BAUSCHÄDEN Der Autor Dr. Horst Reul Ingenieurbüro für Bauchemie Illertissen-Tiefenbach Sprengmeister Sulfat oder mangelhafte Weiße Wanne – Ursache einer Hauszerstörung Massive Mauerwerksrisse und Risse im Beton der Kellerdecke und der Kellerwände in einem Einfamilienhaus beurteilte der Erstgutachter als Folge einer zu schwachen Bewehrung der WU-Bodenplatte. Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung stellte sich heraus, dass die Risse durch Sulfattreiben verursacht worden waren. Nicht ein Planungsoder Ausführungsfehler, sondern mit Anhydrit verunreinigter Zement war schadensursächlich. Einleitung Ein Ehepaar in einer süddeutschen, ländlichen Gemeinde ließ von einem örtlichen Bauunternehmer ein Einfamilienhaus erstellen. Nachdem sich der Bauplatz in einem Bereich mit relativ hohem Grundwasserstand befand und der höchste bekannte Wasserstand ca. 21 bis 71 cm über der geplanten Oberkante der Bodenplatte lag, musste der Keller in WUBauweise erstellt werden. Darauf wurde ein eingeschossiges Einfamilienhaus unter Verwendung von Hochlochziegeln erstellt, an das Einfamilienhaus anschließend die Garage. Die Betonage des Kellers erfolgte im Oktober, im darauffolgenden Sommer war das Haus bezugsfertig. Schon ein Jahr nach dem Bezug zeigten sich erste feine Risse im nordseitigen Mauerwerk und im verfliesten Boden des Erdgeschosses. Die Risse weiteten sich. Daraufhin wurde vom Bauunternehmen nachgebessert. An den nachgebesserten Stellen öffneten sich die Risse erneut, um schließlich Rissweiten von mehr als 1 cm zu erreichen. Die Situation in dem Einfamilienhaus wurde bedrohlich. Das Bauunternehmen schaltete ein staatliches Materialprüfungsamt zur Überprüfung des Betons in der Kellerbodenplatte ein. Die chemische und röntgendiffraktometrische Überprüfung der Bohrkerne ergab, dass die Bodenplatte einen zu hohen SO3-Gehalt aufzeigte und dass ggf. das SO3-haltige Treibmineral Thaumasit vorhanden sein könnte. Das Bauunternehmen schaltete daraufhin seine Haftpflichtversicherung ein. Diese beauftragte einen öbuv Sachverständigen mit der Überprüfung vor Ort und der Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Gutachter zog die Grundwasserstandsdaten und die Ergebnisse des Materialprüfungsamtes heran, stellte ferner vor Ort die Druckfestigkeit des Betons mittels Rückprallhammer nach Schmidt fest und kam zu folgendem Ergebnis: Die Weiße Wanne ist mangelhaft. Der Bewehrungsgehalt der Bodenplatte ist viel zu gering. Die erforderliche Rissbreitenbeschränkung ist hiermit nicht zu erreichen. Das Rissbild an der Nordseite des Abb. 1: Riss durch die Kellerzwischenwand und die Beton-Kellerdecke. Die Nachverpressung war erfolglos. Abb. 2: Die WU-Bodenplatte war rissfrei, der Beton stellenweise zermürbt. 5 · 2012 Der Bausachverständige Einfamilienhauses könnte darauf zurückgeführt werden, dass außen Absenkungen oder in der Mitte eine Anhebung stattfand. Wegen der deutlich zu hohen SO3-Gehalte im Beton schloss der Gutachter ein SO3-Treiben nicht gänzlich aus. Abschließend kam der von der Haftpflichtversicherung beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, dass die sichtbar zutage getretenen Mängel überwiegend auf die Einflüsse der höchsten Grundwasserstände und auf die nicht fachgerecht ausgebildete Kellerkonstruktion zurückzuführen sind, d. h. eine zu geringe Bewehrung gegen die Risssicherung und die fehlende Eignung gegen Auftrieb und Verwölbung. Der Einfluss eines eventuellen Gipstreibens erschien dem Gutachter von geringerer Bedeutung. Bei einem erneuten Anstieg des Grundwasserstandes wurde mit einem wiederholten Aufwölben der Bodenplatte gerechnet. Abb. 