Qualitätssicherung durch Einsatz von Bioregulatoren Dr. Georg K. Hill Gesunde Trauben sind die unabdingbare Voraussetzung für die Erzeugung qualitätsorientierter Rot- und Weißweine. Eine Kernproblem im Rebschutz ist die Vermeidung des Abdrückens der Beeren bei Sorten mit dicht gepackten Trauben. Der Einsatz von Bioregulatoren könnte hier ein Schlüssel zur Problemlösung sein. Inzwischen beschäftigen wir uns bereits drei Jahre mit der Prüfung verschiedener Wirkstoffe und können daher das Potential und die möglichen Risiken besser einschätzen. Für den Einsatz an Keltertraubensorten kommen derzeit drei Wirksubstanzen bzw. –gruppen in Frage: Einsatz im Stadium Ethephon Nachblüte Gibberelline 40-90% Blüte R1 (GibberellinHemmer) Blütebeginn oder Nachblüte Wirkung Erfahrung Abstossen von Einzelbeeren und Trauben Verringerung Beerenansatz Unsichere Ergebnisse Totalverlust möglich, Reife verzögert. Keine Nachwirkung Positiv. Bei einigen Sorten Nachwirkung im Folgejahr Verringerung Beerenansatz Hemmung des Dickenwachstums In Erprobung Der Wirkstoff Ethephon wird vor allem in Südfrankreich eingesetzt. Bei Spritzung zwischen Schrotkorn- und Erbsengröße der Beeren kommt es zu einem mehr oder minder stark ausgeprägtem Abstoßen von Beeren, d.h. es wird ein Verrieselungseffekt erreicht. Unter unseren klimatischen Bedingungen war die Wirkung allerdings nicht nur sehr unsicher, sondern manchmal hochgradig riskant. Bei zu früher Anwendung, kam es sogar zum Abstoßen sämtlicher Trauben, was Totalverlust der Ernte bedeutet. Da es bisher nicht gelang, eine brauchbare Methode zur Festlegung des richtigen Spritztermins für unsere klimatischen Bedingungen zu erarbeiten, haben wir 2003 Ethephon nicht mehr weiter verfolgt. Eine neue Substanz , die über die Hemmung von Gibberellin in den Stoffwechsel der Pflanze eingreift, ist der Bioregulator R1. Dessen Ausbringung zu Blütebeginn fördert die Verrieselung. Ein Einsatz nach der Blüte hemmt das Dickenwachstum der Beeren. Die bisherigen Erfahrungen unter den wüchsigen Bedingungen der vergangenen Jahre deuten darauf hin, dass die Applikation zu Blütebeginn der geeignete Zeitpunkt ist, um in die Traubenstruktur einzugreifen. Es kommt dabei u.a. zu einer gewissen Verrieselung, die sehr ähnlich der Verrieselung als Folge der Chlorose ist. Hinsichtlich der richtigen Aufwandmengen in Abhängigkeit von Wuchskraft und Rebsorte besteht allerdings noch Unklarheit, was weitere Untersuchungen erfordert. Gibberelline sind natürliche, in allen Pflanzen vorkommende Bioregulatoren. Gibberelline werden seit etwa 50 Jahren in Reben eingesetzt mit Schwerpunkt in der Tafeltraubenproduktion. Fast immer sind mit der Behandlung gewisse Ertragsminderungen verbunden. Wirkung der Gibberelline 2003 Gibberelline prüfen wir seit 2001. Durchwegs wurden bisher positive Wirkungen hinsichtlich der Auflockerung der Traubenstruktur und der Verringerung des Botrytisbefalls erzielt. Nachdem die Frage der Dosierung abgeklärt war, standen 2003 Verbesserungen im Bereich der Applikation, die Reaktion weiterer Rebsorten wie z.B. St. Laurent und vor allem die Erfassung von Nachwirkungen der GibbBehandlungen von 2002 im Vordergrund der Untersuchungen. Die Vegetationsperiode 2003 wies extreme klimatische Bedingungen auf. Hohe Temperaturen bei gleichzeitig sehr niedrigen Luftfeuchten in der ersten Junidekade führten zur raschen Auftrocknung der Spritzbeläge und damit zu verringerter Wirkstoffaufnahme in das Gewebe der Gescheine. Zusätzlich verlief die Blüte derartig rasch, dass in der Regel nur ein Zeitfenster von 48 Stunden zwischen Blütebeginn und abgehender Blüte für die Gibb-Behandlung zur Verfügung stand. Die optische sichtbare Auflockerungswirkung war daher meist wesentlich schlechter, als in den Vorjahren. Da in den meisten Parzellen bis zum Herbst keinerlei Botrytisbefall auftrat, wurde der Packungsgrad der Trauben bonitiert, der letztlich die Dichte und die Negung zur Abquetschung von Beeren widerspiegelt. Einen Packungsgrad von Null erhält eine völlig starre Traube, bei der die Beeren dicht an dicht gelagert sind, wie wir dies typisch beim Grauburgunder antreffen. Eine gut