Was heißt eigentlich? Die Festlegung der R-Klassifikation (Residualtumor) ist in der Darstellung der Prognose von Tumoren der Parameter mit dem stärksten Einfluss. Zur Beurteilung der lokalen Radikalität der operativen Behandlung von Rektumkarzinomen werden die TME-Qualität und der CRM herangezogen. TME (totale mesorektale Exzision) Das Rektum liegt zu zwei Dritteln extraperitoneal und ist in diesem Bereich von einem Fettkörper umgeben. Dieser Fettkörper wird von den pelvinen Faszien umhüllt. Zwischen diesen Faszien liegt eine gefäßarme Schicht, in der die Präparation erfolgt. Die Entfernung des sog. mesorektalen Fettkörpers oder Mesorektums mit samt den darin enthaltenen lokoregionären Lymphknoten heißt „totale mesorektale Exzision“. Sie geht auf Heald (Lancet 1986) zurück. Die TME-Qualität hat einen entscheidenden Einfluss auf die Langzeitprognose des Rektumkarzinoms. TME-Grad In den neunziger Jahren hat sich in Großbritannien eine Studiengruppe (M.E.R.C.U.R.Y. = Magnetic Resonance Imaging and Rectal Cancer European Equivalence) zusammengefunden, welche sich mit der Qualität der mesorektalen Exzision beschäftigt. Demnach werden unterschieden: Grad 1 = good (Intaktes Mesorektum mit nur geringen Unregelmäßigkeiten der glatten Mesorektumoberfläche, kein Defekt größer als 5 mm, „mesorectal plane“) Grad 2 = moderate (Mäßige Menge von Mesorektum mit Unregelmäßigkeiten an der Mesorektumoberfläche. Muscularis propria nicht sichtbar, „intramesorectal plane“) Grad 3 = poor (Wenig Mesorektum mit Defekten bis zur Muscularis propria, „muscularis propria plane“) In einem zertifizierten Darmkrebszentrum müssen mindestens 70% der Resektate den TME-Grad 1 und 2 erfüllen! Bei Tumorentitäten mit enger Beziehung zu Weichteilen und wichtigen Organen wie bei dem Rektumkarzinom ist die Beachtung des zirkumferenziellen Sicherheitsabstandes genauso wichtig wie der an der Durchtrennungsebene der Rektumwand. Der Pathologe Quirke hat 1986 festgestellt, dass bei 27% von Rektumkarzinomresektaten der zirkumferenzielle Resektionsrand vom Tumor erreicht wird und 86% dieser Patienten ein Lokalrezidiv entwickeln. i n f o r m i e r t CRM (circumferential resection margin) Durch die hochauflösende Dünnschicht-MRT gelingt es, die Distanz des Tumors zur mesorektalen Faszie und damit zum potenziellen zirkumferenziellen Resektionsrand präoperativ mit großer Verlässlichkeit zu bestimmen. Damit können diejenigen Patienten identifiziert werden, bei denen trotz TME-Chirurgie ein hohes Risiko für lokoregionäre Rezdive besteht und bei denen daher eine neoadjuvante Therapie indiziert ist. In einem zertifizierten Darmkrebszentrum muss die Angabe des Abstandes des Tumors zur mesorektalen Faszie (CRM) mittels MRT oder hochauflösenden Dünnschicht-CT präoperativ ermittelt werden. Veranstaltungshinweis Stellenwert der „CME (Complete mesocolic excision)“ im interdisziplinären Konzept der Behandlung von Kolonkarzinomen Konferenzsaal im Verwaltungsgebäude, 2. OG., St. Martinus-Hospital, 57462 Olpe Mittwoch, 24. April ab 18 Uhr Dr. A. Perrakis, Chirurgische Universitätsklinik Erlangen (Prof. Hohenberger) © Katholische Hospitalgesellschaft Südwestfalen gGmbH Olpe Alle Rechte vorbehalten. Nutzung, Vervielfältigung, Weitergabe und Speicherung nur mit ausdrücklicher Genehmigung. 