10.2.1 Einseitiger Hypothesentest - im Mathematik

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Baden-Württemberg
Kursstufe
Herausgegeben von
Heinz Griesel, Andreas Gundlach, Helmut Postel, Friedrich Suhr
Einseitige Hypothesentests
10.2 Einseitiger und zweiseitiger Hypothesentest
453
10.2Einseitiger und zweiseitiger
Hypothesentest (Binomialtest)
Die im letzten Abschnitt beschriebene Situation mit zwei alternativen Hypothesen tritt in der Realität selten auf; manche der Beispiele erscheinen deshalb vielleicht etwas künstlich. Jedoch ist die Beschäftigung
mit solchen Fragestellungen hilfreich, um die typische Vorgehensweise beim Hypothesentest kennen zu
lernen. In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit einseitigen und zweiseitigen Hypothesentests. Hierbei entwickeln wir Strategien, mit deren Hilfe wir entscheiden wollen, ob einem Zufallsversuch tatsächlich
eine vorgegebene Erfolgswahrscheinlichkeit zugrunde liegt oder nicht (zweiseitige Fragestellung) bzw. ob
sie eventuell größer oder kleiner (geworden) ist (einseitige Fragestellung).
10.2.1Einseitiger Hypothesentest (Binomialtest)
Aufgabe
1
Vorgehen bei einem einseitigen Hypothesentest (Fragestellungen)
Aus umfangreichen Untersuchungen weiß man,
dass 11 % der 6- bis 10-jährigen Mädchen manuelle Tätigkeiten eher mit der linken als der rechten
Hand durchführen. Obwohl es heutzutage kaum
noch vorkommt, dass linkshändige Kinder zur
Rechtshändigkeit gezwungen werden, hat man die
Vermutung, dass Kinder diese Linkshändigkeit verlernen, d. h. dass der Anteil p der Linkshänder mit den Lebensjahren abnimmt. Zur Untersuchung dieser
Frage will man 140 Mädchen untersuchen, die 13 Jahre alt sind.
a)Durch ein Testverfahren hoffen wir zeigen zu können, dass der Anteil der Linkshänder unter den
13-jährigen Mädchen kleiner ist als 11 %, d. h. dass p < 0,11 gilt. Welche Hypothese ist hierfür zu
wählen?
b)Geben Sie eine Entscheidungsregel an: Bei welchen Stichprobenergebnissen kann man davon ausgehen, dass tatsächlich p < 0,11 gilt (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 5 %)?
Lösung
a ) Durch Stichprobenergebnisse können Hypothesen nicht bestätigt werden; wohl aber werden wir durch
extreme Stichprobenergebnisse veranlasst, eine Hypothese zu verwerfen, und können damit von der Gültigkeit des Gegenteils ausgehen. Hier bedeutet dies: Damit man p < 0,11 als richtig ansehen kann, muss
man davon überzeugt sein, dass p ≥ 0,11 nicht stimmen kann.
Wir testen also die Hypothese p ≥ 0,11, d. h. wir prüfen, ob der Anteil der Linkshänderinnen unter den
13-Jährigen gleich geblieben (p = 0,11) oder sogar größer geworden ist (p > 0,11).
Die Hypothese p ≥ 0,11 können wir verwerfen, wenn das Stichprobenergebnis deutlich unterhalb des
­Erwartungswerts von p = 0,11 und unterhalb des Erwartungswerts von jedem p liegt, das größer ist als
0,11. Wenn die Hypothese p ≥ 0,11 verworfen werden kann, sehen wir p < 0,11 als wahr an.
b) Wir betrachten also die Verteilung der binomialverteilten Zufallsvariable X: Anzahl der 13-jährigen
Mädchen, die bevorzugt die linke Hand benutzen.
Die Hypothese H0: p ≥ 0,11 wird verworfen, wenn das Stichprobenergebnis in einen Bereich unterhalb
des Erwartungswertes µ fällt, dem nur eine geringe Wahrscheinlichkeit zukommt; nach Aufgabenstellung
soll die Wahrscheinlichkeit höchstens 5 % betragen, dass ein Stichprobenergebnis in diesem Bereich liegt,
obwohl tatsächlich p = 0,11 gilt oder sogar p > 0,11.
