Fortsätze besitzt, zum Theil solche - echte Ausläufer - im reichsten
Maastabe aufweisen kann. [...]. Die Intercellularsubstanz und die Weigert'schen Gliafasern; sie
2
dürfen nicht mit den protoplasmatischen Zelleibsfortsätzen verwechselt werden." In der
Vorstellung von den Weigertschen Fasern als einer Interzellularsubstanz sah Nissl die Gliafasern
3
als ein von den Gliazellen geschiedenes "Protoplasmaproduct" an. Nissl ging davon aus: "dass
alle Gliazellen der Rinde in potentia die Fähigkeit haben, unter Umständen Weigert'sche Fasern
4
zu produciren". Im Endergebnis seien die interzellulären Fasern "völlig, auch örtlich [von der
5
Gliazelle] emancipirt". Vor diesem Hintergrund interpretierte Nissl die in das Zytoplasma
eingelagerten Fasern als eine beobachtete Phase während der Faserproduktion. So heißt es bei
Nissl, daß während der "gewöhnlichen Differenzierung von Weigert'schen Fasern ein Stadium
existiert, in dem die gebildete Intercellularsubstanz noch dicht der Zelle anliegt und mit ihr eins zu
sein scheint. So ist klar dass 1. die beiden verschiedenen Modi sich zunächst nicht unterscheiden
und dass 2. die Möglichkeit besteht, dass eine Intercellularsubstanz bildende Gliazelle sehr wohl
in der Weise Fasern differenzieren kann, dass an der Differenzierungszone sich die äusseren
Fasern abblättern und sich local von der Zelle emancipiren, während die inneren Fasern noch
zunächst der Zelle anliegen. Durch Differenzierung neuer Substanz werden fortwährend die
inneren Fasern nach aussen geschoben, wo die locale Emancipation der Fasern von der Zelle
6
Auch auf der »27. Wanderversammlung der südwestdeutschen Neurologen und
stattfindet."
Irrenärzte« im Jahre 1902 blieb Nissl bei seinen Anschauungen. Im Protokoll
1
Nissl (1899): »Über einige Beziehungen zwischen Nervenzellerkrankungen und gliösen
Erscheinungen bei verschiedenen Psychosen«.
2
Ibid., S. 665f
3
Ibid.
4
Ibid. S. 668
5
Ibid.
6
Ibid., S. 669f
286
1
seines Vortrages heißt es: : "Vortragender [Nissl] betont, dass heute völlige Klarheit über den
wahren Sachverhalt herrsche. Weder die ältere noch die Weigert'sche Auffassung habe das
Richtige getroffen; wenn man will, könnte man aber auch sagen: in einem gewissen Sinne hatten
Beide, sowohl Weigert als auch die alten Forscher Recht. Vortragender habe längst ausgeführt,
dass man unter den Gliazellen diejenigen vom äusseren Keimblatt stammenden nicht-nervösen
Zellen zu verstehen habe, welche potentia die Fähigkeit besitzen, Gliafasern auszuscheiden. Die
Gliafasern gehören daher nicht immer zu dem Zellbilde einer Gliazelle. Letztere bestehe aus
einem protoplasmatischen Zellleib, der reichliche Zellausläufe oder Zellfortsätze besitzen könne.
Producirt nun der Zellleib einer Gliazelle Gliafasern, so liegt die neugebildete Faser dem
Protoplasma fest an. Meist würden die Fasern längs von den Kanten abgeschieden, welche
entstehen, wenn zwei oder drei Flächen des Protoplasmaleibes in einem Winkel zusammenstoßen.
Auch die Protoplasmaausläufer zeigen solche Kanten, längs deren die Gliafasern besonders
häufig abgeschieden werden. Bei einer Gliazelle, die soeben Gliafasern produziert hat, welche
noch innig dem Protoplasmaleib angeschmiegt sind, haben wir also zu unterscheiden 1)einen
Protoplasmaleib mit echten protoplasmatischen Ausläufern und Fortsätzen und 2) die dem
2
Protoplasmaleib anliegenden Fasern aus differenziertem Protoplasma". Für Nissl besitzen alle
Gliazellen die Fähigkeit Gliafasern zu produzieren. Indem er darauf hinwies, daß neben Faserproduzierenden Gliazellen auch Gliazellen existierten, "die gerade [augenblicklich] keine
Gliafaser producir[en]" also nur "Zellleib und ihr Kern, nicht aber auch die von ihr
abgeschiedene Substanz aus differencirtem Protoplasma in einem mikroskopischen Präparate
sichtbar ist," kann Nissl dennoch als der Entdecker der protoplasmatischen Glia bezeichnet
werden, also jener Astrozyten, die keine oder nur wenige Gliafibrillen im Zytoplasma aufweisen.
3
Ein Schüler Nissls, der Münchner Neurologe Walter Spielmeyer (1879-1935) schrieb mit Recht ,
mit Nissl hätte die "Beschäftigung mit der sogenannten protoplasmatischen Glia" begonnen. Es
sei "Nissls Verdienst, daß er an Präparaten seiner Methode gelehrt hat, diese Gliazellen zu
erkennen, sie von Ganglienzellen, mesodermalen Elementen und von Lymphocyten zu
4
5
unterscheiden und sie auch in ihren pathologischen Umwandlungen zu analysieren."
1
Nissl (1902): »Über einige Beziehungen zwischen der Glia und dem Gefäßapparat.«
Ibid., S. 335f
3
Spielmeyer (1922): »Histopathologie des Nervensystems«.
4
Nissl (1904): »Zur Histopathologie der paralytischen Rindenerkrankung.«
5
Spielmeyer 1922, S. 136
2
287
Hans Held
Der Leipziger Anatom Hans Held (1866-1942) befasste sich ein knappes Jahrzehnt nach den
großen Untersuchungen Weigerts, Retzius', Andriezens u.a., erneut eingehend mit der Neuroglia.
1
Ohne seine Färbemethode kund zu tun, veröffentlichte er im Jahre 1903 eine umfassende
2
Abhandlung mit dem Titel »Ueber den Bau der Neuroglia«. Den Hauptanteil der Neuroglia in
der weißen und grauen Substanz des Zentralnervensystems bezeichnete Held als "diffuse
Neuroglia" und meinte damit "die Summe der Gliazellen [...] welche im allgemeinen in weiter und
diffuser Anordnung bereits den nervösen Elementen, den Nervenfasern resp. Nervenzellen
zwischengefügt ist, sonst aber in örtlich wechselnder Weise eine verschiedene und besonders
angepaßte Formung ihrer stützenden Teile zu jenen nervösen Zellen und ihren Fortsätzen zeigt."
Das Vorkommen von "freien Gliafasern [...], die den Zellen oder ihren Fortsätzen nur anliegen"
könne zwar nicht gänzlich geleugnet werden heißt es bei Held, dennoch sei eine derartige
Beobachtung eine "unsichere" und der "Schluß auf eine vollständig freie, zellunabhängige Faser
3
nicht sehr weitgehend". Gliazellen faßte Held denn auch auf, als zu "sternförmigen Gebilden"
verzweigtes "Gliazellenprotoplasma" mit einer "deutlich in ihm gelegenen Menge von
4
Gliafasern." Auch wenn Held der Behauptung freier Gliafasern nicht entschlossen entgegentrat und wie auch immer er die Lage der Gliafasern in der Gliazellen beschreibt, sei es als "eine
Strecke weit von einem Protoplasmafortsatz einer Gliazelle [...] gefaßt und eingeschlossen", oder
5
"mitten im Zelleib" liegend - für die weitere Gliaforschung ist der folgende Schluß Helds
entscheidend: "Nach all diesen Befunden [...] kann ich also Weigert nicht Recht geben, daß die
Gliafasern vom Gliazellenprotoplasma völlig emanzipierte Gebilde seien und einer reinen
6
Interzellularsubstanz gleich zu achten." Für die künftige Untergliederung der Astrozyten im
Zentralnervensystem gibt Held dann den entscheidenden Hinweis. Held schreibt: "Nach dieser
allgemeinen Schilderung der Verhältnisse zwischen Gliafaserung und dem Protoplasma von
Gliazellen habe ich auf eine zweite Einteilung letzterer einzugehen, die die wechselnde
Faserhaltigkeit von Gliazellen auszudrücken ermöglicht. Ich unterscheide auf Grund der
angegebenen Figuren 1) faserreiche 2) faserarme und 3) faserlose Gliazellen." Die letzteren, die
Held hauptsächlich in der Großhirnrinde nachweisen kann, schrieb Held, könnten auch als
1
Fieandt (1910, S. 128) nannte Helds Methode später die Eisenhämatoxylin-Methode.
Held 1903
3
Ibid., S. 225
4
Ibid., S. 223f
5
Ibid., S. 225f
6
Ibid., S. 226
2
288
1
"protoplasmatische Neurogliazellen" angesprochen werden. Andriezens Gliaterminologie, er
2
hatte ja von fibre cell elements und protoplasmatic cell elements gesprochen , war damit, vor dem
neuem Hintergrund des Gehalts an Gliafibrillen im Gliazellzytoplasma, neu aufgegriffen.
Georg Eisath
Neben Held war es insbesondere Georg Eisath, der sich mit seiner großangelegten Studie »Ueber
normale und pathologische Histologie der menschlichen Neuroglia« um die Klärung der
3
Faserverhältnisse in der Neuroglia und um die Entdeckung der Gliafibrillen verdient gemacht hat.
4
Seinen eigenen Angaben zufolge verwendete Eisath eine modifizierte Form der bereits von
Ströbe verwendeten Malloryschen Achsenzylinderfärbung, mit deren Hilfe Eisath sich zum Ziel
setzte, die "unversöhnlichen Widersprüche, in welche Weigert gegen Golgi geraten war, ins
richtige Licht zu stellen und die ganze Streitfrage vielleicht einer entgültigen Schlichtung
5
entgegenzuführen." In der Tat gelang es Eisath, am Gehirn "von sechs geistesgesunden
Menschen, die in verschiedenem Alter und an verschiedenen Krankheiten verstorben waren," die
"Ansichten von Ströbe und die diesbezüglichen Lehren von Held in vollem Umfange zu
6
besiegeln." So heißt es bei Eisath: "Mittelst der von mir angegebenen Färbung kann dargetan
werden, dass die Gliazelle, wie Held das bereits ähnlich beschrieb, aufgebaut ist aus dem Zellkern
und aus einem hellblaugefärbten, durchsichtigen Protoplasmaleib, der entweder rundliche Gestalt
zeigt oder zackige protoplasmatische Fortsätze aussendet und falls Fasern vorhanden sind, diese
7
einscheidet." Auch Eisath unterschied die sternförmigen Gliazellen in "solche, welche nur
protoplasmatische, und solche welche Weigertsche Fasern besitzen, d.h. welche jenen Faserstoff
8
haben, den Weigert als echte Interzellularsubstanz hinstellte." Damit ist der Streit zwischen
Weigertianern und Golgianern entgültig gelöst, oder um mit den Worten Eisaths
zusamenzufassen: "Gerade diese Befunde bilden den Schlüssel zum richtigen Verständnis und zur
sachlichen Bewertung der beiden gegnerischen Lehren, sie geben uns das Mittel in die Hand,
darin den Weizen von der Spreu zu säubern und einen versöhnlichen Ausgleich zwischen den
scheinbar unverträglichen Gegnern anzubahnen. Der springende Punkt in
1
Ibid., S. 227
Andriezen (1893a): »The neuroglia elements of the human brain.«
3
Eisath 1906
4
Ibid., S. 3ff
5
Ibid., S. 6
6
Ibid., S. 8f
7
Ibid., S. 7
8
Ibid., S. 9
2
289
dieser vielumstrittenen histologischen Frage zwischen Golgi und Weigert liegt eben in der
Färbung und im Nachweis des Gliazellprotoplasmas, welches entweder kugelige Form besitzt
oder strahlige Fortsätze aussendet; diese protoplasmatischen Fortsätze müssen von den chemisch
differenzierten Gliafasern Weigerts wohl auseinander gehalten werden. [...]. Golgi ging von den
stark mit Silber imprägnierten Umrissbildern aus und leitete hiervon seine wissenschaftlichen
Schlußfolgerungen ab. Weil aber in diesen Trugbildern das Gliazellprotoplasma und die
Gliafaser [Gliafibrillen] gleichmäßig schwarze Färbung besitzen, konnte Golgi nicht wissen, daß
ein Zellprotoplasma von der Faser zu unterscheiden ist, er musste vielmehr zu der Annahme
gelangen, dass der Zelleib und dessen Fortsätze rundweg eine histologische Einheit darstellen.
Andererseits ist es Weigert geschehen, dass er durch die äusserste Differenzierung den Leib der
Gliazelle abbleichte und unsichtbar machte und so über die Form und den Umriss des
Gliazelleibes keine richtigen Anschauungen bekam. Nachdem er den protoplasmatischen Leib der
Gliazellen nicht sah, konnte er unmöglich die richtige Auffassung bekommen über das Verhältnis
der Gliazelle zur Gliafaser, und so kam er zu dem ganz falschen Schlusse, dass die Gliafaser der
Gliazelle nicht eingewachsen, sondern nur angelagert sei, dass also die Gliafaser sowohl
chemisch als auch örtlich von der Zelle differenziert sei. [...]. Weigert hat Recht, dass die
Neurogliafasern nicht mit dem Protoplasma identische Gebilde, sondern von demselben stofflich
durchaus verschieden sind [...]. Dagegen sind die Gliafasern nicht als vom Zelleib vollkommen
differenzierte Gebilde, als echte Interzellularsubstanz im Sinne Weigerts anzusehen; die Fasern
sind vielmehr im Gliaprotoplasma und von diesem eingescheidet und stellen somit einen der Zelle
unmittelbar angehörigen und in dieser eingeschlossenen Bestandteil vor. In diesem letzteren, von
Weigert mit besonderem Eifer verteidigten Punkte muss Golgi, obzwar dieser den Unterschied
zwischen protoplasmatischen Zellfortsätzen und Gliafasern noch nicht kannte, sondern nur von
1
Gliazellfortsätzen im allgemeinen wußte, Recht gelassen werden."
1
Ibid., S. 7f
290
Fig. 28 Gliazellen. (Links) Faserfreier, "protoplasmatischer" Astrozyt, (rechts) Astrozyt mit (->) "fibrillären"
Einschlüssen [nach Eisath 1906, Mallory-Färbung].
291
Santiago Ramón y Cajal
Die von Held und Eisath getroffene Unterscheidungen der Astrozyten in fibrilläre und
protoplasmatische Astrozyten wurde letztlich von Ramón y Cajal zum Abschluß gebracht und
entgültig in die Literatur eingeführt. Gustaf Retzius' Einteilung ebenso wie Albert v. Köllikers
Kurz- und Langstrahler, wurden damit entgültig durch die bereits von Andriezen eingeführten
1
Begriffe ersetzt. In seiner »Histologie du système nerveux de l'homme et des vertébrés«
orientierte sich Ramón y Cajal noch an der traditionellen, mit Hilfe der Silberimprägnation
gewonnenen, morphologischen Typisierung der Gliazellen, verwendete aber bereits die Begriffe
Andriezens. So unterscheidet Ramón y Cajal die Astrozyten des Zentralnervensystems in 1.
"cellules névroglique fibrillaire (cellules fibrillaires) ou à longues expansions, spéciale à la
substance blanche" und 2. "cellules névroglique à expansions courtes, appelée protoplasmique
2
par Andriezen et occupant la substance grise." Im Jahre 1913 veröffentlichte Ramón y Cajal eine
3
neue Metallimprägnationsmethode, die bereits erwähnte Goldsublimatmethode. Mit Hilfe der
Goldsublimatmethode stellte Ramón y Cajal noch im selben Jahr seine wohl umfassendste
4
Untersuchung der Neuroglia an. In der gleichmäßigen Darstellung der Astrozyten und ihrer
Ausläufern, ihrer vielfältigen Beziehungen zum Gefäßapparat und zu den Neuronen, und in der
Darstellung der Gliafibrillen, gelang es Ramón y Cajal die Anschauungen über die Astroglia zu
einem Bild zu vervollkommnen, so wie wir es heute kennen. Ramón y Cajal wies nach, daß
protoplasmatische Astrozyten ("astrocitos protoplásmicos") hauptsächlich in der grauen Substanz
vorkommen, während er fibrilläre Astrozyten ("astrocitos fibrosos") ebenso in der grauen,
5
zumeist jedoch in der weißen Substanz nachweist. Hinsichtlich der Gliafibrillen stellte Ramón y
Cajal noch einmal klar: "Las fibras de Ranvier-Weigert son resultato de la diferenciacón
6
intraprotoplásmica de los astrocitos."
1
Ramón y Cajal 1909-1911
Ibid., zit. aus Reprint 1952, S. 231
3
Ramón y Cajal (1913a): »Sobre un nuevo proceder de impregnación de la neuroglia y sus
resulatos en los centros nerviosos del hombre y animales«, (1923): »Quelques méthodes simples
pur la coloration de la névroglie.« Näheres zur Methode Ramón y Cajals bei Gärtner (1926):
»Theorie der Goldsublimatmethode zur Darstellung der protoplasmatischen Glia nach Ramón y
Cajal«, Globus (1927): »The Cajal and Hortega staining methods. A new step in the preparation
of formaledhyd-fixed material.«
4
Ramón y Cajal (1913b): »Contribucion al conocimiento de la neuroglia de cerebro humano.«
5
Vgl. Ibid., S. 256ff, 279ff, S. 311
6
Ibid., S. 312f
2
292
Fig. 29 "Astrocitos fibrosos" und ein Blutgefäß in der weißen Substanz des Telencephalon. Links unten ist die
intracytoplasmatische Fibrillenstruktur (->) deutlich zu erkennen [nach Ramón y Cajal 1923, Goldsublimatmethode].
293
2. Skizze der Entdeckung der Oligodendroglia und der Mikroglia
Die Begriffe Neuroglia, Gliazellen und Astrozyten wurden bislang synonym verwendet. In der Tat
zählt der weit größte Teil der zentralen Gliaelemente zur fibrillären und protoplasmatische
1
Astroglia. Vollständig beschrieben ist die Neuroglia des Zentralnervensystems mit der Astroglia
jedoch noch nicht. Weder in der weißen noch in der grauen Substanz.
2.1 Weiße Substanz: "Gliaelemente zum Zwecke der Scheidenbildung"
Die Entdeckung der später als Oligodendrozyten bezeichneten Glialemente im
Zentralnervensystem geht auf Hans Gierke zurück. Gierke schreibt in seiner bereits im vorigen
2
Kapitel zitierten Arbeit: »Die Stützsubstanz des Nervensystems« über die "markhaltige
3
Nervenfaser" : "Diese [Nervenfasern] haben nun stets eine eigne aus den
1
Der Begriff Astroglia wurde erst 1925 in der Literatur eingeführt. (Strong 1925, in »Bailey's
Histology«, zit. aus Penfield 1932b, Reprint Bd. II, S. 425). Hinsichtlich weiterer Spezialformen
der Astroglia sei auf die einschlägige Lehrbuchliteratur der mikroskopischen Anatomie
verwiesen. (z.B. Bargmann 1977, Leonhardt 1985). So zählen ebenfalls zur Familie der
Astrozyten die nach ihrem Entdecker, dem Würzburger Anatomen Heinrich Müller (1820-1864),
benannten Müller-Zellen in der Retina. Desweiteren die Golgi-Bergmann Zellen im Cortex des
Kleinhirns, benannt nach Golgi und dem Dorpater Chirurgen Ernst v. Bergmann (1836-1907),
sowie Astrozyten im Bereich der Neurohypophyse (Pituizyten) und der Pineal Organe (Pinalozyten). Ependymale Zellen, die als einzellig-dicke, kinozilienreiche Epithelschicht die
Gehirnventrikel auskleiden, werden ebenfalls zu den Astrozyten gerechnet (Ependymozyten).
Kinozilienarme Ependymozyten werden als tanyzytäre Astrozyten, oder als Tanyzyten bezeichnet.
2
Gierke 1885
Vor allem in der weißen Substanz des Zentralnervensystems ummanteln die Fortsätze der
interfaszikularen Oligodendrozyten die Axone der Neurone, sobald diese einen Durchmesser von
c.a 0.5 m überschreiten. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Myelin- oder Markscheide. (Dazu Bunge 1968, Bunge et al. 1960, Hildebrand et al. 1993, Schnapp & Mugnaini 1975,
Wood & Bunge 1984). Die Markscheide gibt der weißen Substanz des Gehirns und des
Rückenmarks ihre charakteristisch helle Färbung. Die Myelinscheide entsteht, indem sich die
Fortsätze der Oligodendrozyten um die axonalen Neuronenfortsätze mehrfach herumwinden.
Dabei verschmelzen die benachbarten Zellmembranen unter Reduktion des zytoplasmatischen
Inhalts zu einem geschlossenen Membrankomplex, bestehend aus alternierenden Lipid- und
Protein-Schichten. Ein einzelner Oligodendrozyt kann mehrere Axone ummanteln. Im
Querschnitt ähnelt eine "markige" Nervenfaser einem Draht, der von einer Isolierschicht umgeben
ist. Jeder Oligodendrozyt ummantelt einen 1-2mm langen Bereich des Axons. So ist die
Myelinummantelung der Nervenfasern in bestimmten Abständen durch Lüken unterbrochen, die
als Ranviersche Schnürringe, bezeichnet werden. [Dazu Ranvier (1871): »Contributions à
l'histologie et à la physiologie des nerfs periferique«, (1872): »Recherches sur l'histologie et à la
physiologie des nerfs«].
