Informationen und Tipps für die Schule Ausgabe 32, Januar 2009 ADAC signale Fakten und Hintergründe (S. 1 – 6), Tipps für die Praxis (S. 7 – 8) sein Sehvermögen prüfen lässt und notfalls eine Sehhilfe benutzt. Die möglichen Beeinträchtigungen der akustischen oder auditiven Wahrnehmung und deren Folgen sind dagegen nicht jedem bewusst. Viele Radler hören während der Fahrt ihre Lieblingsmusik aus dem MP3-Player, und so mancher Autofahrer ist in einer rollenden Diskothek unterwegs – mit überdimensionierten Verstärkern und Lautsprechern. So hört er weder andere Verkehrsteilnehmer noch das Martinshorn von Polizei oder Feuerwehr und der Faktor Ablenkung kommt erschwerend hinzu. Für die einen ist es Musik, für die anderen nichts als Lärm. Das erkannte schon Wilhelm Busch, als er so trefflich schrieb: „Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden.” Schon gehört? Es gibt nur ein Gehör im Leben So ein Lärm! Alle reden davon und zwei Drittel der deutschen Bevölkerung fühlen sich durch ihn belästigt. Aber die meisten wissen gar nicht, was das genau ist – dieser Lärm. 14 Millionen Bundesbürger leiden nach Angaben der Hals-, Nasen- und Ohrenärzte an Hörschäden, die nicht mehr zu kurieren sind, rund 10 Prozent der Jugendlichen sind behandlungsbedürftig, in der Altersgruppe von 16 bis 20 Jahren weist bereits etwa jeder Fünfte Auffälligkeiten im Innenohr auf. Die Grenze der meist schleichenden Gehörverschlechterung bemerkt niemand selbst. Die anderen sprechen eben leiser und undeutlicher. Auch verursacht schlechtes Hören keine Schmerzen, die einen Arztbesuch nötig machen. Oft sind es erst die Angehörigen, die den Hörgeschädigten zur Kontrolle seines Gehörs veranlassen. Discobesuche, Motorradfahren, lautes Musikhören über Kopfhörer etc. legen den Grundstein für spätere Gehörprobleme. „Wer nicht hören will, muss fühlen.” Auf den Straßenverkehr bezogen müsste diese Weisheit heißen: „Wer nicht hören kann, lebt gefährlich.” Dennoch können auch Gehörlose den Führerschein für Auto oder Motorrad erwerben. Für sie gelten die gleichen Regeln wie für Hörende. Die Kontrolle über die Situation im Straßenverkehr erfolgt doch fast ausschließlich durch die Augen. Durch den fehlenden Hörsinn ist die Wahrnehmung über den Sehsinn besser ausgeprägt und geschult. Zudem sind Gehörlose durch akustische Reize, wie zum Beispiel Radio, nicht abgelenkt. Statistisch gesehen ist die Unfallhäufigkeit im Straßenverkehr bei Hörgeschädigten sogar geringer als bei Hörenden. Visuelles wird überbetont Obwohl wir den Löwenanteil an Informationen über das Verkehrsgeschehen mit dem Auge aufnehmen, spielt auch das Gehör eine wichtige Rolle, damit sich der Mensch sicher im Verkehr bewegen kann. Es ermöglicht insbesondere Gefahren, die noch nicht zu sehen sind, dennoch wahrzunehmen und sich darauf einzustellen. Wir leben in einer visuell überbetonten Welt. Deshalb leuchtet jedem ein, dass er von Zeit zu Zeit Wozu Lärm im Extremfall führen kann, war schon im alten China bekannt. 200 v. Ch. wurden dort Gotteslästerer zum „Musiktod” verurteilt: „Wer den Höchsten schmäht, soll nicht gehängt werden, sondern die Flötenspieler, Trommler und Lärmmacher sollen ihm ohne Pause so lange vorspielen, bis er tot zu Boden sinkt. Das ist der qualvollste Tod, den ein Mensch erleiden kann.” Das Thema „Lärm" und „Hören“ eignet sich in vielerlei Hinsicht für den fächerübergreifenden, handlungsorientierten und integrativen Unterricht sowohl an Grundschulen als auch in der Sekundarstufe I und II und schließt sowohl Aspekte der Gesundheits- und Umwelterziehung als auch der Sicherheitsund Sozialerziehung mit ein. In dieser Ausgabe: ❑ Das Ohr – ein Präzisions­ instrument ❑ Lärm hat viele Folgen ❑ Unerwünschter Schall ist Lärm ❑ Straßenverkehrslärm ist mehr als nur heulende Motoren ❑ Woher kommt das Geräusch? ❑ Tipps für die Praxis ADACsignale FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Das Ohr ist ein Präzisionsinstrument Das Gehör – oft unvollständig nur als Ohr bezeichnet – ist das am feinsten gebaute und am präzisesten funktionierende Organ des menschlichen Körpers, doch die wenigsten Menschen denken bewusst über ihre Ohren nach. Es ist ungemein leistungsfähig, aber auch sehr gefährdet. Es ist nicht für unsere laute Zivilisation geschaffen und einmal aufgetretene Hörschäden sind meist irreparabel. Hören ist ein komplizierter Vorgang, bei dem auch das Gehirn Höchstleistungen erbringen muss. Um präzise hören und verstehen zu können, müssen beide Ohren funktionieren. weit es entfernt ist. Gerade im Dunkeln merkt man, wie wichtig das Gehör ist. Verständigung durch Sprache ermöglichen Für den Spracherwerb ist ein funktionierendes Gehör besonders wichtig. Denn erst Hören ermöglicht eine sprachliche Kommunikation. Wer schlechter hört, bei dem kann auch die Sprache mit der Zeit verkümmern. Er verliert die Möglichkeit, soziale Kontakte aufzunehmen und gerät immer mehr in die Isolation und vereinsamt. Mit einem intakten Gehör sind Gespräche auch unter ungünstigen Bedingungen – Hintergrundgeräusche, schlechte Telefonverbindung, hallende Räume – möglich. Informieren Über die Ohren nehmen wir viele Informationen auf – Gespräche, Telefon, Radio, Fernsehen u.v.m. Und auch die Aufmerksamkeit wird vielfach durch das Hören aktiviert. „Der Nächste bitte” in einer Praxis kann vom schlecht hörenden Menschen ebenso