Petrologie der Magmatite und Metamorphite: Teil Metamorphite - Vorlesung 3 1/6 Gibbssche Phasenregel und Einführung in Phasendiagramme Bei Vorliegen eines thermodynamischen Gleichgewichts (thermodynamic equilibrium) zwischen Mineralphasen (inkl. fluider Phasen) gilt folgende Beziehung F=C–P+2 F Anzahl der unabhängigen Freiheitsgrade eines thermodynamischen Systems P Anzahl der Phasen C Anzahl der Komponenten System: Willkürlich definierte Gruppe von Atomen, Mineralen, Gesteinen etc. Systeme können sein: • isoliert • geschlossen • offen Phasen: Bausteine eines Systems mit bestimmten physikalischen und chemischen Eigenschaften. In Petrologie zumeist Minerale, aber auch fluide Phasen (z.B. H2O) oder Schmelzen (L) sind Phasen. Endglieder von Mischkristallen (z.B. Albit und Anorthit von Plagioklas) sind keine eigenen Phasen. Ebenso kann eine fluide Phase aus mehreren mischbaren Komponenten (z.B. H2O+CO2) bestehen. Komponenten: frei wählbar, aber jede Phase des Systems muß aus einer oder mehreren Komponenten "zusammensetzbar" sein. In der Praxis wird versucht die Zahl der Komponenten möglichst klein zu halten. Beispiel: Andalusit, Sillimanit, Kyanit; Korund, Quarz, Kyanit Praktische Bedeutung der Phasenregel: Die Zahl der Phasen (Minerale + fluide Phase(n)), die in einem metamorphen Gestein ("System") im Gleichgewicht miteinander gebildet werden, ist durch die Anzahl der Komponenten limitiert. Oft sind die zu berücksichtigenden Komponenten die Hauptelemente (z.B. SiO2, Al2O3, FeO, MgO, CaO, Na2O, K2O H2O, CO2....) eines Gesteins, die in mehr als einer Phase eingebaut werden. Für die Abschätzung der P-T-(X) Bedingungen eines metamorphen Gesteins sind vor allem Mineralvergesellschaftungen mit geringer Varianz nützlich; diese sind durch viele Phasen aber wenige Komponenten gekennzeichnet. J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite: Teil Metamorphite - Vorlesung 3 2/6 Das System Al2SiO5 - Ein Beispiel für die Anwendung der Phasenregel ♦ System: ................................................ ♦ Komponenten: ..................................... ♦ Phasen:................................................... J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite: Teil Metamorphite - Vorlesung 3 3/6 Variation der Zusammensetzung (X) Viele Minerale in metamorphen Gesteinen bilden Mischkristalle (solid solutions). Auch die Zusammensetzung (X) von Mischkristallen sind neben T und P Variable. z.B. Wir betrachten ein Gestein mit 5 Phasen Glimmer (Na,K)Al3Si3 O10(OH)2 Kalifeldspat (Na,K)AlSi3O8 Quarz SiO2 Kyanit Al2SiO5 Fluid H2O Neben Feldspat ist auch Glimmer ein Mischkristall (Muscovit und Paragonit) in dem Na und K ausgetauscht werden können. Die 5 Phasen können durch die 5 Komponenten Na2O, K2O, SiO2, Al2O3 und H2O dargestellt werden. Also ist auf Grund der Phasenregel die Varianz 2. Von den vier Variablen (T, P, Na/K im Glimmer, Na/K im Feldspat) können also nur zwei unabhängig sein, zwei sind abhängige Variable. Eine Konsequenz daraus ist, dass für gleiche T-P-Bedingungen koexistierender Glimmer und Feldspat daher immer die gleiche Zusammensetzung haben müssen. Frage: Was passiert wenn dieses Gestein keinen Kyanit hat? J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite: Teil Metamorphite - Vorlesung 3 4/6 Metamorphe Phasendiagramme (Teil 1) P-T Diagramm Die übliche Art die Stabilitätsfelder verschiedener Mineralvergesellschaftungen darzustellen ist in einem Druck (P) - Temperatur (T) -Diagramm. Das oben besprochene Diagramm der Al2SiO5 Minerale ist ein Beispiel für ein solches Diagramm. Die Mineralvergesellschaftungen sind divariant (Felder), univariant (Reaktionskurven) und invariant (Punkte). Als weiteres Beispiel betrachten wir zwei hypothetische metamorphe Gesteine, die Albit, Muscovit, Quarz und Kyanit oder Sillimanit (+Wasser) führen und das folgende P-T Diagramm in dem einige wichtige univariante Reaktionen dargestellt sind. Fragen: 1. Wie viele Komponenten sind nötig um diese Phasen darzustellen? 