3
294
geformten Elementen der Glia gewebte Umhüllung [...]. Diese Scheide baut sich einmal aus
Fasern auf, welche von dem allgemeinen Stützgerüst der Nachbarschaft abstammen, dann aber
auch aus eignen Gliazellen und deren Fortsätzen. Ja diese letzteren sind offenbar
ausserordentlich zahlreich und bilden den grösseren Theil der Elemente dieser Hüllen, da man
fast an jedem Querschnitt einer stärkeren in der grauen Substanz gelegenen markhaltigen
Nervenfaser auch den Körper einer Gliazelle, deren Grösse dem Durchmesser der Faser
entspricht, findet. Dieselbe bindet sich mit einer conkaven Einbuchtung innig der Nervenfaser an
und umhüllt so einen nicht unbeträchtlichen Theil des Querschnitts derselben. Die von ihr
ausgehenden Fortsätze nehmen, indem sie sich mit anderen Gliafasern netzförmig verbinden,
1
ebenfalls Theil an der Bildung der Scheide". Das "Hauptprinzip in der Anordnung der
Neurogliaelemente der weissen Substanz", so Gierke, bestünde darin, "dass aus ihnen für jede
einzelne markhaltige Nervenfaser - und zwar ohne jede Ausnahme - eine eigne Scheide
2
["Nervenfaserscheide"] gewoben wird, welche [...] dieselben [Nervenfasern] vollkommen von
3
einander isoliren." Gierke erkannte somit offensichtlich einen spezialisierten Gliazelltyp
4
"zwischen den markhaltigen Nervenfasern [...] zum Zweck der Scheidenbildung für dieselben"
Die Gliazelle zum Zwecke der Scheidenbildung im Gehirn beschrieb Gierke so: Ihre Form ist die
"dreieckige", "die Zelle bildet eine Pyramide, die bald breit und niedrig, dann aber auch häufig
schlank und hoch und deren Basis gern concav ausgeschweift ist. [...]. Während im Allgemeinen
die Zellen der Stützsubstanz nach allen Dimensionen hin entwickelt sind, kann man häufig die
eine mehr oder weniger starke Abplattung constatiren, so dass zwei parallel mit einander
angeordnete Seitenflächen, drei Kanten und drei Ecken vorhanden sind. [...]. Von solchen Zellen
gehen dann die Fortsätze gern in den Ecken ab und zwar treten bei den ganz typischen Formen
wirklich nur drei starke Ausläufer, welche sich bald büschelförmig theilen, oder drei Bündel von
5
Fasern heraus. [...]. Diese Zellen nun mit ihren ungemein langen und verästelten Ausläufern
6
bilden die Scheiden der Nervenfasern" Die Abbildung die Gierke von seiner Gliazelle "zum
Zwecke der Scheidenbildung" gab, zeigt deutlich, daß er versuchte, sie gegenüber dem Formbild
der sternförmigen Astroglia abzugrenzen. Wenn auch Gierke bezüglich der Beteiligung des
Gliazellkörpers an der zentralen Markscheidenbildung irrte, die Beteiligung
1
Gierke 1885, S. 523
Ibid., S. 535ff
3
Ibid., S. 523
4
Ibid., S. 489f
5
Ibid.
6
Ibid., S. 530
2
295
der Zellausläufer mag er durchaus korrekt gesehen haben: "Neben den Körpern der Gliazellen
nehmen noch ihre Fortsätze einen höchst wichtigen Theil an der Bildung der
Nervenfaserscheiden. Obgleich das quantitative Verhältnis beider nach den Gegenden schwankt,
kann doch ohne Weiteres behauptet werden, dass die Fortsätze den bei Weitem grösseren Theil
1
der Oberfläche der der Nervenfasern einscheidet." Gierke beobachte sogar, daß die Faserfortsätze
der "Gliazellen der weißen Substanz" miteinander verschmelzen und "geschlossen Ringe um die
Nervenfasern" [bilden] und zwar Ringe, "welche genau im rechten Winkel ihrer Längsachse
umschließen [indem sie sich] um eine Nervenfaser herumlegen [...] und dicht übereinander
2
liegende Ebenen [bilden]." Diese Ringe, so Gierke "bestehen in der Dicke nur aus einer einzigen
3
Faser." Ebenso "leuchte es ein", sagt Gierke, daß eine Gliazelle an der Markscheide mehrerer
Nervenfasern beteiligt sein muß, "sie drängt sich ja in den kleinen Raum, welchen die gewölbten
Flächen der möglichst dicht nebeneinander angeordneten Nervenfasern nothwendigerweise
zwischen sich lassen müssen und füllt ihn ganz oder wenigstens zum großen Theil aus. Allen
Fasern also, welche diesen Raum begrenzen, wird sich die ihn ausfüllende Gliazelle mit Theilen
ihrer Oberfläche anlegen. So habe ich Zellen gefunden, welche in einem Querschnitt an der
Bildung der Scheiden von fünf, ja von sieben starken Nervenfasern mit ihren Körpern Anteil
4
nahmen."
Gierkes Beschreibung der Scheidenbildung durch die Elemente der Neuroglia war, gemessen an
der ihm zur Verfügung stehenden Ammoniak-Carmin-Methode, erstaunlich detailiert. Leider
bildete Gierke seine Beobachtungen nicht ab, wohl der Grund, warum sie keine Beachtung
fanden. So kommt es erst zwei Jahrzehnte nach Gierke zu vergleichbaren Befunden. Der
amerikanische Anatom Irving Hardesty (1866-1921) beschrieb Gliazellen, welche die zentrale
5
Nervenfaser im Gehirn und Rückenmark umscheiden. Hardesty nannte diesen Zellentyp seal ring
cells und verglich sie korrekterweise mit den von Albert Adamkiewicz beschriebenen
6
Schwannschen Zellen des peripheren Nervensystems.
1
Ibid., S. 533
Ibid., S. 535f
3
Ibid., S. 538
4
Ibid., S. 531
5
Hardesty (1904): »On the development and nature of the neuroglia«, (1905): »On the
occurrence of sheat cells and the nature of axon sheats in the central nervous system.«
6
Adamkiewicz (1885): »Die Nervenkörperchen. Ein neuer bisher unbekannter morphologischer
Bestandteil der peripheren Nerven.«
2
296
2.2 Graue Substanz: pericellular elements und Trabantenzellen.
William Lloyd Andriezen entdeckte 1893 in der grauen Substanz: "small cells immediately
1
surrounding the bodies of the larger nerve-cells of the cortex". Andriezen nannte diese Form der
Gliazellen "pericellular elements" und rechnete sie zu seinen protoplasmatic glia elements. Eine
Abbildung seiner "pericellular elements" gab Andriezen nicht. Georg Eisath entdeckte an den
Pyramidenzellen der grauen Substanz kleine Begleitzellen, die er Trabantenzellen nannte und
welche "die Eigenschaft haben, sich möglichst eng an die Nervenzelle anzuschmiegen und in diese
förmlich einzudringen. Die Begleitzellen trügen, so Eisath, "teils protoplasmatische, teils
2
Weigert’sche Fasern." Eisaths Abbildungen lassen deutlich erkennen, daß er die später als
perineuronale Oligodendroglia bezeichneten Gliazellen gesehen hat.
2.3 Vom tercer elemento zur Oligodendroglia und zur Mikroglia
So vielversprechend sich die frühen Beschreibungen der künftigen Oligodendroglia aus heutiger
Perspektive ausmachen, in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts war die Beschreibung jener
Strukturen zwischen Neuronen und Astrozyten noch gekennzeichnet durch die Beobachtung
zumeist fortsatzloser Zellen in Gestalt von schwach erkennbarer Zellkernen und
Protoplasmarändern. Auch mit der Goldsublimatmethode gelang die Darstellung der Räume
zwischen den Astrozyten und Neuronen nur mäßig. Ramón y Cajal selbst nannte den
morphologisch indifferenten, zellulären Rest im Gewebe des Nervensystems, neben den
3
Neuronen und Astrozyten, das "tercer elemento de los centros nerviosos". Ramón y Cajal
schreibt: "Existe en los centros nerviosos un corpúsculo pequeño, adendrítico comprende dos
razas, de actividades posiblemente diferentes: la raza satélite ó perineuronal, y el corpúsculo
4
apolar de la substancia blanca."
Erst die weitere Verbesserung der Metallimprägnation brachte weitere Aufklärung
hinsichtlich der entgültigen Zusammensetzung des Cajalschen tercer elemento. Am
erfolgreichsten war die Silbercarbonatmethode des argentinischen Histopathologen und
1
Andriezen (1893b): »On a system of fibre cells surrounding the blood vessels of the brain« S.
535
2
Eisath 1906, S. 249
3
Ramón y Cajal (1913b): »Contribucion al conocimiento de la neuroglia de cerebro humano« S.
288ff
4
Ibid., S. 312
297
1
Ramón y Cajal-Schülers Pio del Rio Hortega (1882-1945). Mit der Silbercabonatmethode gelang
ihm die vollständige Darstellung des von Ramón y Cajal postulierten dritten Elements im
Zentralnervensystem. Hatte Ramón y Cajal den zellulären Formcharakter des "dritten Elements"
noch als diffus und adendritisch aufgefaßt, so gelang es Del Rio Hortega nun zwei Typen von
Zellen mit Zellfortsätzen innerhalb des "dritten Elements" auszumachen. Die erste Form der
neuen Gliazellen zeigte einen (im Vergleich zum Zellkern des Astrozyten), kleinen Kern,
umgeben von einem feinen Plasmasaum, der sich (im Vergleich zu Astrozyten) nur an relativ
wenigen Stellen zu Zellfortsätzen verlängerte. Aus diesem Grund gab Del Rio Hortega diesem
neu beschriebenen Zelltyp im Gehirn denn auch den Namen Oligodendrocyten bzw.
2
Oligodendroglia, um deutlich zu machen, daß er sie wie die Astrozyten zur Neuroglia rechnet.
Die Oligodendrozyten sollten in zwei Formen im Zentralnervensystem vorkommen: 1. Als
Oligodendrozyten entlang myelinisierter Axone angeordnet (Gierkes Gliazellen zur
Scheidenbildung und Hardesty's seal cells) und 2. als perineuronale Oligodendrozyten der grauen
Substanz (Eisaths Trabantenzellen).
1
Del Rio Hortega (1918): »Noticia de un nuevo y fácil método para la coloración de la neuroglia
y del tejido conjunctivo«, (1919a): »El "tercer elemento" de los centros nerviosos«. Zur Methode
Hortegas vgl. Globus (1927): »The Cajal and Hortega staining methods. A new step in the
preparation of formaldehyd-fixed material«, Scharenberg & Zeman (1952): »Zur
Leistungsfähigkeit und zur Technik der Hortegaschen Silbercarbonatmethoden«, Seki (1940):
»Zur Theorie der histologischen Silberfärbung.«
2
Hortega (1921b): »La glía de escasas radiaciones (Oligodendroglia)«, vgl. ebenso (1924-25):
»La nevroglie et le troisieme element des centres nerveux«, (1928): »Tercera aportacion al
conocimiento morfologico e enterpretation fucional de oligodendroglia.«
298
Fig. 30 Oligodendroglia: (Links) -> Gliöse "Trabantenzellen" (später perineuronale Oligodendrozyten) in
Verbindung mit (N) Neuronen [nach Eisath 1906, Mallory-Färbung], (rechts) interfaszikulare Oligodendrozyten im
Rückenmark der Katze [nach Del Rio Hortega 1956, Silbercarbonatmethode].
299
Neben der Oligodendroglia identifizierte Del Rio Hortega einen zweiten Gliazelltyp im tercer
1
elemento. Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Größe nannte er sie Mikroglia. Es handelte
2
sich dabei um Zellen, die bereits Franz Nissl, und, mit Hilfe seiner Platinmethode, der schottische
3
Neuropathologe William E. R. Robertson (1869-1956) beschrieben hatten. Sowohl Formbild,
wie auch die von Robertson postulierte, mesodermale Genese der Mikroglia (Robertson sprach
4
von "mesoglia cells") wurden von Del Rio Hortega bestätigt.
1
Del Rio Hortega (1919a): »El "tercer elemento" de los centros nerviosos. I. La microglia en
estado normal. II. Intervención de la microglia en los procesos patológicos. III. Naturaleza
probable de la microglia«, (1919c): »El "tercer elemento" de los centros nerviosos. Poder
fagocitario y movilidad de la microglia.«
2
Bereits im Jahre 1899 beschrieb Franz Nissl bei der "paralytischen Hirnrindenerkrankung"
einen Zelltyp, den er wegen seiner länglichen Form, Stäbchenzellen nannte. Nissls Beschreibung
der Form der Stäbchenzellen und die Tatsache ihrer Beobachtung an pathologischem Material,
läßt im Nachhinein den Schluß zu, daß Nissl eine besondere Reaktionsform der späteren
Mikrogliazellen gesehen hat. [Nissl (1899): Ȇber einige Beziehungen zwischen
Nervenzellerkrankungen und gliösen Erscheinungen bei verschiedenen Psychosen«, (1904a):
»Zur Lehre von der Hirnlues«, (1904b): »Zur Histopathologie der paralytischen
Rindenerkrankung«]. Nissls "Stäbchenzellen" werden von Alzheimer bestätigt. [Alzheimer
(1904): »Histologische Studien zur Differentialdiagnose der progressiven Paralyse«, (1910):
»Beiträge zur Kenntnis der pathologischen Neuroglia und ihrer Beziehungen zu den
Abbauvorgängen im Nervengewebe.«]
3
Zeitgleich mit Nissl hatte Robertson im gesunden Gehirn von Mensch, Hund und Katze
"adendritische Zellen" unbestimmten Charakters gefunden. Diese Zellen ließen sich sowohl mit
der Golgi-Imprägnation als auch mit Methylenblau darstellen. Mit der Platinmethode ließen sich
auch an diesen Zellen Fortsätze nachweisen. Die Abbildungen Robertsons sprechen dafür (Glees
1955, S. 72), daß wie Nissl, auch Robertson Mikrogliazellen gesehen hat. [Robertson (1899): »On
a new method of obtaining a black reaction in certain tissue elements of the central nervous
system«, (1900a): »A microscopic demonstration of the normal and pathological histology of the
mesoglia cells«, (1900b): »A Textbook of Pathology in Relation to Mental diseases«].
4
Die mesodermale Herkunft der Mikroglia, in Abgrenzung zur neuroektodermalen Genese der
Neurone, Astroglia und Oligodendroglia, blieb noch Jahre nach Del Rio Hortega umstritten. Zur
Diskussion, vgl. z. B. Bazgan & Enachescu (1929): »Recherches expérimentales sur la
microglia«, Belezky (1932): »Über die Histogenese der mesoglia«, Capobianco (1901): »Della
partizipazione mesodermica nella genesi della neuroglia cerebrale«, Costero (1931a):
»Experimenteller Nachweis der morphologischen und funktionellen Eigenschaften und des
mesodermischen Charakters der Mikroglia«, Costero (1931b): »Studien an Mikrogliazellen in
Gewebskulturen vom Gehirn«, Del Rio Hortega (1930): »Concepts histogénique, morphologique,
physiologique et physio-pathologique de la microglie«, Hatai (1902): »On the origin of neuroglia
tissue from the mesoblast«, Huber (1903): »Studies on the neuroglia in vertebrates«, Juba
(1934a): »Ueber die Entwicklung der Mikroglia«, (1934b): »Untersuchungen ueber die
Entwicklung der Hortegaschen Mikroglia«, (1934c): »Das erste Erscheinen und die Urformen der
Hortegaschen Mikroglia«, Kamemura (1934): »Ueber die Entwicklung der Mikroglia«,
Kershman (1939): »Genesis of microglia in the human brain«, Metz & Spatz (1924): »Die
Hortegazellen und ihre funktionelle Bedeutung«, Mihaesti & Tupa (1929): »A propos de l'origine
mésodermique de la microgli et de son role physiologique«, Poldermann (1926): »De Ontdekking
300
Auch wenn Del Rio Hortega, angesichts der Vorarbeiten Nissls und Robertsons, wohl nicht als
der Entdecker der Mikroglia bezeichnet werden kann, so wie dies heute in den
1
neurohistologischen Lehrbüchern geschieht, so war Del Rio Hortega doch der erste, der die
2
Mikroglia erstmals einer systematischen Untersuchung unterzog. Die wesentlichen Ergebnisse
dieser Untersuchungen finden sich in der berühmten, im Jahre 1932 von Wilder Penfield in drei
3
Bänden herausgegebenen »Cytology and Cellular Pathology of the Nervous System«. Del Rio
Hortega faßt dort den Kenntnisstand seiner Zeit in zwei prägnanten Sätzen zusammmen: "The
microglia or mesoglia is of mesodermal (meningeal) origin, has free, profusely branched
prolongations, is endowed with migratory capacity and shows macrophagic activities. It is more
4
abundant in the gray than in the white matter [...].
van de Mikroglia en haar Beteekenis voor het Neuroglia-Vraagstuk«, Pruijs (1927): »Über
Mikroglia, ihre Herkunft, Funktion und ihr Verhältnis zu anderen Gliaelementen«, Raven (1931):
»Zur Entwicklung der Ganglienleiste«, Sántha & Juba (1932/33): »Untersuchungen über die
Entwicklung der Hortegaschen Mikroglia«, Schaffer (1926): »Über die Hortegasche Mikroglia«,
Wells & Carmichael (1930): »Microglia. An experimental study by means of tissu culture and
vital staining«.
1
Z. B. Bargmann 1977, S. 209; Leonhard 1985, S. 241. Bis heute wird denn auch der Begriff
Hortega-Zelle [in die Literatur eingeführt von Metz & Spatz (1924)] neben Hortegas eigenem
Terminus Mikroglia gleichermaßen verwendet.
2
Del Rio Hortega (1919a): »El "tercer elemento" de los centros nerviosos. I. La microglia en
estado normal. II. Intervención de la microglia en los procesos patológicos. III. Naturaleza
probable de la microglia«, (1919c): »El "tercer elemento" de los centros nerviosos. Poder
fagocitario y movilidad de la microglia«, (1920): »La microglía y su transformación en células en
bastoncito y cuerpos gránuloadiposos«, (1921a): »El "tercer elemento" de los centros nerviosos:
Histogénesis y evolución normal, éxodo y distribución regional de la microglía«, (1924-25): »La
nevroglie et le 3me element des centres nerveux«, (1930): »Concepts histogénique,
morphologique, physiologique et physio-pathologique de la microglie«.
3
Del Rio Hortega 1932
4
Zit. aus Penfield 1932, Reprint 1966
301
Fig. 31 (Oben) Mikrogliazellen im Hippocampus (Kaninchen), (unten) Formenvielfalt der Mikroglia [nach Del Rio
Hortega 1920, Silbercarbonatmethode].
302
2.4 Mikroglia und Makroglia
Die Entdeckung der neuen Zellformen der Neuroglia, der Oligodendrozyten und der Mikroglia,
mußte zu einer neuen Typologisierung der nicht-nervösen und nicht-bindegewebigen Zellelmente
im Nervensystem führen. Del Rio Hortega ging denn auch voran und unterschied schlicht
Makroglia (die neuroektodermalen Astrozyten und Oligodendrozyten) von Mikroglia. Del Rio
Hortegas Einteilung hat sich eingebürgert und ist bis zum heutigen Tage erhalten geblieben,
1
wenngleich einige Autoren, teilweise noch in jüngerer Zeit , den Begriff Neuroglia wegen des
nicht neuroektodermalen Urspunges der Mikroglia, auf die Makroglia begrenzt sehen wollten.
Wilder Penfield beispielsweise, widmete in seiner »Cytology and cellular pathology of the
2
nervous system« der Neuroglia und der Microglia ein jeweils eigenes Kapitel.
Mit den Arbeiten der spanischen Schule endete die lichtmikroskopisch-formanalytische
Gliaforschung. Ihre Ergebnisse bilden bis heute den Kern unserer Auffassung von der zellulären
3
Organisation der Neuroglia und sind fester Bestandteil der Lehrbuchliteratur.
1
Leonhardt 1985, S. 234
Vgl. Penfield (1928a): »Neuroglia and Microglia«, (1931): »The classification of gliomas and
neuroglial cell types«, (1932a): »Neuroglia: Normal and pathological«.
3
Die lichtmikroskopische Unterscheidung der Astrozyten in protoplasmatisch und fibrillär ist
heute um eine Vielzahl immunozytochemischer, biochemischer und entwicklungsgeschichtlicher
Kriterien erweitert. Je nach Erscheinungsform ist heute die Rede von Typ 1- und Typ 2-Astrozyten
in der weißen Substanz und von Typ 1- like-Astrozyten in der grauen Substanz.
Zusammenfassende Darstellungen finden sich bei Dahl et al. 1986, Miller & Raff 1984, Miller et
al. 1985, 1989a,b; Miller & Raff 1984, Privat & Rataboul 1986, Raff 1989, 1990; Raff et al.
1983, 1984; Schachner 1982, Wilkin et al. 1990.
2
303
Fig. 32 Del Rio Hortegas Konzept der vier Haupttypen der Neurogliazellen: (Links oben) protoplasmatischer
Astrozyt, (rechts oben) fibrillärer Astrozyt, (links unten) Mikrogliazellen, (rechts unten) Oligodendrogliazellen [nach
Del Rio Hortega 1920, Goldsublimatmethode und Silbercarbonatmethode].