überhört werden wie Durchsagen auf Bahnhöfen. „Nicht sehen können trennt von den Dingen, nicht hören können von den Menschen", wusste schon der Philosoph Immanuel Kant. Das Ohr (lat. auris) ist ein Sinnesorgan, mit dem Schall, also Ton oder Geräusch, als akustische Wahrnehmung aufgenommen wird. Neben der reinen Vermittlung von sprachlicher Information erfüllt das Hören in unserem Leben noch weitere wichtige Aufgaben: Alarmieren Das Hören hat Warnfunktion, es macht uns auf Gefahren aufmerksam, besonders auch im Straßenverkehr. Wer schlecht hört, kann beim Überqueren einer Straße das nahende Auto überhören. Eine wichtige Gehörfunktion ist die Orientierung. Bei geschlossenen Augen hören wir, ob wir uns in einem großen Raum oder in einem kleinen Zimmer befinden. Da wir mit zwei Ohren hören, können wir einschätzen, aus welcher Richtung Geräusche kommen. Mit schlechtem Gehör ist es nahezu unmöglich, festzustellen, woher ein Geräusch kommt und wie 2 ADACsignale Zentrales Hörorgan oder Innenohr: Der eigentliche Hörvorgang findet im Innenohr statt. Hier befindet sich die Cochlea (Hörschnecke) mit zweieinhalb Windungen. Ihr Inneres ist mit Flüssigkeit gefüllt und enthält eine feine Haut, die wie eine Wendeltreppe im Inneren verläuft. Auf dieser Haut sitzen ca. 15 – 20.000 spezialisierte Hörsinneszellen. Die Schwingungsbewegungen der Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) stimulieren am ovalen Fenster die Flüssigkeit in der Cochlea. Die Wellenbewegungen der Flüssigkeit bewirken sodann ein Verbiegen der Härchen der Hörsinneszellen und die Auslösung elektrischer Impulse, die über die Hörnerven zum Hörfeld des Gehirns geleitet werden. Im Hörfeld des Gehirns, welches beiderseits in der Nähe der Schläfen sitzt, werden die Impulse des Hörnervs verarbeitet und sortiert. Dort findet die Wahrnehmung als Geräusch, Ton, Laut, Musik und Sprache statt. Der Weg des Schalls: Stimmungen transportieren In zwischenmenschlichen Beziehungen ist nicht nur wichtig, was gesprochen wird, sondern auch wie gesprochen wird: „Der Ton macht die Musik”. Bei Gesprächen hören wir mehr als nur Worte. Wir nehmen auch die Lautstärke, Sprachmelodie oder Tonhöhen wahr und entschlüsseln damit die Stimmungen und Gefühle der Sprecher, wie z.B. Ironie, Erstaunen, Aggressionen. Allein die Betonung eines einzelnen Wortes wie „nein”, kann diesem höchst unterschiedliche Bedeutungen geben. Erstaunen, Begeisterung, Zustimmung, Ablehnung, Zweifel, Ironie, Heuchelei - all dies kann Sprache quasi „nebenbei” aussagen. So funktioniert das Ohr Orientieren gefüllten Räumen, deren zentraler Teil die Paukenhöhle bildet. Das durch den Schall in Schwingungen gebrachte Trommelfell überträgt diese Schwingungen auf die drei Gehörknöchelchen: Hammer, Amboss und Steigbügel. Der Steigbügel verschließt am anderen Ende eine kleine Öffnung in der Mittelohrwand, das ovale Fenster. Die Anordnung und Größe der Gehörknöchelchen im Mittelohr führt zu einer Verstärkung der Schwingungen. Beim Menschen wird das Ohr in das äußere, das Mittel- und das Innenohr unterteilt. Das äußere Ohr: Die Ohrmuschel fängt die Schallwellen auf, die sich in der Luft ausbreiten und leitet den Schall durch den Gehörgang zum Trommelfell, das am Eingang zum Mittelohr sitzt. Mittelohr: Das Mittelohr besteht aus einem System von luft- Ohrmuschel → Gehörgang → Trommelfell → Gehörknöchelchen → Hörschnecke → Hörnerv Erkrankungen Jährlich erkrankt durchschnittlich einer von 3.000 Bundesbürgern am Hörsturz. Es trifft meist Menschen um das 50. Lebensjahr. Ein Hörsturz tritt plötzlich, innerhalb von Sekunden und ohne erkennbare Ursache auf. Die Folge ist eine meist einseitige Minderung des Hörvermögens oder gar die Ertaubung des Ohres. Etwa 90 Prozent der Patienten leiden gleichzeitig unter Ohrgeräuschen (Tinnitus). Tinnitus ist ein Oberbegriff für alle Arten von Ohroder Kopfgeräuschen, unabhängig von deren Ursachen. Leidet ein Patient unter „Ohrensausen”, nimmt er einen Ton oder ein Geräusch wahr, der bzw. das außerhalb seines Kopfes nicht existiert. Tinnitus kann in jedem Lebensalter vorkommen. Etwa acht Prozent aller Erwachsenen sind betroffen. Durch die stetig zunehmende Lärmbelastung (z.B. in Diskotheken) nimmt aber die Häufigkeit schon im jugendlichen Alter zu. So leiden mehr als fünf Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Tinnitus. FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Das sagt die StVO Auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) befasst sich mit dem Hören. In § 23 (1) heißt es: „Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch ... Geräte … beeinträchtigt werden...”