Schon gehört? Es gibt nur ein Gehör im Leben

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Informationen und Tipps für die Schule
Ausgabe 32, Januar 2009
ADAC signale
Fakten und Hintergründe (S. 1 – 6), Tipps für die Praxis (S. 7 – 8)
sein Sehvermögen prüfen lässt und notfalls eine
Sehhilfe benutzt. Die möglichen Beeinträchtigungen der akustischen oder auditiven Wahrnehmung und deren Folgen sind dagegen nicht jedem
bewusst. Viele Radler hören während der Fahrt ihre
Lieblingsmusik aus dem MP3-Player, und so mancher Autofahrer ist in einer rollenden Diskothek
unterwegs – mit überdimensionierten Verstärkern
und Lautsprechern. So hört er weder andere Verkehrsteilnehmer noch das Martinshorn von Polizei
oder Feuerwehr und der Faktor Ablenkung kommt
erschwerend hinzu.
Für die einen ist es Musik, für die anderen nichts
als Lärm. Das erkannte schon Wilhelm Busch, als
er so trefflich schrieb: „Musik wird störend oft
empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden.”
Schon gehört?
Es gibt nur ein Gehör im Leben
So ein Lärm! Alle reden davon und zwei Drittel der deutschen Bevölkerung fühlen sich
durch ihn belästigt. Aber die meisten wissen gar nicht, was das genau ist – dieser Lärm.
14 Millionen Bundesbürger leiden nach Angaben
der Hals-, Nasen- und Ohrenärzte an Hörschäden,
die nicht mehr zu kurieren sind, rund 10 Prozent
der Jugendlichen sind behandlungsbedürftig, in der
Altersgruppe von 16 bis 20 Jahren weist bereits
etwa jeder Fünfte Auffälligkeiten im Innenohr auf.
Die Grenze der meist schleichenden Gehörverschlechterung bemerkt niemand selbst. Die anderen sprechen eben leiser und undeutlicher. Auch
verursacht schlechtes Hören keine Schmerzen, die
einen Arztbesuch nötig machen. Oft sind es erst
die Angehörigen, die den Hörgeschädigten zur
Kontrolle seines Gehörs veranlassen.
Discobesuche, Motorradfahren, lautes Musikhören über Kopfhörer etc. legen den Grundstein für spätere Gehörprobleme.
„Wer nicht hören will, muss fühlen.” Auf den Straßenverkehr bezogen müsste diese Weisheit heißen:
„Wer nicht hören kann, lebt gefährlich.” Dennoch
können auch Gehörlose den Führerschein für Auto
oder Motorrad erwerben. Für sie gelten die gleichen Regeln wie für Hörende. Die Kontrolle über
die Situation im Straßenverkehr erfolgt doch fast
ausschließlich durch die Augen. Durch den fehlenden Hörsinn ist die Wahrnehmung über den
Sehsinn besser ausgeprägt und geschult. Zudem
sind Gehörlose durch akustische Reize, wie zum
Beispiel Radio, nicht abgelenkt. Statistisch gesehen
ist die Unfallhäufigkeit im Straßenverkehr bei Hörgeschädigten sogar geringer als bei Hörenden.
Visuelles wird überbetont
Obwohl wir den Löwenanteil an Informationen
über das Verkehrsgeschehen mit dem Auge aufnehmen, spielt auch das Gehör eine wichtige Rolle,
damit sich der Mensch sicher im Verkehr bewegen
kann. Es ermöglicht insbesondere Gefahren, die
noch nicht zu sehen sind, dennoch wahrzunehmen
und sich darauf einzustellen.
Wir leben in einer visuell überbetonten Welt. Deshalb leuchtet jedem ein, dass er von Zeit zu Zeit
Wozu Lärm im Extremfall führen kann, war schon
im alten China bekannt. 200 v. Ch. wurden dort
Gotteslästerer zum „Musiktod” verurteilt: „Wer den
Höchsten schmäht, soll nicht gehängt werden,
sondern die Flötenspieler, Trommler und Lärmmacher sollen ihm ohne Pause so lange vorspielen, bis
er tot zu Boden sinkt. Das ist der qualvollste Tod,
den ein Mensch erleiden kann.”
Das Thema „Lärm" und „Hören“ eignet sich in
vielerlei Hinsicht für den fächerübergreifenden, handlungsorientierten und integrativen
Unterricht sowohl an Grundschulen als auch
in der Sekundarstufe I und II und schließt
sowohl Aspekte der Gesundheits- und
Umwelterziehung als auch der Sicherheitsund Sozialerziehung mit ein.
In dieser Ausgabe:
❑ Das Ohr – ein Präzisions­
instrument
❑ Lärm hat viele Folgen
❑ Unerwünschter Schall ist Lärm
❑ Straßenverkehrslärm ist mehr
als nur heulende Motoren
❑ Woher kommt das Geräusch?
❑ Tipps für die Praxis
ADACsignale
FAKTEN UND HINTERGRÜNDE
Das Ohr ist ein Präzisionsinstrument
Das Gehör – oft unvollständig nur als Ohr bezeichnet – ist das am feinsten gebaute und am präzisesten funktionierende Organ des menschlichen
Körpers, doch die wenigsten Menschen denken
bewusst über ihre Ohren nach. Es ist ungemein leistungsfähig, aber auch sehr gefährdet. Es ist nicht
für unsere laute Zivilisation geschaffen und einmal
aufgetretene Hörschäden sind meist irreparabel.
Hören ist ein komplizierter Vorgang, bei dem auch
das Gehirn Höchstleistungen erbringen muss. Um
präzise hören und verstehen zu können, müssen
beide Ohren funktionieren.
weit es entfernt ist. Gerade im Dunkeln merkt man,
wie wichtig das Gehör ist.
Verständigung durch Sprache ermöglichen
Für den Spracherwerb ist ein funktionierendes
Gehör besonders wichtig. Denn erst Hören ermöglicht eine sprachliche Kommunikation. Wer
schlechter hört, bei dem kann auch die Sprache
mit der Zeit verkümmern. Er verliert die Möglichkeit, soziale Kontakte aufzunehmen und gerät
immer mehr in die Isolation und vereinsamt. Mit
einem intakten Gehör sind Gespräche auch unter
ungünstigen Bedingungen –
Hintergrundgeräusche,
schlechte Telefonverbindung,
hallende Räume – möglich.
Informieren
Über die Ohren nehmen wir
viele Informationen auf –
Gespräche, Telefon, Radio,
Fernsehen u.v.m. Und auch die
Aufmerksamkeit wird vielfach
durch das Hören aktiviert. „Der
Nächste bitte” in einer Praxis
kann vom schlecht hörenden
Menschen ebenso überhört
werden wie Durchsagen auf
Bahnhöfen.
