Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen Prof.Dr.H.F.Paulus Department für Evolutionsbiologie Univ.Wien WS 2010/2011 Serie: „Naturwiss.Denken“ Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen 1. Was unterscheidet Homo sapiens von Menschenaffen ? aufrechter Gang wenig Haare fehlende prominente Eckzähne Gehirnbau komplexe Mimik variable Augenfarben variable Haut- und Haarfarben Frau: prominentes Gesäß Frau: permanenter Busen 2. Welche Merkmale unterliegen der natürlichen, welche der sexuellen Selektion ? Körpergröße (Bergmannsche-, Allensche Regel) Sichezellenanämie Hautfarbe etc. Gesichtsmuskeln und Mimik Ähnliches Mimik-Repertoire als Produkt einer frühen gemeinsamen Stammesgeschichte Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen 3. Was wissen wir über Partnerwahlen ? Wonach wird gewählt Rangstufen der Kriterien Unterschiede Mann – Frau 4. Welche Rolle spielt sexuelle Selektion ? Busen – Gesäß Lippen 5. Rassenunterschiede und sexuelle Selektion Hautfarben Haarfarben und -formen Lippenformen Augen Prominenz des Gesäßes („Hottentottensteiß“) 6. Gehirn und Sexuelle Selektion Primaten-Stammbaum 1. Einordnung in die Tierwelt Stammbaum nach molekularen Daten 1. Einordnung in die Tierwelt Unsere ausgestorbene Verwandtschaft Australopithecus boisei Australopithecus afarensis Homo sapiens neanderthalensis Homo habilis Australopithecus africanus Homo rudolfensis Homo erectus Australopithecus anamensis aus „GEO-Wissen“: Die Evolution des Menschen 9/1998 2. Stammesgeschichte Zusammenfassung der Evolutionstendenzen im Tertiär und Quartär bei den Primaten und Hominiden • • • • • • • • • • Verlagerung des Körperschwerpunkts auf die Hinterextremitäten Entwicklung von Greifhänden Starke Betonung des Gesichtssinnes Farbensehen, Räumliches Sehen Fortpflanzungsstrategie: Wenig Junge (Konsequenz aus dem Baumleben –„Tragling“), dafür hohe Investition in die Nachkommen Der aufrechte Gang mit umfangreicher Umgestaltung des Skeletts Vergrößerung des Gehirnvolumens Entwicklung der Sprache umfangreiche Kommunikationsfähigkeit intellektueller Fähigkeiten und Moral Charakteristika des Menschen Komplexe Kultur Werkzeuge Selbstreflexion Komplexe Kommunikation (Sprache) Ich-Bewusstsein Sich in andere Versetzen können Selbstbestimmung Zivilisation Ritenbildung Tradition „Denke ich, also bin ich oder bin ich (noch) nicht oder bin ich, weil ich denke oder sollte ich wollen zu denken ich bin ...?“ Extrasomatische Wissensspeicher und Wissensvermittlung (Schrift, Malerei, Kunst) Religiosität (Sinnfragen) Paarungssysteme bei Menschenaffen Gibbons: heute 11 Arten Monogam; Männchen und Weibchen singen zur territorialen Verteidigung zusammen, Territorien sind wichtig, da gute Resourcen (qualitativ hochwertige Früchte) verteidigt werden müssen; sexualdimorph nur in der Farbe, nicht in der Größe. Orang Utan selektiv Früchte fressend, größere Tiere; zum Fressen allein lebend; Männchen doppelt so groß wie Weibchen; Männchen kontrollieren ein großes Territorium, in dem sich mehrere Weibchen in Subarealen befinden. Gorilla Blatt- und Stängelfresser; Männchen doppelt so groß wie Weibchen; Harem um ein einziges SilberrückenMännchen; jüngere Männchen leben in der Nähe als „Satellitenmännchen“. Früchte-, Blattfresser, andere Tiere; Männchen ca. ¼ größer als Weibchen; Gruppe mit vielen Männchen und Weibchen; Weibchen im Östrus paaren sich mit vielen Männchen; Männchen konkurrieren um Weibchen; In beiden Geschlechtsgruppen DominanzHierarchie. Schimpansen (Pan troglodytes) Zwergschimpanse, Bonoboo (Pan paniscus) Früchte-, Blattfresser, andere Tiere; Männchen ca. ¼ größer als Weibchen; Gruppe mit vielen Männchen und Weibchen; Weibchen im Östrus paaren sich mit vielen Männchen; Männchen konkurrieren um Weibchen; starke Spermienkonkurrenz; In