1 Laparoskopische abdomino-perineale Rektumexstirpation In Deutschland waren es Kocher, der 1874 erstmals eine Rektumexstirpation nach vorheriger Exzision des Steißbeins durchführte und Kraske (1886), der den dorsosakralen Zugang zum Rektum perfektionierte. Den eigentlichen Durchbruch erlebte die radikale Rektumchirurgie jedoch erst um 1908 mit dem britischen Chirurgen William Ernest Miles. Er kam zu der Erkenntnis, dass nur eine Resektion des gesamten Rektums sowie des Analkanals samt Sphinkteren und des Mesorektums zu einer Verringerung der Rezidivrate führen würde. Es ist seit Jahren bekannt, dass im Falle einer Rektumexstirpation im Vergleich zu einer anterioren Rektumresektion Lokalrezidivraten und Überleben schlechter sind. Ursächlich werden angesehen zum einen, die bei der Exstirpation häufiger auftretende Tumorperforation und zudem der sehr knappe zirkumferenzielle Sicherheitsabstand im Sphinkter/Beckenbodenbereich. Ein Weg dieses zu verbessern stellt die so genannte zylindrische Exzision durch den schwedischen Chirurgen T.Holm dar (2007). Die Indikation zur Rektumexstirpation ergibt sich aus den Leitlinien, dem Sitz und Stadium der Erkrankung und dem Patienten. Grundsätzlich kann eine Rektumexstirpation konventionell, d.h. mit Bauchschnitt oder mittels Laparoskopie erfolgen. Die laparoskopische Methode vermeidet das Zu- gangstrauma und die große Narbe. Der Patient erholt sich schneller und die Versorgung des dauerhaften Anus praeter ist einfacher. Verwachsungen und Narbenhernien sind seltener. Bereits 3/94 führten wir bei einer Patientin im Stadium pT3, N1, M0 eine laparoskopische Rektumexstirpation durch. Die Patientin ist seit dieser Zeit tumor- und rezidivfrei. Blick in das leere Becken Rektumresektat von ventral Rektumresektat von dorsal Für Sie gelesen Johnston, C. et al. (2013) The Management of Patients with T1 Adenocarcinoma of the Low Rectum: A Decision Analysis. Dis Colon Rectum; 56: 400-407 In letzten beiden Jahrzehnten haben sich bei fortgeschrittenen Rektumkarzinomen die Prognose durch präoperative Chemotherapie und TME-Chirurgie verbessern lassen. Unsicher ist, wie man sich bei den T1 Karzinomen im unteren Rektumdrittel verhalten soll. Obwohl diese Gruppe die beste Prognose aufweist, ist häufig die Anlage eines dauerhaften Kolostomas erforderlich. In der Behandlung konkurrieren die transanale Exzision und die abdomino-perineale Rektumexstirpation. Bei der Entscheidungsfindung ist zu beachten, dass etwa 18 % der Erkrankten mit einem T1 Karzinom bei Diagnosestellung bereits Lymphknotenmetastasen haben. Die Autoren haben mit Hilfe eines MarkovRechenmodells zu ermitteln versucht, ob es Entscheidungshilfen für Patient und Arzt bei T1-Karzinomen gibt. Eine abdomino-perineale Exstirpation hat zwar eine 3,5 % fache Lebensverlängerung zur Folge, aber dieser Vorteil geht durch den Verlust an „quality-of-life“ verloren. Es wurde von den Patienten die transanale Exzision bevorzugt. Nach dieser Studie sind Patienten mit einem T1-Karzinom bereit auf 14% ihrer Überlebenszeit zu verzichten, um ein dauerhaftes Stoma zu vermeiden. Kommentar: Die heutige Krebstherapie fokussiert aus Sicht des Behandelnden auf das Überleben des Patienten. In Zukunft wird es wichtiger auf die Fragen des Patienten einzugehen: Was sind meine Optionen? Wo liegen die Vorteile? Wie viel an Lebensqualität geht mir verloren? Die Beantwortung stellt eine Herausforderung an ein zertifiziertes Darmkrebszentrum dar. Durch gemeinsame Abstimmung von Psychoonkologie, Stomateam und Selbsthilfe (ILCO) können ggf. die Vorbehalte gegen ein dauerhaftes Stoma genommen werden. Dr. med. Karl-Heinz Ebert Leiter Darmzentrum Südwestfalen © Katholische Hospitalgesellschaft Südwestfalen gGmbH Olpe Alle Rechte vorbehalten. Nutzung, Vervielfältigung, Weitergabe und Speicherung nur mit ausdrücklicher Genehmigung. 2