Helfen in einem rudimentär entwickelten System

Werbung
STATUS
NEPAL
Helfen in einem rudimentär
entwickelten System
Fotos: privat
Der Autor kennt Nepal seit 1998. Viele Einsätze als Arzt haben ihn
verstehen lassen, wie das medizinische System funktionieren sollte.
or etwa zwei Jahren begann
ich mit dem Aufbau einer
kleinen Dialyseeinheit in einem nepalesischen Krankenhaus und entwickelte parallel dazu das Konzept
für ein Gesundheitszentrum im
Westen Nepals. Dieses Gesundheitszentrum liegt im Bezirk Gulmi. Es sollte unter einfachen Bedingungen effektiv und möglichst kostengünstig betrieben werden. Beide
Projekte zeigen zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Entwicklung.
Das Gesundheitssystem in Nepal
ist mangels finanzieller Unterstützung vonseiten des Staates nur rudimentär ausgebildet. Laut Verfassung gibt es zwar für jeden Nepalesen eine freie Heilfürsorge, die Realität ist jedoch eine andere. Da
kaum Steuern gezahlt werden, hat
das Gesundheitsministerium kein
Geld zur Verfügung, um seiner Verantwortung nachzukommen. Der
Kranke zahlt jede Untersuchung
und jede Tablette selbst, weil er eine halbwegs vernünftige Leistung
nur auf dem privaten Sektor kaufen
kann. Unterstützung erhält er allenfalls von ausländischen Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs), die
V
eigene Krankenhäuser unterhalten
oder nepalesischen Ärztinnen und
Ärzten finanziell beistehen. Eine
dieser Organisationen sind die
GRVD, die German Rotary Volunteer Doctors, für die ich tätig bin.
Weite Wege halten Patienten
vom Arztbesuch ab
Die meisten internationalen NGOs
sind jedoch nur im Kathmandutal tätig. Das Gleiche gilt für die nepalesischen Kollegen. In die weitere
Peripherie, sprich in die Berge, geht
kaum jemand. Dorthin geht man nur
zum Arbeiten, der Freizeitwert ist
gleich null. Es gibt keine internationalen Schulen, und das Leben ist beschwerlich, also wenig attraktiv. Gerade in diesen Regionen aber ist eine
medizinische Hilfe notwendig. Ohne sie entstehen weite Anfahrtswe-
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 14 | 6. April 2012
Aufbau einer
Dialyseeinheit:
Die Therapie wird
meist wegen Geldmangel beendet.
ge, die Patienten vom Arztbesuch
abhalten und so eine hohe Morbidität und Mortalität mit sich bringen.
Da ich bereits seit zwölf Jahren regelmäßig in Nepal ärztlich tätig bin,
weiß ich, wovon ich spreche.
Die GRVD bemühen sich, diesem
Ungleichgewicht zwischen Notwendigkeit und Realität etwas entgegenzusetzen. Sie entsenden zum
Beispiel Ärzte in kleine, weit abgelegene Distriktkrankenhäuser zur
aktiven Mithilfe und Ausbildung
vor Ort oder auch Fachärzte an die
Universitätsklinik nach Dhulikhel
zur Weiterbildung der Ärzte. Ich arbeitete in beiden Bereichen, und auf
diese Weise begann das Zusammenfließen zweier Aufgaben, die
meine jetzige Arbeit ausmachen.
Während eines Einsatzes in Manthali, weit im Osten Nepals, lernte ich
den Medical Assistant Bishnu Bhusal
kennen. Sein Traum war es, in das
Dorf nach Gulmi zurückzukehren,
wo er geboren wurde, dort zu leben
und den Menschen seine Hilfe zur
Verfügung zu stellen. Als ich sein
Dorf besuchte und den Willen der
Menschen zur Selbsthilfe spürte, gab
es kein Zurück mehr. Im März 2011
gründeten meine Familie und Freunde zusammen den Verein Brepal e.V.
