Die Tora leben – das Judentum

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Judentum
Religionen und Weltanschauungen • Beitrag 2
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Die Tora leben – das Judentum
Von Peter Schmidt, Karlsruhe
Das Judentum ist keine homogene Religionsgemeinschaft. Es gibt
verschiedene Strömungen, die die Tora unterschiedlich auslegen
und verstehen. Unstrittig ist aber, dass sie seit etwa 3000 Jahren
das verbindende Element für Juden in aller Welt ist und deren Geschichte in einzigartiger Weise mitbestimmt hat.
Für religiöse bzw. fromme Juden ist der in der Tora verbürgte
Bund Gottes mit Israel am Sinai bis auf den heutigen Tag Zentrum
ihres Glaubens und ihrer Lebensgestaltung. Denn die Weisungen
und Gebote besitzen für sie immerwährende Gültigkeit. Die Unterrichtseinheit behandelt wichtige Aspekte des religiösen Judentums und beinhaltet Vorschläge für drei Exkursionen, die einen
ganzheitlichen Zugang ermöglichen.
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Die Tora ist das Zentrum jüdischen
Glaubens
Inhalt
Das Judentum – eine Religion mit vielen Gesichtern
Die Tora – Weisungen und Gebote
Synagoge und Sabbat
Das jüdische Mondjahr
Kaschrut
Judentum in Deutschland – drei Exkursionen
Dauer
3–5 Schulstunden plus eine Exkursion
Minimalplan: Das Judentum – eine Religion mit vielen Gesichtern; Die Tora –
Weisungen und Gebote; Synagoge und Sabbat
Ihr Plus
Der Jüdische Festkreis auf CD
Vorschläge für drei Exkursionen
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Fachliche Hinweise
Das Judentum – eine heterogene Religions-Gemeinschaft
„Das“ Judentum gibt es nicht. Wie bei anderen Religionen handelt es sich dabei um eine heterogene
Religions-Gemeinschaft, mit konservativen bis liberalen und sogar atheistischen Strömungen. Das
besondere am Judentum ist, dass es sowohl Religion als auch (Volks-)Gemeinschaft ist und nach
der Gründung des Staates Israel auch ein Staatswesen mit einem begrenzten Territorium in sich einschließt, was von ca. 1000-586 v. Chr. schon einmal der Fall gewesen ist.
Trotzdem wurde und wird immer wieder aufs Neue versucht, eine homogene Gruppe auszumachen,
die stigmatisiert und diskriminiert werden kann. Dabei ist das Judentum so vielfältig und bunt wie
andere Religions-Gemeinschaften auch, mit positiven wie negativen Ausformungen, sympathischen
und uns fremdartigen Aspekten.
Das Judentum – gelebte Tora
Nach der Zerstörung des ersten Tempels 586 v. Chr. begann eine Entwicklung, die sich spätestens mit
der Zerstörung des zweiten Tempels 70 n. Chr. voll entfaltete: Die Veränderung des Judentums von
einer stark kultisch geprägten hin zu einer am Wort orientierten Religion. Kristallisationspunkt bildete
die Tora, die in einem langwierigen Prozess seit 586 zu dem schriftlich ixierten Offenbarungszeugnis
jüdischer Erfahrungen mit ihrem Gott wurde.
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Die jüdische Auseinandersetzung mit der Tora hat immer eines zum Ziel: die lebendige Aneignung.
Denn die Tora, die pars pro toto für das Ganze der hebräischen Bibel steht und sowohl die Tora
(Weisung, Lehre: die fünf Bücher Mose) als auch die Neviim (Bücher der Propheten) und die Ketuvim
(alle übrigen Schriften der hebräischen Bibel) einschließt, begründet und ermöglicht nach jüdischem
Glauben erst die Beziehung zu Jahwe, dem Gott Israels. In ihr wird die Geschichte des Bundes Gottes
mit Israel erzählt: Die Errettung aus Ägypten und die Landverheißung verplichten Juden bis heute,
die Weisungen und Gebote zu halten.