3: Bohrloch nach der Bohrkernentnahme 15 BAUSCHÄDEN Diese gutachterliche Einschätzung, die fatale Folgen für den Planer und Bauleiter gehabt hätte, griff zu kurz und stellte sich als Fehleinschätzung heraus. Mittlerweile beantragten die Eigentümer des Einfamilienhauses beim zuständigen Landgericht ein selbständiges Beweissicherungsverfahren. Im Zuge dieses Verfahrens war drei Fragen nachzugehen und zwar, ob eine nicht ausreichende Bewehrung der Bodenplatten der Kelleraußenwände als Ursache der Rissbildung im Mauerwerk in Frage kommt, ob ein Gipstreiben infolge eines zu hohen SO3Gehaltes im Beton die Risse verursacht hat und / oder ob die Grundwasserabsenkung, veranlasst durch die örtliche Gemeindeverwaltung in dem Zeitraum, in dem der Keller erstellt worden ist, Einfluss auf die Rissbildung genommen habe. Mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte das Gericht einen öbuv Sachverständigen mit dem Bestallungstenor »Stahlbeton- und Mauerwerksschäden«. Wegen der baustofflichen und bauchemischen Fragestellung wurde ein öbuv Sachverständiger mit dem Bestallungstenor »Chemie der Baustoffe« hinzugezogen. Die Beauftragung der Gutachter durch das Landgericht erfolgte acht Jahre nach der Betonage des WU-Betonkellers. Bei der Überprüfung der Vorgeschichte stellte sich heraus, dass der Zementlieferant am Vortag der Lieferung des Zementes für den herzustellenden WU-Beton Anhydrit befördert hatte. Der Silozug wurde unsachgemäß gereinigt, sodass Reste des Anhydrits im Silozug verblieben waren und mit dem Zement vermischt wurden. Über die Menge des im Silo verbliebenen Anhydrits konnten keine Angaben gemacht werden. Nachdem sich, wie weiter unten noch deutlich werden wird, herausgestellt hatte, dass weder die Grundwasserabsenkung noch die vermutete Mindermenge der Bewehrung für den Schaden ausschlaggebend war, wird nachfolgend auf die bauchemischen Untersuchungen aus- Abb. 4: Überarbeitete Risse im WU-Beton der Keller­ außenwand. Die Überarbeitung war erfolglos. 16 führlich eingegangen, denn deren Ergebnisse ermöglichten eindeutig die Aufklärung des Sachverhalts. Feststellungen, Probenahme Während des Ortstermins wurden Bohrkerne an vier Stellen entnommen. Drei Bohrkerne wurden aus der Bodenplatte entnommen, der vierte aus der Kelleraußenwand. Zusätzlich wurde aus dem im Kellerboden befindlichen Hebepumpenschacht eine Betonprobe entnommen. Die nördliche Kelleraußenwand war durch einen überarbeiteten Riss gekennzeichnet. Die Rissweite betrug ca. 1 cm. Der Betonboden war ungerissen, stellenweise jedoch in einem mürben Zustand. Durch die verflieste Zwischenwand führte ein markanter Riss mit einer Rissweite von 9 mm. Der Mauerwerksdurchriss setzte sich an der Betonkellerdecke fort (Abb. 1) und hatte bereits den Fliesenbelag im Boden des EG erfasst. Zwei der Bohrkerne wurden bis zu einer Tiefe entnommen, die die Weiße Wanne nicht durchstieß (Abb. 2 und 3). Bei der Entnahme des dritten Bohrkerns wurde die WU-Wanne bis zur Folie perforiert. In der Kelleraußenwand, in der der vierte Bohrkern entnommen worden war, durchzog ein markanter Riss mit einer Rissweite von ca. 1 cm den Stahlbeton bis zur Außenseite. Die Überarbeitung war bereits erneut gerissen (Abb. 4). Die Risse in der Kelleraußenwand setzten sich im darüber befindlichen Mauerwerk fort und reichten bis zur Dachtraufe. In der nachfolgenden Skizze (Abb. 5) sind die vorgefundenen Risse in der Nordfassade markiert. Die Südseite des Gebäudes war rissefrei. Exemplarisch zeigt Abb. 6 den Rissverlauf. Laboruntersuchungen Die visuelle Überprüfung der Bohrkerne ergab, dass in der Bodenplatte zwei Armierungslagen