Gedächtnis Veranstaltung WS 00/01 Werner Wippich Plan zur Veranstaltung Allgemeine Psychologie II: Gedächtnis Mo 16-18 Uhr, HS 8 (Wippich) 30.10. Einführung und Überblick (Baddeley, Kap. 1; Wippich, Kap. 1 06.11. Wahrnehmung und Gedächtnis (Baddeley, Kap. 2) 13.11. Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis, Mehr-Speicher Modelle 20.11. (Baddeley, Kap. 3 u. 4) 27.11 Vorstellungen (Baddeley, Kap. 5) 04.12. Übung und Verarbeitungstiefe (Baddeley, Kap. 7) 11.12. Organisieren (Baddeley, Kap. 8) 18.12. Vergessen (Baddeley, Kap. 10) 08.01. Erinnern (Baddeley, Kap. 11) 15.01. Wissen (Baddeley, Kap. 13) 22.01. Gedächtnis und Emotion (Baddeley, Kap. 15) 28.01. Amnesien (Baddeley, Kap. 16) 05.02. Implizites Gedächtnis (Roediger, 1990) 12.02. False Memories (Roediger, 1996) Literatur: Baddeley, A.D. (1997). Human memory. Hillsdale: Erlbaum (revised edition). Roediger, H. L. (1990). Implicit memory. American Psychologist, 45, 1043-1056. Roediger, H. L. (1996). Memory illusions. Journal of Memory & Language, 35, 76-100. Wippich, W. (1984). Lehrbuch der angewandten Gedächtnispsychologie, Bd.1. Stuttgart: Kohlhammer. 1. Einführung Alltagsepisoden 1) Aufwachen und Uhrzeit bemerken Wahrnehmung und (sensorisches) Gedächtnis 2) sich sofort seiner Person sicher sein Identitätserlebnis 3) Frühstück vorbereiten Routinehandlung 4) Verabredung erinnern zukünftige Erinnerung absichern 5) zur Arbeit fahren Routinehandlung 6) Nebel erinnert an letzten Urlaub spontane Erinnerung 7) Nach Lösung eines Problems gefragt werden Denken und (semantisches) Gedächtnis 8) Ähnlichkeit des Fragenden mit Schauspieler Wahrnehmung und Gedächtnis 9) Name des Schauspielers fällt nicht ein Gedächtnisproblem 10) Artikel studieren, um später Vorgesetzten zu informieren Standard-Gedächtnissituation 1 u. 2: Wenig fragwürdig, selbstverständliche Randphänomene. Gedächtnis anteile erst bei Störungen deutlich (Amnesien) 3 u. 5: Gedächtnisanteile werden bei Problemen (Barrieren) auffällig 6 u. 8: persönliche Vergangenheit (episodisches Gedächtnis); warum gerade jetzt diese Erinnerungen? 7: semantisches Gedächtnis, Wissen 4, 9 u. 10: eindeutig Gedächtnis, aber unterschiedlicher Art Ausfall (9) oder Vergessen verweist am deutlichsten auf Gedächtnis Were our memories perfect, never failing us in time of need, we should probably not concern ourselves with memory at all. Grenzen einer phänomenologischen Analyse von Alltagsepisoden (z.B. spontane, z. T. unbewusste, implizite Gedächtniseffekte) Historisch Vergessen der wichtigste Grund, über ein Gedächtnis nachzudenken, es zu „erfinden“ Metaphern (Wachstablett-Computer) Weil der direkten Beobachtung nicht zugänglich: ein hypothetisches Konstrukt für das, was Erinnerungen zugrunde liegt Um Erkenntnisse über das hypothetische Gedächtnis zu gewinnen, müssen wir sicher sein, dass das Resultat eines Gedächtnisses (die Erinnerung) oder das Ausbleiben der Erinnerung (Vergessen) als Gedächtnisphänomene gelten können. Voraussetzung ist hierfür: Das zu erinnernde Ereignis ist tatsächlich früher registriert worden. Standardsituation Bestimmte Informationen werden vorgegeben (Lern- oder Enkodierungsphase); im hypothetischen Gedächtnis registriert und gespeichert; spontan oder auf Aufforderung erinnert (Abrufphase). Aus den Beziehungen zwischen den objektiv bestimmbaren Größen „vorgegebene“ und „wiedergegebene“ Informationen ziehen wir Schlüsse über Gedächtnisvorgänge. Ebbinghaus (1885) hat als erster systematisch im Selbstversuch diese Standardsituation verwendet mit sog. sinnlosen Silben (WUK) als „Informationen“. Ziele: „Reine“ Assoziationsprozesse in passivem Organismus erfassen, Gedächtnis abgekoppelt Kritik: Trivial, Labor-fixiert, paradigmenspezifisch, keine ökologische Validität Neuerer Trend: real world“-Untersuchungen (memory observed, everyday memory), Erkenntnisgewinn noch mager Bartlett (1932) als Antipode der Ebbinghaus-Tradition Alltagsnäher, realistischer, verwendete z.B. Texte, Kettenreproduktion (Gerüchtebildung), qualitative Veränderungen, Erinnerung als Konstruktionsprozess, SchemaKonzept, keine Abkoppelung des Gedächtnisses, aktiver Organismus Gegenwärtiger Stand Kein einheitliches, monolithisches Gedächtnis Teilweise interagierende Subsysteme (Module) mit unterschiedlichen Speicherungskapazitäten, Speicherungsdauer, Kodes z.B. sensorische Register Kurzzeitspeicher/Arbeitsspeicher episodischer Langzeitspeicher semantischer Langzeitspeicher werden auf verschiedenen Ebenen analysiert (z. B. neurophysiologisch) Aussagen über Gedächtnissachverhalte: Gesetzesartige Zusammenhänge (Regelhaftigkeiten; atheoretisch, deskriptiv) Modelle und Theorien (tools, help us to organize what we know) nach Baddeley wie „maps“ zu interpretieren 2. Wahrnehmung und Gedächtnis In jeder Sinnesmodalität können über die Dauer der objektiven Reizeinwirkung hinaus sensorische Informationen extrem kurzzeitig gespeichert werden (sensorische Register). Dies ist für die Bildung eines Perzepts nützlich. Darüber hinaus können sensorische Merkmale auch nah das kurzzeitige Behalten beeinflussen (über einige Sekunden) und schließlich sogar längerfristig eingespeichert werden. Beim kurzzeitigen Behalten werden sie wahrscheinlich mit Informationen aus anderen Quellen integriert. Visuelle Informationen Sensorisches Register wird ikonisches Gedächtnis genannt Garantiert - zumal bei kurzer Reizeinwirkung - Persistens und weitere Bearbeitungsmöglichkeiten. Inhalt: physikalische Merkmale (Größe, Farbe, Helligkeit), keine Bedeutungsinformationen (präkategorial) Kapazität: nahezu unbegrenzt Dauer: sehr kurz (250 msec. - 1 Sek., reizabhängig) „Ort“: retinal und zentral Funktion: bei Augenbewegung für Kontinuität der Wahrnehmung sorgen Untersuchungen von Sperling (60) Kurzzeitig 3 x 4 Buchstabenmatrizen exponiert und sofort wiedergeben lassen (Ganzbericht) Ergebnis: 4-5 Buchstaben werden berichtet Bei Teilbericht (nur eine der drei Reihen ist wiederzugeben): Geschätzte 9-10 Buchstaben können wiedergegeben werden Inhalt: Förderliche Teilberichtscues (s.o.) Dauer: Geschätzt z. B. aus dem Anhalten des Teilberichtsvorteils Ort: Aus Wirkungen von nachfolgenden Maskierungsreizen erschlossen (Turvey) Zufallsmaske (random o. noise mask) wirkt nur nonoptisch (peripher) Patternmaske: Wirkung transferiert auf anderes Auge (zentral, später) Kurzzeitiges Behalten Posner et al. (1969) haben gezeigt, dass Buchstabenurteile (gleicher oder verschiedener Namen) schneller gehen, wenn die namensgleichen Buchstaben (AA, aa) auch visuell identisch sind. Dieser Vorteil kann über eine Zeitspanne von 2 Sekunden zwischen den beiden Buchstaben anhalten. Bei komplexeren visuellen Reizen (Schachbrettmuster) sind noch bei Intervallen von bis zu 9 Sek. visuelle Effekte nachweisbar (Phillips). Langzeitiges Behalten Wiedererkennen von Bildern u. ä. über längere Zeiträume (z. B. ein Jahr) überzufällig Abhängig vom Bildtyp flashbulb memories (extrem lebendige - auch visuelle - Erinnerungen daran, wie man markante und konsequenzenreiche Ereignisse registriert hat) Mögliche Fehlerinnerungen, Einflüsse von Schemata (z. B. Aussehen von Geldmünzen) Bedeutung für Zeugenaussagen Akustische Informationen Sensorisches Register wird hier Echo-Gedächtnis genannt auditory experiences such as the recognition of speech would be impossible without the ability to retain sensory impressions for