Doppelblindstudie Mikronährstoffe bei Tinnitus zum

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Dr. med. Albrecht Moslehner und Dr. med. Ulrich Bergmann
Mikronährstoffe bei Tinnitus
Doppelblindstudie mit neuem, spezifisch abgestimmtem
Nährstoffkonzept erfolgreich abgeschlossen
3,9 % der deutschen Bevölkerung leiden an Tinnitus, das sind mehr als drei Millionen Menschen. Davon sind rund 1,5 Millionen Menschen mittelschwer bis schwer betroffen, sie stehen unter einem hohen Leidensdruck, besonders beim Einschlafen können sich die Geräusche in ihrem Ohr sehr störend auswirken. Eine Standardtherapie
bei Tinnitus gibt es nicht. Nach der Leitlinie „Tinnitus“ [29] der Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wird jeder akute
Tinnitus mit oder ohne Hörsturz als Hörsturzäquivalent angesehen. Die Behandlung
des Hörsturzes entspricht somit der des akuten Tinnitus. Diese sieht in der Akutphase des Tinnitus gefäßerweiternde und rheologische Mittel vor, ergänzt durch eine systemische Glukokortikoidtherapie. Diesem Therapieschema liegt jedoch eine schwache Evidenz zugrunde. Die Behandlungsergebnisse sind in vielen Fällen nicht befriedigend, es entstehen hohe Kosten, und Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen.
Die Ergebnisse einer neuen Studie, in der die Wirkung eines speziell abgestimmten
Mikronährstoffkonzeptes untersucht wurde, zeigen einen signifikanten Einfluss auf
den Tinnitus.
Tinnitus aus Sicht der
Orthomolekularmedizin
Die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Tinnitusgenese weisen auf ein multifaktorielles Geschehen hin. Es wird vermutet, dass der akute und subakute Tinnitus
durch eine gestörte Mikrozirkulation im Innenohr und eine damit verbundene degenerative Veränderungen an den Haarzellen der
Hörschnecke verursacht wird [17].
Bei Tinnitus-Patienten konnte
als Folge des oxidativen und
nitrosativen Stress eine erhöhte
Konzentration an freien Radikalen
auftreten.
Dadurch können Zellstrukturen an den Haarzellen und den Endothelzellen in der Cochlea
zerstört werden. Durch Zufuhr von exogenen
Antioxidantien, Vitaminen und Spurenelementen ist der Organismus in der Lage, diese
stressbezogenen freien Radikale abzufangen
und damit unschädlich zu machen [2]. L-Arginin beispielsweise ist als Aktivator des vaskulären NO-Systems bei vielen Stoffwechselreaktionen beteiligt und führt somit zur Steigerung der cochlearen Durchblutung [27]. Es
ist weiterhin nachgewiesen, dass Patienten mit
Tinnitus und Hörsturz einen erhöhten Bedarf
an so genannten Mikronährstoffen und Antioxidantien haben [6, 10].
Aus dieser Erkenntnis ergibt sich als neuer Ansatz zur Behandlung von Tinnitus die Gabe von
speziell abgestimmten Mikronährstoffen. Ei-
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ne aktuell abgeschlossene monozentrische,
prospektive, randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudie hat die Wirkung einer solchen gezielten Nährstoffkombination untersucht – die Ergebnisse zeigen einen positiven Einfluss auf die Tinnitus-beschwerden.
Stadieneinteilung
des Tinnitus
Die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie unterscheidet
beim zeitlichen Verlauf des Tinnitus zwei Stadien (akut: <3 Monate; chronisch >3 Monate). Zur genaueren Differenzierung des Behandlungsverlaufes wurde in der beschriebenen Studie eine zusätzliche Kategorie, das
subakute Stadium, aufgenommen und wie
folgt unterteilt:
Akut (<3 Monate)
Subakut (3-12 Monate)
Chronisch (>1 Jahr)
Durchführung der Studie
Ziel
Zielsetzung der Studie war der Nachweis der
Wirksamkeit eines diätetischen Lebensmittels
(Sonosan®), das speziell zur Behandlung von
Funktionsstörungen des Innenohres (insbesondere bei Hörsturz und Tinnitus) entwickelt
wurde, bei der Behandlung von subakutem
subjektivem Tinnitus.