vorhanden waren. Die erste Armierungslage hatte eine Überdeckung zwischen 1,3 und 9,5 cm, die zweite Armierungslage zwischen 6,5 und 22 cm. Die Bodenplattendicke betrug zwischen 30 und 34 cm. Auffällig war, dass die groben Zuschläge entweder nicht voll- Abb. 6: Die Risse im Beton der Kelleraußenwand setzten sich im Mauerwerk fort. Die Gipsmarken waren erneut gerissen. Die Rissweiten betrugen bis zu 1 cm. Die Risse setzten sich treppenartig bis zur Dachtraufe fort. ständig in die Bindemittelmatrix eingebunden waren, d. h. an der Bohrkernschnittfläche befand sich zwischen dem groben Zuschlag und der Bindemittelmatrix ein feiner Spalt, oder die groben Zuschläge waren in feine, weiße Kristalle eingebettet. Exemplarisch zeigt dies Abb.7. Stellenweise durchzog die groben Zuschläge ein feiner Riss (Abb. 8). An dem Bohrkern, der die gesamte Bodenplattenstärke repräsentierte, ergab die Summe der Spalten zwischen den groben Zuschlägen und der Bindemittelmatrix, der Risse im Zuschlag und der feinen Kristalle um die groben Zuschläge herum eine Länge von 10 - 11 mm. Dieses Längenmaß entsprach, wie sich später noch zeigen wird, exakt dem Quellmaß der Bodenplatte. Die im Schacht entnommene Probe zerbröselte. Zwischen der Bindemittelmatrix und dem Grobzuschlag bestand kaum Kontakt. Auf der Oberfläche des Grobzuschlags zeigte sich ein weißer, mehliger Belag. Beim Brechen der Bohrkerne zeigte sich an den groben Zuschlägen eine weiße, kristalline Anreicherung (Belag), die sich zwischen Bindemittelmatrix und Zuschlag gebildet hatte (Abb. 9). Abb. 5: Skizze mit Rissmarkierung an der Nordseite des Einfamilienhauses und der anschließenden Garage Der Bausachverständige 5 · 2012 S A C H V E R S TÄ N D I G E N R E C H T Neues zur Werbung Bezeichnung als »Bausachverständiger« und »Vorspannwerbung« wettbewerbswidrig? Die Werbemöglichkeiten für Bausachverständige sind liberaler geworden – die werbliche Position der Sachverständigen wird insoweit durch aktuelle Gerichtsentscheidungen gestärkt. Der Autor gibt deshalb einen detaillierten Überblick über die neuere Rechtsprechung zur Werbung der Bausachverständigen und setzt sich auch mit der hierzu erschienenen Literatur kritisch auseinander. Anhand von zahlreichen Beispielen wird dabei aufgezeigt, was erlaubt und was bedenklich ist. Die »Berufs-Abmahner« im Bereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerbs (UWG) sind fleißig und haben schon immer auch die Sachverständigen ins Visier genommen.1 Die neuesten Fragestellungen lauten: Darf sich ein Bausachverständiger in der Werbung auch so bezeichnen? Darf ein Sachverständiger auf eine erloschene öffentliche Bestellung hinweisen? Darf in der Werbung für eine berufliche Tätigkeit als Architekt oder Ingenieur gleichzeitig auch auf eine Sachverständigentätigkeit im Baubereich hingewiesen werden? Und was versteht man unter sachlicher Informationswerbung? Der nachstehende Beitrag befasst sich mit der dazu ergangenen Rechtsprechung und der entsprechenden kritischen Auseinandersetzung in der Literatur. 1. Hinweise auf frühere Qualifikationen In der Selbstdarstellung und Werbung von Berufsangehörigen findet man immer wieder Bezugnahmen auf frühere berufliche Tätigkeiten. Beispielhaft sei auf Bezeichnungen wie Notar a. D., Professor emeritiert, Staatssekretär a. D. hingewiesen. Solche Bezeichnungen finden sich auch bei Sachverständigen, deren öffentliche Bestellung und Vereidigung aus verschiedenen Gründen erloschen ist. Insbesondere wenn die Sachverständigen nach Erlöschen ihrer Bestellung wegen Erreichens ihrer Altersgrenze weiterhin gutachterlich tätig bleiben wollen, geben sie gerne der Öffentlichkeit kund, dass sie früher einmal öffentlich bestellt waren. Sie meinen damit potenziellen Auftraggebern suggerieren zu können, dass sie immer noch eine besondere Sachkunde auf dem Niveau der öffentlichen Bestellung besitzen. 