Fortbildung 29.04.2014, Forstamt Burgwald „Chancen nutzen – die waldbaulich richtige Behandlung der Douglasie“ Naturschutzfachliche Bewertung der Douglasie P. Meyer Inhalt Emotionen Definitionen und rechtliche Regelungen Eingeführte Arten Naturschutzfachliche Problematik Ökologie der Ausbreitung Naturschutzfachliche Bewertung der Douglasie Schlussfolgerungen Emotionen Reaktion auf eingeführte Arten bewegt sich zwischen zwei Polen Foto: M. Mößnang Hoffnung auf ökonomische Vorteile „Die Douglasie – der Baum für den Klimawandel“ (Badische Zeitung, 07.09.2009) Befürchtung einer Invasion Herkulesstaude = „Grüne Gefahr aus dem Kaukasus“ Sp. Traubenkirsche = „Waldpest“ Zitiert nac h Kowari k (2003) Definitionen BNatSchG, 2010, § 7: Heimische Art: aktuelles oder historisches Verbreitungsgebiet ganz oder teilweise im Inland oder natürliche Ausdehnung in das Inland durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Arten, die in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrer Generationen ihre Population erhalten Gebietsfremde Art: in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommend Invasive Art: Vorkommen außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets stellt für die dort natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial dar Definitionen Vegetationsökologische Definitionen: Neophyten Durch den Menschen ermöglichte Einwanderung erfolgte erst nach 1500 Archäophyten Durch den Menschen ermöglichte Einwanderung erfolgte vor der Entdeckung Amerikas (1500), meist bereits in prähistorischer Zeit (seit neolithischer Revolution) Agriophyten Neo- und Archäophyten, die in ihrem Weiterbestand vom Menschen unabhängig sind Rechtliche Regelung BNatSchG, 2010, § 40 (1) Es sind geeignte Maßnahmen zu treffen, um einer Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen und Arten durch Tiere und Pflanzen nichtheimischer oder invasiver Arten entgegenzuwirken. (2) Arten, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um invasive Arten handelt, sind zu beobachten. (3) Die zuständigen Behörden … ergreifen … Maßnahmen, um neu auftretende Tiere und Pflanzen invasiver Arten zu beseitigen oder deren Ausbreitung zu verhindern. … bei bereits verbreiteten Arten … Ausbreitung … verhindern … Auswirkungen der Ausbreitung … vermindern, soweit … Aussicht auf Erfolg und … nicht außer Verhältnis zu dem entsprechenden Aufwand ... Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für in der Land- und Forstwirtschaft angebaute Pflanzen im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 Nummer 1. (4) … Von dem Erfordernis einer Genehmigung sind ausgenommen 1. Der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft Rechtliche Regelung Entschließung des europäischen Rates 2009: „EU-Strategy on invasive alien species“ 16.04.2014: EU-Parlament nimmt mit 606 zu 36 Stimmen bei 4 Enthaltungen VO zum Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten (IAS) an: In-Kraft-Setzung durch den Ministerrat noch erforderlich List of Union concern der IAS (ohne Deckelung auf 50 Arten) Stopp der Ausbringung bzw. Begrenzung der Verbreitung von IAS, Maßnahmen koordinieren, Einschleppungswege aufklären und Monitoringsysteme einrichten Expertengruppe zur Beurteilung der Arten EU-Kommission kann Mitgliedsstaaten zugestehen, bestimmte IAS der List of Union concern kommerziell zu verwenden (z. B. Douglasie, Eucalyptus spp.) Rechtliche