2. Wie lauten die möglichen divarianten Mineralvergesellschaftungen und wie viele Phasen haben sie? 3. Wo plotten die beiden Mineralvergesellschaftungen und welche der beiden ist bei höheren Drucken stabil? J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite: Teil Metamorphite - Vorlesung 3 5/6 Beispiel: Das System Al2O3 – SiO2 – CaO 1. Plotten Sie folgende Phasen im Dreiecksdiagramm Cor Qz Als Wo An Grs Korund Quarz Aluminiumsilikat (Ky, Sil, And) Wollastonit Anorthit (Ca-Feldspat) Grossular (Ca-Granat) Al2O3 SiO2 Al2SiO5 CaSiO3 CaAl2Si2O8 Ca3Al2Si4O12 2. Verbinden Sie miteinander koexistierende Minerale durch Verbindungslinien. Bedenken Sie dabei wie viele Phasen in diesem System max. miteinander im Gleichgeweicht auftreten können. Für diesen Fall nehmen Sie an, dass Grs+Als, Grs+Qz stabil sind. 3. Listen Sie die möglichen divarianten Vergesellschaftungen auf. 4. Formulieren Sie eine Reaktion zwischen Quarz, Als und Korund. Was ist das für eine Reaktion? 5. Wie lauten die stabilen Mineralvergesellschaftungen, wenn durch geänderte P-TBedingungen z.B. Anorthit nicht mehr stabil ist? J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite: Teil Metamorphite - Vorlesung 3 6/6 Mineralzusammensetzungen in ternären Zusammensetzungsdiagrammen Mineralzusammensetzungen in ternären Zusammensetzungsdiagrammen Arten von Reaktionen in ternären Zusammensetzungsdiagrammen J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite,, Teil Metamorphite, Vorlesung Chemographien 2 1 ACF Diagramm Geeignet zur graphischen Darstellung von Mineralvergesellschaftungen in Ca-führenden Ausgangsgesteinen (Basalte, Mergel, Kalk- und Dolomitgesteine, unreine Karbonatgesteine). Sowohl Mineral- als auch Gesamtgesteinschemismen sind darstellbar. Um die Anzahl der Komponenten zu beschränken, werden folgende Vereinfachungen gemacht: • K2O wird vernachlässigt • FeO und MnO substituieren MgO in diesen Gesteinen (völlige Isomorphie). Sie werden als eine Komponente aufgefaßt (= F Wert). • Nur der Anteil an Al2O3, der nicht in Feldspat eingebaut wird, wird benutzt. D.h. K2O + Na2O werden vom Al2O3 abgezogen (= A Wert). • Fe2O3 wird dem Al2O3 zugeschlagen • • H2O und CO2 werden als extern gebuffert interpretiert, sind daher als Komponenten nicht zu berücksichtigen Es werden nur Gesteine dargestellt, die SiO2 im Überschuss haben (freier Quarz vorhanden) Berechnung der Werte A=Al2O3+Fe2O3–(Na2O+K2O) C=CaO F=FeO+MnO+MgO Die Berechnung basiert auf molaren Verhältnissen. Analysen von Gesteinen, üblicherweise in Gew. % angegeben, müssen daher zuerst in Mol. % bzw. Molzahlen umgerechnet werden: Vorgangsweise: • Gew. % Oxide/Molekulargewicht = Molzahl • dann alle für die Berechnung der A, C, F Parameter notwendigen Komponenten auf 100 % umrechnen. Auch Minerale lassen sich eintragen. Wenn Analysen (EMS) vorliegen kann die genaue Lage der Minerale berechnet und dann eingetragen werden, wenn nicht, reicht es oft auch die Position der theoretischen Endglieder zu verwenden (siehe Übungsunterlagen). Anwendungen: 1. Darstellung von metamorphen Gleichgewichtsvergesellschaftungen in Beziehung zum Gesamtgesteinschemismus. 2. Nachteil: keine Darstellung der Mg-Fe Variation in Mineralen. J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite,, Teil Metamorphite, Vorlesung Chemographien 2 2 Darstellung wichtiger Phasen in metamorphen Gesteinen im ACF Diagramm (aus Winter, 2001). Darstellung der Mineralvergesellschaftungen von Metabasiten der Amphibolitfazies in einem ACF Diagramm. Das grüne Feld gibt die chemische Zusammensetzung basischer Gesteine an. J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite,, Teil Metamorphite, Vorlesung Chemographien 2 3 AFM-Diagramm auch A(K)FM Diagramm; J.B. Thompson (1957) Darstellung der Phasenbeziehungen in metapelitischen Gesteinen Da