beiden Geschlechtsgruppen DominanzHierarchie; hohe sexuelle Aktivitäten, die wie beim Menschen nicht nur der Erzeugung von Nachkommen dienen, sondern meist dem sozialem Kontakt und der Partnerbindung. Zusammenfassung Spermienmenge und Hodengröße Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen Rolle der Sexuellen Selektion 3. Was wissen wir über Partnerwahlen ? Wonach wird gewählt Rangstufen der Kriterien Unterschiede Mann – Frau 4. Welche Rolle spielt sexuelle Selektion ? Busen – Gesäß Lippen 5. Rassenunterschiede und sexuelle Selektion Hautfarben Haarfarben und -formen Lippenformen Augen Prominenz des Gesäßes („Hottentottensteiß“) 6. Gehirn und Sexuelle Selektion H.F.Paulus (Wien): Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen WS 2011 Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen Mechanistische Sicht: Liebe und Partnerwahl ist eine Sache der Hormone Partnerwahl und Signalevolution • Vorhandene Merkmale als Signal • Verstärkte Merkmale als Signal • Übertrieben entwickelte Merkmale H.F.Paulus (Wien): Sexuelle Selektion und die Evolution des Menschen Damenwahl und Fitness-Indikation Heiratsriten: Damenwahl bei den Fulbe im Sudan Prinz Williams Gebiss-Geheimniss 27.04.09 11:36 Der 26-Jährige trägt eine Zahnspange ... Wer schön sein will, muss leiden - das weiß auch Prinz William: Um sein königliches Gebiss in Form zu bringen, trägt der Sohn von Thronfolger Prinz Charles (60) deshalb eine Zahnspange - mit 26! Festsitzende Zahnregulierung: Erstberatung: Kostenlos Records: EUR 300 Zahnregulierung je nach Komplexität: EUR 4.580 bis 6.580* Retentionsjahr: EUR 600 Park Moon Young, 18 Jahre alt – Die Behandlung dauerte 24 Monate Für Zahnregulierungen werden bei uns immense Summen ausgegeben ! Übernormale Auslöser Übernormalisierbarkeit von Auslöser sind eine gute Vorraussetzung für die Entstehung „übertriebener“ sexueller Auslöser. Lippen sind eines von vielen sexuellen Auslösern: Signal Lippen sind röter als das Gesicht: Haut ist dünner, Blut leuchtet durch Modische Übertreibung durch zusätzlich Rotfärben Signalverstärkung: Lippen als Signal Lippen sind röter als das Gesicht: Haut ist dünner, Blut leuchtet durch Modische Übertreibung durch zusätzliches Rotfärben Signalverstärkung: Lippen als Signal Lippen schmal, nicht anders gefärbt als das Gesicht Lippen sind röter als das Gesicht: Haut ist dünner, Blut leuchtet durch Modische Übertreibung durch zusätzliches Rotfärben Sexuelle Auslöser beim Menschen Lippen als sexueller Auslöser • Evolutionär muss man sich fragen, bei welchen Menschenformen dies seinen Ausgangspunkt genommen hat. • Höchstwahrscheinlich bei dunkelhäutigen Vorfahren. • Daher sollten große Lippen das primäre, schmale rote Lippen das sekundäre sein. • In wieweit dieses Signal auch bei Männern für Frauen wirksam ist, ist weniger gut untersucht. Alters abhängig ! Bartwuchs ist ein Testosteron-Anzeiger und damit ein Äquivalent zu einer Mähne. Demnach sollten die Männerlippen vor allem in der Adult-Jungzeit wirksam sein ! Kulturelle Übertreibungen: Tellerlippenfrauen Kulturelle Übertreibungen: Piercing Evolution des Kusses Hypothesen zur Entstehung des Küssens beim Menschen Heutige Funktion (= proximate Gründe des Handelns): Ausdruck der Zuneigung in verschiedenen sozialen Zusammenhängen Begrüßung bis hin zu erotisch-sexuellen Handlungen Ursprüngliche und ultimate Funktionen Ausgang von einer „Mund-zu-Mund-Fütterung Ritualisierung in den Konnex der sozialen Interaktionen biologische Rolle bei der gegenseitigen Immunisierung in der Gruppe häufiges Küssen sorgt für Austausch zahlloser Haut- und Mundkeime damit dies „gut funktioniert“, wurde in der Evolution damit ein „Lustgewinn“ verknüpft damit im Zusammenhang die Verbindung mit einer erotischen Komponente Mund – zu – Mund – Aktionen als Mittel der Zuneigung Daraus entstand vielleicht eine Signalverstärkung der Lippen „politische Bruderküsse“ „Bruderküsse“ „Erlösungsküsse“ Besonderheiten bei Homo sapiensWeibchen: • Permanenter Busen • Prominentes Gesäss Rainer Stern, Tirol Paviane während des Östrus Signal für Paarungsbereitschaft Anubis-Pavian (Pabio anubis) Hamadryas Pavian (Papio hamadryas) Blaue Meerkatze (Cercopithecus aethiops) Gesäß als übernormaler Auslöser ECOTOURISM Werbung in Südafrika Khoikhoi-Frau (Südafrika): „Hottentotten-Steiß“ Advantages? Fat stores? Sexuelle Auslöser beim Menschen Busen ? Po als Busenimitation ? Dschelada-Pavian oder Blutbrustpavian (Theropithecus gelada) Gesäßregion: immer farbig schwillt im Östrus an Gesäßfarbe als Signal auf die Brust übernommen Zwergschimpanse (Bonoboo) Sex als soziale Komponente und Abbau von Spannungen Messungen der Wirksamkeit der SEXUELLEN SELEKTION Schönheit und Attraktivität Gilt als „sexy“ Gilt als weniger sexy Ist "Schönheit" messbar? oben: "Phi-Masken" (nach Marquardt): Regeln zum "Vermessen" von Gesichtern unten: kaum geändertes Schönheits-Ideal durch alle Epochen Gesetzmäßigkeiten zur Beurteilung von Gesichtern gelten gleichermaßen in der bildenden Kunst wie in der Gesichtschirurgie. Künstlerische Maßstäbe wurden bereits von den alten Ägyptern angewandt und später beispielsweise von Leonardo Da Vinci und Albrecht Dürer weiterentwickelt. Die Höhe der Augenbraue, der Winkel am Übergang zwischen Oberlippe zur Nase und die Fülle der Lippen sind wesentliche Charakteristika zur Beurteilung eines Gesichtes. Da mit zunehmendem Alter die Augenbrauen absinken, die Lippe in ihrer Fülle einsinkt und die Nase zeitlebens wächst, werden derartige Veränderungen unwillkürlich mit höherem Alter assoziiert. Ist „Schönheit“ messbar ? Gesichterpräferenzen in Abhängigkeit vom Hormonspiegel Paarungssysteme bei Primaten Entwicklungsniveau und Großhirnzunahme 2. Stammesgeschichte Delphine Pottwal Mensch Schimpanse/Gorilla Affen Schwarze Punke: Säuger (ohne Affen) Schwarze Dreiecke: Vögel Knochenfische Reptilien 3. Sonderstellung Das Gehirn ist sehr groß und energetisch ziemlich kostspielig: Mensch Es ist etwa 3X größer als man innerhalb der Primaten für deren Körpergröße erwarten müßte, hat eine 22-fache Stoffwechselrate im Vergleich zu einem Skelettmuskel Schimpanse Male choice oder female choice oder beides ? Wichtige Kriterien der Partnerwahl des Menschen (westliche Kulturen) Rang von Männern bevorzugte Eigenschaften von Frauen bevorzugte Eigenschaften 1 Freundlichkeit und Verständnis Freundlichkeit und Verständnis 2 Intelligenz Intelligenz 3 körperliche Attraktivität interessante Persönlichkeit 4 interessante Persönlichkeit gute Gesundheit 5 gute Gesundheit Anpassungsfähigkeit 6 Anpassungsfähigkeit körperliche Attraktivität 7 Kreativität Kreativität 8 Wunsch nach Kindern gute Verdienstmöglichkeiten 9 akademischer Grad akademischer Grad 10 gute Herkunft Wunsch nach Kindern 11 gute Verdienstmöglichkeiten gute Herkunft 12 gute Haushaltsführung gute Haushaltsführung 13 religiöse Orientierung religiöse Orientierung Evolution of sexual mind Das Gehirn als „Prachtkleid“ „Die enorme Hirnentwicklung zum Homo sapiens ist neben Faktoren der „Natürlichen Selektion“ (gute Jäger, gute Kinderpfleger, Sport als FitnessIndikation etc.) zu einem großen Teil eine Folge „Sexueller Selektion“ ! Partner, die „gute Unterhalter“, intellektuell auffällig sind (gute Mathematiker, Musiker, Tänzer etc.), werden in der Partner-Wahl bevorzugt. 2000/2001 Intelligenz macht sexy ! Sexual Brain: Gehirn als neuronales Prachtkleid Es gibt im Gehirn neuroanatomische Unterschiede im Bau und in den Hauptverschaltungen zwischen Männern und Frauen. Sie bildeten schon lange eine Grundlage cartoonistischer Darstellungen