. Im Klartext heißt das, es ist dem Fahrer verboten, während der Fahrt mit Kopfhörern Radio, Musik etc. zu hören. Auch Radfahrer dürfen nicht mit Kopfhörern fahren, weil sie ihr Gehör beeinträchtigen. Unzulässig ist auch, Geräte im Auto so laut zu betreiben, dass die Fähigkeit beeinträchtigt wird, Verkehrsgeräusche aus dem Umfeld wahrzunehmen. Unerwünschter Schall ist Lärm Alle reden von Lärm, die meisten stört er. Doch kaum einer weiß, was das ist. Jeder meint etwas anderes, denn für Lärm gibt es keine gemeingültige Definition. Ein Geräusch wird als Lärm empfunden, wenn es stört, belästigt oder gesundheitlich schädigt. Man muss sich nur einmal umhören, die Vielfältigkeit der Lärmquellen ist enorm: Wir werden nicht nur von Autos, Zügen und Flugzeugen »beschallt«, der Lärm dröhnt auch von Baustellen, Industriegeländen und Kinderspielplätzen. Und doch wird nicht jeder Schall als Lärm empfunden und auch die Lautstärke ist nicht entscheidend. Viel wichtiger für das Lärmempfinden ist der Informationsgehalt. Lärm ist also subjektiv. Experten haben deshalb festgelegt, dass Schall dann zu Lärm wird, wenn er belästigt, stört oder die Gesundheit beeinträchtigt. Auch Erfahrungen, Einstellungen, Stimmung, Gesundheitszustand, Alter und Tageszeit spielen eine Rolle: Am Tag ist der Mensch weniger empfindlich als nachts. Geräusche, die er in der Stadt toleriert, sind für ihn am Urlaubsort belästigend. Das heißt: Lärm ist unerwünschter Schall. Er ist kein physikalisches, sondern ein psychologisch-medizinisches Phänomen. Wie entsteht Schall? Durch die subjektive Bewertung ist Lärm mit physikalischen Geräten nicht messbar. Messbar jedoch ist der auftretende Schall. Nur – wie entsteht der eigentlich? Normalerweise wirkt der Luftdruck mit 100 000 000 000 μPa (Mikro-Pascal) auf das Trommelfell des menschlichen Ohres. Jeder sich bewegende Gegenstand (z.B. die Saite einer Geige) versetzt die Luft in Schwingungen und verändert den Druck. Bereits eine Schwankung um den 10milliardsten Teil des Luftdrucks reicht dabei aus, um als Schalldruck bzw. Ton wahrgenommen zu werden! Schall ist also nichts anderes als Schwingung der Luft. Akustische Grundbegriffe Frequenz Frequenz nennt man die Häufigkeit der Schwingungen je Zeit. Sie wird in der physikalischen Einheit Hertz (Hz) gemessen: Ein Hertz ist eine Schwingung je Sekunde. Der Hörbereich eines jungen Menschen reicht von 16 Hz bis 20 kHz (Kilohertz = 1000 Hertz). Im Alter nimmt das Hörvermögen, insbesondere im hohen Frequenzbereich, ab. Hörschwelle Die Hörschwelle (in der Formelsprache der Physiker p0 genannt) eines Menschen mit gesundem Hörorgan liegt bei einem Schalldruck von 20 μPa. Um die Schmerzgrenze zu erreichen, bedarf es eines Schalldrucks in der vergleichsweise astronomi­ schen Höhe von 20 000 000 μPa. Als Guiseppe Verdi 1901 im Mailänder Grand Hotel verstarb, bedeckte man die Straßen um das Gebäude mit Stroh. Seine letzten Stunden sollten schließlich nicht von Verkehrslärm gestört werden… Ein Beispiel: Das sportliche Röhren eines hochtourig vorbeirauschenden Motorrades wird einem Motorsport-Enthusiasten wie »Musik in den Ohren« klingen, während ein anderer bei der Pflege seiner Balkonpflanzen zusammenzuckt und beinahe die Gießkanne aus dem dritten Stock fallen lässt. Das Dezibel (dB) Damit man beim Rechnen mit solchen Werten nicht immer wahre Kolonnen von Nullen mitziehen muss, haben sich die Physiker eine neue Maßgröße einfallen lassen: den Schalldruckpegel. Er wird in Dezibel, abgekürzt dB, ausgedrückt und führt zu kleineren Zahlenwerten. Der Schalldruckpegel Lp Der Schalldruckpegel (Lp) errechnet sich als der 20-fache Logarithmus des Verhältnisses des momentanen Schalldruckes (p) zur Hörschwelle (p0) bzw. des 10fachen Logarithmus des quadrierten Schalldrucks, der zur Energie des Schallfeldes proportional ist. Klingt kompliziert, ist kompliziert – erleichtert aber einiges: Denn durch diese Rechenvorschrift und den Hörbereich des menschlichen Ohres ergeben sich Schallpegelwerte zwischen 0 und ca. 120 dB. Das Ohr ist kein technisches Gerät Alle bislang vorgestellten Einheiten sind physikalisch definierte Begriffe, die mit objektiven Messgeräten ermittelt werden. Das menschliche Ohr ist aber kein technisches Messgerät, sondern ein Sensor, der im Laufe der Evolution auf die für das Leben in der Natur wichtigsten Tonhöhenbereiche optimiert wurde. Ganz Ohr ist das Ohr bei 4000 Hertz Beim Menschen sind das die Bereiche, in denen Sprache und Kommunikation stattfindet. Die höchste Empfindlichkeit des Ohres besteht zwischen 1000 bis 10 000 Hz – die beste Wahrnehmung liegt bei rund 4000 Hz. Emission – Immission? Im Rahmen der Umweltdiskussion, besonders aber im Zusammenhang mit dem Phänomen „Lärm“” trifft man immer wieder auf die Begriffe Emission und Immission. Das bedeutet: Lärmemission, dass eine Lärmquelle (Maschine, Mensch, Musikanlage etc.) Lärm abstrahlt. Wenn dieser Lärm nun auf den Menschen – beziehungsweise auf sein Gehör – einwirkt, bezeichnet man das als Lärmimmission. Das Gesetz, das unter anderem den Menschen vor Schäden durch Lärmeinwirkung schützen soll, heißt daher auch „Bundes-Immissionsschutz-Gesetz” (BImschG). Die A-Bewertung Wie laut ein Ton also empfunden wird, hängt auch von der Frequenz (Tonhöhe) ab. Bei der Messung des Lautstärkepegels mit einem Messgerät ist dies folglich zu berücksichtigen. Das Mikrofon nimmt die Druckunterschiede des Schalls unabhängig von der Frequenz auf. Um die Lautstärkeempfindung des Menschen nachzubilden, wird dann als Filter die so genannte A-Bewertungskurve angewendet. Der so ermittelte Lärmpegel wird A-bewerteter Schalldruckpegel genannt und in der gängigen Einheit dB(A) angegeben. Die Praxis hat gezeigt, dass dieser Pegel den Geräuscheindruck relativ zuverlässig wiedergibt. ADACsignale 3 FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Schallquellen: Was ist laut und was ist leise? 