Therapie 18 Hautinfektionen Die Biologie von Hautinfektionen ist kom­ pliziert. Neben mechanischen Faktoren spielen körpereigene antimikrobielle Pep­ tide (Defensine) eine wichtige Rolle in der Abwehr von mikrobiellen Infektionen. Bei Behandlungsbeginn stellt sich die Frage, ob der Schweregrad der Hauterkrankung eine allgemeine Antibiotika-Therapie erfordert. Bei leichten Störungen genügt eine lokale Behandlung, während bei ausgedehnten Prozessen – sei es auf der Oberfläche oder in der Tiefe der Haut – eine systemische Be­ handlung erforderlich ist. Erreger: Häufige Erreger von Hautinfek­ tionen sind Staphylokokken einschließlich Methicillin-resistenter Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli, Proteus, Klebsiella, Candi­ da albicans u. a. Normalerweise findet man auf der Haut Staphylococcus epidermidis, andere Mikrokokken, Sarzinen, Propioni­ bakterien, apathogene Corynebakterien, Sporenbazillen, Candida albicans (in gerin­ ger Zahl). Oft ist der Nachweis des primären Erregers einer Hauterkrankung durch nach­ folgende Sekundärinfektionen erschwert. Grundsätzliches zur Therapie: Eine antibioti­ sche Lokalbehandlung ist nur bei oberfläch­ lichen Hautinfektionen berechtigt, weil das Antibiotikum hier unmittelbar auf die Erre­ ger einwirken kann. Antibiotika penetrieren nicht durch die intakte Haut, sodass eine örtliche Anwendung bei tiefen Hautinfekti­ onen erfolglos bleiben muss. Zu den für eine Lokalbehandlung zugänglichen Hautprozes­ sen gehören oberflächliche Pyodermien, Im­ petigo contagiosa, eiternde flache Wunden, Verbrennungen 2. und 3. Grades, sekundär infizierte Ulzera und Ekzeme. Wirkungs­ los ist die Anwendung eines Lokalantibio­ 672 tikums bei geschlossenen tiefen Infektionen wie Erysipelas, Phlegmonen, Furunkeln oder Abszessen. Zur Lokalbehandlung von Hautinfektionen sollten Antibiotika bevorzugt werden, die: yy das Spektrum der Erreger erfassen, yy nicht zu rascher Resistenzentwicklung der Bakterien unter der Therapie führen, yy keine oder nur geringe Sensibilisierungsgefahr für den Patienten haben, yy keine Zytotoxizität bei den vorliegenden lokalen Konzentrationen auch bei Eintrocknung besitzen. In den Tab. 18-1 und 18-2 sind die bei Haut­ infektionen lokal gebrauchten Antibiotika zusammengestellt, von denen Gentamicin, Chloramphenicol und Tetracyclin ein brei­ tes Wirkungsspektrum besitzen. Bacitracin, Mupirocin, Erythromycin, Fusidinsäure und Tyrothricin wirken nur gegen grampo­ sitive Bakterien. Clotrimazol, Ketoconazol, Micon­azol, Ciclopirox, Nystatin, Pimaricin u. a. sind gegen Pilze wirksam. Die Virusta­ tika Aciclovir, Foscarnet, Idoxuridin, Penci­ clovir, Tromantadin und Vidarabin sind bei Zoster und Herpes simplex lokal anwendbar. Da bei oberflächlichen Hauterkrankungen die Diagnose oft unklar ist, sind in vielen Handelspräparaten potenziell nicht unpro­ blematische Kombinationen von Lokalanti­ biotika, Antimykotika plus Glucocorticoiden enthalten. Der Vorteil der Lokalantibiotika für die Therapie oberflächlicher Hautinfek­ tionen besteht vor allem darin, dass hohe, meist bakterizid wirkende Konzentrationen des Antibiotikums zur Wirkung gelangen, die bei allgemeiner Behandlung nicht er­ reicht werden. Daher haben Antibiogram­ me für die Lokalbehandlung nur begrenzte 18 Hautinfektionen Substanz Handelsname Darreichungsform Gentamicin Refobacin, Sulmycin Salbe, Creme Chloramphenicol Ichthoseptal Salbe (1 %) Tetracycline Achromycin, Aureomycin Salbe (3 %) Meclocyclin Meclosorb Salbe (1 %) Erythromycin Aknemycin, Eryaknen, Erydermec, Inderm Lösung, Salbe, Gel (2 % und 4 %) Metronidazol Metrogel, Metrocreme, Metrolotion Gel, Creme, Emulsion (0,75 %) Fusidinsäure Fucidine Salbe, Creme, Gel, Puder, Gaze, Lösung (2 %) Clindamycin Sobelin, DUAC Akne Gel Lösung, Gel (1 %) Mupirocin (Pseudomonilsäure) Turixin, InfectoPyoderm Salbe (2 %) Nitrofurazon Furacin Sol Sulfadiazin-Silber Flammazine, Brandiazin Creme (1 %) Tyrothricin (Gentamicin + Tyrocidin)1 Tyrosur Gel, Puder (0,1 %) Retapamulin1 Altargo Salbe (1 %) Nadifloxacin Nadixa Creme (1 %) Framycetin Leukase N Kegel Kegel (1 %) 1 1 1 1 1 Organsysteme Tab. 18-1 Zur Lokalbehandlung der Haut gebräuchliche Antibiotika. Nur lokal (nicht systemisch) anwendbar. Gültigkeit. Für seltene Sonderfälle können auch antibakterielle Augensalben (z. B. Ci­ profloxacin) bei Hautinfektionen verwendet werden. Wegen der Zytotoxizität, aber auch aufgrund von Resistenzproblemen, gibt es jedoch zu Recht erhebliche Vorbehalte ge­ gen eine lokale Anwendung von Chinolo­ nen. Gelegentlich kann es auch notwendig sein, antibakterielle Lokalpräparate durch den Apotheker herstellen zu lassen; dabei sollten jedoch möglichst keine BetalactamAntibiotika verwendet werden. Die relativ schwach wirksamen Desinfektionsmittel Chinolin, Chlorhexidin, PovidonIod u. a. werden bei der Lokalbehandlung unkomplizierter oberflächlicher Hautin­ fektionen von Hautärzten viel verwandt; sie sind aber alle aus toxikologischen Gründen problematisch. Desinfektionsmittel ersetzen keine systemische bzw. lokale Antibiotika-Therapie! Bei der antibiotischen Lokalbehandlung von Hautinfektionen ist die richtige Applika­ tionsform zu wählen (Salbe, Creme, Spray, Puder oder Lösung). Im Allgemeinen sind ein Spray, ein Hydrogel oder eine Lösung wirksamer als eine Creme oder Salbe und eine Creme (als Öl-in-Wasser-Emulsion) meistens günstiger als eine wasserfreie Sal­ be. Bei trockener Haut jedoch ist eine Salbe 673 18 Hautinfektionen Tab. 18-2 Wichtige Lokalpräparate bei Pilzinfektionen der Haut. Polyene Therapie Azole sonstige Substanz Handelsname Darreichungsform Nystatin Candio-Hermal, ­Moronal u. a. Salbe, Creme, Paste Amphotericin B Ampho-Moronal Salbe, Creme Natamycin ­(Pimaricin) Pimafucin Creme, Paste Clotrimazol Canesten u. a. Lösung, Salbe, Creme, Puder, Spray Miconazol Daktar Lösung, Creme, Puder Econazol Epi-Pevaryl Creme, Puder, Spray, Lotio Bifonazol Mycospor Creme, Puder, Lösung, Spray Ketoconazol Nizoral, Terzolin Creme, Lösung Isoconazol Travogen Creme, Spray Fenticonazol Lomexin Creme, Lösung, Spray Oxiconazol Myfungar, Oceral Creme, Lösung, Spray, Puder Tioconazol Fungibacid Creme, Lotio, Spray, Puder Naftifin Exoderil Creme, Gel, Lösung Terbinafin Lamisil Creme Tolnaftat Tonoftal Salbe, Creme, Lösung, Spray, Puder Ciclopirox Batrafen Lösung, Creme, Puder, Nagellack Amorolfin Loceryl Nagellack, Creme einer Creme vorzuziehen (besonders bei län­ gerer Behandlung). Salben und Öle haben den Vorteil, dass sie meist keine Konservie­ rungsstoffe enthalten. Durch die Entfernung von Belägen, Krusten oder Hornhautaufla­ gerungen mittels keratolytischer Salben kön­ nen günstigere Bedingungen für die antibio­ tische Lokalbehandlung geschaffen werden. Wegen Sensibilisierungsgefahr werden Pe­ nicillin-, Cephalosporin- und Sulfonamidhaltige Lokalpräparate generell abgelehnt. Aufgrund der potenziellen Zytotoxizität und Resistenzentwicklung sind auch Chinolon674 haltige Externa abzulehnen (Ausnahme: Au­ gentropfen). Bei Neomycin kommt es häufig zu allergischen Reaktionen (Kontaktekzem usw.), während diese bei den übrigen Lo­ kalantibiotika selten sind. Sensibilisierungen entstehen oft auch durch die