Konsequenzen

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Gedächtnis
Veranstaltung WS 00/01
Werner Wippich
Plan zur Veranstaltung
Allgemeine Psychologie II: Gedächtnis
Mo 16-18 Uhr, HS 8 (Wippich)
30.10.
Einführung und Überblick (Baddeley, Kap. 1; Wippich, Kap. 1
06.11.
Wahrnehmung und Gedächtnis (Baddeley, Kap. 2)
13.11.
Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Mehr-Speicher Modelle
20.11.
(Baddeley, Kap. 3 u. 4)
27.11
Vorstellungen (Baddeley, Kap. 5)
04.12.
Übung und Verarbeitungstiefe (Baddeley, Kap. 7)
11.12.
Organisieren (Baddeley, Kap. 8)
18.12.
Vergessen (Baddeley, Kap. 10)
08.01.
Erinnern (Baddeley, Kap. 11)
15.01.
Wissen (Baddeley, Kap. 13)
22.01.
Gedächtnis und Emotion (Baddeley, Kap. 15)
28.01.
Amnesien (Baddeley, Kap. 16)
05.02.
Implizites Gedächtnis (Roediger, 1990)
12.02.
False Memories (Roediger, 1996)
Literatur:
Baddeley, A.D. (1997). Human memory. Hillsdale: Erlbaum (revised edition).
Roediger, H. L. (1990). Implicit memory. American Psychologist, 45, 1043-1056.
Roediger, H. L. (1996). Memory illusions. Journal of Memory & Language, 35, 76-100.
Wippich, W. (1984). Lehrbuch der angewandten Gedächtnispsychologie, Bd.1. Stuttgart:
Kohlhammer.
1. Einführung
Alltagsepisoden
1)
Aufwachen und Uhrzeit bemerken
Wahrnehmung und (sensorisches) Gedächtnis
2)
sich sofort seiner Person sicher sein
Identitätserlebnis
3)
Frühstück vorbereiten
Routinehandlung
4)
Verabredung erinnern
zukünftige Erinnerung absichern
5)
zur Arbeit fahren
Routinehandlung
6)
Nebel erinnert an letzten Urlaub
spontane Erinnerung
7)
Nach Lösung eines Problems gefragt werden
Denken und (semantisches) Gedächtnis
8)
Ähnlichkeit des Fragenden mit Schauspieler
Wahrnehmung und Gedächtnis
9)
Name des Schauspielers fällt nicht ein
Gedächtnisproblem
10)
Artikel studieren, um später Vorgesetzten
zu informieren
Standard-Gedächtnissituation
1 u. 2:
Wenig fragwürdig, selbstverständliche Randphänomene. Gedächtnis anteile
erst bei Störungen deutlich (Amnesien)
3 u. 5:
Gedächtnisanteile werden bei Problemen (Barrieren) auffällig
6 u. 8:
persönliche Vergangenheit (episodisches Gedächtnis); warum gerade jetzt
diese Erinnerungen?
7:
semantisches Gedächtnis, Wissen
4, 9 u. 10: eindeutig Gedächtnis, aber unterschiedlicher Art
Ausfall (9) oder Vergessen verweist am deutlichsten auf Gedächtnis
Were our memories perfect, never failing us in time of need, we should probably not
concern ourselves with memory at all.
Grenzen einer phänomenologischen Analyse von Alltagsepisoden (z.B. spontane, z. T.
unbewusste, implizite Gedächtniseffekte)
Historisch
Vergessen der wichtigste Grund, über ein Gedächtnis nachzudenken, es zu „erfinden“
Metaphern (Wachstablett-Computer)
Weil der direkten Beobachtung nicht zugänglich: ein hypothetisches Konstrukt für das,
was Erinnerungen zugrunde liegt
Um Erkenntnisse über das hypothetische Gedächtnis zu gewinnen, müssen wir sicher
sein, dass das Resultat eines Gedächtnisses (die Erinnerung) oder das Ausbleiben der
Erinnerung (Vergessen) als Gedächtnisphänomene gelten können. Voraussetzung ist
hierfür: Das zu erinnernde Ereignis ist tatsächlich früher registriert worden.
Standardsituation
Bestimmte Informationen werden vorgegeben (Lern- oder Enkodierungsphase);
im hypothetischen Gedächtnis registriert und gespeichert;
spontan oder auf Aufforderung erinnert (Abrufphase).
Aus den Beziehungen zwischen den objektiv bestimmbaren Größen „vorgegebene“ und
„wiedergegebene“ Informationen ziehen wir Schlüsse über Gedächtnisvorgänge.
Ebbinghaus (1885) hat als erster systematisch im Selbstversuch diese Standardsituation
verwendet mit sog. sinnlosen Silben (WUK) als „Informationen“.
Ziele:
„Reine“ Assoziationsprozesse in passivem Organismus
erfassen, Gedächtnis abgekoppelt
Kritik:
Trivial, Labor-fixiert, paradigmenspezifisch, keine ökologische Validität
Neuerer Trend:
real world“-Untersuchungen (memory observed, everyday
memory), Erkenntnisgewinn noch mager
Bartlett (1932) als Antipode der Ebbinghaus-Tradition
Alltagsnäher, realistischer, verwendete z.B. Texte, Kettenreproduktion (Gerüchtebildung), qualitative Veränderungen, Erinnerung als Konstruktionsprozess, SchemaKonzept, keine Abkoppelung des Gedächtnisses, aktiver Organismus
Gegenwärtiger Stand
Kein einheitliches, monolithisches Gedächtnis
Teilweise interagierende Subsysteme (Module) mit unterschiedlichen Speicherungskapazitäten, Speicherungsdauer, Kodes
z.B.
sensorische Register
Kurzzeitspeicher/Arbeitsspeicher
episodischer Langzeitspeicher
semantischer Langzeitspeicher
werden auf verschiedenen Ebenen analysiert (z. B. neurophysiologisch)
Aussagen über Gedächtnissachverhalte:
Gesetzesartige Zusammenhänge (Regelhaftigkeiten;
atheoretisch,
deskriptiv)
Modelle und Theorien (tools, help us to organize what we
know)
nach Baddeley wie „maps“ zu interpretieren
2.
Wahrnehmung und Gedächtnis
In jeder Sinnesmodalität können über die Dauer der objektiven Reizeinwirkung hinaus
sensorische Informationen extrem kurzzeitig gespeichert werden (sensorische Register).
Dies ist für die Bildung eines Perzepts nützlich. Darüber hinaus können sensorische
Merkmale auch nah das kurzzeitige Behalten beeinflussen (über einige Sekunden) und
schließlich sogar längerfristig eingespeichert werden. Beim kurzzeitigen Behalten
werden sie wahrscheinlich mit Informationen aus anderen Quellen integriert.
Visuelle Informationen
Sensorisches Register wird ikonisches Gedächtnis genannt
Garantiert - zumal bei kurzer Reizeinwirkung - Persistens und weitere
Bearbeitungsmöglichkeiten.
Inhalt: physikalische Merkmale (Größe, Farbe, Helligkeit), keine Bedeutungsinformationen (präkategorial)
Kapazität: nahezu unbegrenzt
Dauer:
sehr kurz (250 msec. - 1 Sek., reizabhängig)
„Ort“:
retinal und zentral
Funktion: bei Augenbewegung für Kontinuität der Wahrnehmung sorgen
Untersuchungen von Sperling (60)
Kurzzeitig 3 x 4 Buchstabenmatrizen exponiert und sofort wiedergeben lassen
(Ganzbericht)
Ergebnis: 4-5 Buchstaben werden berichtet
Bei Teilbericht (nur eine der drei Reihen ist wiederzugeben): Geschätzte 9-10
Buchstaben können wiedergegeben werden
Inhalt:
Förderliche Teilberichtscues (s.o.)
Dauer:
Geschätzt z. B. aus dem Anhalten des Teilberichtsvorteils
Ort:
Aus Wirkungen von nachfolgenden
Maskierungsreizen erschlossen
(Turvey)
Zufallsmaske (random o. noise mask) wirkt nur nonoptisch (peripher)
Patternmaske: Wirkung transferiert auf anderes Auge (zentral, später)
Kurzzeitiges Behalten
Posner et al. (1969) haben gezeigt, dass Buchstabenurteile (gleicher oder verschiedener
Namen) schneller gehen, wenn die namensgleichen Buchstaben (AA, aa) auch visuell
identisch sind. Dieser Vorteil kann über eine Zeitspanne von 2 Sekunden zwischen den
beiden Buchstaben anhalten.
Bei komplexeren visuellen Reizen (Schachbrettmuster) sind noch bei Intervallen von bis
zu 9 Sek. visuelle Effekte nachweisbar (Phillips).