„Nicht sehen können trennt von den Dingen, nicht
hören können von den Menschen", wusste schon
der Philosoph Immanuel Kant.
Das Ohr (lat. auris) ist ein Sinnesorgan, mit dem
Schall, also Ton oder Geräusch, als akustische
Wahrnehmung aufgenommen wird. Neben der reinen Vermittlung von sprachlicher Information
erfüllt das Hören in unserem Leben noch weitere
wichtige Aufgaben:
Alarmieren
Das Hören hat Warnfunktion, es macht uns auf
Gefahren aufmerksam, besonders auch im Straßenverkehr. Wer schlecht hört, kann beim Überqueren einer Straße das nahende Auto überhören.
Eine wichtige Gehörfunktion ist die Orientierung.
Bei geschlossenen Augen hören wir, ob wir uns in
einem großen Raum oder in einem kleinen Zimmer
befinden. Da wir mit zwei Ohren hören, können wir
einschätzen, aus welcher Richtung Geräusche
kommen.
Mit schlechtem Gehör ist es nahezu unmöglich,
festzustellen, woher ein Geräusch kommt und wie
2 ADACsignale
Zentrales Hörorgan oder Innenohr:
Der eigentliche Hörvorgang findet im Innenohr
statt. Hier befindet sich die Cochlea (Hörschnecke)
mit zweieinhalb Windungen. Ihr Inneres ist mit
Flüssigkeit gefüllt und enthält eine feine Haut, die
wie eine Wendeltreppe im Inneren verläuft.
Auf dieser Haut sitzen ca. 15 – 20.000 spezialisierte Hörsinneszellen. Die Schwingungsbewegungen
der Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) stimulieren am ovalen Fenster die Flüssigkeit
in der Cochlea.
Die Wellenbewegungen der Flüssigkeit bewirken
sodann ein Verbiegen der Härchen der Hörsinneszellen und die Auslösung elektrischer Impulse, die
über die Hörnerven zum Hörfeld des Gehirns geleitet werden.
Im Hörfeld des Gehirns, welches beiderseits in der
Nähe der Schläfen sitzt, werden die Impulse des
Hörnervs verarbeitet und sortiert. Dort findet die
Wahrnehmung als Geräusch, Ton, Laut, Musik und
Sprache statt.
Der Weg des Schalls:
Stimmungen transportieren
In zwischenmenschlichen Beziehungen ist nicht
nur wichtig, was gesprochen wird, sondern auch
wie gesprochen wird: „Der Ton macht die Musik”.
Bei Gesprächen hören wir mehr als nur Worte. Wir
nehmen auch die Lautstärke, Sprachmelodie oder
Tonhöhen wahr und entschlüsseln damit die Stimmungen und Gefühle der Sprecher, wie z.B. Ironie,
Erstaunen, Aggressionen.
Allein die Betonung eines einzelnen Wortes wie
„nein”, kann diesem höchst unterschiedliche
Bedeutungen geben. Erstaunen, Begeisterung,
Zustimmung, Ablehnung, Zweifel, Ironie, Heuchelei
- all dies kann Sprache quasi „nebenbei” aussagen.
So funktioniert das Ohr
Orientieren
gefüllten Räumen, deren zentraler Teil die Paukenhöhle bildet. Das durch den Schall in Schwingungen gebrachte Trommelfell überträgt diese
Schwingungen auf die drei Gehörknöchelchen:
Hammer, Amboss und Steigbügel. Der Steigbügel
verschließt am anderen Ende eine kleine Öffnung
in der Mittelohrwand, das ovale Fenster. Die
Anordnung und Größe der Gehörknöchelchen im
Mittelohr führt zu einer Verstärkung der Schwingungen.
Beim Menschen wird das Ohr in das äußere, das
Mittel- und das Innenohr unterteilt.
Das äußere Ohr:
Die Ohrmuschel fängt die Schallwellen auf, die
sich in der Luft ausbreiten und leitet den Schall
durch den Gehörgang zum Trommelfell, das am
Eingang zum Mittelohr sitzt.
Mittelohr:
Das Mittelohr besteht aus einem System von luft-
Ohrmuschel → Gehörgang → Trommelfell →
Gehörknöchelchen → Hörschnecke → Hörnerv
Erkrankungen
Jährlich erkrankt durchschnittlich einer von 3.000
Bundesbürgern am Hörsturz. Es trifft meist Menschen um das 50. Lebensjahr. Ein Hörsturz tritt
plötzlich, innerhalb von Sekunden und ohne
erkennbare Ursache auf. Die Folge ist eine meist
einseitige Minderung des Hörvermögens oder gar
die Ertaubung des Ohres. Etwa 90 Prozent der
Patienten leiden gleichzeitig unter Ohrgeräuschen
(Tinnitus).
Tinnitus ist ein Oberbegriff für alle Arten von Ohroder Kopfgeräuschen, unabhängig von deren Ursachen. Leidet ein Patient unter „Ohrensausen”,
nimmt er einen Ton oder ein Geräusch wahr, der
bzw. das außerhalb seines Kopfes nicht existiert.
Tinnitus kann in jedem Lebensalter vorkommen.
Etwa acht Prozent aller Erwachsenen sind betroffen. Durch die stetig zunehmende Lärmbelastung
(z.B. in Diskotheken) nimmt aber die Häufigkeit
schon im jugendlichen Alter zu. So leiden mehr als
fünf Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Tinnitus.
FAKTEN UND HINTERGRÜNDE
Das sagt die StVO
Auch die Straßenverkehrsordnung (StVO)
befasst sich mit dem Hören. In § 23 (1)
heißt es: „Der Fahrzeugführer ist dafür
verantwortlich, dass seine Sicht und das
Gehör nicht durch ... Geräte … beeinträchtigt werden...”. Im Klartext heißt das, es ist
dem Fahrer verboten, während der Fahrt
mit Kopfhörern Radio, Musik etc. zu hören.
Auch Radfahrer dürfen nicht mit Kopfhörern fahren, weil sie ihr Gehör beeinträchtigen. Unzulässig ist auch, Geräte im Auto
so laut zu betreiben, dass die Fähigkeit
beeinträchtigt wird, Verkehrsgeräusche aus
dem Umfeld wahrzunehmen.
Unerwünschter Schall ist Lärm
Alle reden von Lärm, die meisten stört er. Doch
kaum einer weiß, was das ist. Jeder meint etwas
anderes, denn für Lärm gibt es keine gemeingültige
Definition. Ein Geräusch wird als Lärm empfunden,
wenn es stört, belästigt oder gesundheitlich schädigt.