in vielen Han­ delspräparaten vorkommenden allergenen Konservierungsmittel (z. B. Parabene). An­ dere Nebenwirkungen sind eine Störung der normalen Bakterienflora mit Überwuchern von Pilzen (Candida albicans u. a.), selten auch toxische Allgemeinerscheinungen durch eine perkutane Resorption des Mittels. Akute bakterielle Infektionen Pyodermien (Impetigo contagiosa und follicularis, bullöse Impetigo, Folliculitis simplex barbae, Pemphigus neonatorum, Ecthyma simplex): Kulturelle Untersuchungen sind sinnvoll, da sich die Therapie von Strepto­ kokken- und Staphylokokken-Infektionen von grammegativen Infektionen deutlich unterscheidet. Die Erreger lassen sich bei unbehandelten Erkrankungen meist leicht im Abstrich nachweisen. Wenn ein Erreger­ nachweis nicht mehr gelingt, sollte die In­ fektion wie eine Staphylokokken-Infektion behandelt werden. Erreger: Meist Staphylokokken, bei Impetigo häufig Streptococcus pyogenes (zusammen mit Staphylokokken), bei Ecthyma zusätzlich auch Pseudomonas, seltener andere Keime. Es gibt eine Vielzahl seltener Erreger von Pyodermien (Pasteurella, Vibrio, Aeromo­ nas, Chromobacterium, Corynebakterien, Mykobakterien u. a.), die jeweils eine andere Behandlung erfordern. Lokaltherapie (nur bei Follikulitis ohne systemische Behandlung indiziert!): Neo­ mycin + Bacitracin, Tyrothricin oder Mu­ pirocin bei MRSA. Desinfektionsmittel sind nicht ausreichend. Allgemeine Therapie: Bei größeren Prozessen und bei Abwehrschwäche (z. B. bei Neuge­ borenen) kommt es relativ häufig zu einer Generalisierung oder zu Nachkrankhei­ ten (Nephritis, rheumatisches Fieber, Ab­ siedlungen), weshalb hier Cefadroxil oder Penicillin G (bei Nachweis von PenicillinG-empfindlichen Staphylokokken oder Streptokokken) für eine Woche gegeben werden sollte, bei Penicillin-Allergie Ma­ krolide oder Clindamycin. Bei Streptokok­ ken-Ätiologie ist die systemische Anwen­ dung von Penicillin G oder Penicillin V der Lokalbehandlung mit einem Antibiotikum überlegen, da sie die Heilung beschleunigt und Rezidive verhindert. MRSA kann neben den Glykopeptiden mit Linezolid oder auch in einer Kombination aus Rifampicin und Co-trimoxazol (vor allem caMRSA) erfolg­ reich oral behandelt werden. Erysipel: Ein Erysipel ist eine flache, intraku­ tane Phlegmone auch mit der Bezeichnung Wundrose. Es kommt bei Kindern und äl­ teren Erwachsenen häufiger vor. Besonders betroffen sind Gesicht und Beine. Die Ent­ stehung wird durch venösen Stau, Lymph­ ödem, Diabetes, Alkoholismus oder Läh­ mungen begünstigt. Eintrittspforten sind kleine Ulzera, Verletzungen, Mazerierungen der Haut durch Fußpilze oder andere Pro­ zesse. Ein Erysipel manifestiert sich anfangs als schmerzhafte, rote, indurierte Hautläsion mit schnell fortschreitender, deutlich demar­ kierter Randzone. Initial kann ein beginnen­ des Erysipel einer Thrombophlebitis ähneln. Meistens bestehen Fieber und CRP-Anstieg. Im weiteren Verlauf ist die Entwicklung von Blasen oder der Übergang in eine tiefe Phleg­ mone bzw. Sepsis möglich. Ein unbehandel­ tes Erysipel hat eine hohe Letalität. Beson­ ders bei Formen mit Lymphödem kommt es in etwa 30 % der Fälle zu Rezidiven. Erreger: Die Infektion wurde früher nahe­ zu ausschließlich durch A-Streptokokken (Streptococcus pyogenes), selten durch B-, C- und G-Streptokokken, verursacht. Der Erregernachweis gelingt nur ausnahmswei­ se aus Eintrittspforten oder Hautblasen. In etwa 5 % der Fälle lassen sich die Erreger in der Blutkultur nachweisen. Differenzialdiagnose: Die Differenzialdiag­ nose ist relativ einfach: Ein Erythema mig­ rans verläuft weniger