S5 0716+71 - ein, helles, aktives BL-Lacertae Objekt Abstract: S5 0716+71 is an acitve BL Lacertae object that can be found in the constellation camelopardalis. It shows a change of light between 12 and 16mag. During phases of high activity, S5 0719+71 has developed again and again to one of the most brightest quasars, similar to 3C273. Besides the history of its discovery, current research results as well as observation options (refering to the author’s own observations of the last 14 years) will be described in this article. S5 0716+71 ist ein aktives BL Lacertae Objekt im Sternbild Giraffe mit Lichtwechseln zwischen ca. 12 – 16mag. Während der aktiven Phasen entwickelt sich S5 0716+71 immer wieder zu einem der hellsten Quasare des Himmels, der es durchaus mit 3C273 aufnehmen kann. In diesem Aufsatz werden neben der Entdeckungsgeschichte und einigen aktuellen Forschungsergebnissen die visuellen Beobachtungsmöglichkeiten anhand der Helligkeitsentwicklung nach eigenen Beobachtungen des Autors der letzten 14 Jahre beschrieben. Das BL-Lacertae Objekt S5 0716+71 auf einer Aufnahme die „remote“ am Bradford Robotic Telescope (BRT) auf Teneriffa aufgenommen wurde. Das Feld entsprecht etwa einer Größe von 30’. Als Aufsuchehilfe wurde der 8mag Stern SAO 6152 zusätzlich markiert. Im Rahmen eines privaten Quasarbeobachtungsprojektes richtete ich erstmals am 14.01.1999 meinen 317/1500mm Newton in meiner Dachsternwarte in Wenigumstadt auf eine Stelle am Himmel im Sternbild Giraffe, die die Position des BL-Lacertae Objektes S5 0716+71 markiert. Nach Katalogangaben sollte dieses Objekt eine scheinbare Helligkeit von 15m,5 aufweisen und wäre demnach nur unter allerbesten Beobachtungsbedingungen für mich erreichbar. Ich staunte dann allerdings nicht schlecht, als ich exakt auf der Position bereits bei schwacher Aufsuchvergrößerung ein stellares Objekt direkt und einfach erkennen konnte. Bei meiner ersten Beobachtung schätzte ich S5 0716+71 auf etwa 13m,9. Aus dem vermeintlichen Grenzobjekt wurde plötzlich eines der hellsten und am besten zu beobachtenden quasistellaren Objekte am Himmel. Bei dieser ersten Beobachtung ahnte ich noch nicht, dass diese Stelle am Himmel für die nächsten Jahre meine am häufigsten eingestellte und visuell in Augenschein genommene Himmelsregion werden sollte. Die Entdeckung und Klassifizierung Im Februar 1977 und im März 1978 wurde von H. Kühr, I. Pauliny-Toth, A. Witzel und J. Schmidt vom Max Planck Institut für Radioastronomie in Bonn mit dem 100m Radioteleskop in Effelsberg/Eifel die 5. StrongSource oder S5 Survey im 4,9 GHz Bereich in hohen nördlichen Breiten zwischen 70° und 90° Deklination durchgeführt. Bei dieser S5 Durchmusterung konnten insgesamt 476 Radioquellen mit hoher Positionsgenauigkeit identifiziert werden [1 + 2]. Viele dieser Quellen konnten mit optischen Gegenstücken auf dem POSS identifiziert werden, manche anderen blieben aber auch einfach leere Felder (empty fields). Die Position der Quelle S5 0716+71 konnte dabei mit einem etwa 13mag hellen Sternchen auf dem POSS identifiziert werden. Erste optische Beobachtungen wurden im August 1979 auf der Sternwarte Hoher List (Universität Bonn) mit dem 340/500/1375mm Schmidt Teleskop, und dem 300/1500mm Astrographen durchgeführt. Gleichzeitig wurde das Objekt mit dem 2,3m Spiegel des Steward Observatoriums in Tucson Arizona