Prüfpräparat
Das Präparat besteht aus zwei Komponenten
(Kapseln und Tabletten) und wird täglich mit
jeweils zweimal zwei Kapseln bzw. Tabletten
eingenommen.
Die zwei Kapseln enthalten als Hauptbestandteil L-Arginin HCL (insgesamt 1500 mg)
und daneben Coenzym Q10 (10 mg). Es ist
nachgewiesen, dass L-Arginin das vaskuläre
NO-System aktiviert. Es ist an vielen Stoffwechselreaktionen beteiligt [18, 28]. Eine Besserung von Tinnitusbeschwerden nach Einnahme L-Arginin-haltiger Präparate wurde beobachtet [15]. Coenzym Q10 wiederum wirkt
als mitochondriales Antioxidans und unterstützt dadurch den Abbau von oxidativem
Stress [13].
Die Tabletten bestehen insbesondere aus einer Reihe mikrobiologischer und antioxidativer Phytonährstoffe (sog. Cytrilan-Komplex),
welche die Durchblutung der Cochlea fördern.
Im Einzelnen sind die zwei Tabletten folgendermaßen zusammengesetzt:
• 300 mg Cytrilan-Komplex (natürlicher Citrusund Palmfruchtextrakt, enthält 9 mg Tocotrienole und 87 mg Flavone)
• 100 mg Schisandra-Extrakt
• 60 mg Magnesium
• 48 mg Niacin
• 6 mg Vitamin E
• 4,2 mg Vitamin B2
• 4,2 mg Vitamin B6
• 3,3 mg Vitamin B1
• 600 µg Folsäure
Dr. med.
Ulrich Bergmann
ist Facharzt für Chirurgie und
Visceralchirurgie. Er arbeitete
36 Jahre in einer großen chirurgischen Abteilung und war
in dieser Zeit Mitglied einer übergreifenden
Arzneimittelkommission. Als Honorar- und
Vertretungsarzt ist er jetzt noch klinisch tätig. Neben Vorträgen und Veröffentlichungen
führt er als ärztlicher Leiter einer Medizinischen Studienberatung seit 1994 klinische
Studien vor allem auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel durch.
Kontakt:
Neisseweg 12, D-85521 Ottobrunn
[email protected]
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Thema
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•
•
•
300 µg Vitamin A
10 µg Vitamin D3
7,5 µg Vitamin B12
5 mg Zink
Flavonoide, Tocotrienole und Flavone sind sekundäre Pflanzenstoffe mit
einer stark antioxidativen Wirkung. Es ist erwiesen, dass gezielte Nährstoffe mit Antioxidantien zu einer Verbesserung der Tinnitusbeschwerden führen [12, 23, 25, 27]. Bioflavonoide aus Citrus und Palmölfruchtkonzentrat haben in Studien einen positiven Einfluss auf das Gefäßendothel gezeigt [5, 16, 21]. Magnesium reguliert die Zellmembranpermeabilität und steuert auch die Reizleitung [9, 24]. B-Vitamine
und Folsäure bauen den bei Tinnituspatienten meist erhöhten Homocysteinspiegel ab und schützen somit das Gefäßendothel [4]. Zink hat
als Spurenelement eine hohe antioxidative Schutzfunktion [7, 19, 22,
26].
Probanden
Insgesamt wurden 64 ambulante Probanden mit subakutem subjektivem Tinnitus in die Studie aufgenommen. Vier brachen die Studie ab
(= 6,2 % drop out), sodass die Daten von 60 Probanden zur Auswertung kamen, darunter 21 Frauen (31 %) und 39 Männer (69 %).
