Bewegung unter dem Eis - Antarktis Lokation: Prince Charles Mountains am Rofe-Gletscher, Lambertgraben, Prydz Bay (zwischen ca. 70° und 75°S und 70° E), Antarktis 1 - Die hellen Gesteinsrippen sind Pegmatitgänge, die im noch warmen Zustand mit dem gesamten Gesteinskomplex bewegt und dabei nach links (Osten) versetzt wurden. In den Graniten enthaltene Minerale konnten auf ein Alter von ca. 500 Millionen Jahre datiert werden. Damit geben sie auch das Alter der Überschiebung an (Foto: A. Läufer) Geologische Stichworte: Apatit, Gondwana, Graben, Kreide, Ozeanbodenspreizung, Pegmatit, Präkambrium, Rift, Rodinia, Südkontinente, Thermochronologie, Spaltspuren, Sutur, Zirkon Internet: www.bgr.de (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Polarforschung/Antarktis) ... Mill. Jahre 1000 Literatur: Kleinschmidt, G. (2001) Die plattentektonische Rolle der Antarktis. Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München (Reihe „Themen”, Bd. 73) Läufer, A.L. and Phillips, G. (2007) Brittle deformation events in the Lambert Glacier region (East Antarctica): insights into the tectonic control on the formation and evolution of the Lambert Graben. Terra Antarctica - in press Lisker, F., Gibson, H., Wilcon, C.J. and Läufer, A.L. (2007) Denudation and uplift of the Mawson Escarpment (Eastern Lambert Graben, Antarctica) as indicated by Apatite fission track data and geomorphological observation. In: A.K. Cooper and C.R. Raymond: Antarctica - Keystone in a Changing World. Online Proc. ISAES X; USGS OFR-2007, 900 800 700 600 ... 500 ... 400 300 Ein Kontinent im Übergang An mehreren Stellen in der Antarktis gibt es Anzeichen dafür, dass diese Landmasse aufbricht. Eine dieser Stellen ist der Lambertgraben in der Ostantarktis. Untersuchungen in den vergangenen fünfzig Jahren haben ergeben, dass er 700 km weit ins Innere des antarktischen Kontinents hineinreicht und schon seit vielen Millionen Jahren existiert. In den Gesteinen, die den Lambertgraben begrenzen, sind solche Bewegungen konserviert und rekonstruierbar (Monatsbild und Bild 2). Im Lambertgraben gehen diese Bewegungen bis in eine Zeit zurück, in der alle heutigen Südkontinente zu dem Superkontinent Gondwana vereinigt waren. Vor etwa 130 Millionen Jahren öffnete sich zwischen den (heutigen) Indischen und Antarktischen Krustenblöcken ein Ozean, der den Gondwana-Kontinent an dieser Sutur auseinanderschob. Im Zuge dieser Ozeanbodenspreizung kam es in den benachbarten Kontinentkrusten zu tief reichenden Brüchen, z.B. im Gebiet des heutigen Lambertgrabens. Heute ist der Graben mit 5 bis 10 km mächtigen Sedimenten gefüllt. Die kontinentale Kruste ist an dieser Stelle von normalerweise ca. 35 bis 40 km auf nur 25 km ausgedünnt (zur Entstehung eines solchen Grabens vgl. Der Geologische Kalender 2003, September). FS a N 2 - Die großen Feldspatkristalle (FS) in der Internzone der Überschiebung verdeutlichen, dass hier während der Bewegung bis zu 500°C hohe Temperaturen geherrscht haben müssen. An ihren oberen linken und unteren rechten Ecken sind sie ausgelängt worden, so dass sich „Schwänzchen” gebildet haben. Die Richtung dieser Auslängungen gibt die Bewegungsrichtung an - der obere Gesteinskomplex wurde nach links (Osten) geschoben (Foto: A. Läufer) 3 - Die Topographie des ca. 1000 km langen Lambertgrabens nach der Eis-Radar-Erkundung. Im Südteil befindet sich die Grabensohle ca. 900 m unter dem Meeresspiegel. Im Norden, wo sich der Mellor-Gletscher mit dem Lambert-Gletscher vereinigt, befindet sich die Grabensohle bis zu 2400 m unterhalb des Meeresspiegels. Die Überhöhung der Abbildung ist 1:10, die N-S-Ausdehnung entspricht 500 km, die E-W-Ausdehnung ca. 270 km (Quelle: V. Damm) Das Modell der Subeistopographie in Bild 3 basiert auf Eisdickenmessungen von Bord einer DHC-6 (Twin Otter) entlang von ca. 35.000 km Fluglinien mit mehr als 1,5 Millionen Messpunkten. Während der Expedition PCMEGA waren die beiden Dipole der Sende- bzw. Empfangsantenne unterhalb der Tragflächen des Flugzeugs montiert, während die Messelektronik zusammen mit weiteren Geräten zur geophysikalischen Messwertaufnahme (Magnetik, Gravimetrie) innerhalb des Flugzeugs installiert waren. Vielfältige Untersuchungsmethoden Die Sedimentfüllung des Lambertgrabens ist durch den Lambertgletscher bedeckt. Für die Untersuchungen unter dem Eis müssen daher besondere Methoden eingesetzt