1 Vgl. die ausführlichen Darstellungen von Bleutge in »Der Bausachverständige« 6/2008, 54 und 1/2009, 62. 50 Die öffentliche Bestellung von Sachverständigen kann auf unterschiedliche Art und Weise erlöschen: durch Verzicht, Erreichen der Altersgrenze, Ablauf der Bestellungsfrist und Widerruf der Bestellung. Man findet dann auf ihren Briefbögen, ihren Visitenkarten und in den Gelben Seiten folgende Eintragungen: Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger a.D., ehemals öffentlich bestellt, öffentlich bestellt und vereidigt emeritiert, bis zum Jahre 2005 öffentlich bestellt, vom 01.07.1990–31.05.2009 öffentlich bestellt, Seniormitglied eines Verbandes von öffentlich bestellten Sachverständigen, vereidigter Sachverständiger (Begründung: ein einmal geleisteter Eid könne nicht erlöschen). Diese Bezeichnungen sind nach älterer Rechtsprechung rechtlich bedenklich und können mit den Möglichkeiten des UWG unterbunden werden.2 Einschlägige Gerichtsentscheidungen belegen dies. Zur Begründung wird von den Gerichten darauf hingewiesen, dass durch die Bezugnahme auf die früher einmal vorhanden gewesene Sachkunde in der Öffentlichkeit der irrige Eindruck erweckt werde, dass diese auch noch heute vorhanden sei und entsprechend überwacht werde. Im Übrigen werde der Eid durch Erlöschen der öffentlichen Bestellung obsolet und dürfe daher in diesem Fall nicht mehr als Bezeichnung verwendet werden.3 Es gibt jedoch auch Gerichte, die eine Bezugnahme auf frühere Bestellungen in der Werbung für rechtlich bedenkenfrei 2 Vgl. dazu Ottofülling, Werbemöglichkeiten nach der Zeit als öffentlich bestellter Sachverständiger, DS 2011, 50. 3 Vgl. in diesem Zusammenhang VG Oldenburg, 26.04.1978, GewA 79, 92; LG Frankfurt/M, 11.06.1997, GewA 97, 416; OLG Dresden, 4.9.1996, WRP 96, 1168. Der Autor Rechtsanwalt Dr. Peter Bleutge, Wachtberg halten. So hat beispielsweise das LG Frankfurt4 die Angabe eines Sachverständigen »1974–1992 von der Handelskammer Frankfurt als Sachverständiger für Abdichtung, Isolierung, Schwamm- und Wasserschäden öffentlich bestellt und vereidigt« als nicht wettbewerbswidrig angesehen. Mit dieser – wahrheitsgemäßen – Aussage erwecke der Sachverständige nicht den Eindruck, weiterhin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zu sein. Eine solche zutreffende Angabe sei als solche nicht irreführend. Mithin dürfte auch die Bezeichnung »öffentlich bestellt bis 2005, danach Erlöschen der Bestellung wegen Erreichens der Altersgrenze« zulässig sein. Allerdings hat das LG Bonn5 im letzten Jahr die Auffassung vertreten, dass die Werbung mit einer ehemaligen Bestellung (»bis zum 31.12.2009 öffentlich bestellt«) irreführend sei, weil damit der Fortbestand einer tatsächlich nicht mehr vorhandenen Qualifikation suggeriert werde. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Sachverständiger, dessen öffentliche Bestellung am 01.01.2010 wegen Erreichens der Altersgrenze erloschen ist, wirbt danach wie folgt: »bis 31.12.2009 ö.b.u.v. Sachverständiger für Schäden an Gebäuden bei der IHK Bonn«. Auf die Klage eines Wettbewerbsverbandes, die siebeneinhalb Monaten nach Erlöschen der Bestellung anhängig gemacht wurde, verurteilt ihn das LG Bonn wegen Irreführung zur Unterlassung. Seine Berufung gegen dieses Urteil begründet der Sachverständige damit, dass es sich hier lediglich um einen Hinweis an potenzielle Auftraggeber handele, um diese zu informieren, dass er diese Qualifikation nicht mehr in Anspruch nehme (sog. Negativwerbung). Mit Ausnahme der 4 LG Frankfurt/M, 30.01.2004, WRP 2004, 1198 = IfS-Informationen 5/2004, 15. 