Im September 2011 erfolgten
Umbaumaßnahmen an zwei einfachen Häusern, die als Speicher genutzt wurden, und seit dem 15. September arbeitet Bishnu in unserem
Zentrum. Er ist auf sich allein gestellt. Mehr als die Anamnese und
die körperliche Untersuchung stehen ihm zur Diagnostik nicht zur
Verfügung. Unsere Apotheke ist gut
ausgerüstet und richtet sich nach
den „clinical guidelines“ der Weltgesundheitsorganisation. Sarita, die
Hebamme, und Yam Lhal als Helfer
stehen Bishnu zur Seite. Sarita etabliert im Moment eine gute Schwangerenvorsorge und ist eine erfahrene
Hilfe bei Geburten. Brepal finanziert die Gehälter des Teams, zahlt
die Medikamente für besonders mittellose Menschen, koordiniert und
hilft bei der stationären Behandlung
von Bedürftigen. Wenn es notwendig ist, senden wir die Kranken auch
nach Dhulikhel zu Operationen. Der
Bau eines neuen Gebäudes ist für
die Jahre 2013/2014 geplant.
►
A 729
STATUS
e.V. aus Stuttgart (DNH) stellte dem
Krankenhaus zwei neue Dialysegeräte zur Verfügung. Der medizinische
Leiter der DNH, Dr. med. Richard
Storkenmaier, hat bereits langjährige
Dialyseerfahrung in Nepal.
Der Dialysepatient und seine
Familie verarmen
Rückkehr in das
Heimatdorf:
Medical Assistant
Bishnu Bhusal sieht
derzeit circa 20 bis
30 Patienten pro
Tag. Die Apotheke
ist gut ausgestattet.
Zurzeit sieht der Medical Assistent circa 20 bis 30 Patienten pro
Tag. Etwa 4 000 bis 5 000 Bewohner des Dorfes und der Umgebung
haben nun einen unmittelbaren Zugang zu medizinischer Versorgung.
Bishnu kann mit seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten die meisten
Probleme lösen oder sinnvolle
Überweisungen zu Fachärzten veranlassen. Die Freude und Dankbarkeit der Menschen ist groß.
Schwieriger gestaltete sich der
Aufbau der Dialyseeinrichtung in
Dhulikhel, um die ich vom Leiter
des Hospitals, Prof. Dr. med. Ram
Shrestra, gebeten worden war. Die
Deutsch-Nepalische Hilfsgemeinschaft
Die Erstellung der technischen Infrastruktur war eine große Herausforderung, vor allem die der Wasseraufbereitung und der Elektrizität.
Der nepalesische Schlendrian kam
erschwerend hinzu. Zwei Schwestern erhielten ihre Ausbildung zur
Dialyseschwester in bestehenden
Dialysezentren in Kathmandu, den
verantwortlichen Arzt schulte ich
selbst. Im November 2011, ein Jahr
nach Planungsbeginn, wurde der
erste Patient dialysiert. Durchaus
ein Erfolg, doch die Therapie wird
meistens aus Geldmangel beendet.
Der Dialysepatient und seine Familie müssen sich verschulden, sie
verarmen und müssen dann die tödliche Konsequenz ziehen. Internationaler Standard sind drei Dialysen
pro Woche, in Nepal dialysiert man
ein- bis zweimal pro Woche. Die
Behandlung kostet in Kathmandu
25 bis 40 Dollar, in Dhulikhel nur
15 Dollar, weil befreundete Nephrologen die Filter und Nadeln kostenfrei zur Verfügung stellten. Darüber
hinaus müssen die Patienten alle
Medikamente,
Laborentnahmen,
Röntgenbilder, Transporte et cetera
selbst bezahlen. Es sind für deutsche Verhältnisse kleine Summen,
bei einem Jahreseinkommen von
1 000 US-Dollar ist jedoch abzusehen, wie lange das möglich ist.
Hightechmedizin kann also auch
in Nepal ausgeübt werden, ihre Grenzen aber werden dort durch mangelnde Finanzkraft schnell erreicht. Die
zwei Projekte machen deutlich, welche Entscheidung unter solchen Bedingungen getroffen werden muss:
Hilft man mit 10 000 Euro wenigen
Menschen für einen kurzen oder vielen über einen langen Zeitraum?