Regelung: Schwarze Liste Nehring et al. (2013): Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen. BFN-Skripten, 352. Rechtliche Regelung: Schwarze Liste Nehring et al. (2013): 38 invasiv = schwarze Liste, 42 potenziell invasiv Douglasie = invasiv, Managementliste Schwarze Liste – Managementliste: Vorkommen kleinräumig, keine geeigneten, erfolgversprechenden Bekämpfungsmaßnahmen bekannt oder Vorkommen großräumig Maßnahmen … nur lokal sinnvoll … darauf abzielen, den negativen Einfluss …auf besonders schützenswerte Arten, Lebensräume oder Gebiete zu minimieren Überwachung …sinnvoll Erforderlich sind … Forschungsaktivitäten zur Entwicklung neuer erfolgversprechender Methoden zur Bekämpfung oder zumindest verbesserten Kontrolle. Naturschutzfachliche Problematik Zielsetzung Naturschutz: Die autochthone und/oder historisch gewachsene biologische Vielfalt erhalten und wiederherstellen Gefährdungsursachen der Biodiversität in Wäldern (Millennium Ecosystem Assessment 2005) Naturschutzfachliche Problematik Mögliche Veränderungen autochthoner Ökosysteme durch eingeführte Arten: Verschiebungen der Artenzusammensetzung Verdrängung von Arten durch Konkurrenz und Allelopathie Sippenneubildung (z. B. Leinunkräuter) Erweiterung (z. B. N-Bindung Robinie) oder Einschränkung des Ressourcenangebots (Beschattung durch Neophyten) Ausbreitung von Krankheiten (z. B. Strobenrost (Cronatium ridicula) mit Pinus strobus von Europa nach Nordamerika eingeführt, ursprünglich an Zirbe ) Veränderung von Wasser- und Strahlungshaushalt … usw. Risiken oft nicht klar abzusehen sowie zeitlicher Veränderung unterworfen Naturschutzfachliche Problematik DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe, 2009): exponentielle Zunahme der in Europa auftretenden Arten in den letzten 100 Jahren Kosten: mind. 12 Milliarden € jährlich Aus: Hulme et al. (2009): Will threat of biological invasions unite the Europen Union? Science, 324, 40-41. Ökologie von Invasionsprozessen Verzögerung von Invasionsprozessen „time lag-Effekt“ • 88 % der nach Brandenburg eingeführten Gehölzarten mit „time lag“ • mittlere Dauer: 147 Jahre mögliche Ursachen: • Zeitraum zwischen Keimung und Fruchtreife • genetische Anpassung Einführung erste Ausbreitung • klimatische Veränderungen • Erhöhung der anthropogenen Störung → geeignete Standortsbedingungen signifikantes Populationswachstum aus: Heinken (2007) und Kowarik (1995), Plant Invasions, pp. 15-38 Ökologie von Invasionsprozessen Stufen der Invasion ökologische/ ökonomische Schäden 10% Dominanz, Verdrängung indigener Arten Invasive Pflanzenarten etabliert 10% Populationswachstum, Ausbreitung Williamson’s „tens rule“: Betrachtet man die einzelnen Stufen einer Invasion, so schaffen nur 10% der Arten den Schritt von einer zur nächsten Stufe gelegentlich verwildernd 10% selbstständige Fortpflanzung eingeführt aus: Heinken (2007) und Williamson (1993), Experientia 49: 219-224 Nentwig (2010): nicht mehr gültig, Ausbreitungswahrscheinlichkeit höher (17 % bei Pflanzen) Zurückdrängung von Neophyten Anteil bekämpfter Vorkommen und Erfolgsquote der Bekämpfung Vorsorge treffen! aus: Kowarik (2010): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Bewertung der Douglasie Spätheimkehrer oder Neubürger ? „Die Douglasie schickt sich an, ein altes Stück Heimat zurückzuerobern. Denn vor gut 12.000 Jahren hat sie die heimische Flora schon einmal durch ihre Erscheinung bereichert. Für das abrupte Ende war die Eiszeit verantwortlich …“ (Der Deutsche Waldbesitzer 4/2009) Fossiler Nachweis: „Fossil in Europa ist nur eine Art nach Nadeln im Oberoligozän und Miozän bekannt (Pseudotsuga oceanines [Ung.] Mai), deren Bedeutung gering blieb.