304
IV. Die Ausgrenzung der Gliazelle vom Begriff des Nervösen
In der »Cellularpathologie« leitet Rudolf Virchow seine Beschreibung der Nervenfasern und
Nervenzellen folgendermaßen über zur Betrachtung der Neuroglia: "Gewinnt man so eine
allgemeine Übersicht über die Einrichtung eines centralen Nervenapparates, so darf man doch
nicht vergessen, dass dies nur die eigentlich nervösen Theile desselben sind. Will man das
Nervensystem in seinem wirklichen Verhalten im Körper studiren, so ist es unumgänglich nöthig,
auch diejenige Masse zu kennen, welche zwischen den Nerventheilen vorhanden ist, welche diese
Theile umfasst und den ganzen Organen Festigkeit und Gestalt gibt: das Interstitialgewebe des
1
Gehirns und Rückenmarks." Mit diesen Worten fasste Virchow zugleich die Grundhaltung seiner
Zeit zur Frage der Neuroglia zusammen. So waren sich die Neurohistologen und Physiologen der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwar darüber im klaren, ("will man das Nervensystem in
seinem wirklichen Verhalten studiren"), daß ein Nervensystem ohne Neuroglia niemals
funktioniert, andererseits aber vermochten sie der Neuroglia nicht mehr als die Funktion einer
Zwischenmasse zugestehen, welche die "eigentlichen nervösen Theile" stützend umfaßt. Nervös
sind allein die Nervenzellen und Nervenfasern. Welche Funktion auch immer der Neuroglia
zugedacht wurde, diese war nicht nervös. Was ließ nun die Neurophysiologen und Histologen
jener Zeit so frei von Zweifeln an ihrer Annahme, allein diejenigen Strukturen, die sie als
Nervenzellen und Nervenfasern identifizierten, seien die "eigentlichen nervösen Theile"? Wie
kam es zu dem offenbar selbstverständlichen Postulat, die Glia sei lediglich Stützsubstanz?
Betrachten wir im Folgenden diesen Vorgang der Ausgrenzung des Glia näher, und zwar vor dem
Hintergrund der beiden Schlüsselbegriffe des Nervösen, der Erregbarkeit und der
Erregungsleitung. In der Neuronen-Doktrin sollte es ja später heißen: "Das Neuron stellt [..] eine
physiologische Individualität dar, oder anders ausgedrückt, die Nervenzellen besitzen die
geringste Menge von der Nervensubstanz, die eine spezifische nervöse Erregung hervorzurufen
und fortzupflanzen vermag. Nichtneuronale Bestandteile sind weder der Reizbarkeit noch der
2
Weiterleitung einer nervösen Erregung fähig."
1
2
Virchow 1871, S. 316
Ramón y Cajal 1935, S. 936f
305
1. Implizierte Dogmen
1.1 Neuroglia ist nicht erregungsleitend
Der Begriff des Nervösen, wie ihn Virchow und seine Zeitgenossen verwendeten, ist, wie die
Begriffe Reiz und Erregung, nur schwer definierbar; war doch das Nervöse sowohl funktionell als
auch morphologisch zu verstehen. Der Begriff nervös war verknüpft mit der Konzeption der Reizbzw. Erregungsleitung, und diese wiederum machte nur Sinn, in Verbindung mit nervösen
Strukturen, also gekoppelt an Nervenfasern und Nervenzellen. Der Begriff nervös vereinte alle für
relevant gehaltenen Funktionsabläufe im Nervensystems, ebenso wie er festlegte, welche der unter
dem Mikroskop entdeckten Bauteile des Nervensystems das Substrat dieser Funktionsabläufe sein
sollten.
Vor der Debatte um die Existenz einer nicht nervösen Zwischensubstanz im Gehirn und
Rückenmark, wurde das Zentralnervensystem von der Mehrzahl der Autoren als eine einheitlich
nervöse Substanzmasse aufgefaßt. Bei der mikroskopischen Betrachtung der Bauteile des
Nervensystems wurde "alles worauf man stieß für nervig gehalten", wie es Bidder und Kupffer
1
ausdrückten. Damit musste zugleich auch alles worauf man stieß, an den Vorgängen der
zentralen Reiz- bzw. Erregungsleitung beteiligt sein. Sei es als "Produktor" der Erregung oder als
deren Leitelement. Die "feinkörnige Intermediärmasse", wie sie Henle oder Wagner zu erkennen
glaubten, war damit auch ohne histologischen oder gar physiologischen Nachweis, automatisch
als chemisch identisch mit dem Inhalt der Ganglienzellen ausgemacht und mußte als funktionelles
2
Bindeglied fungieren, als ein "Leitungsorgan der moleculären Vibrationen," zwischen den
verschiedenen Teilen des Nervensystems. Bis Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts blieb
diese Vorstellung, wie gezeigt, praktisch ohne Widerspruch. Bei Virchow heißt dazu in der
»Cellularpathologie«: "In den eigentlichen Centren und namentlich im Gehirne deutete man die
Zwischensubstanz gerade als eine wesentliche Nervenmasse, und sie erschien sogar solange als
eine Art von natürlichem Desiderat, als man eine directe Uebertragung der Erregung von Faser
zu Faser zuliess [...]. So sprach man im Gehirne von einer feinkörnigen Zwischenmasse, welche
sich zwischen die Fasern einschieben sollte und welche freilich keine vollständige Verbindung
zwischen ihnen herstellte, indem sie eine gewisse Schwierigkeit in der Uebertragung der
Erregungen bedingte, welche aber eine Art von Leitung ermöglichen sollte, so dass bei einer
gewissene Höhe der Erregung eben auch eine directe Übertragung von Faser zu Faser stattfinden
3
könne."
1
Bidder & Kupffer 1857, S. 43
Golgi 1871, zit. aus Golgi 1894, S. 246
3
Virchow 1858, S. 246
2
306
Die von Virchow, der Dorpater Schule um Bidder, und von Schultze in den späten 50er Jahren
des 19. Jahrhunderts initiierte Kontroverse um die eigenständige histologische Existenz der
"körnig-faserigen", "amorphen", "netzwerkartigen", wie auch immer beschriebenen Grundmasse
in den Zentralorganen, war denn auch nicht nur eine Debatte über das jeweilige mikroskopische
Erscheiunungsbild, sondern zugleich stand die Vorstellung von der allein nervösen Natur des
Nervenapparates und der Kontinuität der Erregungleitung auf dem Prüfstand. Wie bei der
Beschreibung des histologischen Erscheinungsbildes der Zwischenmasse, fand auch vor diesem
Problemhorizont jede nur denkbare Position ihre Verfechter. Auch die Frage nervös oder nicht1
nervös bewegte sich im "Chaos der endlosen Widersprüche". Während Virchow in der
»Cellularpathologie« über seine Neuroglia schrieb, diese Substanz sei "unzweifelhaft nicht
2
nervöser Natur" , blieben maßgebliche Autoren wie Henle, Wagner, Merkel, Uffelmann u.a. bei
ihrer Anschauung, die "moleculäre Substanz" zwischen den Ganglienzellen sei eine "feinkörnige
Ausbreitung reiner Nervensubstanz", eine "zusammengeflossene nicht getheilte
3
4
Gangliensubstanz". Andere, allen voran Kölliker , schlossen sich der Ansicht Max Schultzes an ,
sowohl hinsichtlich der Beobachtung einer Netzwerkstruktur in der Zwischensubstanz als auch in
deren Interpretation als nicht-nervöses Bindegewebe. Wieder andere bestätigen zwar Schultzes
Beobachtung einer Netzwerkstruktur, hielten diese aber für nervös. So Stephany, der überall dort,
wo Henle und seine Anhänger ausschließlich "körnige Substanz" annahmen, neben körnigfaseriger Grundsubstanz ein "Geflecht von sehr feinen Röhren" beschrieb, das er Teminalnetz
5
nannte. Das Terminalnetz sollte den Zusammenhang der Ganglienzellfortsätze mit den
Nervenfasern vermitteln, war also nervös.
Die Vielseitigkeit der Anschauungen erklärt sich heute aus der seinerzeit kaum
vorhandenen Möglichkeit, bei der mikroskopischen Betrachtung des Nervensystems einheitliche
Unterscheidungskriterien zu definieren, über die sich das Gesehene einer spezifischen Funktion
6
zuordnen ließ. Merkmale wie "Mangel der gelben Färbung im Chromsäurepräparate" , nach
denen beispielsweise Bidder und Kupffer die nervösen Elemente von denen der Bindesubstanz
unterschieden, erscheinen heute geradezu willkürlich. Realistische Kriterien, zumindest für die
Charakterisierung der Nervenzellen, standen frühestens nach der Deitersschen Beschreibung der
Ganglienzelle zur Verfügung. Erst nach Deiters »Untersuchungen« konnten als nervöse
Strukturen all diejenigen Gebilde bezeichnet
1
Boll 1874, S. 5f
Virchow 1858, S. 246
3
Kölliker 1863
4
Schultze 1859
5
Stephany 1860
6
Bidder & Kupffer 1857, S. 45
2
307
werden, die offensichtlich zweierlei Arten von Fortsätzen aufweisen, oder zumindest einen, der
sich als Axenzylinderfortsatz identifizieren ließ. All jene Strukturen waren nicht nervös, die
derartige Merkmale nicht aufwiesen. Sinnvoll genutzt werden konnten diese Kriterien allerdings
erst in der späten Phase der Carminfärbung bzw. nach Einführung der Golgi-Imprägnation.
Wollte man nun nicht, wie Gerlach, ein Nervenfaserkontinuum annehmen, zugleich aber
dennoch der Konzeption der kontinuierlichen Erregungsleitung folgen, dann war die Annahme
einer erregungsleitenden Zwischensubstanz geradezu zwingend. Einer derjenigen, der für die
Existenz einer erregungsleitenden Zwischenmasse Partei ergriff, war Rindfleisch, wie erwähnt,
einer der Entdecker der Gliazelle. Rindfleisch opponierte gegen die Gerlachsche These von den
vernetzten Fäserchen an den protoplasmatischen Ausläufern der Ganglienzelle. Denn, so
1
Rindfleisch 1872, in seinem Aufsatz »Zur Kenntnis der Nervenendigung in der Hirnrinde« , diese
protoplasmatischen Fortsätze zerfasern sich derart durch wiederholte Teilungen, daß sie sich "bis
zur Auflösung in so kleine Pünktchenreihen verfolgen lasssen, dass der Begriff des "Fädigen"
ganz verschwindet und eine directe Continuität mit dem "körnigen" der nervösen Theile
2
ersichtlich wird." Auch die Axone sollten sich, laut Rindfleisch, "in einen Büschel feinster
Fäserchen" verästeln, "welche wieder denselben, unendlich zarten Uebergang vom ’Fädigen' in
3
das 'Körnige' zeigen, wie die verästelten [Protoplasma]ausläufer der Ganglienzellen."
Rindfleisch war der Meinung, in der Hirnrinde fände eine doppelte Endigungsweise der
Nervenfasern statt: "Die einen gehen in die Axencylinderfortsätz der Ganglienzellen über, die
anderen lösen sich in dieselbe, körnigfasrige Substanz auf, in welche Protoplasmafortsätze der
4
Ganglienkörper eintauchen". "Nehmen wir an", heißt es weiter, "dass die einen ’zuleitende’, die
anderen 'ableitende' Nervenfasern sind, so würde ein Hauptaccent auf die intermediäre
körnigfasrige Substanz fallen und diese geradezu als das Hauptglied der ganzen Kette, als
5
'Centralnervensubstanz' erscheinen." Die Ganglienzellen meinte Rindfleisch, wären damit
6
lediglich die "Sammel- und Umlagerungsapparate für die nervöse Erregung." Gerlach antwortete
auf Rindfleischs Mitteilungen mit der Behauptung: "Während Rindfleisch glaubt, dass zwischen
den Anfängen des zweiten feinsten Netzes und den Endigungen der Protoplasmafortsätze der
Nervenzellen eine feinkörnige Masse eingeschaltet sei, ist es mir durch die Goldmethode
gelungen, die
1
Rindfleisch 1871
Ibid., S. 453
3
Ibid., S. 454
4
Ibid.
5
Ibid.
6
Ibid.
2
308
1
Continuität des Netzes bis zu den Protoplasmafortsätzen der Nervenzellen nachzuweisen."
Gerlachs Anschauung setzte sich ja bekanntlich zunächst durch.
Mit Gerlachs Postulat, daß Nervenzellen mittels eines durch die unendlich feinen Teilungen der
Nervenzellfortsätze gebildeten Netzes in morphologischer und funktioneller Verbindung stehen,
daß also ein erregungsleitendes Kontinuum aller nervösen Teile vorhanden sein sollte, erübrigte
sich zugleich die Frage nach der nervösen bzw. erregungsleitenden Natur der Zwischenmmasse.
All das, was sich zwischen den Maschen des Nervennetzes nachweisen ließ, wie immer es aussah,
und wie immer man es nennen wollte, ob Bindesubstanz, Bindegewebe oder Neuroglia, es konnte
2
keinesfalls nervöser Natur sein.
Es läßt sich also festhalten. Die Bezeichnung jener Elemente, die nicht als Nervenfasern oder
Nervenzellen zu erkennen waren, als nicht erregungsleitend, und damit einhergehend die
Behauptung, daß diese Elemente nichts zu den "höheren Hirnleistungen" beitragen, war in den
70er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht mehr als das Ergebnis einer Denkstil-gebundenen
Interpretation des mikroskopischen Bildes.
1
Gerlach (1872): »Über die Struktur der grauen Substanz des menschlichen Grosshirns« S. 274
Die Beschreibung dieser histologisch uneindeutigen Restsubstanz führte schließlich zur
Beschreibung des Neuropils. [Begriff erstmals bei His (1889)]. Gierke schrieb über Henle und
seine Anhänger: Man könne annehmen, "dass jene Forscher Durchschnitte von Fasern, theils von
Nervenfibrillen [Nervenfasern], theils von Fortsätzen der Gliazellen für kleine Molekel gehalten
haben." (Gierke 1885, S. 462). Eine ausführlichere Darstellung gibt Golgi 1882/85: "An der
Bildung der Substanz, welche in den mit den gewöhnlichen Mitteln angefertigten Präparaten als
körniges, interstitielles Gewebe auftritt, nehmen nicht nur die Bindegewebselemente, sondern
auch die feinen Verzweigungen der Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen und das Geflecht
von nervösen Primitivfibrillen Theil." Die Substanz zwischen den Nervenzellen und Fasern
bestünde folglich "aus einem sehr complicirten, dichten Geflecht, welches natürlicher Weise
durch das Zusammentreffen so vieler zu verschiedener Arten von Elementen gehöriger Theile auf
demselben Gebiete zu Stande kommen muß. An der Bildung dieses Netzes nehmen Theil: a) die
von den Neurogliazellen abstammenden Faserbündel (Zellfortsätze); b) die feinen
Unterabtheilungen der Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen c) die nervösen Fibrillen, welche
von den Unterabtheilungen der Fasern, welche aus der Medullarsubstanz in die graue Substanz
eindringen und von den sehr feinen Verzweigungen der von dem nervösen Fortsatze der
Ganglienzellen ausgehenden Filamente herkommen. Das feinkörnige oder faserig-körnige
Aussehen, welches wir in der That an gewöhnlichen Präparaten wahrnehmen, muss zum Theil
Alterationen aus verschiedenen Gründen (Misshandlung bei der Zubereitung, Wirkung der
Reagentien, Veränderungen in der Leiche), zum Theil der Unmöglichkeit zugeschrieben werden,
in der wir uns befinden, in der engen Mischung von so vielen verschiedenen Theilen mit unseren
Beobachtungsmitteln die einen von den anderen unterscheiden zu können." (Golgi 1882/85, zit.
aus Golgi 1894, S. 167)
2
309
1.2 Die Gliazelle ist nicht erregbar
Die Trennung der Neuroglia vom Begriff des Nervösen fand also im wesentlichen in der
Erfassung ihrer morphologischen Gestalt und auf dem Wege des Denkstil-gebundenen
Beobachtens statt. Nur dem, was sich im Idealfall als Deiterssche Ganglienzelle ausmachen ließ,
oder zumindest Teilmerkmale derselben aufwies, wurde nervöse Funktion unterstellt, oder
umgekehrt, alles was nicht nach dem Deitersschen Muster als Ganglienzelle zu beschreiben war,
war Bindesubstanz, war nicht erregungsleitend und damit irrelevant für die Beschreibung von
Hirnfunktion. Die Aufklärung der morphologischen Eigenständigkeit der Gliazellen und die damit
möglich gewordene morphologische Abgrenzung von Gliazellen, Nervenzellen und
Nervenfasern, vollzog sich also vor dem Denkstil Neuroglia als nicht nervös aufzufassen - oder
wie es Boll, einer der Entdecker der Gliazelle, auf die einfache Formel brachte: "bindegewebige,
1
das heißt nicht nervöse Natur" . Wie ließ sich nun das Konzept von der nicht erregungsleitenden
Neuroglia auf die einzelne Gliazelle, dem individuellen Baustein der Neuroglia, übertragen? Nicht
erregbare Zellen waren in der Zellenlehre ja nicht vorgesehen.
Mit der Fixierung auf die Nervenfaser und die Nervenzelle als der alleinigen morphologischen
Basis nervöser Erregungsbildung und Erregungsleitung, mußte die Vorstellung von der
Unerregbarkeit, bzw. Nicht-Reizbarkeit gliöser Strukturen zwingend einhergehen. Nervös meinte
ja nicht nur erregungsleitend, sondern auch, als die Voraussetzung von Erregungsleitung, die
Eigenschaft der Erregbarkeit oder Reizbarkeit. Betrachten wir den Begriff der Reizbarkeit in
seiner Anwendung auf die Neuroglia aus der Sicht des "Schöpfers" der Neuroglia, der sich ja über
2
deren "unzweifelhaft nicht nervöse Natur" so im klaren war. Virchow unterschied drei Formen
3
von Zelltätigkeit , in denen sich Erregbarkeit, nach Virchow ja die Eigenschaft zur "reaktiven
Auslösung von Thätigkeit", und das "Kriterium, wonach wir beurtheilen ob der Theil lebe oder
4
nicht lebe" , gundsätzlich manifestieren sollte: Funktion, Nutrition und Formation. Entsprechend
sprach Virchow denn auch von funktioneller, nutritiver und formativer Reizbarkeit: "Das Resultat
einer Erregung, oder wenn Sie so wollen, einer Reizung kann je nach den Umständen ein bloss
funktioneller Vorgang sein, oder es kann sich darum handeln, daß eine mehr oder wenige starke
Ernährung des Theiles [vermehrte Stoffaufnahme] eingeleitet wird, ohne nothwenige Erregung
oder Function, oder es kann sein, daß ein Bildungsvorgang einsetzt [vermehrte
1
Boll 1874, S. 7
Virchow 1858, zit. aus Virchow 1871, S. 246
3
Ibid., S. 258ff
4
Ibid., S. 334f
2
310
1
Zellteilung], welcher mehr oder weniger neue Elemente schafft." Weiter heißt es: "Diese
Verschiedenheiten werden in dem Maß deutlicher, als die einzelnen Gewebe des Körpers geeignet
2
sind, dem einen oder dem anderen Erregungszustande zu entsprechen." Dies bedeutete: Die
funktionelle Reizbarkeit wird deutlich in der gesteigerten Bewegung der Muskelzellen, der
gesteigerten Sekretion der Drüsenzellen, im veränderten elektrischen Verhalten der Nervenfasern
und der an diese anatomisch gekoppelten Nervenzellen. Letzeres war zwar noch lange nicht direkt
beobachtbar, dennoch abzuleiten aus der an Nervenexperimenten gezeigten Ablenkung der
Magnetnadel, als dem "Ausdruck der nervösen Erregung". Ganz im Gegensatz zur funktionellen
Reizbarkeit der nervösen Teile stand die Funktionszuweisung an die Neuroglia.
Wie gezeigt, stand Neuroglia ganz in der Tradition des alten Zellgewebekonzepts Hallers.
Schon Haller hatte das Zellgewebe ja als funktionell indifferent verstanden, was hieß, im
Gegensatz zur sensiblen Nervenfaser und der irritablen Muskelfaser vollkommen unempfindlich
und nicht irritabel. Aus dem Zellgewebe Hallers war das Konzept der Bindesubstanz
hervorgegangen. Und so heißt es dann in der Virchowschen Gewebelehre: Während man in den
3
"Geweben höherer Ordnung welche eigentlich den Charakter des Thieres ausmachen" , also in
den Nerven und Muskeln, "die Eigenschaft der Erregbarkeit" in einer so "ausgesprochenen und
so evident nachweisbaren Weise findet, so tritt dieser immer mehr zurück, je niedriger organisirt
der Theil ist, und am wenigsten sicher sind unsere Kriterien an den Geweben, welche die
Bindegewebsformen umfaßt. Hier sind wir in der That in grosser Verlegenheit, zu entscheiden ob
ein Theil lebt (also erregbar ist) oder ob er schon abgestorben ist (also nicht erregbar ist). Es
erklärt sich diese Schwierigkeit aus dem Umstande, dass die Gewebe in der Regel ihrer
Hauptmasse nach aus Intercellularsubstanz bestehen, und dass, wenn wir sie auf ihre
Erregbarkeit prüfen wollen, nur die verhältnismäßig kleinen und spärlichen Zellen in Betracht
4
kommen." Zu den Geweben "welche die Bindegewebsformen umfassen" zählte Virchow ja auch
die Neuroglia. Der funktionelle Charakter der Interzellularsubstanz war es somit, der für Virchow
und seine Zeitgenossen den funktionellen Charakter der Bindesubstanzen, also auch den der
Neuroglia, bestimmte: So heißt es bei Virchow weiter: "Nirgends ist Intercellularsubstanz
erregbar. Es ist dies eine überaus wichtige Erfahrung, welche sowohl für die physiologische
Deutung der Gewebe, als auch für Lehre von dem Leben der einzelnen Theile als einer
5
ausschließlich cellularen Eigenschaft von größter Bedeutung ist."