10 dB(A) sind die »halbe Miete« Um subjektiv eine Halbierung des empfundenen Lärms zu erreichen, ist eine Verringerung des Schallpegels um 10 dB(A) nötig. Hierfür müssen allerdings massive Maßnahmen vorgenommen werden – notwendig sind z.B. eine Verringerung der Fahrzeugmenge auf ein Zehntel oder der Bau einer hohen Lärmschutzwand. und wir hören den Ton. Werden die Flimmerhärchen extrem gereizt, produzieren sie zuviel Glutamat und dies ist Gift für den Hörnerv. Ist ein Arbeitnehmer acht Stunden am Tag diesem Lärm ausgesetzt, verlangt die Berufsgenossenschaft Lärmschutzmaßnahmen. Bei Jugendlichen wird das Gehör schon bei ein bis zwei Discobesuchen oder vier Stunden Die folgende Abbildung stellt die Zusammenhänge grafisch dar: pro Woche gefährdet. Dabei beginnt der Hör70 dB verlust bei den hohen Tönen um 4.000 Hz und 73 dB + 3 dB bildet sich zunächst Unterschied gerade wahrnehmbar nach einer Ruhephase + 10 dB wieder zurück. Bei wieVerdoppelung der subjektiven Lautstärke derholten Belastungen kommt es zu bleibenden 80 dB Hörschäden. Zehn Autos sind subjektiv doppelt so laut wie eines Lärm ist nicht gleich Lärm: Auf den Pegel kommt es an Nach den bisher genannten Gesetzmäßigkeiten lassen sich nur konstante Geräusche messen und untereinander vergleichen. Um aber den Verkehrslärm mit seinen auf- und abschwellenden Geräuschen darstellen zu können, muss eine neue Größe herangezogen werden: der so genannte Mittelungspegel Lm. Er ist ein Mittelwert für Lärm mit variabler Lautstärke innerhalb einer bestimmten Zeit. Er ergibt sich aus einer komplizierten Rechnung, das Ergebnis ist der energie­ äquivalente Dauerschallpegel in dB(A). Er beschreibt das zeitlich veränderliche Verkehrsgeräusch in einem Wert: die Schall­energie des schwankenden Geräuschs ist genauso hoch wie die Energie einer Schallquelle mit konstanter Lautstärke in der Höhe des Mittelungspegels. Jetzt kann in Zahlen dargestellt werden, wie laut eine Straße ist und wie sehr der Verkehrslärm wirklich stört. Lärm hat viele Folgen Wann wird ein Geräusch zu Lärm? Immer häufiger stellen Ärzte gerade bei Jugendlichen Hörminderungen fest, die Folgen haben können wie ● Minderung der Leistungsfähigkeit, besonders bei Aufgaben, die Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern, wie zum Beispiel im Schulunterricht. ● Reizung des zentralen und vegetativen Nervensystems. Folgen: Vor allem Schlafstörungen und Beeinträchtigung von Entspannungsphasen. ● Störung der Unterhaltung und der akustischen Orientierung. ● Beeinträchtigung des Wohlbefindens, erhöhte Reizbarkeit. ● zeitweilige oder bleibende Hörschäden (Lärmschwerhörigkeit). Es gibt eine Reihe von Kriterien, von denen abhängt, ob ein Geräusch als Lärm empfunden wird: ● Die Dauer eines Geräusches und sein zeitlicher Verlauf, z.B. Schwankungen in Lautstärke und Tonlage, bestimmen die Wirkung ebenso wie die Häufigkeit der Geräusche. ● Bei 4 kHz ist das menschliche Ohr am empfindlichsten, Geräusche in mittleren Frequenzen wirken daher besonders störend. ● Zusätzlich steigt die subjektiv empfundene Lästigkeit eines Geräusches mit zunehmendem Anteil hoher Frequenzen an. Das heißt in der Praxis: Das hohe, kreischende Geräusch eines Mopeds wird als störender empfunden als das gleichmäßige Blubbern eines Schiffs-Diesels. Kritischer Punkt 85 dB(A) Vielfach liegt die Erklärung für diese Schäden in den Freizeitgewohnheiten, die häufig mit Lärm verbunden sind. Das gilt besonders für Discobesuche, bei denen die Jugendlichen regelmäßig Schallpegeln von 80 bis 110 dB ausgesetzt sind, wobei jedes Mal Tausende von Hörzellen absterben. Dieser Pegel entspricht der Lautstärke eines Bohrhammers. Lärm plus Lärm: Addieren von Dezibel? Lärm kann man nicht so einfach addieren. Dezibel (dB) ist eine logarithmische Größe. So machen zwei Autos mit je 70 dB nicht einen Lärm von 140 dB. Der Schallpegel steigt stattdessen um 3 dB auf 73 dB an. Dieser Anstieg ist gerade mal wahrnehmbar. Eine Verzehnfachung der Autos erhöht den Schallpegel um 10 dB auf insgesamt 80 dB. Ein Anstieg um 10 dB wird wie eine Verdoppelung der subjektiven Lautstärke empfunden. 4 ADACsignale Übrigens: Der kritische Bereich für eine Hörschädigung unter Arbeitslärmgesichtspunkten beginnt bei 85 dB(A). Verantwortlich ist der Botenstoff Glutamat: Breitet sich ein Ton im Ohr aus, versetzt er die feinen Flimmerhärchen in Schwingungen, diese produzieren Glutamat, das am Hörnerv ein elektrisches Signal erzeugt. Die Information gelangt ins Gehirn Hätten Sie’s gewusst: Das Gehör leistet Unglaubliches: Wir können extrem leise Geräusche wahrnehmen. Wenn wir ebenso gut sehen könnten, würden wir eine 10-Watt-Birne noch aus 1.000 Kilometern Entfernung erkennen. Wir hören eine Spannbreite von über 10 Oktaven – von 20 Hertz bis 16.000 Hertz. Die Leistung des Auges entspricht nur einer Oktave. Wenn man den Dynamikbereich des Gehörs auf eine Waage übertragen würde, könnte diese Waage vom Sandkorn bis zum Traktor alles wiegen, ohne umgeschaltet werden zu müssen. Das Gehör ist das empfindlichste und dynamischste Sinnesorgan des Menschen. FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Gestörte Unterhaltung Lärm ist auch verantwortlich für diverse Probleme im sozialen Bereich. Die Kommunikation wird gestört, Radios und Fernseher werden lauter gedreht. Lärm und der Faktor Zeit Auch die Dauer, die man einer Lärmeinwirkung ausgesetzt ist, spielt eine wichtige Rolle. Bei einem mittleren Schallpegel von 85 dB(A) und der Einwirkzeit von knapp 6 Stunden pro Tag kann eine Schädigung des Gehörs auftreten. Bei höheren