Man muss sich nur einmal umhören, die Vielfältigkeit der Lärmquellen ist enorm: Wir werden nicht
nur von Autos, Zügen und Flugzeugen »beschallt«,
der Lärm dröhnt auch von Baustellen, Industriegeländen und Kinderspielplätzen. Und doch wird
nicht jeder Schall als Lärm empfunden und auch
die Lautstärke ist nicht entscheidend. Viel wichtiger für das Lärmempfinden ist der Informationsgehalt.
Lärm ist also subjektiv. Experten haben deshalb
festgelegt, dass Schall dann zu Lärm wird, wenn er
belästigt, stört oder die Gesundheit beeinträchtigt.
Auch Erfahrungen, Einstellungen, Stimmung,
Gesundheitszustand, Alter und Tageszeit spielen
eine Rolle: Am Tag ist der Mensch weniger empfindlich als nachts. Geräusche, die er in der Stadt
toleriert, sind für ihn am Urlaubsort belästigend.
Das heißt: Lärm ist unerwünschter Schall. Er
ist kein physikalisches, sondern ein psychologisch-medizinisches Phänomen.
Wie entsteht Schall?
Durch die subjektive Bewertung ist Lärm mit physikalischen Geräten nicht messbar. Messbar jedoch
ist der auftretende Schall. Nur – wie entsteht der
eigentlich? Normalerweise wirkt der Luftdruck
mit 100 000 000 000 μPa (Mikro-Pascal) auf
das Trommelfell des menschlichen Ohres. Jeder
sich bewegende Gegenstand (z.B. die Saite einer
Geige) versetzt die Luft in Schwingungen und verändert den Druck. Bereits eine Schwankung um
den 10milliardsten Teil des Luftdrucks reicht dabei
aus, um als Schalldruck bzw. Ton wahrgenommen
zu werden! Schall ist also nichts anderes als
Schwingung der Luft.
Akustische Grundbegriffe
Frequenz
Frequenz nennt man die Häufigkeit der Schwingungen je Zeit. Sie wird in der physikalischen Einheit Hertz (Hz) gemessen: Ein Hertz ist eine
Schwingung je Sekunde. Der Hörbereich eines jungen Menschen reicht von 16 Hz bis 20 kHz (Kilohertz = 1000 Hertz). Im Alter nimmt das Hörvermögen, insbesondere im hohen Frequenzbereich,
ab.
Hörschwelle
Die Hörschwelle (in der Formelsprache der Physiker
p0 genannt) eines Menschen mit gesundem Hörorgan liegt bei einem Schalldruck von 20 μPa. Um
die Schmerzgrenze zu erreichen, bedarf es eines
Schalldrucks in der vergleichsweise astronomi­
schen Höhe von 20 000 000 μPa.
Als Guiseppe Verdi 1901 im Mailänder Grand Hotel
verstarb, bedeckte man die Straßen um das Gebäude
mit Stroh. Seine letzten Stunden sollten schließlich
nicht von Verkehrslärm gestört werden…
Ein Beispiel: Das sportliche Röhren eines hochtourig vorbeirauschenden Motorrades wird einem
Motorsport-Enthusiasten wie »Musik in den Ohren«
klingen, während ein anderer bei der Pflege seiner
Balkonpflanzen zusammenzuckt und beinahe die
Gießkanne aus dem dritten Stock fallen lässt.
Das Dezibel (dB)
Damit man beim Rechnen mit solchen Werten
nicht immer wahre Kolonnen von Nullen mitziehen
muss, haben sich die Physiker eine neue Maßgröße
einfallen lassen: den Schalldruckpegel. Er wird in
Dezibel, abgekürzt dB, ausgedrückt und führt zu
kleineren Zahlenwerten.
Der Schalldruckpegel Lp
Der Schalldruckpegel (Lp) errechnet sich als der
20-fache Logarithmus des Verhältnisses des
momentanen Schalldruckes (p) zur Hörschwelle
(p0) bzw. des 10fachen Logarithmus des quadrierten Schalldrucks, der zur Energie des Schallfeldes proportional ist. Klingt kompliziert, ist kompliziert – erleichtert aber einiges: Denn durch diese
Rechenvorschrift und den Hörbereich des menschlichen Ohres ergeben sich Schallpegelwerte zwischen 0 und ca. 120 dB.
Das Ohr ist kein technisches Gerät
Alle bislang vorgestellten Einheiten sind physikalisch definierte Begriffe, die mit objektiven Messgeräten ermittelt werden. Das menschliche Ohr ist
aber kein technisches Messgerät, sondern ein Sensor, der im Laufe der Evolution auf die für das
Leben in der Natur wichtigsten Tonhöhenbereiche
optimiert wurde.
Ganz Ohr ist das Ohr bei 4000 Hertz
Beim Menschen sind das die Bereiche, in denen
Sprache und Kommunikation stattfindet. Die
höchste Empfindlichkeit des Ohres besteht zwischen 1000 bis 10 000 Hz – die beste Wahrnehmung liegt bei rund 4000 Hz.
Emission – Immission?
Im Rahmen der Umweltdiskussion, besonders
aber im Zusammenhang mit dem Phänomen
„Lärm“” trifft man immer wieder auf die
Begriffe Emission und Immission. Das bedeutet: Lärmemission, dass eine Lärmquelle
(Maschine, Mensch, Musikanlage etc.) Lärm
abstrahlt. Wenn dieser Lärm nun auf den Menschen – beziehungsweise auf sein Gehör – einwirkt, bezeichnet man das als Lärmimmission.
Das Gesetz, das unter anderem den Menschen
vor Schäden durch Lärmeinwirkung schützen
soll, heißt daher auch „Bundes-Immissionsschutz-Gesetz” (BImschG).
Die A-Bewertung
Wie laut ein Ton also empfunden wird, hängt auch
von der Frequenz (Tonhöhe) ab. Bei der Messung
des Lautstärkepegels mit einem Messgerät ist dies
folglich zu berücksichtigen. Das Mikrofon nimmt
die Druckunterschiede des Schalls unabhängig von
der Frequenz auf. Um die Lautstärkeempfindung
des Menschen nachzubilden, wird dann als Filter
die so genannte A-Bewertungskurve angewendet.
Der so ermittelte Lärmpegel wird A-bewerteter
Schalldruckpegel genannt und in der gängigen
Einheit dB(A) angegeben. Die Praxis hat gezeigt,
dass dieser Pegel den Geräuscheindruck relativ
zuverlässig wiedergibt.
ADACsignale 3
FAKTEN UND HINTERGRÜNDE
Schallquellen: Was ist laut und was ist leise?