1
Ibid., S. 259
Ibid.
3
Ibid., S. 27
4
Ibid., S. 336
5
Ibid.
2
311
Mit der Aufklärung der zellulären Natur der Neuroglia klärte sich zwar zugleich die formative
und nutritive Reizbarkeit der Gliazelle auf (beobachtet an pathologischen Erscheinungen wie
1
geändertem Schwellungszustand der Gliazellen oder der Bildung von Gliomen ), die Konzeption
einer fehlenden funktionellen Reizarkeit der Neuroglia, die Vorstellung von der Unmöglicheit der
Auslösung eines Funktionsvorganges an Gliazellen, blieb hingegen bestehen. Da sich die
Virchowsche Unterscheidung in formative, nutritive und funktionelle Reizbarkeit nicht als
Standardvokabular innerhalb der Physiologie durchsetzte, und sich die experimentelle
Beschäftigung mit dem Phänomen der Reizbarkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
insbesondere auf die elektrischen Phänomene an Nerv- und Muskel konzentrierte, war denn auch
nicht mehr die Rede von der fehlenden funktionellen Reizbarkeit, sondern generell von der
fehlenden Reizbarkeit oder Erregbarkeit der Gliazellen, womit gemeint war, die fehlende
elektrische Erregbarkeit. Bis heute lesen wird ja in den Lehrbüchern: "Zellen, an denen
Aktionspotentiale ausgelöst werden können, nennt man erregbar. Erregbarkeit ist eine typische
2
Eigenschaft von Nerven- und Muskelzellen." "Im Unterschied zu Nervenzellen sind Gliazellen
3
nicht erregbar." Erst die Rückbesinnung auf Virchows Konzept der funktionellen Erregbarkeit,
verstanden als die grundsätzliche Auslösbarkeit von Tätigkeit, eröffnet für die Neuroglia hier eine
neue Perspektive. Die Auslösbarkeit von chemischer Aktivität an Gliazellen in Folge
mechanischer, elektrischer oder chemischer Reizung, wie im »Ersten Teil« angeführt, sind hierfür
Beispiele.
1
Der Begriff Gliom stammt ebenfalls von Virchow. [Virchow (1863): »Psammone, Melanome,
Gliome.«]
2
Schmidt & Thews 1990, S. 23
3
Ibid., S. 24
312
2. Intercellularsubstanz und nutritive Funktion
Mit der gelungenen morphologischen Abgrenzung der Gliazelle von den erregungsgleitenden
Elementen und ihrer Charakterisierung als mehr oder minder inaktiver Bestandteil des
Nervensystems, war entgültig das Fundament geschaffen, für die Konzeption der passiven Stützoder Zwischenmasse, "die dem Ganzen mehr oder weniger seine Form gibt", wie es Virchow
ausdrückte. Zusätzlichen Antrieb erhielt das Stützmassenkonzept durch die mit der Färbemethode
Weigerts erzielten Ergebnisse, die ja, im Gegensatz zur Golgischen Silberimprägnation, das ganze
Ausmaß der zwischen den Nervenelementen der Zentralorgane eingeschobenen Glia deutlich
machte. Zwar schlossen sich die meisten Autoren nicht der Ansicht Weigerts an, bei einem
Großteil der Glia handele es sich um freie Gliafasern und damit um Interzellularsubstanz,
1
Weigerts Théorie du remplissage jedoch wurde Lehrmeinung, ließ sich diese doch in Einklang
bringen mit pathologischen Phänomenen, wie der Tumorbildung ("Wucherung entarteter
Füllmasse"), oder der Vorstellung von einer narbenbildenden Grundmasse, die "überall da wo
durch Untergang von nervösem Material Platz frei wird", in den frei gewordenen Raum
2
hineinwuchert.
Neben der Weigertschen Füll- oder Stützmassenkonzeption, ist ein weiteres Gliakonzept jener
Jahre hervorzuheben: Die von Golgi und seinen Schülern vertretene Hypothese, der Neuroglia sei
eine Rolle bei der nutritiven Versorgung der Nervenzellen zuzuschreiben. Golgi hielt die
3
Deitersschen Protoplasmaausläufer für die Ernährungsapparate der Nervenzelle. Indiz für Golgi
war, daß diese "in inniger Beziehung zu den Bindegewebszellen [Gliazellen] und zu
1
Ramón y Cajal 1909-1911, S. 247
Zur Aufklärung der Beteiligung von Neuroglia an der Narbenbildung im Zentralnervensystem
vgl. z. B. die Untersuchung von Friedmann (1890): »Studien zur pathologischen Anatomie der
acuten Encephalitis.«
3
Ähnlich dachte übrigens auch Nansen. In seiner 1888 erschienenen Arbeit »Die
Nervenelemente« heißt es über die Funktion der Protoplasmafortsätze: "Die Funktion dieser
letzteren ist nicht die, eine Verbindung zwischen den Ganglienzellen herzustellen, sondern sie ist
nutritiver Natur; sie enden in der Regel entweder in der Nähe von Blutgefäßen (bei höheren
Wirbeltieren) oder an der Oberfläche des Centralnervensystems." Im Centralnervensystem
Wirbeloser meinte Nansen gefunden zu haben, "daß in den äußeren Schichten beinahe nur
unipolare Ganglienzellen auftreten, während in den inneren Schichten bi- oder sogar multipolare
Ganglienzellen auftreten können; die protoplasmatischen Fortsätze halten beinahe immer
peripherische Richtung. Dies für die Funktion der protoplasmatischen Fortsätze sehr interessante
Frage erkläre ich mir einfach so: die in den äußeren Schichten gelegenen Ganglienzellen haben
keine protoplasmatischen Fortsätze nötig, um ihre Nahrung zu erhalten, da sie an der Quelle
liegen; die in den inneren Schichten gelegenen Ganglienzellen müssen aber zum Teil solche
Fortsätze gegen die Nahrungsquelle ausschicken um sich hinlänglich Nahrung zu holen." (Nansen
1888, S. 164)
2
313
den Blutgefäßen stehen. [...]. Wenn ich noch etwas über die functionelle Bedeutung der
Protoplasmafortsätze sagen soll, so glaube ich behaupten zu können, dass man ihre Aufgabe von
dem Gesichtspunkte der Ernährung des Nervensystems aus suchen muss, und, genauer gesagt
meine ich, dass sie die Wege darstellen, durch welche von den Blutgefäßen und den
Bindegewebszellen [Gliazellen] aus die Zufuhr des Nährplasmas zu den wesentlich nervösen
1
Elementen stattfindet." "Auf welche Weise diesen [nervösen] Elementen das Nährmaterial
2
zugeführt werden könnte", sei allerdings "schwer zu begreifen." Die Vorstellung von nutritiven
Funktionseinheiten im Nervensystem, bestehend aus den Protoplasmaausläufern der
Nervenzellen, Neuroglia, und Blutgefäßen, führte ein Assistent Golgis an der Universität Pavia,
3
der Histologe Luigi Sala fort . Entschieden hielt dieser an der Meinung seines Lehrers fest, die
Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen seien deren Ernährungsorgane. In seiner 1891
4
erschienenen Schrift »Zur feineren Anatomie des Seepferdefusses« diskutierte Sala in diesem
Zusammenhang auch die Zellen der Neuroglia und kommt "bezüglich der Histologie des
Nervensystems im Allgemeinen" zu folgendem Schluß: Die "Protoplasmafortsätze [...] heften sich
mittels ihrer letzten Verzweigungen, welche besondere Endausbreitungen darbieten an die
Fortsätze der Neurogliazellen und an die Wände der Blutgefäße an. Durch diese Verbindungen
welche sich namentlich im Hippocampus mit aller Leichtigkeit feststellen lassen, ist es klar, dass
die Protoplasmafortsätze als die Wege betrachtet werden müssen, auf welchen die Diffusion des
Nährplasmas aus den Blutgefäßen und den Neurogliazellen in die eigentlichen Nervenelemente
5
erfolgt."
1
Golgi 1882/85, zit. aus Golgi 1894, S. 93
Ibid., vgl. auch Golgi 1890a, S. 375f
3
Das nutritive Gliamodell wie es Golgi oder Sala postulierten, resultierte nicht allein aus der
Beobachtung des engen Kontaktes der Neurogliafortsätze zu den Blutgefäßen, sondern ebenso aus
der Vorstellung, die Gliafasern seien hohl und deshalb wie die Blutkapillaren zur Leitung von
Ernährungssäften besonders geeignet. Zum Konzept der hohlen Gliafaser vgl. auch Fromann
(1864): »Untersuchungen über normale und pathologische Anatomie, Teil I«, (1867)
»Untersuchungen, Teil II«, Lavdovsky (1891): »Vom Aufbau des Rückenmarks.«
4
Seepferd = Hippocampus
5
Ibid., S. 42. Ähnlich äußerte sich auch Gierke, der seine gliöse "Grundmasse" für die Ernährung
der Nervenfaser verantwortlich machte: "Demnach würde die Hauptaufgabe des formlosen Theils
der Neuroglia in Beziehung auf die marklosen Nervenfasern die Ernährung derselben sein; den
Ersatz zu liefern für das, was sie während ihrer Thätigkeit an Stoff einbüssen." Die Begründung
Gierkes: "Die Blutcapillaren reichen, trotzdem sie ein engmaschiges Netz in der grauen Substanz
bilden, nicht aus, um die feinen wegen ihrer lebhaften Function einem regen Stoffwechsel
unterworfenen Nervenfibrillen direct zu ernähren. Es tritt daher die Grundsubstanz als
Vermittlerin ein." Hinsichtlich der Nervenzelle jedoch "belehrt der genaue Blick", daß sich hier
die Dinge anders Verhalten müssen. "Jede Nervenzelle mag sie auch noch so klein sein, wird
wenigstens eine Capillarschlinge in unmittelbarer Nachbarschaft haben, umfangreichere Zellen
aber werden von einem dichten Geflecht feinster Blugefäße umringt. [...] Es ist also natürlich,
2
314
Was immer der Neuroglia im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts an Funktionen zugedacht wurde,
diese blieben außerhalb der Konzeption des Nervösen. Die als nicht-erregungsleitend und nichterregbar ausgemachte Neuroglia fand denn auch keinen Eingang in die Strategien zur Erklärung
der "psychischen Erscheinungen", galt doch für die Neurophysiologen das Exnersche Programm,
"die wichtigsten psychischen Erscheinungen auf die Abstufung von Erregungszuständen der
1
Nerven und Nervencentren" zurückzuführen. Auch in der modernen Version, der Erklärung von
2
Hirnfunktion als "Informationsvermittlung durch elektrische Erregung" ist Neuroglia ja wie
gezeigt nicht vorgesehen.
Innerhalb der sich rasch etablierenden Konzeption neuronaler Netzwerke war Neuroglia
nicht mehr als das die Maschen des Neuronennetzwerks ausfüllende Stütz- oder Grundmaterial,
eine Vorstellung, welche die Beschäftigung mit Neuroglia im Rahmen der Erklärung "psychischer
Erscheinungen" geradezu überflüssig erscheinen ließ. Eine derartige Auffassung von Neuroglia
bestimmte auch das Verhältnis der Forscher zum Forschungsgegenstand Neuroglia. So heißt es
bei Weigert zur Frage der Existenz eines gliösen Retikulums und über das Ausmaß der
Verästelung von Gliafasern, man dürfe "die Wichtigkeit dieser Frage nicht im entferntesten
vergleichen mit der gleichen Frage bei den Ganglienzellausläufern. Bei den Nervenelementen ist
die Verzweigung der Zellausläufer von höchstem physiologischen Interesse, da dadurch die
Möglichkeit ungeheuer vieler Verbindungen der Neurone gegeben wird, - ein Moment, das bei
einer Intercellularsubstanz [Neuroglia] gar nicht in Frage kommt. [...]. Eine zweite, ebenso
untergeordnete Frage ist die, ob die Neurogliafasern mit einander anastomisieren oder nicht. [...].
Bei den nervösen Elementen ist der Nachweis des Fehlens von Anastomosen deshalb
physiologisch von höchstem Interesse, weil nur bei fehlenden Anastomosen eine Isolierung der
Neurone denkbar ist. Bei einer Zwischensubstanz ist das Fehlen oder Vorhandensein von
3
Anastomosen aber etwas absolut gleichgültiges [...]."
Und doch, ungeachtet der weit verbreiteten Ignoranz gegenüber eines gliösen Beitrags zur
Erklärung "höherer Hirnfunktionen", enstanden vereinzelte Überlegungen, die das eingangs
skizzierte Konzept einer modulatorischen Neuroglia vorwegnahmen. Von den ersten
Überlegungen zu einer glia-neuronalen Theorie der Hirnfunktion wird im Folgenden die Rede
sein.
dass die Nervenzellen ihr Ernährungsmaterial aus den Capillaren direct beziehen." (Gierke 1885,
S. 523)
1
Exner 1894, S. 3
2
Schmidt & Thews 1990, S. 20
3
Weigert 1896, S. 135
315
V. Die "Beharrungstendenz des Meinungssystems": Vergessene Konzepte zur
Neuroglia als Modulatororgan und zur Rolle des Gliösen bei der Erklärung
psychischer Erscheinungen
1. Gabriel Gustav Valentins (1810-1883) "Zellgewebesscheide" als Vermittler
zwischen den "Urmassen"
Valentins Pionierleistung, hinsichtlich Konzeption und Beschreibung des Zellgewebes als eine
nicht-nervöse Faserstruktur im Nervensystem, wird durch die seiner Zeit ebenso vorauseilende
1
Vorstellung über die Funktion der Zellgewebescheide abgerundet. Valentin erklärt zwar, das
Zellgewebe durchzöge "einzelnen Organtheile auf das Mannigfaltigste und giebt [...] dem Ganzen
2
eine festere Constitution" , doch er postuliert darüber hinaus eine regulatorische Einwirkung der
Zellgewebescheide auf die von Valentin beschriebenen Kugeln und Primitivfasern. Erwähntes
Zitat lautet denn auch vollständig: "Das ganze Nervensystem besteht aus zwei Urmassen, nämlich
den isolirten Kugeln [Nervenzellen] der Belegungsmassen und den isolirten fortlaufenden
Primitivfasern [Nervenfasern]. Erstere sind wahrscheinlich Repräsentanten des schaffenden,
activen, höheren Princips, letztere des empfangenden und leitenden, passiven, niederen Princips.
Jegliche von diesen [Kugeln und Primitivfasern] wird von einer Zellgewebsscheide umhüllt, deren
durchaus für jeden kleinsten Theil bestimmte Stärke die Intensität der Einwirkung beider
3
heterogener Theile aufeinander bewirkt." Valentins Zellgewebsscheide bestimmte die Intensität
der Wechselwirkung von "schaffenden, activen, höheren Princip" und dem "empfangenden,
4
leitenden, passiven, niederen Princip."
Schlüsselbegriff in Valentins Konzept ist der Begriff der Isolation. Die Zellgewebsscheide
fungierte als Isolator. Dies sowohl an den peripheren Nervenfasern - "Obgleich in jedem
einzelnen peripherischen Nervenstamme motorische und sensible Fasern auf das mannigfaltigste
verbunden dicht nebeneinander verlaufen, so springt doch nie der Reiz und die Reaction von einer
Primitivfaser zu einer dicht daranliegenden über [..]. Die Scheide der Primitivfaser [...] wirkt als
5
vollständiger Isolator" - wie auch im Zentralorgan des Nervensystems: "Diese ganze Bildung hat
offenbar den Zweck, die gegenseitige unmittelbare Einwirkung der Primitivfasern und Kugeln der
Belegungsmasse zu hemmen, [...]
1
Valentin (1836a): »Über den Verlauf und die letzten Enden der Nerven.«
Ibid., S. 167
3
Ibid., S. 157
4
Ibid.
5
Ibid., S. 197
2
316
1
da die Scheide die Eigenschaft eines Isolators hat." Die Intensität des Einflusses der Kugeln auf
die Primitivfasern war abhängig von der Dicke der zwischen die Elementarteile eingefügten
Zellgewebescheide und diese fällt, so Valentin, in der Reihenfolge periphere Nerven,
Rückenmark, Gehirn zunehmend geringer aus. Gerade im Gehirn sei eine "grosse Dünne der
2
Scheiden" entscheidend, denn im Gehirn, so lautete ja Valentins Vorstellung, seien die
Primitivfasern "dem Willen unterworfen; sind ihre Action und Reaction mit dem Bewusstseyn des
3
Thieres verbunden". Im Gehirn würde der Einfluß des Willens auf die Nerven durch den
"Einfluss der Kugeln der Belegungsmassen" (die ja von Valentin per Analogieschluß als die
4
"Produktoren der psychischen Vorgänge" ausgemacht waren ) auf die Primitivfasern
bewerkstelligt. Auf welche Art und Weise der Einfluss der Kugeln auf die Fasern nun von statten
gehen bzw. verhindert werden sollte, war für Valentin ebenso wie für seine Zeitgenossen nicht
auszumachen. (Erinnert sei an Purkinjes Drüsenanalogie und die Vorstellung von den
Ganglienkugeln als "Sammler, Erzeuger und Verteiler des Nervenagens"). Valentin selbst wies
darauf hin, die von ihm verwandten Termini, "schaffend" und "leitend" seien "nur im abstracten,
5
willkürlichen Sinne gebraucht [..], ohne damit die bestimmte functionelle Rücksicht zu nehmen."
Über die Annahme einer zentralen Isolatorsubstanz hinaus postulierte Valentin einen
funktionellen Zusammenhang zwischen nervösen Elementen, der Zellgewebescheide, und den
Blutgefäßen. Denn nicht nur die "Dünne der zellgewebigen Scheiden" beeinflußte die Einwirkung
der Kugeln auf die Primitivfasern, die Einwirkung sei auch, so Valentin, "abhängig, je nach
6
wechselndem Zustande der Leerheit oder der Füllung der Blutgefässe. "Im wachen Zustande,"
heißt es bei Valentin, "wo im Allgemeinen die grösstmögliche gegenseitige Einwirkung der beiden
Urmassen des Nervensystems relativiert ist, kommen auch alle Eindrücke zum Bewußtsein und
7
gehen auch alle Reactionen von dem Bewußtsein aus." Hingegen im Zustande von "Coma und
Lethargie", "wobei passive Congestionen des Blutes nach dem Kopfe stattfinden", würde "die
unmittelbare Einwirkung der beiden Urmassen des Nervensystems aufeinander verhindert und
jener apathische Zustand, welcher darauf beruht, dass Eindrücke nur äusserst schwer zum
Bewußtsein kommen, und bewusste Reaktionen fast gar nicht erfolgen, wird erzeugt werden. Ja
sollten sich selbst die Phänomene des Schlafes erklären lassen, da auch hier eine passive
Congestion des Blutes stattfindet, und
1
Ibid., S. 133
Ibid., S. 199
3
Ibid.
4
Ibid., S. 157
5
Ibid., S. 188
6
Ibid., S. 199
7
Ibid.
2
317
diese, vermöge der Conformation der feinsten Blutgefäßnetze die reine Belegungsformation, als
1
die höchste Bildung des centralen Nervensystems, gerade am meisten betrifft." Valentins
Überlegungen zur Funktion des Zellgewebes lassen sich ein halbes Jahrhundert später in den
ersten Konzepten für eine aktive Funktion der Neuroglia wiederfinden.
1
Ibid.
318
2. Carl Ludwig Schleichs (1859-1922) "Hirnorgelspiel": Ein erstes
Glia-Neuron Konzept zur zellularen Theorie der Hirnfunktion
Die Vorstellungen über gliöse Funktionen waren am Ausgang des 19. Jahrhunderts fixiert auf die
Behauptung einer funktionell passiven, raumfüllenden Grundmasse, die allenfalls an der Bildung
von Glianarben oder der Tumorgenese Beteiligung findet. Interpretiert als eine "nicht nervöse
1
Intercellularsubstanz" , kommen Gliazellen in den Strategien zur "physiologischen Erklärung der
2
psychischen Erscheinungen" nicht vor. In Exners »Entwurf« wird Neuroglia nur in einem Satz
3
erwähnt und auch dort als "Stützsubstanz" verstanden.