Pegeln wird die maximal zulässige Einwirkzeit schneller erreicht – dann sind Gehörschutzmaßnahmen notwendig. Viele nicht-akustische Phänomene haben Einfluss auf die Wahrnehmung von Geräuschen: ●W esentlich ist z.B. die Frage, wer den Lärm verursacht und welche Beziehung zum Verursacher besteht. Hinter vielen Lärmproblemen stecken unbewusste, soziale Konflikte. ●A uch die Einsicht in die Notwendigkeit eines Geräusches ist entscheidend: Der Müllabfuhr verzeiht man den Krach eher als dem jugendlichen Mopedfahrer, der nach Feierabend seine Runden durch das Wohnviertel dreht. ●G eräusche, die ortsüblich sind und erwartet werden, werden als nicht so störend empfunden wie etwa Bau- oder Industrielärm in einem Wohngebiet. ●G eräusche der Natur können einen sehr hohen Schallpegel verursachen, z.B. ein Bach, ein Wasserfall, Blätterrauschen bei starkem Wind, Gewitter. Sie werden aber kaum als Lärm wahrgenommen. ●D ie subjektive Lärmbelästigung erhöht sich, wenn man die Geräuschquelle sehen kann. Deshalb haben Bepflanzungen zwischen Straßen und Wohngebäuden, die eigentlich nur eine geringe Geräuschminderung bewirken, oft eine erhebliche psychologische Wirkung. ● F ür das Maß der subjektiven Störung ist auch die momentan ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Jemand, der sich gerade stark konzentrieren muss, reagiert auch auf leise Störgeräusche ausgesprochen empfindlich. Viel Lärm um nichts? Die Lärmempfindung unterliegt zweifellos auch stark psychologischen Einflüssen. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, die Belästigung durch Lärm sei nur eingebildet. Laut einer repräsentativen Umfrage des Umweltbundesamtes von 2004 gaben 60 Prozent der Bevölkerung an, dass sie sich von Straßenverkehrslärm gestört fühlen. Und die negativen Auswirkungen von Lärm auf die Gesundheit sind nicht zu leugnen. Lärm macht krank 3 dB(A) – wahrnehmbar oder nicht? Die möglichen Folgen des Lärms beschränken sich nicht nur auf die Schädigung des Gehörs. Mittlerweile wurden auch andere physische sowie psychische, ökonomische und soziale Auswirkungen belegt. In vielen Publikationen heißt es, eine Lärmminderung von weniger als 3 dB(A) sei nicht wahrnehmbar. Auch die Rechtsprechung sieht eine Lärmschutzmaßnahme erst ab einer Pegelminderung von 3 dB(A) als wirksam an. Das Gehör kann zweifellos auch deutlich geringere Lärmunterschiede wahrnehmen – bei einer Frequenz von 1 kHz und einer Lautstärke von 70 dB(A) z.B. ist sogar die Abnahme um ein halbes Dezibel hörbar. Diese sensible Wahrnehmung wird aber nur im direkten Vergleich erreicht, wenn im Labor zwei unterschiedlich laute Töne oder Geräusche unmittelbar nacheinander abgespielt werden. Wird dagegen Probanden im Tonstudio heute Straßenverkehrslärm von 60 dB(A) und morgen von 63 dB(A) dargeboten, können nur sehr wenige Menschen einen Unterschied feststellen. Psychophysische Folgen bis zum Herzinfarkt Schon bei geringer Lautstärke kann der Lärm im Körper eine instinktive Schutzfunktion (Kampfoder Fluchtreaktion) auslösen. Selbst dann, wenn das Geräusch nur unbewusst oder im Schlaf wahrgenommen wird, sendet der Körper daraufhin Stresshormone aus. Die möglichen Folgen neben einer grundsätzlichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens sind chronische Schlafstörungen, Reizbarkeit, Ohnmachtgefühle und schlechte Laune. Von Lärm belastete und belästigte Menschen leiden unter Konzentrationsschwächen, die Lern- und Leistungsfähigkeit nimmt ab. Durch die Reizung des zentralen und vegetativen Nervensystems, durch Nervosität und den gefühlten Stress kann Straßenverkehrslärm mitverantwortlich für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt sein. Entscheidend ist vor allem die Charakteristik der Lärmquelle. Fallen bei einem mittleren Grundgeräusch einige wenige hohe Peaks weg, ist eine Verbesserung der Lärmsituation eindeutig wahrnehmbar. Ökonomische Folgen Auch die ökonomischen Folgen von Lärm sind breit gefächert. Sie reichen von Krankheitskosten und Berufsunfähigkeitsrente wegen Schwerhörigkeit (die häufigste aller Berufskrankheiten) über die Wertminderung von Häusern und Grundstücken bis hin zu den Kosten für Lärmschutzwände und Wälle. Der Schall wird über die Lärmschutzwand gebeugt – vollkommen ruhig ist es dahinter deshalb nicht ADACsignale 5 FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Straßenverkehrslärm ist mehr als nur heulende Motoren Es ist nicht nur der Motor, der Krach macht. Straßenverkehrslärm ist das Ergebnis aus vielen Einzelgeräuschen von Kraftfahrzeugen. Er ist ein Konzert aus einem ganzen Orchester von Solisten – nur weniger harmonisch. Zuerst soll in der Betrachtung aber das einzelne Kfz im Vordergrund stehen – die erste Geige sozusagen… Die Ampel "grünt", der Lärm steigt… Wenn schon Lärm, dann wenigstens gleichmäßig, sagen viele Menschen, die an stark befahrenen Straßen wohnen. Pech, wenn sie dann eine Ampel vor dem Schlafzimmerfenster haben. Schaltet sie um auf Grün, kann der Lärmpegel bei Freigabe des Verkehrs nämlich sprunghaft um bis zu 20 dB(A) ansteigen. In der Richtlinie zum Lärmschutz an Straßen (RLS-90) ist für Lichtsignalanlagen deshalb ein Zuschlag von mindestens 3 dB(A) für den Dauerschallpegel vorgesehen. Störend wirkt vor allem auch, dass durch das Bremsen und Anfahren ständig andere Frequenzen entstehen. Schutzmaßnahmen gegen den Lärm Ein Fahrzeug