454
10 Testen von Hypothesen …
Wenn p = 0,11 ist, dann erwarten wir, dass in der Stichprobe vom Umfang n = 140 ungefähr
µ = 140∙0,11 = 15,4
d. h. ungefähr 15 Mädchen sind, die überwiegend die linke Hand benutzen.
Mithilfe der kumulierten Binomialverteilung für n = 140 und
p = 0,11 stellen wir fest, dass
Ergebnisse unterhalb von X = 10
nur mit einer Wahrscheinlichkeit
von ca. 4,8 % auftreten:
P (X < 10) = P (X ≤ 9) = 0,048 18
Für größere Werte von p stellen wir fest, dass die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis P (X < 10) sogar noch
kleiner ist als 4,8 %:
p = 0,115:
p = 0,12:
p = 0,125:
P (X < 10) ≈ 0,033
P (X < 10) ≈ 0,022
P (X < 10) ≈ 0,015
Die Hypothese p = 0,11 wird verworfen, falls weniger als 10 Linkshänderinnen in der Stichprobe
sind. Erst recht wird dann die Hypothese p > 0,11
verworfen.
Entscheidungsregel: Verwirf die Hypothese p ≥ 0,11,
falls die Anzahl der Linkshänderinnen unter den 140
Mädchen kleiner ist als 10.
2
Verschiedene Standpunkte – Auswahl der Hypothese
Der Vorstand einer Partei fürchtet, dass bei der
nächsten Wahl der Stimmenanteil dieser Partei unter der 5 %-Hürde bleibt. Durch eine Wählerbefragung unter 400 Personen soll Klarheit geschaffen
werden. Über die Frage, welche Hypothese getestet
werden soll, streiten sich der Wahlkampfmanager
und der Finanzbeauftragte der Partei. Sie vertreten
unterschiedliche Standpunkte.
a)Der Wahlkampfmanager ist dafür, die Hypothese p < 0,05 zu testen, denn nur dann, wenn diese Hypo­
these verworfen wird, kann der Vorstand beruhigt sein.
Stellen Sie eine Entscheidungsregel auf (α ≤ 5 %).
b)Der Finanzbeauftragte der Partei ist dafür, die Hypothese p ≥ 0,05 zu testen, denn nur dann, wenn
diese Hypothese verworfen wird, hält er einen kostenintensiven Wahlkampf für notwendig.
Stellen Sie auch hier eine Entscheidungsregel auf (α ≤ 5 %).
c)Vergleichen Sie die Hypothesen aus den Teilaufgaben a) und b). Beschreiben Sie jeweils die Fehler
1. und 2. Art. Welche Interessen vertreten Wahlkampfmanager und Finanzbeauftragter?
10.2 Einseitiger und zweiseitiger Hypothesentest
Lösung
455
W
ir betrachten die (näherungsweise) binomialverteilte Zufallsvariable X: Anzahl der Wähler der Partei in
der bevorstehenden Wahl. Mit p bezeichnen wir den Anteil der Wähler dieser Partei.
a) Die Aussage des Wahlkampfmanagers lautet: p < 0,05. Von seinem Standpunkt will er erst abgehen,
wenn die Anzahl der Wähler der Partei in der Stichprobe im Vergleich zum Erwartungswert deutlich nach
oben abweicht. Hier wird also die Hypothese H0: p < 0,05 getestet.
Für p = 0,05 und n = 400 wäre μ = 400∙0,05 = 20. Für kleinere Werte von p kann man eine kleinere
Anzahl von Wählern der Partei in der Stichprobe erwarten.
Mithilfe der kumulierten Binomialverteilung für n = 400 und
p = 0,05
finden wir heraus:
Stichprobenergebnisse oberhalb
von X = 27 treten nur mit einer Wahrscheinlichkeit von ca.
4,8 % auf:
P (X ≤ 27) = 0,95201, also P (X > 27) = 1 – 0,95201 = 0,04799 ≈ 0,048
Für n = 400 und kleinere Werte
von p ergeben sich kleinere Werte für den Bereich X > 27.
Beispielsweise ergibt sich für
p = 0,049:
P (X > 27) = 1 – 0,96099 ≈ 0,039
Die Hypothese p = 0,05 wird verworfen, wenn
X > 27. Erst recht wird dann die Hypothese
p < 0,05 verworfen.