5 LG Bonn, 30.9.2011, 16 O 104/10, juris § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Der Bausachverständige 5 · 2012 S A C H V E R S TÄ N D I G E N R E C H T ebenfalls angegriffenen Abmahnkostenpauschale hatte seine Berufung Erfolg. Nach Auffassung des OLG Köln6 generiert der Hinweis auf die ehemalige öffentliche Bestellung keine Irreführung, weil der Sachverständige in so kurzer Zeit (siebeneinhalb Monate nach Erlöschen) seine besondere fachliche Kompetenz nicht verlieren kann; daher besitze er immer noch die Qualifikation eines öffentlich bestellten Sachverständigen. Allerdings sei der Hinweis grundsätzlich als positive Werbung für seine besondere Sachkunde anzusehen, weil er sich damit nach wie vor von seinen nicht bestellten Wettbewerbern abheben wolle. Für eine Irreführung sei es jedoch nicht ausreichend, dass der Sachverständige nach dem Erlöschen nicht mehr von einer Kammer überwacht wird. Das Verbot des späteren Gebrauchs der öffentlichen Bestellung in der Sachverständigenordnung und den Richtlinien der Kammer beruhe auf wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten; ein wettbewerbswidriges Verhalten sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich: die Interessen der Marktteilnehmer werden nicht spürbar beeinträchtigt. Ein Verstoß gegen § 132a Abs. 1 Nr. 3 StGB (unzulässige Titelführung) liege ebenfalls nicht vor. Die Entscheidung ist im Ergebnis zu begrüßen, kann aber in der Begründung nur teilweise überzeugen. Das Gericht nimmt grundsätzlich eine Irreführung an, weil die Bezugnahme auf die frühere Bestellung nicht die Funktion einer Negativmitteilung habe, sondern vielmehr den Eindruck erwecke, der Sachverständige verfüge immer noch über die hervorragende fachliche Kompetenz eines öffentlich bestellten Sachverständigen; zumindest hebe er sich damit aus dem Kreis der Konkurrenten der nicht bestellten Sachverständigen heraus. Dass die angesprochenen Verkehrskreise einen solchen irre- führenden Eindruck erhalten, wird behauptet, aber nicht durch Umfrage belegt. Zudem kommt die Rechtsprechung in arge Verlegenheit, wenn sie bestimmen soll, nach welcher Zeit diese Qualifikation, die im vorliegenden Fall vom Gericht gerade noch als vorhanden angesehen wird, nicht mehr vorliegen soll. Vorherrschend dürfte in der Praxis die Bezugnahme auf die frühere Bestellung als Hinweis der derzeitigen Nichtbestellung verstanden werden, sodass ein überwiegend negativer Eindruck entsteht, weil bei einer solchen Sachlage potenzielle Nachfrager an dem Vorhandensein der Qualifikation zweifeln und sich fragen, weshalb der Sachverständige nicht mehr öffentlich bestellt ist. Mithin schießt der Sachverständige mit dieser Negativwerbung ein Eigentor; potenzielle Auftraggeber wenden sich eher an noch öffentliche bestellte Sachverständige Ein Erlöschen der Bestellung aus Altersgründen wird es künftig nicht mehr geben, weil die Altersgrenze in den Sachverständigenordnungen der Kammern vom Bundesverwaltungsgericht7 für rechtswidrig erklärt wurde. Die Problematik des werblichen Hinweises auf Altbestellungen kann aber nach wie vor für solche Fälle relevant werden, in denen der Sachverständige seine Bestellung freiwillig zurückgibt, die Bestellung von der Bestellungskörperschaft erfolgreich widerrufen wird oder die fünfjährige Befristung abgelaufen ist und eine Verlängerung der Bestellung abgelehnt oder nicht beantragt wird. Also bleibt das Thema der