Langzeitiges Behalten
Wiedererkennen von Bildern u. ä. über längere Zeiträume (z. B. ein Jahr) überzufällig
Abhängig vom Bildtyp
flashbulb memories (extrem lebendige - auch visuelle - Erinnerungen daran, wie man
markante und konsequenzenreiche Ereignisse registriert hat)
Mögliche Fehlerinnerungen, Einflüsse von Schemata (z. B. Aussehen von Geldmünzen)
Bedeutung für Zeugenaussagen
Akustische Informationen
Sensorisches Register wird hier Echo-Gedächtnis genannt
auditory experiences such as the recognition of speech would be impossible without the
ability to retain sensory impressions for periods longer than their actual physical
duration
Dauerschätzungen umstritten (von 130 msec. - 2 Sek.)
Auch hier Vorteile des Teilberichts (vier-ohriger Mann), die bis zu 2 Sek. persistieren
Kurzzeitiges Behalten
Modalitätseffekte (gesprochene Zahlenfolge wird besser wiedergegeben als visuelle
Zahlenfolgen, Effekt konzentriert auf das letzte Item der Folge)
Suffixeffekte: ein irrelevantes, zusätzlich gesprochenes Item nach der Liste (bis zu 2 Sek.
danach) beeinträchtigte diesen „recency“-Effekt bei akustischer Darbietung
Es ist aber fraglich, ob dies einem Echo-Gedächtnis (präkategorisches akustisches
System, PAS), wie Crowder annimmt, zugerechnet werden kann (z. B. Suffix-Effekte
auch beim Lippenlesen)
Langzeitiges Behalten
Wiedererkennen von Musik
Wiedererkennen von Stimmen ( z. B. berühmte Personen aus verschiedenen Epochen)
Wiedererkennen von zuvor erstmals gehörten Stimmen (Fremde) ist ohne Behaltensabsicht (inzidentelles Lernen) relativ schlecht
3. Klassische Kurzzeit-Gedächtnisforschung (KZG)
Zugunsten eines Kurzzeitspeichers (KZS) spricht zunächst die begrenzte Aufnahmeund Haltekapazität.
Messung durch unmittelbare Gedächtnisspanne (z. B. Zahlenfolgen in vorgegebener
Abfolge wiedergeben: Typischerweise 6-7 Items sind die obere Grenze.)
Kann durch Gruppierung verbessert werden.
Wichtig: 6-7 Items (oder nach Miller 7±2) bezieht sich auf sog. chunks (Klumpen), also
z. B. 6 Einzelbuchstaben oder aber 6 sinnvolle Wörter. Dementsprechend
kann die Spanne durch Training erhöht werden (Transformation der Items,
Wissensanreicherung)
Spanne überprüft KZG, entspricht aber nicht der Kapazität des KZS, da bei dem Test
auch der Langzeitspeicher (LZS) Einfluß nimmt.
Kurzzeitiges Vergessen
Brown sowie Peterson & Peterson (59) konnten zeigen, daß begrenzte
Informationsmengen (z. B. 3 Konsonanten oder 3 Wörter) über ein kurzes
Behaltensintervall (von 0-18 Sek.) mit einer Ablenkungsaufgabe (rückwärts zählen)
gefüllt, kontinuierlich schlechter reproduziert werden (nach 18 Sek. nur noch 10 %).
Da für dieses rapide Vergessen eine retroaktive Interferenz (durch das Zählen)
unwahrscheinlich schien, wurde zur Interpretation ein automatischer Spurenzerfall
(trace decay) postuliert und dem KZS zugeordnet. Vergessensphänomene beim
langzeitigen Behalten wurden dagegen als Interferenzphänomene gedeutet.
Probleme der Interpretation:
Keppel & Underwood (62) konnten kein Vergessen
beobachten, wenn das Behaltensintervall
interindividuell variiert wurde (nur ein Durchgang).
Dies läßt auf proaktive Interferenz beim BrownPeterson Paradigma schließen.
Entsprechend ist von Wickens (70) mit diesem Vorgehen eine Aufhebung der
proaktiven Interferenz (release) demonstriert worden, wenn die Reizdimensionen
gewechselt wurden. Relevante Merkmale hierbei: Semantische Kategorien,
männlich/weiblich, konnotative Attribute, auch Klang und Schriftgröße.
s.a. Nachrichten aus dem Inland/Ausland
Gegen diese Sicht spricht, daß unter anderen Bedingungen (z. B. bei längeren
Intervallen zwischen den Durchgängen) kein kurzzeitiges Vergessen beobachtet wurde.
Außerdem gibt es selbst dann release-Effekte, wenn die Änderung der Reizdimension
erst kurz vor der Wiedergabe erkannt wird.
Wahrscheinlich geht das kurzzeitige Vergessen bei Brown-Peterson-Anordnungen auf
einen geringfügigen Zerfall (innerhalb der ersten drei Sekunden) und auf - die
wichtigere Komponente - Wettbewerb durch früher präsentierte/erinnerte Items
zurück (Diskriminationsprobleme beim Abruf; das „release“-Phänomen geht dann auf
eine erleichterte Diskrimination zurück). Letzteres zeigt an, daß bei dem Paradigma der
Langzeitspeicher-Anteil eine große Rolle spielt.
Hypothesen zum Vergessen von KZS-Informationen
neben Spurenzerfall (s.o.)
einfache Verdrängungshypothese (nachfolgende Inputs verdrängen KZSInformationen, wenn dessen Kapazität überschritten wird)
Problem: Erklärt nicht, warum phonologisch ähnliche Items schlechter reproduziert
werden als „neutrale“ Items.
attributspezifische Interferenzhypothese (Inputs, die ähnliche Merkmale aufweisen,
treten mit KZS-Information in Interferenz)
Um zwischen Zerfall und Interferenz entscheiden zu können, folgender Versuch
(Reitman, 1971,74):
3 einsilbige Substantive für 2 Sek. präsentiert und gelesen (innerhalb KZSKapazität)
Reproduktion nach 15 Sek.
Innerhalb des Intervalls Ablenkungstätigkeiten (Töne identifizieren oder eine
kritische Silbe entdecken): Soll Memorieren verhindern und keine Interferenz
erzeugen
Zusätzlich Kontrolldurchgänge nur mit Signalentdeckung
Ergebnisse: vergleichbare Detektionsleistungen bei Kontroll- und
Reproduktionsdurchgängen
(spricht dafür, daß nicht memoriert wurde)
Reproduktionsleistungen nahezu perfekt
(spricht gegen Spurenzerfall)
Reproduktionsleistungen dann verschlechtert, wenn im Intervall
„verbale“ Anforderungen gestellt (spricht für attributspezifische
Interferenz oder für Aufmerksamkeits- oder Prozeßkapazität-Belastung)
Zwar versuchten Melton (63) und andere eine Ein-Speicher-Auffassung zu retten
(empirische Argumente: Bei KZG-Aufgaben - wie Brown-Peterson o.
Gedächtnisspanne - gibt es langzeitige Lerneffekte, z. B. gibt es einen
graduellen Anstieg der Gedächtnisspanne, wenn eine Zufallsfolge von
Zahlen jeden dritten Durchgang wiederholt wird)
Doch diese Kritik wurde zurückgewiesen, weil (s.o.) KZG-AUFGABEN nicht mit dem
KZS gleichzusetzen sind (einem Konstrukt) und Einflüsse des LZS zulassen.
Argumente zugunsten von Mehr-Speicher-Modellen
- Serielle Positionskurve beim Freien Reproduzieren (Glanzer, 70) mit „primacy“ (soll
auf Memorien zurückgehen) und „recency“-Effekt (soll dem KZS zugerechnet werden).
Zu beachten ist allerdings, daß „recency“-Items auch dem LZS „zugehören“ können.
Nach Waugh und Norman (65) deshalb Korrekturformeln:
Rp = KZS + LZS - KZS x LZS
Die Insensitivität des über den recency-Effekt analysierten KZS für zahlreiche
Variablen, die zugleich Einflüsse auf den LZS (pre-recency Bereich) ausüben, spricht für
Mehr-Speicher-Konzeptionen.
Beispiele:
Darbietungsrate, Auftretenshäufigkeit, semantische Relationen
Weiterhin:
ein gefülltes Behaltensintervall hebt „recency“ auf
Bei späterer Reproduktion: negativer „recency“
- Begrenzte Speicherkapazität (bei schnellem „Zufluß“ und „Zugriff“ bei KZS (2-3
Wörter oder Einheiten wie Sprichwörter)
- Nahezu unbegrenzte Kapazität bei LZS (langsamer „Zufluß“ und „Zugriff“)
- Unterschiedliche Kodes
KZS:
akustisch/artikulatorisch
LZS:
semantisch
(z. B. Baddeley, 66; Kintsch/Buschke, 69)
- Neuropsychologische Befunde
Patienten mit intaktem KZS (recency) u. beeinträchtigtem LZS (H. M.)
und umgekehrt (K. F. )
Modales Modell (Atkinson/Shiffrin, 68)
sensorische Register
Output
STS
Kontrollprozesse: Kodieren, Memorien, Entscheiden,
Abrufstrategien
LTS
Probleme der klassischen Mehr-Speicher-Konzeption
neuropsychologisch:
Patient K. F. Wie kann bei einem defekten KZS (nach
dem klassischen Modell) der LZS normal funktionieren?