10 dB(A) sind die »halbe Miete«
Um subjektiv eine Halbierung des empfundenen
Lärms zu erreichen, ist eine Verringerung des
Schallpegels um 10 dB(A) nötig. Hierfür müssen
allerdings massive Maßnahmen vorgenommen
werden – notwendig sind z.B. eine Verringerung
der Fahrzeugmenge auf ein Zehntel oder der Bau
einer hohen Lärmschutzwand.
und wir hören den Ton. Werden die Flimmerhärchen extrem gereizt, produzieren sie zuviel Glutamat und dies ist Gift für den Hörnerv.
Ist ein Arbeitnehmer acht Stunden am Tag diesem
Lärm ausgesetzt, verlangt die Berufsgenossenschaft Lärmschutzmaßnahmen. Bei Jugendlichen
wird das Gehör schon bei ein bis zwei Discobesuchen oder vier Stunden
Die folgende Abbildung stellt die Zusammenhänge grafisch dar:
pro Woche gefährdet.
Dabei beginnt der Hör70 dB
verlust bei den hohen
Tönen um 4.000 Hz und
73 dB
+ 3 dB
bildet sich zunächst
Unterschied gerade wahrnehmbar
nach einer Ruhephase
+ 10 dB
wieder zurück. Bei wieVerdoppelung der subjektiven Lautstärke
derholten Belastungen
kommt es zu bleibenden
80 dB
Hörschäden.
Zehn Autos sind subjektiv doppelt so laut wie eines
Lärm ist nicht gleich Lärm:
Auf den Pegel kommt es an
Nach den bisher genannten Gesetzmäßigkeiten
lassen sich nur konstante Geräusche messen und
untereinander vergleichen. Um aber den Verkehrslärm mit seinen auf- und abschwellenden
Geräuschen darstellen zu können, muss eine neue
Größe herangezogen werden: der so genannte
Mittelungspegel Lm. Er ist ein Mittelwert für
Lärm mit variabler Lautstärke innerhalb einer
bestimmten Zeit. Er ergibt sich aus einer komplizierten Rechnung, das Ergebnis ist der energie­
äquivalente Dauerschallpegel in dB(A). Er
beschreibt das zeitlich veränderliche Verkehrsgeräusch in einem Wert: die Schall­energie des
schwankenden Geräuschs ist genauso hoch wie die
Energie einer Schallquelle mit konstanter Lautstärke in der Höhe des Mittelungspegels. Jetzt kann in
Zahlen dargestellt werden, wie laut eine Straße ist
und wie sehr der Verkehrslärm wirklich stört.
Lärm hat viele Folgen
Wann wird ein Geräusch zu Lärm?
Immer häufiger stellen Ärzte gerade bei Jugendlichen Hörminderungen fest, die Folgen haben
können wie
● Minderung der Leistungsfähigkeit, besonders bei
Aufgaben, die Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern, wie zum Beispiel im Schulunterricht.
● Reizung des zentralen und vegetativen Nervensystems. Folgen: Vor allem Schlafstörungen und
Beeinträchtigung von Entspannungsphasen.
● Störung der Unterhaltung und der akustischen
Orientierung.
● Beeinträchtigung des Wohlbefindens, erhöhte
Reizbarkeit.
● zeitweilige oder bleibende Hörschäden (Lärmschwerhörigkeit).
Es gibt eine Reihe von Kriterien, von denen
abhängt, ob ein Geräusch als Lärm empfunden
wird:
● Die Dauer eines Geräusches und sein zeitlicher
Verlauf, z.B. Schwankungen in Lautstärke und
Tonlage, bestimmen die Wirkung ebenso wie die
Häufigkeit der Geräusche.
● Bei 4 kHz ist das menschliche Ohr am empfindlichsten, Geräusche in mittleren Frequenzen
wirken daher besonders störend.
● Zusätzlich steigt die subjektiv empfundene
Lästigkeit eines Geräusches mit zunehmendem
Anteil hoher Frequenzen an. Das heißt in der
Praxis: Das hohe, kreischende Geräusch eines
Mopeds wird als störender empfunden als das
gleichmäßige Blubbern eines Schiffs-Diesels.
Kritischer Punkt 85 dB(A)
Vielfach liegt die Erklärung für diese Schäden in
den Freizeitgewohnheiten, die häufig mit Lärm
verbunden sind. Das gilt besonders für Discobesuche, bei denen die Jugendlichen regelmäßig
Schallpegeln von 80 bis 110 dB ausgesetzt sind,
wobei jedes Mal Tausende von Hörzellen absterben. Dieser Pegel entspricht der Lautstärke eines
Bohrhammers.
Lärm plus Lärm: Addieren von Dezibel?
Lärm kann man nicht so einfach addieren. Dezibel
(dB) ist eine logarithmische Größe. So machen
zwei Autos mit je 70 dB nicht einen Lärm von
140 dB. Der Schallpegel steigt stattdessen um 3 dB
auf 73 dB an. Dieser Anstieg ist gerade mal wahrnehmbar. Eine Verzehnfachung der Autos erhöht
den Schallpegel um 10 dB auf insgesamt 80 dB.
Ein Anstieg um 10 dB wird wie eine Verdoppelung
der subjektiven Lautstärke empfunden.
4 ADACsignale
Übrigens: Der kritische Bereich für eine Hörschädigung unter Arbeitslärmgesichtspunkten beginnt
bei 85 dB(A).
Verantwortlich ist der Botenstoff Glutamat: Breitet
sich ein Ton im Ohr aus, versetzt er die feinen
Flimmerhärchen in Schwingungen, diese produzieren Glutamat, das am Hörnerv ein elektrisches
Signal erzeugt. Die Information gelangt ins Gehirn
Hätten Sie’s gewusst:
Das Gehör leistet Unglaubliches: Wir können
extrem leise Geräusche wahrnehmen. Wenn
wir ebenso gut sehen könnten, würden wir eine
10-Watt-Birne noch aus 1.000 Kilometern Entfernung erkennen. Wir hören eine Spannbreite
von über 10 Oktaven – von 20 Hertz bis 16.000
Hertz. Die Leistung des Auges entspricht nur
einer Oktave. Wenn man den Dynamikbereich
des Gehörs auf eine Waage übertragen würde,
könnte diese Waage vom Sandkorn bis zum
Traktor alles wiegen, ohne umgeschaltet werden zu müssen. Das Gehör ist das empfindlichste und dynamischste Sinnesorgan des
Menschen.
FAKTEN UND HINTERGRÜNDE
Gestörte Unterhaltung
Lärm ist auch verantwortlich für diverse Probleme
im sozialen Bereich. Die Kommunikation wird
gestört, Radios und Fernseher werden lauter
gedreht.