Im Gegensatz dazu konnte sich der Mediziner Carl Ludwig Schleich (1859-1922), ein
Schüler des Berliner Chirurgen Ernst von Bergmann (1836-1907) und des Pathologen Rudolf
4
Virchow, den Ansichten seinen Zeitgenossen nicht anschließen. In den Jahren 1890-1893 faßte
Schleich den neurohistologischen und neurophysiologischen Kenntnisstand seiner Zeit in einem
Modell zusammen, das neben den Neuronen, auch aktiv am Funktionsgeschehen im Gehirn
beteiligte Gliazellen vorsah. Schleichs eigenwillige Ansichten zur Neuroglia wurden zeitgleich
mit Exners »Entwurf« im Jahre 1894 publiziert; in einer Monographie mit dem Titel
5
»Schmerzlose Operationen. Örtliche Betäubung mit indifferenten Flüssigkeiten. Psychophysik
des natürlichen und künstlichen Schlafes«. Neuroglia, heißt es dort, ist der "regulirende,
systemhemmende,
Leitungsbahnen
eindämmende,
entwirrende
und
gruppirende
Isolationsmechanismus, ohne welchen weder die Hirnphysiologie, Psychologie noch die
6
Psychiatrie auskommt." Mit seiner Grundidee, "aktiv funktionierende Gliazellen" in ein
neuronales Nervensystem einzubeziehen, ist Schleich, naheliegend, der große "Fremdling seiner
7
Zeit."
1
Weigert 1896, S. 117
Vgl. z. B. Exner (1894): »Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen
Erscheinungen«, Flechsig (1896): »Gehirn und Seele«, (1897): »Grosshirn und Organ der Seele«,
Meynert (1891): »Über das Zusammenwirken der Gehirntheile«, Munk (1892-1901): »Über die
Funktion der Großhirnrinde«, Wundt (1893): »Grundzüge der physiologischen Psychologie.«
3
Exner 1894, S. 7
4
Zur Biographie Schleichs liegt dessen autobiographische Rückschau »Besonnte Vergangenheit«
vor (Schleich 1921a), sowie einige Kurzmitteilungen und Nachrufe (Galdston 1927, Gottstein
1922, Holländer 1922, Kausch 1922).
5
Schleich 1894
6
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897, S. 83
7
C. G. Jung über Schleich im Geleitwort zu Schleich 1934
2
319
2.1 Neuroglia und das Neuron: "Hemmung und Action, gebunden an
verschiedene anatomische Substrate"
1
Folgt man Schleichs Autobiographie , so kamen ihm die ersten Gedanken über eine erweiterte
Rolle der Neuroglia bereits anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, in seiner Studentenzeit am
pathologischen Institut Rudolf Virchows, oder wie es Schleichs Angaben zufolge Ernst v.
Bergmann ausgedrückt haben soll, der damals "ersten und hervorragendsten Schule, welche die
2
Welt hat." Unter Virchow - Schleich nennt ihn den "großen Dichter des Romans von der Zelle" hatte Schleich, wie er in seinen Memoiren begeistert schreibt, "täglich Gelegenheit, die
wundervollen Hirn-Rückenmarksschnitte in Tausenden von Serien kostbarster Hirnpräparate auf
[dem] Riesengehirnmikrotom zu schneiden, zu färben, auf Glasscheiben zu fixieren und zu
durchmustern. [...]. Ein wahres Museum der Hirngeheimnisse konnte ich täglich betreten und
unbekannte Schlupfwinkel umstöbern. [...]. Ich war zu Hause im Reich der Zellen und der ganzen
Welt des Kleinsten, von der aus allein die Geheimnisse des großen Lebens zu entschleiern sind.
[...]. Hier drangen schon frühe [...] Fragen an mich heran, ob wohl wirklich die Funktionen der
Nerven und Ganglien so von der Ernährung abhängig seien, wie die Wissenschaft bis heute noch
annimmt, ob tatsächlich die Neuroglia, das Aufhängenetz zwischen den Hirnganglien, nichts sei
als ein Stützapparat [...]. Die Ganglienzelle ist eine Welt für sich, das wußte ich schon damals,
und Jürgens [Virchows Assistent] lachte, wenn ich voll Emphase behauptete, was bisher davon
3
gelehrt werde, sei alles Stümperwerk."
Ob sich Schleich mit Virchow selbst über Neuroglia unterhalten hat, ist nicht belegbar. Ist
man geneigt, die in einem Gespräch über "Glaubensdinge" gegenüber Schleich angebrachte
Bemerkung Virchows, bei Schleich sei wohl eine "Art von dichterischem Verleimungszustand im
4
Gehirn" vorhanden, als humoristische Andeutung auf eine zuvor stattgefundene Diskussion über
"Nervenkitt" zu deuten, dann kann Virchow allenfalls nicht viel von Schleichs Ideen gehalten
haben. Jahre später sollte Schleich jene Zeit an Virchows Institut jedenfalls als ein für seine
Überlegungen zur Funktion der Neuroglia "selten tief greifendes Fundament" bezeichnen,
5
welches ihm geradezu "in den Schoß geworfen" worden sei.
1
Schleich (1921a): »Besonnte Vergangenheit.«
Ibid., zit. aus Schleich 1922, S. 132
3
Ibid., S. 141ff
4
Ibid., S. 139
5
Ibid., S. 201
2
320
Während der vorbereitenden Überlegungen zu seinem Buch »Schmerzlose Operationen«, stieß
Schleich erneut auf die Neuroglia. Schleich dachte nicht nur über die medizin-technischen
Aspekte der Narkose nach, sondern darüber hinaus über die der Narkose zugrunde liegende
1
"psycho-physikalische Basis." Gewissermaßen "zwischen der Physik der Aufnahme und
Auscheidung der Narkotika gelegen", wie sich Schleich ausdrückt, sucht er nach einer Antwort
auf die Frage: "[...] wie wirkt die narkotische Substanz, von dem Blut chemisch gebunden, bei
2
ihrem Kreislauf durch das Gehirn." Anders gefragt: Wie konnte der während der Narkose
eintretende Bewußtseinsverlust, die völlige Hemmung von Empfindung, naturwissenschaftlich
erklärt werden? In einem wesentlichen Punkt ist sich Schleich mit seinen Zeitgenossen einig: in
der Auffassung, daß nur durch die Zusatzannahme eines zentralen, erregungshemmenden
Mechanismus in der Großhirnrinde - dem Organ des Bewußtseins, wie die Großhirnrinde von den
meisten Autoren jener Zeit aufgefaßt wurde - die Vielfalt der mentalen Ereignisse rückführbar ist
auf die quantitative Variation von nervösen Erregungszuständen. Und zwar in Form von
übersteigerter Erregung, eines völligen Wegfalls von Erregung, oder einer Einstellung
feinabgestufter Erregungszustände. "Man kann nur aufmerken", heißt es bei Schleich, "weil von
allen möglichen Bahnen die erregte frei und alle anderen nicht funktionieren, gehemmt oder
ausgeschaltet sind und somit nicht alle durch die Sinneswahrnehmung ausgelösten Associationen
jeden Augenblick in alle Richtungen ausgelöst werden. Das ist am Telefon nichts anderes als in
3
der Wunderschachteln wundersamster - dem Kopf."
Schleichs Hemmkonzept fußt auf den Prinzipien der Zellenlehre, jede physiologische
Tätigkeit eines jeden Organs des Organismus, auf die Tätigkeit seiner Zellen zurückzuführen. "Im
Gehirn wie überall im Körper", argumentiert Schleich, ist "ein direkter physiologischer
Antagonismus zwischen eigentlicher Thätigkeit und direkter Aufhebung dieser Thätigkeit
vorhanden. Diese anatagonistische Funktion ist, wie überall, gebunden an ein materielles Etwas."
Dieses Etwas, sagt Schleich, seien die Zellen, eine "bestimmte Zellthätigkeit eines anatomischen
4
Substrates". Während Schleichs Zeitgenossen Hemmung im Nervensystem verstanden, als ein
allein an hemmende und erregende Nervenzellen gekoppelter, spezifischer nervöser
Erregungvorgang, welcher auf physikalisch unbestimmte Weise, den Ablauf anderer nervöser
Erregungen schwächen oder gar gänzlich unterbinden sollte, Hemmungsvorgänge sich somit auf
Aktion und Nicht-Aktion im selben Zellsystem bezogen, so hielt Schleich eben diese Vorstellung
für abwegig. "Es widerspricht doch jeder Analogie aus der Electrizitätslehre", argumentiert
Schleich, "dass ein und dasselbe Element wie die
1
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897 (Vorwort S. IV)
Ibid., S. 70
3
Ibid., S. 84
4
Ibid., S. 91f
2
321
Nervenzelle, selbstthätig, bald Hemmungsfunktionen, bald Aktion ausübt". Darüber hinaus müsse
man sich die Frage stellen: Wenn "in der That Hemmung und Action, Functionen derselben
Elemente wären von welcher Centralstelle aus fände diese Regulation statt?" Wollte man sich in
der Beantwortung dieser Frage nicht mit einem reinen Seelenmystizismus behelfen, etwa in der
Annahme "einer Seele über der Seele, oder eines selbstbewußten Denkens gewisser Zellgruppen
für andere", so könne nur "die Annahme von doppelter Funktion im Gehirn, von Hemmung und
Aktion, gebunden an verschiedene anatomische Substrate", aus der Misere befreien. "Nur so",
heißt es bei Schleich weiter, "gewinnt man unserer Ansicht nach erst die Möglichkeit einer
einheitlichen Analyse seelischer Vorgänge von der höchsten Aktion, dem maniakalischen Anfall
bis zur tiefsten Depression, dem Koma. Nur so ist es zu verstehen, dass die höchste Funktion des
1
Denkens nichts ist, als die transformierte Irritabilität [Erregbarkeit] der Materie, [...]." Die
"verschiedenen anatomischen Zellsubstrate", von denen Schleich spricht, sollten einerseits die
erregungsleitenden Neurone sein, und andererseits jene Zellen, "außerhalb" der Nervenzellen und
ihrer Faserverbindungen, die Zellen der Neuroglia. Die Funktion der Aufhebung neuronaler
Tätigkeit sah Schleich ausschließlich an die Gliazellen geknüpft.
Die Idee, daß es sich bei Neuroglia um eine zentrale Hemmapparatur handelt, kam Schleich vor
dem Hintergrund der Entstehung der Neuronenthese und, folgt man seiner Autobiographie,
offenbar bereits vor der Definition des Begriffes Neuron durch Waldeyer. Schleich berichtet, daß
ihm der zufällige Anblick der zellulären Nervengebilde in den Aufzeichnungen eines
Künstlerfreundes, der just bei Waldeyer Vorlesungen besuchte, die Erleuchtung brachte. So heißt
es: "Es war um das Jahr 1890, als ich lebhaft im Kreise meiner Künstlerfreunde auch mit dem
Polen Stanislaus Pryzbyszewski [(1868-1927)] in Berührung kam, einem Geniemenschen von
erstaunlicher spinnnenartiger Geistigkeit [...]. Dieser hinreißend Chopin spielende Dichter zeigte
mir [..] seine wundervollen Kollegienhefte nach Waldeyer, dessen Hörer er war, worin sich
prachtvolle Details von Ganglienstrukturen fanden. Ich sah sie durch. Alle meine schönen Bilder
von Jürgens Präparaten [aus der Zeit bei Virchow] fielen mir ein. Ich war wie versunken in diese
mir einst so vertraute Intimität kleinster Wunder. Plötzlich sprang ich hoch. 'Stanislaus!', rief ich.
'Mensch! die Neuroglia ist ein Klaviersaitendämpfer! Ein elektrisches Sordino, ein
Registerschaltapparat, ein Hemmungsmodulator!' Blitz! Himmel! Kreuzmillionen fis-Moll noch
2
einmal. Er ist verrückt geworden. Aber es ist eine Erleuchtung."
Angesichts der Aufzeichnungen in den Kollegheften - unterstellen wir hier, daß sich die
Diskussion um die Nervenzelle, ebenso wie Waldeyers Neurondefinition, in
1
2
Ibid., S. 84f
Schleich 1921b, zit. aus Schleich 1922, S. 167
322
Pryzbyszewskis Kollegheft widerspiegelte - mögen Pryzbyszewski und Schleich wohl die Frage
diskutiert haben, die sich aus Annahme von Neuronen zwingend ergab: Wie findet die Leitung
nervöser Erregung kontinuierlich von Neuron zu Neuron, von Faser zu Faser, statt? Wie wird die
anatomische Lücke zwischen den Neuronen überwunden? "Denn, wohl gemerkt", bekennt sich
Schleich zur Neuronenthese, "die moderne Hirnhistologie hat nirgends einen direkten Anschluss,
eine organische Verbindung zwischen den Ausläufern zweier Ganglienverzweigungen [Neurone]
nachweisen können. Ueberall treten die mit kolbigen Franzen besetzten Endausläufer nur nahe
1
aneinander heran [...]" Möglicherweise vor diesem Hintergrund rief Schleich sein
"Kreuzmillionen fis-Moll" aus. Denn da Neuroglia die Hauptmasse der Hirnzellen ausmacht und
die Neuronen der Hirnrinde stets in einen Gliamantel eingebettet vorliegen, lag ja der Schluß
nahe, daß die anatomische Lücke zwischen Neuronen mit eben dieser gliösen - und nicht nervösen
- Zellmasse ausgefüllt ist. Angesichts der von der Neuronenlehre geforderten diskontinuierlichen
Errregungsleitung und dem damit notwendig gewordenen Vorgang einer Erregungsübertragung
von Neuron zu Neuron, war es ja nur ein kleiner Schritt zu der Vorstellung, daß sich genau dort,
an der hypothetischen Lücke zwischen den Neuronen, Hemmungsvorgänge abspielten - denn dort
zwischen den Fortsätzen der Neurone, heißt es bei Schleich "liegt eben die isolirende Masse der
2
Neuroglia."
1
2
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897, S. 86f
Ibid.
323
2.2 Aktive Neuroglia: "Die physiologische Deutung histologischer Thatsachen"
Der neuronale Ort, an dem Erregungshemmung durch tätige Neuroglia einsetzte, war für Schleich
einerseits die Nervenfaser (laterale Isolation) - "Wie anders wäre sonst die Möglichkeit
auszuschließen, dass jeden Augenblick die Ströme verschiedenster Systeme sich gegenseitig
durchflutheten und verwirrten!" - und andererseits, wie bereits angedeutet, der die kontinuierliche
Erregungsleitung von Neuron zu Neuron unterbrechende Spalt zwischen benachbarten
Nervenzellfortsätzen. "Ueberall treten die mit kolbigen Franzen besetzten Endausläufer [der
Neurone] nur nahe aneinander heran und dazwischen liegt eben die isolirende Masse der
1
Neuroglia." Doch wie stand es um eine Physiologie der Hemmung? Wie gelang es Schleich
einen gliösen Hemmungsvorgang, im Sinne der elektrischen Theorie des Nervösen, physikalisch
zu untermauern?
Parallelen in den physiologischen Vorstellungen Schleichs zur Funktion der Neurone
finden sich zu der bereits skizzierten Entladungstheorie des Physiologen Vladimir Mikhailovich
2
Bechterev (1857-1927). Auch der sich als "Gehirngenieur" verstehende Schleich, führte - "im
Bestreben, die Geistesgeschehnisse kühn mit elektrischen Apparatevorrichtungen von
3
wundervoller Präzision zu vergleichen" - die gegenseitige Beeinflussung der Neurone auf die
Entladung elektrischer Spannungen bzw. auf Induktionsprozesse zurück. "Die elektroiden
Spannungen" heißt es bei Schleich, würden von dem einen "Zellsystem in dem anderen induziert,
4
nicht direkt hineingeleitet." Nur "durch Induktion von Kraftspannungen" könne "ein Blitz in das
5
benachbarte Gebiet leuchten". Die "Induktion von Kraftspannungen" über den interneuronalen
Spalt hinweg war es nun konkret, die Schleichs Konzept zufolge, vermittels der zwischen die
Neurone eingebetteten Neuroglia verhindert werden solle. Schleichs Hemmungsmechanismus ist
ein Isolationsmechanismus, der den Erregungsaustausch der Neurone unterbindet und auf diese
Weise, entsprechend Bechterevs Theorie, das innerhalb der nervösen Leitungselemente jeweils
nachgeordnete Neuron außer Funktion setzt. Doch Schleichs Isolationsprozess beruhte nicht auf
dem traditionellen Verständnis von der Neuroglia als einer passiven Füllmasse, im Gegenteil:
Schleich verstand unter Neuroglia, analog zu den erregungsleitenden Neuronen, eine "aktiv
funktionierende Substanz", ein zellulares Element im Gehirn, das aktiv in das Geschehen der
Erregungsübertragung eingreift und deren modulierendes Substrat ist.
1
Ibid.
Bechterev (1894): »Die Lehre von den Neuronen und die Entladungstheorie«, vgl. ebenso
(1896): »Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark.«
3
Schleich 1921a, zit. aus Schleich 1922, S. 201f
4
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897, S. 87
5
Ibid.
2
324
Was verstand nun Schleich unter aktiv, und wie sollte diese Aktivität ihrerseits reguliert werden,
um Hemmung neuronaler Aktivität nicht nur zu ermöglichen, sondern darüberhinaus, wie dies
eine "Physiologie der psychischen Erscheinungen" ja forderte, diese auch reversibel und graduiert
zu gestalten. Schleichs Vorstellungen von der Detail-Funktion des "Gliaschalters" stammen nicht
aus eigener Forschung, sondern wurzeln in den 1893 erschienenen Publikationen des bereits
1
mehrfach erwähnten Londoner Pathologen William Lloyd Andriezen. Andriezens protoplasmatic
neuroglia cells sind es, die Schleich, angesichts ihres ausgeprägt dendritischen Charakters und der
den Blutkapillaren aufsitzenden Gliaendfüßchen, begeistern. Neurone und protoplasmatische
Gliazellen (Schleich spricht von Neurogliamooszellen und Moosranken) waren für Schleich, "die
außer Zweifel gestellten histologische Tatsachen", das histologische Fundament der
Hemmungsmechanik in der Großhirnrinde. Die "dendritische Ausbreitung und Umfilzung der
Nervenmasse von den Moosranken der Protoplasmazellen der Neuroglia", nebst den an
Blutkapillaren aufsitzenden Gliaendfüßchen, gaben der Mikroanatomie der "Aktion der
Neuroglia-Protoplasmamasse" Gestalt. "Daher braucht man sich keinen Augenblick zu scheuen,
der anatomischen Tatsache der Umlagerung und der Umspinnung aller Ganglienapparate, der
Verfilzung und Durchschiebung aller protoplasmatischen Fortsätze [hier sind die neuralen
Dendriten gemeint], auch der Zellen des obersten Hirngraues, mit specifisch geformter
2
Neurogliamasse [...] seine physiologische Deutung zugeben." Unter "physiologischer Deutung"
verstand Schleich: Jedes Neuron kann durch die Aktion, der seine Fortsätze unmittelbar
umspinnenden Gliamasse isoliert, ausgeschaltet, außer Anschluss zu den Fasern benachbarter
Neuronen gesetzt werden. Wo die Neuroglia in dauernder oder wechselnder Zelltätigkeit
funktioniert, da besteht Hemmung, welche keinen nervösen Austausch, gewissermaßen keinen
Stromschluss in der ausgeschalteten Richtung gestattet. Die lateral an den Neuronen anliegende
Gliamasse sorgte dafür, daß das "ungeheure Durcheinander von Nervenfasern und elektrischer
Leitung" gruppiert und voneinander abgeschlossen wird.
1
Andriezen (1893a): »The neuroglia elements in the human brain«, (1893b): »On a system of
fibre cells surrounding the blood vessels of the brain of man and mammals and its physiological
significance.«
2
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897, S. 82 u. S. 86
325
2.3 Reizung der Neuroglia und die "drei Orgelregister des Gehirns"
Andriezens Untersuchung der Neuroglia, urteilt Schleich, "haben zum ersten Male in ganz
deutlicher und klarer Weise dieses räthselhafte Gewebe bis in die kleinsten Details analysirt, und
es gereicht meiner [SCHLEICHs] Auffassung nach zur Stütze, dass das Resultat dieser geradezu
klassischen Arbeit so lautet, dass der Neuroglia zu Unrecht bisher stets eine passive, rein
stützende Rolle zugewiesen sei, dass man in ihren wesentlichen Bestandtheilen aktiv
1
funktionirende Elemente anzunehmen gezwungen sei." In der Tat gab sich auch Andriezen nicht
mit einer passiven Funktion der Neuroglia zufrieden. So schließt er seine Beschreibung der
Gliazellen des Gehirns mit den Worten: "Thus it is clear that the neuroglia elements of the brain
are not a uniform structure, nor can their functions be regarded as correspondingly simple and
uniform. For the fibre cell elements (in der weißen Substanz) and the protoplasmatic cell elements
(in der grauen Substanz) stand opposed to each other; the former constituting a plexus system of
well organized fibres which form a passive supporting feltwork in the brain; while the latter
constitute a group of active protoplasmatic elements [...] having vascular and lymphatic relations
of striking character, and one which points to their active role in the circulatory and lymphatic
2
economy of the brain." An anderer Stelle heißt es über protoplasmatische Gliazellen und ihre
faserförmigen Zellfortsätze: "For the interlacing fibres which unite into the perivascular feltworks
must obviously form a structure which on the one hand would oppose considerable mechanical
resistance [...] and on the other hand by its very texture and porosity would allow the free passage
and transsudation of lymph and products of metabolism, to and from, through its pores and
meshes, and thus also allow the interchange and diffusion of fluid and osmotic currents between
brain substance and the perivascular lymph spaces. The biological importance of such a structure
3
must therefore be considerable."
