Epidemiologie, Diagnostik und Therapie degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen PD Dr. Dirk Winkler THEMA DER ARBEIT Multimodalität und Automation in IN derKURZFORM fkt. Neurochirurgie 1 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Nichts in der Natur bleibt ewig jung THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 2 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Nichts in der Natur bleibt ewig jung Die Wirbelsäule unterliegt, wie jeder gewichttragende Knochen des Körpers, alterungs- und belastungsbedingten Veränderungen. Zu degenerative Veränderungen kommt es bei Bandscheiben, Wirbelkörpern, Wirbelgelenke, der Muskulatur und den Bändern der Wirbelsäule. Alter: Mit zunehmendem Alter wird die Summe der Belastungen, denen die Wirbelsäule im Laufe des Lebens ausgesetzt ist, größer; altersbedingte Veränderungen im Stoffwechsel werden zusätzlich wirksam Knochenstoffwechsel: Die Festigkeit sowie die Belastbarkeit einzelner Knochen hängt von der Aktivität des Knochenstoffwechsels ab. Dieser wird durch regelmäßige körperliche Betätigung angeregt und durch die Zufuhr von Kalzium und Fluor unterstützt. Durch das Sonnenlicht erfolgt die Bildung des für die Knochen wichtigen Vitamin D; Östrogen und Testosteron haben zusätzliche knochenstabilisierende Funktion. Hormonmangel (Wechseljahre bzw. Andropause) kann zum Abbau der Knochensubstanz beitragen. THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 3 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Nichts in der Natur bleibt ewig jung Körpergewicht: Ein hohes Körpergewicht belastet die tragenden Skelettelemente (Übergewicht) Anorexia nervosa oder Bulimie begünstigen Defizite von Vitamine und Mineralstoffe Körperhaltung: Die Körperhaltung soll rückengerecht sein. Einzelne Strukturen der WS (Wirbelknochen, Gelenke, Bandscheiben, Bänder) können durch eine ungünstige Haltung übermäßig belastet. (Imbalance von Bandscheiben und kl. Wirbelgelenken) Körperliche Tätigkeiten: Beruf und/oder Freizeitaktivitäten können die Wirbelsäule stark, z.T. einseitig beanspruchen, (schwere körperliche Tätigkeiten, langes Stehen, Heben und Drehen von Patienten in oft ungünstiger Körperhaltung in Pflegeberufen, langes Sitzen im Büro oder im Auto) Sport: verschiedene Sportarten können die WS belasten oder aber durch das Training der Rückenmuskulatur die Wirbelsäule unterstützen und damit entlasten (Kraftsport vs. Schwimmen) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 4 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Erscheinungsformen Wirbelbruch Sinterungen/Sinterungsfrakturen durch Abbau von Knochensubstanz, erhebliche Belastungen und/oder Unfall. Er ist eine Erscheinungsform der Osteoporose Osteophyten einseitige Belastungen begünstigen Knochenanbauten (Spangen, Höckern, Randzacken oder flächenhaften Auflagerungen bis hin zur knöchernen Überbrückung), Osteophyten können die Beweglichkeit eingeschränken und/oder Spinalnerven einengen Arthrose der Wirbelgelenke Als belastungsbedingte Verformung des Gelenkes und Abnutzung des Gelenkknorpels, klinisch imponiert die schmerzhafte Gelenkbewegung durch Reibung der gelenkbildenden Knochenanteile (z.T. verdickt und verformt) Sehnen und Bänder Die Bänder der Wirbelsäule sind eher durch primäre Erkrankungen (Rheumatoidarthritis, Mb. Bechterew) der Wirbelsäule betroffen; Überlastung, Übergewicht, Anorexia nervosa, Bulimie können Einlagerung von Kalk, Einrissen und Nekrosen begünstigen THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 5 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Beschwerden Rückenschmerzen Degenerative Veränderungen verursachen meistens erst dann Beschwerden, wenn Kompensationsgrenzen überschritten werden. Häufigste Beschwerden sind Rückenschmerzen - je nach Lokalisation verstärkt im Bereich der Hals-, Lenden- oder Brustwirbelsäule Nervenschäden durch die Beeinträchtigungen einzelner Nerven hervorgerufen infolge Druckwirkung von versorgenden Spinalnerven (Osteoporose, Foramenstenose, Spinalkanalstenose, Bandscheibenvorfall) Motor., sensible (siehe Dermatome) und vegetative Störungen als Folge eines Wurzelkompressionssyndroms bzw. Rückenmarksschädigung durch knöcherne, diskoligamentäre und arthrotischer Veränderungen THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 6 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Diagnostik Anamnese Dauer, Stärke und Art der Beschwerden, Symptomverstärkung durch körperliche Belastung, Husten, Niesen oder Pressen, evtl. Paresen, Sensibilitäts- und veget. Störungen, bisherige Diagnostik und Therapie Statuserhebung aktive und passive Beweglichkeit der WS, Klopfschmerzhaftigkeit, Objektivierung von neurologischen Defiziten, einschl. vegetativer (!), Reflexstatus Paraklinische und apparative Diagnostik Osteoporosediagnostik, Rheumafaktoren, Rö.