“ (Mai, D. H. 1995: Tertiäre Vegetationsgeschichte Europas) 2,6 s Aussterben und Einführung von Pseudotsuga in einem Tag: Aussterben vor ca. 6 Mio. Jahren = 24 Stunden Einführung vor 184 Jahren = 2,6 Sekunden = 1/33.231-tel Auf der Strecke von Kassel nach Frankfurt a. M. (= 192 km) wären 5,8 m zurückgelegt worden 86.400 s Bewertung der Douglasie Zweite Bodenzustandserhebung 2008 388 Vegetationsaufnahmen - NI: 169 - HE: 139 - ST: 76 - HB: 4 400 m²-Flächen Durchführung 2007-2008 Bewertung der Douglasie Ergebnisse der zweiten Bodenzustandserhebung 2008 für Hessen Mittlerer Deckungsgrad Douglasie: Baumschicht = 1 % Krautschicht = 0,02 % Frequenz alle Schichten: 22 % 10 % 8% 7% Bewertung der Douglasie Auswirkungen auf die Biodiversität aus: Me yer (2011) Bewertung der Douglasie Knoerzer (1999): Zur Naturverjüngung der Douglasie im Schwarzwald Douglasienverjüngung ist vor allem auf den trockenen, sauren, basenarmen und hellen Standorten erfolgreich, die häufig naturschutzfachlich wertvoll sind. Douglasienanbau sollte auf die frischen und gutwüchsigen Bereiche beschränkt werden. Kowarik (2010): Biologische Invasionen Phase der Massenausbreitung setzt aufgrund des geringen Alters der meisten großflächigen Bestände erst ein. Damit besteht, anders als bei vielen Neophyten, die Chance einer vorbeugenden Risikominimierung. Ergebnisse BWI2: Douglasie auf 1,7 % der Waldfläche = ~ 180.000 ha; davon unter 40jährig = 71 % Douglasientyp = 171.000 ha; davon 80 % im Mischbestand Schlussfolgerungen Der Anbau der Douglasie bietet Chancen und Risiken; letztere sind schwer abschätzbar, daher sollte das Vorsorgeprinzip konsequent angewendet werden. Eine Ausdehnung der Anbaufläche der Douglasie ist im berechtigten Interesse der Forstwirtschaft. Aus Naturschutzsicht ist der Anbau der Douglasie nicht zielführend. Eine landschaftsökologische Planung des Anbaus ist erforderlich (v. a. Pufferzonen um schützenswerte Gebiete). Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte: Ausbreitung in der Landschaft, landschaftsökologische Planungsinstrumente, Biodiversität und waldbauliche Steuerung von Mischbeständen vs. Dominanzbeständen Vielen Dank! Marcus Schmidt Thilo Heinken Sebastian Reimann Bewertung von Waldbildern Fiktive Bewertung aus der Sicht … … der Forstwirtschaft … des Naturschutzes Die Anreicherung von Buchenwäldern mit Douglasien führt zu einer untypischen Veränderung der Krautschicht und zu einer geringeren Naturnähe. Die eingeführte Baumart Douglasie wird möglicherweise in naturschutzfachlich wertvollen Lebensräumen invasiv. Die Einbringung der Douglasie erhöht die Wertund Massenleistung erheblich und trägt zur Diversifizierung der Baumartenpalette bei. Mischbestände sind stabiler als Reinbestände. Die Douglasie ist an die zu erwartenden Klimaänderungen gut angepasst und in Zeiten des Klimawandels ein willkommener Ersatz für die Fichte. Bewertung der Douglasie Naturwald Neue Forst: Entwicklung von Freiflächen nach Douglasienräumung 1998: Douglasien-Reinbestände auf 4 Unterflächen vollständig geräumt 10/1999: flächendeckende Dgl-Naturverjüngung (Keimlinge) 2005 2011