periods longer than their actual physical duration Dauerschätzungen umstritten (von 130 msec. - 2 Sek.) Auch hier Vorteile des Teilberichts (vier-ohriger Mann), die bis zu 2 Sek. persistieren Kurzzeitiges Behalten Modalitätseffekte (gesprochene Zahlenfolge wird besser wiedergegeben als visuelle Zahlenfolgen, Effekt konzentriert auf das letzte Item der Folge) Suffixeffekte: ein irrelevantes, zusätzlich gesprochenes Item nach der Liste (bis zu 2 Sek. danach) beeinträchtigte diesen „recency“-Effekt bei akustischer Darbietung Es ist aber fraglich, ob dies einem Echo-Gedächtnis (präkategorisches akustisches System, PAS), wie Crowder annimmt, zugerechnet werden kann (z. B. Suffix-Effekte auch beim Lippenlesen) Langzeitiges Behalten Wiedererkennen von Musik Wiedererkennen von Stimmen ( z. B. berühmte Personen aus verschiedenen Epochen) Wiedererkennen von zuvor erstmals gehörten Stimmen (Fremde) ist ohne Behaltensabsicht (inzidentelles Lernen) relativ schlecht 3. Klassische Kurzzeit-Gedächtnisforschung (KZG) Zugunsten eines Kurzzeitspeichers (KZS) spricht zunächst die begrenzte Aufnahmeund Haltekapazität. Messung durch unmittelbare Gedächtnisspanne (z. B. Zahlenfolgen in vorgegebener Abfolge wiedergeben: Typischerweise 6-7 Items sind die obere Grenze.) Kann durch Gruppierung verbessert werden. Wichtig: 6-7 Items (oder nach Miller 7±2) bezieht sich auf sog. chunks (Klumpen), also z. B. 6 Einzelbuchstaben oder aber 6 sinnvolle Wörter. Dementsprechend kann die Spanne durch Training erhöht werden (Transformation der Items, Wissensanreicherung) Spanne überprüft KZG, entspricht aber nicht der Kapazität des KZS, da bei dem Test auch der Langzeitspeicher (LZS) Einfluß nimmt. Kurzzeitiges Vergessen Brown sowie Peterson & Peterson (59) konnten zeigen, daß begrenzte Informationsmengen (z. B. 3 Konsonanten oder 3 Wörter) über ein kurzes Behaltensintervall (von 0-18 Sek.) mit einer Ablenkungsaufgabe (rückwärts zählen) gefüllt, kontinuierlich schlechter reproduziert werden (nach 18 Sek. nur noch 10 %). Da für dieses rapide Vergessen eine retroaktive Interferenz (durch das Zählen) unwahrscheinlich schien, wurde zur Interpretation ein automatischer Spurenzerfall (trace decay) postuliert und dem KZS zugeordnet. Vergessensphänomene beim langzeitigen Behalten wurden dagegen als Interferenzphänomene gedeutet. Probleme der Interpretation: Keppel & Underwood (62) konnten kein Vergessen beobachten, wenn das Behaltensintervall interindividuell variiert wurde (nur ein Durchgang). Dies läßt auf proaktive Interferenz beim BrownPeterson Paradigma schließen. Entsprechend ist von Wickens (70) mit diesem Vorgehen eine Aufhebung der proaktiven Interferenz (release) demonstriert worden, wenn die Reizdimensionen gewechselt wurden. Relevante Merkmale hierbei: Semantische Kategorien, männlich/weiblich, konnotative Attribute, auch Klang und Schriftgröße. s.a. Nachrichten aus dem Inland/Ausland Gegen diese Sicht spricht, daß unter anderen Bedingungen (z. B. bei längeren Intervallen zwischen den Durchgängen) kein kurzzeitiges Vergessen beobachtet wurde. Außerdem gibt es selbst dann release-Effekte, wenn die Änderung der Reizdimension erst kurz vor der Wiedergabe erkannt wird. Wahrscheinlich geht das kurzzeitige Vergessen bei Brown-Peterson-Anordnungen auf einen geringfügigen Zerfall (innerhalb der ersten drei Sekunden) und auf - die wichtigere Komponente - Wettbewerb durch früher präsentierte/erinnerte Items zurück (Diskriminationsprobleme beim Abruf; das „release“-Phänomen geht dann auf eine erleichterte Diskrimination zurück). Letzteres zeigt an, daß bei dem Paradigma der Langzeitspeicher-Anteil eine große Rolle spielt. Hypothesen zum Vergessen von KZS-Informationen neben Spurenzerfall (s.o.) einfache Verdrängungshypothese (nachfolgende Inputs verdrängen KZSInformationen, wenn dessen Kapazität überschritten wird) Problem: Erklärt nicht, warum phonologisch ähnliche Items schlechter reproduziert werden als „neutrale“ Items. attributspezifische Interferenzhypothese (Inputs, die ähnliche Merkmale aufweisen, treten mit KZS-Information in Interferenz) Um zwischen Zerfall und Interferenz entscheiden zu können, folgender Versuch (Reitman, 1971,74): 3 einsilbige Substantive für 2 Sek. präsentiert und gelesen (innerhalb KZSKapazität) Reproduktion nach 15 Sek. Innerhalb des Intervalls Ablenkungstätigkeiten (Töne identifizieren oder eine kritische Silbe entdecken): Soll Memorieren verhindern und keine Interferenz erzeugen Zusätzlich Kontrolldurchgänge nur mit Signalentdeckung Ergebnisse: vergleichbare Detektionsleistungen bei Kontroll- und Reproduktionsdurchgängen (spricht dafür, daß nicht memoriert wurde) Reproduktionsleistungen nahezu perfekt (spricht gegen Spurenzerfall) Reproduktionsleistungen dann verschlechtert, wenn im Intervall „verbale“ Anforderungen gestellt (spricht für attributspezifische Interferenz oder für Aufmerksamkeits- oder Prozeßkapazität-Belastung) Zwar versuchten Melton (63) und andere eine Ein-Speicher-Auffassung zu retten (empirische Argumente: Bei KZG-Aufgaben - wie Brown-Peterson o. Gedächtnisspanne - gibt es langzeitige Lerneffekte, z. B. gibt es einen graduellen Anstieg der Gedächtnisspanne, wenn eine Zufallsfolge von Zahlen jeden dritten Durchgang wiederholt wird) Doch diese Kritik wurde zurückgewiesen, weil (s.o.) KZG-AUFGABEN nicht mit dem KZS gleichzusetzen sind (einem Konstrukt) und Einflüsse des LZS zulassen. Argumente zugunsten von Mehr-Speicher-Modellen - Serielle Positionskurve beim Freien Reproduzieren (Glanzer, 70) mit „primacy“ (soll auf Memorien zurückgehen) und „recency“-Effekt (soll dem KZS zugerechnet werden). Zu beachten ist allerdings, daß „recency“-Items auch dem LZS „zugehören“ können. Nach Waugh und Norman (65) deshalb Korrekturformeln: Rp = KZS + LZS - KZS x LZS Die Insensitivität des über den recency-Effekt analysierten KZS für zahlreiche Variablen, die zugleich Einflüsse auf den LZS (pre-recency Bereich) ausüben, spricht für Mehr-Speicher-Konzeptionen. Beispiele: Darbietungsrate, Auftretenshäufigkeit, semantische Relationen Weiterhin: ein gefülltes Behaltensintervall hebt „recency“ auf Bei späterer Reproduktion: negativer „recency“ - Begrenzte Speicherkapazität (bei schnellem „Zufluß“ und „Zugriff“ bei KZS (2-3 Wörter oder Einheiten wie Sprichwörter) - Nahezu unbegrenzte Kapazität bei LZS (langsamer „Zufluß“ und „Zugriff“) - Unterschiedliche Kodes KZS: akustisch/artikulatorisch LZS: semantisch (z. B. Baddeley, 66; Kintsch/Buschke, 69) - Neuropsychologische Befunde Patienten mit intaktem KZS (recency) u. beeinträchtigtem LZS (H. M.) und umgekehrt (K. F. ) Modales Modell (Atkinson/Shiffrin, 68) sensorische Register Output STS Kontrollprozesse: Kodieren, Memorien, Entscheiden, Abrufstrategien LTS Probleme der klassischen Mehr-Speicher-Konzeption neuropsychologisch: Patient K. F. Wie kann bei einem defekten KZS (nach dem klassischen Modell) der LZS normal funktionieren? Recency u. KZS Bei Freier Reproduktion von Wortlisten simultan eine Zahlenfolge (digit span) bearbeiten: Kein Effekt auf recency Außerdem wurden LZ-recency-Effekte beobachtet Unterschiedliche Kodes: Evidenzen für visuelle Kodes in STS Auch semantische Kodierung ist wahrscheinlich Memorieren: Kein Zusammenhang zwischen der Präsenzdauer in KZS oder der Häufigkeit des Memorierens und dem langzeitigen Behalten verschiedene Formen des Memorierens sind