Entscheidungsregel:
Verwirf die Hypothese p < 0,05, falls die Anzahl
der Wähler der Partei in der bevorstehenden Wahl
größer ist als 27.
b) Die Aussage des Finanzbeauftragten lautet: p ≥ 0,05. Von seinem Standpunkt will er erst abgehen,
wenn die Anzahl der Wähler der Partei in der Stichprobe im Vergleich zum Erwartungswert deutlich nach
unten abweicht. Hier wird also die Hypothese H0: p ≥ 0,05 getestet.
Für p = 0,05 und n = 400 wäre μ = 400∙0,05 = 20. Für p > 0,05
kann man eine größere Anzahl von Wählern der Partei in der Stichprobe erwarten.
Mithilfe der kumulierten Binomialverteilung für n = 400 und p = 0,05
finden wir heraus: Stichprobenergebnisse unterhalb von X = 13 treten nur mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 3,6 % auf:
P (X < 13) = P (X ≤ 12) = 0,03551 ≈ 0,036
Für größere Werte von p ergeben sich kleinere Werte für P (X < 13);
beispielsweise ergibt sich für p = 0,051:
P (X < 13) = 0,02932 ≈ 0,029
456
10 Testen von Hypothesen …
Die Hypothese
p = 0,05
wird verworfen, wenn
X < 13. Erst recht wird dann die Hypothese p > 0,05
verworfen.
Entscheidungsregel: Verwirf die Hypothese p ≥ 0,05,
falls die Anzahl der Wähler der Partei in der bevorstehenden Wahl kleiner ist als 13.
c) In Teilaufgabe a) wurde die Hypothese p < 0,05 getestet und in Teilaufgabe b) die Hypothese
p ≥ 0,05. Die eine Hypothese ist die Verneinung der anderen. Jeweils gilt: Wird die eine Hypothese verworfen, dann wird die andere als richtig angesehen.
Was in Teilaufgabe a) ein Fehler 1. Art ist, ist in Teilaufgabe b) ein Fehler 2. Art, und umgekehrt. Allerdings
werden in den Teilaufgaben a) und b) verschiedene Verwerfungs- und Annahmebereiche betrachtet.
zu a): Hypothese p < 0,05
Es ist das Interesse des Wahlkampfmanagers
sicherzustellen, dass die 5 %-Hürde auf jeden
Fall geschafft wird.
zu b): Hypothese p ≥ 0,05
Es ist das Interesse des Finanzbeauftragten,
die der Partei zur Verfügung stehenden Mittel
möglichst effektiv einzusetzen.
Fehler 1. Art
Die Vermutung des Wahlkampfmanagers ist
wahr, aber wegen eines extrem großen Stichprobenergebnisses wird sie als falsch angesehen.
Der Wahlkampf wird nicht intensiviert, obwohl
dies notwendig wäre, da die Partei die 5 %-Hürde sonst nicht schaffen würde. Eine notwendige
Investition wird nicht vorgenommen.
Die Vermutung des Finanzbeauftragten ist wahr,
aber wegen eines extrem kleinen Stichprobenergebnisses wird sie als falsch angesehen. Der
Wahlkampf wird intensiviert, obwohl dies nicht
notwendig gewesen wäre, da die Partei die 5 %Hürde auch so schaffen wird. Die Finanzreserven
der Partei werden unnötigerweise verringert.
Fehler 2. Art
Die Vermutung des Wahlkampfmanagers ist
falsch, aber aufgrund des vergleichsweise
kleinen Stichprobenergebnisses wird die
Hypothese nicht verworfen. Der Wahlkampf
wird intensiviert, obwohl dies nicht notwendig
gewesen wäre, da die Partei die 5 %-Hürde auch
so schaffen wird. Die Finanzreserven der Partei
werden unnötigerweise verringert.
Die Vermutung des Finanzbeauftragten ist
falsch, aber aufgrund des vergleichsweise
großen Stichprobenergebnisses wird dies nicht
erkannt. Der Wahlkampf wird nicht intensiviert,
obwohl dies notwendig wäre, da die Partei die
5 %-Hürde sonst nicht schaffen würde. Eine notwendige Investition wird nicht vorgenommen.
Wenn in der Stichprobe zwischen 13 und 27 Wähler der Partei angetroffen werden (jeweils einschließlich),
dann kann gemäß Entscheidungsregeln keine der beiden Hypothesen verworfen werden.