Auch wenn Andriezen selbst nicht an eine Beteiligung der Neuroglia an nervösen
Funktionsabläufen dachte, so war es doch der von Andriezen formulierte Gedanke eines aktiven
Substanzaustausches zwischen protoplasmatischen Gliazellen, ihrer lymphatischen Umgebung
und den Blutkapillaren, den Schleich aufgriff, und den er schließlich in Zusammenhang brachte
mit den von Andriezen beschriebenen Gliaendfüßchen. Diese, den Blutkapillaren aufsitzenden,
kolbenartigen Erweiterungen der Gliazellfortsätze nannte Schleich "plattenartige Ausbreitungen",
die protoplasmatischen Gliazellen "Neurogliamooszellen" oder, in Anlehnung an Andriezen,
4
aktive Protoplasmazellen. "Die
1
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897, S. 85
Andriezen 1893a, S. 229
3
Andriezen 1893b, S. 539
4
Schleich 1894, zit. aus Schleich 1897, S. 85
2
326
aktiven Protoplasmazellen", heißt es bei Schleich, "haben einen eigenthümlichen, verfilzten,
moosartigen Bau, und einer ihrer zahllosen Fortsätze steht konstant mittels einer plattenartigen
Ausbreitung seiner Enden unmittelbar mit einem Gefäß in Verbindung. Die perivaskulären
Lymphräume der Hirngefäße setzen sich direkt um die Neurogliamooszellen fort und umhüllen
ihre Gesamtstruktur, so dass die Beziehung zu der Saftleitung und zu der Blutbahn [...] durch
1
Andriezens meisterhafte Untersuchung [..] ausser allen Zweifel gestellt ist." Für Schleich ist es
somit verständlich, "wie der Blutgehalt des Gehirns auf die Funktionen der Rinde einen so
2
gewaltigen Einfluß haben kann" , nämlich über den Saftgehalt, den Quellungszustand der
protoplasmatischen Neuroglia und ihrer Zellausläufer. Die unter dem vasomotorischen Einfluß
3
des Sympathicus stehenden, "schwankenden Füllungen des Blutgefäßsystems, inducieren oder
4
kompensiren, stärken oder schwächen ganz direkt den Hemmungsmechanismus der Neuroglia."
Im geschwollenen Zustand sollten die protoplasmatischen Gliazellen der Hirnrinde
vielverzweigte, feuchte Isolatoren darstellen, indem sie vermittels ihrer geschwollenen Fortsätze
zwischen die Neurone eindringen, im umgekehren Fall, gewissermaßen im trockenen Zustand,
handelt es sich bei der protoplasmatischen Glia um lückenhaltige Elemente, welche die
Induktionsströme der Neurone passiren lassen. "Ist die Neuroglia in Aktion, so leidet der
Kräfteaustausch der Ganglien [Neurone] unter sich, die Bewußtseinsphänomene liegen darnieder,
ist aber die Neuroglia in unvollkommender Füllung, so werden die psychischen Motionen aller
Art leicht und ungehindert ausgelöst. [...]. Bei gesteigerter Hemmung, Gefässfülle,
Neurogliaaktion, überwiegt die Isolation die Erregung; bei herabgesetzter Hemmung,
Gefässleere, Neurogliaschwächung, vermehren sich Associationen und vermittelt die ungehemmte
5
Erregungsfähigkeit der Ganglien die schnelle Folge von Perception, Vorstellung und Aktion."
Zwischen beiden Gliaschaltstellungen war jede Übergangsform möglich, und zu jedem Zeitpunkt,
an jedem Neuronenort der Hirnrinde, war eine jede Schaltkonstellation denkbar. Damit wurde die
Neuroglia zum zentralen Modulations- und Steuerapparat der Großhirnrinde. Indem jedes Neuron
im Organ des Bewußtseins durch Neuroglia individuell geschaltet werden konnte, war Neuroglia
der "regulirende, systemhemmende, Leitungsbahnen eindämmende, entwirrende und gruppirende
Isolationsmechanismus, ohne welchen weder die Hirnphysiologie, Psychologie noch die
6
Psychiatrie auskommt."
1
Ibid., S. 86
Ibid., S. 90
3
Neurobiologen würden heute vom vegetativen Nervensystem sprechen.
4
Ibid.
5
Ibid., S. 90f
6
Ibid., S. 83
2
327
Auf der Grundlage der Aktivität von Sympathicus, der Neuronen der Hirnrinde, und der
1
Neuroglia - Schleich spricht später von den drei Orgelregistern des Gehirns - diskutierte Schleich
nicht nur wahrnehmungspsychologische Fragestellungen, sondern stellte darüber hinaus Theorien
2
auf über die Physiologie des Schlafes, von Traum, Hypnose und Somnambulismus , über
3
Chloroformschlaf, Morphium- Haschisch- und Alkoholrausch. Zentraler Aspekt all jener,
teilweise verwegen anmutenden Theorien, die zumeist mehr auf dichterischer Intuition, denn auf
naturwissenschaftlicher Erfahrung beruhen, war die Erklärung von Schlaf, Verwirrung oder
Bewußtseinseintrübung, als das Ergebnis von Neurogliareizung, bzw. - nach Einnahme
4
berauschender Substanzen - als das Ergebnis einer durch "primäre Neurogliagifte" bewirkten
5
"chemischen Irritation der Neuroglia." So heißt es bei Schleich über den Wirkmechanismus von
Narkotika und Rauschmitteln: "Bei dem engen Zusammenhang, welchen die NeurogliaProtoplasmazellen mit den Gefäßen haben, muss zum Mindesten noch einmal darauf hingewiesen
werden, dass die Anfangs im Blutgefäßsystem cirkulirenden Chloroformmengen zunächst einmal
die Vasomotoren reizen und eine Verengung der Gefässe herbeirufen. Dadurch erhalten die
Neurogliazellen weniger Plasma, die sie umgebenden perivasculären Lymphspalten sind leerer
und ihre Funktion, die Hemmung ist geschwächt. Ideen, Vorstellungen, Gedanken jagen in den
freien Bahnen wie ein Wirbelwind hin und her. Genau wie im Alkoholrausch, wo gleichfalls
derselbe Mechanismus im Spiel ist. Die Kontraktur der Gefässe beim Kreisen der spirituösen
Substanz verhindert zunächst ein Uebertreten von Gift in den perivasculären Lymphraum und
damit direkt an die Ganglien. Die Neuroglia ist leerer und hemmt weniger. Erst durch die
allmählich eintretende Vasomotorenparese werden die Gefäße weiter, durchlässiger, - das
Chloroform, der Alkohol, das Morphium füllen und reizen direkt die Protoplasmazellen der
Neuroglia. Die Ideenjagt wird eingeengt, denn hier und da hemmt die [angeschwollene]
Neuroglia die Associationen, um schliesslich nur noch wenige Bahnen offen zu lassen. Das wird
eben recht deutlich beim Alkoholrausch. Die im Beginn des Rausches, im animirten Stadium,
freigelassenen Ganglienschwingungen schweben ungewohnt sicher und leicht über alle möglichen
Höhen und Tiefen des Geistes dahin, allmählich aber engt sich der Gesichtskreis des Berauschten
immer mehr ein, bis ihm schliesslich die Neuroglia nur eine einzige Bahn freilässt: er redet immer
dasselbe, wiederholt dieselbe Geschichte mehrmals und bekommt schliesslich seine fixe d.h. nur
eine Idee, bis endlich Hemmung auch hier
1
Schleich 1916, in Schleich 1917, S. 16ff
Vgl. Schleich 1894, in Schleich 1897, S. 92ff
3
Ibid., S. 101ff
4
Ibid., S. 120
5
Ibid., S. 105f
2
328
1
eingreift, und der dionysische Schwärmer fest und selig schlummert."
So phantasievoll Schleichs Hirnmechanik entwickelt und formuliert war, so sehr sie sich zugleich
am aktuellen Kenntnisstand seiner Zeit orientierte; sie wurde von den Zeitgenossen ignoriert. Zu
abwegig erschienen Schleichs Vorstellungen aus der Perspektive der Neuronen-Doktrin und der
Nervenkitt-Konzeption. Darüber hinaus mag es Schleichs poetisch-euphorische Ausdrucksweise
gewesen sein, die Rede ist ja von Mooszellen [Astrozten], Moosranken [Gliafasern],
plattenartigen Ausbreitungen [Gliaendfüßchen], Ganglienglöckchen [Neurone], von "leuchtenden
Blitzen", "schwingenden Zellsystemen" und "zündenden Flammen", die den Zugang zur
Schleichsche Hirntheorie in vielen Textpassagen nahzu unmöglich machte. Wohlklingende
Wortschöpfungen dieser Art mögen Schleich mehr den Ruf des unseriösen Dichter-Träumers
eingetragen haben, denn den des nüchtern analysierenden Naturforschers.
Carl Wilhelm Weigert, der einflußreiche Verfechter der These von der Neuroglia als
passiver Füllmasse, widmete Schleichs Überlegungen in seinen eigenen Betrachtungen über die
"physiologische Bedeutung der Neuroglia" immerhin eine, wenngleich wenig wohlwollende,
2
Fußnote. Dort heißt es über Schleichs Buch »Schmerzlose Operationen«: "Als Curiosum sei noch
mitgeteilt, daß Schleich den Schlaf auf eine "Reizung der Neuroglia" zurückführt. Eine gereizte
Intercellularsubstanz ist jedenfalls etwas sehr merkwürdiges. Schleich gibt eine Abbildung der
Neuroglia in der Hirnrinde. Man sieht da ein reiches Gespinst von Neurogliafasern um eine
3
Ganglienzelle herum, aber dieses Gespinst ist eben - ein Hirngespinst." In seiner Kritik an
Schleich ließ es Weigert bei dieser Bemerkung bewenden. Einer der Schleichs Theorie offenbar
mehr zu würdigen wußte, war Schleichs ehemaliger Lehrer Ernst v. Bergmann. In seinen
Memoiren erinnert sich Schleich an ein letztes Gespräch mit Bergmann: "Als ich auf seine stolze
Höhe des Erreichten wies, sagte er: 'Junger Freund. Ich habe gar nichts Neues gefunden. Ich
habe nur die Konsequenzen gezogen. Aber Sie haben einen Spatenstich getan in neue Quellen. 'Ja
Ja,' sagte er, als ich abwehrte, 'man wird sich sehr spät erst dessen bewußt werden, was Sie
eigentlich ganz selbständig geleistet haben. Ihre Theorien von der Funktion der Neuroglia werden
4
eine Epoche begründen." Auch bei Johann August Strindberg (1849-1912), dem Schleich
während der Entstehungszeit der »Schmerzlosen Operationen« in Berlin begegnete, und mit
welchem ihn eine enge Zuneigung verband, fand Schleichs Gliatheorie Anerkennung. Strindberg
und Schleich trafen sich in Schleichs Laboratorium "um Farben zu mischen,
1
Ibid., S. 104f
Weigert 1896
3
Ibid., S. 188 Anmerkung 1)
4
Schleich 1921a, zit. aus Schleich 1922, S. 131
2
329
chemisch zu experimentieren, zu mikroskopieren, zu musizieren, zu malen, Kontrapunkt zu
studieren usw. usw. [...]. Zu all diesen Dingen hatten wir gemeinsame Beziehungen" heißt es bei
Schleich in den Lebenserinnerungen - und weiter: "die Vermutung eines aktiven
Hemmungsapparates interessierte ihn [Strindberg] auf das lebhafteste. Überhaupt sei die ganze
Physik und Chemie zurückzuführen auf Kraft und Hemmung, welche das ganze Getriebe der Welt
unterhielten. Dann meinte er [Strindberg] mit unnachahmlicher, triumphierender Freude: 'hast
1
Du ihn endlich erwischt, den Gott und den Teufel!'"
Ungeachtet der Nichtbeachtung seiner Auffassungen über Neuroglia, blieb Schleich selbst der
glia-neuronalen Hirnmechanik ein Leben enthusiastisch treu, wenngleich er in den nach 1900
erschienenen Schriften mehr und mehr zur poetischen Verzerrung jener in den »Schmerzlosen
Operationen« formulieren Grundideen neigt. Pantasievoll bringt Schleich seine Gliamechanik
mehr zur dichterischen, denn zur wissenschaftlichen Blüte. In bildhafter Sprache und edlem
Pathos, geradezu ins Mystische verbrämt, findet sich die Neuroglia nach 1900 wieder in
philosphisch-psychologischen Reflexionen über die "Physiologie des Ichs", die "physiologischen
2
Grundlagen zur Erkenntnistheorie", über die "Mechanik des Willens" und dergleichen mehr.
1
Ibid., S. 176f
Schleich (1910): »Von der Seele«, (1916): »Vom Schaltwerk der Gedanken«, (1920a):
»Gedankenmacht und Hysterie«, (1920b): »Das Ich und die Dämonien«, (1934): »Die Wunder
der Seele«.
2
330
3. Santiago Ramón y Cajals (1852-1934) »Hypothesen über den anatomischen
Mechanismus der Ideenbildung der Association und der Aufmerksamkeit«
3.1 Ein "variabler histologischer Faktor": Die These von der amöboiden
Beweglichkeit der Gliazellen
Zwei Jahre nach Erscheinen der »Schmerzlosen Operationen« greift Santiago Ramón y Cajal die
Idee beweglicher Gliazellfortsätze noch einmal und veröffentlicht im Jahre 1895, unter dem Titel
1
»Algunas conjeturas sobre el mecanismo anatómico de la ideación, asociación y atentión« , ein
der Schleichschen Argumentation auffallend ähnliches Modell der Wechselwirkung von
Gliazellen und Neuronen. Auch bei Ramón y Cajal sollten die Gliazellfortsätze, einem zellulären
Schaltwerk gleich, in der Lage sein, zwischen die Neuronenfortsätze zu inserieren um
Erregungsübertragung zu hemmen, bzw. umgekehrt, sich aus dem interneuronalen Spalt
zurückzuziehen, um Erregungsübertragung zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Schleich, lag für
Ramón y Cajal die Urache der Motilität der Gliazellausläufer nicht einer osmotisch bedingten
Variabilität des Schwellungszustandes der Gliazellen, sondern in der Fähigkeit der Gliazellen zur
amöboiden Kontraktion und Retraktion ihrer Zellfortsätze. Es lohnt an dieser Stelle einer kurzer
Blick auf die Entstehungsgeschichte der Ramóny y Cajalschen Gliakonzeption.
Vor dem Hintergrund der durch die Erkenntnis zellmorphologischer Diskontinuität im
Nervensystems aufgeworfenen Frage, wie bei fehlendem plasmatischen Zusammenhang der
Nervenzellfortsätze, denn eine kontinuierliche Erregungsübertragung einerseits überhaupt
möglich, und andererseits, angesichts der Notwendigkeit von Erregungshemmung, zu regulieren
wäre, sympathisierte am Ausgang des 19. Jahrunderts ein Teil der Neurohistolgen und
Neurophysiologen mit einer faszinierenden Hypothese: nämlich der Vorstellung von amöboid
beweglichen Neuronen. Wie Pseudopodien sollte sollten Axone und Dendriten die Fähigkeit
haben sich einander anzunähern, bzw. sich durch Kontraktion des Protoplasmas von einander zu
entfernen, um einerseits zur Erregungsübertragung Kontakt zwischen den Neuronenfortsätzen
herzustellen, und andererseits, durch Vergößerung der Lücke zwischen den Neuronen,
2
Erregungsübertragung zu erschweren oder gar zu verunmöglichen. So schrieb
1
Ramón y Cajal 1895, dtsch. (1895): »Hypothesen ueber den anatomischen Mechanismus der
Ideenbildung, der Association und der Aufmerksamkeit.«
2
Die Hypothese amöboid beweglicher Neurone leitete sich von den im letzten Drittel des 19.
Jahrhunderts vertieften Migrationsstudien an Amöben, Leukozyten, Spermatozyten und
Wimpernepithelien ab (dazu Black 1979). Man war geradezu begeistert von der morphologischen
Ähnlichkeit der mit Fangarmen bewehrten Amöbenformen und den Nervenzellen mit ihren
dendritischen Ausläufern, und von der Hemmung von Ziliarbewegung an Wimpernhaaren,
Samenfäden und Infusorien in Gegenwart "psychoaktiver Substanzen" wie Äther oder
331
1
Rabl-Rückhard , der "geistige Thätigkeit" als eine ständige Neukombination von Molekülen durch
Austausch zwischen den Nervenzellen annahm: "Es will wir mir nun scheinen, als wenn das
Verständnis, wie dieser Austausch vor sich geht, wesentlich dadurch erleichtert wird, dass wir das
feine nervöse Netzwerk, welches offenbar Sitz und Bahn jenes Austausches darstellt, nicht als
etwas unveränderliches, starres, gegebenes annehmen, sondern für dasselbe während des Lebens
eine rege Beweglichkeit, einen fortwährenden Wechsel der Verbindungen in Anspruch nehmen,
mit anderen Worten: wenn wir die Protoplasmafortsätze der höheren Ganglienzellen, aus denen
das Netzwerk hervorgeht, dem Spiel amöboider Veränderungen unterworfen erachten.
Unausgesetzt strecken sich während der Gedankenarbeit feine Verästelungen von diesen
Fortsätzen aus, treten mit einander in vorübergehenden Zusammenhang, lösen sich an anderer
Stelle von einander. So wird ein mechanisches Verständniss psychischer Vorgänge angebahnt: ein
abgerissener Gedankenfaden wird zum abgerissenen Protoplasmafaden, eine geistreiche
Combination ist die Verbindung verschiedener Ganglienzellen, deren Protoplasmafortsätze mit
besonders lebhaften amöboiden Bewegungen ausgestattet sind, eine träge geistige Thätigkeit wird
bedingt durch langsames Spiel dieser Fortsätze u.s.w. [...]. Eine Anzahl physiologischer und
pathologischer Vorgänge, der Schlaf mit seinem Traumleben, der Hypnotismus u.a. sind vielleicht
nur Erscheinungen partieller Bewegunsglähmungen der Protoplasmafortsätze gewisser
2
Hirnganglienzellen."
3
Ursprünglich in Deutschland entstanden, stieß das "Spiel amöboider Veränderungen
4
unterworfener Nervenzellfortsätze" dann insbesondere in Frankreich auf Interesse und fand dort
5
auch weiteren Ausbau. In Deutschland war es die Autorität Albert v. Köllikers, der
Chloroform. Vgl. hierzu Fraenkel & Gunn (1940): »The Orientation of Animals«, Mast (1911):
»Light and Behaviour of Organisms«, Metchnikoff (1893): »Lectures on the Comparative
Pathologie of Inflammtion«, Soury (1891): »L'anatomie pathologique de la cellule nerveuse en
rapport avec l'atrophie variqueuse des dendrites de l'écorce cérébrale«.
1
Rabl-Rückhard (1890): »Sind die Ganglienzelle amöboid? Eine Hypothese zur Mechanik
psychischer Vorgänge.«
2
Ibid., S. 200
3
Vgl. neben Rabl-Rückhard auch Wiedersheim (1890): »Bewegungserscheinungen im Gehirn
von Leptodora hyalina.«
4
Rabl-Rückhard 1890, S. 200
5
Duval (1895): »Hypothèses sur la physiologie des centres nerveux«, (1895b): »Remarques a
propos de la communication de M. Lépine«, (1897): »Precis d'Histologie«, (1898):
»L'amoeboisme des cellules nerveuses. La théorie histologique du sommeil«, (1900):
»L'amoeboisme nerveux. La théorie histologique du sommeil«, Lépine (1894): »Cas d'hystérie a
forme particulaire«, (1895): »Théorie mécanique de la paralyse hystérique, du somnambulisme,
du sommeil naturel et de al distraction«, Pouchet (1900-1904): »Lecons de Pharmacodynamie et
de Matiere Médicale«, Pupin (1896): »Le neurone et les hypotheses histologiques sur son mode
fonctionnement. Théorie histologiques du sommeil«, Sainton (1898): »État actuel de la question
de l'Amoeboisme nerveux par P. Deyber«. Zur Rezeption des Amöboidmodells in Italien,
332
einer weiteren Diskussion um die pseudopodes nerveux, wie der Pariser Histologe Mathias Duval
1
2
(1844-1907) die Fortsätze der Nervenzellen nannte , entgegentrat. Im Jahre 1895 äußerte Kölliker
vor der physikalisch medizinischen Gesellschaft zu Würzburg "in aller Kürze einige Gedanken
3
und Bedenken", die letztlich in der Aussage mündeten: "Für das Vorkommen von amöboiden
Bewegungen an Dendriten und den Endbüscheln von Neuraxonen spricht auch nicht eine
4
bestimmte Thatsache." In der Tat war ja keiner der zentralen Aspekte amöboider Beweglichkeit
5
je an Nervenzellen beoachtet worden. Weder Bewegungen an den Nervenenden waren
dokumentiert, noch konnten durch Reize Nervenzellfortsätze zur Kontraktion gebracht werden.
Das methodische Vorgehen, die Hypothese amöboid beweglicher Neurone mit Hilfe von Amöben
und anderen Einzelzellern experimentell zu belegen, erinnert denn auch durchaus an die
Spekulationen der romantischen Naturforscher und deren Methode des Analogieschlusses.