zu unterscheiden (bloßes Rezirkulieren vs. Elaborieren) Konsequenzen 1) levels of processing-Ansatz (Craik & Lockhart, 72) betont Verarbeitungsprozesse, vernachlässigt Speicher (Strukturen) Prinzip der Verarbeitungstiefe 13. STS in Arbeitsspeicher-Modell (working memory) aufgenommen und fraktioniert 4. Arbeitsspeicher-Modell und die phonologische Schleife Was führte zur Entwicklung des Modells; Untersuchungen von Baddeley und Hitch mit der Frage, wozu könnte der KZS nützlich sein Doppelaufgaben (dual task): Zahlensequenzen (0-8) sollten behalten werden (offenes Memorieren) und nach Bearbeitung einer anderen Aufgabe (reasoning, Reproduktion von Wortlisten, Textverstehen, Fakten abrufen) wiedergegeben werden Typisches Ergebnis: Mit zunehmender Belastung (digit load) werden die Reaktionszeiten bei der anderen Aufgabe langsamer, die Fehlerquote verändert sich dagegen kaum (z. B. überhaupt kein Einfluß auf den recency-Effekt bei G-digit-load) Dies spricht gegen KZS als single unitary store whose limited capacity is likely to be totally absorbed by span limit Arbeitsspeicher-Modell 3 Komponenten: Zentrale Exekutive (Aufmerksamkeits-Kontroll-System, überwacht und koordiniert „Sklavensysteme“) Visuell-Räumliches Sketch Pad (Generiert und manipuliert visuelle Vorstellungen) Artikulatorische oder phonologische Schleife (bearbeitet verbale Informationen) Phonologische Schleife Entspricht der Bedeutung sprachlicher Kodierung Enthält zwei Komponenten: phonologischen Speicher (hält „speech-based“-Informationen) zerfällt nach ca. 2 Sek. wenn nicht aufgefrischt über artikulatorischen Kontrollprozeß (inneres Sprechen) feed back into the store; kann auch visuelles Material umkodieren für phonologischen Speicher Argumente für die Schleife: - phonologischer Ähnlichkeitseffekt (bei unmittelbarer serieller Reproduktion schlechtere Leistung bei phonologisch ähnlichen Items) 13. unattended Speech-Effekt (die Wiedergabe visueller Reize wird durch nicht zu beachtende gesprochene Reize beeinträchtigt) 14. Wortlängen-Effekt (Gedächtnisspanne ist korreliert mit der Lese- oder Artikulationsrate) - Effekte der artikulatorischen Suppression (z. B. da, da, die etc. aussprechen) (verhindert die Auffrischung phonologisch gespeicherter Items oder die Einspeicherung visueller Reize) 15. Patienten mit defizitärer phonologischer Speicherung Patienten mit Dysarthia (keine Kontrolle über artikulatorische Muskulatur) zeigen normale Effekte (s.o.). Dies legt nahe, daß „inneres Sprechen“ netralen motorischen Programmen zuzuordnen ist. Wozu könnte die phonologische Schleife nützlich sein? Lesen lernen Sprachverständnis (?) Phonologisches Lernen (Fremdsprachen) Erwerb des Vokabulars 1) Visuell-räumliches „sketchpad“: Vorstellungen ein zweites „Sklavensystem“ zur Generierung und Manipulation visuell-räumlicher Vorstellungen Beispiele für visuelle Vorstellungen Anzahl der Fenster des Wohnhauses Würfel mit 3 cm Kantenlänge, alle Oberflächen rot, in 27 kleine Würfel mit 1 cm Kantenlänge zerschnitten: Wieviel kleine Würfel haben drei rote Oberflächen? Vorstellungen sind nicht Bilder (Beispiel Reed) Beispiele für Vorstellungstheorien: Paivio Ausgangspunkt: Bildhaftigkeitseffekte beim Lernen (Bilder > konkrete > abstrakte Begriffe) Bei Bildern die größte und bei abstrakten Begriffen die geringste Wahrscheinlichkeit einer dualen (imaginal und verbal) Kodierung Zusätzlich: Qualitätsunterschiede zwischen den Kodes (Umstrukturierungs- und Transformationsmöglichkeiten) Weiterführung: Vorstellungen bei mentalen Vergleichsuntersuchungen (Wissensurteilen) Symbolische Distanzeffekte (längere Antwortzeiten bei geringeren Unterschieden) wie bei Wahrnehmungsurteilen Zugunsten einer analogen (kontinuierlichen) Repräsentation gewertet (versus diskret-verbale, propositionale Repräsentation) Allerdings auch Distanzeffekte bei abstrakten Urteilen (Intelligenz): Unterscheidung zwischen konkret und abstrakt-analogen Repräsentationen (bei letzteren kein direktes Abbildungsverhältnis gegeben) Operationen, die an Vorstellungen vorgenommen werden können Mentale Rotation: Urteile, ob zwei Figuren (oder Buchstaben), die sich durch Rotation verschoben haben, identisch sind oder nicht. Urteilszeiten hängen vom Rotationswinkel ab Mentales scanning: Distanzeffekte bei Urteilszeiten zu Vorstellungen (je größer die Distanz zwischen zwei Ortspunkten, desto längere Vorstellungszeiten) Kosslyns Vorstellungstheorie Vorstellungen werden einem visuellen buffer (innerer Bildschirm) zugeordnet. Bei der Vorstellungsbildung werden Daten aus „Tiefenstrukturen“ genutzt Modalitätsspezifische Interferenzeffekte (Brooks) Beim visuellen Vorstellen ist ein verbaler Antwortmodus vorteilhaft, bei verbalen Aufgaben dagegen ein visueller Antwortmodus (zeigen) Baddelys Sicht eines „sketchpad“ Ausgangspunkt: Doppel-Aufgaben-Technik. Welche Zusatzaufgaben beeinträchtigen Aufgaben, die Vorstellungen beanspruchen? Eine sog. tracking-Aufgabe (pursuit rotor) beeinträchtigt nur eine Vorstellungsaufgabe (sich eine Matrix mit Zellen füllen), nicht aber eine verbale Version dieser Aufgabe Geht die Interferenz auf visuelle oder räumliche Komponenten des Vorstellens zurück? Da eine „räumliche“ (Pendel) Aufgabe stärker interferierte als eine „visuelle“ (Helligkeits) Aufgabe, wurde zunächst auf räumliche Komponenten geschlossen (Lokalisation) Nachfolgende Untersuchungen (Logie) deuten aber auch auf visuelle Komponenten hin ein visuell-räumliches Suchsystem (fed either directly by visual perception or indirectly: generation of a visual image) Neuropsychologische Evidenzen Blutstrommessungen, EEG, evozierte Potentiale: Vorstellungen (wie visuelle Wahrnehmung) implizieren vor allem Occipitale, hintere parietale und temporale Bereiche (wie visuelle Wahrnehmung) Entsprechend gibt es Patienten (Agnosien), die – wie beim Wahrnehmen – spezifische Vorstellungsausfälle für visuelle (was) oder räumliche (wo) Komponenten haben können Sketchpad –Nutzen? Geographische Orientierung, Planung räumlicher Aufgaben 6. Erwerb neuer Informationen: Übung und Verarbeitungstiefe Erwerb und Behalten neuer (episodischer) Informationen setzt Aufmerksamkeit, Übung und Organisation und Konsolidierung voraus Aufmerksamkeit Lernen im Schlaf ist unwahrscheinlich Nicht beachtete Infos werden kaum behalten Aufmerksamkeitsbelastende Zusatztätigkeiten beeinträchtigen die Behaltensleistungen, wenn Aufmerksamkeit gesichert ist Weniger die Lern- oder Behaltensabsicht als die Güte der Verarbeitung sind entscheidend (Mandler zeigte, daß eine optimale Bearbeitung ohne Behaltensabsicht zu vergleichbaren Leistungen führte wie eine Lerninstruktion) Bestimmte Merkmale (Vorkommenshäufigkeit oder räumliche Lokalisation) werden möglicherweise automatisch registriert (z. B.: ohne Lernabsicht gleiche Resultate wie mit Lernabsicht) Übung Ebbinghaus zeigte bereits, daß zwischen der Anzahl der Wiederholungen am 1. Tag des Listenlernens und der Anzahl notwendiger Wiederholungen bis zur Beherrschung des Materials am folgenden Tag ein linearer Zusammenhang besteht (entspricht der total time-Hypothese) Verteilte Übung ist effektiver als massierte Übung (zeigt Grenzen der total timeHypothese) z. B. verteiltes Lernen über viele Tage ist günstiger als über wenige Tage größere Abstände zwischen Durchgängen sind günstiger (gilt hauptsächlich für motorische Fertigkeiten) größere Abstände