-diagnostik, Funktionsröntgen, MRT, CT, Postmyelo-CT, Szintigrafie Elektrophysiologie (EMG, ENG, NLG, SSEP, MEP) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 7 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen Therapie Chronische Schmerzzustände sind vermeidbar !! - Abbau von Übergewicht regelmäßige körperliche Betätigung physikalische Anwendungen (lokale Wärme, leichte Massagen, Behandlung von Myogelosen) muskelrelaxierende und analgetische Medikamente, ggf. Corticoide und nichtsteroidale Antiphlogistica Unterstützung des Knochenstoffwechsel (Kalzium, Fluor, Vitamin D und Bisphosphonate, Östrogene, Testosteron) orthopädisches Mieder zur Stabilisierung der Wirbelsäule Operation bei Vorliegen eines kausalen und die Beschwerden bedingenden, operativ korrigierbaren Leidens (Bandscheibenvorfall, Listhesis und Instabilitäten, Foramenund Spinalkanalstenose) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 8 Wurzelkompressionssyndrom Definition Wurzelkompressionssyndrom = Symptomkomplex, der durch die mechanische Reizung (z.B. Druck) der Nervenwurzel eines Spinalnerven im Bereich der WS ausgelöst wird. Einteilung nach Lokalisation: zervikales Wurzelkompressionssyndrom thorakales Wurzelkompressionssyndrom (selten) lumbales Wurzelkompressionssyndrom Einteilung nach Zeitpunkt: angeborene Wurzelkompressionssyndrome (selten, z.B. Deformitäten/Skoliosen) erworbene Wurzelkompressionssyndrome (Mehrzahl; akut, subakut) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 9 Wurzelkompressionssyndrom Ursachen Mögliche Ursachen erworbener Wurzelkompressionssyndrome : - Wirbelfrakturen - Tumoren (u.a. Metastasen, Ependymome, Meningeome) - Hämatome - Infektionen (Abszesse, Spondylodiszitis, Borreliose, Zoster) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 10 Wurzelkompressionssyndrom Achtung – pseudoradikuläre Beschwerden Pseudoradikuläre Syndrome bei orthopädischen Erkrankungen, z. B. des Schultergelenkes, müssen von zervikalen Radikulopathien abgegrenzt werden, was besonders bei Wurzelreizsyndromen nicht immer trivial ist. Gleiches gilt für die pseudoradikuläre Beschwerden der LWS mit Abgrenzung gegenüber von Coxarthrose, Gonarthrose, Facettensyndrom, Ileosakralgelenksyndrom, Kokzygodynie, Piriformis-Syndrom, osteoporotische Wirbelkörperfrakturen, Tendomyopathien bei Überlastungen oder Muskelzerrungen), gelegentlich auch primäre Muskelerkrankungen mit axialer Betonung (Glocker et al. 2010, Kottlors et al. 2010) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 11 Wurzelkompressionssyndrom Pathophysiologie Die Nervenwurzeln grenzen an ihren Austrittstellen, den Foramina intervertebralia eng an die umgebenden Knochen und Bandstrukturen. Einer degenerativ bedingten Gewebevermehrung in diesem Bereich kann die Nervenwurzel daher nicht ausweichen. Durch die Druckbelastung kommt es zu einer Entzündungsreaktion, die den Schmerz auslöst. Das begleitende Ödem des Hüllgewebes der Nervenwurzel (Epineurium) führt zu weiterer Einengung und kann die Symptomatik im Sinne eines Circulus vitiosus verstärken. THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 12 Wurzelkompressionssyndrom Symptome - Schmerzen im Versorgungsgebiet der betroffenen Nervenwurzel Sensibilitätsausfälle und Parästhesien im entsprechenden Versorgungsgebiet des Nerves, Lähmungen der Kennmuskulatur paravertebralen muskulären Hartspann, lokaler Klopf- oder Druckschmerz Beschwerdeexacerbation bei Husten-, Press- und Niesschmerz sowie andere Nervendehnungszeichen können auftreten mediane Bandscheibenvorfälle: meist asymmetrische periphere Störung an Extremitäten ± spastische Gangstörung, Reflexsteigerung, verbreiterte Reflexzonen, unerschöpfliche Kloni und Pyramidenbahnzeichen sowie Blasenentleerungsstörungen Achtung: bei fehlenden Nervendehnungszeichen und nächtlich auftretenden therapieresistenter Schmerzen, die nicht durch LWS-Bewegung beeinflussbar sind, sollte immer an eine Radikulitis (Borrelien, Herpes zoster) oder einen Tumor gedacht werden. THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 13 Wurzelkompressionssyndrom Symptome Der Übergang in ein chronisches Schmerzsyndrom, bei dem das Ausmaß der Schmerzen meist durch die morphologischen Befunde nur unzureichend erklärt wird, hängt von weiteren Faktoren ab: - psychischer Disposition - sozialen Begleitumstände - iatrogenen Faktoren (mangelnde Info`s über Gutartigkeit der Störung - Überbewertung radiologischer Befunde - prolongierte Krankschreibung - unkritisch langem Einsatz von Analgetika oder lokaler Infiltrationen - Nichtbeachtung psychiatrischer Komorbidität wie Depression, Angsterkrankung oder Persönlichkeitsstörung THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 