Der Altersdurchschnitt lag bei 52 Jahren, die jüngste Person war
48 Jahre alt, die älteste 68 Jahre.
Die Dauer des Tinnitus betrug bei Studienaufnahme zwischen einem
und zwölf Monaten bei einer mittleren Dauer von sieben Monaten. Eine
Vorbehandlung des Tinnitus war bei 19 Probanden (32 %) durchgeführt
worden.
handlung wurde der international anerkannte Tinnitus-Fragebogen TQ12
nach Hiller und Goebel eingesetzt [8, 11], mit Hilfe dessen Emotion,
Kognition, Anspannung, psychosoziale Belastung, Schlafstörung und
Konzentrationsstörung gemessen werden. Zur Selbsteinschätzung der
eigenen Tinnitusbelastung wurde den Probanden eine tinnitusspezifische visuelle Analogskala vorgelegt [14]. Die Daten wurden zu Studienanfang sowie nach sechs und nach zwölf Wochen erhoben.
Auswertung
Belastung durch den Tinnitus
Wie die Auswertung der TQ12-Fragebögen zeigte, war nach der zwölfwöchigen Einnahme des Placebos der Gesamtscore von 14,8 auf 13,8
gesunken. Dies entspricht einer Abnahme um 7 %. Unter dem Wirkstoffpräparat verbesserte sich der Summenscore von 11,5 auf 8,9; er
sank also deutlich stärker, nämlich um 23 %.
Anhand der visuellen Analogskalen wurde festgestellt, dass die psychoakustische Empfindung der Tinnituslautstärke unter Verum um
20 % und unter Placebo um 12 % zurückgegangen war. Eine Verringerung der Belästigung durch die Ohrgeräusche wurde nach zwölfwöchiger Beobachtung in der Verumgruppe mit 28 % und in der Placebogruppe mit 10 % angegeben.
Bei insgesamt 53,8 % der Probanden, die das Wirkstoffpräparat erhielten, wurde vom untersuchenden Arzt des Prüfzentrums das Urteil
„gebessert“ oder „etwas gebessert“ abgegeben, für die Probanden,
die das Placebo einnahmen, war dies bei 33,4 % der Fall (Abb. 1).
53,8 % der Probanden aus der Verum-Gruppe empfanden ihre Tinni-
Um eine eventuelle arteriosklerotische Genese des Tinnitus zu erkennen, wurde bei Studienbeginn mittels einer Gefäßdoppler-Sonographie
die Gefäß-Intima-Dicke (QIMT) der Halsgefäße bestimmt. Auch konnte
damit ein „objektiver“ Tinnitus durch eine Gefäßstenose ausgeschlossen werden [1, 20]
39 Probanden erhielten das Verum-Präparat (12 weiblich, 27 männlich),
21 Probanden ein Placebo (9 weiblich, 12 männlich). Die Studienteilnehmer nahmen zwölf Wochen lang täglich zwei Tabletten und zwei Kapseln des Prüfpräparats oder des Placebos zu einer Mahlzeit ein.
Schweregradklassifikation
Um den bestehenden Leidensdruck durch den Tinnitus zu definieren,
wurde die orientierende Schweregradeinteilung des Tinnitus nach Biesinger verwendet [3]:
• Grad I: Tinnitus ist gut kompensiert. Es besteht kein Leidensdruck.
Patient registriert die Ohrgeräusche und kann damit umgehen.
• Grad II: Tinnitus tritt hauptsächlich in der Stille in Erscheinung und
wirkt störend bei Stress und bestimmten Belastungen. Patient kann
aber im Allgemeinen damit umgehen.
• Grad III: Tinnitus führt zu dauerhafter Beeinträchtigung im privaten
und beruflichen Bereich. Sekundärsymptomatik mit hohem Leidensdruck.
• Grad IV: Tinnitus führt zur völligen Dekompensation im privaten und
beruflichen Bereich. Es besteht Berufsunfähigkeit.