zwischen wiederholten Items sind günstiger (lag-Effekt) Häufige Wiederholung im Alltag (z. B. Kampagnen zur Umstellung von Sendefrequenzen) sind in der Regel ineffektiv (wahrscheinlich ein Aufmerksamkeitsproblem) levels of processing (lap) Alternative zu (strukturellen) Mehr-Speicherkonzeptionen Craik und Lockhart (72) postulieren: 16. Gedächtnissperren als Nebenprodukte von Analyseprozessen 17. Diese können auf einem Kontinuum, mit den Endpunkten „sensorische Analyse“ und „semantische Elaboration“ angeordnet werden 18. Das Kontinuum kann nach einem Kriterium der kognitiven Tiefe beschrieben werden 19. Memorieren hält Infos auf dem erreichten Verarbeitungsniveau präsent oder leitet tiefergehende Verarbeitungsprozesse ein 20. Behalten ist eine positive Funktion des Verarbeitungsniveaus, das erreicht worden ist typische Untersuchungen: z. B. Craik und Tulving (75), ohne Lernabsicht (inzidentelles Lernen) durch Vorgabe sog. Orientierungsaufgaben (oberflächlich – semantisch) die Verarbeitungstiefe manipulieren. Probleme: Gefahr der Zirkularität (unabhängige Festlegung der Verarbeitungstiefe, angemessene Indikatoren angenommene serielle Abfolge von Prozessen (von oberflächlich zu tief) Abrufprozesse vernachlässigt (bei bestimmten Testbedingungen kann eine oberflächliche Kodierung günstiger sein) Warum ist semantische Kodierung hilfreich? reichhaltigere Gedächtnisspuren sind zu erwarten, die beim Erinnern besser diskriminiert werden können dies gilt auch für sog. TV-Effekte (die Ausführung einer Handlung wird besser erinnert als deren Beschreibung); wahrscheinlich sind hier motorische Kodes Diskriminationshilfen 7. Organisieren Im Langzeitspeicher repräsentierte Informationen sind organisiert abgespeichert, beim Behalten neuer Informationen kann organisiert werden, wobei auf die organisierte Wissensstruktur teilweise zurückgegriffen werden kann. Beobachtungen an Kellnern zeigen, daß erfolgreiche Kellner diverse interne und externe Organisationsstrategien einsetzen (z. B. Bestellungen nach Orten ordnen, Gäste kategorisieren, Abrufhilfen produzieren) Gestaltpsychologen wiesen auf die Bedeutung organisierten Lernens hin (z. B. Katona: einsichtiges Lernen übertrifft langfristig mechanisches Einprägen) Organisiertes oder leicht zu organisierendes Material wird besser behalten als zusammenhanglose Informationen (z. B. Bousfield, 1953: Phänomen des Clustering bei Freier Reproduktion. Exemplare verschiedener Kategorien, in Zufallsfolge präsentiert, werden geordnet reproduziert. Die Kategoriennamen sind relevante Abrufhilfen) Zusammenhangslose Informationen (Wortlisten) können subjektiv organisiert werden (Tulving, 1962). Dies zeigt sich bei mehreren Reproduktionsversuchen in einer zunehmend konsistenteren, geordneten Reproduktionsabfolge Das Phänomen des negativen Teillisten - Ganzlistentransfers (ist ein Teil einer längeren Liste zuvor mehrfach gelernt und reproduziert worden, wird der Erwerb der längeren Liste nachfolgend beeinträchtigt) kann auf eine mangelhafte Anpassung der subjektiven Organisation zurückgehen Instruktionen, die zum Organisieren auffordern, verbessern Behaltensleistungen Mnemotechnik beruht häufig auf Vorstellungen und Organisationstechniken elaborative Verfahren: z. B. pegword Technik (one is a bun, two is a shoe …) Neue Informationen werden imaginal an die pegs gebunden reduktive Techniken: z. B. Acronyme mit den Anfangsbuchstaben der Zielwörter bilden Exerne Abrufhilfen (Knoten etc.) werden häufig im Alltagsleben verwendet Untersuchungen bei der Übermittlung medizinischer Informationen und Instruktionen (Ley) haben gezeigt, daß auch hier Organisationshilfen nützlich sind Trainingsprogramme bei älteren Menschen, die gezielt interne wie externe Strategien einüben, können effektiv sein Insgesamt: Find the best way of mapping new learning onto old 8. Vergessen was man vergessen kann (Fragebogen zum Vergessen im Alltag) z. B. wo etwas abgelegt, ob etwas ausgeschaltet, Ort nicht wiedererkennen, wann etwas passierte, Geplantes nicht erledigen, Witz mehrfach erzählen Vergessenskurve von Ebbinghaus Silbenlisten perfekt lernen. Behaltenstest (Wiederlernen) nach 20 Min. – 31 Tagen. Kein linearer Abfall (zunächst schneller Einbruch, später geringere Vergessenswerte) Teilweise andere Befunde bei anderen Informationen Bahrick: Erinnerungen an die Schulzeit (über 25 Jahre) • Relativ geringe Vergessensraten (Wiedererkennen von Namen, Photos, Photos Namen zuordnen) • Stärkere Vergessensrate beim Reproduzieren von Namen Erinnerungen an Fremdsprachenlernen (über 50 Jahre) • Anfänglich schneller Behaltensabfall, nach 2 Jahren kaum Motorische Fertigkeiten: kaum Vergessen zu beobachten (bei kontinuierlichen Fertigkeiten) Erste Hilfe Maßnahmen: steile Vergessenskurve Autobiographische Ereignisse: Tagebuchstudien von Linton mit linearer Vergessenskurve Insgesamt: kein einheitliches Bild Ursachen für Vergessen noch Veränderungen Spurenzerfall (decay) oder Interferenz (destruktive Interferenz: Ersetzen, Überschreiben oder blockierende Interferenz: Überlagern) Spurenzerfall-Hypothesen spielen keine große Rolle z. B. Jenkins und Dallenbach (24): Nach Lernen 1 – 8 Stunden Schlaf oder Tagesaktivität: Schlaf deutlich weniger vergessen (zugunsten Nach Interferenz interpretiert) Schützt (im Zusammenhang mit Schlaf) Träumen vor Vergessen? Uneindeutige Befunde Interferenzuntersuchungen McGeoch und McDonald (31) Nach Listenlernen (Adjektive) pausieren (KG) oder unähnliches bzw. ähnliches Material lernen. Dann Wiederlernen der Ausgangsliste: Je ähnlicher das Material, desto mehr vergessen Lernen 1 Lernen 2 Erinnern Retroaktive EG 1 2 1 Hemmung KG 1 – 1 Auch bei Untersuchungen zu Zeugenbefragungen (Loftus) Lernen 1 Lernen 2 Erinnern Proaktive EG 1 2 2 Hemmung KG – 2 2 Underwood (57): Je mehr Lernen in 1, desto schlechteres Erinnern von 2 Interferenztheorie des Vergessens Ursprüngliche Annahme: Retroaktive Hemmung (z. B. bei AC, AB Paradigma) geht auf Wettbewerb zwischen Responses zurück, d. h. auf A wird häufig nicht C, sondern B geantwortet). Melton und Irwin (40) konnten zeigen, daß diese Sicht unzureichend ist. Sie finden zwar eine stärkere Hemmung, je mehr zusätzlich (in 2) zu lernen war, doch ging dies nicht mit einer höheren Rate an Intrusionen (aus 2) beim Erinnern an 1 einher. Zwei-Faktoren-Theorie: Retroaktive Hemmung geht auf Wettbewerb zwischen Responses und auf das Verlernen ursprünglicher Responses zurück Dem entspricht: Retroaktive Hemmung (zwei Faktoren) übertrifft proaktive Hemmung (nur Wettbewerb) Problem: keine Retroaktive Hemmung, wenn Behalten mit Wiedererkennen gemessen wird Postman und Underwood (73) verstehen deshalb Verlernen als Resultat eines Response-SelektorMechansimus, der reversibel ist Generelles Problem: Übertragbarkeit auf extraexperimentelle Situationen z. B. warum vergessen selbst „naive“ Vpn nach 24 Stunden Annahme: Präexperimentelle Sprachgewohnheiten würden „verlernt“ werden, sich dann wieder „erholen“ eine Silbenliste? beim Lernen und das Erinnern beeinträchtigen. Beobachtet wurde dagegen keine Bestätigung dieser extraexperimentellen Interferenz-Hypothese Neuere Sicht: cue-dependent forgetting (Tulving): Vergessen wg. unangemessener cues (Schlüssel) Untersuchung: Kategorisierte Liste über 3 Durchgänge lernen und dann reproduzieren Dann 0 – 5 weitere Listen lernen und reproduzieren Nachfolgende