14 Wurzelkompressionssyndrom Diagnostik klinisch neurologische Untersuchung und Anamneseerhebung MRT zur Diagnostik von: Wurzelkompression Raumforderung oder entzündlichen Veränderungen bei ätiologischer Unklarheit: CT in Dünnschichttechnik ggf. mit knöcherner Rekonstruktion zur Darstellung Myelo-CT-Untersuchung bei gezielter Fragestellung: z. B. Instabilität, Spondylodiszitis Nativaufnahme (WS Röntgen in 2 Ebenen) bei länger persistierenden Beschwerden zur Erkennung und Gradierung von Paresen: EMG aus den Kennmuskeln/Neurographie (Wilbourn et al. 1998) Abgrenzung gegenüber Neuritiden bei klinischem Verdacht: Basislabor mit Entzündungsparametern (Spondylodiszitis) bei begründetem Verdacht: Serologie ggf. Liquordiagnostik: Radikulitis bei Borreliose, Zoster, Infektion mit Myobacterium tuberculosis, Meningeosis, SAB THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 15 Wurzelkompressionssyndrom - zervikal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Aufklärung und Beratung frühzeitige Mobilisation reduziert sofort und kurzzeitig die Schmerzen im Vergleich zu keiner Behandlung (Achtung: Daten über längerfristige Effekte liegen nicht vor) - das Tragen einer halb-harten Halskrause, kombiniert mit allgemeiner Immobilisation („taking rest as much as possible") über 3 Wochen, mit anschließender Entwöhnung von der Halskrause als auch Physiotherapie 2x/Wo. sind abwartendem Verhalten ohne therapeutische Intervention in der frühen Phase der zervikalen Radikulopathie in Bezug auf die Schmerzreduktion überlegen (Kuijper et al. 2009). Kontinuierliche oder intermittierende Traktionsbehandlungen zur Schmerzlinderung können nicht empfohlen werden (Graham et al. 2008, Young et al. 2009). Konservative therapeutische Verfahren sind dabei nach der bisherigen Datenlage gleichwertig und besser als keine Therapie multimodales, interdisziplinäres konservatives Vorgehen Ruhigstellung, Halskrause, Hüftgurt als auch eine mobilisierende Physiotherapie THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 16 Wurzelkompressionssyndrom - zervikal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Physikalische Maßnahmen In Bezug auf die Anwendung physikalischer Maßnahmen (z.B. Massagen) kann keine Empfehlung ausgesprochen werden, da es zu wenige kontrollierte Studien gibt (Haraldsson et al. 2006, Kroeling et al. 2009) Medikamentöse Therapie schwache Evidenzlage zur oralen Medikation bei zervikaler Radikulopathie Orientierung am Stufenschema zur Behandlung von Schmerzen lt. WHO (WHO 1996) - Analgetika (z. B. Paracetamol 2–3 x 500–1000 mg/d, maximal 4 g/d) - nicht steroidale Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen 400–800 mg alle 6–8 h [maximal 2400 mg/d] oder Diclofenac 50–100 mg alle 8 Stunden [maximal 150 mg/d]) - Bei Versagen auch höherpotente Analgetika (z. B. schwach wirksame Opioide wie Tramadol 100–200 mg alle 6–8 h [maximal 600mg/d] oder stark wirksame Opioide wie Fentanyl transdermal 12,5–75 µg/h) - Muskelrelaxanzien bei begleitender Muskelverspannung, die nicht durch Schmerzmittel durchbrochen werden können THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 17 Wurzelkompressionssyndrom - zervikal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Infiltrative Maßnahmen bei länger anhaltenden Schmerzen Empfehlung periradikulärer CT-gesteuerter Steroidapplikation (Cyteval et al. 2004), aber: als Leitlinien nicht empfohlen Antibiotische Therapie bei Lyme-Borreliose, antivirale Therapie bei Zoster, Behandlung von Spondylodiszitiden. Andere Therapien Bei chronischen Schmerzen (Schmerzen über 6 Monate) multimodale und multidisziplinäre Therapie mit Analgetika, trizyklischen Antidepressiva, selektiven Serotonin- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmern oder Gabapentin/Pregabalin Physio- und Sporttherapie (Jordan et al. 2011) behaviorale Psychotherapie (Eccleston et al. 2009) mit Entspannungsverfahren, Techniken der Krankheitsverarbeitung und Stressbewältigung THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 18 Wurzelkompressionssyndrom - zervikal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Operative Therapie bisher keine ausreichende Zahl qualitativ hochwertiger Studien, die operative und konservative Therapieverfahren in der Behandlung der zervikalen Radikulopathie miteinander vergleichen. Somit gibt es auch keine ausreichend validen Daten, die zeigen könnten, dass eine Operation im langfristigen Verlauf ein besseres Ergebnis erzielt als ein konservatives Vorgehen (unabhängig von der Art und Dauer der Symptomatik) (Fouyas et al. 2010). Aber: OP verkürzt Schmerzdauer, was in vielerlei Hinsicht sehr relevant sein kann (Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit etc.). absolute OP-Indikation: progrediente, funktionell