spektroskopisch beobachtet. Bei diesen ersten Beobachtungen konnte zum einen die Veränderlichkeit nachgewiesen werden und zum anderen konnten keinerlei Emissionslinien im Spektrum identifiziert werden, die eine Entfernungsbestimmung aufgrund der Rotverschiebung zulassen würden [3]. Aufgrund dieser spektroskopischen Eigenschaften wurde S5 0716+71 als BL-Lacertae Objekt (eine Klasse von Quasaren, bei denen der relativistische Jet genau in unsere Beobachtungsrichtung gerichtet ist und deshalb die Linien im Spektrum überstrahlt) klassifiziert. Eine Beschreibung des BL-Lacertae Phänomens wurde in SuW 2/2003 veröffentlicht [4]. S5 0716+71 – Zeichnung nach Beobachtungen mit dem 12“5 Newton bei 312facher Vergrößerung Weitere Beobachtungen und Entfernungsbestimmung Aufgrund spektroskopischer Eigenschaften, der stellaren Erscheinung und der Tatsache, dass auch auf tief belichteten Aufnahmen mit Großteleskopen (incl. HST Aufnahmen) keinerlei Spur einer Host Galaxie nachgewiesen werden konnte, geht man davon aus, dass die Rotverschiebung etwa bei z = 0,3 liegen müsste, was einer Distanz von etwa 1000 Mpc entspricht. Auf einer Rotaufnahme, die im März 1989 mit dem 3,5m Teleskop auf dem Calar Alto gewonnen wurde, konnte M. Stickel, J. W. Fried und H. Kühr 27“ bzw. 56“ südwestlich von S5 0716+71 zwei etwa 20mag helle Galaxien identifizieren, deren Rotverschiebung von z = 0,260 durchaus mit dem BL-Lacertae Objekt in Einklang zu bringen sein könnte [5] . Bei einem Helligkeitsabfall, der sich Mitte Dezember 2007 ereignete, fiel die Helligkeit von S5 0716+71 unter die 15te Größe. Diese Gelegenheit nutzten K. Nilson und Kollegen zur Beobachtung der Host Galaxie („Muttergalaxie“) von S5 0716+71 mit dem 2,2m Nordic Optical Teleskop (NOT) auf La Palma. Bei dieser Beobachtung konnten sie eine Rotverschiebung von z = 0,31 messen und außerdem ermittelten sie die Größe der Host Galaxie auf etwa 12 kpc [10]. Veränderlichkeit S5 0716+71 ist eines der aktivsten extragalaktischen Objekte und zeigt Lichtwechsel, die im Extremfall im visuellen Bereich durchaus etwas mehr als eine halbe Größenklasse in 24 Süd erreichen können. Die komplette Spanne der visuellen Helligkeiten dürfte grob zwischen der 12ten und 16ten Größe einzuordnen sein. Anhand einiger älterer Aufnahmen aus verschiedenen Himmelsdurchmusterungen ist der Lichtwechsel klar erkennbar. So ist zum Beispiel auf der POSS I (Rot) Aufnahme, die in den 50er Jahren entstanden sein dürfte, das Objekt eindeutig um die 13mag hell, während auf der POSS II (Rot) Aufnahme, deren Aufnahmezeitpunkt um die 80er Jahre liegen dürfte, die Helligkeit deutlich schwächer als 15mag ist. Auf einer Aufnahme, die Hans Vehrenberg für seinen Atlas Stellarum am 9. Oktober 1969 in Falkau aufgenommen hatte, ist das Objekt hingegen gar nicht zu identifizieren, obwohl die Grenzgröße dieser Aufnahme bei etwa 15m,5 liegen dürfte. Aufgrund der hohen Deklination fehlt S5 0716+71 leider in vielen historischen Plattenarchiven (z. B. Heidelberg), da sich dort die Aufnahmen mehr auf die Ekliptik zur Kleinplanetensuche konzentrierten. S5 0716+71 ist jedoch nicht nur im optischen Bereich aktiv, sondern parallel auch im UV, Röntgen oder Radiobereich. Von den Fachastronomen (z. B. Landessternwarte Heidelberg – Dr. S. Wagner) werden hier immer wieder Beobachtungskampagnen mit simultanen Beobachtungen durchgeführt [6]. Beispiele für die Veränderlichkeit von S5 0716+71 nach Aufnahmen vom BRT (Teneriffa) Die Belichtungszeit der Aufnahmen betrug jeweils 120 sec. links: 10.01.2013 ca. 13m,7 rechts: 21.11.2013 ca. 15m,0 Beobachtungsmöglichkeiten für visuell beobachtende Amateure S5 0716+71 bietet für visuell beobachtende Amateurastronomen mit mittleren Instrumenten ein reiches Betätigungsfeld. Mit einer visuellen Helligkeit, die meist zwischen 13m,5 und 14mag liegt, ist der QSO in der Regel mit einem 8 Zöller gut erreichbar. Aufgrund der hohen Deklination ist das Objekt bei uns zirkumpolar und daher nahezu ganzjährig gut zu beobachten. Der Schwerpunkt der längerfristigen visuellen Beobachtung liegt ganz klar beim Überwachen der visuellen Lichtwechsel. In hohen Aktivitätsphasen sind hier von Nacht zu Nacht, teilweise sogar in Stundenabständen, Lichtwechsel sozusagen live mit dem Auge am Teleskop zu erkennen. Besonders günstig hierfür ist die Nähe von S5 0716+71 zu einigen optimalen Vergleichssternen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Entsprechende Helligkeitssequenzen dieser Vergleichssterne wurden 1997 von Ghisellini und Villata veröffentlicht [7]. 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 12 12,5 13 13,5 14 14,5 15 15,5 16 Gesamtlichtkurve nach visuellen Beobachtungen am 12,5 und 16 Zoll Newton der Dachsternwarte in Wenigumstadt. Zur besseren Überbrückung von größeren Schlechtwetterperioden, wird diese Lichtkurve durch einige wenige CCD Beobachtungen vom Bradford Robotic Telescope (BRT) in Teneriffa ergänzt. Visuelle Überwachung Nach meiner ersten überraschenden Beobachtung am 14. Januar 1999 konnte ich recht schnell bei weiteren Beobachtungen die visuelle Veränderlichkeit des Objektes erkennen, sodass ich es auf die Liste meiner langfristig visuell überwachten Quasare setzte. Aufgrund der Lage meiner Sternwarte, die sich im Dachgeschoss des Wohnhauses unter einem Schiebefenster befindet, ist dieses Objekt für mich leider nur von Mitte August (kurz vor der Morgendämmerung) bis Mitte April (kurz nach der Abenddämmerung) erreichbar. Dadurch entstehen natürlich einige Beobachtungslücken. Jedoch wird dieses Manko durch das bequeme und vor allem schnelle Beobachten in der Dachsternwarte (auch kurze Wolkenlücken können ausgenutzt werden) mehr als wettgemacht. Als Beobachtungsinstrumente stehen mir hier ein 317/1500mm und eine 406/1829mm Newton zur Verfügung. Ergänzt werden die hier beschriebenen Beobachtungen durch einige wenige CCD Beobachtungen, die ich Remote vom Bradford Robotic Telescope (BRT) am Teide Observatorium in Teneriffa erhalte, um längere Schlechtwetterperioden zu überbrücken. Beim Blick auf die Gesamtlichtkurve fällt deutlich auf, dass, S5 0716+71 zunächst bis zum Dezember 2004 weiterhin, wie schon in den Jahren ab 1999 (der Beginn meiner Überwachung), Lichtwechsel zwischen 14m,5 und 13m,5 zeigte. Ich konnte lediglich zwei kleinere Ausbrüche um den 08. 