Erinnerung an die erste Liste zeigt retroaktive Hemmung (desto stärker, je mehr nachfolgende Listen) Hemmung läßt sich am „Vergessen“ einzelner Kategorien (alle Items dieser Kategorie) festmachen Keine Hemmung in Abhängigkeit der zusätzlichen Listen, wenn Kategorien als Reproduktionshilfen (cued recall) Vergessen, etwas zu tun (prospektives Gedächtnis) hier ist das Wann (und weniger das Was, oder der Inhalt) wichtig meistens geringe Informationsbelastung motivationale/soziale Einflüsse stärker Manchmal Dissoziationen zu retrospektiven Gedächtnisleistungen „Natürliche“ Studien (Briefe einwerfen) und Experimentelle Nachbildungen 9. Erinnern (retrieval) „Vergessen“ als „retrieval failure“ Tulving hat zwischen verfügbaren (gespeicherten) Informationen (available) und zugänglichen (momentan abrufbaren) Informationen (accessible) unterschieden momentan ist stets weniger zugänglich als verfügbar Dies könnte z. B. ein Grund dafür sein, daß Wiedererkennen typischerweise Reproduzieren übertrifft (Untersuchung Mandler: Nach fünf Lerndurchgängen wurden von 100 Wörtern 38 reproduziert und 96 wiedererkannt bei einem Falschen Alarm von 7%) Andere Interpretation: Wiedererkennen ist einfach sensitiver (spricht auch auf schwache Gedächtnisspuren an) Anderer Befund zugunsten der Unterscheidung: Tulving (67), entweder wechselten Lern- und Testdurchgänge ständig ab oder auf einen Lerndurchgang folgten drei Testdurchgänge. Bei diesen drei Tests blieb die quantitative Erinnerungsquote relativ konstant, aber nur 50% der reproduzierten Wörter waren bei jedem der drei Tests zugänglich Schließlich Untersuchungen, die zeigen, daß „cues“ die Reproduktionsleistungen verbessern können Bei kategorisierten Listen Kategoriennamen als cues Tulving u. Osler (68): schwach assoziierte Wörter, die bereits in der Lernphase präsent waren, sind relevante cues specific retrieval cues facilitate recall if and only if the information about them and about their relation to the target is stored Die Unterscheidung wird erhärtet durch Befunde, die Kontextabhängigkeiten beim Reproduzieren zeigen Taucher lernten an Land oder unter Wasser und reproduzierten an Land oder unter Wasser: Identische Kontexte übertreffen verschiedene Kontexte Gilt auch für andere räumliche Kontexte (Laborräume, Zuhause etc.) Auch bei Texten nachweisbar Kontext wird repräsentiert und mit dem Gelernten verknüpft Was kann getan werden, um Kontexteffekte zu vermeiden? • Bei Kontextwechsel den ursprünglichen Kontext zu erinnern versuchen • Statt Reproduzieren Wiedererkennen • Lernen über verschiedene Räume streuen • Schon im Lernkontext (vor der Prüfung) reproduzieren • Selbstaufmerksamkeit beim Lernen oder Erinnern Zustandsabhängiges Lernen entspricht solchen Befunden (Eich, 80) Ähnliche Befunde auch bei emotionalen Kontexten Zum Vergleich Reproduzieren – Wiedererkennen Um vergleichen zu können, ist es wichtig, beim Wiedererkennen nicht nur Treffer (altes wird als alt erkannt), sondern auch Falsche Alarme (neues wird als alt bezeichnet) zu berücksichtigen ein Maß für die Unterscheidungsgüte: Treffer – Falsche Alarme Alternativ: Methoden der Signal-Entdeckungs-Theorie (d', β) Wichtiges Ergebnis: Das Häufigkeitsparadox (beim Reproduzieren schneiden häufiger gebrauchte Begriffe besser ab, beim Wiedererkennen dagegen seltene Begriffe) Entkräftet das Argument, Wiedererkennen sei stets ein sensitiveres Maß und spreche auf schwächere Gedächtnisspuren an (s.o.) Interpretation: Häufigkeit begünstigt die Zugänglichkeit oder Produktion beim Reproduzieren (kein Effekt bei Wiedererkennen) Für Wiedererkennen können seltenere Begriffe, die wahrscheinlich seltener und eher vor längerer Zeit vor der Lernphase enkodiert, besser unterschieden werden Abrufmodelle a) Sternberg: serielles, erschöpfendes Absuchen Bezogen auf bestimmtes Paradigma Als STM-Aufgabe: Aus dem Pool der Zahlen 1 - 9 wird pro Darbietungsfolge eine Zufallsfolge von 1 -6 Zahlen gezogen. Beim Test wird eine Zahl vorgegeben und es ist zu entscheiden, ob diese Zahl behalten werden sollte oder nicht Ergebnis: linearer Anstieg der Reaktionszeiten in Behaltensmenge. Vergleichbar bei Abhängigkeit von der „positiven“ und „negativen“ Testdurchgängen Interpretation: serielles Absuchen (linearer Anstieg) erschöpfend (positiv = negativ) Probleme: recency - Effekte, Unterschiede in Abhängigkeit von der Darbietungshäufigkeit kein generelles Abrufmodell b) Generierungs - Wiedererkennensmodelle z. B. Kintsch (70) Reproduzieren beinhaltet zwei Prozesse (Generieren und internes Wiedererkennen möglicher Kandidaten) Wiedererkennen erfordert kein Generieren Annahme: Bei Enkodierung werden Wortrepräsentationen „markiert“ (die Markierung wird beim Wiedererkennen geprüft) Soll begründen: • Wiedererkennen übertrifft meistens Reproduzieren • Positive Effekte der Häufigkeit beim Reproduzieren (begünstigt Generieren) • Organisation wichtiger bei Reproduzieren (fördert Generieren) Problem: Nicht jedes reproduzierte Item kann auch wiedererkannt werden Untersuchungen von Tulving u. Thomson (73) zeigen recognition failure of recallable words Phase 1: Zielwörter (z. B. Stuhl) im Kontext schwach assoziierter Wörter (Leim) lernen Phase 2: Stark assoziierte Wörter (Tisch) als Vorgabe zum Assoziieren (hohe Wahrscheinlichkeit, daß Stuhl genannt wird) Phase 3: Wiedererkennen der Zielwörter bei eigenen Assoziationen (24 - 38%) Phase 4: Cued Recall (mit Leim als Erinnerungshilfe): 59 - 61% c) Enkodierungsspezifität und Modell der synergistischen Ecphorie (Tulving) Specific encoding operations performed on what is perceived determine what is stored, and what is stored determines what retrieval cues are effective in providing access to what is stored Bei Reproduzieren u. Wiedererkennen vergleichbare Prozesse, obwohl unterschiedliche cues (copy cues bei Wiedererkennen) vorliegen Cue und Spureninformation interagieren und werden kombiniert (Ecphorie) Resultiert daraus genügend spezifische episodische Information, ergibt sich der Eindruck, sich zu erinnern (recollection) Warum sind z. B. Umgebungs - Kontexteffekte (s.o) typischerweise nur beim Reproduzieren zu beobachten? Baddeley unterscheidet zwischen unabhängigen und interaktiven Kontexten Erstere verändern und beeinflussen nicht die Zielinformation, werden aber zusammen mit diesen abgespeichert und können deren Zugänglichkeit beeinflussen (beim Reproduzieren) Letztere beeinflussen die Wahrnehmung und Interpretation des Ereignisses und beeinflussen Zugänglichkeit und Diskrimination (Reproduzieren und Wiedererkennen) Kontextvergegenwärtigung ist auch bei Zeugenaussagen bedeutsam (kognitives Interview) Bei Erinnerungsversuchen können partielle Erfolge auftreten (subjektiv: feeling of knowing bzw. tip of the tongue). Solche Zustände sagen zuverlässig spätere komplette Erinnerungen vorher (momentane Blockade) 10. Semantisches Gedächtnis Episodisches Gedächtnis: persönlich erfahrene Informationen, autobiographischer Bezug Wie, wo und wann mir Geschehenes, kontextbezogen und -abhängig Semantisches Gedächtnis: kontextunabhängiges (oder unabhängig gewordenes) Wissen von der Welt (breitere Auffassung) oder Wissen um Wortbedeutungen (engere Auffassung) Tulving (72): the memory necessary for the use of language. a mental thesaurus, organized knowledge a person possesses about words and other verbal symbols, their meaning and