Lärm und der Faktor Zeit
Auch die Dauer, die man einer Lärmeinwirkung
ausgesetzt ist, spielt eine wichtige Rolle. Bei einem
mittleren Schallpegel von 85 dB(A) und der Einwirkzeit von knapp 6 Stunden pro Tag kann eine
Schädigung des Gehörs auftreten. Bei höheren
Pegeln wird die maximal zulässige Einwirkzeit
schneller erreicht – dann sind Gehörschutzmaßnahmen notwendig.
Viele nicht-akustische Phänomene haben Einfluss auf die Wahrnehmung von Geräuschen:
●W
esentlich ist z.B. die Frage, wer den Lärm verursacht und welche Beziehung zum Verursacher
besteht. Hinter vielen Lärmproblemen stecken
unbewusste, soziale Konflikte.
●A
uch die Einsicht in die Notwendigkeit eines
Geräusches ist entscheidend: Der Müllabfuhr
verzeiht man den Krach eher als dem jugendlichen Mopedfahrer, der nach Feierabend seine
Runden durch das Wohnviertel dreht.
●G
eräusche, die ortsüblich sind und erwartet
werden, werden als nicht so störend empfunden
wie etwa Bau- oder Industrielärm in einem
Wohngebiet.
●G
eräusche der Natur können einen sehr hohen
Schallpegel verursachen, z.B. ein Bach, ein Wasserfall, Blätterrauschen bei starkem Wind,
Gewitter. Sie werden aber kaum als Lärm wahrgenommen.
●D
ie subjektive Lärmbelästigung erhöht sich,
wenn man die Geräuschquelle sehen kann. Deshalb haben Bepflanzungen zwischen Straßen
und Wohngebäuden, die eigentlich nur eine
geringe Geräuschminderung bewirken, oft eine
erhebliche psychologische Wirkung.
● F ür das Maß der subjektiven Störung ist auch
die momentan ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Jemand, der sich gerade stark konzentrieren muss, reagiert auch auf leise Störgeräusche
ausgesprochen empfindlich.
Viel Lärm um nichts?
Die Lärmempfindung unterliegt zweifellos auch
stark psychologischen Einflüssen. Daraus darf aber
nicht geschlossen werden, die Belästigung durch
Lärm sei nur eingebildet. Laut einer repräsentativen Umfrage des Umweltbundesamtes von 2004
gaben 60 Prozent der Bevölkerung an, dass sie sich
von Straßenverkehrslärm gestört fühlen. Und die
negativen Auswirkungen von Lärm auf die Gesundheit sind nicht zu leugnen.
Lärm macht krank
3 dB(A) – wahrnehmbar oder nicht?
Die möglichen Folgen des Lärms beschränken sich
nicht nur auf die Schädigung des Gehörs. Mittlerweile wurden auch andere physische sowie psychische, ökonomische und soziale Auswirkungen
belegt.
In vielen Publikationen heißt es, eine Lärmminderung von weniger als 3 dB(A) sei nicht wahrnehmbar. Auch die Rechtsprechung sieht eine
Lärmschutzmaßnahme erst ab einer Pegelminderung von 3 dB(A) als wirksam an. Das Gehör
kann zweifellos auch deutlich geringere Lärmunterschiede wahrnehmen – bei einer Frequenz von 1 kHz und einer Lautstärke von 70
dB(A) z.B. ist sogar die Abnahme um ein halbes
Dezibel hörbar. Diese sensible Wahrnehmung
wird aber nur im direkten Vergleich erreicht,
wenn im Labor zwei unterschiedlich laute Töne
oder Geräusche unmittelbar nacheinander
abgespielt werden. Wird dagegen Probanden im
Tonstudio heute Straßenverkehrslärm von 60
dB(A) und morgen von 63 dB(A) dargeboten,
können nur sehr wenige Menschen einen
Unterschied feststellen.
Psychophysische Folgen bis zum Herzinfarkt
Schon bei geringer Lautstärke kann der Lärm im
Körper eine instinktive Schutzfunktion (Kampfoder Fluchtreaktion) auslösen. Selbst dann, wenn
das Geräusch nur unbewusst oder im Schlaf wahrgenommen wird, sendet der Körper daraufhin
Stresshormone aus. Die möglichen Folgen neben
einer grundsätzlichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens sind chronische Schlafstörungen, Reizbarkeit, Ohnmachtgefühle und schlechte Laune.
Von Lärm belastete und belästigte Menschen leiden unter Konzentrationsschwächen, die Lern- und
Leistungsfähigkeit nimmt ab. Durch die Reizung
des zentralen und vegetativen Nervensystems,
durch Nervosität und den gefühlten Stress kann
Straßenverkehrslärm mitverantwortlich für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin
zum Herzinfarkt sein.
Entscheidend ist vor allem die Charakteristik
der Lärmquelle. Fallen bei einem mittleren
Grundgeräusch einige wenige hohe Peaks weg,
ist eine Verbesserung der Lärmsituation eindeutig wahrnehmbar.
Ökonomische Folgen
Auch die ökonomischen
Folgen von Lärm sind breit
gefächert. Sie reichen von
Krankheitskosten und
Berufsunfähigkeitsrente
wegen Schwerhörigkeit
(die häufigste aller
Berufskrankheiten) über
die Wertminderung von
Häusern und Grundstücken bis hin zu den
Kosten für Lärmschutzwände und Wälle.
Der Schall wird über die Lärmschutzwand gebeugt –
vollkommen ruhig ist es dahinter deshalb nicht
ADACsignale 5
FAKTEN UND HINTERGRÜNDE
Straßenverkehrslärm ist mehr als nur
heulende Motoren
Es ist nicht nur der Motor, der Krach macht. Straßenverkehrslärm ist das Ergebnis aus vielen Einzelgeräuschen von Kraftfahrzeugen. Er ist ein Konzert
aus einem ganzen Orchester von Solisten – nur
weniger harmonisch. Zuerst soll in der Betrachtung
aber das einzelne Kfz im Vordergrund stehen – die
erste Geige sozusagen…
Die Ampel "grünt", der Lärm steigt…
Wenn schon Lärm, dann wenigstens gleichmäßig,
sagen viele Menschen, die an stark befahrenen
Straßen wohnen. Pech, wenn sie dann eine Ampel
vor dem Schlafzimmerfenster haben. Schaltet sie
um auf Grün, kann der Lärmpegel bei Freigabe des
Verkehrs nämlich sprunghaft um bis zu 20 dB(A)
ansteigen. In der Richtlinie zum Lärmschutz an
Straßen (RLS-90) ist für Lichtsignalanlagen deshalb ein Zuschlag von mindestens 3 dB(A) für den
Dauerschallpegel vorgesehen. Störend wirkt vor allem
auch, dass durch das Bremsen und Anfahren ständig
andere Frequenzen entstehen.