relevante motorische Ausfälle (schlechter als Kraftgrad 3/5), vegetative Störungen trotz ausreichender intensiver konservativer Maßnahmen über 8–12 Wochen nicht therapierbare Schmerzen (abhängig vom Leidensdruck der Patienten) relative OP-Indikation: THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 19 Wurzelkompressionssyndrom - zervikal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Operative Verfahren: - offene Diskektomie in mikrochirurgischer Technik ggf. mit interkorporeller Spondylodese (sog. Fusion mit unterschiedlichen Fusionsmethoden) über ventralen Zugang (HWS) oder Bandscheibenprothetik (zervikale Arthroplastik) - Sequesterektomie über eine dorsale Foraminotomie bei lateralen Sequester (Frykholm-OP) Allgemeine Gültigkeit: - offene, mikrochirurgische Diskektomie über anterioren Zugang hat höchsten Stellenwert - zur Vermeidung einer postoperativen segmentalen Instabilität wird als zweiter operativer Schritt interkorporelle Spondylodese (Fusion) vorgenommen (Jacobs et al. 2004). - zervikaler Arthroplastik (künstlicher Bandscheibenersatz, verschiedene Prothesen) gewinnt zunehmende Bedeutung - Datenlage alleinige Diskektomie vs. Diskektomie mit Fusion ist in Hinblick auf das klinisches Ergebnis nicht eindeutig (Jacobs et al. 2004, Jacobs et al. 2011) - Achtung: Kyphosen bei alleiniger Diskektomie (Xie et al. 2007). THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 20 Wurzelkompressionssyndrom - zervikal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Operative Verfahren: - Bei der interkorporellen Spondylodese findet häufig autologer Knochen Verwendung (Beckenkamm), der durch eine additive ventrale Platte stabilisiert wird (Wright u. Eisenstein 2007, Jacobs et al. 2011) - Alternativ zur Verwendung von autologem Knochen werden zunehmend synthetische Materialien (Titan, Polyetheretherketon [PEEK] etc.) mit vergleichbaren Ergebnissen verwendet (Bärlocher et al. 2002, Jacobs et al. 2004, Sasso et al. 2007, Jacobs et al. 2011) - wegen der mit der Spanentnahme assoziierten Schmerzen bei Verwendung autologen Knochens werden zunehmend synthetische Materialien (Lied et al. 2010) verwendet - die Nervenwurzeldekompression mit minimal invasiven perkutanen oder endoskopischen Verfahren (Tsou u. Yeung 2002, Saringer et al. 2003) ist noch nicht ausreichend standardisiert (fehlende Langzeitergebnisse, die einen Vorteil gegenüber den offenen Methoden belegen) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 21 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Aufklärung und Beratung - Bei erhaltener Mobilität steht am Anfang Aufklärung des Patienten und Aufforderung, zu normalen Aktivitäten zurückzukehren (Indahl et al. 1998) - Entlastung und Ruhigstellung sind für Patienten mit Lumbalgien in der Akutphase nicht empfehlenswert, da hierfür kein sicherer Therapieeffekt nachgewiesen wurde - für Patienten mit radikulären Syndromen ist eher Physiotherapie und Aktivität spätestens 4 Tage nach dem akuten Ereignis angezeigt (Hagen et al. 2000, Deyo et al. 2001, Hilde et al. 2002). - Bettruhe von mehr als 4 Tagen ist nicht empfehlenswert. Bei Patienten mit einer Ischalgie/Beinschmerzen besteht nach einem Cochrane Review jedoch kein Unterschied zwischen Bettruhe und Aktivität (Dahm et al. 2010), jedoch auch kein Anhalt, dass der Patient durch Bewegung Schaden nimmt THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 22 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Physikalische Maßnahmen - Datenlage für die Radikulopathie unzureichend (Chou u. Huffman 2007a) - positiver Effekt in Akutphase: lokalen Wärmeanwendungen (kein Wirkungsnachweis bei chron. Rückenschmerzen) - Bewegungstherapie im Wasserbad, Entspannungsübungen und Lockerungsübungen können nicht eindeutig bewertet werden (Long et al. 2004) Massage und Elektrotherapie - Kombination von Massage mit Bewegungstherapien kann bei subakuten und chronischen Rückenschmerzen hilfreich sein (Furlan et al. 2008) - bei der akuten Radikulopathie mit paravertebralem Hartspann ist unter empirischen Gesichtspunkten Kombination von Elektrotherapie und Bindegewebsmassage zur Normalisierung des Muskeltonus und somit zur Schmerzreduktion sinnvoll prinzipiell ist aktiver Therapie der Vorzug zu THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 23 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Spinale Manipulationen - beim akuten lumboradikulären Syndrom kontraindiziert - bei akuten Rückenschmerzen ohne radikuläre Symptomatik scheint die spinale Manipulation innerhalb der ersten 4–6 Wochen hilfreich zu sein - Manuelle Therapie ist anderen Verfahren wie Physiotherapie oder Pharmakotherapie nicht überlegen (Assendelft et al. 2004). - Wert von Traktionsverfahren ist umstritten (Gudavalli et al. 2006, Rubinstein