referents, about relations among them Sprachorientierte Forschung Verfahren: Freie Assoziation, Freies Sortieren, Semantische Kategorisierungsaufgaben (Rotkehlchen Vogel? hat Flügel?) Relativitätstheorie (Whorf): Sprache bestimmt (beeinflußt) die Welterfahrung z. B. Untersuchungen, die zeigen, daß Farben, die konsistent benannt werden (fokale Farben), besser erinnert werden oder daß Farben, die sprachlich nicht differenziert werden, schlechter erinnert werden Über alle Sprachen sind 11 grundlegende Farbnamen festgestellt worden (wenn in einer Sprache nur 2 vertreten: schwarz und weiß, wenn eine dritte Farbe: rot etc.) Untersuchungen von Rosch zeigen: Auch bei Kulturen mit wenig Farbnamen können fokale Farben besser identifiziert und wiedererkannt und bei Assoziationsaufgaben besser gelernt werden Baddeley: not language makes colors easier to identify and remember sondern: Perzeptuelle Salienz beeinflußt Sprache Modelle und Resultate Netzwerk - Modelle (Collins u. Quillian, 72) • Konzepte als Knoten in einem semantischen Netzwerk • Eigenschaften des Konzepts durch Relationen zu anderen • Relationen zum unmittelbar übergeordneten Konzept des Konzepts (property (superordinate) u. zu Eigenschaften associations) z. B. Hai –> Fisch, Hai –> kann beißen • hierarchisches Netzwerk mit kognitiver Ökonomie Konzeptniveau direkt Knoten gekennzeichnet (Eigenschaften auf höchst möglichem repräsentiert: z. B. kann schwimmen bei Fisch (nicht bei Hai), atmet bei Tiere etc. Resultate bei semantischen Kategorisierungsaufgaben: Distanzeffekte entsprechend der Hierarchie bei zutreffenden Aussagen Kanarienvogel kann singen < kann fliegen < hat Haut ist ein Vogel < ist ein Tier Probleme: Bei falschen Aussagen verzögert Ähnlichkeit die Falsifikation bei größerer Reaktionszeiten (o. schnellere Distanz) Wenn Assoziationsstärke a priori kontrolliert (Konzept - Eigenschaft): keine Replikation Hund - Säugetier langsamer verifiziert als Hund - Tier alle Verbindungen gleich stark? Warum dann Unterschiede bei der Verifikation verschiedener Instanzen einer übergeordneten Kategorie Fazit: zu logisches Modell Veränderungen (Collins/Loftus 75): • Hierarchie aufgegeben • semantische Distanz durch Nähe der Konzepte (Knoten) abgebildet • verschiedene Assoziationstypen (auch negative) eingeführt • nur noch „schwache“ kognitive Ökonomie (gelernte Verbindungen werden direkt eingetragen, auch wenn sie inferiert werden könnten) • Prinzip der Erregungsausbreitung Bewertung: kann alles erklären Merkmals - Vergleich - Modell (Smith et al. 74) Beeinflußt von Untersuchungen von Rosch. Danach gilt für natürliche Kategorien nicht, daß alle Exemplare sich durch eine begrenzte Menge definierender Merkmale auszeichnen. Prinzip der Familienähnlichkeit mit prototypischen Exemplaren (haben mit anderen Exemplaren relativ viele gemeinsame Merkmale oder Überlappungen) und randständigen, atypischen Exemplaren „fuzzy boundaries“ Zwischen eingeschätzter Typikalität und Merkmalsüberlappung besteht eine Korrelation Modell geht davon aus, daß die Bedeutung eines Konzepts durch eine Liste semantischer Merkmale beschrieben werden kann, die nach ihrem Gewicht auf einem Kontinuum angeordnet sind: Definierende Merkmale haben größeres Gewicht als charakteristische Merkmale Bei Kategorisierungsaufgaben (ist x ein y?) sollen Merkmals-Vergleiche erfolgen: 1. globaler Vergleich: alle Merkmale von x und y benutzt und verglichen Wird ein Kriteriumswert über- oder unterschritten: Schnelle ja oder nein Antwort Wenn nicht eindeutig: 2. Vergleichsprozeß: Nur noch definierende Merkmale Befunde: Bei „positiven“ Aussagen schnellere Antworten, je (Interpretation: globaler geringer die Distanz (Prototyp) Vergleich reicht aus) Bei „negativen“ Aussagen schnellere Antworten, je größer die Unähnlichkeit Distanz oder Bewertung: Zu speziell, atomistisch, Verbindungen zwischen und der Außenwelt (perzeptuelles konzeptueller Repräsentation Wissen) fehlen s. z. B. Evidenzen zugunsten perzeptueller Wissensrepräsentationen bei mentalen Vergleichsuntersuchungen Schema - Positionen größere Wissenseinheiten Bartlett (32): organisierte Strukturen, die Wissen u. Erwartungen (Modelle) abbilden aktive Strukturen, helfen bei „effort after meaning“, bei unvertrauten Situationen/Informationen fehleranfällig Modernere Sichtweisen (auch frames, Skripte) 1) Informationspakete mit einem festgelegten Kernbereich und mehreren Variablen. Wenn Variable nicht spezifiziert: default values (best guesses) 2) Verschachtelung (über- u. untergeordete Subschemata) 3) operieren auf allen Ebenen der Abstraktheit 4) repräsentieren verallgemeinertes Wissen, keine (logischen) 5) keine ruhenden Datenstrukturen (active recognition devices) Definitionen Beispiele: Geschichen - Grammatiken Setting (Protagonist u. Hintergrundinformation) + Episode Episode (Anfangsereignis - interne Reaktion - Handlungen - direkte Konsequenzen Reaktion, z. B. Moral der Geschichte Hilft bei Aufnahme u. Wiedergabe (insbesondere bei wichtigen Aussagen) Skripte Verallgemeinertes Erfahrungswissen über Handlungs- und Ereignisfolgen in wohldefinierten Situationen a predetermined, stereotyped sequence of actions that defines a well-known situation hohe Übereinstimmung bei Generierung, begünstigen Fehler bei Erinnerung, beeinflussen die Abfolge beim Erinnern, Abweichungen werden gesondert beachtet Neuropsychologische Befunde zeigen, daß das semantische Gedächtnis in Subkomponenten aufzuteilen ist z. B. Agnosien (Objektwahrnehmung gestört) manchmal die Bedeutung nicht anhand des Aussehens erkennen können, wohl aber anhand von akustischen Informationen oder durch Berührung (u. umgekehrt) Aphasien (Benennung) präsemantische und semantische Defizite Manchmal sehr spezifische Probleme (z. B. bei Aphasien: Nahrungsmittel und Küchengeräte) Farben und Körperteile vs. 11. Gedächtnis und Affekte Verdrängen und normales Vergessen Beobachtungen psychogener Amnesie: Simulation, gezieltes Ausblenden oder unbewußtes Verdrängen angstbesetzter Ereignisse? Definition: Technik, um etwas Reales aus dem Bewußtsein zu verbannen um unerträglichen Schmerz (Angst) zu vermeiden Ego-Mechanismus prototypisch unbewußt Klinische und natürliche Beobachtungen: starke Affekte können bei Hysterien massive Gedächtnisstörungen bedingen Nach Freud ist Verdrängen auch für „normales“ Vergessen verantwortlich (Psychopathologie des Alltagslebens) Hypermnesie - Paradigma (Hypnose, Therapie) bislang unzugängliche, schmerzliche Erfahrungen werden erinnert aber: Problem des Falschen Alarms (Verifikationsproblem) Erinnerungsleistung o. nur ein Berichts - Bias? Dissoziations - Paradigma z. B. gegenwärtiges Verhalten widerspricht bewußter Einstellung Linton (75): Diskrepanz zwischen gegenwärtiger Sicht der Vergangenheit (positiv) und der Häufigkeit tatsächlicher negativer Ereignisse Dominanz positiver Ereignisse bei Früherinnerungen (Memorieren o. Verdrängen?) Erinnerungen an schmerzhafte (medizinische) Ereignisse: Die erinnerte Schmerzhaftigkeit kann abnehmen Laboruntersuchungen: Assoziationstechnik (Jung) Levinger/Clark (61): Erinnerungen an eigene Assoziationen schlechter bei emotionalen Reizwörtern Kleinsmith/Kaplan (63): emotionale Reizpaare bei kurzem Intervall schlechter u. bei längerem Intervall besser erinnert (größere Erregung bedingt kurzfristige Hemmung, um langfristige Konsolidierung zu verbessern) Auch