viele Minerale in Metapeliten hinsichtlich Mg-Fe zwar isomorphe Mischbarkeit zeigen (z.B. Granat, Biotit etc.), diese Elemente allerdings in unterschiedlichen Verhältnissen in Minerale eingebaut werden (abhängig vom P, T), müssen für diese Gesteine Diagramme verwendet werden, die FeO und MgO als getrennte Komponenten berücksichtigen. Diagramme, wie das ACF Diagram, die FeO und MgO zusammenfassen, sind für diese Gesteine nicht geeignet. Theoretisch sind für Metapelite sehr viele Komponenten zu berücksichtigen - SiO2, Al2O3, FeO, Fe2O3, MgO, MnO, CaO, Na2O, K2O, H2O, ZrO2, P2O5, S, C - viel zu viele, um sie graphisch anschaulich in Dreiecksdiagrammen darstellen zu können. Thompson entwickelte daher einige Regeln, zur Vereinfachung des realen Metapelit-Systems. Regel 1. Komponenten, die als Reinphasen (SiO2 in Qtz, TiO2 in Rutil, Fe2O3 in Hämatit) auftreten, müssen nicht geplottet werden. Regel 2. Komponenten deren chemisches Potential extern gebuffert wird, müssen nicht geplottet werden. Dies ist normalerweise für Komponenten der fluiden Phase (H2O, CO2) gültig. Regel 3. Komponenten, die nur in einer Phase vorkommen, können vernachlässigt werden; z.B. ZrO2 in Zirkon, Na2O in Albit, P2O5 in Apatit, CaO in Plagioklas. Regel 4. Seltene Komponenten (Spurenelemente) sind in der Regel zu vernachlässigen. Vorsicht bei höheren Gehalten von MnO und ZnO mit Granat bzw. Staurolith. Regel 5. Wenn eine Komponente in zwei oder mehreren Phasen vorliegt und eine dieser Phasen in allen Mineralvergesellschaftungen auftritt, kann die Zusammensetzung der anderen Phase(n), die diese Komponente beinhaltet/en, von jener, die immer vorhanden ist, projiziert werden. Das System für Metapelite kann damit auf vier Komponenten reduziert werden, Al2O3-FeOMgO-K2O, die in einem Tetraeder dargestellt werden können. Da in den meisten Metapeliten Muscovit und/oder Alkalifeldspat auftreten, werden in einem nächsten Schritt K2O-führende Minerale von Muscovit bzw. Alkalifeldspat nach Regel 5 projiziert (siehe Abb. 1). Die drei verbleibenden Komponenten (A-F-M) sind elegant in einem Dreiecksdiagramm darstellbar. J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite,, Teil Metamorphite, Vorlesung Chemographien 2 4 Zur Berechnung der Komponenten und Plot-Parameter werden molare Einheiten verwendet. Gew%. müssen daher zuerst umgerechnet werden. Berechnung der 3 Komponenten A = Al2O3 - 3K2O (Projektion von Ms) oder A = Al2O3 - K2O (Projektion von Kfs) F = FeO M = MgO Berechnung der beiden Plotparameter A (vertikal), M (horizontal) bei Projektion von Muscovit: A = (Al2O3–3K2O)/(Al2O3–3K2O)+MgO+FeO M = MgO/(MgO+FeO) Bei der Berechnung von A wird der Gehalt von K2 O in Muscovit (K:Al = 1:3) berücksichtigt und daher werden 3K2O vom gesamten Al2O3 subtrahiert. Man beachte, dass K-freie Minerale ihre Position durch das Projektionsverfahren nicht ändern, während Biotit und Kalifeldspat als K-reiche Minerale, dies sehr wohl tun. Achtung: Biotit plottet bei negativen Werten, Kalifeld bei negativ ∞. Bei höheren Temperaturen (obere Amphibolitfazies, Granulitfazies) ist Muscovit nicht mehr stabil. Daher Projektion von Alkalifeldspat. Berechnung der beiden Plotparameter A (vertikal), M (horizontal) bei Projektion von Kalifeldspat: A = (Al2O3–K2O)/(Al2O3–K2O)+MgO+FeO M = MgO/MgO+FeO) Auf Grund des K:Al Verhältnisses in Kalifeldspat (1:1) wird 1 K2O vom gesamten Al2O3 subtrahiert. Man beachte, dass die AFM Projektion nur für Gesteine zulässig ist, die zusätzlich Quarz und Muscovit bzw. Alkalifeldspat führen und für die angenommen werden kann, dass Wasser extern kontrolliert wird (aH2O = 1). J.G. Raith Petrologie der Magmatite und Metamorphite,, Teil Metamorphite, Vorlesung Chemographien 2 5 AFM Projektion. a. Projektion von Muscovit. b. Lage wichtiger metamorpher Minerale in Metapeliten im AFM Diagramm (aus Okrusch und Matthes, Mineralogie, 7. Auflage, Springer, 2005). J.G. Raith