Information
(1) Vergleich von Alternativtest und einseitigem Hypothesentest
Beim Alternativtest sind durch eine Sachsituation zwei alternative Ansätze vorgegeben ­– also Hypothesen
über zwei alternative Erfolgswahrscheinlichkeiten, die der Situation (dem Zufallsversuch) zugrunde liegen
können. Welche der beiden Hypothesen getestet wird, ergibt sich aus der Interessenlage der jeweils beteiligten Personen. Wird eine Hypothese aufgrund des Ergebnisses einer Stichprobe verworfen, dann wird
automatisch die andere, alternative Hypothese als richtig angesehen.
Von welcher Hypothese man als zu testende Hypothese ausgeht, hängt also davon ab, welche Interessenlage vorliegt. Im Prinzip ist man nur dann bereit, seinen eigenen Standpunkt aufzugeben, wenn dieser
wegen eines vergleichsweise „extremen“ Stichprobenergebnisses nicht mehr aufrecht erhalten werden
kann. Wenn zwei alternative Ansätze möglich sind, ist ­– objektiv gesehen – keine der beiden Hypothesen
der anderen gegenüber „bevorrechtigt“. Entscheidend ist, von welchem Standpunkt man ausgeht.
Beim einseitigen Hypothesentest stehen ebenfalls zwei gegensätzliche Standpunkte einander gegenüber.
Anders als beim Alternativtest kann man nicht von konkreten alternativen Erfolgswahrscheinlichkeiten
ausgehen, was in der Realität ja auch selten der Fall ist.
457
10.2 Einseitiger und zweiseitiger Hypothesentest
Beim einseitigen Hypothesentest ist die Erfolgswahrscheinlichkeit, die dem Zufallsversuch zugrunde liegt,
entweder größer oder mindestens gleich oder kleiner oder höchstens gleich einem bestimmten Wert für die
Erfolgswahrscheinlichkeit p. In Aufgabe 1 ergab sich dieser „bestimmte Wert“ aus den Untersuchungen an
6- bis 10-jährigen Mädchen (p = 0,11); in Aufgabe 2 spielte die durch Wahlgesetze festgelegte 5 %-Hürde
eine entscheidende Rolle.
Aus der Problemstellung ergeben sich auf diese Weise zwei Hypothesen, die jeweils Gegenhypothesen
zueinander sind. Wie beim Alternativtest gilt: Keine der beiden möglichen Hypothesen hat Vorrang vor
der anderen. Welche dieser beiden Hypothesen man testet, hängt vom eigenen Standpunkt oder von der
eigenen Interessenslage ab.
Man wird seinen Standpunkt nur dann aufgeben, wenn bei der Versuchsdurchführung ein Ergebnis auftritt,
dass zufällig nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auftreten kann, wenn der durch die Hypothese
vertretene Standpunkt richtig ist.
Denn das ist die grundsätzliche Strategie des Testens von Hypothesen: Man geht von der Richtigkeit der
Hypothese aus, die getestet wird, so lange man sich nicht durch ein extremes Ergebnis in dem geplanten
Zufallsversuch veranlasst sieht, diese aufzugeben. Diese Verhaltensvorschrift ergibt sich aus der vorher
aufgestellten Entscheidungsregel.
(2) Indirekter Ansatz beim „statistischen Beweis“
In Aufgabe 1 wollte man – wie man sagt – „statistisch beweisen“, dass der Anteil der Linkshänder bei
den älteren Mädchen kleiner geworden ist (p < 0,11) – es handelt sich dabei nicht um einen „Beweis“ im
strengen logischen Sinne. Die „Beweis“-Strategie war ein indirekter Ansatz: Wenn sich in der geplanten
Stichprobe zeigt, dass sich das logische Gegenteil unserer Vermutung, also die Hypothese p ≥ 0,11, nicht
mehr aufrecht halten lässt, dann kann man zukünftig von der Richtigkeit der ursprünglichen Vermutung
p < 0,11 ausgehen. Man nimmt also den Standpunkt einer Person an, die eine gegenteilige Meinung vertritt (nämlich p ≥ 0,11) – mit dem Ziel, diese von ihrem Standpunkt abzubringen.