et al. 2011) und erwies sich in einem systematischen Review bei akuten lumbalen Schmerzen mit Beinschmerzen als nicht wirksam (Clarke et al. 2007) Physiotherapie und Rückenschule - Bei akuten Rückenschmerzen mit Beinschmerzen ist Bettruhe oder die Durchführung von Physiotherapie nicht besser als Weiterführung der Aktivitäten des täglichen Lebens (Hofstee et al. 2002) - bei schmerzbedingt eingeschränkter Mobilität ist gezielte Physiotherapie zur Korrektur der Fehlhaltung und Muskeltonuserhöhung hilfreich - auf den Schmerz und den Funktionsstatus hat die Physiotherapie wenig Einfluss THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 24 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Rückenschule = präventives Training der Rückenmuskulatur bei rezidivierenden Kreuzschmerzen - Hinweise für eine Besserung von Schmerz und Funktion vor allem bei rezidivierenden und chronischen Rückenschmerzen (lt. Cochrane) Verhaltenstherapie - Aufgrund der Interaktion von somatischen und psychischen Faktoren bei der Schmerzentstehung und -unterhaltung ist es vor allem bei chronischen Rückenschmerzen ein vorrangiges Ziel, durch die Beeinflussung der kognitiven Prozesse eine Symptombesserung zu erreichen - Häufige Kombination mit medikamentöser Therapie und Physiotherapie - beinhaltet Abbau angstmotivierten Vermeidungsverhaltens - Ziel ist nicht die Schmerzbeseitigung, sondern das Erreichen einer verbesserten Schmerzbewältigung und eines höheren Funktionsniveaus - Nutzen solcher Programme ist für den chronischen Rückenschmerz gut belegt (Pfingsten 2004, Pfingsten u. Schops 2004, Jensen et al. 2010) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 25 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Pharmakotherapie - Aufgrund des Nebenwirkungsprofils zuerst Nicht-Opiod-Analgetika (Paracetamol) - Paracetamol: 2–3 × 500–1000 mg/d (Tageshöchstdosis 4 g), bei unzureichender Wirkung nicht steroidale Antiphlogistika/Antirheumatika (NSAR, z.B. Ibuprofen, Indometacin, Naproxen) - NSAR bei stärkeren Schmerzen (Chou u. Huffman 2007b) - Anfangsdosis sollte so niedrig wie möglich sein - gastrointestinalen Nebenwirkungen beachten, KI ist schwere Herzinsuffizienz - bei gastrointestinalen Risiken prophylaktische Kombination mit Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol 20 mg/d) empfohlen - Opioiden bei chronischen Kreuzschmerzen wirksam (Noble et al. 2010) - bei Therapieresistenz können Opioide bei akuten Schmerzen für maximal 2–3 Wochen gegeben werden, bei chronischen Schmerzen unter Kontrolle der Wirksamkeit auch länger - bei fehlendem Ansprechen innerhalb von 6 Wochen - Absetzen - Myotonolytika (Tizanidin, Methocarbamol) können kurzfristig Erfolg bringen (Achtung: Fahrtauglichkeit, Abhängigkeit) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 26 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Pharmakotherapie - Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Duloxetin) bei chron. Rückenschmerzen wahrscheinlich wirksam, wenngleich Studienlage uneinheitlich ist (Urquhart et al. 2008) - orale Kortikoidgabe in einer Dosis von 50–100 mg Prednisolon pro Tag kann empirisch insbesondere bei foraminalen Hernien kurzfristig zu einer deutlichen Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung führen - Lokale Injektionsbehandlungen (periradikuläre Infiltrationen): Studienergebnisse zeigen kein einheitliches Bild. Methode ist relativ sicher (McGrath et al. 2011), epidurale Injektionen mit Steroiden können kurzzeitige Linderung erbringen, aber beeinflussen nicht den Status nach 3 Monaten oder die Häufigkeit der operativen Intervention (Jordan 2007) - Radiofrequenzdenervation der Facettengelenke: keine Empfehlung derzeit - Antibiotische Behandlung bei infektiösen Radikulopathien (z. B. Lyme-Borreliose, Spondylodiszitis) über ausreichend langen Zeitraum THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 27 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Allgemeine Empfehlungen zur Therapie Operative Therapie - ältere Arbeiten: vorübergehende Überlegenheit der operativen Verfahren - neuere Studien: nach 10 Jahren Pat. zufriedenheit in OP-Kollektiv größer als in konserv. Kollektiv, aber Zahl der Nachoperationen/Behinderungen und Symptomreduktion vergleichbar - Trend bezüglich der Schmerzreduktion für operierte Patienten - früh operierten Patienten zeigen schnellere Erholung und Schmerzlinderung Absolute Indikationen für eine Operation - Kauda-Syndrom mit akuter Paraparese bei Massenvorfall oder pathologischer Wirbelkörperfraktur - Blasen- und Mastdarmlähmungen - progrediente und akut aufgetretene schwere motorische Ausfälle (schlechter als KG 3/5) Relative Indikation - trotz ausreichender intensiver konservativer Maßnahmen (in der Regel über 6 Wochen) keine