Schutzmaßnahmen gegen
den Lärm
Ein Fahrzeug macht auf dreierlei Weise Lärm:
Wichtig ist, dass sowohl für
die Lärmemission als auch
für die Lärmimmission
Schutzmaßnahmen möglich
sind. So machen die Automobilhersteller die „Lärmquelle Auto” dadurch leiser, dass sie durch Kapselung des Motors den Lärm praktisch einsperren.
Hier sind jedoch Grenzen gesetzt, besonders wegen
thermischer Probleme.
● Das Geräusch von Motor und Antriebsstrang
● Geräusch von Reifen und Fahrbahn
● Geräusche vom Fahrtwind: aerodynamisch
erzeugter Lärm (Umströmungslärm), hervorgerufen von Turbulenzen in der Luftströmung
Reifen
Wie viel Lärm macht ein Kraftfahrzeug?
Das Abrollen der Reifen wird heute als entscheidende Geräuschquelle von Autos wahrgenommen.
Offenporiger Belag (rechts) schluckt den Schall, statt
ihn zu reflektieren
Auch mit baulichen Maßnahmen lässt sich
einiges gegen die Ausbreitung von Lärm tun. So
können Schallschutzmauern Wohngebiete vor dem
Lärm einer naheliegenden Straße schützen. Um
hier allerdings effektiv zu sein, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden, so auch die räumliche
Situation. Das Ganze ist nämlich wirkungslos,
wenn beispielsweise eine direkte Sichtverbindung
zur Lärmquelle besteht. Und: Je weiter Menschen
von der Schallschutzmauer wohnen, umso weniger
profitieren sie von der Schutzwirkung.
Rücksicht nehmen!
Nicht zu unterschätzen ist der persönliche Beitrag,
den jeder Einzelne leisten kann, in dem er durch
rücksichtsvolles Verhalten zur Lärmvermeidung
beiträgt.
Je nachdem, ob ein Pkw eine konstante Geschwindigkeit fährt oder beschleunigt wird, erzeugt er im
Stadtverkehr beim Vorbeifahren in 7,5 m Entfernung einen Lärm von etwa 65 bis 80 dB(A), ein
Lkw kommt auf bis zu 90 dB(A) und ein Motorrad
kann sogar bis zu 100 dB(A) erreichen. Dazu kommen noch Geräusche, die ganz wesentlich vom
Fahrer verursacht werden – wie etwa Hupen, Reifen-Quietschen, das Zuschlagen der Fahrzeugtüren
sowie der Sound aus der Stereoanlage im Auto usw.
Der Motor – eine echte »Krachmaschine«
Das Geräusch von Motor und Antriebsstrang hängt
von mehreren Faktoren ab:
● Explosionsgeräusche (Kraftstoff-Verbrennung im
Zylinder)
● mechanische Geräusche beweglicher Teile im
Motor
● aerodynamisch erzeugter Lärm durch Luftströmung im Ansaug- und Abgastrakt
● Motorenart (Benzin- oder Dieselmotor)
● Kapselung des Motors
● Leistung und Hubraum des Motors
● Drehzahl bzw. Gang, in dem gefahren wird
6 ADACsignale
Reifengeräusche entstehen, wenn die Profilblöcke
auf den Boden aufschlagen und die Luft aus den
Profilrillen entweicht. Beim Weiterdrehen vom
Boden weg verursachen die Profilblöcke dann Flattergeräusche. Auch der jeweilige Untergrund spielt
dabei eine bedeutende Rolle.
Der Weg zum geräuscharmen Reifen führt über die
Profilgeometrie („Profilgestaltung”), eines der zentralen Themen bei der Reifenentwicklung.
Nützliche Internet-Adressen
www.earaction.de/
www.bmu.de/laermschutz
www.laermwerkstatt.de
www.dasp.uni-wuppertal.de/ars_auditus/
www.fgh-gutes-hoeren.de
www.tag-gegen-laerm.de
TIPPS FÜR DIE PRAXIS
Hören und was so alles dazu gehört
Dabei müssen sie einfach erst noch lernen, sich auf wichtige Geräusche oder
Zurufe zu konzentrieren. Jugendliche oder auch Erwachsene kapseln sich mit
dem MP3-Player von der (Verkehrs-)Umwelt ab oder übertönen mit der Ste­
reo­anlage im Auto wichtige Verkehrsgeräusche.
Obwohl der Mensch circa 90 Prozent der Informationen zunächst visuell, also
über die Augen, aufnimmt, reicht ein intaktes Augenpaar allein nicht aus.
Unser Gehörsinn liefert uns zusätzlich wichtige Hinweise über Ereignisse
außerhalb unseres Gesichtsfeldes. Der Mensch hat hinten nun einmal keine
Augen, er kann nicht um die Ecke schauen, und auch das seitliche Gesichtsfeld
ist eingeschränkt.
Pete Townshend, berühmter Gitarrist der britischen Rockband „The Who”,
warnt junge Leute vor MP3-Playern und anderen digitalen Audioplayern.
Er empfiehlt, die Lautstärke herunterzudrehen, bevor es zu spät ist für
dein Gehör: „Hörverlust ist eine schreckliche Sache, weil er nicht geheilt
werden kann. Wenn du einen iPod oder sowas ähnliches benutzt, oder
dein Kind einen benutzt, kann alles gut gehen. Aber mein Gefühl sagt mir,
dass es bald mächtigen Ärger geben wird,” so Pete Townshend auf seiner
Website - www.petetownshend.co.uk.
Im Straßenverkehr ist die akustische Orientierung insbesondere im Hinblick
auf das Erkennen, Zuordnen, Interpretieren und die Lokalisation unterschiedlicher Verkehrsgeräusche und Gefahren von Bedeutung. Das Hören ist eine
wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am Verkehr.
Woher kommt das Geräusch?
Zu den wichtigsten Orientierungshilfen im Verkehr gehört das Richtungshören, eine Fähigkeit, über die kleine Kinder noch nicht verfügen. Der Mensch
verfügt mit seinen Ohren über zwei Schallempfänger, kann aber nicht von
Geburt an Geräusche orten oder sie aus einer Geräuschkulisse herausfiltern.
Bei Kindern bis etwa sechs Jahren ist das Hörvermögen voll ausgebildet, sie
können es jedoch noch nicht zur Rundum-Wahrnehmung einsetzen. Sie
schaffen es gerade einmal, Geräusche, die sich im 30°-Winkel von vorn
nähern, zu lokalisieren.