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„Lebendige Aneignung“ meint die Durchdringung aller Lebensbereiche, sodass es eigentlich keine
Trennung zwischen „heilig“ und „profan“ mehr gibt. Mischna und Talmud als aktualisierte Auslegungen und Erläuterungen der Tora; der Lauf der Woche, in die das tägliche Gebet eingebettet ist, mit
dem Sabbat als Höhepunkt; die Mesusa, in der die Erinnerung an die Weisung Gottes eingebettet ist;
der Festkalender; die Essensvorschriften; die 613 Gebote; die Zeitrechnung und vieles mehr strukturieren das religiöse Leben im Judentum.
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Das Judentum – Teil des christlich geprägten Europas
Auch wenn die Shoa große Teile der jüdisch-europäischen Bevölkerung und infolgedessen einen wesentlichen Teil europäischer Kultur vernichtet hat, gehört jüdisches Leben heute trotz alledem wieder
zu Europa, auch zu Deutschland.
Deswegen kann jüdisches Leben in unterschiedlichsten Zusammenhängen wahrgenommen werden.
Die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig zum Beispiel erinnern unter anderem an jüdische
Mitbürger in deutschen Städten. Viele Synagogen, die leer stehen und zu Museen umfunktioniert
wurden oder der Gemeinde zum Gottesdienst dienen, sind Teil der Ortschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Jüdische Friedhöfe erzählen von Tod und Trauer, aber auch vom bunten und
vielfältigen Leben jüdischer Gemeinden, das seit Jahrhunderten mitten in Europa stattindet.
Didaktisch-methodische Hinweise
Warum geht das Thema die Schülerinnen und Schüler an?
Auch wenn die Schülerinnen und Schüler möglicherweise schon eine Unterrichtseinheit zum Judentum an den vorgängigen Schularten hatten, so ist es doch wichtig und hilfreich, das Thema aus einer
anderen Perspektive noch einmal zu beleuchten.
Denn erstens handelt es sich beim Judentum um die Mutterreligion des Christentums. Jesus war
Jude, er hat seine Botschaft vorrangig an Juden gerichtet und die ersten Jünger und Christen waren
Juden. Zweitens haben sowohl das Christentum als auch das Judentum Europa wesentlich geprägt.
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Verlaufsübersicht
Stunde 1
Das Judentum – eine Religion mit vielen Gesichtern
M1
Das Judentum – eine Religion, viele Ansichten / Einstimmung mithilfe einer
Folie; Aussagen von drei jungen Juden analysieren
M2
Das Judentum – Religion, (Volks-)Gemeinschaft, Land / Ein Infotext führt in das
Thema ein; Fragen zum Text
M3
Das Judentum – ein Schaubild / Zentrale Begriffe aus M 2 strukturieren
Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass das Judentum viele Gesichter hat,
und erarbeiten zentrale Begriffe.
Stunde 2
Die Tora – Weisungen und Gebote
M 4,
Plakate
Die Tora – Weisungen und Gebote Gottes für sein Volk / Sechs Texte aus dem
Pentateuch; Fragen zum Text
Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten zentrale Aussagen der Tora.
Stunde 3
Synagoge und Sabbat
M5
Synagoge und Kirche – ähnlich und doch verschieden / Vergleich von Synagoge
und Kirche; Grundrisse beschriften
M6
Sabbat und Gottesdienst / Ausfüllen eines Lückentextes
Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler erkennen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der
Gotteshäuser und wissen, wie der Sabbat gestaltet wird.
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Stunde 4
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Das jüdische Mondjahr
Wie funktioniert der jüdische Kalender? / Mithilfe eines Textes den Kalender
verstehen
Jüdische Feste und Feiertage im Jahre 5775 (2014/2015) / Die Bedeutung und
den Ablauf eines selbst gewählten Feiertages recherchieren
Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler verstehen, wie der jüdische Kalender funktioniert
und wie die Feiertage darin eingebettet sind.