ausreichend therapierbare Schmerzen bei passender klinischer Symptomatik und zur Klinik passender bildmorphologisch gesicherter Wurzelkompression THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 28 Wurzelkompressionssyndrom - lumbal Operative Maßnahmen Offene Sequesterentfernung und/oder Nukleotomie in mikrochirurgischer Technik: - Sequesterentfernung ohne Diskektomie in meisten Fällen ausreichend und komplikationsärmer (Schick u. Elhabony 2009) - Patienten mit symptomatischen Rezidivvorfall und Re-OP haben nach 2 Jahren ein schlechteres Ergebnis als Patienten mit einem nicht symptomatischen Rezidivvorfall (Lebow et al. 2011) - Verwendung eines Endoskops zeigt im Vgl. zur offenen OP in einer doppelblinden randomisierten Studie nach 2 Jahren keinen signifikanten Unterschied (Arts et al. 2011) perkutane Laserdiskektomie: - keine Vergleichsstudien zur mikrochirurgischen Technik Stabilisierungsoperation ggf. mit Dekompression: - Wirbelkörperdestruktion, Spondylolisthesis, therapieresistente Spondylodiszitis (Hemi-)Laminektomie oder erweiterte Fensterung mit Dekompression der Gegenseite („Undercutting") mit und ohne Stabilisierung: - Claudicatio caudae equinae (neurogene Claudicatio) künstliche Bandscheiben: - derzeit kritisch bewertet (Kramer et al. 2005) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 29 Kraniozervikaler Übergangsbereich = Übergangsbereich zwischen Kopf und Hals (Gehirn, Rückenmark, Nerven und Blutgefäße – Arteria carotis interna, Arteria vertebralis, Vena jugularis) Bildung erfolgt durch Schädelbasis (Clivus, Okziput, Foramen magnum) sowie Axis und Atlas Knöcherne Fehlbildung (Malformation): - Atlasassimilation (Fusion von Atlas (C1) und Okziput) - Atlashypoplasie - Klippel-Feil Fehlbildung (Blockwirbel) - Os odontoideum (Knochenbein im Bereich des Atlas (C1)) - Platybasie (Abflachung der Schädelbasis) - basilare Invagination oder Impression („Einstülpen“ der oberen Halswirbel in die Schädelbasis) Trauma und dadurch bedingte Einklemmung von Rückenmark und/oder Nervenwurzel Instabilität: - Atlanto-axiale Subluxation, z.B. nach Trauma - Infektion - Tumor - rheumatoider Polyarthritis (PAR) / Paget-Krankheit THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 30 Kraniozervikaler Übergangsbereich Tumore: - Chordom - Meningeom - Schwannom - Metastase - primäre Knochentumore Gefäße: - Bow Hunter Syndrom (symptomatische Einklemmung der Vertebralarterie bei Kopfdrehung) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 31 Kraniozervikaler Übergangsbereich Symptome: - Kopf- und Nackenschmerz, Armschmerzen - Zeichen der Einklemmung der unteren (kaudalen) Hirnnerven - Zeichen einer Rückenmarkseinklemmung - Zeichen einer Kleinhirneinklemmung Diagnostik - CT und MRT - Gefäßuntersuchungen (angio MR, angio CT, Doppler, zerebrale Angiografie) - Komplementäre Verfahren (z.B. PET) - dynamische Röntgenuntersuchung für Ausschluss/Bestätigung einer Instabilität Therapie - konservativ oder chirurgisch erfolgen - Dekompression von Nervenstrukturen und einer gleichzeitigen Stabilisierung durch Metallstäbe und/ oder -schrauben THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 32 Zervikale Myelopathie = altersabhängige degen. Erkrankung der HWS, die über nur teilweise aufgeklärte Pathomechanismen zu einer Kompression und fkt. Schädigung des Zervikalmarkes führt Pathomechanismus - degen. Veränderungen der HWS führen nahezu ausschließlich bei prädisponierendem engen Zervikalkanal zu einer Kompression des zervikalen Myelons oder dessen Blutgefäße - durch Kompression von Myelon und Nervenwurzeln kommt es zur direkten Schädigung der Myelinscheide, später auch des Axons und sekundär auch der Integrität des Zellsomas - motorischen und sensiblen Symptome sowie Schmerz sind Folgen der Entwicklung, verstärkt durch eine dynamische Komponente infolge der Bewegung - vaskuläre Faktoren (Drosselung der arteriellen Blutzufuhr, Reduktion des venösen Abflusses durch den Druck) sowie ein Myelonödem tragen zur Pathogenese bei Trias aus Kompression von Rückenmarks, Gefäßen/Ischämie und intramedullärem Ödem THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 33 Zervikale Myelopathie Symptomatik: - variablen Kombination radikulärer Ausfälle an den oberen Extremitäten (spondylotische Radikulopathie) und Symptomen einer Rückenmarkschädigung (zervikale spondylotische Myelopathie) - Neurologische Zeichen: - Schädigung der Pyramidenbahn - spastische Tonuserhöhung - aufgrund der Störung der Afferenzen: breitbasig-ataktisches Gangbild - Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion eher gering - Atrophien und periphere Paresen der Handmuskeln mit Störungen der Feinmotorik Quantifizierung der Funktionseinbußen sowie Basis für die Erfassung von Therapieeffekten über den