bei Erinnerungen an eigene Assoziationen langfristig ein Vorteil emotionaler (positiv wie negativ) Reize Gestörtes Gedächtnis für unangenehme, angstbesetzte Ereignise? Zeigarnik: Unerledigte Handlungen werden dann schlechter erinnert, wenn Nichtbeendigung als persönlicher Mißerfolg erlebt Kritik: Bei Angstreduktion sollte die Rückkehr des Verdrängten nachweisbar sein (?) Nicht - Erinnern muß nicht auf Verdrängen zurückgehen (Aufmerksamkeit, Interferenz) Könnte auf bewußte Kontrolle zurückgehen Keine Gedächtnis-, sondern Report - Effekte Wahrnehmungsabwehr: a) emotionale Reize können die Wahrnehmung beeinträchtigen b) perzeptueller Input kann intentional u. selektiv zurückgewiesen werden a wegen b? hypnotisches o. normales intentionales Vergessen: z. B. posthypnotische Amnesie gerichtetes Vergessen ist möglich (selektive Suche, Gruppieren, gezieltes Memorieren) Insgesamt: Mechanismen, die Verdrängen bedingen können, sind bekannt Fraglich bleibt (z. B. im normalen Alltag), ob diese Mechanismen eingesetzt werden, um sich vor unangenehmen Erfahrungen zu schützen Erinnerungen an extreme emotionale Erfahrungen: die Befundlage ist gemischt (z. B. ist zu berücksichtigen, wann der Testzeitpunkt u. welcher Test) highly negative emotional events are relatively well retained (emotional event itself and the central, critical detail information … that elicits the emotional reaction information preceding a. succeeding such events, or peripheral information within an emotional scenario is less accurately retained Psychogene Amnesie (bei Mordfällen, Fugue - Zuständen, multiple Persönlichkeit) Bewertung „Verdrängen“ bei Baddeley: no major cause of everyday forgetting Affekt und Gedächtnis Induktionsuntersuchungen (Hypnose, Velten - Technik, Film - Musik, Erfolg/Mißerfolg) und klinische Untersuchungen zeigen (vor allem beim Reproduzieren) Kongruenzeffekte (zustandsabhängiges Erinnern; s. Kontexteffekte) wie auch Selektionseffekte (wenn traurig, wird bevorzugt Trauriges enkodiert) Ängstlichkeit Häufig keine inhaltsspezifischen Erinnerungseffekte Aber wahrnehmungsnahe Verzerrungen (z. B. bei Homophonen, Stroop - Aufgabe) kognitive Komponente (worry) und emotionale Komponente bei Prüfungsangst: worry beeinträchtigt angemessene (arousal) Verarbeitung, arousal kann positiv wirken (Anstrengung) Vor „gefährlichen“ Ereignissen (Vortrag, Fallschirmspringen, Wettkämpfen): Beeinträchtigte Zahlenspanne, verbale Flüssigkeit, motorische Kontrolle 12. Amnesien normal: infantile A., experimentell induzierte A., posthypnotische Amnesien psychogen: Hysterie, Fugue, multiple Persönlichkeit organisch bedingte Amnesien: Senile Demenz (Alzheimer), Huntington, CO- Vergiftung, Unfälle, Elektrokrampfbehandlung, virale Infektion (Enzephalitis, Meningitis), Korsakoff, limbischer Cortex (H. M.) Probleme der Kategorisierung: Nach Krankheitsursache (können sich im Ausmaß der Schädigung und im Verhalten unterscheiden), nach Lokalisation der Schädigung (manchmal nicht möglich oder mehrere Bereiche zusätzlich betroffen), nach Funktion (pure Gedächtnisbeeinträchtigung, klassisches Syndrom, aber relativ selten) Unfälle (closed-head injury) posttraumatische Amnesie (zunächst bewußtlos, gewinnen allmählich Bewußtsein zurück, sind aber noch verwirrt) retrograde Amnesie (Ereignisse vor dem Unfall, am stärksten betroffen die Zeitspanne unmittelbar davor, kann sich zurückbilden) anterograde Amnesie (Ereignisse nach der Erkrankung) Amnestisches Syndrom Geschädigt ist ein Schaltkreis, der limbische und Zwischenhirnbereiche betrifft (Papezkreis) funktionale Merkmale: Kurzzeit-/Arbeitsspeicher kann „normal“ operieren (Zahlenspanne, recency-Effekte, Peterson-Aufgabe) semantisches Gedächtnis kann normal funktionieren (Wissensfragen, auch normale Intelligenz, Wahrnehmung) beeinträchtigt ist vor allem die Möglichkeit, neue episodische Informationen längerfristig zu erinnern Erklärungen: 1. unzureichende Konsolidierung (s. aber verbliebene Behaltensmöglichkeiten und retrograde A.) 2. semantisches Enkodierungsdefizit (s. aber z. B. auch deutliche Defizite nach semantischer Verarbeitung) 3. schnelleres Vergessen (wg. geringer Konsolidierung; nicht bestätigt) 4. Abrufproblem (wg. erhöhter Interferenz; nicht bestätigt) 5. Kontextenkodierungs-Modelle (keine neue vertikale oder konfigurative Verknüpfungen) z. B: Huppert/Piercy (78) An zwei Tagen Photos jeweils einmal oder zweimal präsentiert. Wenn zu entscheiden war, ob Photos am ersten oder zweiten Tag gesehen: Kontrollgruppe bei Tag 1 – Photos besser, wenn zweimal gesehen (bessere Kontextverknüpfung); Amnesien urteilen dagegen bei zweimal gesehenen häufiger, daß sie am zweiten Tag präsentiert wurden (nach Spurenstärke oder Vertrautheit) genereller: gestört ist die bewußte Verknüpfung zwischen neuen Erfahrungen Verbliebene Behaltensmöglichkeiten: klassische Konditionierung, Spiegelschrift schreiben, Rätsel lösen, motorische Fertigkeiten, kognitive Fertigkeiten und Regeln Systeminterpretation (Squire): prozedurales System bleibt funktionstüchtig (ohne Bewußtsein) deklaratives System ist geschädigt (mit Bewußtsein) aber viele weitere normale Gedächtnisleistungen bei impliziten (indirekten) Gedächtnistests ohne Erinnerungsinstruktion: Wortstamm- und Wortfragmentergänzungaufgaben, perzeptuelle Identifizierung, lexikale Entscheidung, Objektentscheidung, Präferenztests, neue Assoziationen. Neue Systeminterpretation (Tulving): Prozedurales und Semantisches Gedächtnis bleiben intakt, episodisches Gedächtnis beeinträchtigt Schacter: präsemantische perzeptuelle Repräsentationssysteme operieren normal Prozeßansatz (Roediger): Perzeptuelle (oder datengetriebene) Prozesse operieren normal, konzeptuelle Prozesse dagegen gestört Alzheimer Zusätzlich perzeptuelle, emotionale und Sprachprobleme funktional: normaler recency, normale Effekte der artikulatorischen Schleife, geringere Gedächtnisspanne, keine normalen Leistungen bei PetersonParadigma Nach Baddeley: Zusätzlich zum amnestischen Syndrom soll die Zentrale Exekutive des Arbeitsspeichers beeinträchtigt sein, was sich darin ausdrückt, daß Informationen aus verschiedenen Quellen nicht koordiniert werden können Beleg: massive Einbrüche bei Doppelaufgaben (Gedächtnisspanne und tracking-Aufgabe) 13. Implizites Gedächtnis Begriff manchmal auf eine Gedächtnisform (System) bezogen (Konstrukt), manchmal auf einen Bewußtseinszustand (unbewußte Nachwirkung) oder aufgabenbezogen (operational) verwendet Implizite Gedächtnisprüfung (aufgabenbezogen): Wenn nach einer Studierphase (oder Lern- oder Enkodierungsphase) bei einer Aufgabe ohne Erinnerungsinstruktion überzufällig häufig und/oder schnell Informationen benutzt werden, die der Studierphase zugehören Explizite Gedächtnisprüfung (Reproduzieren, Wiedererkennen): Nach der Studierphase wird ausdrücklich dazu aufgefordert, Informationen aus der Studierphase zu erinnern Beispiel: Studierphase mit Bearbeitung einer Wortliste (Henkel, Pistole, Fenster ...) Expliziter Test (Cued Recall): He, Pi, Fe als Erinnerungshilfen vorgegeben Impliziter Test (Wortstammergänzung): He, Pi, Fe (zusammen mit Stämmen, die sich auf neue, nicht studierte Wörter beziehen – Basisrate) zur Komplettierung vorgegeben Werden „alte“ Wörter häufiger ergänzt als „neue“ Wörter (Basisrate), liegt ein Gedächtniseffekt vor (auch WiederholungsPriming genannt) Häufig verwendete Verfahren