gesundheit. Zellbasierte Therapien und Technologien Zellbasierte Technologien besitzen das Potenzial, die Wirkstoffentwicklung und Therapie zu revolutionieren und grundlegend neue Behandlungsmöglichkeiten für zahlreiche Krankheiten zu schaffen. Die Indikationen und Einsatzgebiete sind vielfältig. Regenerative Prozesse können angeregt oder funktionell gestörte und defekte Zellen ersetzt werden. Im Bereich der Immunabwehr lassen sich mit Hilfe von Zellen die Abwehr gegen Krebszellen reaktivieren oder Autoimmunreaktionen und die Abstoßung fremder Organe inhibieren. Das Life Science Netzwerk von Bayern Innovativ unterstützt und fördert durch seine Netzwerkaktivitäten und das am Universitätsklinikum Erlangen alle zwei Jahre stattfindende Kooperationsforum den weltweiten Technologietrend der zellbasierten Therapien. Ziel ist es, die Player in diesem Anwendungsbereich zusammenzubringen und technologie- und branchenübergreifend bayerische KMUs einzubinden sowie ein Konsortium aus Unternehmen und Instituten zu schaffen, die die Technologie weiter voran bringen wollen. In Bayern existieren zahlreiche Aktivitäten und Initiativen, die sich mit der Weiterentwicklung und Anwendung zellbasierter Therapien und Technologien beschäftigen. Einer der Hotspots ist Erlangen. Folgende Beispiele zeigen dies eindrucksvoll. Tumortherapie mittels dendritischer Zellen Einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Krebsimmuntherapie mittels dendritischer Zellen ist Prof. Gerold Schuler, Direktor der Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen. In seiner Klinik werden Vorläufer der dendritischen Zellen aus dem Blut des Patienten isoliert und so programmiert, dass sie – reinjiziert in den Patienten – T-Zellen in die Lage versetzen spezifisch Tumorzellen zu erkennen und gezielt zu attackieren. Eingesetzt werden sie bereits beim Melanom und beim Uveamelanom, Dendritische Zellen erfüllen eine Schlüsselrolle im Immunsystem. Sie fangen in den Körper eingedrungene Krankheitserreger und Antigene ab, zerlegen sie in Fragmente und präsentieren diese auf ihrer Oberfläche. Die der Immunabwehr dienenden T-Zellen erkennen diese Fragmente und sind danach in der Lage die Krankheitserreger zu identifizieren und zu bekämpfen. 18 einer seltenen für die Hälfte der Patienten tödlich verlaufenden Augenerkrankung. Sein Kollege Prof. Alexander Steinkasserer, Leiter der Immunmodulatorischen Abteilung der Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen forscht an der direkten Umprogrammierung dendritischer Zellen im Körper des Patienten mit dem Ziel Tumorerkrankungen zu therapieren. Stammzelltherapie gibt neue Hoffnung Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 11.500 Menschen an Leukämie, darunter viele Kinder. Oftmals besteht die einzige Heilungsmöglichkeit in der Transplantation von Knochenmark bzw. Stammzellen. Trotz mehrerer Millionen registrierter Stammzellspender weltweit kann auch heute noch für etwa 20 Prozent der Patienten kein geeigneter Spender gefunden werden. Für diese Patienten gibt es jedoch eine Alternative und neue Hoffnung. Das Blut aus der Nabelschnur ist reich an wertvollen blutbildenden (hämatopoetischen) Stammzellen, die nach der Geburt gewonnen werden können. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften können diese Stammzellen als Fremdspende (allogen) oder als Eigenspende (autolog) eingesetzt werden. Eine wichtige Rolle kommt hierbei den Stammzellbanken zu. Eine Spitzenstellung nimmt die Stammzellbank der Transfusionsmedizinischen und Hämostaseologischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen bundesweit ein, die von Prof. Reinhold Eckstein geleitet wird. An die Erlanger Stammzellbank sind heute über 500 Kliniken angebunden. B-Zell Therapie senkt das Infektionsrisiko Nach der Transplantation von Blutstammzellen eines Fremdspenders kann es bei Patienten zu schweren, teilweise letalen Infektionen kommen, oft ausgelöst durch eine Reaktivierung eines weit verbreiteten Herpesvirus. Ursache hierfür sind Medikamente, die zur Vermeidung einer Abstoßungsreaktion das Immunsystem stark unterdrücken. Diese müssen jedoch nach einer Stammzelltransplantation gegeben werden. Erlanger Wissenschaftler konnten in Tierversuchen zeigen, dass die Gabe von B-Lymphozyten das Infektionsrisiko deutlich senken kann. B-Lymphozyten sind Immunzellen, die Antikörper gegen Viren, Bakterien und Pilzen produzieren und dadurch eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen einnehmen. Weltweit erstmals haben Ärzte an der Uniklinik Erlangen 2014 einem Leukämie-Patienten nach einer Stammzelltransplantation B-Lymphozyten desselben Spenders transplantiert. Ziel ist es, die Sterblichkeitsrate der Patienten mit schweren Infekten deutlich zu senken. Das Verfahren wurde an der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie, deren Direktor Prof. Andreas Mackensen ist, erstmals am Menschen angewendet und zusammen mit den Professoren Thomas Winkler und Michael Mach sowie Dr. Julia Winkler entwickelt. Vom ursprünglichen Stammzellspender wird das Prüfpräparat durch Anreicherung von B-Lymphozyten durch die Stammzellbank der Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Erlangen-Nürnberg hergestellt. Stammzellen zur Herstellung von Krankheitsmodellen Zur Erforschung von Erkrankungen des Nervensystems gab es bisher keine aussagekräftigen Tier- und Zellkulturmodelle. Die Ergebnisse waren nur sehr limitiert auf den Patienten übertragbar. Eine Lösung bietet die Technologie der induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS). Ausgereifte Körperzellen eines Patienten, wie zum Beispiel Hautzellen aus einer Biopsie, lassen sich unter spezifischen Bedingungen in unreife induzierte pluripotente Stammzellen reprogrammieren. Aus diesen iPS-Zellen kann anschließend jeder beliebige Körperzelltyp im Reagenzglas gebildet werden. Auf diese Weise ist es möglich, Nervenzellen von Parkinsonpatienten zu generieren und diese mit Zellen von gesunden Kontrollpersonen zu vergleichen. Damit können Informationen über krankheitsverursachende Veränderungen gewonnen werden. Diese patientenspezifischen Nervenzellen erlauben es, den Effekt neuer potentieller Wirkstoffe zur Behandlung der Krankheit im Hochdurchsatzverfahren zu testen. Damit können iPS-Zellen die Entwicklung neuer Arzneimittel wesentlich vereinfachen, indem sie die Suche nach krankheitsrelevanten Targets und neuen Wirkstoffen beschleunigen. Im Rahmen von „forIPS – Bayerischer Forschungsverbund Induzierte Pluripotente Stammzellen” forscht Prof. Jürgen Winkler, Abteilung für Molekulare Neurologie des Universitätsklinikums Erlangen gemeinsam mit Arbeitsgruppen weiterer bayerischer Universitäten an der Etablierung eines Krankheitsmodells für Parkinson, der nach der Alzheimer-Demenz zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung weltweit. Die bisherigen Therapieansätze sind nur begrenzt in der Lage das Voranschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Die Entschlüsselung der Krankheitsprozesse ist ein wesentlicher Schritt, um nach neuen therapeutischen Ansätzen zu forschen. Bayerische Unternehmen entwickeln erfolgreich zellbasierte Therapieverfahren Eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen in Bayern, hier ist vor allem die apceth, aber auch MediGene, Cellasys, Spherotec, Hepacult, Pelo­ Biotech, CellTool, Presens, Yaskawa oder Aurigon und BSL zu nennen, widmen sich der Entwicklung neuer zellbasierter Therapieverfahren und Herstellungsmethoden sowie dafür benötigter Technologien und Testverfahren. Forschungseinrichtungen wie die LMU (Prof. Christian Haas, Lehrstuhl für Metabolische Biochemie), das Helmholtz-Zentrum (Prof. Wolfgang Wurst, Prof. Magdalena Götz), das Genzentrum München (Prof. Eckhard Wolf), in Würzburg der Lehrstuhl Tissue Engineering & Regenerative Medizin und die Fraunhofer-Projektgruppe Regenerative Technologien für die Onkologie (Prof. Heike Walles), in Regensburg das José-Carreras-Centrum und das Universitäts­klinikum (Prof. Edward Geissler) und netzwerkbildende Initiativen, wie der bereits erwähnte Forschungsverbund ForIPS, das Bayerische Immuntherapie-Netzwerk, die Stammzellbank der Universität Erlangen sowie die Netzwerk­aktivi­ täten von Bayern Innovativ (Projekte Zellbasierte Therapien des Netzwerk Life Science) und von BioM (Münchner Spitzencluster m4 – Personalisierte Medizin) bilden hier eine sehr gute Basis. Im März 2014 führte Bayern Innovativ am Universitätsklinikum Erlangen zu dem Thema das Kooperationsforum „Technologien für zellbasierte Therapien” mit rund 200 Teilnehmern aus Industrie und Wissenschaft durch. Einen Nachbericht zu dieser Veranstaltung finden Sie unter: www.bayern-innovativ.de/zelltherapie2014/bericht vermerkt Internationaler Kongress Forum Life Science 2015 11. / 12. März 2015, Technische Universität München – Garching www.bayern-innovativ.de/fls2015 19