Botanik der Nutzpflanzen Kurs 1 Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzliche Zellen. Kurs 2 Was nutzen wir (1)? Pflanzliche Energie Kurs 3 Was nutzen wir (2)? Pflanzliche Inhaltsstoffe Kurs 4 Grüne Gentechnik, Evolution der Nutzpflanzen und Globalisierung Kurs 5 Pflanzliche Gewebe 1: Meristeme. Parenchyme. Leitgewebe. Kurs 6 Pflanzliche Gewebe 2: Abschlussgewebe. Exkretionsgewebe. Kurs 7 Pflanzliche Organe. Aufbau der Pflanze. Metamorphosen. Kurs 8 Generative Entwicklung: Blüte. Samen. Frucht. Kurs 9 Biodiversität 1: Hauptgericht: Poaceae, Fabaceae, Solanaceae Kurs 10 Biodiversität 2: Beilagenteller: Brassicaceae, Asteraceae, Rosaceae 9.Apotom Kurs 11 Kurs 12 Biodiversität 3: Genuss: Rubiaceae, Vitaceae, Lauraceae Biodiversität 4: Heilung: Apiaceae, Lamiaceae, Zingiberaceae Botanik der Nutzpflanzen 1: Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzliche Zellen. Der rote Faden durch die Vorlesung Konzepte Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzliche Zellen Arbeitsfelder Praxis Lichtmikroskopie Wissenschaftliches Zeichnen Plasmolyse und Zelltypen Anwendung Lebensmittelüberwachung 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzen und Nahrung Alles Leben auf diesem Planeten hängt von Pflanzen ab. Mehr als ¾ der menschlichen Nahrung ist pflanzlichen Ursprungs. Die Bevölkerung steigt, die Fläche sinkt (Urbanisierung, Desertifikation). Reis (Oryza sativa L.), die wichtigste Nahrungspflanze der Menschheit. Die Karte zeigt die Welt abhängig vom Anteil der Bevölkerung, die mit weniger als 1 $ pro Tag auskommen müssen. Der Reisertrag hat sich seit 1960 aufgrund von Züchtung und effizienterem Anbau mehr als verdoppelt. Diese Schere konnte bisher durch Fortschritte bei Züchtung, Düngung und Pflanzenschutz zu einem Teil ausgeglichen werden (sogenannte Green Revolution). 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzen und Gesundheit Der pflanzliche Stoffwechsel kann viel mehr als der tierische… Viele pflanzliche Stoffe sind für die menschliche Gesundheit wichtig. Der pflanzliche Sekundärstoffwechsel ist erst teilweise verstanden. Vitamin A ist nicht nur für den Sehprozess (warum?), sondern auch für die menschliche Entwicklung unerlässlich. Durch metabolic engineering ist es gelungen, Reis zu entwickeln, der in seinem Endosperm genügend Carotinoide enthält (Golden Rice Project). Durch Aufklärung der beteiligten Enzyme in Verbindung mit molekulargenetischen Verfahren kann man den Sekundärstoffwechsel gezielt verändern ohne dass die Grundfunktionen beeinträchtigt sind. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzen und Rohstoffe Pflanzen sind wichtige Erzeuger von Rohstoffen für Industrieprodukte. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen sind sie nachwachsend. Pflanzliche Rohstoffe sind also der einzige Weg zu nachhaltiger Entwicklung. Baumwolle (Gossypium hirsutum L.) ist das wichtigste Rohmaterial für Textilien und ein nachwachsender Rohstoff, der die Wolle weitgehend verdrängt hat (oben rechts eine mittelalterliche Darstellung). Durch genetic engineering mit dem BtToxin konnte man die Pestizidmenge reduzieren. Durch gezielte Veränderung der Anbaueigenschaften beginnt man, die Ausbeute und Nachhaltigkeit dieser Resource zu verbessern. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Wozu Botanik der Nutzpflanzen? Pflanzen und Umwelt Pflanzen können über ihr verzweigtes Wurzelsystem Gifte „heraussaugen“. Triebkraft ist der Transpirationsstrom. Die Giftstoffe werden in der Vacuole gespeichert. Wenn man die Pflanzen „erntet“, kann man diese aufkonzentrierten Gifte so aus der Umwelt entfernen. Pappeln (Populus spec.) sind wichtige Pflanzen für die Phytoremediation von schwermetallverseuchten Böden. Durch Einführung bakterieller Gene lassen sich Kupfer (oben eine Sanierung einer Kupfergrube in Sachsen-Anhalt) und sogar Quecksilber aus dem Boden herausziehen. