3.1 3.1 Grundwasser und Aquifere Definitionen und Grundbegriffe Grundwasser (GW): Wasser unterhalb der Bodenoberfläche Grundwasserkörper: Grundwasservorkommen oder Teil davon Grundwasserleiter (GWL): geologische Formation, die aufgrund von Hohlräumen Wasser (Aquifer) Grundwasserstockwerk: führen kann wenn mehrere GWL durch gering- oder nahezu undurchlässige Schichten getrennt sind, wird von einer Gliederung des Grundwasserkörpers in Stockwerke gesprochen Lockergesteins-GWL: Poren-GWL aus Sanden und/oder Kiesen (v Festgesteins-GWL: - Kluft-GWL (v einige Meter pro Tag) - Karst-GWL (v 100 m/d) 1 m/d) Grundwassermächtigkeit: wassererfüllter Anteil eines GWL Grundwasserstauer: geologische Formationen, die GW nicht leiten (Aquiclude) gesättigte (Boden-)Zone: Hohlräume sind vollständig mit Wasser erfüllt ungesättigte (Boden-)Zone: Hohlräume enthalten Wasser und Luft (Vadose- Zone) Standrohrspiegelhöhe: Summe aus geodätischer Höhe und Druckhöhe (Druckspiegel) in einem Standrohr (engl. hydraulic head) Grundwasserdruckfläche: Verbindung einzelner Standrohrspiegelhöhen im Raum Grundwasserspiegel: Wasserspiegel in einer Grundwassermeßstelle Grundwasserstand: Höhe des Grundwasserspiegels zur Bezugsebene (z.B. NN) Grundwasseroberfläche: Oberfläche des Grundwasserkörpers Grundwasserflurabstand: Abstand zwischen Gelän d eo b erk an t e (GOK) u nd Grundwasserspiegel freier (phreatischer) GWL: GWL mit frei beweglicher Grundwasseroberfläche innerhalb des GWL ( engl. unconfined oder water table aquifer) gespannter GWL: GWL, der von einer nahezu undurchlässigen Deckschicht überlagert ist. Die Standrohrspiegelhöhe ist höher als die Deckschicht. Extremfall: Artesischer GWL: Standrohrspiegelhöhe steht über Gelände. (engl. confined aquifer). halbgespannter GWL: GWL, der durch eine halbdurchlässige Schicht von einem weiteren GWL getrennt ist (engl. leaky aquifer) schwebender GWL: örtlich und oft zeitlich begrenzter Grundwasserkörper auf einer regional begrenzten schlecht durchlässigen Schicht innerhalb der ungesättigten Zone (engl. perched aquifer) Leakage: Ausgleich zwischen zwei GWL durch eine halbdurch-lässige Schicht 3.1 3.2 Hydrologische Aufteilung des Untergrundes 3.2.1 Feuchtigkeitszonen Abb. 3.1: Hydrologische Aufteilung des Untergrundes in die ungesättigte (Vadose) und gesättigte Zone (Mattheß und Ubell, 1983) Die erste hydrologische Aufteilung des Untergrunds ist nach dem Grad der Sättigung des porösen Mediums mit Wasser. a) die ungesättigte oder Vadose-Zone, wo die Poren nur teilweise mit Wasser aufgefüllt sind. Diese Zone ist besonders in der Bodenphysik und in der Landwirtschaft von Bedeutung, als Quellzone für das von Pflanzen aufgenommene Wasser. Darüber hinaus ist sie aber auch die “Durchgangszone” für die von der Erdoberfläche eingetragenen Schadstoffe. b) die gesättigte Zone ist die eigentliche Grundwasser-Zone und der Hauptspeicher von Untergrundwasser. Wie später gezeigt wird, sind die physikalischen Gesetze der Geohydraulik in den beiden Zonen sehr verschieden. Die der Vadose-Zone sind sehr viel komplexer und sind auch erst in jüngster Zeit genauer erforscht worden. Dagegen sind die wesentlichen Zusammenhänge der Grundwasserdynamik schon länger bekannt. 