Perzeptuelle Tests (Sprechen auf perzeptuelle Merkmale an, nicht auf semantische Merkmale) Wortstamm- oder Wortfragmentergänzung, Wortidentifizierung, Anagramme lösen, lexikale Entscheidung Bildfragmentbenennung, Objektentscheidungstests Konzeptuelle Tests (profitieren von semantischer Bearbeitung, keine Effekte von Oberflächenmerkmalen) Wortassoziation, Wissensfragen, Kategorienexemplare produzieren Geschichte: Ebbinghaus (1885) voluntary recollection (willentlich ins Bewußtsein zurückrufen) involuntary recollection (spontan ins Bewußtsein treten und als Erinnerung erkennen) dritte Gruppe (nicht mit introspektiven Methoden zu erfassen): prior experience is reflected in current thought and behavior, but this transfer brings with it no trace of conscious recollection (deshalb die Ersparnismethode: Beim Wiederlernen werden weniger Durchgänge benötigt, ohne daß man sich an das erste Lernen erinnern muß) Beobachtungen an amnestischen Patienten Ausgewählte Befunde Normale implizite Effekte bei Amnesien mit massiven Beeinträchtigungen bei expliziter Prüfung (Dissoziationen) Kann auch für andere klinische Gruppen gelten (Depressive, Schizophrene, Agnosien) Auch für Drogenzustände (Alkohol) Spektakulär: Implizite Nachwirkungen nach Anästhesie Keine alterskorrelierten Differenzen (jüngere Kinder, ältere Personen) Funktionale Dissoziationen im Normalbereich Effekte der Aufmerksamkeitsbelastung können auf explizite Prüfungen beschränkt bleiben Modalitätseffekte (perzeptuelle Tests), die bei expliziten Tests ausbleiben Bildüberlegenheit (explizite Tests) kann umgekehrt werden (verbale perzeptuelle Tests) Ebenso der Vorteil selbst generierter Informationen (bei perzeptuellen Tests) Zeitliche Persistenz impliziter Effekte Implizite Nachwirkungen beim visuellen Vorstellen (Buchstabieraufgaben) Vernachlässigte Sinnesmodalitäten (Tasten, Riechen) Grenzen impliziter Prüfverfahren (z. B. Größe, Farbe) ? Bewußtseinsfragen (implizit = unbewußt und explizit = bewußt?): Einführung neuer Techniken (Prozeß-Dissoziation nach Jacoby: Exklusions- und Inklusionsinstruktionen) soziale Einflüsse (Stereotypenforschung) Erklärungsversuche: System-Ansätze (Schacter, Tulving): Explizite Erinnerungen (episodisches Gedächtnissystem), perzeptuelles Priming (präsemantische Repräsentationssysteme), konzeptuelles Priming (semantisches Gedächtnissystem) Probleme: Sparsamkeit (20-25 Systeme) Dissoziationen zwischen impliziten Tests Prozeß-Ansätze (Roediger): Fortführung der Enkodierungsspezifität 1. Testleistungen werden in dem Maße gefördert, in dem sich Prozesse beim Test mit Prozessen bei der Enkodierung überlappen 2. Explizite Tests beanspruchen typischerweise konzeptuelle Prozesse, während implizite Test meistens perzeptuelle Prozesse erfordern 3. Deshalb z. B.: Positive Effekte der Verarbeitungstiefe bei expliziter Testung. Effekte der Darbietungsmodalität bei impliziter Testung Um die unter 2. angegebene typische Konfundierung aufzuheben, verwendete Blaxton (89) neben konzeptuellen expliziten Tests (Reprodukion) und perzeptuellen impliziten Tests (Wortfragmente) auch perzeptuelle explizite (graphemischer cued recall) und konzeptuelle implizite (Wissensfragen) Tests In der Lernphase waren Wörter zu lesen oder zu generieren In Übereinstimmung mit dem Ansatz konnte ermittelt werden, daß die Effekte der Generierungs-Variablen (positiv bei konzeptuellen und negativ bei perzeptuellen Tests) den vermuteten Prozessen entsprachen (und nicht angenommenen Systemen) Problem: Warum bei Amnesien auch normale Priming-Effekte, wenn konzeptuell getestet wird? Die Differenz zwischen implizit und explizit (und mögliche Unterschiede im Bewußtseinszustand) wird unterschätzt 14. False Memories Im Unterschied zu Wahrnehmungstäuschungen sind Gedächtnistäuschungen (illusions) relativ selten und systematisch erst in den letzten 10 Jahren untersucht worden. Klassische Bezeichnungen z. B. déjà vu und jamais vu Schwierig zu untersuchen im Alltag, weil „critical checking operation usually is not possible for remembered events“ Anstoß zu aktueller Forschung: Mißbrauchsdebatte um verdrängte Erinnerungen (repressed memories). Einige Kliniker behaupten: Traumatisierung bei Mißbrauch führt zur Verdrängung der Ereignisse. Recovery durch Therapie. Gegenposition: Ereignis hat nicht stattgefunden, Momentane Probleme werden auf Mißbrauch zurückgeführt. False memory nach suggestiver Therapie oder Selbst-Hilfe Buch. Aktuelle Forschungsbeispiele: 2) emotionale Stroop-Aufgabe Farbbenennungszeit-Interferenz bei traumatischen Begriffen (Inzest) im Vergleich zu positiven oder neutralen Begriffen. Beobachtet bei gestörten „survivors“ (besonders bei posttraumatischer stress disorder Diagnose, PTSD) Untersuchung Mc Nally et al. (2000) an vier Gruppen repressed-memory, recovered-memory, continuous-memory, Kontrollgruppe Repression-Hypothese: Interferenz eine Funktion des Ausmaßes der Repression (KG-continuous, recovery, repressed) Ergebnis: repressed = KG, Tendenz zu mehr Interferenz bei recovered und continuous, Korrelation mit PTSD 3) Roediger-Mc Dermott-Paradigma (s.u.) Untersuchung Zoellner et al. (2000) Traumatisierte mit oder ohne PTSD und Kontrollgruppe 8 Deese Listen sofort reproduzieren, 8 Listen nicht reproduzieren. Abschließend Wiedererkennen mit alten, kritischen neuen und unkritischen neuen Items. Ergebnis: Traumatisierte zeigen signifikant mehr „false recall“ und nicht signifikant mehr „false recognition“ Alltagsbezogene Felduntersuchungen 6. Befragung von Bezugspersonen zu realen Kindheitserinnerungen 7. Probanden werden gebeten, sich reale oder fiktive Kindheitsereignisse vorzustellen 8. Erinnerungsversuche ca. 25 % falsche Erinnerungen können induziert werden. Laboruntersuchungen Frühe Untersuchungen von Bransford et al. zur semantischen Integration und Konstruktion Roediger-Mc Dermott: Geht auf Deese zurück. Wortlisten reproduzieren (oder wiedererkennen), bei denen die Begriffe alle mit einem nicht präsentiertem Zielwort assoziiert sind. Hohe Wahrscheinlichkeit der Falschreproduktion (oder Falscher Alarm) bei diesem Zielwort. Weitere Ergebnisse: False recognition = Treffer False recognition hat RememberQualität False recall erhöht sich mit Behaltensintervall False recognition wird einer (Sprecher-) Quelle zugeordnet Geringerer Effekt bei Amnesie Effekt auch bei impliziten Tests Misinformation – Effekt bei Zeugenaussagen Verbale Überschattung Flüssigkeits-Illusion z. B. beim Test geprimete Wörter werden häufiger als „alt“ wiedererkannt. Illusorische Konjunktion zusammengesetzte Wörter werden präsentiert (handstand, shotgun) Test: Alte vollständig beide Silben alt, rekombiniert (handgun) eine Silbe alt (handmade) völlig neu Wiedererkennen: alt > rekombiniert > Rest Bei Amnesien: Alt = rekombiniert Quellendiskriminationsfehler z.B. Nur Vorgestelltes wird fälschlich als Gesehenes erinnert. Beispiel: Goff / Roediger (98) 4. Handlungsphrasen nur gehört, zusätzlich vorgestellt oder zusätzlich ausgeführt. 5. einen Tag später: ein Teil der alten und neuen Items einmal, dreimal oder fünfmal imaginieren. 6. Wiedererkennen zwei Wochen später mit Quellenangabe Imaginationsinflation: Anteil „neuer“ oder nicht ausgeführter Items, die fälschlich als ausgeführt erinnert werden Treffer-Falsch Alarm: .02 (in b fünfmal) .35 (in b nicht präsentiert) - Effekte schwach, wenn b unmittelbar vor Test