gelockerte Traube weist demgegenüber Packungsgrade zwischen 1,5 und 3,0 auf. Abb. 1 zeigt, dass für die Gibb-Wirkung 2003 die Auftrocknungszeit nach Ausbringung der Spritzung die Hauptrolle spielte. Wer 2003 in der Dunkelheit oder im Morgentau behandelte, was identisch war mit hohen Luftfeuchten und Temperaturen deutlich unter 20°C, erzielte fast immer gute Ergebnisse. Einfluss von Luftfeuchte und Tageszeit auf den Erfolg der Gibb-Behandlungen im Juni 2003 (110 Parzellen) Traubenpackung (0-3) 2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 0,00 Mittel Abb. 1 7.0022.00 22-06 Uhr >79%RF <=17°C Abb.2 Botrytisbefall am 16.9.03 in Abhängigkeit von der Traubenpackung Weissburgunder - B. Packungsgrad 1,2 1,4 Botrytis 1,2 1 1 0,8 0,8 0,6 0,6 0,4 0,4 0,2 0,2 0 Botrytisbefall (0-10) Traubenpackungsgrad Abb 2 0 Kontrolle Traubenteilen Gibb In einigen Fällen trat trotz der trockenen Witterung im September 2003 Fäule als Folge von Abquetschung der Beeren auf. Abb. 2 zeigt eine Weißburgunderparzelle, wo Gibb-Einsatz mit dem Traubenteilen verglichen wurde. Beide Behandlungen erbrachten um 70% Wirkungsgrad gegen Botrytis. Da die Quetschstelle bei den Trauben der Burgundersorten meist in der Mitte der Traubenachse liegt, beseitigt das Traubenteilen quasi durch Amputation die Problemstellen. Die Wirkung der Gibb-Behandlungen in 2003 läßt sich wie folgt zusammen fassen: 2 Tabletten Gibb3 / hl waren ausreichend bei allen geprüften Rebsorten. Die einseitige maschinelle Entblätterung der Traubenzone verbesserte die Benetzung der Gescheine und damit die Gibberellinwirkung. Hohe Brühemengen erbrachten ebenfalls bessere Wirkung. Es war kein Unterschied zwischen den eingesetzten Netzmitteln erkennbar. Die Zumischung von organischen Kontaktfungiziden zu GibbBrühen war nicht nachteilig. Das Verfahren TRAUBENTEILEN von Hand war hinsichtlich der Botrytiswirkung als gleichwertig zu beurteilen. Nachwirkungen von Gibberellinen Gibberelline haben im Stoffwechsel der Pflanze vielfältige Wirkungen. Bei einigen Rebsorten wurde bereits früher eine Verringerung der Knospenfruchtbarkeit im Folgejahr festgestellt. Eine gute Möglichkeit, um Nebenwirkungen abzuschätzen, ist der gestaffelte Einsatz von überhöhten Dosierungen. Wir haben daher 2002 Gibb3 in Aufwandmengen von 1-80 Tabl./hl getestet. Abbildung 3 zeigt die Wirkung steigender Gibberellin-Mengen auf den Austrieb im Folgejahr 2003. Abb.3 AUSTRIEBSSCHÄDEN 2003 Gibberellin-Dosis 2002 und relativer Austrieb 2003 Sptbg. 100 Austrieb in Prozent von Unbehandelt Ri1 Riesl.2 80 Ri3 60 Regent 40 20 0 2 50 5 Tabl. 10100 Tabl. ppm Gibberellin 15150 Tabl. 20200Tabl. Eindeutig kann Riesling als sehr Gibb-empfindlich eingestuft werden, obwohl die Einzelparzellen große Unterschiede zeigten. Die Burgundergruppe und der Portugieser scheinen auch auf Überdosis kaum mit Nachwirkung zu reagieren. Neben Austriebsschäden war zusätzlich die Gescheinszahl an den Trieben verringert. Die Folge sind natürlicherweise Mindererträge im Folgejahr bei empfindlichen Rebsorten. Als sehr empfindlich können derzeit Riesling und möglicherweise auch Traminer gelten. Ziemlich robust scheint die Burgundergruppe zu sein. Hier stellt bleibt natürlich die Frage offen, ob sich bei alljährlicher Behandlung solche Effekte im Laufe der Jahre verstärken können. Daher empfiehlt es sich, die Dosis von 2 Tabl. Gibb3/hl nicht zu überschreiten. Zusammenfassung: Präparate von praktischem Interesse sind Gibberelline und das Prüfmittel R1. Der Einsatz der geprüften Bioregulatoren war in fast allen Fällen mit einer Ertragsminderung verbunden. Gibberelline betrachten wir in erster Linie als Baustein innerhalb einer Strategie zum Schutz vor Essig- und Botrytisfäule. Zur Ertragsregulierung sind diese Stoffen wenig geeignet. Einige Sorten, darunter auch der Riesling, reagierten mit Minderertrag im Folgejahr der Gibb-Anwendung. Das Traubenteilen als mechanische Maßnahme erzielte vergleichbar gute Botrytiswirkung wie Gibb-Behandlungen. Gibberelline sind als Pflanzenstärkungsmittel bisher nur für Kernobst registriert. Ein Einsatz an Reben ist derzeit nicht erlaubt, allerdings auch nicht bußgeldbewehrt.