Fleischrinder Wenn Fläche und Ställe vorhanden sind, ist der Umstieg in die Mutterkuhhaltung mit wenig Investitionen möglich. Fotos: Gronau Milchkühe raus – Mutterkühe rein? Steigende Absetzerpreise bringen die Mutterkuhhaltung wieder ins Gespräch. Warum Betriebe sonst noch in diesen Produktionszweig wechseln, zeigen zwei Beispiele aus Thüringen. W ährend die Milchpreise schwächeln, sind die Rindfleischpreise stabil auf hohem Niveau. Und sie kurbeln die Vermarktung von Mutterkuh-Absetzern kräftig mit an. So haben sich die Erlöse für Absetzer von 200 bis 250 kg seit September 2009 um über 30 % auf 3,30 € pro kg (ohne Mwst.) verbessert. Deshalb gibt es wieder Betriebe, die von der Milchvieh- in die Mutterkuhhaltung wechseln wollen. Berater sehen vor allem in den Mittelgebirgsregionen gute Bedingungen dafür. Ressourcen vorhanden: „Die Landwir- te haben die Flächen, die Ställe und sie wissen, wie man Rinder hält“, erklärt Wolfram Knorr von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. Das macht einen Wechsel ohne hohe Inves­ R 36 top agrar 9/2012 titionen möglich – ein wichtiges Krite­ rium für die Mutterkuhhaltung. Zudem sind die Pachtpreise niedrig, weil es in diesen Regionen viel Grünland und Naturschutzflächen gibt, auf denen kaum Konkurrenz zu Biogas und Ackerbau besteht. Für viele kleinere Milchviehbetriebe ist auch die hohe Arbeitsbelastung ausschlaggebend für den Wechsel. Denn oft haben sie vorher in der Anbindehaltung gemolken. In der Mutterkuhhaltung lässt sich bei gleicher Tierzahl einiges an Arbeitszeit einsparen. So setzt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft für die Milchporduktion im Anbindestall durchschnittlich 75 Arbeitsstunden pro Kuh und Jahr an, bei der Mutterkuhhaltung dagegen nur 25 Stunden je Tier. Hinzu kommt, dass man nicht mehr an feste Melkzeiten gebunden ist. Kostendeckung schwierig: Damit entstehen Freiräume, die sich für die Intensivierung anderer Betriebszweige oder für den Zuerwerb in außerlandwirtschaftlichen Bereichen nutzen lassen. Vor allem in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten ist dies auch nötig. Berechnungen von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Thüringen zeigen beispielsweise, dass die dortigen Mutterkuhhaltungen in benachteiligten Gebieten ihre Kosten nur zu etwa 30 % decken. Deshalb werden die Tiere zur Landschaftspflege eingesetzt, was mit entsprechenden Förderprogrammen honoriert wird. Warum Betriebe trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen in die Mutterkuhhaltung wechseln, hat top agrar in Thüringen herausgefunden. Tjade Gronau Flexibler durch Mutterkühe Durch die Mutterkuhhaltung kann Frank Matthes seinen Ackerbau intensivieren und seine Arbeitszeiten besser einteilen. Mit seinen 25 Mutterkühen hat Frank Matthes weniger Arbeit. D ie starke Arbeitsbelastung und der hohe Investitionsaufwand waren die Gründe für Frank Matthes, 2005 aus der Milchviehhaltung auszusteigen. Bis dahin hat er im thüringischen Schmieritz 50 Kühe in einem Anbindestall gemolken. „Zwei Personen waren täglich sechs Stunden alleine mit der Stallarbeit beschäftigt“, erzählt er. Nachdem sein Vater aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten musste, blieb weniger Zeit für die Bewirtschaftung der 190 ha Ackerfläche. „Komplett aus der Tierhaltung verabschieden wollten wir uns jedoch auch nicht. Grünland, Stall und Technik waren schließlich vorhanden“, berichtet der Landwirt. Nach reiflicher Überlegung verkaufte Matthes die Holstein-Herde und Milchquote und schaffte sich stattdessen Fleckviehkühe