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Cyto-, Histologie, Anatomie („Gestaltlehre“) Morphologie: befasst sich mit Aufbau und Abwandlung von Organen innerhalb des Organismus. Histologie: („Gewebelehre“) befasst sich mit Struktur und Besonderheiten von Geweben innerhalb des Organs. Beispiel für die Sichtweisen. Morphologie würde den Aufbau der Blüte aus Blütenblättern und deren Form beschreiben, Histologie den Aufbau der Blätter aus Epidermis und Mesophyll, Cytologie die Organellen, die hier vorkommen und deren innere Struktur (z.B. Plastidenform). Cytologie: („Zellenlehre“) befasst sich mit Struktur und Besonderheiten Zellen innerhalb des von Geweben. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Wozu sich damit befassen? Unterscheidung: Für viele Fragestellungen muss man Arten unterscheiden können. Dazu muss man vergleichen. Dazu braucht man eine gute Formenkenntnis und muss auch die Zelltypen Anhieb zuordnen können. Cytologie und Unterscheidung. Wertvolle etherische Öle entstehen oft in Drüsenhaaren und Drüsenschuppen, an deren Form, Zahl und Aufbau eine Unterscheidung von Arten möglich ist (hier: Basilikum). Sind das nun ArtUnterschiede oder sind es verschiedene Strukturen? Erkennen Sie es? Einheit von Struktur und Funktion: alles hat einen „Sinn“. Jede Struktur ist so wie sie ist, weil sie eine bestimmte Funktion erfüllt. Kennt man die Funktion, versteht man die Struktur und umgekehrt. Wenn man Cytologie ignoriert, läuft man in die Irre, z.B. bei Gen-Funktions-Analyse. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Zellen und Diagnostik Oft enthalten Lebensmittel pilzliche oder tierische Verunreinigungen. Das kann man mikroskopisch erkennen – wenn man weiß wie! Mycotoxine: Pilze erzeugen oft Giftstoffe, die für den Menschen schädlich sind (z.B. Brotschimmel) Warum man Zellen erkennen können muß. Penicillium roquefortii liefert den typischen Geschmack von Roquefort oder Gorgonzola. Aspergillus nidulans ist dagegen auf Lebensmitteln nicht erwünscht und produziert giftige Mycotoxine. Muskel- und Knochenzellen in Mehl oder Futtermitteln sind Alarmzeichen. Hygiene: tierische Reste deuten oft auf Probleme bei der Hygiene hin (Mäuse in Mehl) oder auf unerlaubte Praktiken (Fischreste in Futtermitteln) 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Typisch: Plastiden Plastiden sind die pflanzlichen Organellen („Zellorgane“) Meist grün gefärbt, für Photosynthese verantwortlich (ChloroPlasten, von griech. chloros = grün) 3D Animation Chloroplast Struktur und Funktion von Chloroplasten. Das Innere des Chloroplasten ist durch komplexe Membranauffaltungen untergliedert. Um den elektrischen Gradienten aufbauen zu können, müssen verschiedene Reaktionsräume (Kompartimente) voneinander abgetrennt werden. Innen Membranstapel (Thylakoide), an denen Chlorophyll (Blattgrün) und andere Photosynthesepigmente (Carotinoide) gebunden sind. Die Thylakoide sind in Stapeln (Grana, von lat. granum = Korn) organisiert. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Typisch: Zellwand Pflanzenzellen sind zusätzlich zur Zellmembran von einer Zellwand aus Cellulose umgeben. Achtung: Die Zellwand ausserhalb der Zellmembran. liegt Die Zellwand besteht aus Fasern aus Cellulose, den Mikrofibrillen. Zellwand. Das Cytoplasma von allen Zellen wird durch eine Lipidmembran (die Zellmembran oder Plasmalemma) begrenzt. Ausserhalb der Membran liegt die Zellwand aus Cellulosefasern. Achtung: Den Begriff Zellwand nie für die Membran verwenden – das wäre irreführend. Die Zellwand und alles, was ausserhalb der Zellmembran zwischen den Zellen liegt, wird auch als Apoplast bezeichnet. Protoplast heißt die Zelle ohne Zellwand. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Feinbau der Zellwand Zellwand: Cellulosefasern in einer Matrix aus amorphen Anteilen (Pectine, Hemicellulosen, Proteine). Prinzip eines Verbundmaterials und verbindet hohe mechanische Stabilität mit geringem Gewicht. Verbundmaterial Zellwand. Die Zellwand besteht aus faserigen Anteilen (Cellulosefasern), die in eine amorphe Matrix (Pectin, Protein) eingebettet ist. Solche Verbundmaterialien verbinden Leichtigkeit mit großer mechanischer Belastungsfähigkeit, erhöht durch Verdickungen aus Lignin. Die Zellwand ist geschichtet – die ältesten Schichten sind aussen, die jüngsten innen: Mittellamelle, Primärwand, Sekundärwand. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Tüpfel und Plasmodesmen Zellen eines Gewebes sind durch Poren (Plasmodesmen) miteinander verbunden. Poren im Lichtmikroskop als sogenannte Tüpfel sichtbar. Tüpfel: Dünnstelle der Zellwand, wo Gruppen von Plasmodesmen sitzen. Durch die Tüpfel ziehen Kanäle aus Cytoplasma und dem Endoplasmatischen Reticulum von Zelle zu Zelle. Zell-Zell-Kommunikation. Pflanzenzellen sind durch Plasmodesmen miteinander verbunden. Die Zellwand hat an diesen Stellen „Löcher“, die licht-mikroskopisch als Tüpfel sichtbar werden. Achtung: die beiden Nachbarzellen sind an dieser Stelle nicht durch eine Membran getrennt. Zellen eines Gewebes cytoplasmatisch verbunden. Symplast (Gegenbegriff Apoplast). Was innerhalb der Plasmamembran liegt. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Pflanzliche Zellen Typisch: Vacuole Pflanzenzellen enthalten Vacuolen, die fast die gesamte Zelle ausfüllen können. Die Vacuolen entstehen durch die Verschmelzung saurer Vesikel und entsprechen den Lysosomen tierischer Zellen. Ihr Inhalt wird auch als Zellsaft bezeichnet. Biologische Funktion der Vacuole: Stoffspeicherung, Absonderung von Giftstoffen und Wachstum durch Aufnahme von Wasser Fast alles Vacuole. Das Innere von Pflanzenzellen ist fast immer durch eine große Vacuole gefüllt. Das Cytoplasma, der Zellkern und die ganzen Zellorganellen werden in einen oft sehr schmalen Saum am Rand der Zelle abgedrängt. Die Vacuolenmembran wird als Tonoplast bezeichnet. Wie funktioniert das? 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Arbeitsfelder der Botanik der Nutzpflanzen Forschung und Entwicklung Pflanzen erzeugen 106 sekundäre Komponenten mit medizinischer Wirkung. Dies ist erst ansatzweise genutzt. Die Übersetzung dieser Syntheseleistung in Biofermenter ist eine harte Nuss. Plant Cell Fermentation. Neue Cytostatika aus Pflanzen für die Chemotherapie von Tumoren sind heiß begehrt. Beispiel: ein neuer Wirkstoff aus Chinesischen Wildzitronen stört die Teilungsspindel von HeLa Krebszellen (Tan und Nick, 2015). In Kooperation mit Phyton Biotech arbeiten wir an mikrofluidischen Bioreaktoren. Hier braucht die Biotechnologie Wissen um Metabolismus, Gene, Enzyme, Transporter und Biologie für diese Sekundärmetaboliten. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Arbeitsfelder der Botanik der Nutzpflanzen Züchtung Die Landwirtschaft der Zukunft muss nachhaltig sein. Es geht daher nicht mehr einseitig um hohen Ertrag. Im Zentrum steht Resistenz gegen Krankheiten, Trockenheit, Kälte, Mineralknappheit. Genetische Resourcen und Genomik werden kombiniert, um den Prozess der Züchtung zu beschleunigen (Smart Breeding). Smart Breeding von Resistenzen bei der Weinrebe. Das Genom der Weinrebe ist durchsequenziert, man kreuzt nun Wildreben, die gegen Krankheiten immun sind, mit Kultursorten und kartiert mit molekularen Markern die einzelnen Nachkommen . Wer hat die Resistenz von der Wildrebe? Diese Strategien sind nur dann erfolgreich, wenn man die Biologie dahinter versteht. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Arbeitsfelder der Botanik der Nutzpflanzen Bioenergie Nachhaltige Energieversorgung erfordert Ersatz fossiler Brennstoffe. Dies geht nur auf pflanzlicher Basis. Problem: Konkurrenz Nahrungserzeugung versus Bioenergie. Next-Generation Biofuels. Pflanzen, die auf Grenzertragsböden wachsen können, konkurrieren nicht mit Nahrungspflanzen. Ein heisser Kandidat ist die Leguminose Pongamia aus Indien. Durch Knöllchenbakterien kann man sie sogar zur Rekultivierung von ausgelaugten Böden einsetzen, auch die Prozessierung ist entwickelt. Erfordert: kluger Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen, die auf Grenzertragsflächen (marginal land) wachsen können. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Arbeitsfelder der Botanik der Nutzpflanzen Verbraucherschutz Globalisierung bringt ständig neue Produkte auf den europäischen Markt, die oft eine medizinische Wirkung haben. Absichtliche oder versehentliche Verwechslung (adulteration) kann zum Verlust der Wirkung oder sogar zu negativen Effekten führen. Lemon Myrtle. Unter diesem Namen werden zwei Myrtaceen aus Australien gehandelt. Die eine enthält Citronellal, was bei vielen Menschen Allergien auslösen kann. Auf der Basis molekularer Marker haben wir einen Test entwickelt, mit dem man den Typ von Lemon Myrtle in einer Probe bestimmen kann. Authentifizierung von Nahrungspflanzen und ihren Produkten ist für den Verbraucherschutz zentral. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Konzepte: Arbeitsfelder der Botanik der Nutzpflanzen Artenschutz Biodiversität ist wichtig, doch bedroht. Um sie schützen und für künftige Generationen erhalten zu können, muss man sie erkennen können. Holzzertifikat. Das Hamburger Johann-Heinrich v. Thünen Institut hat eine einmalige Holzbibliothek, womit im Zoll überprüft wird, ob deklarierte Hölzer das sind, was sie sind. Unter anderem geht es um Handel mit illegal geschlagenem Tropenholz (wie der CITES-Art Bangkirai aus Thailand). Kontrollen und Untersuchung von Handelsprodukten erfordern die Kenntnis von Formen und Methoden der Bestimmung (daher Bestimmungsübungen) 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Okular Tubus Objektiv Objekttisch Aperturblende Kondensor Leuchtfeldblende 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Spielregeln 1. Scharfstellen: immer vom Präparat weg (warum?) 2. Objektivwechsel immer am Rändelring (warum?) 3. Okular reinigen (weiches Papiertuch, Linsenreiniger) 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Richtig „Köhlern“ 1. Präparat scharfstellen 2. Leuchtfeldblende schliessen 3. Kondensor nach oben fahren bis Bild der Irisblende scharf ist 4. Aperturblende einstellen bis Kontrast gut ist 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Vergrößerung und Auflösung Gesamt-Vergrößerung ist das Produkt aus: Okularvergrößerung x Objektivvergrößerung x Tubusfaktor Abbésche Formel des Auflösungsvermögens D D: die Fähigkeit, zwei nahe Punkte voneinander zu trennen. D=λ/A λ Wellenlänge, A numerische Apertur Achtung: „Gross“ ist nicht dasselbe wie „Gut“! Fallbeispiel: zweimal dasselbe Objekt (Diatomee) mit 40 x, aber oben mit n.A. 0.65 unten mit n.A. 1.4 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Numerische Apertur A = n . sin α α Öffnungswinkel, n = Brechungsindex (für Luft 1, für Immersionsöl 1.41, für Glas 1.5) Auf den Objektiven ist die numerische Apertur für n = 1 angegeben z.B. 40x = Vergrößerung des Objektives 0,65 = numerische Apertur (n∙sin α) 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Totalreflexion und Ölimmersion Beim Übergang vom dichteren Medium (Glas) zum dünneren Medium (Luft) werden flache Strahlen reflektiert. Für hohe Aperturen taucht man daher die Objektive in Immersionsöl (Brechungsindex genau wie bei Glas) 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Licht kann auf drei Arten mit Molekülen wechselwirken: 1. Absorption: Grundlage für Hellfeldmikroskopie und Histologie. 2. Reflexion: Grundlage für Reflexionsmikroskopie (Geologie). 3. Fluoreszenz: Grundlage für Fluoreszenzmikroskopie. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Was ist Histochemie? „Chemie unter dem Mikroskop“. Spezifische Färbemethoden: nicht nur Information über das „Wo“, sondern auch über das „Was“. Farbstoff durch bestimmte Molekülgruppen gebunden, diese dadurch sichtbar gemacht. Wichtige histochemische Nachweise. Mit Lugolscher Lösung (Jod-Jod-KaliumLösung) kann Stärke nachgewiesen werden. Mit Astrablau-Safranin werden verholzte und unverholzte Gewebe unterschieden, mit Sudan-Rot kann man Lipide (z.B. den Caspary-Streifen der Endodermis) sichtbar machen. Die klassische Histochemie beruht also auf einer spezifischen Erhöhung der Absorption für das Zielmolekül. Daneben gibt es mikroskopische Methoden, die andere spezifische Moleküleigenschaften in sichtbares Licht „übersetzen“. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Lichtmikroskopie Was bringt Fluoreszenzmikroskopie? Jablonski-Diagramm des Chlorophylls Anregung und Emission sind für jedes Molekül spezifisch: Fluoreszenzmikroskopie zeigt also nicht nur, wo etwas ist, sondern auch, was es ist: Fluoreszenzmikroskopie ist also „Biochemie mit dem Mikroskop“. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Wissenschaftliches Zeichnen Wozu überhaupt Zeichnen? Beim Zeichnen unterscheidet man Gestalt und Hintergrund (Wichtiges und Unwichtiges) Eine wissenschaftliche Zeichnung ist immer auch Deutung! 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Wissenschaftliches Zeichnen Zeichentechniken Übersichtszeichnung (ÜZ): Schematische Skizze. Darstellung der Lage und Ausdehnung der Gewebe in einem Organ oder Organteil nur in Umrissen. Keine einzelnen Zellen! Detailzeichnung (DZ): Beschriftung: Was ist zu sehen? (Epidermis der Zwiebel (Allium cepa L.) / Benennung (Pfeile), Technische Details (400 x, Frischpräparat, gefärbt mit Astrablau/Safranin, 29.10.2010, Peter Nick) zellgetreue Wiedergabe von Ausschnitten (maßstab- und formgetreu). Je nach Gewebstyp als Ein-, Zwei- oder Dreistrichtechnik. Beschriftung: Zeichentechniken – Übersichtszeichnung (ÜZ) und Detailzeichnung (DZ), als Einstrich-Zeichnung für Gewebe mit dünnwandigen Zellen, Zweistrich-Zeichnung für Gewebe mit dickwandigen Zellen und als Dreistrich-Zeichnung für Gewebe mit dünn- und dickwandigen Zellen. Eine wissenschaftliche Zeichnung ohne Beschriftung ist wertlos! 