Kölliker lehnte den Vergleich der angeblichen Bewegungsvorgänge an Nervenzellfortsätzen mit
jenen an anderen Zelltypen grundweg ab. Kölliker argumentierte: "Wenn die Enden der
Neurodendren amöboider Bewegungen fähig wären, so müssten dieselben im Leben unter
gewöhnlichen Verhältnissen, bei regelmässiger Zufuhr, mittleren Temperaturen, ebenso an den
Leucoyten, ununterbrochen vor sich gehen! Fände so etwas im Gehirn statt, wie wäre da noch
irgend eine Stabilität in den geistigen Vorgängen, ein längeres ruhiges Denken, ein geregelter
6
7
Vorgang, ein planmässiges Arbeiten denkbar?" Im selben Jahr, in bereits genanntem Aufsatz ,
schloss
Russland und Amerika vgl. Lugaro (1895): »Sur les modifications des cellules nerveuses dans les
divers états fonctionells«, (1898): Sulle modificazioni morfologiche funzionali dei dendriti delle
cellule nervose«, Soukhanoff (1897): »La théorie des neurones en rapport avec l'explication de
quelques états psychiques normaux et pathologiques«, (1898): »Contribution a l'étude des
modifications que subissent les prolongements dendritiques des cellules nerveuses sous l'influence
des narcotiques«, Van Gieson (1898): »The Correlation of Sciences in Research.«
1
Duval (1895): »Hypothèses sur la physiologie des centres nerveux« S. 75
2
Kölliker (1895): »Kritik der Hypothesen von Rabl-Rückhard und Duval ueber amöboide
Bewegungen der Neurodendren.« Zur Kritik des Amöboidmodells in Frankreich vgl. Azoulay
(1895): »Psychologie histologique et texture du système nerveux« S. 275ff
3
Kölliker 1895, S. 39
4
Ibid.
5
Dessen war sich auch Rabl-Rückhard bewußt gewesen. So heißt es bei ihm: "Freilich ist bisher
nichts bekannt von solchen [amöboiden] Bewegungen, abgesehen von einer vereinzelten älteren
Beobachtung zweifelhaften Werthes. Vorerst kann nur die Möglichkeit einer solchen nicht
bestritten werden." (Rabl-Rückhard 1890, S. 200)
6
Ibid., S. 40f
7
Ramón y Cajal 1895
333
sich Ramón y Cajal Köllikers Kritik an. Wie Kölliker, so meinte auch Ramón y Cajal, es sei
"unmöglich, die geringste amoeboide Veränderung an denjenigen Nervenfasern und
1
Endverzweigungen, welche sich intravivatam beobachten lassen, zu erkennen". Im Gegenteil:
Angesichts der Ergebnisse "Monate lang fortgesetzter" Experimente, die mit der Absicht
durchgeführt wurden, "an den Nervenzellen morphologische, dem Zustande der Ruhe und der
Thätigkeit in Beziehung stehende Veränderungen anzutreffen", war Ramón y Cajal überzeugt, daß
2
"sowohl die Nerven- wie die Protoplasmafortsätze eine constante Disposition bewahren".
Wie Exner, Schleich, und viele ihrer Zeitgenossen, so war auch Ramón y Cajal vom
Vorhandensein eines erregungsmodulierenden Schaltmechanismus im nervösen Zentralorgan
überzeugt: "Die Erfahrung bestätigt es", heißt es bei Ramón y Cajal, "dass bei gewissen
Gelegenheiten die Sprache erschwert ist, das Gedächtnis im Stich lässt und Assocation nach
bestimmten Richtungen hin fasst unmöglich wird. Zuweilen ereignet es sich, dass die mühsam
gesuchte Idee plötzlich in den Sinn kommt, wie wenn die Continuität eines unterbrochenen
Stromes wieder hergestellt oder das Hinderniss, welches den Contact zwischen
Nervenverzweigungen und Zellkörpern oder Protoplasmafortsätzen aufgehoben hatte, beseitigt
worden wäre. Alles dies scheint darauf hinzuweisen, dass der Bau der sensorischen Centren des
Gehirns, sowie derjenige der Associationsbahnen kein absolut fest gefügter ist, dass vielleicht ein
variabler histologischer Faktor existiert, dem alle diese unbeschränkten Mannigfaltigkeiten des
3
geistigen Processes zuzuschreiben sind." Um "alle die zahlreichen Thatsachen der dynamischen
Variation" zu erklären, vermutete Ramón y Cajal seinen "variablen histologischen Faktor" nun
nicht bei den Neuronen, sondern, wie Schleich seinen gliösen Hemmapparat, innerhalb der
Neuroglia der Hirnrinde. Wie Schleich, so plädierte auch Ramón y Cajal für eine erweiterte
Auffassung von gliöser Funktion. Allein nutritive Funktionen der Neuroglia oder gar deren
4
alleinige Interpretation als passive Stützsubstanz lehnt Ramón y Cajal als "trivial und unnütz" ab.
"Nach unserem Dafürhalten", heißt es bei Ramón y Cajal, "ist es nothwendig [...] auf die
verfrühten Hypothesen zu verzichten, nach welchen die Deitersschen Zellen bald zur Ernährung
des Nervengewebes, bald als Stützsubstanz für Zellen und Faser dienen sollen. Wir selbst
verstehen nicht, welchen nutritiven Vortheil die Nervenzelle davon haben kann, dass das Plasma,
bevor es zu ihr gelangt, durch den Filz der Neurogliazellen circulirt, welche einen Theil der
Nahrung an sich
1
Ibid., S. 373
Ibid., S. 374
3
Ibid., S. 372
4
Ibid., S. 374
2
334
1
reissen. [...]." Hinsichtlich "der Rolle der Stützsubstanz, welche den Neurogliazellen von einigen
zugeschreiben wird", fragt Ramón y Cajal: "Was sollen so kleine, isolirte, geschmeidige, zarte
Zellen stützen, die viel kleiner und zarter als die Nervenzellen selbst sind? Warum entbehren viele
Ganglienzellen diese Art Stütze und warum besitzt andererseits die weisse Substanz, die viel fester
2
ist und weniger der Unterstützung bedarf als die graue, dieselben in so grosser Menge?" Wie
Schleich, so vermutetete nun auch Ramón y Cajal, daß die Modulation der Erregungsübertragung
zwischen den Nervenzellfortsätzen durch die Zellen der Neuroglia bewerkstelligt wird, und daß es
einen funktionellen Zusammenhang von Nervenzellen, Gliazellen und Blutgefäßen gibt. Hatte
Schleich das Ausmaß der Isolation, bzw. den Glia-Neuron Schaltmechanismus, vom osmotischen
Schwellungszustand der Gliazellen abhängig gemacht, so stand Ramón y Cajals Interpretation der
Gliafunktion nun unter dem Eindruck der Vorstellung von amöboid beweglichen Gliazellen.
Nicht amöboide Kontraktion und Retraktion der Nervenzellfortsätze, die Ramón y Cajal ja
ablehnte, sollte neuronale Verbindungen gestalten, sondern zwischen den starr angeordneten,
"constante Disposition bewahrenden" Nervenzellen und Nervenzellausläufern, eine amöboid
bewegliche, "histologisch variable" Neuroglia. "Studien der Hirnrinde, behauptete Ramón y
Cajal, hätten zu "der Vermuthung geführt, dass während der geistigen Arbeit, die Gestalt einiger
3
Neurogliazellen variiert."
Kölliker und Ramón y Cajal hatten den Schwerpunkt ihrer Kritik an der Behauptung neuronaler
Motilität, in dem fehlenden Nachweis der amöboiden Bewegung der Neuronenfortsätze gesehen.
Umso mehr stellt sich die Frage, wie Ramón y Cajal die amöboide Bewegung von
Neurogliazellen zu beweisen suchte. Um es vorweg zu nehmen, auch Ramón y Cajal beobachtete
keine amöboide Bewegung der Gliazellen oder ihrer Zellausläufer. Ramón y Cajals "Variation in
der Gestalt von Neurogliazellen" fußte allein auf der Interpretation jener Formenvielfalt, wie sie
sich am Ausgang des 19. Jahrunderts ja offenbarte. Hatte Schleich bei der Veröffentlichung seiner
»Schmerzlosen Operationen« lediglich die Abbildungen Andriezens vor Augen, so verfügte
Ramón y Cajal über die wesentlich weitergreifende Typisierung der Gliazellen in den
4
»Biologischen Untersuchungen« Retzius'. Die Formen der Gliazellen interpretierte Ramón y
Cajal nicht wie Retzius als Zelltypen, als Ausdruck der morphologischen Vielfalt in den Zellen
der Neuroglia, sondern gewissermaßen als Momentaufnahme von sich in graduierten
Kontraktionszuständen befindenden Gliazellen. Das Ausmaß der Kontraktion oder der
Erschlaffung der Gliafortsätze,
1
Ibid.
Ibid., S. 374f
3
Ibid., S. 374
4
Retzius (1894a): »Die Neuroglia des Gehirns beim Menschen und bei Säugethieren.«
2
335
so nahm Ramón y Cajal an, spiegele sich in ihrem mikroskopischen Abbild wieder. So heißt es
dann: "In der grauen Substanz eines und desselben Gehirns zeigen sich die Neurogliazellen bald
retrahiert, mit kurzen und dicken Fortsätzen versehen, bald senden sie lange und mit unzähligen,
secundären und tertiären Aestchen reichlich besetzte Fortsätze aus (Zellen mit büschelförmigen
Fortsätzen von Retzius). Zwischen dem Zustand der Retraction und dem der Erschlaffung zeigen
sich alle Uebergänge. Diese verschiedenen Phasen der Neurogliazellen der grauen Substanz sind
ohne Zweifel von Retzius, Andriezen u.A. gesehen, indess für fixe Formen, d.h. für einfache
1
morphologische Varietäten des Deitersschen Zelltypus gehalten worden." Über die
Neurogliazellen der grauen Substanz schreibt Ramón y Cajal: "wie die Beobachtungen von
Retzius, Andriezen, sowie unsere eignen gelehrt haben [bieten] ein besonderes und höchst
charakteristisches Aussehen. Ihre Form ist mannigfaltig, bald sternförmig, bald kometenförmig in
die Länge gezogen; (Schweifzellen von Retzius) die äusserst zahlreichen Fortsätze erscheinen mit
einer Unzahl kurzer, verzweigter Collateralen behaftet, welche dem Ganzen die Gestalt eines
befiederten Sternes verleihen. Wir haben schon oben angegeben, dass man an diesen Zellen
zweierlei Zustände beobachtet: den der Erschlaffung, der dem eben beschriebenen gleicht, und
den der Contraction, während dessen der Zellkörper an Protoplasma zunimmt und seine Fortsätze
2
sich verkürzen, verdicken und die secundären Fortsätze verlieren."
1
2
Ibid., S. 374
Ibid., S. 375
336
3.2 Der "motorische Apparat in der Hirnrinde"
Zwei Aktionszustände der Neuroglia bestimmen nach Ramón y Cajal das Geschehen in der
Hirnrinde. Der "Zustand der Erschlaffung" und der "Zustand der Contraction." (Ramón y Cajal
1
spricht gar von einem "motorischen Apparat der Hirnrinde". ) "Während des Zustandes der
Erschlaffung" heißt es bei Ramón y Cajal weiter, "dürften die Neurogliafortsätze, welche
thatsächlich eine stromisolirende Substanz darstellen, zwischen die Nervenverzweigungen und die
Zellen oder ihre Protoplasma treten, in Folge dessen das Passiren der Ströme aufgehoben oder
erheblich erschwert bliebe. Auf diese Weise erklärt sich das Wesen der geistigen Ruhe und des
Schlafes, sowohl des natürlichen wie des künstlichen (Narcotica, Hypnotismus). Während des
Zustandes der Contraction dürften die Pseudopodien sich einziehen, indem sie, wenn wir so sagen
wollen, das Protoplasma der secundären Fortsätze absorbiren und die vorher getrennten Zellen
und Nervenverzweigungen in Contact setzen. Durch diesen Mechanismus gelangt das Gehirn aus
einem Zustand der Ruhe in den der Thätigkeit. Diese Contractionen können sowohl automatisch
vor sich gehen, indessen werden sie öfter durch den Willenreiz hervorgerufen, der auf diese Weise
und indem er auf eine bestimmte Gruppe von Gliazellen einwirkt, den Process der Association
2
nach verschiedenen Richtungen zu dirigiren vermag." Wie Schleich, so ordnete auch Ramón y
Cajal sämtliche mentalen Funktionen dem Glia-Neuron Kontrollmechanismus unter. "Den
ungewöhnlichen Verlauf, den die Association zuweilen nimmt, die Flucht der Worte und
Gedanken, die vorübergehende Schwerfälligkeit der Sprache, das Auftreten quälender Gedanken,
das Verschwinden bestimmter Ausdrücke oder Gedanken aus dem Gedächtnis, selbst die
Steigerung der Denkthätigkeit und jeder Art bewusster motorischer Reaktion, sowie viele andere
Phänomene der Psyche", als dies werde durch seine Hypothese zu Genüge erklärt, schreibt
Ramón y Cajal, "wenn man sich nur vorstellt, dass die Neurogliazellen sich an bestimmten
3
Punkten in Ruhe, an anderen im Zustand energischer Contraction befinden."
Ramón y Cajal weist der Neuroglia der grauen Substanz nicht nur die Rolle eines "Isolirund Schaltapparates der Nervenströme" zu ("letzteren im Zustand der Thätigkeit oder
4
Contraction, ersteren im Zustand Ruhe" ) sondern darüber hinaus eine aktive Rolle in der
Regulation des cerebralen Blutflusses; ein zweiter Punkt in dem sich Ramón y Cajals GliaHypothese von derjenigen Schleichs unterscheidet. Denn just in dem Augenblick, heißt es bei
Ramón y Cajal, in dem "die Aufmerksamkeit sich auf eine Idee oder eine kleine Zahl
1
Ibid., S. 377
Ibid., S. 376
3
Ibid.
4
Ibid.
2
337
1
associirter Ideen concentrirt" , "bei dem eigentlichen Process des Aufmerkens, bei welchem sich
2
die psychische Thätigkeit auf ein ganz eng beschränktes Feld von Vorstellungen concentrirt"
genüge das bisher besprochene Konzept nicht mehr. Denn nun, "neben der energischen Reaction
der Neuroglia des entsprechenden Rindenherdes", käme ein "neuer Factor ins Spiel," nämlich
"eine lokale Blutansammlung in den Kapillargefäßen", bzw. "eine active Congestion der
Capillaren des hyperexcitirten Gebiets, zu Folge deren die Energie der Erregungswelle ihr
Maximum erreicht, in dem die Wärme und der Stoffwechsel der hyperaemischen Partie sich
3
relativ steigert." Eine ausschließlich über den Sympathicus vermittelte, vasomotorische
Innervation der Blutgefäße allerdings, (die ja bei Schleich den Quellungszustand der Gliazellen
und damit die Erregungsübertragung zwischen den Neuronen bewerkstelligen sollte) erklärten
dieses Phänomen nicht, argumentierte Rámon y Cajal, denn: "jede vasomotorische Thätigkeit [ist]
4
eine unwillkürliche, der Process des Aufmerkens dagegen durchaus bewußt und willkürlich [..]."
Hingegen seien es die "perivasculären Neurogliazellen" mit ihren an der "äusseren Fläche des
[Capillar]endothels sich inserirenden Fortsätzen", welche die zum Prozess des Aufmerkens
notwendige Blutgefäßerweiterung bewirkten. "Jede Capillare dient Tausenden dieser
Pseudopodien zur Insertion, welche nach allen Seiten divergieren", schreibt Ramón y Cajal,
wobei es "der Zweck dieser Zellen ist, durch Contraction der Fortsätze lokale Erweiterungen der
Gefässe und dadurch physiologische, an die grössere oder geringere Intensität der psychischen
5
Processe gebundenen Congestionen herbeizuführen." In Ramón y Cajals "Theorie der
6
Aufmerksamkeit" gab es denn auch keinen "Einfluss des Willens auf die gefässerweiternden
7
Nerven der verschiedenen Rindenstellen" , sondern einen direkten Einfluß des Willens auf die
Gliazellen. So heißt es bei Ramóny y Cajal weiter: "Unter dem Einfluss des Willens dürften sich
die an den Capillaren befestigten Pseudopodien einer mehr oder weniger beträchtlichen Gruppe
8
von perivasculären [Neurogliazellen] contrahiren und das Capillargefäß, das sich nach allen
Richtungen in die benachbarte graue Substanz erstreckt, an Umfang zunehmen und fast den
ganzen Lymphraum, der es umgiebt, ausfüllen. Auf diese Weise könnten alle die präcisen und
begrenzten Congestionen zu Stande kommen, welche der
1
Ibid., S. 377
Ibid.
3
Ibid.
4
Ibid.
5
Ibid., S. 375
6
Ibid., S. 377
7
Ramón y Cajal zitiert an dieser Stelle als Vertreter dieser Anschauung Lehmann (1890):
»Hypnose und verwandte Zustände.«
8
In der dtsch. Übersetzung (Ramón y Cajal 1895) ist an dieser Stelle fälschlicher Weise von
"Nervenzellen" die Rede.
2
338
1
Monodeismus der Aufmerksamkeit erfordert. Die perivasculären Lymphräume scheinen den
Zweck zu haben, diese Hyperaemien zu erleichtern, indem sie den Druck und die Erschütterung
verhindern, welche eine übermässige Gefässanschwellung in den benachbarten Nervenzellen
2
verursachen könnten".
Im Gegensatz zur Hypothese Schleichs fand das Ramón y Cajalsche Gliamodell, wenn nicht
Anhängerschaft, so doch zumindest kritische Beachtung von kompetenter Seite. So war es, eine
Jahr nach Veröffentlichung der »Theorie der Aufmerksamkeit«, wieder Kölliker, der sich sowohl
3
in der letzten Auflage seiner »Gewebelehre« äußerte, als auch erneut vor der physikalisch4
medizinischen Gesellschaft in Würzburg, wo Stellung nimmt zur "auffallenden Hypothese"
5
Santiago Ramón y Cajals. Im Protokoll der XI. Sitzung vom 25. Juni 1896 sind die folgenden
Kritikpunkte Köllikers an Ramón y Cajals Gliahypothese festgehalten, denzufolge sich "Herr K.
mit dieser Hypothese unmöglich befreunden kann: 1) Ramón [hat] keinen Beweis für seine
Annahme geliefert, dass die Gliazellen der grauen Substanz contractil seien, denn die leicht zu
constatierende Thatsache, dass die Gliazellen in einem und demselben Gehirn in sehr
verschiedenen Grössen und Formen vorkommen, führt doch nicht nothwendig zu der erwähnten
Annahme. 2) Warum ferner die circumvasculären Gliazellen contactil sein sollten, ist noch
6
weniger einleuchtend und [es] fehlt hier sogar jede Spur des Beweises. 3) Während die Gliazellen
der grauen Substanz und der Gefässe contractil sein sollen, wird denen der weissen Substanz nur
die Aufgabe zugeschrieben, eine schlechtleitende Lage zwischen den Nervenfasern zu bilden. Da
jedoch beiderlei Gliazellen denselben Bau besitzen und nach Allem was man weiss, chemisch sich
gleich verhalten, so ist nicht einzusehen, warum die einen contractil sein sollen, die anderen nicht.
Und in der weissen Substanz könnte ja die Contractilität keine Rolle spielen. 4) Wenn Ramón nun
ferner
1
Ramón y Cajal zitiert hier Ribot (1893): »Psychologie de l'attention«.
Ramón y Cajal 1895, S. 377
3
Kölliker 1896a, S. 803ff
4
Kölliker (1896b): »Ueber die neue Hypothese von Ramón von der Bedeutung der NeurogliaElemente des Gehirns.«
5
Zur Kritik an Ramóny y Cajal vgl. ebenso Azoulay (1895): »Psychologie Histologique et
texture du système nerveux«, Pollack (1897): »Bemerkungen über Neuroglia«, Robertson
(1897a): »The normal histology and pathology of the neuroglia.«
6
In Köllikers »Gewebelehre« heißt es zu diesem Punkt: "Ein noch minder berechtigtes
Phantasiegebilde ist die Annahme einer Einwirkung der Gliazellen auf die Hirnkapillaren und
was daraus gefolgert wird. Zellige Elemente der Bindesubstanz setzen sich an vielen Orten an
Blutgefäße an [...] ohne dass Jemand sich veranlasst gefühlt hätte, denselben kontraktile
Eigenschaften zuzuschreiben. [...] Ferner ist die Zahl der Gliaansaätze an die Kapillaren viel zu
spärlich und zu unregelmäßig und könnte nur Zerrungen derselben, aber keine regelrechten
Erweiterungen bewirken." (Kölliker 1896a, S. 807)
2
339
annimmt, dass die Gliazellen willkürlich sich contrahiren, so befindet er sich auf einem noch
unsichereren Boden. Denn wie sollte der Willen auf die Gliazellen einwirken? Sollen etwa gewisse
Neurodendren des Gehirns auf die Gliazellen einwirken und dieselben zu Contraction bringen? In
diesem einzig möglichen Falle würden aber doch nicht die Gliazellen sondern die Neurodendren
die Hauptfaktoren bei den geistigen Thätigkeiten sein und wäre die ganze Hypothese von dem
Einflusse der Gliazellen vollkommen überflüssig. Denn es ist klar, dass wenn der Willenseinfluss
zuerst auf die Nervenzellen wirkt, derselbe auch genügen wird, um andere solche Zellen und
ganze Gruppen derselben zu erregen und eine Einwirkung auf die Gliazellen ganz überflüssig
1
wird." Die Neuronendoktrin, also die Überzeugung, daß "die Nervenzellen sammt ihren
2
Ausläufern als die einzigen Vertreter der nervösen Funktionen" anzusehen seien, war Köllikers
Hauptargument. So schließt das Würzburger Sitzungsprotokoll mit dem Eintrag: "Im Anschlusse
an diese Darlegungen stellte Herr K. noch, wie die grosse Mehrzahl der Forscher den Satz auf,
dass die Nervenzellen die Hauptfactoren der geistigen und Nerventhätigkeit überhaupt sind und
nimmt derselbe ferner an, dass schon einzelne Nervenzellen im Stande sind, alle diesen Elementen
überhaupt zukommenden Leistungen auszuführen und dieselben zu vermitteln, wie die bewußte
Empfindung, die willkürliche Bewegung, das Aufspeichern der äußeren Eindrücke oder das
3
Gedächtnis auf andere Zellen bei den Associationen u.s.w." Den Zellen der Neuroglia vermag
4
auch Kölliker nur "untergeordnete Verrichtungen" zuzuweisen. Die Gliazellen dienten als
"Ümhüllungssubstanz der Blutgefäße", als Gliahülle "zum Schutz der zarten nervösen Elemente"
5
und in der grauen Substanz als "Ausfüllmasse", heißt es bei Kölliker.