akut. Ein Erysipeloid verursacht im Allgemeinen kein Fieber. In­ sektenstiche zeigen eine andere Anamne­ se und keine Progression. Eine Thrombo­ phlebitis nimmt einen anderen Verlauf. Sehr selten werden ähnliche Hautläsionen auch 675 Organsysteme Akute bakterielle Infektionen 18 Hautinfektionen durch Staphylococcus aureus oder Klebsiella pneumoniae (mit-)verursacht. Kutane Lym­ phome können ähnlich wie ein chronisches Erysipel aussehen. leicht in der schnell auftretenden zentralen Eiterung. Hochresistente StaphylokokkenStämme sind selten. Therapie: Therapie der Wahl ist eine mög­ nose ist einfach: Hautmilzbrand, Fremdkör­ pereiterungen, hämatogene Abszesse. lichst schnell einsetzende Behandlung mit Penicillin G i. v. (tgl. 10–20 Mio. IE), bei leichteren Fällen mit Penicillin V oral (tgl. 3 Mio. IE) für 2 Wochen. Bei Penicillin-Allergie kommen Makrolide, wie Clarithro­ mycin oder Roxithromycin, und Cephalo­ sporine infrage. Chronisch rezidivierendes Erysipel: Ein chro­ Therapie nisch rezidivierendes Erysipel kann ein gro­ ßes therapeutisches Problem werden. Therapie: Die Behandlung sollte hier mit hohen Dosen von Penicillin G i. v. (tgl. 10–20 Mio. IE) begonnen werden. Da­ ran schließt sich eine Langzeitbehandlung mit Benzathin-Penicillin G i. m. (Tardo­ cillin 1200) an, von dem man 1 ×/Monat 1,2 Mio. IE über mehrere Monate (3–12–24) gibt. Bei zuverlässigen Patienten kann ein Oralpenicillin verordnet werden. Es gibt immer wieder Fälle von therapieresistentem Erysipel (meist mit ausgeprägtem Lymph­ ödem). Dann ist eine Dauersuppressivbe­ handlung mit einem Oralpenicillin oder Oralcephalosporin, evtl. auch mit einem anderen Antibiotikum (Doxycyclin, Makro­ lid, Clindamycin) notwendig. Ein derartiges ultrachronisches Erysipel mit chronischem Lymphödem lässt sich – trotz Sensibilität der ursächlichen Streptokokken – therapeutisch kaum mehr beeinflussen. Furunkel: Verschiedene Formen vom klei­ nen Solitärfurunkel, der wie ein Pickel im­ poniert, bis zum handgroßen Karbunkel mit Fieber. Typisch ist die zentrale Nekrose, die zur Abheilung mit Narben führt. Erreger: Stets durch Staphylokokken her­ vorgerufen. Der Erregernachweis gelingt 676 Differenzialdiagnose: Die Differenzialdiag­ Therapie: yy Kleine Solitärfurunkel: Eine systemische Antibiotika-Therapie ist bei kleinen So­ litärfurunkeln nicht unbedingt erforder­ lich, zur Verhinderung seltener Komplika­ tionen (metastatische Abszesse, Narben) jedoch unbedingt ratsam. Man behandelt so nicht die lokale Infektion, sondern die relevante Komplikationsmöglichkeit (Ausnahmen sind Lippen-, Nasen- und Augenlidfurunkel, die stets eine obliga­ torische Antibiotika-Therapie erfordern; s. S. 665). yy Großer Furunkel oder Karbunkel: Ggf. In­ zision, außerdem Cefazolin i. v. 3 × 2 g, Cefuroxim i. v. 3 × 1,5 g, Cefadroxil per os für 7–10 Tage (zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung), bei BetalactamAllergie Clindamycin, bei MRSA Line­ zolid. Furunkulose: Multipel, rezidivierend, oft bei resistenzmindernden Grundkrankheiten (Diabetes usw.). Therapie: Cefadroxil per os für 1–2 Wochen. Neomycin-Bacitracin-Salbe in der Umge­ bung eines Furunkels kann die umgebende Haut schützen. Bei Furunkeln durch MRSA ist eine Therapie mit Vancomycin oder Line­ zolid erforderlich. Dermatitis exfoliativa (Synonyma: »staphy­ lococcal scalded skin syndrome«, SSSS; Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain): Toxische Dermatitis im 1.–5. Lebensjahr, oft periorifiziell, sonst axil­ lär oder als Augen-, Ohren- bzw. respiratori­ scher Infekt beginnend (durch Toxin-bilden­