3.2 3.2.2 Aquifere und Aquitards 3.2.2.1 Hydrologische Klassifikation Bei der hydrologische Klassifikation von Grundwasser-Aquiferen wird der Untergrund zunächst nur als ein poröses Medium betrachtet dessen Poren mit Wasser gefüllt (Porosität), welches sich mehr oder weniger gut bewegen kann (hydraulische Durchlässigkeit). Abb. 3.2: Aquifere, Standrohrhöhen und Grundwasser (Bear and Verruijt, 1987) Abb. 3.3: Aquifere, Standrohrhöhen und Grundwasser ( Mattheß und Ubell, 1983) 3.3 Zufolge Abb. 3.2 und 3.3 unterscheidet man: 1) Ungespannter (phreatische) (engl. unconfined) Aquifer: Oberster Aquifer, der nach oben durch den Wasserspiegel abgegrenzt ist; daher ist die Spiegelstandrohrhöhen gleich dem Wasserspiegel. 2) Gespannter (artesischer) (engl. confined) Aquifer: Aquifer, der zwischen zwei mehr oder weniger undurchlässigen Schichten (Aquitard oder Aquiclude “gesandwicht” ist. Die Spiegelstandrohrhöhe liegt über der oberen Deckschicht und im Fall eines artesischen Aquifers sogar über der Erdoberfläche. Für den Fall, daß die obere Deckschicht zum ungespannten Aquifer relativ durchlässig ist, spricht man auch von einem halbgespannten Aquifer. Beispiele: Pariser Becken ( mit ursprünglicher Sprunghöhe von 33 m über EO) und Dakota Aquifer System (Abb. 3.4-3.6). Durch langjähriges Überpumpen liegt die Spiegel standrohrhöhe allerdings heute unter EO. Geologisch entstehen artesische Aquifer-Systeme vornehmlich in topographischen Senken, insbesondere wenn sich durch Ablagerungen oder tektonische Verwerfungen noch impermeable Deckschichten über dem GWL ausbilden (s. Abb. 3.6) 3) Leckender (leaking) Aquifer: Ungespannter oder gespannter Aquifer, dessen Deck- oder Bodenschicht relativ durchlässig ist. Die meisten Aquifere sind immer etwas leckend. 4) schwebender (engl. perched) Aquifer: Diese sind oft Ursache von zeitweiligen Quellen im Mittelgebirge nach starken Niederschlägen und bezeichnen eine Ansammlung von Grundwasser über einer wasserundurchlässigen Schicht oberhalb eines Haupt-Aquifers. 5) Aquitard oder Aquiclude: Wasserundurchlässige oder wenig-durchlässige Schicht, die Aquifere voneinander abgrenzt. 6) Aquifuge: Grundwassernichtleiter Bedeutung des Aquifers als: 1) Wasser-Quelle (Problematik des Yields (Ergiebigkeit), s. Kap. 1.3.1.1) 2) Wasserspeicher 3) Wasserleiter 4) Filter 5) Kontrollfunktion für Basisabfluß von Fließgewässern 3.4 Abb. 3.4: Typisches artesisches Aquifer-System (Pariser Becken) ( Mattheß und Ubell, 1983) Abb. 3.5: Lageplan des Dakota- artesischen Aquifer-Systems ( Mattheß und Ubell, 1983) Abb. 3.5: Das Dakota- artesische Aquifer-Systems ( Mattheß und Ubell, 1983) 3.5 Abb. 3.6: Zur geologische Ausbildung von artesischen Aquiferen ( Mattheß und Ubell, 1983) Abb. 3.7: Ausbildung eines artesischen Aquiferen im Permafrost ( Mattheß und Ubell, 1983) 3.6 3.2.2.2 Geologische Klassifikation Ausgangspunkt der geologischen Klassifikation von Aquiferen ist die Art der Poren, die sich in unterschiedlichen Gesteinen ausbilden können. Dementsprechend unterscheidet man folgende Aquifertypen (Abb. 3.8): (1) Poren- oder Lockergesteins- Aquifere, in Sedimentgesteinen wo die Porenräume aufgrund der Agglomeration von diskreten Mineral-Körnern entstanden sind (z.B. fluviale Sandaquifere), die u.U. aufgrund vom lithostatischen Druck und erhöhter Temperatur sich noch zu einem festerem Gestein (z.B. Sandstein) konsolidieren können (sogenannte Diagenese). Grundsätzlich sind solche Sediment-Formationen gute Aquifere. Beispiele: Fluviale Terrassen Aquifer (2)Kluftwasser Aquifer in Feuer- und metamorphen Gesteinen haben inherent fast keine Porosität, jedoch können Poren im beträchtlichen