Die Vereine „Brepal“ und
„GRVD“ freuen sich über Angebote
zur aktiven Mithilfe von Ärztinnen
▄
und Ärzten.
Dr. med. Klaus Eckert
@
Weitere Informationen unter:
www.brepal.de; www.grvd.de und
www.dnh-stuttgart.org
RECHTSREPORT
Arztbewertungsportal – kein Anspruch auf Datenlöschung
Ein Arzt, der in einem Internetportal bewertet
worden ist, hat keinen Anspruch auf Löschung
des Eintrags gegen den Portalbetreiber. Dies
hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am
Main entschieden. Die Klägerin ist als niedergelassene Ärztin tätig. Sie begehrte von einem
Portalbetreiber die Löschung ihrer Daten, bestehend aus Name, ärztliche Tätigkeitsgebiete,
Gesamt- und Einzelbewertungen sowie Kommentare. Das OLG entschied, dass der Ärztin
weder ein Anspruch auf Löschung noch auf
Unterlassung der Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten zusteht. Die Internetbetreiberin verwende die Daten nicht deshalb, weil sie
mit den betroffenen Ärzten in Kontakt stehe
oder treten wolle, sondern weil sie dies der interessierten Allgemeinheit zur Information und
zum Meinungsaustausch zur Verfügung stellen
wolle. Damit stellen die Daten eine Art Ware
dar und sind Gegenstand der Dienstleistung
der Beklagten. Hier ist der Anwendungsbereich
des § 29 Bundesdatenschutzgesetz eröffnet.
A 730
Danach ist die geschäftsmäßige Datenerhebung und Speicherung zulässig, wenn kein
schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss
der Datenerhebung besteht und die Daten aus
allgemeinen Quellen vorhanden sind. Das Letztere ist zu bejahen, weil Name, Adresse und
Tätigkeitsbereich der Klägerin beispielsweise
den Gelben Seiten zu entnehmen sind.
Zu prüfen ist der wertausfüllungsbedürftige
Begriff des „schutzwürdigen Interesses“. Dieser
verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere zum Lehrerbewertungsportal, eine Abwägung des Interesses des
Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und
der Interessen der Nutzer. Die Klägerin muss
sich vor allem vor dem Hintergrund des Rechts
auf freie Arztwahl dem auch zwischen Ärzten
bestehenden Wettbewerb stellen und ist insoweit Marktmechanismen ausgesetzt, zu denen
heute auch Bewertungsmöglichkeiten im Internet gehören. Da die Meinungsfreiheit auch das
Recht des Äußernden umfasst, die Modalität ei-
ner Äußerung und damit das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen, muss es die Ärztin hinnehmen, wenn die Möglichkeit besteht, sie in
einem Portal zu bewerten. Die Datenerhebung
ist auch deshalb nicht unzulässig, weil die Bewertungen anonym erfolgen und der Klägerin
damit die Möglichkeit der Auseinandersetzung
genommen wird. Dabei ist darauf hinzuweisen,
dass die Vornahme der Bewertung nicht ohne
jegliche Beschränkung möglich ist, da derjenige, der eine Bewertung abgeben möchte, zunächst die Nutzungsrichtlinie akzeptieren und
seine E-Mail-Adresse angeben muss. Auch
wird in einem Bewertungsformular darauf hingewiesen, dass unangemessene oder falsche
Bewertungen nicht akzeptiert werden. Schließlich kann sich die Ärztin auch nicht darauf berufen, dass die Bewertung mangels Objektivität
und Kompetenz der Laien nicht werthaltig seien. Es ist charakteristisch für eine Meinungsäußerung, dass sie durch subjektive Einschätzungen des Äußernden geprägt ist. (OLG
Frankfurt am Main, Urteil vom 8. März 2012,
Az.: 16 U 125/11)
RAin Barbara Berner
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 14 | 6. April 2012
Herunterladen