(3) Einseitiger Test: Mögliche Hypothesen
Beim einseitigen Hypothesentest sind folgende Fälle möglich
mögliche Hypothese H0
gegenteilige Hypothese
Typ der Entscheidungsregel
p > p0 bzw. p ≥ p0
p ≤ p0 bzw. p < p0
X<K
p < p0 bzw. p ≤ p0
p ≥ p0 bzw. p > p0
X>K
Hypothese H0: p > p0 bzw. p ≥ p0
Hypothese: H0: p < p0 bzw. p ≤ p0
Die einseitige Hypothese H0: p > p0 bzw. p ≥ p0
Die einseitige Hypothese H0: p < p0 bzw. p ≤ p0
wird verworfen, wenn extrem kleine Versuchsergeb-
wird verworfen, wenn extrem große Versuchsergeb-
nisse vorliegen.
nisse vorliegen.
Der kritische Wert zur Festlegung der Entscheidungsregel wird so bestimmt, dass dem Bereich
unterhalb bzw. oberhalb nur die vorgegebene maximale Wahrschein­lichkeit für einen Fehler 1. Art zukommt, beispielsweise α ≤ 5 %.
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10 Testen von Hypothesen …
Zusammenfassung: Strategie beim Testen von Hypothesen
Beim einseitigen Hypothesentest (Binomialtest) lassen sich stets zwei Hypothesen formulieren, die
Gegenhypothesen zueinander sind. Welche der beiden Hypothesen man testet, hängt vom eigenen
Standpunkt oder der eigenen Interessenlage ab.
In der Entscheidungsregel wird festgehalten, von welchem „extremen“ Ergebnis eines geplanten Zufallsversuchs ab man bereit ist, seinen Standpunkt aufzugeben, d. h., die getestete Hypothese als
falsch anzusehen und die Gültigkeit der Gegenhypothese zu akzeptieren.
Wenn es darum geht, eine Vermutung „statistisch zu beweisen“, dann geht man strategisch vom logischen Gegenteil der Vermutung aus, in der Hoffnung, dass man diese Hypothese verwerfen kann,
damit man anschließend von der Richtigkeit der Vermutung ausgehen kann.
Übungsaufgaben
3 Vergleich von Standpunkten und zugehörigen Hypothesen
Ein Großhändler bietet einem CD-Laden billige CDs an.
a)Der Großhändler behauptet, dass mindestens 80 % der CDs in
Ordnung sind. Er vertritt den Standpunkt: „Meine Aussage gilt,
solange nicht das Gegenteil gezeigt ist.“ Wann wird man diese
Aussage als widerlegt ansehen?
Geben Sie eine Entscheidungsregel für eine Stichprobe vom Umfang n = 75 an (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 10 %).
b)Für den Ladenbesitzer wäre der Kauf vorteilhaft, wenn die Aussage des Anbieters richtig ist. Er misstraut dem Anbieter. Sein Misstrauen will er erst ablegen, wenn ihn das Ergebnis einer Stichprobe
überzeugt hat. Wann wird er kaufen?
Geben Sie eine Entscheidungsregel für eine Stichprobe vom Umfang n = 75 an (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 10 %).
c)Vergleichen Sie die Hypothesen aus den Teilaufgaben a) und b). Beschreiben Sie jeweils die Fehler 1.
und 2. Art. Welche Interessen vertreten Großhändler und Ladenbesitzer?
4
Jemand hat den Verdacht, dass bei einer bestimmten Münze Wappen eine größere Wahrscheinlichkeit
hat als Zahl. Man will zur Probe eine Münze 200-mal werfen und dadurch die Hypothese p ≥ 0,5 testen.
Geben Sie eine Entscheidungsregel an (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 5 %).
5
Ein Arzneimittelhersteller wirbt für ein neues Medikament mit dem Hinweis, dass es im Vergleich zu
Medikamenten anderer Hersteller besser verträglich sei: Nur bei 10 % der Patienten würden Allergien auftreten. In einer Klinik wird das Medikament bei 172 Patienten eingesetzt.
a)Welche Hypothesen kann man testen? Begründen Sie, welche am sinnvollsten ist. Formulieren Sie
Entscheidungsregeln.
b)Welche Irrtumswahrscheinlichkeit ist angemessen? Beschreiben Sie die Fehler 1. und 2. Art.
c)Vergleichen Sie diese Aufgabenstellung mit ähnlichen Aufgaben aus Kapitel 10.1.