Maße in Form von tektonischen Rissen und Klüften auftreten, so daß die Gesamtporosität solcher Aquifere, besonders wenn das Gestein noch verwittert ist (Schiefer), bis auf 0,5 anwachsen kann. Trotzdem ist die Menge an beweglichem Wasser (d.h. die Ergiebigkeit des Aquifer) i.a. gering, es sei denn, die Klüfte bilden ein zusammenhängendes Netz. Insbesondere können Basalt- Aquifer mit relativ hoher Kluft-Porosität z. T. sehr ergiebig sein. Beispiele: Vogelsberg- Basalt Aquifer (3) Karst-Aquifer in Kalkstein Formationen, wo die Poren mehr längliche Röhren und Kanäle bilden, die durch Lösung des Kalksteins durch das i.a. saure Grundwasser entstanden sind. Im Extremfall entstehen km-lange große unterirdischen Höhlen und Gänge, wo das Wasser wie in einem Gerinne strömt und wo die unten vorgestellten Modellvorstellungen bzgl. der Fluiddynamik ihre Gültigkeit verlieren. Karst-Aquifere sind die ergiebigsten Aquifere Beispiele: Florida, Schwäbische Alb. 3.7 Abb. 3.8: Mögliche Arten von Gesteinsporen in verschieden Gesteinen und die damit definierten Aquifer-Typen (Matheß und Ubell, 1983) Die Poren oder Hohlräume im Gestein lassen sich nach Abb. 3.8 aufteilen in Primäre Hohlräume: - Haufwerksporigkeit verfestigter und unverfestigter Sedimente - Primäre Hohlräume durch Einschlüsse bei der Entstehung chemischer und biogener Einflüsse - Primäre Hohlräume durch Gasaustausch aus dem Magma bei der Eruption Sekundäre Hohlräume: - Klüfte, Spalten und Schichtflächen - Hohlräume in Zerrüttungs- und Bruchzonen - Lösungshohlräume durch: * Auflösung wasserlöslicher Minerale * chemische Verwitterung einzelner Gesteine - Sekundäre Hohlräume durch Organismen und Kristallisationssprengungen 3.8 Unterscheidung wasserführender Bodenschichten nach ihrem geologischen Aufbau: Hohlräume mittlere Fließ- Poren-GWL Karst-GWL Kluft-GWL Porenraum Karstspalten Klüfte niedrig hoch geschwindigkeiten Speichervermögen je nach Art u. Flächenanteile der Klüfte gut gering gering Temperatur konstant schwankend wenig schwankend innere Oberfläche sehr groß klein klein gut schlecht mittel Filterwirkung 3.3 Aquifer- Oberflächengewässer Wechselwirkungen 3.3.1 Grundwasseraustritte (Quellen) Abb. 3.9: Zur Entstehung von Grundwasseraustritte (Quellen) ( Mattheß und Ubell, 1983) 3.9 Grundwasseraustritte (Quellen) entstehen grundsätzlich dort wo der Grundwasserspiegel zur Erdoberfläche ausstreicht. Die Klassifizierung der Quellen geschieht nach a) geologischer Struktur: 1) Schichtquellen entstehen an der Ausbißstelle der Grenze von GWL und Nicht-GWL meistens an Hanglagen (Abb. 3.9). Sie sind sehr häufig anzutreffen im Bundsandstein (GWL), der oft entweder über dem magmatischen Kristallin (Nicht-GWL) (wie im Schwarzwald) oder über Schiefer (im mittleren Deutschland) liegt, aber auch im Jura. Beispiele: Baden- Badener Quellen, Karstquellen in Florida mit maximaler Schüttung von Q= 24 m3/sec 2) Überfallquellen entstehen ähnlich wie Schichtquellen, jedoch in geologischen Mulden und Trögen wenn Nicht-GWL über einem GWL anliegt.. Beispiele: Vaucluse Quelle in Frankreich mit mittleren Q = 29 m3/sec; Karstquellen die für die Wiener Wasserversorgung genutzt werden. 