Japanese Orthopaedic Association (JOA) Score (Erfassung der motor. und sens. Funktionen aller Extremitäten sowie der Blasenfunktion) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 34 Zervikale Myelopathie Diagnostik - klinisch-neurologische Untersuchung mit Anamneseerhebung - MRT der HWS - Elektromyografie und Nervenleitungsmessungen bei VD auf radikuläre Läsion - SSEP und MEP zur Objektivierung der Beschwerden und Quantifizierung (z. B. Verlaufsuntersuchung bei N. medianus und N. tibialis) - Beurteilung der Blasenfunktion (Restharnsonografie) - kraniales MRT (Ausschluss vaskulärer Enzephalopathie, Leukenzephalopathien) - bei klinischem Verdacht (Risikogruppen: atrophische Gastritis, Vegetarier/Veganer, Patienten > 80 Jahre): Vitamin-B12-Spiegel, Methylmalonsäure, Homozystein, Holocobalamin (zum Ausschluss einer funikulären Myelose) - bei klinischem Verdacht Basislabor mit Borrelien-Serologie, Liquoruntersuchungen (Abgrenzung entzündlicher Erkrankungen) - Rö - HWS - CT der HWS, wenn knöcherne Veränderungen im Vordergrund stehen (Osteophyten, Hypertrophie der Facettengelenke; Kalzifizierung der Ligamente) knöcherne Rekonstruktion zur Ermittlung der Spinalkanalweite - Myelografie mit anschließendem Myelo-CT THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 35 Zervikale Myelopathie Therapie randomisierte Studien liegen nicht vor (Fouyas et al. 2002, Isenmann u. Thier 2002). - konservativer Therapieversuch bei geringer Funktionsstörung und fehlender oder nur geringer klinischer Progredienz und höherem Lebensalter (Kadanka et al. 2002) - engmaschige klinische Untersuchungen erforderlich - Prognose eines operativen Vorgehens bei lange andauernder Gangunsicherheit, älteren Patienten und Verschlechterung einer vorbestehenden Myelopathie begrenzt - Indikationsstellung zu chirurgischem Vorgehen nur, wenn klinische Symptomatik eindeutig mit Bildbefunden korreliert oder eine gravierende elektrophysiologische Befundverschlechterung zu verzeichnen ist Absolute OP-Indikation: - rasch progrediente, durch eine zervikale Myelopathie verursachte Querschnittsymptomatik elektive OP-Indikation: - bei Gangstörung und deutlicher Feinmotorikstörung der Hände sowie Blasenstörung . THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 36 Zervikale Myelopathie Therapie Operative Therapie Ziel ist Dekompression des Rückenmarks und ggf. der Wurzeln sowie Vermeidung bleibender neurologischer Ausfälle bzw. das Aufhalten einer weiteren Progredienz - da lange bestehende Myelopathien auf eine operative Therapie schlecht anzusprechen scheinen, sollte bei Vorliegen einer Indikation der operative Eingriff rasch erfolgen (Handa et al. 2002) Operationstechniken - Techniken abhängig von Zahl der betroffenen Segmente, Lokalisation der Enge und Sagittalprofil der HWS ab (Rao et al. 2006). Anteriore Verfahren: - umschriebene Stenosen (1 oder 2 Segmente), ggf. mit Foraminotomie - mediane Vorfälle, Ossifikation des hinteren Längsbandes, ventrale Osteophyten - zervikale Instabilität mit der Notwendigkeit einer Fusion bzw. Flexionsdeformitäten (Titan, Polyetheretherketon [PEEK]), ggf. Verplattung Posteriore Verfahren: - überwiegend von dorsal verursacht, mehr als 2 Segmente (Laminoplastie/-ektomie) - ggf. Stabilisierung durch ein Schrauben-Stab-System) THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 37 Spinalkanalstenose = umschriebene, knöchern ligamentäre Einengung des Spinalkanals - relative Spinalkanalstenose (10–14 mm Sagittaldurchmesser) - absoluten (< 10 mm) unterschieden - Achtung: keine Erfassung des lateralen Durchmesser des Rec. lateralis Klassifikation: - primäre (anlagebedingte) Faktoren der Entwicklung: - Degeneration der Bandscheibe führt zu ventraler Einengung und Höhenminderung - gleichzeitige Einengung des Recessus und das Neuroforamen - verstärkte segmentale Mobilität führt zu Mehrbelastung der Facettengelenke - subklinische Segmentinstabilität mit ossären Anbauten als Folge mit konsekutiver Hypertrophie der Facettengelenke THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 38 Spinalkanalstenose Pathophysiologie bei fehlender Kompensation folgt manifeste Instabilität i.S. einer Spondylolisthesis mit Nervenwurzelkompression - Stehbelastung führt zu einer Hyperlordosierung des betroffenen Segmentes mit weiterer Vorwölbung des Ligamentum flavum in den Spinalkanal - mechanische Irritation der Nervenwurzeln + vaskuläre Kompression - Pathophysiologisch werden arterielle Ischämie als auch venöse Kongestion diskutiert - unter Gehbelastung dekompensiert die vaskuläre Versorgung der Spinalnerven, die in Ruhe meist noch ausreicht - Claudicatio spinalis als Resultat der Entwicklung THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 39 Spinalkanalstenose Klinische Symptomatik