Recency u. KZS
Bei Freier Reproduktion von Wortlisten simultan eine
Zahlenfolge (digit span) bearbeiten: Kein Effekt auf
recency
Außerdem wurden LZ-recency-Effekte beobachtet
Unterschiedliche Kodes:
Evidenzen für visuelle Kodes in STS
Auch semantische Kodierung ist wahrscheinlich
Memorieren:
Kein Zusammenhang zwischen der Präsenzdauer in KZS
oder der Häufigkeit des Memorierens und dem langzeitigen Behalten
verschiedene Formen des Memorierens sind zu
unterscheiden (bloßes Rezirkulieren vs. Elaborieren)
Konsequenzen
1)
levels of processing-Ansatz (Craik & Lockhart, 72) betont Verarbeitungsprozesse,
vernachlässigt Speicher (Strukturen)
Prinzip der Verarbeitungstiefe
13. STS in Arbeitsspeicher-Modell (working memory) aufgenommen und fraktioniert
4. Arbeitsspeicher-Modell und die phonologische Schleife
Was führte zur Entwicklung des Modells; Untersuchungen von Baddeley und Hitch mit
der Frage, wozu könnte der KZS nützlich sein
Doppelaufgaben (dual task): Zahlensequenzen (0-8) sollten behalten werden (offenes
Memorieren) und nach Bearbeitung einer anderen Aufgabe (reasoning, Reproduktion
von Wortlisten, Textverstehen, Fakten abrufen) wiedergegeben werden
Typisches Ergebnis: Mit zunehmender Belastung (digit load) werden die
Reaktionszeiten bei der anderen Aufgabe langsamer, die Fehlerquote verändert sich
dagegen kaum (z. B. überhaupt kein Einfluß auf den recency-Effekt bei G-digit-load)
Dies spricht gegen KZS als single unitary store whose limited capacity is likely to be
totally absorbed by span limit
Arbeitsspeicher-Modell
3 Komponenten:
Zentrale Exekutive (Aufmerksamkeits-Kontroll-System, überwacht und
koordiniert „Sklavensysteme“)
Visuell-Räumliches Sketch Pad (Generiert und manipuliert visuelle Vorstellungen)
Artikulatorische oder phonologische Schleife (bearbeitet verbale Informationen)
Phonologische Schleife
Entspricht der Bedeutung sprachlicher Kodierung
Enthält zwei Komponenten:
phonologischen Speicher
(hält „speech-based“-Informationen)
zerfällt nach ca. 2 Sek. wenn nicht aufgefrischt
über
artikulatorischen Kontrollprozeß (inneres Sprechen) feed back into the store; kann
auch visuelles Material umkodieren für phonologischen Speicher
Argumente für die Schleife:
-
phonologischer Ähnlichkeitseffekt (bei unmittelbarer serieller Reproduktion
schlechtere Leistung bei phonologisch ähnlichen Items)
13. unattended Speech-Effekt (die Wiedergabe visueller Reize wird durch nicht zu
beachtende gesprochene Reize beeinträchtigt)
14. Wortlängen-Effekt (Gedächtnisspanne ist korreliert mit der Lese- oder
Artikulationsrate)
-
Effekte der artikulatorischen Suppression (z. B. da, da, die etc. aussprechen)
(verhindert die Auffrischung phonologisch gespeicherter Items oder die
Einspeicherung visueller Reize)
15. Patienten mit defizitärer phonologischer Speicherung
Patienten mit Dysarthia (keine Kontrolle über artikulatorische Muskulatur) zeigen
normale Effekte (s.o.). Dies legt nahe, daß „inneres Sprechen“ netralen motorischen
Programmen zuzuordnen ist.
Wozu könnte die phonologische Schleife nützlich sein?
Lesen lernen
Sprachverständnis (?)
Phonologisches Lernen (Fremdsprachen)
Erwerb des Vokabulars
1) Visuell-räumliches „sketchpad“: Vorstellungen
ein zweites „Sklavensystem“ zur Generierung und Manipulation visuell-räumlicher
Vorstellungen
Beispiele für visuelle Vorstellungen
Anzahl der Fenster des Wohnhauses
Würfel mit 3 cm Kantenlänge, alle Oberflächen rot, in 27 kleine Würfel mit 1 cm
Kantenlänge zerschnitten: Wieviel kleine Würfel haben drei rote Oberflächen?
Vorstellungen sind nicht Bilder (Beispiel Reed)
Beispiele für Vorstellungstheorien: Paivio
Ausgangspunkt: Bildhaftigkeitseffekte beim Lernen (Bilder > konkrete > abstrakte
Begriffe)
Bei Bildern die größte und bei abstrakten Begriffen die geringste Wahrscheinlichkeit einer
dualen (imaginal und verbal) Kodierung
Zusätzlich: Qualitätsunterschiede zwischen den Kodes (Umstrukturierungs- und
Transformationsmöglichkeiten)
Weiterführung: Vorstellungen bei mentalen Vergleichsuntersuchungen (Wissensurteilen)
Symbolische Distanzeffekte (längere Antwortzeiten bei geringeren Unterschieden)
wie bei Wahrnehmungsurteilen
Zugunsten einer analogen (kontinuierlichen) Repräsentation gewertet (versus
diskret-verbale, propositionale Repräsentation)
Allerdings auch Distanzeffekte bei abstrakten Urteilen (Intelligenz): Unterscheidung
zwischen konkret und abstrakt-analogen Repräsentationen (bei letzteren kein
direktes Abbildungsverhältnis gegeben)
Operationen, die an Vorstellungen vorgenommen werden können
Mentale Rotation: Urteile, ob zwei Figuren (oder Buchstaben), die sich durch Rotation
verschoben haben, identisch sind oder nicht. Urteilszeiten hängen vom Rotationswinkel ab
Mentales scanning: Distanzeffekte bei Urteilszeiten zu Vorstellungen (je größer die
Distanz zwischen zwei Ortspunkten, desto längere Vorstellungszeiten)
Kosslyns Vorstellungstheorie
Vorstellungen werden einem visuellen buffer (innerer
Bildschirm) zugeordnet. Bei der Vorstellungsbildung
werden Daten aus „Tiefenstrukturen“ genutzt
Modalitätsspezifische Interferenzeffekte (Brooks) Beim visuellen Vorstellen ist ein
verbaler Antwortmodus vorteilhaft, bei verbalen
Aufgaben dagegen ein visueller Antwortmodus (zeigen)
Baddelys Sicht eines „sketchpad“
Ausgangspunkt: Doppel-Aufgaben-Technik. Welche Zusatzaufgaben beeinträchtigen
Aufgaben, die Vorstellungen beanspruchen?
Eine sog. tracking-Aufgabe (pursuit rotor) beeinträchtigt nur eine Vorstellungsaufgabe
(sich eine Matrix mit Zellen füllen), nicht aber eine verbale Version dieser Aufgabe
Geht die Interferenz auf visuelle oder räumliche Komponenten des Vorstellens zurück?
Da eine „räumliche“ (Pendel) Aufgabe stärker interferierte als eine „visuelle“
(Helligkeits) Aufgabe, wurde zunächst auf räumliche Komponenten geschlossen
(Lokalisation)
Nachfolgende Untersuchungen (Logie) deuten aber auch auf visuelle Komponenten hin
ein visuell-räumliches Suchsystem (fed either directly by visual perception or indirectly:
generation of a visual image)
Neuropsychologische Evidenzen
Blutstrommessungen, EEG, evozierte Potentiale: Vorstellungen (wie visuelle
Wahrnehmung) implizieren vor allem Occipitale, hintere parietale und temporale Bereiche
(wie visuelle Wahrnehmung)
Entsprechend gibt es Patienten (Agnosien), die – wie beim Wahrnehmen – spezifische
Vorstellungsausfälle für visuelle (was) oder räumliche (wo) Komponenten haben können
Sketchpad –Nutzen?