Übertragen auf eine Uhr heißt das: Wenn sich die Ziffer 12 vor dem Kind
befindet, kann es nur Geräusche aus Richtung 11, 12 und 1 Uhr richtig orten.
Kinder überhören auch manche Geräusche. Der Einfluss ablenkender Reize ist
noch groß, andere Geräusche sind interessanter und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Erst mit zunehmendem Alter lernen Kinder, ablenkende Reize zu
ignorieren und nur die wesentlichen Informationen herauszufiltern. Erst ab
etwa acht Jahren benutzen Kinder ihr Gehör regelmäßig im Verkehr mit, das
heißt aber nicht, dass die akustische Wahrnehmungsfähigkeit voll ausgebildet ist.
Auditive Wahrnehmung trainieren
Das müssen "die Kleinen" lernen:
Auditives Differenzieren
Warnsignale erkennen und den jeweiligen Verursachern zuordnen: Hupe von
Pkw, Martinshorn, Fahrradklingel, quietschende Reifen; in der Realität, in
Tonaufnahmen, z. B.
➢V
erkehrsgeräusche aufnehmen
➢V
erkehrsgeräusche aus einer vielfältigen Geräuschkulisse heraushören
An einer belebten Straße mit verbundenen Augen verschiedene Eindrücke
sammeln, beschreiben, interpretieren: z. B.
➢ F ahrgeräusche hören und entsprechenden Verkehrssituationen und Verkehrsmitteln zuordnen.
➢ e inen Videofilm mit Verkehrsszenen ohne Bild anhören, Verkehrssituationen beschreiben und anschließend visuell überprüfen
Lokalisation
Geräuschquellen lokalisieren:
➢ S timmen, Glockenläuten, bellender Hund
➢G
eräusche von versteckten Quellen lokalisieren: ein klingelndes Handy, ein
versteckter Wecker, mit offenen und verbundenen Augen
Entfernungshören
➢N
ahe und ferne Geräusche unterscheiden
➢ E rkennen, ob ein Geräusch näher kommt oder sich entfernt (z. B. im Klas-
senzimmer, in der Turnhalle, auf der Straße)
Ein geschultes Gehör – das wird häufig unterschätzt – kann diese Wahrnehmungslücken schließen. Kindern wird oft unterstellt, sie wollten nicht hören.
Zum Thema Hören gehört aber auch der ganze Bereich des „Lärms” und die
Möglichkeiten, ihn zu vermeiden. Gerade bei diesem Komplex können die
Schüler zu einem sozial verträglichen und umweltbewussten Verkehrsverhalten angeleitet werden. Da
es sich beim „Hören” um
einen Wahrnehmungsprozess handelt, sollten die
Lehrer im Sinne einer
Gesundheitserziehung
auch die Beeinträchtigung
der Hörleistung mit ihren
Schülern besprechen. Einfache Hörtests lassen sich
auch im Klassenzimmer
durchführen und sollten
regelmäßig erfolgen.
Weitere Tipps für den Unterricht:
adac.de/verkehr/verkehrserziehung/medien/adac_signale
In der Grundschule
Bis zu einem Alter von etwa acht Jahren laufen die Wahrnehmungsprozesse
bei Kindern deutlich langsamer ab. Richtungs- und Entfernungs­hören sind
noch nicht voll ausgeprägt. Auch gelingt es ihnen noch nicht, wichtige
Geräusche herauszufiltern. Kinder bevorzugen visuelle Reize und überhören
dadurch leicht akustische Signale. Laute Autos halten sie für schneller und
bedrohlicher als leise. In den ersten vier Schuljahren sollen die Schüler daher
vor allem ihre physischen und psychischen Voraussetzungen entwickeln und
trainieren, um selbständig am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Sie müssen lernen:
➢ Geräusche zu unterscheiden und zu benennen,
➢ verschiedene akustische Signale zu unterscheiden,
➢ auf akustische Signale zu reagieren,
➢ Verkehrsteilnehmer zu nennen, die Signale geben,
➢ anzugeben, in welcher Situation und zu welchem Zweck die Signale
gegeben werden,
➢ die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, zu zeigen,
➢ die Geräuschentfernung zu bestimmen.
Mögliche Beeinträchtigungen der akustischen Wahrnehmung durch Kopfhörer,
aber auch durch Kapuze, Mütze oder Schal sollten ebenfalls angesprochen
werden.
Im Sachkunde- und Musikunterricht bieten sich viele Möglichkeiten für spielerisches Lernen. Die Bewegungskoordination und das Reaktionsvermögen
werden durch den Sportunterricht und während der Radfahrausbildung gefördert.
ADACsignale 7
TIPPS FÜR DIE PRAXIS
Die Schüler sollen befähigt werden, sich als Fußgänger, Radfahrer, Benutzer
öffentlicher Verkehrsmittel und als Verkehrsteilnehmer verantwortungsbewusst zu verhalten.
Verkehrsrelevante Aspekte des Wahrnehmens und Reagierens werden vertieft,
die Bereitschaft, sich rücksichtsvoll zu verhalten, wird gefördert.
Ferner geht es um ein kritisches Einschätzen der biologischen und psychologischen Einschränkungen der akustischen Wahrnehmung. Dem wachsenden
technischen Interesse sollten die Lehrer vor allem im naturwissenschaftlichen
Unterricht Rechnung tragen.
Fächerintegration
Naturgemäß sind bei der Behandlung der Sinnesorgane und der Nervenfunktionen die Bezüge vielfältig. Informationsaufnahme und -verarbeitung, Überreizung, Schädigungen des Hörorgans, Stress und Lärm sind nur einige Schlagworte. Die Schüler sollen aber auch erfahren, dass Alkohol eine Herabsetzung
der Hörschwelle bewirkt. Relativ leise Töne werden nicht mehr wahrgenommen.
Auch wird unter Alkoholeinfluss der klangliche Gesamteindruck diffuser, einzelne Töne können immer weniger gut unterschieden werden.
Im Physik-Unterricht lassen sich innerhalb der Mechanik, Akustik und Elektrizitätslehre folgende Phänomene behandeln:
➢M
echanische Schwingungen: Resonanzvorgang beim Hören, Frequenz­
begriff
➢M
echanische Wellen: Schallwellen und ihre Ausbreitung, Reflexion, Beugung und Brechung, Interferenz am Beispiel von Lärmschutzmaßnahmen.
Berechnung der Schallgeschwindigkeit. Was bei der Reflexion von Ultraschallwellen passiert, kann an den von Fledermäusen und Delphinen ausgestoßenen Ultraschall- „Schreien”, die der Ortung dienen, erklärt werden.