langjährige, schleichend progrediente Rückenschmerzen belastungsabhängige Schmerzausstrahlung in die Beine Müdigkeit und Schweregefühl im weiteren Verlauf HypästhesieN und Paresen Kaudasyndrom selten durch Aufhebung der beschriebenen Hyperlordosierung (siehe Pathophysiologie) beim Radfahren oder das Aufstützen auf einen Einkaufswagen Linderung DD peripheren arteriellen Verschlusskrankheit: Stehenbleiben für Erholung ausreichend beachte Komorbiditäten: Polyneuropathie bei Diabetes mellitus Coxarthrose Facettengelenksarthrose und Instabilität des betroffenen Segmentes gleichzeitig vorliegender Bandscheibenvorfall Patienten während der ärztlichen Untersuchung häufig schmerzfrei und ohne neurologische Auffälligkeiten präsentieren, aber Einschränkung der Mobilität und der Lebensqualität oftmals eklatant THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 40 Spinalkanalstenose Diagnostik Anamnese und neurologische Untersuchung hinweisend elektrophysiologische Diagnostik ohne charakteristische Hinweise bei therapieresistente Schmerzen oder eine radikuläre Ausfallssymptomatik bildgebende Abklärung (MRT) ggf. CT bei Instabilität im Sinne eines Wirbelversatzes oder eines Wirbelgleitens Rö - LWS Frakturen, Tumoren, Spondylodiszitis und Skoliose Lumbale Myelografie mit Postmyelo-CT THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 41 Spinalkanalstenose Therapie Spontanverlauf bei der lumbalen Spinalkanalstenose nicht ausreichend untersucht - Beschwerden scheinen bei den meisten Patienten (60 bis 70 %) mittelfristig zu stagnieren - bei Patienten mit ausgeprägten Symptomen, Spondylolisthese und hochgradiger Stenose ist von einer Befundprogredienz auszugehen - Vorteil der operativen gegenüber der konservativen Therapie mit der Evidenzklasse I und II belegt - Operation verringert belastungsabhängigen Rückenschmerz auf der 10-PunkteSchmerzskala nach einem Jahr von 6,9 auf 2,7 vs. konservative Therapie: 5,1 - Operation führte zu einer schnelleren und signifikant besseren Beschwerdelinderung als die konservative Behandlung THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 42 Spinalkanalstenose Therapie Konservative Therapie Aufgrund des häufig wellenförmigen Verlaufs ist mit Ausnahme von stärksten Schmerzen oder ausgeprägten neurologischen Defiziten initial zunächst die konservative Therapie indiziert - Kombination medikamentöser, krankengymnastischer und physikalischer Strategien - idealerweise multimodales Therapiekonzept - vordergründig schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente (NSAR) kurzfristige Corticoidgabe, ggf. Opioide, Muskelrelaxantien - entlordosierende Flexionsübungen, medizinische Trainingstherapie zur Stärkung der stabilisierenden Bauch- und Rückenmuskulatur sowie Laufband- und Ergometertraining - Elektrotherapie (TENS) - passive Maßnahmen und entlordosierende Orthesen - therapeutische Infiltrationen epidural, periradikulär oder im Bereich der Facettengelenke - Claudicatio spinalis lässt sich konservativ kaum beeinflussen Im Gegensatz zum Vorfall, der zur spontanen Regredienz neigt, ist bei der Spinalkanalstenose eine chronische, langsame Progredienz degenerativer Veränderungen zu erwarten THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 43 Spinalkanalstenose Therapie Operative Therapie besteht bei kongruenter klinischer und radiologischer Befunde nach Versagen adäquater konservativer Therapiemaßnahmen über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten. Laminektomie: - Entfernung von Dornfortsätze, Wirbelbögen, Ligamenta flava und Gelenkanteile Fensterung: - interlaminäre Fensterungstechniken zur Dekompression der Nervenwurzeln und unter Erhalt dorsaler knöcherner/bindegewebiger „Zuggurtung“ Stabilisierung: - Resektion dieser ligamentären und ossären Strukturen zzgl. Stabilisierung Achtung: Funktionsaufnahmen zur präoperativen Klärung Interspinöse Spacer: - Rationale ist segmentale Entlordosierung und damit eine Erweiterung des Spinalkanals unter Belastung - bislang fehlt jedoch Vergleich zwischen Spacer und Dekompressionsoperation THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 44 THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 45 Vielen Dank http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-052l_S1_Zervikale_spondylotische_Myelopathie_2012_1.pdf http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-082l_S1_Zervikale_Radikulopathie_2012.pdf http://www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL_2012/pdf/ll_75_2012_lumbale_ radikulopathie.pdf http://www.neurochirurgie.uni-duesseldorf.de/index.php/kranio-zervikaler-uebergang http://www.aerzteblatt.de/archiv/60175/Die-degenerative-lumbale-Spinalkanalstenose-Aktuelle-Strategien-in-Diagnostik-und-Therapie THEMA DER ARBEIT IN KURZFORM 46