6
Bei einer Wahl erhielt eine Partei 51 % der Stimmen und konnte damit allein die Regierung bilden.
Nach der Regierungsbildung führte sie einige unpopuläre Maßnahmen durch. 3 Monate nach der Wahl
gaben bei einer Umfrage unter 400 Personen 179 an, dass sie wieder die Regierungspartei wählen würden,
wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären. Beurteilen Sie, ob die Regierungspartei die mehrheitliche Unterstützung der Bevölkerung verloren hat (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 5 %).
459
10.2 Einseitiger und zweiseitiger Hypothesentest
7
Ein Lkw-Hersteller wirbt für seine Fahrzeuge
u. a. mit der Bemerkung, dass mehr als die Hälfte
aller Lkw auf Deutschlands Straßen von dieser Firma produziert würde. Bei einer Fahrt auf einem
Autobahnabschnitt begegnen uns 59 Lkw, davon
39 von der betreffenden Firma.
Beweist dieses Resultat die Firmenwerbung?
8
Eine Werbefirma verpflichtet sich gegenüber einem Waschmittelproduzenten, den Bekanntheitsgrad
eines Artikels auf 70 % zu heben. Anschließend soll dies in einer Zufallsstichprobe vom Umfang 500 nachgeprüft werden. Welche Hypothesen kann man testen? Welche wird der Auftraggeber testen?
Formulieren Sie Entscheidungsregeln (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 5 %) und beschreiben Sie die Fehler
1. und 2. Art.
Vergleichen Sie die Aufgabenstellung mit ähnlichen Aufgaben aus Kapitel 10.1.
9
Der Hersteller eines Pestizids ist der Überzeugung, dass ein bestimmtes Präparat aus seiner Produktion
in mindestens 90 % der Anwendungsfälle hilft. An dieser Aussage werden Zweifel geäußert. Der PestizidHersteller ist daraufhin bereit, seine Angaben zu überprüfen.
Welche Hypothese wird er testen? Begründen Sie.
10 Einem Elektrohändler werden Kartons mit Glühlampen günstig angeboten. Die Kartons und ein Teil
der Glühlampen wurden bei einem Unfall beschädigt.
Für den Händler wäre der Kauf vorteilhaft, wenn mehr als 70 % der Glühlampen in Ordnung sind. Er entnimmt zufällig 60 Glühlampen und prüft sie.
a)Formulieren Sie eine Entscheidungsregel: Bis zu welcher Anzahl beschädigter Glühlampen sollte der
Händler kaufen (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 10 %)?
b)In einer Stichprobe sind 47 der 60 Glühlampen in Ordnung. Geben Sie Erfolgswahrscheinlichkeiten an,
die zwar mit dem Stichprobenergebnis verträglich, aber für den Händler ungünstig sind.
c)In einer Stichprobe sind 38 der 60 Glühlampen in Ordnung. Der Händler nimmt das Angebot nicht an.
Könnte es sein, dass er ein günstiges Angebot verpasst?
11 Gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im
Jahr 2008 bei 62,9 % der Verkehrsunfälle mit Personenschaden (Tote
und/oder Verletzte) Männer als Hauptverursacher registriert. Dass
Frauen seltener an schweren Unfällen beteiligt sind, könnte seinen
Grund darin haben, dass sie seltener am Steuer eines Autos sitzen als
die Männer: Wenn nämlich nur 37,1 % der Personen, die ein Fahrzeug
lenken, Frauen wären, würde dies bedeuten, dass Frauen genauso
häufig einen schweren Unfall verursachen wie Männer.
Untersuchen Sie diese Frage in der Form eines (einseitigen) Hypothesentests. Beschreiben Sie die verschiedenen möglichen Standpunkte.
Stellen Sie Entscheidungsregeln auf für eine Stichprobe vom Umfang
250 bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von höchstens 5 %.
Welche Fehler können auftreten?
Statistik:
Frauen sind die besseren Autofahrer(innen)
Dass Frauen die besseren
Autofahrer sind, ist jetzt
auch statistisch belegt. Wie
das Statistische Bundesamt mitteilte, verursachten
Frauen lediglich 37,1 % der
Straßenverkehrs­unfälle mit
Toten und Verletzten.