Geographische Orientierung, Planung räumlicher Aufgaben
6. Erwerb neuer Informationen: Übung und Verarbeitungstiefe
Erwerb und Behalten neuer (episodischer) Informationen setzt Aufmerksamkeit, Übung
und Organisation und Konsolidierung voraus
Aufmerksamkeit
Lernen im Schlaf ist unwahrscheinlich
Nicht beachtete Infos werden kaum behalten
Aufmerksamkeitsbelastende Zusatztätigkeiten beeinträchtigen die Behaltensleistungen, wenn Aufmerksamkeit gesichert ist
Weniger die Lern- oder Behaltensabsicht als die Güte der Verarbeitung sind
entscheidend (Mandler zeigte, daß eine optimale Bearbeitung ohne Behaltensabsicht
zu vergleichbaren Leistungen führte wie eine Lerninstruktion)
Bestimmte Merkmale (Vorkommenshäufigkeit oder räumliche Lokalisation) werden
möglicherweise automatisch registriert (z. B.: ohne Lernabsicht gleiche Resultate wie
mit Lernabsicht)
Übung
Ebbinghaus zeigte bereits, daß zwischen der Anzahl der Wiederholungen am 1. Tag
des Listenlernens und der Anzahl notwendiger Wiederholungen bis zur
Beherrschung des Materials am folgenden Tag ein linearer Zusammenhang besteht
(entspricht der total time-Hypothese)
Verteilte Übung ist effektiver als massierte Übung (zeigt Grenzen der total timeHypothese)
z. B. verteiltes Lernen über viele Tage ist günstiger als über wenige Tage
größere Abstände zwischen Durchgängen sind günstiger (gilt hauptsächlich für
motorische Fertigkeiten)
größere Abstände zwischen wiederholten Items sind günstiger (lag-Effekt)
Häufige Wiederholung im Alltag (z. B. Kampagnen zur Umstellung von
Sendefrequenzen) sind in der Regel ineffektiv (wahrscheinlich ein Aufmerksamkeitsproblem)
levels of processing (lap)
Alternative zu (strukturellen) Mehr-Speicherkonzeptionen
Craik und Lockhart (72) postulieren:
16. Gedächtnissperren als Nebenprodukte von Analyseprozessen
17. Diese können auf einem Kontinuum, mit den Endpunkten „sensorische Analyse“ und
„semantische Elaboration“ angeordnet werden
18. Das Kontinuum kann nach einem Kriterium der kognitiven Tiefe beschrieben werden
19. Memorieren hält Infos auf dem erreichten Verarbeitungsniveau präsent oder leitet
tiefergehende Verarbeitungsprozesse ein
20. Behalten ist eine positive Funktion des Verarbeitungsniveaus, das erreicht worden ist
typische Untersuchungen: z. B. Craik und Tulving (75), ohne Lernabsicht (inzidentelles
Lernen) durch Vorgabe sog. Orientierungsaufgaben (oberflächlich – semantisch) die
Verarbeitungstiefe manipulieren.
Probleme:
Gefahr der Zirkularität (unabhängige Festlegung der Verarbeitungstiefe,
angemessene Indikatoren
angenommene serielle Abfolge von Prozessen (von oberflächlich zu tief)
Abrufprozesse vernachlässigt (bei bestimmten Testbedingungen kann eine
oberflächliche Kodierung günstiger sein)
Warum ist semantische Kodierung hilfreich?
reichhaltigere Gedächtnisspuren sind zu erwarten, die beim Erinnern besser diskriminiert
werden können
dies gilt auch für sog. TV-Effekte (die Ausführung einer Handlung wird besser erinnert als
deren Beschreibung); wahrscheinlich sind hier motorische Kodes Diskriminationshilfen
7. Organisieren
Im Langzeitspeicher repräsentierte Informationen sind organisiert abgespeichert, beim Behalten
neuer Informationen kann organisiert werden, wobei auf die organisierte Wissensstruktur
teilweise zurückgegriffen werden kann.
Beobachtungen an Kellnern
zeigen, daß erfolgreiche Kellner diverse interne und externe Organisationsstrategien einsetzen (z.
B. Bestellungen nach Orten ordnen, Gäste kategorisieren, Abrufhilfen produzieren)
Gestaltpsychologen
wiesen auf die Bedeutung organisierten Lernens hin (z. B. Katona: einsichtiges Lernen übertrifft
langfristig mechanisches Einprägen)
Organisiertes oder leicht zu organisierendes Material wird besser behalten als
zusammenhanglose Informationen (z. B. Bousfield, 1953: Phänomen des Clustering bei Freier
Reproduktion. Exemplare verschiedener Kategorien, in Zufallsfolge präsentiert, werden geordnet
reproduziert. Die Kategoriennamen sind relevante Abrufhilfen)
Zusammenhangslose Informationen (Wortlisten) können subjektiv organisiert werden (Tulving,
1962). Dies zeigt sich bei mehreren Reproduktionsversuchen in einer zunehmend konsistenteren,
geordneten Reproduktionsabfolge
Das Phänomen des negativen Teillisten - Ganzlistentransfers (ist ein Teil einer längeren Liste
zuvor mehrfach gelernt und reproduziert worden, wird der Erwerb der längeren Liste
nachfolgend beeinträchtigt) kann auf eine mangelhafte Anpassung der subjektiven Organisation
zurückgehen
Instruktionen, die zum Organisieren auffordern, verbessern Behaltensleistungen
Mnemotechnik
beruht häufig auf Vorstellungen und Organisationstechniken
elaborative Verfahren: z. B. pegword Technik (one is a bun,
two is a shoe …)
Neue Informationen werden imaginal an die pegs gebunden
reduktive Techniken: z. B. Acronyme mit den Anfangsbuchstaben der Zielwörter bilden
Exerne Abrufhilfen (Knoten etc.) werden häufig im Alltagsleben verwendet
Untersuchungen bei der Übermittlung medizinischer Informationen und Instruktionen (Ley)
haben gezeigt, daß auch hier Organisationshilfen nützlich sind
Trainingsprogramme bei älteren Menschen, die gezielt interne wie externe Strategien einüben,
können effektiv sein
Insgesamt: Find the best way of mapping new learning onto old
8.
Vergessen
was man vergessen kann (Fragebogen zum Vergessen im Alltag)
z. B.
wo etwas abgelegt, ob etwas ausgeschaltet, Ort nicht
wiedererkennen, wann etwas passierte, Geplantes
nicht erledigen,
Witz mehrfach erzählen
Vergessenskurve von Ebbinghaus
Silbenlisten perfekt lernen. Behaltenstest (Wiederlernen) nach 20 Min. – 31 Tagen. Kein linearer
Abfall (zunächst schneller Einbruch, später geringere Vergessenswerte)
Teilweise andere Befunde bei anderen Informationen
Bahrick: Erinnerungen an die Schulzeit (über 25 Jahre)
•
Relativ geringe Vergessensraten (Wiedererkennen von
Namen, Photos,
Photos Namen zuordnen)
•
Stärkere Vergessensrate beim Reproduzieren von Namen
Erinnerungen an Fremdsprachenlernen (über 50 Jahre)
• Anfänglich schneller Behaltensabfall, nach 2 Jahren kaum
Motorische Fertigkeiten:
kaum Vergessen zu beobachten
(bei kontinuierlichen Fertigkeiten)
Erste Hilfe Maßnahmen:
steile Vergessenskurve
Autobiographische Ereignisse: Tagebuchstudien von Linton mit
linearer Vergessenskurve
Insgesamt:
kein einheitliches Bild
Ursachen für Vergessen
noch Veränderungen
Spurenzerfall (decay) oder
Interferenz (destruktive Interferenz: Ersetzen, Überschreiben
oder blockierende Interferenz: Überlagern)
Spurenzerfall-Hypothesen spielen keine große Rolle
z. B.
Jenkins und Dallenbach (24):
Nach Lernen 1 – 8 Stunden Schlaf oder Tagesaktivität:
Schlaf deutlich weniger vergessen (zugunsten
Nach
Interferenz
interpretiert)
Schützt (im Zusammenhang mit Schlaf) Träumen vor
Vergessen? Uneindeutige Befunde
Interferenzuntersuchungen
McGeoch und McDonald (31)
Nach Listenlernen (Adjektive) pausieren (KG) oder unähnliches bzw. ähnliches Material
lernen. Dann Wiederlernen der Ausgangsliste: Je ähnlicher das Material, desto mehr
vergessen
Lernen 1
Lernen 2
Erinnern
Retroaktive
EG
1
2
1
Hemmung
KG
1
–
1
Auch bei Untersuchungen zu Zeugenbefragungen (Loftus)
Lernen 1
Lernen 2
Erinnern
Proaktive
EG
1
2
2
Hemmung
KG
–
2
2
Underwood (57): Je mehr Lernen in 1, desto schlechteres Erinnern von 2
Interferenztheorie des Vergessens
Ursprüngliche Annahme: Retroaktive Hemmung (z. B. bei AC, AB Paradigma) geht auf
Wettbewerb zwischen Responses zurück, d. h. auf A wird häufig nicht C, sondern B
geantwortet).
Melton und Irwin (40) konnten zeigen, daß diese Sicht unzureichend ist. Sie finden zwar eine
stärkere Hemmung, je mehr zusätzlich (in 2) zu lernen war, doch ging dies nicht mit einer
höheren Rate an Intrusionen (aus 2) beim Erinnern an 1 einher.
Zwei-Faktoren-Theorie: Retroaktive Hemmung geht auf Wettbewerb zwischen Responses und
auf das Verlernen ursprünglicher Responses zurück
Dem entspricht: Retroaktive Hemmung (zwei Faktoren) übertrifft proaktive Hemmung (nur
Wettbewerb)
Problem: keine Retroaktive Hemmung, wenn Behalten mit Wiedererkennen gemessen wird
Postman und Underwood (73) verstehen deshalb Verlernen als Resultat eines Response-SelektorMechansimus, der reversibel ist
Generelles Problem: Übertragbarkeit auf extraexperimentelle Situationen
z. B. warum vergessen selbst „naive“ Vpn nach 24 Stunden
Annahme: Präexperimentelle Sprachgewohnheiten würden
„verlernt“ werden, sich dann wieder „erholen“
eine Silbenliste?
beim Lernen
und das Erinnern beeinträchtigen.