Wie einige Jahre zuvor Rabl-Rückhard seine Hypothese amöboid beweglicher
6
Protoplasmafortsätze als einen "hingeworfenen, vielleicht fruchtbaren Gedanken" betrachtete , ist
sich auch Ramóny y Cajal des hypothetischen Charakters seines Modells bewußt: "Wir brauchen
nicht zu bemerken", beendet Ramón y Cajal seine Ausführungen zur Glia-Hypothese, "dass wir
unsere Hypothesen nicht für ganz einwandfreie Theorien halten; wir glauben im Gegentheil, dass
Angesichts der unermesslichen Schwierigkeiten des Problems und Angesichts unserer geringen
anatomisch-physiologischen Kenntnis des Nervenprotoplasmas, Alles, was von dem eigentlichen
Mechanismus der psychischen Vorgänge gesagt wird, verfrüht ist. Indess sind rationelle
Hypothesen, welche sich auf
1
Kölliker 1896b, S. 114
Kölliker 1896a, S. 808
3
Kölliker 1896b, S. 115
4
Kölliker 1896a, S. 808
5
Ibid., S. 807
6
Rabl-Rückhard 1890, S. 200
2
340
bekannte Thatsachen stützen, berechtigt und sogar fruchtbar. Eine wissenschaftliche Hypothese
giebt eine neue Richtung an, einen Weg, welcher zur Beobachtung und zum Experiment auffordert
und der, wenn auch nicht unmittelbar zur Wahrheit, so doch immer zu Unternehmungen und
Kritiken führt, die uns derselben näher bringen. Wenn unsere ferneren Erfahrungen auch unsere
Vorraussetzungen nicht bestätigen sollten, so dürfte das Resultat deshalb nicht weniger positiv
sein. Eine negative Thatsache verringert die Zahl der möglichen Hypothesen und dadurch die
1
Möglichkeit eines Irrthums bei weiteren Forschungen." Schon bald schließt sich Ramón y Cajal
2
denn auch den Anschauungen seiner Kritiker an. In seinen »Lebenserinnerungen« distanzierte er
sich später sogar energisch, und bezeichnet besagten Aufsatz als "waghalsig" und entstanden,
3
indem ihm wohl "die Phantasie durchgangen sei".
Während Schleich sein Gliakonzept nach 1900 in Richtung einer kontraktionsfähigen Neuroglia
abänderte [Schleich bezog sich auf eine mündliche Information des Berliner Pathologen Karl
4
Benda (1857-1932), der von Muskelfasern in der Neuroglia berichtet haben soll] , greift Ramón y
Cajal das Phänomen der Gliaschwellung im Jahre 1925 noch einmal auf, um Hemmung von
5
Erregungsübertragung zu erklären. Ramón y Cajal deutete nun angeschwollene
("hypertrophische") Gliazellen als histo-pathologisches Phänomen der Paralyse und zog,
wenngleich nur beiläufig, erneut den Gedanken in Erwägung, die angeschwollene Glia schiebe
6
sich womöglich in den synaptischen Spalt und löse so lähmende Wirkung aus. Die Konzeption
motiler Neurone oder Gliazellen als funktionelle Grundlage der "Informationsverabeitung im
Gehirn", oder als deren morphologisch erkennbarer Ausdruck, ist nach Ramon y Cajals letztem
Vorstoß zunächst verloren gegangen und wird erst in den letzten Jahren wieder neu diskutiert.
Selbst die Idee von in den synaptischen Spalt eindringenden Gliazellfortsätzen findet sich heute
7
wieder.
1
Ramon y Cajal 1895, S. 378
Ramón y Cajal (1901/1917): »Recuerdos de Mi Vida.« Benutzt wurde die englische
Übersetzung (Ramón y Cajal 1937), Nachdruck 1966.
3
Ibid., S. 461
4
Schleich 1916, S. 41f
5
Ramón y Cajal (1925): »Contribution á la connaissace de la névroglie cérébrale.«
6
Ibid., S. 164ff
7
Z. B. Müller (1992): »A Role of Glial Cells in Activity-Dependent Central Nervous Plasticity.«
2
341
4. Ein erster Ansatz für eine moderne Auffassung von Gliafunktion: Robert
Galambos' "Glial-Neural Complex", oder "A brain without glia would be a
giant computer operating at random for lack of a program"
Schleichs und Cajals Argumente zugunsten einer aktiven Neuroglia fußten auf einer rein
elektrischen Interpretation des Nervensystems. Ein gliöses Funktionskonzept über die Annahme
aktiver Isolation in Form eines "An- oder Abschaltens" neuronaler Ströme hinaus, war am
Ausgang des 19. Jahrhunderts nicht denkbar. Erst in der Mitte dieses Jahrhunderts zeichnete sich
ja ab, daß chemische Vorgänge in der Beschreibung der Funktion des Nervensystems überhaupt
zu berücksichtigen waren. Die moderne Neurochemie, die in den 50er und 60er Jahren mit der
Aufklärung der ersten Transmittersubstanzen und Rezeptoren ihren Anfang nahm, beschränkte
sich zunächst auf das Geschehen während der synaptischen Erregungsübertragung. Die
Bedeutung von Transmittersubstanzen lag allein darin, an Neuronen elektrische Erregung zu
erzeugen oder diese zu verhindern. Erste Überlegungen zur nicht-synaptischen Beeinflussung von
Neuronen durch modulatorische Transmittersubstanzn enstanden erst im letzten Drittel unseres
1
Jahrhunderts. Daß gar Gliazellen an der biochemischen Modulation neuronaler Aktivität beteiligt
sein können ist jüngste Erkenntnis.
2
In seinem 1961 erschienenen Aufsatz »A Glia-Neural Theory of Brain Function« stellte der
Neurobiologe Robert Galambos erneut die Forderung nach einer Einbeziehung der Neuroglia in
die Neuronen-Doktrin auf. So heißt es: "Theories of brain function abound, ranging from
Aristotle’s idea that it cools the blood to our present notion that its operations make behavior
possible. Theories of as to what these operations might be are not scarce either, and they extend
from Descarte’s idea to the present day almost universal view assigning to neurons alone the
critical role. This neuron theory has generated much valuable information about brain function
during the past 75 years. The essay to follow suggests that a brain-model in which we visualize
the glia and the neurons working together as the fundamental functional unit may provide an
3
even more useful scheme for students of brain function to carry with them into their experiments."
4
Galambos begründete seine Forderung nach einem "glia-neural complex of cells" als der
eigentlichen Funkionseinheit (functional unit) des Gehirns wie folgt: Die Eigenschaft der Neurone
in Zeitbereichen von Millisekunden zu operieren, könne nur ungenügend erklären, daß
Verhaltensmuster von Generation zu
1
Zur Entstehung des Konzepts der Neuromodulation vgl. Barchas et al. 1978, Dismukes 1979,
Florey 1967, 1984; Kupfermann 1979
2
Galambos 1961
3
Ibid., S. 130
4
Ibid., S. 132
342
Generation weitergegeben werden oder sich als Gewohnheit ein Leben lang erhalten. Gefordert
sei hingegen ein stabiles System, das nicht in neuronalen Kurzzeiten arbeite, sondern in der
Dimension von Jahren, Jahrzehnten und Generationen. Dieses stabile System sollten laut
Galambos die Zellen der Neuroglia sein. "It is a curios fact that the glia cells, which could
conceivably serve as that stable storage system, have apparently never seriously been assigned the
1
chore" . Galambos postulierte eine physikalische Begleitung und physiologische Kontrolle der
2
Neuronenaktivität durch Neuroglia und zwar "from beginning to end of the animals life." In
jedem Lebensaugenblick eines mit einem Nervensystem ausgestatteten Organismus, schreibt
Galambos, "glia cells act in some unknown manner to organize neurons. [...]. The electron
microscope shows glia to invest, surround, and attach itself to nerve soma, axons, and dendrites out to the finest terminals in the neuropil [...] - and this may be so because that arrangement is
precisely what enables neurons to transmit coherent, organized messages. Glia could receive
afferent impulses, organize them somehow before permitting efferent outflow, and in still other
3
ways yet to be discovered intervene so as to give oder to neural events." Weiter heißt es bei
Galambos, ganz im Geiste seiner Zeit: "A brain without glia would, in this conception, be a giant
computer operating at random for lack of a program. [...] [Glia] would somehow "tell" the
neuronal masses what they are supposed to do - in the same sense, I suppose, that the computer
4
program "tells" its digital units what order and sequence of processes they must execute."
Vorausetzung für Galambos Konzeption einer in sich wechselwirkenden Glia-Neuron
Funktionseinheit, war die Beteiligung der Glia am chemischen Signalgeschehen im Gehirn. So
postulierte Galambos: "glia must show exquisite sensitivity to a wide range of chemical
5
substances and it doubtlessly manufactures them itself." Doch es fehlte es in den 60er Jahren
noch an Befunden, die Einbeziehung von Glia in die Chemie des Nervensystems ausreichend zu
begründen. Heute, wie eingangs skizziert, zeichnet sich ab, daß Galambos auf dem richtigen Weg
war. Das Motto seines Pionieraufsatzes sei denn an dieser Stelle noch einmal wiedergegeben:
"One day, I suppose, someone will find the clue and we shall then realize that we have been
watching the missing mechanism at work in every experiment upon the brain that we did, but
6
never recognized it for what it was."
1
Ibid., S. 131
Ibid., S. 132
3
Ibid., S. 131
4
Ibid.
5
Ibid., S. 135
6
B. D. Burns in Can. J. Biochem. Physiol., Bd. 34 (1956), zit. aus Galambos 1961, S. 129
2
343
Zusammenfassung und Ausblick
1. Zusammenfassung
Die heutzutage von Neurobiologen, Kognitionsbiologen oder Psychologen vorgeschlagenen
Modelle zur Erklärung der "höheren Hirnleistungen" zeigen sich gänzlich in der NeuronenDoktrin befangen. Die Neuronen-Doktrin besagt, daß die Leistungen des Nervensystems und
insbesondere jene des Gehirns, auf der Wechselwirkung von zu neuralen Netzwerken
zusammengeschlossenen Neuronen beruht. Die Existenz und die Funktion von Gliazellen
(Neuroglia) wird von der Neuronen-Doktrin ignoriert. Dementsprechend bleiben die heute
vorliegenden Erkenntnisse über Gliazellen, und über deren Wechselwirkung mit Neuronen, bei
der Beschreibung der "höheren Hirnleistungen" gänzlich außeracht. In der sich mit den großen
Themen der Hirnforschung wie Lernen, Gedächtnis, Wahrnehmung u.s.w. beschäftigenden
Literatur kommen Gliazellen nicht vor.
Vor diesem Hintergrund befaßt sich vorliegende Studie mit folgender Zielsetzung:
a) Kritische Bewertung der etablierten Neuronen-Doktrin anhand der vorliegenden Kenntnisse
über Gliazellen und Forderung einer Einbeziehung von Gliazellen in die Neuronen-Doktrin.
b) Darstellung der Entstehungsgeschichte der Neuronen-Doktrin.
c) Darstellung der Entdeckungsgeschichte der Neuroglia.
d) Aufzeigen von Gründen für die Ausgrenzung von Neuroglia in der heutigen Neurobiologie.
Im »Ersten Teil« der Studie wird in kurzer Skizze dargestellt, daß angesichts des
Funktionsrepertoirs der Gliazellen, die konzeptionelle Barriere zwischen Neuronen und Gliazellen
heute nicht mehr aufrecht zu erhalten ist und somit das Modell eines von seiner Umgebung
gleichsam isoliert und in sich geschlossen agierenden Neuronennetzwerks der grundlegenden
Revision bedarf. Es wird behauptet, daß das Nervensystem, und im besonderen das Gehirn, eben
nicht nur als ein "Neuronensystem" zu verstehen ist, sondern als ein "Glia-Neuronen-System", als
eine nach architektonischen Kriterien ableitbare, geordnete Menge von Neuronen und Gliazellen,
wobei nicht Neurone allein, sondern die zwischen Neuronen und Gliazellen bestehenden
Funktionsrelationen die Gesamtfunktion des Gehirns bestimmen. Erst unter Einbeziehung der
Neuroglia ist eine adäquate Funktionsbeschreibung
344
der zwischen "sensorischen Input" und "Verhaltens-Output" geschalteten Zellmaschinerie im
Gehirn möglich.
Im »Zweiten Teil« der Studie werden die wesentlichen Etappen der Entstehungsgeschichte der
Neuronen-Doktrin rekonstruiert. Dabei wird aufgezeigt, daß die Modelle von Bau und Funktion
des Nervensystems, und damit verknüpft, die Konzepte zur Erklärung der "höheren
Hirnleistungen", in jeder Episode der Geschichte der Neurowissenschaften ausschließlich mit den
an Nerven, Nervenfasern und Nervenzellen gekoppelten Funktionsvorstellungen auskamen. Zu
keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Neurowissenschaften wurde die Einbeziehung von nicht
zu diesen Elementen zu rechnenden Gewebeteilen für notwendig erachtet.
Die Entdeckungsgeschichte der Neuroglia, gewissermaßen im konzeptionellen Schatten von
Nerven, Nervenfasern und Nervenzellen, ist Inhalt des »Dritten Teils« der Untersuchung. Die
Ausarbeitung des Begriffes "Gliazelle" als eigenständigem Fachterminus, die Entwicklung der
einschlägigen histologischen Nomenklatur, und schließlich die Darstellung herausragender
Pionierarbeiten für eine Integration von Gliazellen in die Neuronen-Doktrin, bildet hierbei den
Schwerpunkt. Dabei wird gezeigt:
a) daß Gliazellen zu einem Zeitpunkt in die Geschichte der Neurobiologie eintraten, zu dem
Nerven und Nervenfasern längst als reiz- bzw. erregungsleitende Strukturen identifiziert waren
und die Nervenzelle als erregungsmodulierender Zentralpunkt innerhalb eines netzwerkartig
organisierten Zellfasersystems aufgefaßt wurde.
b) daß Gliazellen zu einem Zeitpunkt in die Geschichte der Neurobiologie eintraten, zum dem die
entstehende Elektrophysiologie und deren Instrumentarium zur Registrierung des
Nervenimpulses, bereits den Weg ebnete für die Vorstellung von der allein elektrischen
Funktionsweise des Nervensystems.
c) daß vor diesem Hintergrund (a,b) für die, im Gegensatz zur wohlgeordneten Erregungsleitarchitekur der Nervenfasern und Nervenzellen, eng ineinander verwoben erscheinenden
Gliazellen, die zugleich als nicht erregbar und damit als nicht erregungsleitend aufgefasst wurden,
kein adäquates Funktionskonzept vorstellbar war. Letztlich blieb nur die Funktion der Hilfszelle,
als einer zwischen die Maschen des erregungsleitenden Nervenfasernetzwerks einschobenen Stütz
und Isoliermasse.
Abgesehen von einigen Ausblicken in die Neurobiologie des 20. Jahrhunderts schließen die
historischen Teilabschnitte mit der Darstellung des Kenntnisstandes der Neurobiologie im
345
ausgehenden 19. Jahrhundert. Denn sowohl die Neuronen-Doktrin als auch die Vorstellung von
einer weitgehenden Bedeutungslosigkeit der Gliazellen bei der Erklärung der "höheren
Hirnleistungen", war zu diesem Zeitpunkt bereits etabliert.
Vorliegende Studie gelangt zu dem Ergebnis, daß die Entstehungsgeschichte der NeuronenDoktrin und die der Nichtbeachtung von Gliazellen nicht allein als das Resultat von Wachstum
und Akkumulation neurowissenschaftlichen "Wissens" zu verstehen ist, als das Ergebnis
"logischen Nachdenkens" über Neurone und Gliazellen, als das Produkt von "objektiver
Beobachtung" und "objektiver Interpretation" des über das Nervensystem gewonnenen
Datenmaterials, sondern vielmehr als das Ergebnis von in der Gemeinschaft der
Neurowissenschafler verwurzelten Denkkonventionen oder Denkstilen. Wobei Denkstil hier
bedeuten soll: Ein kollektives Vorverständis über den Forschungsgegenstand, eine spezifische
Ausrichtung des Nachdenkens über den Forschungegenstand, letztlich ein in Vorstellungen und
Sprachgbrauch manifestiertes Unvermögen, den Forschungsgegenstand so erkennen zu können,
letztlich gar erkennen zu wollen "wie er ist".
2. Ausblick
Das in Denkstilen verborgene "Sinn-Sehen" aus dem heraus Erkenntnis über das Nervensystem
möglich oder verhindert wurde, aus dem heraus handlungsleitende Redeweisen, Regeln,
Entscheidungskriterien, Methoden, Modelle, und Theorien zur Funktion des Nervensystems
entstanden sind, gilt es zukünftig in der Geschichte der Neurobiologie offenzulegen. Dabei darf
die Geschichte der Neurowissenschaft nicht als Wissenschaftsgeschichte im traditionellen Sinne
(wie in der hier vorliegende Untersuchung) betrieben werden - in "kurzen Hosen" wie es bei
Foucault heißt - als eine monodisziplinär orientierte Ereignisgeschichte und großskalige
Chronologisierung "dessen, was entdeckt wurde," sondern es geht primär um das
Zustandekommen, um das "geistige Konstruieren" von "Wissen über den Forschungsgegenstand"
und um die Analyse seines "Wirklichkeits-Gehalts." Die Einbeziehung individualer, subjektiver
und interpretativer Komponenten in die Beschreibung der Geschichte des Unternehmens
Neurowissenschaft und die Aufklärung der wechselseitigen Beziehung des Forschenden zu der
ihn umgebenden "scientific community" und Kulturgemeinschaft, ist dabei zentrales Moment.
Nur vor diesem Hintergrund läßt sich der "psychologische Raum" rekonstruieren, aus dem heraus
sich "Beharrungstendenzen" (Fleck) und "Erkenntnishindernisse" (Bachelard) in der Geschichte
der Neurowissenschaft erklären lassen, aus dem heraus eine Mikrodynamik des
Erkenntnisprozesses sichtbar wird, die deutlich macht, wie es in den Neurowissenschaften z.B.
zur Überbetonung des "elektrischen" gegenüber der Neurochemie, oder zur Überbewertung der
Neurone gegenüber
346
den Gliazellen kommen konnte. Auch in der Geschichte der Neurobiologie läßt sich die
Rationalität des Forschungsprozesses, die Möglichkeit einer Ausfilterung des Subjektiven aus
dem Erkenntnisprozeß durch "logisches wegformalisieren" als Mythos entlarven, als eine
technokratische Illusion.
Indem sie Denkstile vergleicht, ihre historische Genese, ihre Entwicklung, die sie erschaffenden
und erhaltenden Kräfte, die Methoden ihres Einführens in die Wissenschaftlergemeinschaft, und
die Kriterien ihrer Überwindung, steckt hinter Wissenschaftsgeschichte eine "Wissenschaft über
Denkstile", und die Verpflichtung des Wissenschaftshistorikers seine Erkenntnisse in den Kreis
der Laborwissenschaft hineinzutragen. Denn nur Wissenschaftsgeschichte vermag klar zu
machen, daß es für den in gegenwärtige Forschungsprozesse eingebundenen Wissenschaftler nicht
allein um das "objektive Streben" nach "wahrer Erkenntnis" geht, sondern - um dieser möglichst
nahe zu kommen - insbesondere darum, die Gefahr der eigenen Befangenheit in einem Denkstil
zu erkennen. Nur Wissenschaftsgeschichte macht klar, daß es in der wissenschaftlichen Praxis
immer wieder notwendig ist, die Beharrungstendenz von Denkstilen zu überwinden, ja daß dies
der eigentliche Antrieb wissenschaftlicher Arbeit sein muß. Allein die Überwindung von
Denkstilen eröffnet die Perspektive auf das wirklich Neue, und ermöglicht die Formulierung
wirklich neuer Forschungsziele. Die bloße Vermehrung von Datenmengen im Anschluß an
Laboruntersuchungen ist kein wirklicher Erkenntniszuwachs. Diesem, insbesondere unter
jüngeren Naturwissenschaftlern weit verbreiteten Irrglauben entgegenzuwirken, ist die
Institutionalisierung von Wissenschaftsgeschichte an naturwissenschaftlichen Fakultäten und
damit verbunden, die Einbeziehung von Wissenschaftsgeschichte in die Ausbildung von
Naturwissenschaftlern dringend zu fordern.
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