an. Die 25 Tiere weiden nun auf 15 ha Grünland. Es ist auf Schiefer-Verwitterungsböden gelegen und kann nicht ackerbaulich genutzt werden. Sechs bis acht Monate bleiben die Kälber dann bei den Kühen, ehe sie als Absetzer mit ca. 350 kg an einen Viehhändler verkauft werden. Regelmäßig bekommen die Kühe Lockfutter in einem Fangwagen, damit sie an Menschen gewöhnt bleiben. top agrar 9/2012 R 37 Fleischrinder Günstig umgebaut: Damit die Mutter- kuhhaltung wirtschaftlich ist, durften für Matthes keine großen Summen in die Betriebsumstellung fließen. Der alte Anbindestall bot hier ideale Voraussetzungen. Für rund 3 000 € hat der Rinderhalter ihn in Eigenleistung umgebaut: Die Anbindeplätze und der Arbeitsbereich des Melkers wurden in eine Fressund Lauffläche umgewandelt. Eine neben dem Laufbereich gelegene alte Abstellfläche dient nun als Tiefstreuzone. Durch diese einfachen Maßnahmen benötigt eine Person für das tägliche Einstreuen und Füttern im Winter jetzt nur noch eine Stunde. Extensive Haltung – intensive Zucht Die Mutterkühe dienen in der Pflege-Agrar-Genossenschaft Bettenhausen vor allem der Landschaftspflege. Dabei wird Wert auf eine tiergerechte Haltung und eine intensive Zucht gelegt. Zeitlich flexibel: Vor allem in den arbeitsreichen Sommermonaten schätzt Matthes den geringeren Arbeitsaufwand für die Mutterkühe. Weil im Januar und Februar Blockabkalbungen anstehen und die Tiere im Sommer auf der Weide sind, bleiben mehr Freiräume für die Arbeitsspitzen auf dem Acker. Mittlerweile übernimmt er sogar den Pflanzenschutz und das Dreschen auf seinem Betrieb selber – aus arbeitswirtschaftlicher Sicht wäre das vorher undenkbar gewesen. Zweimal am Tag schaut Frank Matthes oder einer der Altenteiler auf der Weide nach dem Rechten. Regelmäßig bekommen die Tiere in einem alten Fangwagen auch Lockfutter, damit sie an Menschen gewöhnt bleiben. „Das macht den Umgang mit ihnen wesentlich einfacher und ungefährlicher“, ist sich der Landwirt sicher. Neben ihrem ruhigen Gemüt schätzt er auch die Robustheit der Fleckviehkühe: „Ich habe mittlerweile kaum noch Tierarztkosten, kein Vergleich zur Milchviehhaltung.“ Auch die Klauenpflege wird nur noch im Bedarfsfall durchgeführt. Schwieriger Umstieg: Obwohl die meisten Produktionsmittel auch für die Mutterkuhhaltung genutzt werden konnten, war die Aufgabe der Milcherzeugung ein großer finanzieller Einschnitt für den Betrieb. Deswegen suchte Matthes sich noch weitere Einkommensquellen. Neben der Erweiterung des Ackerbaus arbeitet er in der arbeitsärmeren Zeit mit seinen Maschinen überbetrieblich im Winterdienst. Gemeinsam mit dem Einkommen seiner Frau, die einen Bürojob angenommen hat, sieht er seinen Betrieb gut für die Zukunft aufgestellt. Unterm Strich kommt durch die Mutterkuhhaltung für die Familie Matthes auch eine bessere Lebensqualität zustande. Denn gemeinsame Sonntage oder sogar Urlaube lassen sich jetzt viel einfacher einschieben – auch das war früher selten möglich. -tg- R 38 top agrar 9/2012 Die Geschäftsführer der Pflege-Agrargenossenschaft Bettenhausen, Jana Hopfe und Matthias Abt, legen besonderen Wert auf die Zucht mit den Fleckviehkühen. Für die Pflege-Agrar-Genossenschaft im südthüringischen Bettenhausen war die Milchviehhaltung jahrelang ein schwieriges Geschäft. „Der alte Anbindestall aus DDR-Zeiten mit Rohrmelkanlage war verschlissen und der Arbeitsaufwand bei den 240 Kühen kaum noch zu schaffen“, erinnert sich Matthias Abt, Mitglied des GeschäftsführerDuos der Pflege-AG. Der Neubau eines modernen Milchviehstall schied aus, zu hoch