➢A
kustik: Hier steht die Erzeugung von Schall im Vordergrund. Ton, Klang
und Geräusch. Lautstärke und Tonhöhe sind zentrale Begriffe. Aktuelle Themen sind, wie Lärm gemessen wird oder welche Schutzmaßnahmen man
gegen Schall und Lärm ergreifen kann. Jugendliche interessieren sich auch
dafür, wie beispielsweise die Schwingungen des Schalls auf einer CD
gespeichert werden.
➢ E lektrizitätslehre: Die Schüler als eifrige Besucher von Rockkonzerten inter­
essiert es in der Regel, wie ein Mikrofon funktioniert, wie darin aus Schallwellen Stromstärkeschwankungen erzeugt werden, wie diese Ströme von
Transistoren in den Verstärkern vergrößert und wie diese verstärkten Ströme dann im Lautsprecher wieder in Schallwellen verwandelt werden. Die
Hertzschen Wellen bieten weitere interessante Bezüge, denn sie erlauben
drahtlose Informationsvermittlung, wie sie von Rundfunk und Fernsehen
oder vom Telefon bekannt ist.
Im Mathematik-Unterricht lässt sich bei den proportionalen Zuordnungen
die Schallgeschwindigkeit berechnen. Bei der Behandlung des Logarithmus
kann man das menschliche Lautstärkeempfinden qualitativ beschreiben.
Für das Fach Deutsch bieten sich an:
➢U
nfallberichte zu den Themen „Das habe ich nicht gehört”, „Der MP3Player war schuld”
➢A
nalyse und Auswertung von Sachtexten (Zeitungsberichte über Lärmbe­
lästigungen oder Gesundheitsschäden nach dem Besuch von Rockkonzerten. Werbetexte)
➢ E rörterung einfacher und komplexer Sachverhalte, wie „Macht uns laute
Musik wirklich taub?”, „Der MP3-Player, mein ständiger Begleiter – Vorund Nachteile”.
Inwieweit verbindliche Normen das Zusammenleben regeln und Rücksichtnahme oberstes Gebot ist, erfahren die Schüler im Sozialkunde-Unterricht. Außerdem werden Rechts- und Versicherungsfragen am Beispiel des Paragraphen 23
(1) der StVO (Straßenverkehrsordnung) behandelt.
Dass das Fach Musik bei der Schulung des Gehörs wertvolle Beiträge leistet,
versteht sich von selbst.
8 ADACsignale
Gymnasiale Oberstufe und Berufsschulen
Schüler dieser Altersgruppe setzen sich in ihrer Freizeit verstärkt hohen
Geräuschpegeln aus. Regelmäßige Besuche von Discos und Rockkonzerten sind
an der Tagesordnung. Im Auto darf der CD-/MP3-Player nicht fehlen. Für den
richtigen Sound sorgen nicht selten acht und mehr Lautsprecher. Berufsschüler
müssen oftmals auch an ihrem Ausbildungsplatz Lautstärken ertragen, die auf
die Dauer gesundheitliche Schäden nach sich ziehen können. Maßnahmen zum
Lärmschutz, wie sie von den Berufsgenossenschaften vorgeschrieben sind, werden von den Jugendlichen (wie auch von vielen Erwachsenen) nicht immer
ernst genommen. Gerade deshalb ist Aufklärung hier besonders wichtig.
Im naturwissenschaftlichen/technischen Unterricht lassen sich die Kenntnisse über Schall, Lärmemission und -immission vertiefen. Schall- und Lärmschutzmaßnahmen werden nach ihrer Effizienz beurteilt. Die Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie die Reaktionsauslösung sollten genauso auf
dem Stundenplan stehen wie die Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit und
-sicherheit durch Hören von zu lauter Musik, Alkohol, Stress oder Ablenkung
durch Mitfahrer. Innerhalb der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer sowie
der Fächer Deutsch und Religion/Ethik geht es um die Befähigung zu verantwortungs- und rücksichtsvollem Verhalten und Handeln, die Einsicht in die
Notwendigkeit von Normen und nicht zuletzt die Mitwirkung bei der Gestaltung einer humanen Verkehrswelt.
Wussten Sie schon?
... dass in Deutschland bei lauten Musikveranstaltungen auf die Gefahren fürs
Gehör hingewiesen werden muss? Nach der seit November 2007 geltenden DINNorm 15905-5 muss das Publikum auf die mögliche Gefährdung des Gehörs
hingewiesen werden, wenn zu erwarten ist, dass der mittlere Schallpegel 85
Dezibel überschreiten wird. Ab 95 Dezibel muss der Veranstalter für jeden Besucher Gehörschutz bereit halten und dazu auffordern, diesen auch zu tragen.
... dass man morgens besser hört als abends? Durch die Belastung im Lauf des
Tages kommt es bei den meisten Menschen zu einer vorübergehenden Absenkung der Hörschwelle.
... dass man in der New Yorker U-Bahn sein Gehör riskiert? Wer täglich eine halbe
Stunde in New York U-Bahn fährt, kann bereits einen Gehörschaden davon tragen, denn die Lärmpegel gehen bis zu 106 Dezibel.
... dass wir auch bei niedrigen Schallpegeln aufwachen, wenn unser Gehirn diese
Geräusche als wichtig einstuft? Darunter fallen ungewohnte Klänge, Geräusche,
die die eigenen Kinder machen, und wenn wir mit unserem Namen angesprochen werden.
... dass 20 Prozent der Bundesbürger angeben, wegen der Lärmbelastung nicht
bei offenem Fenster schlafen zu können? Schon ab 30 Dezibel sind Schlafstörungen möglich. Ab 45 Dezibel werden vermehrt Stresshormone ausgeschieden.
Man träumt kürzer und ist zwischendurch länger wach.
Impressum
ADACsignale
Informationen und Tipps für die Schule
Herausgegeben vom ADAC e.V., München
Bereich Verkehrssicherheitsprogramme (VSP)
Verantwortlich: Beate Pappritz, Leiterin VSP
Redaktion: Beate Pappritz, Renate Rössle-Ståhl
Beratung: Dr. Ursula Kreusel (VIN), Michael Niedermeier (VIN)
Am Westpark 8, 81373 München,
Tel: (089) 76 76 24 73 Fax: (089) 76 00 208
E-Mail: [email protected]
www.adac.de/verkehr/verkehrserziehung
Fotos/Graphiken: ADAC, Max Liebermann
Nachdruck und Kopien mit Quellenangabe gestattet.
Ausgabe 32, Januar 2009
2833493/01.09/30'
In den Klassen 5 bis 10
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