werblichen Herausstellung einer Altbestellung nach wie vor aktuell. Unter praktischen Gesichtspunkten (Wie komme ich mit dieser Werbung beim potenziellen Auftraggeber an?) kann man nur davon abraten, auf frühere Anerkennungen und Qualifikationen hinzuweisen, weil der unbefangene und verständige Durchschnittsbetrachter schnell zu der Auffassung gelangen wird, dass aktuell das frühere Wissen des so Werbenden Sachverständige nicht mehr vorhanden ist, weil in der Vergangenheit dokumentiertes oder zertifiziertes Wissen nicht unbedingt eine Gewähr dafür ist, dass die besondere Sachkunde und persönliche Eignung auch in der Gegenwart noch vorhanden sind. Er wird sich in einem solchen Fall lieber nach einem in der Gegenwart noch öffentlich bestellten Sachverständigen umschauen. Der Sach- 6 OLG Köln, Urteil vom 01.06.2012 – 6 U 218/11, IBR 2012, 486 = juris § 5 UWG. 7 BVerwG, 01.02.2012, NJW 2012, 1018 = GewA 2012, 203 m. Anm.v. Bleutge. Leitsätze des OLG Köln 1. Nach Erlöschen der öffentlichen IHK-Bestellung kann der Sachverständige im geschäftlichen Verkehr mit dem Hinweis »bis 31.12.2009 öffentlich bestellt« werben, wenn das Erlöschen zeitlich erst siebeneinhalb Monate zurückliegt. 2. Auch eine objektiv richtige Werbung kann irreführend sein, wenn ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise damit eine unrichtige Vorstellung verbindet. 5 · 2012 Der Bausachverständige verständige schadet sich also eher als dass es ihm Vorteile bringt, wenn er in der Werbung nicht mehr vorhandene Qualifikationen herausstellt. 2. Verbot der Vorspann­ werbung/Trennungsgebot Viele Sachverständige üben die Sachverständigentätigkeit nicht hauptberuflich aus, sondern haben einen anderen Hauptberuf wie beispielsweise Handwerksmeister, Architekt, Ingenieur, Bauunternehmer oder Makler. Sie erstatten also Gutachten nebenberuflich, als Anhang zur ihrer hauptberuflichen Werk- oder Dienstleistung. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Berufsgruppen auf ihren Briefbögen, in ihrer Homepage und in der Werbung für ihren Hauptberuf da­ rauf hinweisen dürfen, dass sie im Nebenberuf auch Sachverständige für Bauschäden, Immobilienbewertung oder Mieten und Pachten sind. Es stellt sich die weitere Frage, ob ein öffentlich bestellter Sachverständiger auf ein und demselben Briefbogen auf eine weitere Gutachtentätigkeit hinweisen darf, für die er gerade nicht öffentlich bestellt ist. Und schließlich stellt sich die Frage, ob ein Sachverständiger, der für einen Teilbereich seines Sachgebiets für eine hoheitliche Prüftätigkeit amtlich anerkannt ist, beide Tätigkeiten auf einem Briefbogen oder in einer Werbeanzeige zusammen angeben darf. Die Handwerkskammern haben in ihren Sachverständigenordnungen ein striktes Verbot für öffentlich bestellte Sachverständige normiert, im geschäftlichen Verkehr ihres Handwerks und in der entsprechenden Werbung gleichzeitig auf ihre Gutachtertätigkeit hinzuweisen; sie müssen vielmehr zwei getrennte Briefbögen, zwei Büros, zwei Visitenkarten usw. haben. Die Industrie- und Handelskammern haben dieses Verbot schon vor langer Zeit aus ihren SachverständigenOrdnungen ersatzlos gestrichen, was jedoch leider nicht zur Folge hatte hat, dass eine solche sog. Vorspannwerbung auch von den Gerichten für zulässig angesehen wurde. Die Rechtslage ist vielmehr so, dass auch in diesem Bereich das UWG anzuwenden ist. Die Sachverständigenordnung einer Kammer kann das UWG und seine Auslegung durch die Gerichte nicht negativ beeinflussen, indem sie etwas nicht regelt, sondern nur in der Weise, dass den Sachverständigen ausdrücklich ein Werbeverbot ausgesprochen wird. 51