3) Stauquellen entstehen, wenn sich infolge von tektonische Verwerfungen ein Nicht-GWL über einen GWL schiebt und sich an der Verwerfungsflächen größere, fast vertikale Klüfte ausbilden, in denen das Grundwasser an die Erdoberfläche aufsteigen kann. Beispiele: Paderquellen (Abb. 3.10) 4) Schuttquellen sind kleine, nicht-direkt sichtbare Quellen, die am Fuße von Bergsturzmassen unter dem hochpermeablen Geröll, das sich über der geringdurchlässigen Gebirgsschicht abgelagert hat, entstehen. b) Schüttung Bei der Schüttungseinteilung werden 8 Klassen unterschieden, wobei die 1. Klasse nach Meinzer (1925) Schüttungsraten Q > 2,83 m3/sec und die 8. Klasse Q < 7,9 ml /sec beinhaltet. Da die Schüttung der Quellen je nach Jahreszeit extrem schwanken, wird zwischen maximaler und mittlerer Schüttung unterschieden. Die ergiebigsten Quellen treten in Kalksteinaquiferen auf (sogenannte Karstquellen), obwohl auch große Quellen in Wechselschichten von Kies und vulkanitischen Gesteinen entstehen (z.B. Quellen am Snake-River in Idaho). 3.10 Abb. 3.10: Die Paderquelle als Beispiel einer Stauquelle ( Mattheß und Ubell, 1983) Beispiele von großen Quellen (in diesem Falle Karstquellen) 1) die Syrische Quellgruppe mit mittleren Q = 38,7 m3/sec, 2) die Silver Springs Quelle in Florida mit maximalen Q = 23,28 m3/sec 3) die Vaucluse Quelle in Süd-Frankreich mit mittleren Q = 29 m3/sec c) dem Quellmechanismus: Hier unterscheidet man vorwiegend 1) Absteigende Quellen: Das Wasser fließt mit freiem Spiegel dem Austrittspunkt zu. 2) Aufsteigende Quellen durch: a) Aufsteigen des Grundwassers durch gespannte Verhältnisse b) Aufsteigen durch auftreibende Gase (Wasserdampf, Luft, und insbesondere CO2 ) Aufgrund des geringeren hydrostatische Druckes beim Aufsteigen werdn die gelösten Gases zum Teil freigesetzt (==> sprudelnde Wässer, Säuerlinge) Beispiele: Thermalquellen und als Extremfall Geysire, die in unterschiedlichem Intervall-Zeiträumen eruptieren (Für den Old Faithful im Yellowstone Park liegt die durchschnittliche Eruptions-Periode zwischen 38 und 81 Minuten) 3.11 3.3.2 Aquifer-Fluß Wechselwirkungen Sohlen von natürlichen Flüssen sind ebenfalls Ein-oder Austrittstellen von Grundwässern. Im ersten Fall spricht von einem effluenten und im letzten Fall von einem influenten Fluß (s. Abb. 3.11). In den gemäßigten Klimazonen mit genügend Niederschlägen sind die Flüsse die meiste Zeit effluent, d.h. sie werden vom Grundwasser gespeist, was voraussetzt, daß der Grundwasserspiegel höher als der Flußpegel liegt. Nur bei kurzen Hochwasserspitzen kann es zum Umkehren des hydraulischen Gradienten kommen, so daß der Fluss Wasser in den Aquifer einspeist (Abb. 3.12) und dadurch influent wird. Unter Umständen besteht dann auch die Gefahr der Grundwasserverschmutzung, falls das Flußwasser anthropogen vorbelastet ist. Eine diesbezügliche Untersuchung wurde z. B. vom Autor für einen Industriefluß in Florida, der durch Einleitungen der Abwässer eines Zellstoffwerkes verschmutzt war, durchgeführt. Permanente influente Verhältnisse herrschen auch in ariden Zonen, wo die Flußbette häufig total austrocken. Während kurzer Starkregen füllen sich diese Wadi schnell mit Wasser, daß dann in den Boden infiltriert und den ausgetrockenen Aquifer speist. Die quantitative Beschreibung dieses influenten Infiltrationsvorganges ist von Bedeutung für das Verständnis der Grundwasserneubildung in diesen mit natürlichen Wasserressourcen wenig gesegneten Gebieten 3.12 Abb. 3.11 Aquifer-Fluß Wechselwirkungen. Oben: Effluenter Fluß; unten: Influenter Fluß (Fetter, 1994) Abb. 3.12: Influent-werden eines normalerweise effluenten Flußes während einer Hochwasser spitze (Fetter, 1994) 3.13