Stunde 5
Kaschrut
M9
Kaschrut – die jüdischen Speisevorschriften / Ein Text erläutert die Vorschriften;
Fragen zum Text
Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler können die Speisegesetze erklären.
Stunde 6
Judentum in Deutschland – drei Exkursionen
M 10 (für die
Lehrkraft)
Synagoge
Jüdischer Friedhof
Stolpersteine
Ziel:
Die Schülerinnen und Schüler begreifen das Judentum als Teil Europas.
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Das Judentum – eine Religion, viele Ansichten
Wie bei vielen Religionen sind wir der Meinung, eine Vorstellung von „dem“ Judentum zu haben.
Aber wie die meisten Religionen auch, ist das Judentum sehr vielfältig und bunt.
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Die Tora, die Weisung Gottes,
hat uns Mose am Sinai gegeben.
Alles, was drinsteht, muss auch
befolgt werden, denn Adonai
hat es uns aufgetragen. Deshalb
sitzen Männer und Frauen in
der Synagoge auch getrennt.
Unseren Gottesdienst halten
wir auf Hebräisch, logisch.
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Die Tora gebietet uns, die Ruhe des
Sabbats zu heiligen. Genauso, wie die
Speisevorschriften einzuhalten. Daran
halten wir uns. Ich wüsste aber nicht,
was dagegen sprechen sollte, dass
Mann und Frau gleichberechtigt vor
Gott sein sollten. So ist es doch noch
schöner, den hebräischen Gottesdienst zu feiern.
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Ich inde es sinnvoll, dass wir nicht alles
befolgen müssen, was in der Tora steht.
Wichtig ist doch, dass wir achtsam mit unseren Mitmenschen umgehen, wie es uns
Gott geboten hat. So sind auch Männer
und Frauen gleichberechtigte Partner vor
Gott. Was ich bei uns richtig cool inde
ist, dass wir den Gottesdienst auf Deutsch
halten und ich mich nicht so sehr mit dem
Hebräischen herumschlagen muss.
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M3
Das Judentum – ein Schaubild
Alle Begriffe sind Ihnen schon begegnet. Jetzt werden Sie in ein Schaubild „übersetzt“.
Volk
Religion
Zugehörigkeit durch
Geburt: jüdische
Mutter
Jude/Jüdin
Übertritt
Gott
Tora
Diaspora
Land
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ist Grundlage für die …
spricht durch die …
bezeichnet die Juden als ein …
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oder durch …
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Viele Juden leben heute in der …
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verheißt den Juden ein …
oder durch …
Religion, Volkszugehörigkeit und Land ergeben sich durch die …
Jude/Jüdin ist man durch …
Aufgaben
1. Schneiden Sie die Begriffe und die Texte (kursiv) in den Kästen aus. Ordnen Sie die Begriffe von
unten nach oben oder von oben nach unten in einer sinnvollen Reihenfolge an.
2. Zeichnen Sie danach Verbindungslinien und ordnen Sie die Texte den Verbindungslinien zu.
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Synagoge und Kirche – ähnlich und doch verschieden
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Kanzel, Toraschrein, Bima, Ambo, Pult des Kantors, Weihwasserbecken, Platz des Rabbiners/der
Rabbinerin, Orgel, Kreuz, Sitzbänke (Männer), Altar, Ewiges Licht, Frauenempore, Davidstern,
Sitzbänke (Gemeinde), Platz des Kantors, Tabernakel, Taufbecken
Aufgaben
1. Sehen Sie sich die beiden Grundrisse an.
a) Beschriften Sie die Ziffern mit den Begriffen aus dem Kasten oder
b) legen Sie sich zwei Listen mit den Ziffern an und schreiben Sie die korrekten Begriffe dahinter.