macht auf dreierlei Weise Lärm: Wichtig ist, dass sowohl für die Lärmemission als auch für die Lärmimmission Schutzmaßnahmen möglich sind. So machen die Automobilhersteller die „Lärmquelle Auto” dadurch leiser, dass sie durch Kapselung des Motors den Lärm praktisch einsperren. Hier sind jedoch Grenzen gesetzt, besonders wegen thermischer Probleme. ● Das Geräusch von Motor und Antriebsstrang ● Geräusch von Reifen und Fahrbahn ● Geräusche vom Fahrtwind: aerodynamisch erzeugter Lärm (Umströmungslärm), hervorgerufen von Turbulenzen in der Luftströmung Reifen Wie viel Lärm macht ein Kraftfahrzeug? Das Abrollen der Reifen wird heute als entscheidende Geräuschquelle von Autos wahrgenommen. Offenporiger Belag (rechts) schluckt den Schall, statt ihn zu reflektieren Auch mit baulichen Maßnahmen lässt sich einiges gegen die Ausbreitung von Lärm tun. So können Schallschutzmauern Wohngebiete vor dem Lärm einer naheliegenden Straße schützen. Um hier allerdings effektiv zu sein, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden, so auch die räumliche Situation. Das Ganze ist nämlich wirkungslos, wenn beispielsweise eine direkte Sichtverbindung zur Lärmquelle besteht. Und: Je weiter Menschen von der Schallschutzmauer wohnen, umso weniger profitieren sie von der Schutzwirkung. Rücksicht nehmen! Nicht zu unterschätzen ist der persönliche Beitrag, den jeder Einzelne leisten kann, in dem er durch rücksichtsvolles Verhalten zur Lärmvermeidung beiträgt. Je nachdem, ob ein Pkw eine konstante Geschwindigkeit fährt oder beschleunigt wird, erzeugt er im Stadtverkehr beim Vorbeifahren in 7,5 m Entfernung einen Lärm von etwa 65 bis 80 dB(A), ein Lkw kommt auf bis zu 90 dB(A) und ein Motorrad kann sogar bis zu 100 dB(A) erreichen. Dazu kommen noch Geräusche, die ganz wesentlich vom Fahrer verursacht werden – wie etwa Hupen, Reifen-Quietschen, das Zuschlagen der Fahrzeugtüren sowie der Sound aus der Stereoanlage im Auto usw. Der Motor – eine echte »Krachmaschine« Das Geräusch von Motor und Antriebsstrang hängt von mehreren Faktoren ab: ● Explosionsgeräusche (Kraftstoff-Verbrennung im Zylinder) ● mechanische Geräusche beweglicher Teile im Motor ● aerodynamisch erzeugter Lärm durch Luftströmung im Ansaug- und Abgastrakt ● Motorenart (Benzin- oder Dieselmotor) ● Kapselung des Motors ● Leistung und Hubraum des Motors ● Drehzahl bzw. Gang, in dem gefahren wird 6 ADACsignale Reifengeräusche entstehen, wenn die Profilblöcke auf den Boden aufschlagen und die Luft aus den Profilrillen entweicht. Beim Weiterdrehen vom Boden weg verursachen die Profilblöcke dann Flattergeräusche. Auch der jeweilige Untergrund spielt dabei eine bedeutende Rolle. Der Weg zum geräuscharmen Reifen führt über die Profilgeometrie („Profilgestaltung”), eines der zentralen Themen bei der Reifenentwicklung. Nützliche Internet-Adressen www.earaction.de/ www.bmu.de/laermschutz www.laermwerkstatt.de www.dasp.uni-wuppertal.de/ars_auditus/ www.fgh-gutes-hoeren.de www.tag-gegen-laerm.de TIPPS FÜR DIE PRAXIS Hören und was so alles dazu gehört Dabei müssen sie einfach erst noch lernen, sich auf wichtige Geräusche oder Zurufe zu konzentrieren. Jugendliche oder auch Erwachsene kapseln sich mit dem MP3-Player von der (Verkehrs-)Umwelt ab oder übertönen mit der Ste­ reo­anlage im Auto wichtige Verkehrsgeräusche. Obwohl der Mensch circa 90 Prozent der Informationen zunächst visuell, also über die Augen, aufnimmt, reicht ein intaktes Augenpaar allein nicht aus. Unser Gehörsinn liefert uns zusätzlich wichtige Hinweise über Ereignisse außerhalb unseres Gesichtsfeldes. Der Mensch hat hinten nun einmal keine Augen, er kann nicht um die Ecke schauen, und auch das seitliche Gesichtsfeld ist eingeschränkt. Pete Townshend, berühmter Gitarrist der britischen Rockband „The Who”, warnt junge Leute vor MP3-Playern und anderen digitalen Audioplayern. Er empfiehlt, die Lautstärke herunterzudrehen, bevor es zu spät ist für dein Gehör: „Hörverlust ist eine schreckliche Sache, weil er nicht geheilt werden kann. Wenn du einen iPod oder sowas ähnliches benutzt, oder dein Kind einen benutzt, kann alles gut gehen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es bald mächtigen Ärger geben wird,” so Pete Townshend auf seiner Website - www.petetownshend.co.uk. Im Straßenverkehr ist die akustische Orientierung insbesondere im Hinblick auf das Erkennen, Zuordnen, Interpretieren und die Lokalisation unterschiedlicher Verkehrsgeräusche und Gefahren von Bedeutung. Das Hören ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am Verkehr. Woher kommt das Geräusch? Zu den wichtigsten Orientierungshilfen im Verkehr gehört das Richtungshören, eine Fähigkeit, über die kleine Kinder noch nicht verfügen. Der Mensch verfügt mit seinen Ohren über zwei Schallempfänger, kann aber nicht von Geburt an Geräusche orten oder sie aus einer Geräuschkulisse herausfiltern. Bei Kindern bis etwa sechs Jahren ist das Hörvermögen voll ausgebildet, sie können es jedoch noch nicht zur Rundum-Wahrnehmung einsetzen. Sie schaffen es gerade einmal, Geräusche, die sich im 30°-Winkel von vorn nähern, zu lokalisieren. Übertragen auf eine Uhr heißt das: Wenn sich die Ziffer 12 vor dem Kind befindet, kann es nur Geräusche aus Richtung 11, 12 und 1 Uhr richtig orten. Kinder überhören auch manche Geräusche. Der Einfluss ablenkender Reize ist noch groß, andere Geräusche sind