werden. Gute Ergebnisse liefert das Eis-Radar. Im Rahmen der PCMEGA-Expedition kam dazu ein in Kooperation zwischen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover (BGR) und der Technischen Universität Hamburg-Harburg entwickeltes Radarsystem mit einer Messfrequenz von 150 MHz zum Einsatz. Movements below the ice - Antarctica b 4 - Zirkonkristalle aus den Pegmatitgängen, die zu thermischchronologischen Bestimmungen verwendet werden: a - unter dem Mikroskop; b - in der Mikrosonde. In Gesteinen der Prince Charles Mountains ergaben sie ein Alter um 500 Millionen Jahre (Fotos: A. Läufer) Doch wie alt sind die Gesteine, die die Schultern des Lambert-grabens bilden? In den Prince Charles Mountains, die mehr als 500 km vom Kontinentrand Antarktikas entfernt an der westlichen Grabenschulter liegen, gibt es Belege dafür, dass sie mindestens 3 Milliarden Jahre alt sind. Sie bestehen im wesentlichen aus hoch metamorphen Gesteinen aus dem alten bis mittleren Präkambrium sowie niedrig metamorphen Gesteinsserien aus dem jüngeren Präkambrium. Durch die Riftbildung entlang des Lambertgrabens wurden sie an die Oberfläche gebracht. Polare Philatelie - 12 In der australen Saison 2002-2003 führte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover und die australische Antarctic Division in den Prince Charles Mountains in der Ostantarktis die Expedition PCMEGA durch. Der Brief wurde von Dr. Andreas Läufer (damals Universität Frankfurt am Main) auf der australischen Davis-Station aufgegeben (Quelle: D. Querndt) z Granitische Gesteine enthalten in geringen Mengen auch Apatit- und Zirkonkristalle. Diese Minerale eignen sich zur Datierung der Hebungsgeschichte von Gesteinen mit Hilfe der so genannten Spaltspurmethode. Solche Spaltspuren sind Defekte im Mineralgitter, die auf den radioaktiven Zerfall von Uran zurückgehen. Solange sich das Mineral im thermischen 200 ... 100 0 Gleichgewicht befindet, heilen derartige Defekte sofort wieder aus. Fällt allerdings die Temperatur unter einen bestimmten Wert, bleiben sie erhalten. Sie können dann zur Bestimmung des Zeitpunktes, als das Mineral diese bestimmte Temperatur unterschritten hat, verwendet werden. Dies ist z.B. bei der langsamen Hebung von Gesteinsmaterial der Fall. Nimmt die Temperatur ab, weil die Hebung zum Stillstand kommt, wird dieser Zeitpunkt in den Spaltspuren konserviert. Mit thermochronologischen Methoden können diese Spaltspuren datiert werden. Für Zirkon sind Schließungstemperaturen zwischen 200-200°C und für Apatit zwischen 60-120°C üblich. Die Differenz zwischen beiden Daten ergibt dann bei einer bekannten Tiefe die Hebungsgeschwindigkeit. Außerdem kann aus dem Alter der Spaltspurenschließung auf den Beginn der Öffnung des Lambertgrabens zurückgeschlossen werden. Rekonstruktion im größeren Zusammenhang Auch wenn die Prince Charles Mountains im Vergleich zur Größe der Antarktis nur ein relativ kleines Gebirge sind, sind die Untersuchungen zu ihrer Geschichte ein weiteres Teil im großen Puzzle der wandernden Kontinente. Zusammen mit Erkenntnissen aus anderen antarktischen Gebirgen, z.B. dem Dronning Maud Land, sowie Gesteinen in Südafrika und den anderen Südkontinenten kann die Konfiguration des alten Gondwana-Kontinents weiter entschlüsselt werden. Mit den sehr alten Gesteinen der Prince Charles Mountains ist es sogar möglich, bis in die Geschichte von Rodinia zurückzugehen. Dieser Superkontinent vereinte vor 1 Milliarde Jahren alle Landmassen der Erde. Spuren von Gesteinen aus dieser Zeit gibt es auf allen heutigen Kontinenten. Die Pegmatitgänge in den Prince Charles Mountains am Rofe-Gletscher ermöglichen es, nicht nur den Zeitraum der Zusammenfügung in diesem Teil von Gondwana auf etwa 500 Millionen Jahre festzulegen. Dieses Alter wurde auch in anderen Regionen Antarktikas (vgl. Der Geologische Kalender 2006, Dezember; Der Geologische Kalender 2008, Mai) und auf anderen Südkontinenten (vgl. Der Geologische Kalender 2003, August) ermittelt. In ihnen ist auch das Zerbrechen Gondwanas vor 130 Millionen Jahren konserviert. Damit bilden sie den Übergang von der Bildung Gondwanas bis zum Auseinanderbrechen ab. geoskript unter Mitwirkung von Dr. Andreas Läufer, Dr. Frank Lisker und Dr. Volkmar Damm Location: Prince Charles Mountains, southern rim of Rofe Glacier, Lambert Graben, Prydz Bay, East Antarctica (photograph by A. Läufer)