460
10 Testen von Hypothesen …
12 Laut einer Veröffentlichung des Bundesministeriums für
Wirtschaft nutzten im Jahr 2007 nur 20 % der 16- bis 60-Jährigen
einen mobilen Internetzugang. Man geht davon aus, dass sich der
Anteil p seitdem erhöht hat. Dies will man durch eine repräsentative Stichprobe vom Umfang 1000 überprüfen. Welche einseitige
Hypothese wird man testen? Stellen Sie eine Entscheidungsregel
auf (Irrtumswahrscheinlichkeit α ≤ 10 %).
13 Eine Kette von Lebensmittelhändlern bestellt bei einem Er-
zeugergroßmarkt eine große Zahl von Pack­ungen mit je 8 Tomaten,
die zu einem Einheitspreis verkauft werden sollen. Man vereinbart
ein Mindestgewicht von 400 g pro Packung. Maximal 10 % der Packungen dürfen unter dem Mindestgewicht liegen.
Vor der Auslieferung sowie bei der Entgegennahme der Lieferung werden jeweils 100 Packungen kontrolliert. Welche Hypothesen werden dabei getestet? Geben Sie jeweils eine Entscheidungsregel an (α ≤ 5 %)
und beschreiben Sie die Auswirkung eines Fehlers 1. und 2. Art.
14 Wenn Patienten mit akuten rechtsseitigen Unterbauchschmerzen zum Arzt kommen, dann überprüft
dieser oft als Erstes, ob der Grund hierfür eine akute Appendizitis (Blinddarm-Ent­zündung) ist. Wenn eine
solche Erkrankung wirklich die Ursache für die Schmerzen ist, dann wird der richtige Befund in 85 % der
Fälle mithilfe der sonografischen Methode (Ultraschall) erkannt.
Dass mithilfe des Ultraschalls bei tatsächlichem Vorliegen einer Blinddarm-Entzündung die richtige Diagnose gestellt wird, hat auch mit der Schulung der Ärzte zu tun, Hinweise auf den Sonogrammen zu erkennen und richtig zu interpretieren. In Fachzeitschriften werden deshalb regelmäßig Fortbildungskurse für
Ärzte angeboten, durch die – nach Angabe der Veranstalter – eine deutliche Verbesserung der DiagnoseQuote von 85 % erreicht werden kann.
(1) Welche „Standpunkte“ kann ein Leser dieses Angebots einnehmen?
(2) Interpretieren Sie den Vorgang als einseitigen Hypothesentest und beschreiben Sie die Auswirkungen
eines Fehlers 1. und 2. Art.
(3) Unter den Teilnehmern der angegebenen Fortbildungsveranstaltung werde eine Stichprobe vom Umfang 250 durchgeführt. Bestimmen Sie die beiden zugehörigen Entscheidungsregeln so, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler 1. Art maximal 5 % beträgt.
15 An den Landtagswahlen in Baden-Württemberg am 26. 03. 2006 nahmen nur 53,4 % der wahlberech-
tigten Bürgerinnen und Bürger teil; dies war die bis dahin geringste Wahlbeteiligung in einem der westdeutschen Bundesländer überhaupt. Im Nachgang zur Wahl fand eine Befragung von 320 Wahlberechtigten
statt, durch welche die Ursachen für das Wählerverhalten erfasst werden sollte.
a)Die erste Frage lautete: Haben Sie sich an der Wahl beteiligt? Wie viele der befragten Personen werden
vermutlich hierauf die Antwort „Ja“ gegeben haben?
b)Noch vor einigen Jahren war es so, dass man davon ausgehen konnte, dass nicht alle befragten Nichtwähler zugeben wollten, sich nicht an der Wahl beteiligt zu haben. Diese Tendenz, die regelmäßig zu
erheblich nach oben abweichenden Ergebnissen geführt hatte, spielt nach Ansicht der Meinungsforscher keine Rolle mehr – eher im Gegenteil. Welche beiden Standpunkte ergeben sich hieraus für die
zu testenden Hypothesen? Geben Sie die zugehörigen Entscheidungsregeln an (α ≤ 10 %).
Beschreiben Sie die Auswirkungen der Fehler 1. und 2. Art.
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