Beobachtet wurde dagegen keine Bestätigung dieser
extraexperimentellen Interferenz-Hypothese
Neuere Sicht: cue-dependent forgetting (Tulving): Vergessen wg. unangemessener cues
(Schlüssel)
Untersuchung:
Kategorisierte Liste über 3 Durchgänge lernen und dann reproduzieren
Dann 0 – 5 weitere Listen lernen und reproduzieren
Nachfolgende Erinnerung an die erste Liste zeigt retroaktive Hemmung (desto stärker, je
mehr nachfolgende Listen)
Hemmung läßt sich am „Vergessen“ einzelner Kategorien (alle Items dieser Kategorie)
festmachen
Keine Hemmung in Abhängigkeit der zusätzlichen Listen, wenn Kategorien als
Reproduktionshilfen (cued recall)
Vergessen, etwas zu tun (prospektives Gedächtnis)
hier ist das Wann (und weniger das Was, oder der Inhalt) wichtig
meistens geringe Informationsbelastung
motivationale/soziale Einflüsse stärker
Manchmal Dissoziationen zu retrospektiven Gedächtnisleistungen
„Natürliche“ Studien (Briefe einwerfen) und Experimentelle Nachbildungen
9.
Erinnern (retrieval)
„Vergessen“ als „retrieval failure“
Tulving hat zwischen verfügbaren (gespeicherten) Informationen (available) und zugänglichen
(momentan abrufbaren) Informationen (accessible) unterschieden
momentan ist stets weniger zugänglich als verfügbar
Dies könnte z. B. ein Grund dafür sein, daß Wiedererkennen typischerweise Reproduzieren
übertrifft (Untersuchung Mandler: Nach fünf Lerndurchgängen wurden von 100 Wörtern 38
reproduziert und 96 wiedererkannt bei einem Falschen Alarm von 7%)
Andere Interpretation: Wiedererkennen ist einfach sensitiver (spricht auch auf schwache
Gedächtnisspuren an)
Anderer Befund zugunsten der Unterscheidung: Tulving (67), entweder wechselten Lern- und
Testdurchgänge ständig ab oder auf einen Lerndurchgang folgten drei Testdurchgänge. Bei
diesen drei Tests blieb die quantitative Erinnerungsquote relativ konstant, aber nur 50% der
reproduzierten Wörter waren bei jedem der drei Tests zugänglich
Schließlich Untersuchungen, die zeigen, daß „cues“ die Reproduktionsleistungen verbessern
können
Bei kategorisierten Listen Kategoriennamen als cues
Tulving u. Osler (68): schwach assoziierte Wörter, die bereits in der Lernphase präsent waren,
sind relevante cues
specific retrieval cues facilitate recall if and only if the information about them and about their
relation to the target is stored
Die Unterscheidung wird erhärtet durch Befunde, die Kontextabhängigkeiten beim
Reproduzieren zeigen
Taucher lernten an Land oder unter Wasser und reproduzierten an Land oder unter Wasser:
Identische Kontexte übertreffen verschiedene Kontexte
Gilt auch für andere räumliche Kontexte (Laborräume, Zuhause etc.)
Auch bei Texten nachweisbar
Kontext wird repräsentiert und mit dem Gelernten verknüpft
Was kann getan werden, um Kontexteffekte zu vermeiden?
• Bei Kontextwechsel den ursprünglichen Kontext zu erinnern
versuchen
• Statt Reproduzieren Wiedererkennen
• Lernen über verschiedene Räume streuen
• Schon im Lernkontext (vor der Prüfung) reproduzieren
• Selbstaufmerksamkeit beim Lernen oder Erinnern
Zustandsabhängiges Lernen entspricht solchen Befunden (Eich, 80)
Ähnliche Befunde auch bei emotionalen Kontexten
Zum Vergleich Reproduzieren – Wiedererkennen
Um vergleichen zu können, ist es wichtig, beim Wiedererkennen nicht nur Treffer (altes wird als
alt erkannt), sondern auch Falsche Alarme (neues wird als alt bezeichnet) zu berücksichtigen
ein Maß für die Unterscheidungsgüte: Treffer – Falsche Alarme
Alternativ: Methoden der Signal-Entdeckungs-Theorie (d', β)
Wichtiges Ergebnis: Das Häufigkeitsparadox (beim Reproduzieren schneiden häufiger
gebrauchte Begriffe besser ab, beim Wiedererkennen dagegen seltene Begriffe)
Entkräftet das Argument, Wiedererkennen sei stets ein sensitiveres Maß und spreche auf
schwächere Gedächtnisspuren an (s.o.)
Interpretation:
Häufigkeit begünstigt die Zugänglichkeit oder Produktion beim Reproduzieren (kein Effekt bei
Wiedererkennen)
Für Wiedererkennen können seltenere Begriffe, die wahrscheinlich seltener und eher vor längerer
Zeit vor der Lernphase enkodiert, besser unterschieden werden
Abrufmodelle
a) Sternberg: serielles, erschöpfendes Absuchen
Bezogen auf bestimmtes Paradigma
Als STM-Aufgabe: Aus dem Pool der Zahlen 1 - 9 wird pro Darbietungsfolge eine
Zufallsfolge von 1 -6 Zahlen gezogen. Beim Test wird eine Zahl vorgegeben und es ist zu
entscheiden, ob diese Zahl behalten werden sollte oder nicht
Ergebnis: linearer Anstieg der Reaktionszeiten in
Behaltensmenge. Vergleichbar bei
Abhängigkeit von der
„positiven“ und „negativen“ Testdurchgängen
Interpretation: serielles Absuchen (linearer Anstieg)
erschöpfend (positiv = negativ)
Probleme: recency - Effekte, Unterschiede in Abhängigkeit von der Darbietungshäufigkeit
kein generelles Abrufmodell
b) Generierungs - Wiedererkennensmodelle
z. B. Kintsch (70)
Reproduzieren beinhaltet zwei Prozesse (Generieren und internes Wiedererkennen
möglicher Kandidaten)
Wiedererkennen erfordert kein Generieren
Annahme: Bei Enkodierung werden Wortrepräsentationen „markiert“ (die Markierung
wird beim Wiedererkennen
geprüft)
Soll begründen:
• Wiedererkennen übertrifft meistens Reproduzieren
• Positive Effekte der Häufigkeit beim Reproduzieren
(begünstigt Generieren)
• Organisation wichtiger bei Reproduzieren (fördert
Generieren)
Problem: Nicht jedes reproduzierte Item kann auch wiedererkannt werden
Untersuchungen von Tulving u. Thomson (73) zeigen
recognition failure of recallable words
Phase 1: Zielwörter (z. B. Stuhl) im Kontext schwach assoziierter Wörter (Leim)
lernen
Phase 2: Stark assoziierte Wörter (Tisch) als Vorgabe zum Assoziieren (hohe
Wahrscheinlichkeit, daß Stuhl genannt wird)
Phase 3: Wiedererkennen der Zielwörter bei eigenen Assoziationen (24 - 38%)
Phase 4: Cued Recall (mit Leim als Erinnerungshilfe): 59 - 61%
c) Enkodierungsspezifität und Modell der synergistischen Ecphorie (Tulving)
Specific encoding operations performed on what is perceived determine what is stored, and
what is stored determines what retrieval cues are effective in providing access to what is
stored
Bei Reproduzieren u. Wiedererkennen vergleichbare Prozesse, obwohl unterschiedliche cues
(copy cues bei Wiedererkennen) vorliegen
Cue und Spureninformation interagieren und werden kombiniert (Ecphorie)
Resultiert daraus genügend spezifische episodische Information, ergibt sich der Eindruck,
sich zu erinnern (recollection)
Warum sind z. B. Umgebungs - Kontexteffekte (s.o) typischerweise nur beim
Reproduzieren zu beobachten?
Baddeley unterscheidet zwischen unabhängigen und interaktiven Kontexten
Erstere verändern und beeinflussen nicht die Zielinformation, werden aber zusammen mit
diesen abgespeichert und können deren Zugänglichkeit beeinflussen (beim Reproduzieren)
Letztere beeinflussen die Wahrnehmung und Interpretation des Ereignisses und beeinflussen
Zugänglichkeit und Diskrimination (Reproduzieren und Wiedererkennen)
Kontextvergegenwärtigung ist auch bei Zeugenaussagen bedeutsam (kognitives Interview)
Bei Erinnerungsversuchen können partielle Erfolge auftreten (subjektiv: feeling of knowing
bzw. tip of the tongue). Solche Zustände sagen zuverlässig spätere komplette Erinnerungen
vorher (momentane Blockade)
10.