wären die Kosten gewesen. Deshalb entschied die Geschäftsführung 2006, aus der Milchviehproduktion auszusteigen. Die Milchkühe wurden verkauft und der Bestand durch Simmentaler Fleckvieh ersetzt. Mittlerweile hält die Agrargenossenschaft 200 Tiere. Schwieriger Standort: Auch die schwierigen Standortbedingungen im Landkreis Rhönblick sprachen gegen Investitionen in die Milchproduktion: 375 ha werden zwar als Acker genutzt, doch von den 350 ha extensiven Grünland befinden sich über 100 ha in Hanglagen mit durchschnittlichen Flä- chengrößen von nur knapp 0,5 ha. „Eine andere Nutzung als Beweidung ist dort nicht möglich“, erklärt Jana Hopfe, ebenfalls Geschäftsführerin bei der PflegeAgrar-Genossenschaft. Außerdem befindet sich ein Großteil der Flächen im Biosphärenreservat Rhön, wo weder Gülle noch Mineraldünger ausgebracht werden darf. Das zwingt zu einer extensiven Bewirtschaftung. Teurer Umbau: Zunächst war der Umstieg auf die Mutterkuhhaltung aber mit hohen Investitionen verbunden, denn der alte Milchviehstall musste umgebaut werden. Nur Grundmauern und Dachkonstruktion blieben erhalten, aus dem Anbinde- wurde ein Tiefstreustall. „Beim Umbau haben wir vor allem Wert auf einen guten Arbeitskomfort gelegt“, erläutert Abt. Die Arbeiten im Stall schafft nun ein Angestellter alleine, während im Sommer zwei Arbeitskräfte mit der Betreuung der insgesamt sieben Mutterkuhherden auf den Weiden beschäftigt sind. Aber auch der Tierkomfort stand beim Umbau im Vordergrund. So hat jede Mutterkuh mit Kalb 10,5 m2 Stallfläche zur Verfügung, die Belüftung erfolgt über automatisch gesteuerte Courtains. „Ganz klar: Ohne Fördermittel wäre der Umbau nur schwer zu finanzieren gewesen“, sagen die beiden Geschäftsführer. Kühe pflegen Landschaft. Im Gegensatz zur Milchviehhaltung geht es bei der Mutterkuhhaltung in Bettenhausen ohnehin nicht ohne staatliche Mittel. So stammen 70 % der Erlöse aus Förder- programmen und nur 30 % aus der Absetzervermarktung, erläutert Abt. Doch die beiden Geschäftsführer sehen ihren Betrieb eher als Dienstleister für Landschaftspflege statt als Subventionsempfänger. „Schließlich bekommt die Gesellschaft für diese Gelder einen Gegenwert: Die Tiere erhalten unsere Kulturlandschaft“, gibt Jana Hopfe zu bedenken. Zucht ist wichtig. Doch so extensiv die Weidehaltung bei der Agrargenossenschaft auch ist, umso intensiver wird die Zucht betrieben. Etwa die Hälfte des Bestandes sind Herdbuchkühe. „Für unseren Standort brauchen wir Tiere, die auch die mageren Aufwüchse noch gut verwerten können“, sagt Hopfe. Um das zu erreichen, werden ausschließlich geprüfte Deckbullen eingesetzt, die hohe Zunahmen vererben. Besondere Beachtung wird bei der Bullenauswahl außerdem den Fundamenten und der Leichtkalbigkeit geschenkt. Über 80 % der Tiere kalben im Frühjahr. „So können wir sehr einheitliche Absetzerpartien anbieten, was für die Vermarktung ein Vorteil ist“, erklärt die Geschäftsführerin. Verkauft werden die Tiere dann mit sechs bis acht Monaten und einem Gewicht zwischen 200 und 250 kg über den Thüringer Rinderzuchtverband. Weil der Stall in den Wintermonaten voll belegt ist, soll die Mutterkuhherde zunächst nicht aufgestockt werden. Trotzdem haben Jana Hopfe und Matthias Abt Ziele: Der Anteil an Herdbuchtieren soll auf 100 % steigen. Dann können auch weiblichen Zuchtabsetzer, die momentan zur Aufstockung des Herdbuchbestandes dienen, vermarktet werden und dadurch zum Verkaufserlös beitragen. -tgEin Großteil der Grünlandflächen liegt in unmechanisierbaren Hanglagen. Fotos: Gronau top agrar 9/2012 R 39