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Plasmolyse Semipermeabilität Biomembranen meabel: sind semiper- Kleine unpolare Moleküle lösen sich leicht in der Lipidschicht. Kleine geladene polare Moleküle können leicht durch die Membran diffundieren. Ionen und geladene Moleküle können nicht durch die Membran hindurch. Fluid-Mosaic-Modell. Membranlipide bewegen sich. So entstehen kleine Lücken, durch die kleine Moleküle (Wasser) hindurchgelangen können. Geladene oder größere Moleküle können jedoch ohne eigene Transporter nicht hindurch. Also fließt Wasser „bergab“ in umgekehrter Richtung (Osmose). 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Plasmolyse Plasmolyse Absenkung der Wasserkonzentration aussen (Salzlösung, hypertonisch) natürlichen Einstrom des Wassers umgekehrt, Zelle schrumpft (Plasmolyse). Wenn man die Zellen zurück in Wasser (hypotonisch) bringt, strömt Wasser wieder in die Zelle ein (Deplasmolyse). Plasmolyse bei Roten Zwiebeln. Durch Anthocyane ist die Vacuole rot gefärbt, so dass man das Schrumpfen der Vacuole sehr gut verfolgen kann. Bei geschlossener Blende werden die Cytoplasmastränge sichtbar, die zu den Tüpfeln ziehen (warum eigentlich?) Zum Nachdenken: Plasmolyse / Deplasmolyse ist ein einfacher Test, um zu prüfen, ob eine Zelle noch lebt oder nicht. Warum? 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Plasmolyse Plasmolyse im Alltag Platzen reifer Kirschen oder Wurzelrüben (z.B. bei Karotten): hier führt ein zu hoher Turgor und der teilweise Abbau der Zellwand infolge der Reifung manchmal zum Platzen der Zelle. Plasmolyse im Alltag. Beim Konservieren von Nahrung nutzt man oft Entwässerung durch (Hypertonie), durch hohe Zuckerkonzentration (Konfitüren, kandierte Früchte) oder durch hohe Salzkonzentrationen (Schinken, Salzhering, Matjesfilet). Welken durch Wassermangel: Die Turgeszenz geht verloren, die Zellwände werden "schlaff". Solange die Plasmamembran nicht beschädigt ist, erholt sich die Zelle wieder nach Zugabe von Wasser (Deplasmolyse). 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Zelltypen Küchenzwiebel (Allium cepa L.), Lauchgewächse (Alliaceae) Abschlussgewebe Zellkern Cuticularfalten (Fokus über der Zelle!) Cytoplasmastrang (Fokus in der Zelle!) Tüpfel (Dünnstelle Zellwand, wo Felder von Plasmodesmen sitzen) 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Zelltypen Küchenzwiebel (Allium cepa L.), Lauchgewächse (Alliaceae) Abschlussgewebe Die Epidermis besteht aus stark vacuolisierten Zellen. Ab und zu kann man hier Zellteilungen beobachten. Hierzu muss der Zellkern in die Zellmitte wandern. Dazu muss er sich durch die pralle Vacuole hindurchquetschen. Cytoskelett und Zellteilung. Die Mikrotubuli durchlaufen bei der Teilung eine dramatische Umorganisation. Deren biologischer Sinn besteht darin, den Kern in die Zellmitte zu bringen und ihn dort zu verankern, so dass dort die Spindel und die neue Zellwand entstehen kann. Die Kraft wird durch das Cytoskelett (Mikrotubuli und Actinfilamente) erzeugt. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Zelltypen Küchenzwiebel (Allium cepa L.), Lauchgewächse (Alliaceae) Abschlussgewebe Bei der Teilung wird die neue Zellplatte durch Actinstränge zurechtgerückt. Actin („Muskeln der Zelle“) Fallbeispiel Zwiebelepidermis. Dieses Gewebe ist einschichtig und erlaubt daher eine gute Beobachtung der Cytologie. Das geometrische Muster verrät etwas über die Rolle des Cytoskeletts bei der Teilung, an Roten Zwiebeln kann man schön Plasmolyse demonstrieren. Actin ist an den Plasmodesmen verankert. In den Zellecken gibt es keine Plasmodesmen. Darum grenzen immer nur 3 Zellen aneinander, fast nie 4 Zellen! 