01. und am 22.03. mit 13m,2 registrieren. Aber ab Januar 2004 änderte sich die Situation schlagartig, als das Objekt erstmals am 18.01.2004 mit 12m,9 die 13mag Grenze überschritt. Dies war der Beginn einer deutlich erhöhten Aktivität, die sich in den folgenden Jahren fortsetzte. Eine weitere größere Helligkeitsspitze konnte ich mit 12m,5 am 06.01.2005 beobachten, nachdem die Quelle bereits am 07.10.2004 abermals die 13mag Grenze überschritt. Bei der Beobachtung am 06.01. war S5 0716+71 auch mit meinem 6 Zöller einfach und bequem erreichbar und konnte mit 3C273, dem hellsten Quasar, durchaus konkurrieren. Auch in der Beobachtungssaison 2005/06 setzte sich diese Tendenz fort und ich konnte am 07.09.2005 mit 12m,7 und am 02.01.2006 mit 12m,6 weitere Helligkeitsspitzen beobachten. Spektakulär zeigte sich, wie eingangs des Berichts bereits erwähnt, auch die Saison 2007/08 als es Peter Nilson gelang die Rotverschiebung am NOT zu messen. Am 19.12.2007 schätzte ich einen Tiefpunkt von 14m,9, bis Mitte Januar kletterte die Helligkeit wieder auf über 14mag und am 17. April 2008 konnte ich mit 12m,3 eine weitere markante Helligkeitsspitze beobachten. Einer der größten Ausbrüche ereignete sich in der letzten Beobachtungssaison 2012/13. Bereits zu Beginn der Beobachtungen im August 2012 lag die Helligkeit bei etwa 13mag, am 24.September schätzte ich 12m,4, dann fiel die Helligkeit langsam wieder ab [11,12]. Der krasse Gegensatz ist in der aktuellen Saison zu beobachten, da Mitte Oktober die Helligkeit von S5 0716+71 bis knapp an die 16te Größe abfiel. Momentan (zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Aufsatzes) scheint sich die Helligkeit des Objektes wieder langsam zu erholen. Wie die zukünftige Helligkeitsentwicklung weitergeht, können nur weitere Beobachtungen zeigen. Vorhersagen sind bei dieser Art von Objekten kaum möglich. Grund genug, dieses entfernte veränderliche extragalaktische Objekt im wahrsten Sinne des Wortes weiter im Auge zu behalten. Jan. 12 12 Apr. 12 Jul. 12 Okt. 12 Jan. 13 Apr. 13 Jul. 13 Okt. 13 Jan. 14 13 14 15 16 Die Lichtkurve der letzten beiden Beobachtungsjahre 2012 bis 2013 nach visuellen Beobachtungen in der Dachsternwarte in Wenigumstadt sowie einigen Beobachtungen am BRT Bezeichnung S5 0716+71 Rektaszension 07h21m53s Deklination +71°20‘36“ Helligkeit ~ 12 – 16m Rotverschiebung Entfernung ~ z = 0,3 (?) ~ 1000 Mpc (?) Literatur: [1] H. Kühr et. al. AJ 86 (1981) 854 - The 5-GHz Strong Source Surveys. V Survey of the Area between Declinations 70° and 90° [2] H. Kühr et. al. A&AS 71 (1987) 493 - Optical identifications and radio morphology of the complete 5 GHz S5 Survey [3] P. Biermann, H. Duerbeck et. al. ApJ 247 (1981) L53 - Observations of six Flat Spectrum Sources from the 5 GHz Survey [4] K. Wenzel, W. Düskau SuW 2/2003 60 - BL-Lacertae Objekte – eine Herausforderung für den Amateur [5] M. Stickel et. al A&AS 98 (1993) 393 – The complete Sample of 1 Jy BL-Lac Objects [6] S. Wagner et. al. AJ 111 (1996) 2187 - Rapid variability in S5 0716+714 across the electrom. spectrum [7] G. Gisellini et. al. A&A 327 (1997) 61 – Optical-IUE observations of the gamma-ray loud BL-Lacertae Object S5 0716+71: data and interpretation [8] K. Wenzel - S5 0716+71: ein helles, aktives BL-Lacertae-Objekt SuW 1/2007 Seite 77 [9] K. Wenzel, W. Düskau - Das BL-Lacertae Objekt S5 0716+71 BAV Rundbrief 57 (2008) 28 [10] K. Nilsson et. al. - Detection of the host galaxy of S5 0716+71 A&A 487 (2008) L29 [11] M. Templeton - Bright outburst of the BL Lac object PKS 0716+71 AAVSO Special Notice #295 (18.09.2012) [12] K. Wenzel, P. Ch. Gerhard - Der helle Ausbruch von S5 0716+71 im Herbst 2012 BAV Rundbrief 4/2012 270 [13] www.telescope.org Web Seite des Bradford Robotic Telescope am Teide Observatorium auf Teneriffa