Abb. 1: Arzturteil nach zwölfwöchiger Einnahme des Prüfpräparats
Nach dieser Klassifikation hatten in der Verumgruppe 23 % der Probanden Grad I und 77 % Grad II. In der Placebogruppe waren es 5 %
mit Grad I und 95 % mit Grad II.
Beurteilung der Tinnitusbelastung
Zur Erfassung des multidimensionalen Charakters der Tinnitusbelastung und zur Feststellung der Veränderungssensitivität unter der Be-
2
Abb. 2: Probandenurteil nach zwölfwöchiger Einnahme des Prüfpräparats
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Thema
Dr. med.
Albrecht Moslehner
ist Internist, Systemtherapeut
(Schulmedizin, Naturheilkunde,
Energie-Medizin) und Ärztlicher
Leiter des Gesundheitszentrums MED-VITAL in Going
(Österreich).
Kontakt:
Gesundheitszentrum MED-VITAL
Marchstrasse 3
A-6353 Going am Wilden Kaiser
Tel.: 0043 / (0)5358 / 43255
tusbeschwerden selbst nach zwölf Wochen insgesamt als „gebessert“ oder „etwas gebessert“, unter Placebo-Einnahme gaben nur 38,1
% der Probanden diese Beurteilungen an (Abb.
2).
Verträglichkeit
Das Studienpräparat wurde von 95 % der Verum-Probanden als „sehr gut“ und von 5 % als
„gut“ verträglich bezeichnet. Von diesen 39 Probanden wurden als Nebenwirkungen jeweils einmal ein leichtes Magendrücken und eine leichte Übelkeit mit Völlegefühl angegeben. Von den
21 Probanden, die das Placebo einnahmen, be-
richteten zwei über einen leichten Durchfall als
Folgeerscheinung.
Zusammenfassend können folgende Aussagen zur Beeinflussung des subakuten
und akuten Tinnitus unter spezifischer
Mikronährstoffgabe getroffen werden:
• Die Tinnitusbelastung nach TQ12 konnte für
die Probanden unter Einnahme des Wirkstoffpräparates statistisch signifikant (p =
0,04633) verringert werden.
• Die tinnitusspezifischen Beeinträchtigungen
zeigten unter Verum-Einnahme im Gegensatz
zum Placebo jeweils eine deutliche Verringerung.
• Sowohl der untersuchende Arzt als auch die
Probanden beurteilten den Therapieerfolg
unter Verum-Einnahme erheblich besser als
unter Placebo.
• Von den Probanden wurde unter längerer Verum-Einnahme eine noch bessere Wirkung angegeben. Die Verträglichkeit des Präparates war nach wie vor sehr gut. Es gab keine nennenswerten Nebenwirkungen.
ten Tinnitus besteht nach den Therapie-Leitlinien der HNO-Fachgesellschaften aus rheologischen und durchblutungsfördernden Mitteln
oder / und aus Cortison. Die Behandlungsergebnisse sind bei hohen Kosten und möglichen
Nebenwirkung zumeist nicht befriedigend. Weitere Therapieansätze halten einer evidenzbasierten Analyse bisher nicht stand.
Ein neuartiges Nährstoffkonzept mit L-Arginin,
als nachgewiesenem Aktivator des vaskulären
NO-Systems, und mit weiteren Mikronährstoffen zur Stärkung des antioxidativen Schutzsystemes und der Verbesserung der endothelialen Dysfunktion hat einen positiven Effekt
auf die Störungen im Innenohr. Dies konnte nun
eine klinische placebokontrollierte Studie anhand einer deutlichen Verbesserung der spezifischen Beschwerden bei akutem und subakutem Tinnitus nachweisen. Ob dieses Mikronährstoffkonzept auch zukünftig eine Symptomenverbesserung bei chronischem Tinnitus
erreichen kann, sollte als Evidenzkontrolle in
weiteren kontrollierten klinischen Studien erfolgen.
Diskussion und Fazit
Der Tinnitus führt meist zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität. Die medikamentöse Behandlung des akuten und subaku-
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