interessanter und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Erst mit zunehmendem Alter lernen Kinder, ablenkende Reize zu ignorieren und nur die wesentlichen Informationen herauszufiltern. Erst ab etwa acht Jahren benutzen Kinder ihr Gehör regelmäßig im Verkehr mit, das heißt aber nicht, dass die akustische Wahrnehmungsfähigkeit voll ausgebildet ist. Auditive Wahrnehmung trainieren Das müssen "die Kleinen" lernen: Auditives Differenzieren Warnsignale erkennen und den jeweiligen Verursachern zuordnen: Hupe von Pkw, Martinshorn, Fahrradklingel, quietschende Reifen; in der Realität, in Tonaufnahmen, z. B. ➢V erkehrsgeräusche aufnehmen ➢V erkehrsgeräusche aus einer vielfältigen Geräuschkulisse heraushören An einer belebten Straße mit verbundenen Augen verschiedene Eindrücke sammeln, beschreiben, interpretieren: z. B. ➢ F ahrgeräusche hören und entsprechenden Verkehrssituationen und Verkehrsmitteln zuordnen. ➢ e inen Videofilm mit Verkehrsszenen ohne Bild anhören, Verkehrssituationen beschreiben und anschließend visuell überprüfen Lokalisation Geräuschquellen lokalisieren: ➢ S timmen, Glockenläuten, bellender Hund ➢G eräusche von versteckten Quellen lokalisieren: ein klingelndes Handy, ein versteckter Wecker, mit offenen und verbundenen Augen Entfernungshören ➢N ahe und ferne Geräusche unterscheiden ➢ E rkennen, ob ein Geräusch näher kommt oder sich entfernt (z. B. im Klas- senzimmer, in der Turnhalle, auf der Straße) Ein geschultes Gehör – das wird häufig unterschätzt – kann diese Wahrnehmungslücken schließen. Kindern wird oft unterstellt, sie wollten nicht hören. Zum Thema Hören gehört aber auch der ganze Bereich des „Lärms” und die Möglichkeiten, ihn zu vermeiden. Gerade bei diesem Komplex können die Schüler zu einem sozial verträglichen und umweltbewussten Verkehrsverhalten angeleitet werden. Da es sich beim „Hören” um einen Wahrnehmungsprozess handelt, sollten die Lehrer im Sinne einer Gesundheitserziehung auch die Beeinträchtigung der Hörleistung mit ihren Schülern besprechen. Einfache Hörtests lassen sich auch im Klassenzimmer durchführen und sollten regelmäßig erfolgen. Weitere Tipps für den Unterricht: adac.de/verkehr/verkehrserziehung/medien/adac_signale In der Grundschule Bis zu einem Alter von etwa acht Jahren laufen die Wahrnehmungsprozesse bei Kindern deutlich langsamer ab. Richtungs- und Entfernungs­hören sind noch nicht voll ausgeprägt. Auch gelingt es ihnen noch nicht, wichtige Geräusche herauszufiltern. Kinder bevorzugen visuelle Reize und überhören dadurch leicht akustische Signale. Laute Autos halten sie für schneller und bedrohlicher als leise. In den ersten vier Schuljahren sollen die Schüler daher vor allem ihre physischen und psychischen Voraussetzungen entwickeln und trainieren, um selbständig am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Sie müssen lernen: ➢ Geräusche zu unterscheiden und zu benennen, ➢ verschiedene akustische Signale zu unterscheiden, ➢ auf akustische Signale zu reagieren, ➢ Verkehrsteilnehmer zu nennen, die Signale geben, ➢ anzugeben, in welcher Situation und zu welchem Zweck die Signale gegeben werden, ➢ die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, zu zeigen, ➢ die Geräuschentfernung zu bestimmen. Mögliche Beeinträchtigungen der akustischen Wahrnehmung durch Kopfhörer, aber auch durch Kapuze, Mütze oder Schal sollten ebenfalls angesprochen werden. Im Sachkunde- und Musikunterricht bieten sich viele Möglichkeiten für spielerisches Lernen. Die Bewegungskoordination und das Reaktionsvermögen werden durch den Sportunterricht und während der Radfahrausbildung gefördert. ADACsignale 7 TIPPS FÜR DIE PRAXIS Die Schüler sollen befähigt werden, sich als Fußgänger, Radfahrer, Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel und als Verkehrsteilnehmer verantwortungsbewusst zu verhalten. Verkehrsrelevante Aspekte des Wahrnehmens und Reagierens werden vertieft, die Bereitschaft, sich rücksichtsvoll zu verhalten, wird gefördert. Ferner geht es um ein kritisches Einschätzen der biologischen und psychologischen Einschränkungen der akustischen Wahrnehmung. Dem wachsenden technischen Interesse sollten die Lehrer vor allem im naturwissenschaftlichen Unterricht Rechnung tragen. Fächerintegration Naturgemäß sind bei der Behandlung der Sinnesorgane und der Nervenfunktionen die Bezüge vielfältig. Informationsaufnahme und -verarbeitung, Überreizung, Schädigungen des Hörorgans, Stress und Lärm sind nur einige Schlagworte. Die Schüler sollen aber auch erfahren, dass Alkohol eine Herabsetzung der Hörschwelle bewirkt. Relativ leise Töne werden nicht mehr wahrgenommen. Auch wird unter Alkoholeinfluss der klangliche Gesamteindruck diffuser, einzelne Töne können immer weniger gut unterschieden werden. Im Physik-Unterricht lassen sich innerhalb der Mechanik, Akustik und Elektrizitätslehre folgende Phänomene behandeln: ➢M echanische Schwingungen: Resonanzvorgang beim Hören, Frequenz­ begriff ➢M echanische Wellen: Schallwellen und ihre Ausbreitung, Reflexion, Beugung und Brechung, Interferenz am Beispiel von Lärmschutzmaßnahmen. Berechnung der Schallgeschwindigkeit. Was bei der Reflexion von Ultraschallwellen passiert, kann an den von Fledermäusen und Delphinen ausgestoßenen Ultraschall- „Schreien”, die der Ortung dienen, erklärt werden. ➢A kustik: Hier steht die Erzeugung von Schall im