2. Erläutern Sie mindestens vier der Begriffe aus jedem Gotteshaus und deren Funktion.
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Exkursion: Synagoge
Informationen für die Lehrkraft
Seit dem Mittelalter entstanden im deutschsprachigen Raum viele Synagogen und gehören somit
zum religiös-kulturellen Erbe dieser Regionen. Sowohl die Architektur als auch die Ausstattung und
die Gestaltung des Gottesdienstes wurden jeweils dem Ort und dem Zeitgeist angepasst. Da sich zu
Beginn der Neuzeit eine Vielfalt an Riten entwickelte, entstanden unterschiedliche Synagogengemeinden, nicht selten sogar am selben Ort. Die Nazizeit und die Novemberpogrome von 1938 haben viel
von diesem kulturellen Reichtum zerstört. Dennoch ist es erstaunlich, wie viele Synagogen erhalten
geblieben sind. Viele von ihnen sind heute Museen oder stehen einfach leer. Nach 1945 entstanden
neue Bauten, die ein zögerliches Wiedererwachen des Judentums in Deutschland dokumentieren.
Zielsetzung: jüdisches Leben entdecken
Organisation/Durchführung: Natürlich sollten Sie zuerst herausinden, wo eine Synagoge in der
Nähe der Schule zu inden ist und ob Sie besichtigt werden kann. Synagogen.info oder eine andere
Webseite ist hierbei hilfreich. Bei einer aktiven Gemeinde kann der Gemeindevorstand kontaktiert
werden. Normalerweise muss man sich anmelden. Bei größeren Gemeinden bietet es sich an, ein
Gespräch mit dem Kantor, der Rabbinerin oder einem Gemeindemitglied zu vereinbaren.
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Tipps: Existiert eine Gemeinde, wäre auch die Teilnahme an einem Sabbatgottesdienst denkbar (Kayales/Fiehland van der Vegt: Was jeder vom Judentum wissen muss, S. 54f.).
Internetadressen:
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www.synagogen.info
Über das Synagogen-Internet-Archiv lassen sich Informationen zu über 2200 deutschen und österreichischen Synagogen abrufen.
www.cad.architektur.tu-darmstadt.de/synagogen/inter/start_de.html
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Die Webseite der TU Darmstadt rekonstruiert seit 1995 Synagogen am Computer, die 1938 von den
Nazis zerstört worden sind.
www.bet-tila.org/data/n45.pdf
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Hier indet sich der Aufsatz von Ulrich Knuinke über „Neue Synagogen in Deutschland nach 1945“.
Exkursion: Jüdischer Friedhof
Informationen für die Lehrkraft
In Deutschland gibt es über 2 000 jüdische Friedhöfe. Aber auch in Österreich und der Schweiz inden
sich sehr viele. Sie legen Zeugnis ab über ein ehemals blühendes jüdisches Leben mitten in Europa,
denn ihre Geschichte reicht zurück bis ins Mittelalter. In ihnen manifestiert sich der Umgang jüdischen
Glaubens und jüdisch-europäischer Kultur mit Tod und Trauer. Und auch hier entdeckt man wieder
die Vielfalt des Judentums, da die Friedhöfe, abhängig von der Region und der Zeit, sehr unterschiedlich gestaltet sein können. Ihre Fremdheit offenbart sich dem Betrachter sofort in den Grabsteinen
mit ihren teilweise in hebräischer Schrift gehaltenen Inschriften. Aber auch die kleinen Steine, die
auf einem Grab anstelle von Blumen liegen, lassen erkennen, dass hier eine andere Trauerkultur als
die unsere vorherrscht. Dadurch, dass viele Friedhöfe abgelegen liegen und sich wenige Besucher
hierher verirren, haben sie oft etwas Verwunschenes an sich.
Zielsetzung: sichtbare Spuren jüdischen Lebens entdecken
Organisation/Durchführung: Die Webseite des Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte
bietet vielfältige Tipps für den Besuch eines Friedhofs.
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