Semantisches Gedächtnis
Episodisches Gedächtnis:
persönlich erfahrene Informationen, autobiographischer Bezug
Wie, wo und wann mir Geschehenes, kontextbezogen und -abhängig
Semantisches Gedächtnis:
kontextunabhängiges (oder unabhängig gewordenes) Wissen von der Welt (breitere
Auffassung) oder Wissen um Wortbedeutungen (engere Auffassung)
Tulving (72): the memory necessary for the use of language.
a mental thesaurus, organized knowledge a person possesses about words and other verbal
symbols, their meaning and referents, about relations among them
Sprachorientierte Forschung
Verfahren: Freie Assoziation, Freies Sortieren, Semantische
Kategorisierungsaufgaben
(Rotkehlchen Vogel? hat Flügel?)
Relativitätstheorie (Whorf): Sprache bestimmt (beeinflußt) die
Welterfahrung
z. B. Untersuchungen, die zeigen, daß Farben, die konsistent benannt werden (fokale
Farben), besser erinnert werden oder daß Farben, die sprachlich nicht differenziert werden,
schlechter erinnert werden
Über alle Sprachen sind 11 grundlegende Farbnamen festgestellt worden (wenn in einer
Sprache nur 2 vertreten: schwarz und weiß, wenn eine dritte Farbe: rot etc.)
Untersuchungen von Rosch zeigen: Auch bei Kulturen mit wenig Farbnamen können fokale
Farben besser identifiziert und wiedererkannt und bei Assoziationsaufgaben besser gelernt
werden
Baddeley: not language makes colors easier to identify and
remember
sondern: Perzeptuelle Salienz beeinflußt Sprache
Modelle und Resultate
Netzwerk - Modelle (Collins u. Quillian, 72)
• Konzepte als Knoten in einem semantischen Netzwerk
• Eigenschaften des Konzepts durch Relationen zu anderen
• Relationen zum unmittelbar übergeordneten Konzept
des Konzepts (property
(superordinate) u. zu Eigenschaften
associations) z. B. Hai –> Fisch, Hai –> kann beißen
• hierarchisches Netzwerk mit kognitiver Ökonomie
Konzeptniveau direkt
Knoten gekennzeichnet
(Eigenschaften auf höchst möglichem
repräsentiert: z. B. kann schwimmen bei Fisch (nicht bei Hai),
atmet bei Tiere etc.
Resultate bei semantischen Kategorisierungsaufgaben: Distanzeffekte entsprechend der
Hierarchie bei zutreffenden Aussagen
Kanarienvogel kann singen < kann fliegen < hat Haut
ist ein Vogel < ist ein Tier
Probleme: Bei falschen Aussagen verzögert Ähnlichkeit die
Falsifikation bei größerer
Reaktionszeiten (o. schnellere
Distanz)
Wenn Assoziationsstärke a priori kontrolliert (Konzept - Eigenschaft): keine Replikation
Hund - Säugetier langsamer verifiziert als Hund - Tier
alle Verbindungen gleich stark? Warum dann Unterschiede bei der Verifikation
verschiedener Instanzen einer übergeordneten Kategorie
Fazit: zu logisches Modell
Veränderungen (Collins/Loftus 75):
• Hierarchie aufgegeben
• semantische Distanz durch Nähe der Konzepte (Knoten)
abgebildet
• verschiedene Assoziationstypen (auch negative) eingeführt
• nur noch „schwache“ kognitive Ökonomie (gelernte Verbindungen werden direkt
eingetragen, auch wenn sie
inferiert werden könnten)
• Prinzip der Erregungsausbreitung
Bewertung: kann alles erklären
Merkmals - Vergleich - Modell (Smith et al. 74)
Beeinflußt von Untersuchungen von Rosch. Danach gilt für natürliche Kategorien nicht, daß alle
Exemplare sich durch eine begrenzte Menge definierender Merkmale auszeichnen.
Prinzip der Familienähnlichkeit mit prototypischen Exemplaren (haben mit anderen Exemplaren
relativ viele gemeinsame Merkmale oder Überlappungen) und randständigen, atypischen
Exemplaren
„fuzzy boundaries“
Zwischen eingeschätzter Typikalität und Merkmalsüberlappung besteht eine Korrelation
Modell geht davon aus, daß die Bedeutung eines Konzepts durch eine Liste semantischer
Merkmale beschrieben werden kann, die nach ihrem Gewicht auf einem Kontinuum angeordnet
sind: Definierende Merkmale haben größeres Gewicht als charakteristische Merkmale
Bei Kategorisierungsaufgaben (ist x ein y?) sollen Merkmals-Vergleiche erfolgen:
1. globaler Vergleich: alle Merkmale von x und y benutzt und
verglichen
Wird ein Kriteriumswert über- oder unterschritten: Schnelle
ja oder
nein Antwort
Wenn nicht eindeutig:
2. Vergleichsprozeß: Nur noch definierende Merkmale
Befunde: Bei „positiven“ Aussagen schnellere Antworten, je
(Interpretation: globaler
geringer die Distanz (Prototyp)
Vergleich reicht aus)
Bei „negativen“ Aussagen schnellere Antworten, je größer die
Unähnlichkeit
Distanz oder
Bewertung: Zu speziell, atomistisch, Verbindungen zwischen
und der Außenwelt (perzeptuelles
konzeptueller Repräsentation
Wissen) fehlen
s. z. B. Evidenzen zugunsten perzeptueller Wissensrepräsentationen bei mentalen
Vergleichsuntersuchungen
Schema - Positionen
größere Wissenseinheiten
Bartlett (32): organisierte Strukturen, die Wissen u. Erwartungen
(Modelle) abbilden
aktive Strukturen, helfen bei „effort after meaning“, bei unvertrauten
Situationen/Informationen fehleranfällig
Modernere Sichtweisen (auch frames, Skripte)
1) Informationspakete mit einem festgelegten Kernbereich und
mehreren Variablen.
Wenn Variable nicht spezifiziert: default values (best guesses)
2) Verschachtelung (über- u. untergeordete Subschemata)
3) operieren auf allen Ebenen der Abstraktheit
4) repräsentieren verallgemeinertes Wissen, keine (logischen)
5) keine ruhenden Datenstrukturen (active recognition devices)
Definitionen
Beispiele: Geschichen - Grammatiken
Setting (Protagonist u. Hintergrundinformation) + Episode
Episode (Anfangsereignis - interne Reaktion - Handlungen - direkte Konsequenzen Reaktion, z. B. Moral der
Geschichte
Hilft bei Aufnahme u. Wiedergabe (insbesondere bei wichtigen
Aussagen)
Skripte
Verallgemeinertes Erfahrungswissen über Handlungs- und Ereignisfolgen in wohldefinierten
Situationen
a predetermined, stereotyped sequence of actions that defines a well-known situation
hohe Übereinstimmung bei Generierung, begünstigen Fehler bei Erinnerung, beeinflussen die
Abfolge beim Erinnern, Abweichungen werden gesondert beachtet
Neuropsychologische Befunde
zeigen, daß das semantische Gedächtnis in Subkomponenten aufzuteilen ist
z. B. Agnosien (Objektwahrnehmung gestört)
manchmal die Bedeutung nicht anhand des Aussehens erkennen können, wohl aber anhand
von akustischen Informationen oder durch Berührung (u. umgekehrt)
Aphasien (Benennung)
präsemantische und semantische Defizite
Manchmal sehr spezifische Probleme (z. B. bei Aphasien:
Nahrungsmittel und
Küchengeräte)
Farben und Körperteile vs.
11.
Gedächtnis und Affekte
Verdrängen und normales Vergessen
Beobachtungen psychogener Amnesie: Simulation, gezieltes Ausblenden oder unbewußtes
Verdrängen angstbesetzter Ereignisse?
Definition:
Technik, um etwas Reales aus dem Bewußtsein zu
verbannen
um unerträglichen Schmerz (Angst) zu vermeiden
Ego-Mechanismus
prototypisch unbewußt
Klinische und natürliche Beobachtungen:
starke Affekte können bei Hysterien massive Gedächtnisstörungen bedingen
Nach Freud ist Verdrängen auch für „normales“ Vergessen verantwortlich
(Psychopathologie des Alltagslebens)
Hypermnesie - Paradigma (Hypnose, Therapie)
bislang unzugängliche, schmerzliche Erfahrungen werden erinnert
aber: Problem des Falschen Alarms (Verifikationsproblem)
Erinnerungsleistung o. nur ein Berichts - Bias?
Dissoziations - Paradigma
z. B. gegenwärtiges Verhalten widerspricht bewußter Einstellung
Linton (75): Diskrepanz zwischen gegenwärtiger Sicht der
Vergangenheit (positiv) und der Häufigkeit tatsächlicher negativer Ereignisse
Dominanz positiver Ereignisse bei Früherinnerungen (Memorieren o. Verdrängen?)
Erinnerungen an schmerzhafte (medizinische) Ereignisse: Die erinnerte Schmerzhaftigkeit
kann abnehmen
Laboruntersuchungen:
Assoziationstechnik (Jung)
Levinger/Clark (61): Erinnerungen an eigene Assoziationen
schlechter bei emotionalen Reizwörtern
Kleinsmith/Kaplan (63): emotionale Reizpaare bei kurzem
Intervall schlechter u. bei längerem Intervall besser erinnert (größere Erregung bedingt
kurzfristige Hemmung, um langfristige Konsolidierung zu verbessern)
Auch bei Erinnerungen an eigene Assoziationen langfristig ein Vorteil emotionaler (positiv
wie negativ) Reize
Gestörtes Gedächtnis für unangenehme, angstbesetzte Ereignise?