Vordergrund. Ton, Klang und Geräusch. Lautstärke und Tonhöhe sind zentrale Begriffe. Aktuelle Themen sind, wie Lärm gemessen wird oder welche Schutzmaßnahmen man gegen Schall und Lärm ergreifen kann. Jugendliche interessieren sich auch dafür, wie beispielsweise die Schwingungen des Schalls auf einer CD gespeichert werden. ➢ E lektrizitätslehre: Die Schüler als eifrige Besucher von Rockkonzerten inter­ essiert es in der Regel, wie ein Mikrofon funktioniert, wie darin aus Schallwellen Stromstärkeschwankungen erzeugt werden, wie diese Ströme von Transistoren in den Verstärkern vergrößert und wie diese verstärkten Ströme dann im Lautsprecher wieder in Schallwellen verwandelt werden. Die Hertzschen Wellen bieten weitere interessante Bezüge, denn sie erlauben drahtlose Informationsvermittlung, wie sie von Rundfunk und Fernsehen oder vom Telefon bekannt ist. Im Mathematik-Unterricht lässt sich bei den proportionalen Zuordnungen die Schallgeschwindigkeit berechnen. Bei der Behandlung des Logarithmus kann man das menschliche Lautstärkeempfinden qualitativ beschreiben. Für das Fach Deutsch bieten sich an: ➢U nfallberichte zu den Themen „Das habe ich nicht gehört”, „Der MP3Player war schuld” ➢A nalyse und Auswertung von Sachtexten (Zeitungsberichte über Lärmbe­ lästigungen oder Gesundheitsschäden nach dem Besuch von Rockkonzerten. Werbetexte) ➢ E rörterung einfacher und komplexer Sachverhalte, wie „Macht uns laute Musik wirklich taub?”, „Der MP3-Player, mein ständiger Begleiter – Vorund Nachteile”. Inwieweit verbindliche Normen das Zusammenleben regeln und Rücksichtnahme oberstes Gebot ist, erfahren die Schüler im Sozialkunde-Unterricht. Außerdem werden Rechts- und Versicherungsfragen am Beispiel des Paragraphen 23 (1) der StVO (Straßenverkehrsordnung) behandelt. Dass das Fach Musik bei der Schulung des Gehörs wertvolle Beiträge leistet, versteht sich von selbst. 8 ADACsignale Gymnasiale Oberstufe und Berufsschulen Schüler dieser Altersgruppe setzen sich in ihrer Freizeit verstärkt hohen Geräuschpegeln aus. Regelmäßige Besuche von Discos und Rockkonzerten sind an der Tagesordnung. Im Auto darf der CD-/MP3-Player nicht fehlen. Für den richtigen Sound sorgen nicht selten acht und mehr Lautsprecher. Berufsschüler müssen oftmals auch an ihrem Ausbildungsplatz Lautstärken ertragen, die auf die Dauer gesundheitliche Schäden nach sich ziehen können. Maßnahmen zum Lärmschutz, wie sie von den Berufsgenossenschaften vorgeschrieben sind, werden von den Jugendlichen (wie auch von vielen Erwachsenen) nicht immer ernst genommen. Gerade deshalb ist Aufklärung hier besonders wichtig. Im naturwissenschaftlichen/technischen Unterricht lassen sich die Kenntnisse über Schall, Lärmemission und -immission vertiefen. Schall- und Lärmschutzmaßnahmen werden nach ihrer Effizienz beurteilt. Die Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie die Reaktionsauslösung sollten genauso auf dem Stundenplan stehen wie die Beeinträchtigungen der Fahrtüchtigkeit und -sicherheit durch Hören von zu lauter Musik, Alkohol, Stress oder Ablenkung durch Mitfahrer. Innerhalb der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer sowie der Fächer Deutsch und Religion/Ethik geht es um die Befähigung zu verantwortungs- und rücksichtsvollem Verhalten und Handeln, die Einsicht in die Notwendigkeit von Normen und nicht zuletzt die Mitwirkung bei der Gestaltung einer humanen Verkehrswelt. Wussten Sie schon? ... dass in Deutschland bei lauten Musikveranstaltungen auf die Gefahren fürs Gehör hingewiesen werden muss? Nach der seit November 2007 geltenden DINNorm 15905-5 muss das Publikum auf die mögliche Gefährdung des Gehörs hingewiesen werden, wenn zu erwarten ist, dass der mittlere Schallpegel 85 Dezibel überschreiten wird. Ab 95 Dezibel muss der Veranstalter für jeden Besucher Gehörschutz bereit halten und dazu auffordern, diesen auch zu tragen. ... dass man morgens besser hört als abends? Durch die Belastung im Lauf des Tages kommt es bei den meisten Menschen zu einer vorübergehenden Absenkung der Hörschwelle. ... dass man in der New Yorker U-Bahn sein Gehör riskiert? Wer täglich eine halbe Stunde in New York U-Bahn fährt, kann bereits einen Gehörschaden davon tragen, denn die Lärmpegel gehen bis zu 106 Dezibel. ... dass wir auch bei niedrigen Schallpegeln aufwachen, wenn unser Gehirn diese Geräusche als wichtig einstuft? Darunter fallen ungewohnte Klänge, Geräusche, die die eigenen Kinder machen, und wenn wir mit unserem Namen angesprochen werden. ... dass 20 Prozent der Bundesbürger angeben, wegen der Lärmbelastung nicht bei offenem Fenster schlafen zu können? Schon ab 30 Dezibel sind Schlafstörungen möglich. Ab 45 Dezibel werden vermehrt Stresshormone ausgeschieden. Man träumt kürzer und ist zwischendurch länger wach. Impressum ADACsignale Informationen und Tipps für die Schule Herausgegeben vom ADAC e.V., München Bereich Verkehrssicherheitsprogramme (VSP) Verantwortlich: Beate Pappritz, Leiterin VSP Redaktion: Beate Pappritz, Renate Rössle-Ståhl Beratung: Dr. Ursula Kreusel (VIN), Michael Niedermeier (VIN) Am Westpark 8, 81373 München, Tel: (089) 76 76 24 73 Fax: (089) 76 00 208 E-Mail: [email protected] www.adac.de/verkehr/verkehrserziehung Fotos/Graphiken: ADAC, Max Liebermann Nachdruck und Kopien mit Quellenangabe gestattet. Ausgabe 32, Januar 2009 2833493/01.09/30' In den Klassen 5 bis 10