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Zelltypen Kartoffel (Solanum tuberosum L.), Nachtschattengewächse (Solanaceae) Histologie von stärkespeichernden Amyloplasten Beispiel für Stärkespeicherung in einem Sprossorgan (unterirdische Sprossknolle). Gewebe: Parenchym (Grundgewebe) mit dünnwandigen, stark vacuolisierten Zellen. Zahlreiche in Amyloplasten umgewandelte Plastiden („Stärkekörner“). Nachweis der Stärke über Jod-JodKalium (Lugolsche Lösung): •J2 + JStärkenachweis mit Lugolscher Lösung. Speicherparenchym der Kartoffel, durch Jod-Ketten im Innern der Amylose wird das Licht stark absorbiert. Nachweis von amylosereicher Stärke (Nudel, links) versus amylopectinreicher Stärke (japanischer Reis, rechts). [J3]- J2 + [J3]- [J5]- •Amylosehelix innen hydrophob, lagert die Tri- und Pentajodide ein, so dass diese zu längeren, stark gefärbten Ketten kondensieren. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Praxis: Zelltypen Weißkäse-Schimmel (Penicillium camembertii L.), Eurotaceae Hyphen eines Pilzmycels Wie erkennt man Pilze? Pilze: Aufbau aus Fäden (Hyphen). Plasmamembran Zellwand Es gibt kein geschlossenes Gewebe, selbst im Fruchtkörper nicht, die Hyphen sind einfach verflochten, Plasmodesmata fehlen. Pilze enthalten keine Plastiden, leben also von anderen Organismen (Heterotrophie) Cytoplasma mit Organellen Diagnostik pilzlicher Verunreinigungen. Wenn der Schimmel mit dem bloßen Auge sichtbar wird, ist die Entwicklung schon abgeschlossen. Die Farbe kommt von den gefärbten Sporen. Man kann jedoch schon lange davor in der Probe die fädigen Hyphen erkennen. Die Zellwand besteht oft aus Chitin (Stickstoffhaltige Zuckerketten), Speicherstoff ist oft Glycogen (wie bei Tieren). Denken SIE mal nach Die Zellen unseres Körpers haben keine Zellwand – warum platzen die nicht? A Weil sie keine Vacuole haben B Weil ihr Cytoplasma osmotisch inaktiv ist C Weil wir eine Niere haben D Weil ihre Plasmamembran wasserundurchlässig ist 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Anwendung: Lebensmittelüberwachung Ist drin, was drauf steht? Die meisten Lebensmittel sind pflanzlichen Ursprungs oder enthalten pflanzliche Bestandteile. Die meisten Lebensmittel sind Mischungen aus verarbeiteten und abgewandelten Komponenten. Manche dieser Komponenten sind teuer, schwierig zu konservieren oder schwer zu erhalten. Dies führt dazu, dass sie durch ähnliche, aber billigere oder leichter handhabbare Komponenten (Surrogate) ersetzt werden. Daher werden Lebensmittel durch eigene Ämter regelmäßig überwacht. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Anwendung: Lebensmittelüberwachung Aktuelles Fallbeispiel für ein Surrogat Bambustees sind zur Zeit ein großer Renner, vor allem im Gesundheitssektor. Ursprung: TCM. Bambus ist taxonomisch eine Herausforderung: >1000 Arten, zahllose Synonyme. „Steinbambus“ (ebenfalls in der TCM benutzt) hat ähnliche Blätter und ist eine Nelkenart. Wir haben einen PCR-basierten molekularen Test entwickelt, um das zu unterscheiden: etwa 50% der Handelsprodukte enthalten keinen Bambus sondern „Steinbambus“. Gefahr für Schwangere! 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Anwendung: Lebensmittelüberwachung Wie wird es gemacht? Mikroskopische Analyse: Auf Mischungen anwendbar, kostengünstig, flexibel. erfordert viel Erfahrung (daher dieser Kurs!) und ständige Optimierung, nur qualitativ. Chemische Analyse: Spezifisch, auf Inhaltsstoffe, quantifizierbar teuer, nur für enge Anwendungen, hohe Variabilität im Gehalt von Inhaltsstoffen. Molekulare Analyse (DNA-Barcoding): langfristig breit anwendbar, schnell, PCR erlaubt Hochdurchsatz Etablierung aufwendig, Extraktion von DNS oft schwierig. 1. Wozu Botanik? Pflanzliche Zellen Take-home question: Haben wir eigentlich das Potential von Nutzpflanzen schon vollständig ausgeschöpft?