Zeigarnik: Unerledigte Handlungen werden dann schlechter
erinnert, wenn Nichtbeendigung als persönlicher Mißerfolg erlebt
Kritik: Bei Angstreduktion sollte die Rückkehr des
Verdrängten nachweisbar sein (?)
Nicht - Erinnern muß nicht auf Verdrängen zurückgehen (Aufmerksamkeit,
Interferenz)
Könnte auf bewußte Kontrolle zurückgehen
Keine Gedächtnis-, sondern Report - Effekte
Wahrnehmungsabwehr:
a) emotionale Reize können die Wahrnehmung
beeinträchtigen
b) perzeptueller Input kann intentional u. selektiv
zurückgewiesen werden
a wegen b?
hypnotisches o. normales intentionales Vergessen:
z. B. posthypnotische Amnesie
gerichtetes Vergessen ist möglich (selektive Suche, Gruppieren, gezieltes Memorieren)
Insgesamt: Mechanismen, die Verdrängen bedingen können,
sind bekannt
Fraglich bleibt (z. B. im normalen Alltag), ob diese Mechanismen eingesetzt werden, um
sich vor unangenehmen Erfahrungen zu schützen
Erinnerungen an extreme emotionale Erfahrungen:
die Befundlage ist gemischt (z. B. ist zu berücksichtigen, wann der Testzeitpunkt u.
welcher Test)
highly negative emotional events are relatively well retained (emotional event itself and the
central, critical detail information … that elicits the emotional reaction
information preceding a. succeeding such events, or peripheral information within an
emotional scenario is less accurately retained
Psychogene Amnesie (bei Mordfällen, Fugue - Zuständen,
multiple Persönlichkeit)
Bewertung „Verdrängen“ bei Baddeley: no major cause of
everyday forgetting
Affekt und Gedächtnis
Induktionsuntersuchungen (Hypnose, Velten - Technik, Film - Musik, Erfolg/Mißerfolg) und
klinische Untersuchungen zeigen (vor allem beim Reproduzieren) Kongruenzeffekte (zustandsabhängiges Erinnern; s. Kontexteffekte) wie auch Selektionseffekte (wenn traurig, wird bevorzugt
Trauriges enkodiert)
Ängstlichkeit
Häufig keine inhaltsspezifischen Erinnerungseffekte
Aber wahrnehmungsnahe Verzerrungen (z. B. bei Homophonen, Stroop - Aufgabe)
kognitive Komponente (worry) und emotionale Komponente
bei Prüfungsangst: worry beeinträchtigt angemessene
(arousal)
Verarbeitung, arousal kann positiv
wirken (Anstrengung)
Vor „gefährlichen“ Ereignissen (Vortrag, Fallschirmspringen,
Wettkämpfen): Beeinträchtigte Zahlenspanne, verbale Flüssigkeit, motorische Kontrolle
12. Amnesien
normal:
infantile A., experimentell induzierte A., posthypnotische Amnesien
psychogen: Hysterie, Fugue, multiple Persönlichkeit
organisch bedingte Amnesien:
Senile Demenz (Alzheimer), Huntington, CO-
Vergiftung, Unfälle, Elektrokrampfbehandlung, virale Infektion (Enzephalitis,
Meningitis), Korsakoff, limbischer Cortex (H. M.)
Probleme der Kategorisierung: Nach Krankheitsursache (können sich im Ausmaß der
Schädigung und im Verhalten unterscheiden), nach Lokalisation der Schädigung
(manchmal nicht möglich oder mehrere Bereiche zusätzlich betroffen), nach
Funktion (pure Gedächtnisbeeinträchtigung, klassisches Syndrom, aber relativ
selten)
Unfälle (closed-head injury)
posttraumatische Amnesie (zunächst bewußtlos, gewinnen allmählich
Bewußtsein zurück, sind aber noch verwirrt)
retrograde Amnesie (Ereignisse vor dem Unfall, am stärksten betroffen die
Zeitspanne unmittelbar davor, kann sich zurückbilden)
anterograde Amnesie (Ereignisse nach der Erkrankung)
Amnestisches Syndrom
Geschädigt ist ein Schaltkreis, der limbische und Zwischenhirnbereiche betrifft
(Papezkreis)
funktionale Merkmale:
Kurzzeit-/Arbeitsspeicher kann „normal“ operieren
(Zahlenspanne, recency-Effekte, Peterson-Aufgabe)
semantisches Gedächtnis kann normal funktionieren
(Wissensfragen, auch normale Intelligenz, Wahrnehmung)
beeinträchtigt ist vor allem die Möglichkeit, neue episodische
Informationen längerfristig zu erinnern
Erklärungen:
1. unzureichende Konsolidierung (s. aber verbliebene Behaltensmöglichkeiten und
retrograde A.)
2. semantisches Enkodierungsdefizit (s. aber z. B. auch deutliche Defizite nach
semantischer Verarbeitung)
3. schnelleres Vergessen (wg. geringer Konsolidierung; nicht bestätigt)
4. Abrufproblem (wg. erhöhter Interferenz; nicht bestätigt)
5. Kontextenkodierungs-Modelle (keine neue vertikale oder konfigurative
Verknüpfungen)
z. B: Huppert/Piercy (78)
An zwei Tagen Photos jeweils einmal oder zweimal präsentiert. Wenn zu
entscheiden war, ob Photos am ersten oder zweiten Tag gesehen:
Kontrollgruppe bei Tag 1 – Photos besser, wenn zweimal gesehen (bessere
Kontextverknüpfung); Amnesien urteilen dagegen bei zweimal gesehenen
häufiger, daß sie am zweiten Tag präsentiert wurden (nach Spurenstärke oder
Vertrautheit)
genereller:
gestört ist die bewußte Verknüpfung zwischen neuen
Erfahrungen
Verbliebene Behaltensmöglichkeiten:
klassische Konditionierung, Spiegelschrift schreiben, Rätsel lösen, motorische
Fertigkeiten, kognitive Fertigkeiten und Regeln
Systeminterpretation (Squire):
prozedurales System bleibt funktionstüchtig (ohne
Bewußtsein)
deklaratives System ist geschädigt (mit Bewußtsein)
aber viele weitere normale Gedächtnisleistungen bei impliziten (indirekten)
Gedächtnistests ohne Erinnerungsinstruktion: Wortstamm- und
Wortfragmentergänzungaufgaben, perzeptuelle Identifizierung, lexikale Entscheidung,
Objektentscheidung, Präferenztests, neue Assoziationen.
Neue Systeminterpretation (Tulving): Prozedurales und Semantisches
Gedächtnis bleiben intakt, episodisches Gedächtnis beeinträchtigt
Schacter: präsemantische perzeptuelle Repräsentationssysteme operieren normal
Prozeßansatz (Roediger): Perzeptuelle (oder datengetriebene) Prozesse operieren
normal, konzeptuelle Prozesse dagegen gestört
Alzheimer
Zusätzlich perzeptuelle, emotionale und Sprachprobleme
funktional:
normaler recency, normale Effekte der artikulatorischen Schleife,
geringere Gedächtnisspanne, keine normalen Leistungen bei PetersonParadigma
Nach Baddeley:
Zusätzlich zum amnestischen Syndrom soll die Zentrale Exekutive
des Arbeitsspeichers beeinträchtigt sein, was sich darin ausdrückt,
daß Informationen aus verschiedenen Quellen nicht koordiniert
werden können
Beleg: massive Einbrüche bei Doppelaufgaben (Gedächtnisspanne
und tracking-Aufgabe)
13. Implizites Gedächtnis
Begriff manchmal auf eine Gedächtnisform (System) bezogen (Konstrukt), manchmal
auf einen Bewußtseinszustand (unbewußte Nachwirkung) oder aufgabenbezogen
(operational) verwendet
Implizite Gedächtnisprüfung (aufgabenbezogen): Wenn nach einer Studierphase (oder
Lern- oder Enkodierungsphase) bei einer Aufgabe ohne Erinnerungsinstruktion
überzufällig häufig und/oder schnell Informationen benutzt werden, die der
Studierphase zugehören
Explizite Gedächtnisprüfung (Reproduzieren, Wiedererkennen): Nach der Studierphase
wird ausdrücklich dazu aufgefordert, Informationen aus der Studierphase zu erinnern
Beispiel:
Studierphase mit Bearbeitung einer Wortliste (Henkel, Pistole,
Fenster ...)
Expliziter Test (Cued Recall): He, Pi, Fe als Erinnerungshilfen vorgegeben
Impliziter Test (Wortstammergänzung): He, Pi, Fe (zusammen mit
Stämmen, die sich auf neue, nicht studierte Wörter beziehen –
Basisrate) zur Komplettierung vorgegeben
Werden „alte“ Wörter häufiger ergänzt als „neue“ Wörter
(Basisrate), liegt ein Gedächtniseffekt vor (auch WiederholungsPriming genannt)
Häufig verwendete Verfahren
Perzeptuelle Tests (Sprechen auf perzeptuelle Merkmale an, nicht auf semantische
Merkmale)
Wortstamm- oder Wortfragmentergänzung, Wortidentifizierung, Anagramme
lösen, lexikale Entscheidung
Bildfragmentbenennung, Objektentscheidungstests
Konzeptuelle Tests (profitieren von semantischer Bearbeitung, keine Effekte von
Oberflächenmerkmalen) Wortassoziation, Wissensfragen, Kategorienexemplare
produzieren
Geschichte: Ebbinghaus (1885)
voluntary recollection (willentlich ins Bewußtsein zurückrufen)
involuntary recollection (spontan ins Bewußtsein treten und als Erinnerung
erkennen)
dritte Gruppe (nicht mit introspektiven Methoden zu erfassen): prior
experience is reflected in current thought and behavior, but this transfer brings
with it no trace of conscious recollection (deshalb die Ersparnismethode: Beim
Wiederlernen werden weniger Durchgänge benötigt, ohne daß man sich an das
erste Lernen erinnern muß)
Beobachtungen an amnestischen Patienten
Ausgewählte Befunde
Normale implizite Effekte bei Amnesien mit massiven Beeinträchtigungen bei
expliziter Prüfung (Dissoziationen)
Kann auch für andere klinische Gruppen gelten (Depressive, Schizophrene,
Agnosien)
Auch für Drogenzustände (Alkohol)
Spektakulär: Implizite Nachwirkungen nach Anästhesie
Keine alterskorrelierten Differenzen (jüngere Kinder, ältere Personen)
Funktionale Dissoziationen im Normalbereich
Effekte der Aufmerksamkeitsbelastung können auf explizite Prüfungen
beschränkt bleiben
Modalitätseffekte (perzeptuelle Tests), die bei expliziten Tests ausbleiben
Bildüberlegenheit (explizite Tests) kann umgekehrt werden (verbale
perzeptuelle Tests)
Ebenso der Vorteil selbst generierter Informationen (bei perzeptuellen
Tests)
Zeitliche Persistenz impliziter Effekte
Implizite Nachwirkungen beim visuellen Vorstellen (Buchstabieraufgaben)
Vernachlässigte Sinnesmodalitäten (Tasten, Riechen)
Grenzen impliziter Prüfverfahren (z. B. Größe, Farbe) ?
Bewußtseinsfragen (implizit = unbewußt und explizit = bewußt?):
Einführung neuer Techniken (Prozeß-Dissoziation nach Jacoby:
Exklusions- und Inklusionsinstruktionen)
soziale Einflüsse (Stereotypenforschung)
Erklärungsversuche:
System-Ansätze (Schacter, Tulving): Explizite Erinnerungen (episodisches
Gedächtnissystem), perzeptuelles Priming (präsemantische Repräsentationssysteme),
konzeptuelles Priming (semantisches Gedächtnissystem)
Probleme: Sparsamkeit (20-25 Systeme)
Dissoziationen zwischen impliziten Tests
Prozeß-Ansätze (Roediger): Fortführung der Enkodierungsspezifität
1.
Testleistungen werden in dem Maße gefördert, in dem sich Prozesse beim
Test mit Prozessen bei der Enkodierung überlappen
2.
Explizite Tests beanspruchen typischerweise konzeptuelle Prozesse,
während implizite Test meistens perzeptuelle Prozesse erfordern
3.
Deshalb z. B.: Positive Effekte der Verarbeitungstiefe bei expliziter
Testung. Effekte der Darbietungsmodalität bei impliziter Testung
Um die unter 2. angegebene typische Konfundierung aufzuheben, verwendete
Blaxton (89) neben konzeptuellen expliziten Tests (Reprodukion) und
perzeptuellen impliziten Tests (Wortfragmente) auch perzeptuelle explizite
(graphemischer cued recall) und konzeptuelle implizite (Wissensfragen) Tests
In der Lernphase waren Wörter zu lesen oder zu generieren
In Übereinstimmung mit dem Ansatz konnte ermittelt werden, daß die Effekte
der Generierungs-Variablen (positiv bei konzeptuellen und negativ bei
perzeptuellen Tests) den vermuteten Prozessen entsprachen (und nicht
angenommenen Systemen)
Problem: Warum bei Amnesien auch normale Priming-Effekte, wenn
konzeptuell getestet wird?
Die Differenz zwischen implizit und explizit (und mögliche
Unterschiede im Bewußtseinszustand) wird unterschätzt
14. False Memories
Im Unterschied zu Wahrnehmungstäuschungen sind
Gedächtnistäuschungen (illusions) relativ selten und
systematisch erst in den letzten 10 Jahren untersucht worden.
Klassische Bezeichnungen z. B. déjà vu und jamais vu
Schwierig zu untersuchen im Alltag, weil „critical checking
operation usually is not possible for remembered events“
Anstoß zu aktueller Forschung: Mißbrauchsdebatte um
verdrängte Erinnerungen (repressed memories).
Einige Kliniker behaupten: Traumatisierung bei Mißbrauch
führt zur Verdrängung der Ereignisse. Recovery durch Therapie.
Gegenposition: Ereignis hat nicht stattgefunden, Momentane
Probleme werden auf Mißbrauch zurückgeführt. False memory
nach suggestiver Therapie oder Selbst-Hilfe Buch.
Aktuelle Forschungsbeispiele:
2) emotionale Stroop-Aufgabe
Farbbenennungszeit-Interferenz bei traumatischen Begriffen
(Inzest) im Vergleich zu positiven oder neutralen Begriffen.
Beobachtet bei gestörten „survivors“ (besonders bei
posttraumatischer stress disorder Diagnose, PTSD)
Untersuchung Mc Nally et al. (2000) an vier Gruppen
repressed-memory, recovered-memory, continuous-memory,
Kontrollgruppe
Repression-Hypothese: Interferenz eine Funktion des
Ausmaßes der Repression
(KG-continuous, recovery, repressed)
Ergebnis: repressed = KG, Tendenz zu mehr Interferenz bei
recovered und continuous, Korrelation mit PTSD
3) Roediger-Mc Dermott-Paradigma (s.u.)
Untersuchung Zoellner et al. (2000)
Traumatisierte mit oder ohne PTSD und Kontrollgruppe
8 Deese Listen sofort reproduzieren, 8 Listen nicht
reproduzieren. Abschließend Wiedererkennen mit alten,
kritischen neuen und unkritischen neuen Items.
Ergebnis: Traumatisierte zeigen signifikant mehr „false
recall“ und nicht signifikant mehr „false recognition“
Alltagsbezogene Felduntersuchungen
6. Befragung von Bezugspersonen zu realen
Kindheitserinnerungen
7. Probanden werden gebeten, sich reale oder fiktive
Kindheitsereignisse vorzustellen
8. Erinnerungsversuche
ca. 25 % falsche Erinnerungen können induziert werden.
Laboruntersuchungen
Frühe Untersuchungen von Bransford et al. zur semantischen
Integration und Konstruktion
Roediger-Mc Dermott: Geht auf Deese zurück. Wortlisten
reproduzieren (oder wiedererkennen), bei denen die Begriffe
alle mit einem nicht präsentiertem Zielwort assoziiert sind.
Hohe Wahrscheinlichkeit der Falschreproduktion (oder
Falscher Alarm) bei diesem Zielwort.
Weitere Ergebnisse: False recognition = Treffer
False recognition hat RememberQualität
False recall erhöht sich mit
Behaltensintervall
False recognition wird einer (Sprecher-)
Quelle zugeordnet
Geringerer Effekt bei Amnesie
Effekt auch bei impliziten Tests
Misinformation – Effekt bei Zeugenaussagen
Verbale Überschattung
Flüssigkeits-Illusion
z. B. beim Test geprimete Wörter werden
häufiger als „alt“ wiedererkannt.
Illusorische Konjunktion
zusammengesetzte Wörter werden präsentiert (handstand,
shotgun)
Test:
Alte vollständig
beide Silben alt, rekombiniert (handgun)
eine Silbe alt (handmade)
völlig neu
Wiedererkennen: alt > rekombiniert > Rest
Bei Amnesien: Alt = rekombiniert
Quellendiskriminationsfehler
z.B. Nur Vorgestelltes wird fälschlich als
Gesehenes erinnert.
Beispiel: Goff / Roediger (98)
4. Handlungsphrasen nur gehört, zusätzlich vorgestellt oder
zusätzlich ausgeführt.
5. einen Tag später: ein Teil der alten und neuen Items einmal,
dreimal oder fünfmal imaginieren.
6. Wiedererkennen zwei Wochen später mit Quellenangabe
Imaginationsinflation: Anteil „neuer“ oder nicht
ausgeführter Items, die fälschlich als
ausgeführt erinnert werden
Treffer-Falsch Alarm:
.02 (in b fünfmal)
.35 (in b nicht präsentiert) -
Effekte schwach, wenn b unmittelbar vor Test
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